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a25ffc16-8262-4595-9b3a-84e45371f95b | Urteilskopf
83 II 467
63. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Dezember 1957 i.S. Willy Vogel gegen Mécafluid Constructions Mécaniques et Fluids Appliqués SA | Regeste
Konzernmarke, Begriff;
Art. 6bis MSchG
(Erw. 2).
Zuteilung der Marke nach dem Wegfall des Konzernverhältnisses: Mangels vertraglicher Regelung kommt die Marke dem Unternehmen zu, dem sie nach den gesamten Umständen am nächsten steht (Erw. 4, 5).
Markenmässiger Gebrauch ist auch möglich an blossem Bestandteil einer Sache (Erw. 4 b).
Der Markeninhaber kann sich Dritten gegenüber auf den Ge. brauch der Marke durch den Erwerber der damit versehenen Ware ebenfalls berufen (Erw. 4 c). | Sachverhalt
ab Seite 468
BGE 83 II 467 S. 468
Aus dem Tatbestand:
Die Firma Willy Vogel in Berlin stellte seit 1927 eine Zentralschmierungsanlage für Automobile und andere Maschinen her, die mit einem einzigen Hebeldruck betätigt wird. Sie liess dafür am 6. November 1930 die Marke "Ein Druck" in der deutschen Warenzeichenkontrolle eintragen.
Am 4. Juli 1930 hatte der mit Willy Vogel befreundete französische Industrielle Brauda, der ebenfalls solche Schmierungsanlagen herstellte, im französischen Register dafür die Marke "Monocoup" eintragen lassen.
1931 wurde in Paris die Monocoup SA gegründet. Als Gründer trat formell Brauda auf, der auch die Marke "Monocoup" auf die Gesellschaft übertrug. Das Unternehmen war jedoch wirtschaftlich weitgehend von der Firma Willy Vogel abhängig und befand sich dieser gegenüber in der Stellung einer Tochtergesellschaft.
Die Firma Willy Vogel liess die Marke "Monocoup" 1933 im deutschen und 1936 im internationalen Markenregister eintragen.
Durch den Krieg wurden die früheren guten Beziehungen zwischen den beiden Firmen zerstört. Zu einer Zusammenarbeit kam es auch nachher nicht mehr.
Im Jahre 1951 liess die Monocoup SA, die ihre Firma in Mécafluid Constructions Mécaniques et Fluids Appliqués SA abänderte, die Wortmarke "Graissage Central Monocoup" im internationalen Markenregister eintragen. Die Firma Willy Vogel erhob im Jahre 1955 Klage auf Nichtigerklärung dieser Marke für das Gebiet der Schweiz.
Das Handelsgericht Bern wies mit Urteil vom 25. Juni 1957 die Klage ab. Es ging davon aus, dass die Marke "Monocoup" wegen der engen wirtschaftlichen Verbundenheit,
BGE 83 II 467 S. 469
die zwischen der Firma Willy Vogel und der Monocoup SA bestanden hatte, als Konzernmarke i.S. von
Art. 6 bis MSchG
zu betrachten sei. Nach dem Auseinanderfallen des Konzerns sei die Marke mangels vertraglicher Abmachungen der Parteien der Beklagten zuzusprechen, da ihr nach den gesamten Umständen die besseren Rechte daran zustünden.
Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil ab, im wesentlichen auf Grund der folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
...
2.
Die Klägerin anerkennt, dass zwischen der Berliner und der Pariser Firma ein Konzernverhältnis bestanden habe. Sie hält aber dafür, die Bezeichnung "Monocoup" könne trotzdem nicht als Konzernmarke angesprochen werden, weil die beiden Firmen nie einen gemeinsamen Markt gehabt hätten... Die Vorinstanz hat jedoch festgestellt, dass die französische Firma schon seit ca. 1932 oder 1934 Schmieranlagen nach der Schweiz geliefert habe...
Anderseits hatte die Firma Willy Vogel in Zürich einen Generalvertreter, durch den sie ihre Zentralschmierungsanlagen in der Schweiz vertreiben liess.
Aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ergibt sich somit, dass die Schweiz für beide Firmen ein Absatzgebiet, also einen gemeinsamen Markt darstellte. Dass auf diesem gemeinsamen Absatzgebiet die Marke "Monocoup" nur von einem der beiden Konzernmitglieder gebraucht wurde (nach der Behauptung der Klägerin von ihr, nach der Ansicht der Vorinstanz dagegen nur von der Beklagten), bildet entgegen der Meinung der Klägerin keinen Grund, der genannten Marke die Eigenschaft einer Konzernmarke abzusprechen. Eine solche kann auch vorliegen, wenn Konzernfirmen ein und dasselbe Zeichen in verschiedenen Ländern verwenden.
3.
...
4.
Da die Parteien keine vertragliche Abmachungen
BGE 83 II 467 S. 470
darüber getroffen haben, welcher von ihnen nach dem Dahinfallen des Konzernverhältnisses die Marke "Monocoup" zustehen solle, kann sie gemäss den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz von demjenigen Unternehmen beansprucht werden, welchem sie nach den gesamten Umständen am nächsten steht. Das trifft in der Regel auf den ältesten Benützer zu. Als solcher ist hier nach der Auffassung der Vorinstanz die Beklagte zu betrachten. Die Klägerin bestreitet dies und macht geltend, die Beklagte habe während des Bestehens des Konzernverhältnisses die Marke "Monocoup" in der Schweiz weder eintragen lassen, noch sie überhaupt gebraucht.
a) Wie bereits erwähnt, hat zwar die französische Firma seit ca. 1932-1934 Schmieranlagen in die Schweiz geliefert; im weiteren ist in einem Schreiben des Willy Vogel vom 22. Juni 1939 an Brauda die Rede von Lieferungen der Beklagten an Schweizer Firmen der Werkzeugmaschinenindustrie, d.h. also von der Lieferung von Schmieranlagen, die nicht für Autos, sondern für Maschinen bestimmt waren.
Es fehlt indessen eine tatbeständliche Feststellung der Vorinstanz, dass bei solchen an sich erwiesenen direkten Lieferungen von Schmierungsanlagen durch die Beklagte nach der Schweiz die Marke "Monocoup" verwendet wurde.
b) Erwiesen ist dagegen nach den Feststellungen der Vorinstanz, dass die Beklagte, bzw. ihre Rechtsvorgängerin, schon 1930 Zentralschmierungsanlagen an französische Autofabriken verkauften, welche sie in Personen- und Lastwagen einbauten und auf Weisung der Beklagten das Schildchen mit der Marke "Monocoup" an 3-4 Stellen der Fahrzeuge anbrachten; so ausgestattete Fahrzeuge wurden von den Autofabriken auch nach der Schweiz ausgeführt. In dieser Anbringung der Namensschilder hat die Vorinstanz eine markenmässige Verwendung des Zeichens "Monocoup" erblickt. Sie führt zur Begründung dieser Auffassung unter Hinweis aufBGE 60 II 161aus,
BGE 83 II 467 S. 471
die Marke sei so auf einem Gegenstand angebracht worden, der mit der zu schützenden Sache derart eng verbunden sei, dass unmissverständlich zum Ausdruck komme, was geschützt werden solle.
Wie jedoch die Klägerin mit Recht einwendet, lässt sich der vorliegende Sachverhalt mit demjenigen vonBGE 60 II 161nicht vergleichen. Dort handelte es sich um eine Kältemaschine, wobei nach dem Registereintrag der Markenschutz sich auch auf die Kühlanlage als Ganzes erstrecken sollte. Das Bundesgericht kam zum Schluss, die Kältemaschine stehe mit dem gleichfalls vom Maschinenlieferanten erstellten Kühlkeller in einer derart engen technischen und funktionellen Beziehung, dass der Kühlkeller markenrechtlich nicht anders zu behandeln sei als die Anlage und dass daher als Gegenstand der auf der Kellertüre angebrachten Marke auch ohne weiteres die Maschinen erscheinen.
Im vorliegenden Fall wurde dagegen die von der Beklagten gelieferte Zentralschmierungsanlage durch einen Dritten, den Autofabrikanten, in Motorfahrzeuge eingebaut, die eine eigene Marke führten. Es kann daher im Gegensatz zu dem von der Vorinstanz erwähnten Fall nicht gesagt werden, das Fahrzeug bilde mit der darin eingebauten, markengeschützten Zentralschmierungsanlage markenrechtlich eine Einheit.
Anderseits kommt entgegen der Meinung der Klägerin nichts darauf an, dass die Schmieranlage durch den Einbau zum Bestandteil des Fahrzeuges wurde. Das hatte nicht zur Folge, dass ihr jede markenrechtliche Selbständigkeit entzogen worden wäre. Da sie ganz besondere technische Aufgaben zu erfüllen hat, blieb ihr vielmehr unter dem Gesichtspunkt des Markenrechts die Selbständigkeit erhalten, und sie war der Kennzeichnung durch eine eigene Marke auch nach dem Einbau fähig.
Wenn nun das Markenschildchen mit der Marke "Monocoup" an 3-4 Stellen des Autos angebracht wurde, so hatte dies nicht die Bedeutung einer blossen Gebrauchsanweisung,
BGE 83 II 467 S. 472
wie die Klägerin meint, sondern es wurde damit, weil die Bezeichnung "Monocoup" besonders hervorsticht, vor allem ein Hinweis auf die Herkunft der Schmieranlage bewirkt, was gerade das Wesen des markenmässigen Gebrauches eines Zeichens ausmacht. Diese Art des Markengebrauches ist im Wirtschaftsleben häufig anzutreffen. Wenn z.B. die Firma Brown, Boveri & Co. AG die elektrischen Anlagen (Heizung und Licht) für einen von einer Wagenfabrik gebauten SBB-Wagen liefert, so findet sich an gut sichtbaren Stellen des Wagens ein Metallschild mit der Firmenmarke der BBC, und es wird auf diese Weise auf die Herkunft der elektrischen Anlage hingewiesen, obwohl diese Bestandteil des Wagens geworden ist. Ähnlich verhält es sich bei den Autoreifen, welche die Marke des Herstellers auch noch zeigen, nachdem sie am Fahrzeug angebracht worden sind. Auch der mit einem elektrischen Apparat fest verbundene Schalter kann eine andere Marke tragen als der Apparat selbst.
c) Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, selbst wenn die genannte Anbringung des "Monocoup"-Schildchens in der genannten Art und Weise als markenmässiger Zeichengebrauch anzusehen sei, so habe darin auf jeden Fall kein der Beklagten anzurechnender Gebrauch in der Schweiz gelegen. Denn durch die in Frankreich erfolgte Anbringung des Namensschildchens habe die Beklagte ihr Recht zur Inverkehrsetzung der Ware verbraucht. Mit dem Verkauf der Schmieranlage an die Autofabriken habe sie die Ware aus ihrer Verfügungsbefugnis entlassen, womit die Ware für den Verkehr freigegeben worden sei. Die unabhängig vom Willen der Beklagten erfolgte Einfuhr der mit der Schmieranlage ausgestatteten Wagen in die Schweiz könne daher nicht als schweizerischer Markengebrauch der Beklagten betrachtet werden. Zur Begründung dieser Auffassung beruft sich die Klägerin auf die Literatur zum deutschen Warenzeichengesetz, insbesondere auf BAUMBACH/HEFERMEHL, 7. Auflage S. 886, und auf REIMER, 3. Auflage S. 305, wonach sich das alleinige
BGE 83 II 467 S. 473
Recht des Markeninhabers zur Inverkehrsetzung mit dem ersten Inverkehrbringen verbraucht. Mit diesen Ausführungen wollen jedoch die genannten Autoren lediglich dartun, dass der Markeninhaber, der eine mit seiner Marke versehene Ware verkauft hat, dem Erwerber ihren weiteren Verkauf nicht unter Berufung auf sein Markenrecht und die darin enthaltene Befugnis zur alleinigen Inverkehrsetzung verwehren kann. Hier handelt es sich dagegen um eine ganz andere Frage, nämlich darum, ob sich der Markeninhaber einem Dritten gegenüber auf den Gebrauch seiner Marke durch den Erwerber der damit versehenen Ware ebenfalls berufen könne. Diese Frage ist zu bejahen. Denn selbst wenn ein Fabrikant die mit seiner Marke versehene Ware an eine Exportfirma verkauft und diese sie dann im Ausland absetzt, so dient die Marke dort ebenfalls dazu, die Ware als Erzeugnis ihres Herstellers zu kennzeichnen. Dasselbe gilt umgekehrt auch, wenn ein ausländischer Markenartikel vom Hersteller dem Grossisten im Ausland verkauft und von diesem in die Schweiz eingeführt wird; auch in diesem Fall geniesst die Marke, sofern die weiteren rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, in der Schweiz markenrechtlichen Schutz.
Die seit 1930 erfolgte Einfuhr französischer Autos, die mit Schmierungsanlagen der Beklagten ausgestattet und mit den "Monocoup"-Schildchen versehen waren, ist daher der Beklagten als Markengebrauch in der Schweiz anzurechnen.
d) Demgegenüber steht fest, dass die Klägerin die Marke "Monocoup" in der Schweiz selber nie gebraucht hat. Sie macht jedoch geltend, auf Grund von Art. 5 des schweizerisch-deutschen Abkommens vom 13. April 1892/26. Mai 1902 betr. den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz (BS 11 S. 1057) sei ihr der Gebrauch der Marke "Monocoup" in Deutschland auf jeden Fall von der 1936 erfolgten internationalen Eintragung der Marke an auch in der Schweiz anzurechnen. Die Vorinstanz hat diese Auffassung als unrichtig erklärt mit der Begründung,
BGE 83 II 467 S. 474
die genannte Bestimmung könne bei der Entscheidung der Frage, wer der älteste Markenbenützer in der Schweiz sei, nicht herangezogen werden, da sie sich darauf beschränke, die Rechtsnachteile zu verhindern, die bei Nichtgebrauch während bestimmter Fristen in der Regel eintreten (so auch MATTER, MSchG, S. 51).
Welche Auslegung die richtige sei, kann dahingestellt bleiben. Denn auch nach der Auffassung der Klägerin selbst wäre sie erst 1936 in der Schweiz in den Genuss des Markenrechtes am Zeichen "Monocoup" gelangt, während es der Beklagten, bzw. ihren Rechtsvorgängern, schon seit 1930 zustand, weshalb die Beklagte unter allen Umständen als die älteste Benützerin der Konzernmarke in der Schweiz zu betrachten ist.
5.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, bei der Zuteilung einer früheren Konzernmarke müsse vor allem auf die wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt werden; in einem bestimmten Gebiet sollte die Marke von demjenigen Konzernmitglied weiter gebraucht werden dürfen, das dort die grösseren Interessen habe; entscheidend sei die "wirtschaftliche Interessenkonzentration".
Selbst wenn man diese Auffassung als grundsätzlich richtig anerkennen wollte, so müsste im vorliegenden Fall eine zu Gunsten der Klägerin sprechende "wirtschaftliche Interessenkonzentration" im Gebiete der Schweiz auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz verneint werden. Denn es steht fest, dass die Klägerin ihre Schmieranlagen unter den Bezeichnungen "Ein Druck" und "Willy Vogel" in die Schweiz lieferte, während sie hier die Marke "Monocoup" überhaupt nicht benützte. Schmieranlagen mit dieser Marke, die in die Schweiz gelangten, stammten ausnahmslos aus dem Betrieb der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin. Hinsichtlich des Gebrauchs der dem Konzern zustehenden Marken war also für das Gebiet der Schweiz eine Aufteilung in dem Sinne erfolgt, dass die Berliner Firma für ihre Anlagen die deutsche Marke "Ein Druck" verwendete, während die Beklagte
BGE 83 II 467 S. 475
die von ihrer Seite stammende Marke "Monocoup" gebrauchte.
Die weitere Behauptung der Klägerin, die Schweiz sei als Geschäftsgebiet ihr vorbehalten gewesen, wird durch die Feststellungen der Vorinstanz ebenfalls widerlegt...
Angesichts dieser tatsächlichen Verhältnisse lässt sich daher nicht sagen, die Klägerin habe in der Schweiz wesentlich höhere wirtschaftliche Interessen als die Beklagte. Deren Interesse erscheint gegenteils gerade hinsichtlich der Marke "Monocoup" als das weit überwiegende.
Die Bezeichnung "Monocoup" ist für die Beklagte auch deswegen von grösserer Bedeutung als für die Klägerin, weil sie jene als einzige Marke für ihre Zentralschmierungsanlagen verwendete, währen die Klägerin sich vorwiegend der Marken "Willy Vogel" und "Ein Druck" bediente.
Endlich darf entgegen der Meinung der Klägerin bei der Würdigung der gesamten Umstände auch mitberücksichtigt werden, dass die Marke "Monocoup" vom Rechtsvorgänger der Beklagten, Brauda, geschaffen wurde.
In Würdigung aller Umstände ist daher der Vorinstanz beizupflichten, dass nach dem Auseinanderfallen des Konzerns die streitige Marke der Beklagten zusteht. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a260c6d9-c80a-46d4-a12f-fa5b68109fdf | Urteilskopf
108 Ib 489
83. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Juni 1982 i.S. Erben Bertschy-Ringier gegen SBB, Kreis 2, und Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 9 | Regeste
Art. 76 EntG
; vorzeitige Besitzeinweisung.
Das mit der vorzeitigen Besitzeinweisung verbundene Risiko, bei nachträglicher Gutheissung einer Einsprache den früheren Zustand - ungeachtet des Kostenaufwandes - wiederherstellen zu müssen, trägt ausschliesslich der Enteigner. | Sachverhalt
ab Seite 489
BGE 108 Ib 489 S. 489
Die Schweizerischen Bundesbahnen haben im Rahmen eines Sanierungsprogrammes in der luzernischen Gemeinde Meggen drei Niveau-Übergänge (Bodenmattweg, Eiholzweg und Benzholzstrasse) aufgehoben und beabsichtigen, die bereits bestehende Unterführung Habsburgstrasse, die nunmehr auch den Fahrverkehr von der Benzholzstrasse aufnehmen muss, durch ein neues, um einige Meter verschobenes und grösseres Unterführungs-Bauwerk zu ersetzen. Gleichzeitig soll die Habsburgstrasse erweitert, mit einem Trottoir versehen und ihre Linienführung auf einer Länge von knapp 200 m bis zur Einmündung in die Seestrasse verbessert werden.
Für die durch die neue Unterführung bedingte Verlegung der Habsburgstrasse benötigen die SBB ca. 875 m2 der Parzelle
BGE 108 Ib 489 S. 490
Nr. 257 (GB Meggen) im Halte von insgesamt 24'559 m2, die zur Zeit zum übrigen Gemeindegebiet gehört und im Eigentum der Erben Bertschy-Ringier steht. Da sich die Grundeigentümer zur Abtretung dieser Fläche nicht bereit erklärten, leitete der Präsident der Schätzungskommission, Kreis 9, ein abgekürztes Enteignungsverfahren ein. Die Enteigneten erhoben gegen das Projekt Einsprache und bestritten, dass den SBB für die Verlegung der Habsburgstrasse das Enteignungsrecht zustehe; eventuell wurde eine Planänderung beantragt.
Nach Durchführung der Einigungsverhandlung bewilligte der Schätzungskommissions-Präsident den SBB auf ihr Begehren hin die vorzeitige Inbesitznahme jenen Teils des Grundstückes Nr. 257, der nach den Enteignungsplänen nördlich des Querprofils 4 liegt. Gegen diesen Entscheid haben die Erben Bertschy-Ringier Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, welche vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Präsident der Schätzungskommission hat im angefochtenen Entscheid zunächst ausgeführt, dass die Entschädigungsforderung auch nach der Besitzergreifung noch ohne Schwierigkeit beurteilt werden könne und somit die in
Art. 76 Abs. 4 Satz 1 EntG
umschriebene Voraussetzung erfüllt sei. Im weiteren sei auch dargelegt worden, dass dem Unternehmen ohne die vorzeitige Inbesitznahme bedeutende Nachteile entstünden (
Art. 76 Abs. 1 EntG
), und erlitten die Enteigneten durch die Besitzergreifung offensichtlich keine Schäden, die bei nachträglicher Gutheissung ihrer Einsprache nicht wieder gutzumachen wären (
Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG
). Indessen hat der Kommissions-Präsident präzisiert, dass die Bedingungen für eine vorzeitige Inbesitznahme nur insoweit gegeben seien, als der Bau des Unterführungswerkes selbst und des nördlichen Teils der Habsburgstrasse bis zur Einmündung der Fridolin-Hofer-Strasse in Frage stünde; die Erstellung des südlichen Teils der Gemeindestrasse sei hingegen nicht dringend.
2.
In ihrer Beschwerde weisen die Enteigneten darauf hin, dass sie in ihrer Einsprache das Enteignungsrecht der SBB bestritten hätten und die vorzeitige Besitzergreifung nicht bewilligt werden dürfe, bevor über die Frage der Legitimation zur Enteignung rechtskräftig entschieden worden sei. Dies trifft jedoch nicht zu.
BGE 108 Ib 489 S. 491
Bei der Revision des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 (in Kraft seit 1. August 1972) hat der Gesetzgeber im Bestreben, das Verfahren zu beschleunigen, neu die Möglichkeit der vorzeitigen Besitzeinweisung vor rechtskräftiger Erledigung der Einsprachen geschaffen (
Art. 76 Abs. 4 EntG
; Botschaft des Bundesrates vom 20. Mai 1970 BBl 1970 I S. 1026 f., Kreisschreiben des Bundesgerichtes vom 8. September 1975, publ. in
BGE 101 Ib 173
; vgl. zur alten Regelung HESS, N. 4 zu
Art. 76 EntG
). Vorausgesetzt wird einzig, dass bei nachträglicher Gutheissung der Einsprache keine nicht wieder gutzumachenden Schäden entstehen (
Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG
). Nun hätten im vorliegenden Verfahren, falls den Einsprechern recht gegeben würde, die SBB einzig den früheren Zustand der Wiesenparzelle wieder herzustellen - was ohne weiteres möglich wäre - und den allenfalls durch die Inanspruchnahme der Parzelle entstandenen Schaden zu vergüten. Nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden offensichtlich nicht. Dass sich die Massnahmen zur Wiederherstellung als kostspielig erweisen könnten, ist für die Beschwerdeführer ohne Belang;
Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG
schützt nur die Enteigneten, nicht den Enteigner, der allein das mit der Besitzergreifung verbundene Risiko trägt (vgl. nicht publ. Entscheide vom 7. September 1972 i.S. Vérolet und vom 8. Mai 1974 i.S. Stämpfli). Aus dem gleichen Grunde ist auch der Einwand abzuweisen, die Ausführung des Werkes präjudiziere den Entscheid über die Einsprache und das Planänderungsgesuch. Über die Begehren der Einsprecher ist - erstinstanzlich durch das Departement, zweitinstanzlich durch das Bundesgericht - ausschliesslich aufgrund der vorgetragenen rechtlichen Argumente zu befinden, ohne Rücksicht darauf, ob die Bauarbeiten schon in Angriff genommen worden seien oder nicht.
Übrigens machen die Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend, die Ausnahmebestimmung von
Art. 51 EntG
hätte Anwendung finden müssen (vgl.
BGE 101 Ib 173
), und bestreiten auch nicht, dass die SBB im Gegensatz zu anderen im öffentlichen Interesse tätigen Unternehmungen das Enteignungsrecht schon von Gesetzes wegen besitzen (Art. 3 des Eisenbahngesetzes; vgl.
BGE 105 Ib 202
E. 1e). | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a264b2a8-ec4f-4da6-a328-6e7f677407a2 | Urteilskopf
98 Ia 185
27. Auszug aus dem Urteil vom 21. April 1972 i.S. Eisenmann gegen Grämiger und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 4 BV
; Grundbuch.
Ein vollzogener Grundbucheintrag kann nicht auf dem Beschwerdeweg angefochten werden. | Erwägungen
ab Seite 186
BGE 98 Ia 185 S. 186
Aus den Erwägungen:
2.
Als die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. Juli 1971 beim Regierungsrat Rekurs einreichte, war die umstrittene Vormerkung bereits im Grundbuch eingetragen. Die Eintragung erfolgte laut unangefochtener Feststellung des Regierungsrates am 19. April 1971 (unter dem Datum vom 16. Dezember 1968). Das Rekursbegehren lautete denn auch ausdrücklich dahin, es sei die Vormerkung "zu löschen". Einem solchen Begehren konnte der Regierungsrat zum vornherein nicht entsprechen, da nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes bereits vollzogene Eintragungen im Grundbuch, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, nur auf Anordnung des Richters berichtigt und folglich gemäss
Art. 956 Abs. 2 ZGB
nicht auf dem Beschwerdeweg angefochten werden können (
BGE 86 I 120
,
BGE 76 I 234
,
BGE 68 I 124
,
BGE 65 I 160
; ZBGR Bd. 42, S. 47, Bd. 33, S. 205, 215, 225 ff., 334 f., 338 f.). Demgemäss wäre auch eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss
Art. 103 Abs. 3 GBV
kein taugliches Mittel, um eine Löschung des Eintrages zu erwirken (vgl. z.B.
BGE 86 I 120
). Der Regierungsrat verfiel somit keineswegs in Willkür, wenn er auf den Rekurs vom 23. Juli 1971, mit dem die "Löschung" des Eintrages verlangt wurde, nicht eintrat, und zwar selbst dann nicht, wenn - was offen bleiben mag - in dem zum Eintrag führenden Verfahren der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verweigert worden wäre; denn auch eine formelle Aufhebung des angefochtenen Beschwerdeentscheides des Justizdepartements hätte zu keiner Beseitigung des vollzogenen Grundbucheintrages mehr führen können, weshalb das ergriffene Rechtsmittel zum vornherein unbehelflich war. Für die Beschwerdeführerin ergibt sich hieraus kein Rechtsverlust, da sie die Berichtigung des Grundbuches mittels gerichtlicher Klage verlangen kann. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a268d7cc-cdfb-4b71-af77-76756123cd21 | Urteilskopf
108 V 54
15. Auszug aus dem Urteil vom 20. August 1982 i.S. Ausgleichskasse der Aargauischen Industrie- und Handelskammer gegen Fahrländer und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 25 Abs. 2 AHVG
.
Zum Begriff der Ausbildung (Präzisierung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 54
BGE 108 V 54 S. 54
Die 1955 geborene Franziska Fahrländer bezog bis zum Abschluss ihrer Ausbildung als Gymnastiklehrerin (August 1978) eine einfache Waisenrente der AHV. Ab Dezember 1979 besuchte sie in Florenz einen Keramikkurs und verlangte für die Zeit des Kursbesuches wiederum die Gewährung der Waisenrente. Die Ausgleichskasse lehnte das Begehren ab, die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich hiess es dem Grundsatze nach gut. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Streitpunkt bildet die Frage, ob die Beschwerdegegnerin in bezug auf den Keramikkurs, den sie seit anfangs Dezember 1979 besuchte, erneut einen Anspruch auf AHV-Waisenrente erworben hat.
Nach Art. 25 Abs. 2 zweiter Satz AHVG dauert der Rentenanspruch für Kinder, deren leiblicher Vater gestorben ist (Abs. 1 erster Satz dieser Bestimmung) und die noch in Ausbildung begriffen sind, "bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr".
a) Zum Begriff der Ausbildung äusserte sich das Eidg. Versicherungsgericht in
BGE 106 V 149
Erw. 1 (in Übereinstimmung mit
BGE 104 V 66
Erw. 2,
BGE 102 V 163
Erw. 1 und dem dort zitierten unveröffentlichten Urteil Götsch vom 30. August 1976 sowie ZAK 1975 S. 376 Erw. 2) folgendermassen:
"Als in Ausbildung begriffen gelten Waisen, die während einer bestimmten Zeit Schulen oder Kurse besuchen oder der beruflichen Ausbildung
BGE 108 V 54 S. 55
obliegen. Unter beruflicher Ausbildung ist jede Tätigkeit zu verstehen, welche die systematische Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit zum Ziel hat und während welcher die Waise mit Rücksicht auf den vorherrschenden Ausbildungscharakter ein wesentlich geringeres Erwerbseinkommen erzielt, als ein Erwerbstätiger mit abgeschlossener Berufsbildung orts- und branchenüblich erzielen würde. Das Arbeitsentgelt gilt dann als wesentlich geringer als dasjenige eines Vollausgebildeten, wenn es nach Abzug der besonderen Ausbildungskosten um mehr als 25% unter dem ortsüblichen Anfangslohn für voll ausgebildete Erwerbstätige der entsprechenden Branche liegt."
Dieser Wortlaut scheint darauf hinzuweisen, dass das Gericht zwei Ausbildungskategorien unterscheidet: einerseits Schul- oder Kursbesuch und anderseits berufliche Ausbildung, welche ihrerseits noch näher definiert wird. Die Unterscheidung dieser beiden Kategorien kommt besonders deutlich zum Ausdruck im erwähnten Urteil Götsch. Hier wurde die gleiche oben wiedergegebene Umschreibung verwendet mit dem Zusatz, dass unter beruflicher Ausbildung "insbesondere" jede Tätigkeit zu verstehen sei, welche die systematische Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit zum Ziele habe (und des weiteren sich im erforderlichen Mass auf das Erwerbseinkommen des Rentenansprechers auswirke).
b) In
BGE 102 V 210
Erw. 1 hielt das Gericht dagegen fest:
"La jurisprudence constante, reprise par la pratique administrative, a conféré une acception large aux termes d'apprentissage ou d'études, les englobant dans la notion générale de formation professionnelle. Est considérée comme une telle formation toute préparation systématique tendant à donner des connaissances professionnelles déterminées, durant laquelle l'orphelin ne peut prétendre à aucun salaire ou qu'à un salaire sensiblement inférieur - soit inférieur de plus de 25% - à la rémunération initiale de celui qui possède une formation complète dans la branche en cause. Peut faire partie déjà de cette formation, le cas échéant, l'acquisition de connaissances préliminaires, en particulier de connaissances linguistiques (voir par exemple ATFA 1960, p. 109 et 1958, p. 127, ainsi que les arrêts qui y sont cités; voir aussi les Directives concernant les rentes, nos 194 et 195)."
In die gleiche Richtung deutet ferner der in ZAK 1974 S. 485 publizierte Entscheid. Der wesentliche Unterschied dieser beiden Urteile gegenüber den erstgenannten Entscheiden (Erw. 1a hievor) besteht darin, dass der Ausdruck "berufliche Ausbildung" generell als Oberbegriff für den gesetzlichen Terminus der Ausbildung (
Art. 25 Abs. 2 AHVG
) verstanden wird. Dies hat zur Folge, dass die besonderen Voraussetzungen, welche in den zuerst zitierten Urteilen lediglich für den dort in einem engeren Sinne verwendeten spezifischen
BGE 108 V 54 S. 56
Begriff der "beruflichen Ausbildung" aufgestellt worden sind, auch für die daneben erwähnte Kategorie der "Schulen und Kurse" Geltung haben. Die in Erw. 1a genannten Entscheide subsumieren somit unter den gesetzlichen Begriff der "Ausbildung" nicht nur die Berufsbildung, sondern auch die Bildung oder Allgemeinbildung (Schulen und Kurse) schlechthin, wogegen
BGE 102 V 210
Erw. 1 und ZAK 1974 S. 485 zum vornherein die Ausbildung auf ein bestimmtes Berufsziel hin (Berufsbildung im engern Sinn) im Auge haben.
c) Für beide Auffassungen lassen sich triftige Gründe anführen: Einerseits liegt es im AHV/IV-Bereich nahe, den gesetzlichen Begriff der Ausbildung im Sinne der beruflichen Ausbildung (1. Fallgruppe) zu verstehen; anderseits geht es aber um Ausbildung auch dort, wo entweder zum vornherein kein spezieller Berufsabschluss beabsichtigt und nur die Ausübung des betreffenden Berufes angestrebt wird (2. Fallgruppe) oder wo es sich um eine Ausbildung handelt, die vorerst nicht einem speziellen Beruf dient (3. Fallgruppe), sei es, dass die fragliche Massnahme nur die allgemeine Grundlage für eine Mehrzahl von Berufen bildet, sei es, dass die anbegehrte Vorkehr überhaupt nur im Sinne der Allgemeinbildung gedacht ist (z.B. Matura).
Bezüglich der Berufsausbildung im engern Sinne (1. Fallgruppe) ist an der letztmals in
BGE 106 V 149
Erw. 1 verwendeten Umschreibung festzuhalten; darüber hinaus sind als Ausbildung im Sinne von
Art. 25 Abs. 2 AHVG
die in jenem Urteil zusätzlich erwähnten "Schulen und Kurse" nur anzuerkennen, wenn sie entweder dazu geeignet sind, als Vorbereitung für eine Berufsausbildung im engeren Sinne (1. Fallgruppe) zu dienen - ob eine solche dann folgt, ist ebensowenig von Bedeutung wie die Frage, ob bei Erlernung eines Berufes auch wirklich die Absicht besteht, diesen später effektiv auszuüben - oder wenn sie ganz einfach auf ein echtes Bildungsziel im Sinne der 2. und 3. Fallgruppe gerichtet sind. Dabei ist aber unter allen Umständen (und ganz besonders dort, wo es sich nicht um eine eigentliche Berufsausbildung handelt) eine systematische Vorbereitung auf eines der genannten Ziele (Berufsausübung ohne Abschluss gemäss der 2. Fallgruppe; berufsbezogene Vorkenntnisse oder Allgemeinbildung gemäss der 3. Fallgruppe) hin erforderlich, und zwar auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten (üblichen) Lehrganges. In allen Fällen muss sich sodann die strittige Vorkehr in dem von der Rechtsprechung umschriebenen Masse
BGE 108 V 54 S. 57
auf die Erwerbseinkünfte auswirken (vgl.
BGE 106 V 149
Erw. 1 in fine mit Hinweis).
2.
a) Nach Auffassung der Vorinstanz ist die Beschwerdegegnerin während des Winterhalbjahres 1979/80 als "in Ausbildung begriffen" zu betrachten, weil sie damals in Florenz ganztägig einen Kurs besucht habe, wobei die Art des Kurses unerheblich sei. Dem kann nach dem Gesagten nicht vorbehaltlos gefolgt werden.
b) In ihrer Anmeldung bei der AHV vom 21. November 1979 hatte die Beschwerdegegnerin u.a. ausgeführt, sie habe sich seit längerem mit gestalterischer Keramik befasst und sich nun, auch unter dem Eindruck ihrer Stellenlosigkeit, entschieden, "darin eine Ausbildung zu machen"; im weiteren sehe sie die Möglichkeit, die gestalterische Keramik später mit der (erlernten) Gymnastik zu verbinden, z.B. in therapeutischer Richtung.
Die Angaben der Beschwerdegegnerin lassen erkennen, dass sie sich im Herbst 1979 über ihren weiteren beruflichen Werdegang nicht vollends schlüssig war. Seither ist jedoch eine gewisse Klärung eingetreten; denn sowohl in der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift als auch in der Vernehmlassung wird von seiten der Beschwerdegegnerin glaubwürdig dargelegt, dass der Keramikkurs als Vorbereitung auf eine künftige Ausbildung zur Heimerzieherin gedacht war. Es sind zudem konkrete Schritte in dieser Richtung unternommen worden, indem der Stiefvater der Beschwerdegegnerin sich anfangs 1980 bei der Schule für Soziale Arbeit, Zürich, nach den Aufnahmevoraussetzungen erkundigte. Unter diesen Umständen darf als - jedenfalls auf längere Sicht angestrebtes - Berufsziel der Erwerb des Heimerzieherinnendiploms betrachtet werden. Diese Annahme wird, entgegen der Ansicht der Ausgleichskasse, durch den Umstand, dass die Beschwerdegegnerin sich nach Abschluss des Töpferkurses Ende April 1980 nicht sogleich der Heimerzieherinnenausbildung widmete, nicht widerlegt. Des weiteren kann nach den Angaben der Schule für Soziale Arbeit vom 10. Januar 1980 nicht in Abrede gestellt werden, dass der Besuch eines Keramikkurses eine sinnvolle und zweckmässige Vorbereitung des geplanten Ausbildungsganges als Heimerzieherin darstellt. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a26b28be-2017-4083-8c9d-c4b5cbf543b1 | Urteilskopf
120 IV 280
46. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 12. September 1994 i.S. B. gegen Verhöramt des Kantons Zug und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich | Regeste
Art. 346 ff. StGB
. Bestimmung des Gerichtsstandes.
Zwingende Voraussetzung für ein ausnahmsweises Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist ein örtlicher Anknüpfungspunkt zum Gebiet jenes Kantons, in dem der Gerichtsstand bestimmt werden soll (E. 2).
Voraussetzungen, unter denen ein beteiligter Kanton dem beschuldigten Gesuchsteller eine Parteientschädigung auszurichten hat (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 281
BGE 120 IV 280 S. 281
Aus den Erwägungen:
1.
a) Die Behörden des Kantons Zug führen gestützt auf eine Strafanzeige der Firma M. AG vom 27. Juni 1991 eine Strafuntersuchung gegen B., Verantwortlicher der Firma S. AG mit Sitz in Zug. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, er habe in der schweizerischen Tageszeitung "Blick" und im "Tages-Anzeiger" Inserate mit dem Zusatz "immer billiger" erscheinen lassen und damit gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) sowie die Ausverkaufsverordnung (AV; SR 241.1) verstossen.
b) ... . Am 10. Mai 1994 schloss das Verhöramt des Kantons Zug die Untersuchung ab und überwies das Verfahren an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, die B. am 22. Juni 1994 dem Polizeirichteramt des Kantons Zug zur Beurteilung überwies. ...
d) Mit Gesuch vom 11. August 1994 beantragt B. der Anklagekammer des Bundesgerichts, es sei der Kanton Zürich als der für die Strafverfolgung zuständige Kanton zu bezeichnen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt sinngemäss, das Gesuch abzuweisen.
Das Verhöramt des Kantons Zug beantragt, das Verfahren zur Weiterverfolgung dem Kanton Zürich zu übertragen.
2.
a) Die Parteien stimmen offensichtlich darin überein, dass gemäss
Art. 347 Abs. 1 StGB
der gesetzliche Gerichtsstand im Kanton Zürich liegt, wo sich zumindest der Herausgabeort des "Tages-Anzeiger" sowie der Wohnort des Gesuchstellers befindet.
b) Die interkantonale Zuständigkeit in Strafsachen kann ausnahmsweise nicht nur durch die Anklagekammer des Bundesgerichts, sondern auch durch Vereinbarung unter den Kantonen anders
BGE 120 IV 280 S. 282
als nach den
Art. 346 ff. StGB
bestimmt werden (vgl.
BGE 119 IV 102
E. 4b mit Hinweisen, 250 E. 3c).
Zwingende Voraussetzung für ein solches Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand ist indessen ein örtlicher Anknüpfungspunkt zum Gebiet jenes Kantons, in dem der Gerichtsstand bestimmt werden soll (vgl.
BGE 119 IV 102
E. 4c in fine, 250 E. 3c mit Hinweis;
BGE 117 IV 90
E. 4b;
BGE 92 IV 57
E. 3; SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, N. 141 und 278).
c) Weil im Kanton Zug im vorliegenden Fall offensichtlich kein örtlicher Anknüpfungspunkt besteht, kann dieser Kanton als Gerichtsstand wegen der damit fehlenden Gerichtsbarkeit nicht in Frage kommen.
Da der "Tages-Anzeiger" in Zürich herausgegeben wird, der Gesuchsteller dort seinen Wohnort hat, und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich keinen Eventualantrag auf Bestimmung des Gerichtsstandes im Kanton Luzern stellt, wo nach ihrer Darstellung im Meinungsaustauschverfahren der Herausgabeort des "Blick" sein soll, braucht nicht geprüft zu werden, wo die Untersuchung im Sinne von Art. 347 Abs. 1 letzter Satz StGB zuerst angehoben wurde.
3.
a) Das Gesuch ist aus diesen Gründen gutzuheissen. Gemäss
Art. 156 Abs. 2 OG
werden keine Kosten erhoben.
Die Behörden des Kantons Zürich hätten indessen aufgrund der publizierten Praxis der Anklagekammer zu den
Art. 346 ff. StGB
erkennen können, dass der Kanton Zug als Gerichtsstand nicht in Frage kommen kann. Sie haben damit das vorliegende Verfahren unnötig verursacht (vgl. SCHWERI, a.a.O. N. 577 und 579) und den Gesuchsteller für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 5 in Verbindung mit
Art. 156 Abs. 6 OG
). | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a26ccb95-3e27-48de-b243-cdfebe60eca7 | Urteilskopf
126 III 171
29. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Februar 2000 i.S. M. A.-O. gegen L. S. (Berufung) | Regeste
Herabsetzungspflicht nach
Art. 527 Ziff. 1 ZGB
.
Eine Herabsetzung gemäss
Art. 527 Ziff. 1 ZGB
setzt eine unentgeltliche Zuwendung im Sinn von
Art. 626 Abs. 2 ZGB
voraus, die den Pflichtteil eines Erben verletzt. Dabei ist an der Rechtsprechung festzuhalten, dass ein Zuwendungswille des Erblassers vorliegen muss (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 171
BGE 126 III 171 S. 171
Der am 24. Oktober 1987 verstorbene Erblasser hinterliess als gesetzliche Erben seinen Sohn und seine Enkelin, welche das einzige Kind der 1985 vorverstorbenen Tochter des Erblassers ist. In seinem Testament vom 30. Juli 1987 hatte der Erblasser seine Enkelin auf den Pflichtteil gesetzt sowie u.a. verfügt, dass die zu Lebzeiten seinen beiden Kindern gemachten Schenkung nicht der Ausgleichung unterlägen. Am 13. Februar 1989 erhob die auf den Pflichtteil gesetzte Enkelin gegen ihren Onkel - den Sohn des Erblassers - Ungültigkeits- und Herabsetzungsklage. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass der Erblasser am 22. April 1987 seinem Sohn eine Reihe von Grundstücken massiv unter deren wirklichem Wert verkauft habe. Sowohl das Amtsgericht Luzern-Stadt als
BGE 126 III 171 S. 172
auch das Obergericht des Kantons Luzern wiesen die Ungültigkeits- bzw. Herabsetzungsklage ab. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach
Art. 626 Abs. 2 ZGB
untersteht grundsätzlich der Ausgleichungspflicht, was der Erblasser seinen Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung, Schulderlass und dergleichen zugewendet hat; von der Ausgleichung kann der Erblasser die Erben ausdrücklich dispensieren.
a) Das Obergericht hat eine Ausgleichung der lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an den Beklagten sinngemäss mit der Begründung abgelehnt, dass der Erblasser den Beklagten ausdrücklich von der Pflicht zur Ausgleichung befreit habe; die Klägerin habe im kantonalen Appellationsverfahren selbst die Meinung vertreten, dass angesichts des Ausgleichungsdispenses die gesetzliche Pflicht zur Ausgleichung lebzeitiger unentgeltlicher Zuwendungen des Erblassers zwischen den Parteien nicht greifen könne. In der eidgenössischen Berufung stellt sich die Klägerin nun auf den Standpunkt, dass die Vorinstanz verbindlich festgestellt habe, dass sich der Erblasser und der Beklagte in Bezug auf die umstrittenen Grundstückgeschäfte des Missverhältnisses der Leistungen nicht bewusst gewesen seien, da die Kaufpreise nach Massgabe der Schätzung eines von den Parteien damals beigezogenen Experten festgesetzt worden seien. Ohne das Vorliegen eines Zuwendungswillens könne sich der vom Erblasser angeordnete Ausgleichungsdispens aber von Vornherein nicht auf das umstrittene Rechtsgeschäft beziehen.
b) Dieser Einwand ist unbegründet. Der Erblasser ordnete einen Ausgleichungsdispens an, indem er verfügte, "dass die zahlreichen Schenkungen, die ich zu Lebzeiten meinen beiden Nachkommen [...] gemacht habe, nicht der Ausgleichspflicht unterliegen
Art. 626 Abs. 2 ZGB
". Der Ausgleichungsdispens bezieht sich somit nicht auf bestimmte, sondern auf "die zahlreichen Schenkungen". Der Dispens ist allgemein gehalten und kann nicht anders verstanden werden, als dass der Erblasser, was auch immer auf Grund der dispositiven Gesetzesbestimmung von
Art. 626 Abs. 2 ZGB
der Ausgleichung unterliegen würde, von dieser auszunehmen sei. Es ist nicht ausgeschlossen, einen Ausgleichungsdispens auch "auf Vorschuss" für den Fall des Bestehens einer Ausgleichungspflicht anzuordnen.
BGE 126 III 171 S. 173
3.
Da eine Ausgleichung zufolge des vom Erblasser angeordneten Ausgleichungsdispenses nicht in Frage kommt, ist im Folgenden zu prüfen, wie es sich mit der Herabsetzung verhält.
a) Nach
Art. 527 Ziff. 1 ZGB
unterliegen die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung der Herabsetzung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind. Gemäss dieser Bestimmung sind jene Zuwendungen herabzusetzen, die ihrer Natur nach gemäss
Art. 626 Abs. 2 ZGB
der Ausgleichung unterständen, ihr aber durch eine Verfügung des Erblassers entzogen worden sind (
BGE 98 II 352
E. 3a S. 356 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung setzt die Ausgleichung bzw. Herabsetzung in objektiver Hinsicht voraus, dass eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, und in subjektiver Hinsicht, dass der Erblasser einen Zuwendungswillen (animus donandi) hat; die Parteien müssen z.B. bei einer gemischten Schenkung eine unentgeltliche Zuwendung in dem Sinn beabsichtigten, dass sie den Preis bewusst unter dem wahren Wert des Kaufgegenstandes angesetzt haben, um die Differenz dem Käufer unentgeltlich zukommen zu lassen (
BGE 98 II 352
E. 3b S. 357 f. mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 116 II 667
E. 3b/aa S. 674). Gestützt auf diese Rechtsprechung hat die Vorinstanz im vorliegenden Fall in tatsächlicher Hinsicht verbindlich festgehalten, dass die Differenz zwischen dem Gesamtverkaufspreis und der Schatzung des kantonalen Schatzungsamtes unter Berücksichtigung der latenten Grundstückgewinnsteuern 28% und ohne deren Berücksichtigung 40% betragen habe, weshalb in objektiver Hinsicht von einer gemischten Schenkung auszugehen sei. In subjektiver Hinsicht verneinte das Obergericht hingegen, dass die Vertragsparteien die objektiv zu tiefen Grundstücksverkaufspreise "hätten erkennen können bzw. erkannt haben".
b) Die Klägerin kritisiert diese Rechtsprechung, die das Obergericht seiner Beurteilung zu Grunde gelegt hat. Sie macht geltend, dass die Ausgleichung bzw. Herabsetzung ausschliesslich vom Vorliegen des objektiven Elementes des groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung abhänge. Ob zusätzlich dazu in subjektiver Hinsicht eine Zuwendungsabsicht vorliege, sei irrelevant.
aa) Das Bundesgericht hat in seiner älteren Rechtsprechung zunächst die Frage aufgeworfen, aber offen gelassen, ob bei einem Geschäft mit einem Nachkommen ein grobes Missverhältnis der Leistungen zugunsten desselben für die Annahme einer herabsetzbaren und ausgleichungspflichtigen Zuwendung im Sinn von
Art. 626 ZGB
genüge, auch wenn das Missverhältnis beim Geschäftsabschluss
BGE 126 III 171 S. 174
nicht erkannt worden sei (
BGE 77 II 36
S. 40). Später erwog es dann aber, dass eine (teilweise) unentgeltliche Zuwendung bzw. gemischte Schenkung nur vorliege, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vom Erblasser tatsächlich erkannt worden sei; blosse Erkennbarkeit genüge nicht (
BGE 98 II 352
E. 3b S. 358; bestätigt in
BGE 116 II 667
E.3b/aa, wobei das subjektive Element des Bewusstseins des Missverhältnisses in diesem Fall nicht umstritten war). In seiner neusten Rechtsprechung ist das Bundesgericht von seiner Praxis nicht abgerückt; zwar wurde nur das objektive Element des Vorliegens einer unentgeltlichen Zuwendung, nicht aber das subjektive Element des Vorliegens einer Zuwendungsabsicht erwähnt, doch bestand dazu auch keine Veranlassung, da die Frage des Vorliegens einer Zuwendungsabsicht nicht umstritten war (
BGE 120 II 417
ff.). Insbesondere deutete das Bundesgericht dadurch, dass es das subjektive Element nicht erwähnte, keineswegs an, dass es sich von dieser Voraussetzung distanziert. Ein Verzicht auf dieses Element, wie es die Klägerin verlangt, stand im Übrigen nie zur Diskussion - auch nicht im Rahmen des "obiter dictum" in
BGE 77 II 36
. In der Literatur wird denn auch praktisch einhellig verlangt, dass nebst der objektiven Voraussetzung des Vorliegens einer unentgeltlichen Zuwendung auch das subjektive Element das Vorliegens einer Zuwendungsabsicht gegeben sein müsse. Die Kontroverse dreht sich nicht um die Frage, ob an einer subjektiven Voraussetzung überhaupt festzuhalten sei, sondern darum, ob von einer ausgleichungspflichtigen Zuwendung bereits dann auszugehen ist, wenn der Wertunterschied für die Parteien erkennbar war, oder erst dann, wenn sich die Parteien des Wertunterschiedes zwischen Leistung und Gegenleistung auch tatsächlich bewusst waren (vgl. die Übersicht bei PAUL EITEL, Die Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen im Erbrecht, Bern 1998, S. 173 mit den Hinweisen in Fn. 164 und 166).
bb) Es ist einzuräumen, dass die Ausgleichung die Gleichbehandlung und die Herabsetzung den Pflichtteilsschutz der Erben bezwecken und beide Zweckbestimmungen grundsätzlich ungeachtet des subjektiven Willens des Erblassers gewährleistet sein müssen. Dennoch besteht kein Anlass, das Erfordernis des Vorliegens einer Zuwendungsabsicht als subjektive Komponente fallen zu lassen. Wenn nur das objektive Element der Zuwendung massgebend wäre, müssten streng genommen auch Kleinzuwendungen, welche das Mass von üblichen Gelegenheitsgeschenken gemäss
Art. 632 ZGB
übersteigen, der Ausgleichung und gegebenenfalls der Herabsetzung
BGE 126 III 171 S. 175
unterliegen, was zu kleinlichen und unergiebigen Auseinandersetzungen unter den Erben führen könnte. Die Klägerin vertritt denn auch unter Hinweis auf den von ihr als Privatgutachter beigezogenen Professor Druey die Auffassung, dass unentgeltliche Zuwendungen der Ausgleichung bzw. Herabsetzung nur dann unterlägen, wenn in objektiver Hinsicht zwischen Leistung und Gegenleistung ein erheblicher Wertunterschied bestehe. Wo indessen im konkreten Einzelfall unter rein objektiven Gesichtspunkten die Grenze zwischen einer Kleinzuwendung und einer ausgleichungspflichtigen Grosszuwendung zu ziehen wäre, kann kaum generell festgelegt werden, was auch vom Privatgutachter eingeräumt wird. Würde diese Grenze tief angesetzt, würde aus dem "wohlfeilen" Kauf ein ausgleichungspflichtiges Geschäft; würde sie hoch angesetzt, unterlägen Verfügungen trotz erheblichen Missverhältnisses und Schenkungsabsicht keiner Ausgleichung bzw. Herabsetzung. Hingegen lassen sich die entgeltlichen - evtl. aber nicht ganz äquivalenten - Verfügungen von den unentgeltlichen und damit auszugleichenden bzw. herabzusetzenden Verfügungen in sinnvoller Weise dadurch abgrenzen, dass nebst der objektiven Voraussetzung einer unentgeltlichen Zuwendung auch die subjektive Voraussetzung der Zuwendungsabsicht gefordert wird: Wenn bei einem Rechtsgeschäft, das unter objektiven Gesichtspunkten als Grenzfall zu betrachten ist, eine Zuwendungsabsicht zu bejahen ist, erweist es sich als ausgleichungspflichtig und gegebenenfalls als herabsetzbar; umgekehrt stellen sich die erwähnten heiklen Abgrenzungsfragen nicht, wenn es ohnehin an der Zuwendungsabsicht fehlt. Dies alles spricht dafür, am Erfordernis einer subjektiven Komponente für die Ausgleichungs- und Herabsetzungspflicht festzuhalten.
cc) Eine andere Frage ist, ob den Parteien in subjektiver Hinsicht die Zuwendungsabsicht tatsächlich bewusst sein musste, oder ob vom Vorliegen der subjektiven Voraussetzung bereits dann auszugehen ist, wenn die Zuwendungsabsicht erkennbar gewesen wäre, was bei einem grobem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu vermuten wäre. Das Bundesgericht hat bereits in
BGE 98 II 352
ff. erkannt, dass unbefriedigende Ergebnisse auftreten können, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung für den Erblasser nicht bloss erkennbar, sondern von diesem auch tatsächlich erkannt worden sein muss; in der Folge wurde dann aber ohne nähere Begründung ausgeführt, "dass sich eine andere Lösung trotzdem nicht rechtfertigen" lasse (E. 3b a.E., S. 359). An dieser Rechtsprechung wurde von namhaften
BGE 126 III 171 S. 176
Autoren Kritik geübt, so dass es sich rechtfertigt, bei Gelegenheit darauf einzugehen. Im vorliegenden Fall besteht dazu indessen kein Anlass, weil unabhängig davon, ob tatsächliches Bewusstsein gefordert wird oder blosse Erkennbarkeit genügen soll, die Berufung auf jeden Fall unbegründet wäre. Das Obergericht hat aufgrund umfangreicher Beweiserhebungen für das Bundesgericht verbindlich festgehalten, dass das Vorliegen eines Schenkungswillens ausgeschlossen werden könne. Diese Feststellung schliesst nicht nur aus, dass die Parteien die Unentgeltlichkeit tatsächlich erkannt haben, sondern spricht auch dagegen, dass sie wenigstens erkennbar gewesen sein soll, zumal sich die Parteien nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bei der Preisgestaltung auf einen, wie die Vorinstanz feststellte, unabhängigen Schatzungsexperten abgestützt haben. Dieser besondere Umstand wäre geeignet, die Vermutung der Erkennbarkeit ausnahmsweise trotz eines erheblichen Missverhältnisses umzustossen. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a270c82c-1a05-4235-a0be-6a225305d7c0 | Urteilskopf
97 I 413
55. Arrêt du 17 juin 1971 de la IIe Cour civile dans la cause Sauthier contre Conseil d'Etat du canton du Valais. | Regeste
Art. 181-183 ZStV
.
Die von der kantonalen Aufsichtsbehörde verhängten Disziplinarstrafen können nur die Zivilstandsbeamten treffen; sie unterliegen dem Verwaltungsverfahren. Die für andere Personen vorgesebenen Strafen sind gemeinrechtlicher Natur; sie werden von der durch den Kanton bezeichneten Behörde verhängt. Im ersten Falle kann der Entscheid durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden; im zweiten Falle ist nur die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof zulässig. | Sachverhalt
ab Seite 413
BGE 97 I 413 S. 413
Le 2 janvier 1970, Charles Siméon Sauthier est décédé accidentellement vers la halte CFF de Château-neuf-Conthey. Le 2 décembre 1970, l'officier d'état civil de Conthey informa le Conseil d'Etat valaisan, autorité de surveillance de l'état civil,
BGE 97 I 413 S. 414
que ce décès n'était pas inscrit dans ses registres. Le 3 février 1971, le Conseil d'Etat, appliquant l'art. 182 OEC, a condamné à une amende de 100 fr. Marcel Sauthier, agent de la police communale de Conthey et tuteur du défunt, pour n'avoir pas, en sa qualité d'autorité de police, déclaré le décès en conformité des art. 76 et 78 OEC. Il a condamné à la même peine le curé de la paroisse pour avoir procédé à l'ensevelissement sans permis d'inhumation. Alors que le curé s'est incliné, Marcel Sauthier a adressé, le 8 mars 1971, au Département fédéral de justice et police un acte intitulé "Recours contre une décision du Conseil d'Etat du canton du Valais". Il conclut à l'annulation de la décision.
Le 19 mars 1971, le Département fédéral de justice et police, conformément à l'art. 8 LPA, a transmis ce recours au Tribunal fédéral, qu'il estimait compétent. Le Conseil d'Etat valaisan conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
A son chapitre XIII, relatifaux "Dispositions pénales", l'OEC fait une distinction très nette selon qu'une contravention a été commise par un officier d'état civil dans l'exercice de sa charge ou par une tierce personne, officier public ou particulier.
Dans le premier cas, où un officier d'état civil contrevient aux devoirs de sa charge, il est soumis, en vertu de l'art. 44 CC, à la juridiction disciplinaire des autorités de surveillance de l'état civil. Cette décision disciplinaire a le caractère d'une décision administrative et, comme telle, elle peut être portée devant le Tribunal fédéral par la voie du recours de droit administratif, en application des art. 97 et 98 litt. g OJ.
Dans le second cas, d'infraction commise par des tiers, l'autorité cantonale de surveillance n'a à leur égard aucun pouvoir disciplinaire en vertu de l'art. 44 CC. Aussi bien, l'OEC contient une seconde règle, relative aux dispositions pénales applicables aux "autres personnes": ces dispositions sont soustraites à la connaissance des autorités de surveillance. L'ordonnance a institué ici des contraventions, soumises au droit commun, dont connaît "l'autorité compétente" désignée par le canton (art. 183 al. 3 OEC), laquelle peut être une autorité administrative (art. 345 al. 1, 2e phrase, CP), mais ce n'est pas l'autorité de surveillance. Les cantons peuvent certes charger de la répression de ces contraventions les mêmes corps que ceux
BGE 97 I 413 S. 415
qui assument la surveillance de l'état civil, mais ce n'est pas en qualité d'autorité de surveillance de l'état civil que ces corps répriment les contraventions à l'art. 182. Dès lors, la répression de ces contraventions étant soustraite aux autorités de surveillance, elle ne peut être déférée au Tribunal fédéral que par la voie du pourvoi en nullité à la Cour de cassation (art. 268 PPF).
Il faut donc distinguer d'une part les peines disciplinaires, que les autorités de surveillance sont tenues de prononcer en application de l'art. 44 CC et de l'art. 182 OEC, qui ne peuvent frapper que les officiers d'état civil; et, d'autre part, les contraventions, qui sont du ressort de l'autorité désignée par le canton et qui, visant des personnes n'ayant pas qualité d'officier d'état civil, ne peuvent avoir un caractère disciplinaire et ressortissent au droit commun.
Cette distinction ressort clairement des art. 181 et 182 OEC. Elle est mise en évidence par certains textes d'application cantonaux. Telles par exemple les lois vaudoise (loi sur l'état civil, du 23 février 1959, art. 33 et 34), zurichoise (Zivilstandverordnung, §§ 16 al. 3 et 53), bernoise (décret sur le service de l'état civil, du 17 février 1960, art. 13 ch. 16 et 16 ch. 4). Elle est également à la base de l'arrêt Schäfer (26 juin 1939: RO 65 I 201). C'est en effet la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral, à l'exclusion de l'autorité cantonale de surveillance, qui a jugé en dernier ressort la cause d'un ecclésiastique qui avait célébré un mariage religieux en violation de l'art. 118 CC. Sans doute était-ce sous l'empire de l'OEC de 1928, mais les textes ne diffèrent pas sur le fond.
En transmettant le recours de Sauthier, le Département fédéral de justice et police a présenté des observations dans lesquelles il soutient qu'il s'agit d'un recours de droit administratif.
Ce point de vue est inspiré par l'arrêt Keller-Staub (19 juin 1946: RO 72 I 252) dans lequel, s'agissant de l'application de l'art. 943 CO, le Tribunal fédéral, tout en la reconnaissant souvent difficile à établir, a esquissé une distinction entre les infractions à la loi pénale, poursuivies et réprimées conformément à la procédure pénale ordinaire et aux dispositions générales du code pénal et les actes réprimés par une peine d'ordre, relevant exclusivement du droit et de la procédure administrative.
In casu, cette position était justifiée par le fait que le législateur a prévu "une amende d'ordre" prononcée par "l'autorité préposée
BGE 97 I 413 S. 416
au registre", soit par l'autorité cantonale de surveillance, statuant directement ou sur recours (art. 2 ORC). Or toutes les décisions de cette autorité peuvent être déférées à la juridiction administrative fédérale (art. 5 ORC). Par ailleurs, dans un cas de cette espèce, le litige ne porte souvent pas sur la seule "amende d'ordre", mais également sur l'obligation de requérir l'inscription. Il est dès lors opportun que la même autorité soit saisie des deux aspects, administratif et disciplinaire, d'une seule question.
Toutefois, l'art. 943 CO institue une réglementation différente de celle qui a été exposée plus haut et qui découle des art. 44 CC et 182 ss. OEC d'une part ou, d'autre part, de l'art. 957 CC, s'agissant des fonctionnaires et employés du registre foncier. Il n'y a aucune raison, en ces matières, de revenir sur la pratique instituée par l'arrêt Schäfer précité, qui est la seule conforme avec le système établi par la loi.
2.
En vertu des art. 44 ch. 2 et 64 de la loi valaisanne d'application du code civil et 9 du décret cantonal du 31 mai 1954 sur l'état civil, le Conseil d'Etat valaisan est à la fois autorité de surveillance en matière d'état civil et l'autorité compétente pour statuer "sur toutes les contraventions commises en matière d'état civil".
La décision attaquée émane ainsi d'une autorité administrative à laquelle la loi cantonale, en conformité de l'art. 345 al. 1, 2e phrase, CP, attribue le jugement de contraventions. C'est un jugement rendu en matière pénale par une autorité de jugement. La voie pour attaquer une telle décision devant le Tribunal fédéral est la voie du pourvoi en nullité à la Cour de cassation et non celle du recours de droit administratif.
Le présent recours est donc irrecevable. Il n'est pas possible de le transmettre à la Cour de cassation pénale en tant que pourvoi en nullité car, s'il a bien été formé dans le délai de 10 jours, il a été irrégulièrement déposé au Département fédéral de justice et police. Le fait qu'il a été transmis - après le délai - au Tribunal fédéral ne peut couvrir le vice que constitue le dépôt à une autorité n'ayant pas qualité pour recevoir le pourvoi (cf. par analogie RO 78 IV 131).
Le Conseil d'Etat valaisan a certes omis d'indiquer dans sa décision les voies de recours. Cette omission est fautive, que l'autorité cantonale ait considéré sa décision comme un prononcé pénal (art. 251 al. 2 PPF) ou qu'elle ait cru agir comme autorité
BGE 97 I 413 S. 417
de surveillance de l'état civil (art. 1er al. 3 et 35 al. 2 LPA). Elle ne constitue cependant qu'une infraction à une règle d'ordre, qui n'a pas pour effet de suspendre le délai de recours (RO 68 IV 156;
87 IV 149
). Tout au plus cette informalité justifie-t-elle de dispenser le recourant des émoluments et frais de justice.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Déclare le recours irrecevable. | public_law | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a275088e-a3f9-4532-b9b7-38bfdd36c66c | Urteilskopf
94 I 480
67. Auszug aus dem Urteil vom 18. Oktober 1968 i.S. X. AG gegen Eidg. Bankenkommission. | Regeste
Art. 3 Bankengesetz.
Die Bankenkommission darf die Anerkennung der Organisation einer Bank nicht vom Ergebnis einer Prüfung der moralischen und fachlichen Qualitäten der Personen, die als Leiter des Unternehmens ausersehen sind, abhängig machen. | Sachverhalt
ab Seite 481
BGE 94 I 480 S. 481
A.-
Die X. AG, die ihren Sitz in der Schweiz hat, will ihr Unternehmen in eine Bank im Sinne des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 umwandeln. Sie reichte der Eidg. Bankenkommission einen Statutenentwurf ein, der vorsieht, dass die "unmittelbare Geschäftsführung der Bank" einer Direktion obliegen soll und dass der Direktor "als verantwortlicher Geschäftsführer den Verwaltungsrat unaufgefordert von allen den Geschäftsgang entscheidend treffenden Vorkommnissen zu orientieren hat". Als Direktor der Bank wurde der gegenwärtige Geschäftsführer der Gesellschaft ausersehen.
B.-
Die Eidg. Bankenkommission entschied am 17. Juni 1968, die Bescheinigung gemäss Art. 3 Abs. 3 des Bankengesetzes und Art. 8 der Vollziehungsverordnung vom 30. August 1961 werde der X. AG "so lange nicht ausgestellt, als sie eine Besetzung des Direktorenpostens vorsieht, bei der die Sicherheit der Gläubiger gefährdet erscheint".
Zur Begründung wurde ausgeführt, der gegenwärtige Geschäftsführer der Gesellschaft sei früher Direktor einer Bank gewesen und habe sich bei dieser Tätigkeit als charakterlich unzuverlässig und fachlich unfähig erwiesen. Die moralische und fachliche Qualität der Leiter einer Bank sei aber für die Sicherheit der Gläubiger von entscheidender Bedeutung. Wenn dem Direktor einer bestehenden Bank die erforderlichen Eigenschaften fehlten, liege ein Missstand vor, gegen den die Aufsichtsbehörde einzuschreiten habe (Art. 23 Abs. 3 lit. 1 Bankengesetz). Die Aufsichtsbehörde müsse jedoch auch dann eingreifen können, wenn eine im Entstehen begriffene Bank von Anfang an mit einem derartigen Missstand behaftet sei. Es wäre absurd anzunehmen, dass sie in einem solchen Fall die Eröffnung der Bank zulassen müsste, nur weil Art. 3 des Bankengesetzes lediglich eine formelle Prüfung der Organisation vorsehe.
C.-
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die X. AG, der Entscheid der Bankenkommission sei aufzuheben und diese anzuweisen, ihr die Bescheinigung gemäss Art. 3 Abs. 3 des Bankengesetzes und Art. 8 der Vollziehungsverordnung zu erteilen.
Es wird geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Ausstellung der Bescheinigung seien in Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bankengesetzes umschrieben. Sie seien hier erfüllt. Die Bescheinigung dürfe nicht aus Gründen verweigert werden, die in der
BGE 94 I 480 S. 482
Person des in Aussicht genommenen Direktors der Bank liegen. Übrigens stehe nicht fest, dass die Beschwerdeführerin ihren jetzigen Geschäftsführer als Direktor bezeichnen werde. Es treffe auch nicht zu, dass er moralisch unzuverlässig und fachlich unfähig sei.
D.-
Die Bankenkommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(Der angefochtene Entscheid unterliegt nach Art. 24 Abs. 1 lit. b des Bankengesetzes der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.)
2.
Das Bankengesetz will gewissen Missständen, die sich im Laufe der Zeit im Bankwesen eingestellt und zu Bankzusammenbrüchen geführt hatten, vor allem im Interesse der Gläubiger entgegentreten. Ein Missstand hatte darin bestanden, dass manche Banken ihre Organisation nicht zweckmässig geordnet hatten. Art. 3 des Bankengesetzes bestimmt deshalb, dass die Banken in ihren Gesellschaftsverträgen, Statuten oder Reglementen den Aufgabenkreis zu umschreiben und eine ihrer Geschäftstätigkeit entsprechende Verwaltungsorganisation vorzusehen haben (Abs. 1); namentlich sind, wo der Geschäftszweck oder der Geschäftsumfang es erfordert, besondere Organe für die Geschäftsführung einerseits und für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle anderseits auszuscheiden und die Befugnisse zwischen diesen Organen so abzugrenzen, dass eine sachgemässe Überwachung der Geschäftsführung gewährleistet ist (Abs. 2). Bei der Gründung einer Bank oder der nachträglichen Umwandlung eines Unternehmens in eine Bank sind die Gesellschaftsverträge, Statuten und Reglemente der Bankenkommission vorzulegen; bevor diese festgestellt hat, dass die Bedingungen von Abs. 1 und 2 erfüllt sind, darf die Bank weder ihre Tätigkeit aufnehmen noch ins Handelsregister eingetragen werden (Abs. 3). Sind die Bedingungen erfüllt, so hat die Bankenkommission dem Unternehmen eine Bescheinigung darüber auszustellen (Art. 8 VOIlziehungsverordnung).
Nach dem Wortlaut des Art. 3 des Bankengesetzes hat die Bankenkommission sich bei der Untersuchung, die sie gemäss Abs. 3 vorzunehmen hat, auf die Überprüfung der inneren Organisation der Bank, welche eröffnet werden soll, im allgemeinen
BGE 94 I 480 S. 483
zu beschränken. Der Organisationsplan muss an sich, in bezug auf die Abgrenzung der Geschäftsbereiche, der Überwachung und der Verantwortlichkeit, diejenigen Bedingungen erfüllen, die dem Charakter der betreffenden Bank angemessen sind. Dagegen folgt aus dem Text des Art. 3 nicht, dass die Bankenkommission auch die moralischen und fachlichen Qualitäten der Gründer oder anderer Personen, mit denen das Unternehmen die im Organisationsplan vorgesehenen Posten zu besetzen gedenkt, zu überprüfen hat und die Ausstellung der Bescheinigung verweigern kann, wenn sie findet, dass die eine oder andere dieser Personen nicht genügend qualifiziert sei. Die Kommission gibt dies selber zu.
Wohl bemerkte der Bundesrat in der Botschaft vom 2. Februar 1934 zum Entwurf des Bankengesetzes, die Bankenkommission werde "sich vorgängig über den Grad der moralischen Zuverlässigkeit der Gründer erkundigen" (BBl 1934 I S. 184). Diese Auffassung fand aber weder im vorgelegten Entwurf noch im Gesetz Ausdruck, und auch die Botschaft führte nicht weiter aus, welche Folgen eintreten sollten, falls die Bankenkommission zum Schluss käme, die Gründer seien moralisch nicht zuverlässig. Bei der Beratung des Gesetzes im Parlament wurde unwidersprochen erklärt, dass die Befugnis der Bankenkommission, die Anerkennung der Organisation einer Bank vom Ergebnis einer Prüfung der moralischen und fachlichen Qualitäten der Gründer und der künftigen Leiter abhängig zu machen, im Entwurf des Bundesrates nicht vorgesehen sei und dass eine abweichende Ordnung sich auch nicht rechtfertige (Protokoll der Tagung der ständerätlichen Kommission vom 13.-16. Februar 1934, S. 43 f.; StenBull 1934 StR S. 218/9, NR S. 641). Es entging den eidgenössischen Räten nicht, dass in der Vergangenheit gerade durch das unverantwortliche Verhalten gewisser Bankdirektoren grosse Schäden entstanden waren; doch wollte man weiteren solchen Vorkommnissen durch die Vorschrift vorbeugen, dass ein genauer und sachgemässer Organisationsplan aufzustellen sei.
Die dem Wortlaut des Art. 3 des Bankengesetzes nächstliegende Auslegung, dass die Bankenkommission sich auf eine formelle Prüfung der in den Gesellschaftsverträgen, Statuten und Reglementen vorgesehenen Organisation zu beschränken hat, wird also durch den Werdegang der Bestimmung bestätigt. Diese ist auch im Schrifttum stets im gleichen Sinne verstanden
BGE 94 I 480 S. 484
worden (REIMANN, Komm. zum schweizerischen Bankengesetz, 3. Aufl., S. 27 Z. 6; GRANER, Schweiz. jur. Karthotek, Karte 460, S. 6; TARNUTZER, Entstehung, Organisation und Funktion der Eidg. Bankenkommission, Berner Diss. 1941, S. 61; URECH, Die staatliche Beaufsichtigung der Banken in der Schweiz, Zürcher Diss. 1944, S. 63 f.; PIGUET, La banque dans le cadre de la réglementation bancaire suisse, thèse Lausanne 1953, S. 385 f.).
Der angefochtene Entscheid lässt sich demnach nicht auf Art. 3 des Bankengesetzes stützen.
3.
Die Bankenkommission will denn auch ihre Befugnis, die Anerkennung der Organisation einer Bank vom Ergebnis der Prüfung der Vertrauenswürdigkeit des künftigen Direktors abhängig zu machen, nicht eigentlich aus Art. 3 des Bankengesetzes ableiten, sondern aus Art. 23 Abs. 3 lit. 1, wonach sie, falls sie durch die Revisionsstelle von Gesetzesverletzungen oder sonstigen Missständen Kenntnis erhält, der betreffenden Bank eine Frist zur Behebung der Missstände anzusetzen oder die entsprechenden administrativen oder gerichtlichen Schritte einzuleiten hat. Sie ist der Meinung, sie sei nach dem Sinn des Gesetzes verpflichtet, schon bei der Gründung einer Bank einzuschreiten, wenn das Unternehmen einen ungeeigneten Leiter einsetzen wolle und daher Missstände vorhersehbar seien.
Dieser Auffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Sie ist nicht vereinbar damit, dass der Gesetzgeber in Art. 3 des Bankengesetzes die Überprüfungsbefugnis der Bankenkommission bewusst im oben dargelegten Sinne beschränkt hat. Die Regel von Art. 23 Abs. 3 lit. 1, die sich nach ihrem Wortlaut und ihrer Stellung im Gesetz nur auf Banken, die bereits tätig geworden sind, bezieht, darf nicht entgegen dem ausdrücklich geäusserten Willen des Gesetzgebers auf die Vorgänge bei der Gründung ausgedehnt werden. Anders wäre es allenfalls, wenn die Bankenkommission befugt wäre, einem sich bei der Ausübung des Bankgeschäfts zeigenden Missstand von sich aus unverzüglich abzuhelfen; dann hätte es tatsächlich wenig Sinn, eine von vornherein mit Missständen behaftete Unternehmung vorerst einmal zuzulassen, wenn doch nachher sofort gegen sie eingeschritten werden müsste. Allein diese weitgehende Befugnis gibt das Gesetz der Bankenkommission nicht. Es bestimmt in Art. 21 Abs. 3, dass die Revisionsstelle, welche bei einer Revision Missstände festgestellt hat, der Bank eine angemessene
BGE 94 I 480 S. 485
Frist zu deren Behebung anzusetzen und, falls die Frist nicht eingehalten wird, der Bankenkommission Bericht zu erstatten hat; auf eine solche Meldung hin hat alsdann nach Art. 23 Abs. 3 lit. 1 die Bankenkommission ihrerseits der Bank eine Frist zur Behebung der Missstände anzusetzen oder die entsprechenden administrativen oder gerichtlichen Schritte einzuleiten. Die Bankenkommission hält dafür, dass sie die in dieser Bestimmung vorgesehenen Massnahmen auch schon dann ergreifen könne, wenn sie von Missständen nicht durch die Revisionsstelle, sondern von anderer Seite oder auf Grund eigener Wahrnehmungen Kenntnis erhalten hat (a.M. URECH, a.a.O. S. 85). Es kann indessen offen gelassen werden, wie es sich damit verhält; denn auf jeden Fall muss die Bankenkommission sich an das Verfahren halten, das ihr Art. 23 Abs. 3 lit. 1 für die Behebung der ihr bekannt gewordenen Missstände vorschreibt.
Es mag ferner dahingestellt bleiben, ob die Ernennung eines fachlich oder charakterlich ungeeigneten Bankleiters an sich schon als Missstand im Sinne des Gesetzes betrachtet werden kann, wie die Bankenkommission annimmt, oder ob unter Missständen nicht lediglich bestimmte Vorkommnisse oder organisatorisches Ungenügen, die im Laufe des Bankbetriebes auftreten, zu verstehen sind. Auch wenn der Bankenkommission in dieser Beziehung beizupflichten wäre, stände ihr doch kein Mittel zur Verfügung, um unmittelbar die Entfernung des ungeeigneten Bankleiters zu erreichen oder gar die Schliessung der Bank zu erzwingen. Die Kommission müsste der Bank zuerst Frist zur Behebung des Missstandes ansetzen oder administrative oder gerichtliche Schritte gegen sie einleiten. Als Sanktion für die Nichtbefolgung der Weisung, den Missstand zu beheben, käme einzig die Bestrafung nach Art. 46 Abs. 1 lit. m oder allenfalls die Ausfällung einer Ordnungsbusse nach Art. 51 des Bankengesetzes in Frage.
Kann also die Bankenkommission nicht unverzüglich nach der Gründung einen ihr als ungeeignet erscheinenden Bankleiter aus eigener Kompetenz entfernen lassen, sondern hat sie dafür ein bestimmtes Verfahren einzuschlagen, so ist es nicht sinnwidrig und gegen Art. 23 des Bankengesetzes verstossend, einen solchen Leiter vorerst zuzulassen, selbst wenn die Bankenkommission der Ansicht ist, dass sie seine Geschäftsführung alsbald werde beanstanden müssen, weil sie die Interessen der
BGE 94 I 480 S. 486
Gläubiger gefährde. Es ist deshalb nicht zulässig, einer Bank, welche die formellen Bedingungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bankengesetzes erfüllt, den Ausweis nach Art. 8 der Vollziehungsverordnung solange zu verweigern, als sie nicht eine die Bankenkommission zufriedenstellende Besetzung der Direktion vorgesehen hat.
Gewiss ist es verständlich, dass die Bankenkommission ungeeignete Persönlichkeiten von Anfang an von leitenden Tätigkeiten im Bankgewerbe fernhalten will, doch stellt ihr das geltende Recht hiefür das Verfahren, in dem über die Anerkennung der Organisation einer Bank zu entscheiden ist, nicht zur Verfügung. Solange das Gesetz nicht geändert ist, muss die Bankenkommission sich mit den ihr zur Zeit zu Gebote stehenden Behelfen begnügen und z.B. durch Anordnung ausserordentlicher Revisionen (Art. 23 Abs. 3 lit. i Bankengesetz) Missstände rechtzeitig zu erfassen versuchen.
4.
(Die Bankenkommission ist daher anzuweisen, der Beschwerdeführerin die erbetene Bescheinigung auszustellen, sofern die Bedingungen von Art. 3 Abs. 1 und 2 des Bankengesetzes erfüllt sind, was der Fall zu sein scheint.) | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a2795e76-7ac3-4d4a-b256-67135a021094 | Urteilskopf
84 I 83
13. Arrêt de la Ire Cour civile du 4 février 1958 dans la cause "Air-Genève", Borgeaud & Cie, contre Aéro-Club de Suisse, section de Genève. | Regeste
1. In Handelsregistersachen bestimmt sich die Sachlegitimation nach dem Bundesrecht (Erw. 1).
2. Beschwerdelegitimation eines Dritten, der unter Berufung auf das vom Handelsregister zu wahrende öffentliche Interesse nach Art. 32 HRV gegen eine Eintragung Einspruch erhebt (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 84 I 83 S. 83
A.-
En 1956 a été constituée à Genève la société en nom collectif "Air-Genève", Borgeaud & Cie, dont le but est l'exploitation de taxis aériens. Le 20 février 1957, elle a requis son inscription au registre du commerce de Genève.
Le 15 mai 1956, l'Aéro-Club de Suisse, section de Genève (ci-après: l'Aéro-Club), avait informé le préposé au registre du commerce qu'il s'opposait à l'inscription d'une raison comportant l'expression "Air-Genève". L'usage de cette "enseigne" ou "étiquette", disait-il, prêterait à confusion et induirait le public à penser qu'il s'agissait d'une entreprise officielle; en outre il serait préjudiciable à l'Aéro-Club, "qui détient à Genève le pouvoir sportif en matière aéronautique".
Le 21 février 1957, le préposé au registre du commerce informa l'Aéro-Club qu'il ne voyait guère en vertu de quelle
BGE 84 I 83 S. 84
disposition légale il pourrait refuser d'office la désignation "Air-Genève". Il lui demanda cependant de lui faire savoir dans les cinq jours s'il entendait former une opposition de droit privé, ajoutant que, dans ce cas, il lui impartirait, conformément à l'art. 32 al. 2 ORC, un délai pour obtenir du juge une ordonnance provisionnelle.
B.-
L'Aéro-Club ne répondit rien au Bureau du registre du commerce. Mais, par lettre du 26 février 1957, il s'adressa directement à l'autorité de surveillance, c'est-à-dire au Département cantonal du commerce et de l'industrie. Il exposait qu'il maintenait son opposition et alléguait notamment que l'expression "Air-Genève" induirait le public en erreur et devait être réservée à une entreprise officielle ou semi-officielle.
Cet écrit fut considéré comme un recours.
Par décision du 29 mars 1957, le Département du commerce et de l'industrie, considérant que les termes "Air-Genève" évoquaient l'idée d'une institution officielle ou quasi officielle, prit la décision suivante:
"1. Les mots 'Air-Genève' ne peuvent pas figurer dans la raison 'Air-Genève', Borgeaud et Cie ... La réquisition déposée le 20 février 1957 est partiellement rejetée dans ce sens.
2. Les effets de la communication du 21 février 1957, par laquelle le Registre du commerce a invité l'Aéro-Club à faire savoir dans les cinq jours s'il entendait former une opposition de droit privé ... sont suspendus jusqu'à droit définitivement jugé dans la présente procédure de droit administratif."
C.-
"Air-Genève", Borgeaud & Cie, forme un recours de droit administratif au Tribunal fédéral, en concluant à ce que celui-ci annule la décision du Département cantonal et dise que les mots "Air-Genève" peuvent figurer dans la raison à inscrire au registre du commerce.
L'Aéro-Club propose le rejet du recours, de même que le Département genevois du commerce et de l'industrie et le Département fédéral de justice et police.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La recourante nie en premier lieu la "validité de
BGE 84 I 83 S. 85
l'opposition de l'Aéro-Club", en soutenant qu'il n'avait pas vocation pour porter plainte devant l'autorité de surveillance contre la décision prise le 21 février 1957 par le préposé au registre du commerce.
En la forme, l'Aéro-Club a qualité pour défendre devant le Tribunal fédéral, puisqu'il a été admis à agir comme partie dans l'instance cantonale (cf. art. 103 al. 1 OJ; RO 60 I 33 consid. 1, 81 I 397 consid. 1). Mais, ce que la recourante conteste, c'est qu'il ait, quant au fond, qualité pour s'opposer à l'inscription de la raison sociale qu'elle a choisie. Ce moyen ne peut être soumis au Tribunal fédéral que si, en matière de registre du commerce, la qualité pour agir quant au fond ressortit au droit fédéral.
Cette condition est remplie. Le registre du commerce, en effet, est soumis essentiellement à la législation fédérale. Les cantons ne peuvent régler que le statut de leurs fonctionnaires affectés à la tenue et à la surveillance du registre du commerce, ainsi que certaines question d'organisation qui leur sont réservées (cf. art. 927 CO). Dès lors, la qualité pour agir relève du droit fédéral. Il en est ainsi, en particulier, de la qualité des tiers pour former opposition à une inscription, ainsi que le Tribunal fédéral l'a déjà jugé implicitement (RO 60 I 33 consid. 2, 81 I 397 consid. 1; cf. également RO 62 I 167, 75 I 382 consid. 1).
2.
Aux termes de l'art. 32 ORC, les tiers qui forment une opposition de droit privé à une inscription doivent être renvoyés à agir devant le juge; si l'inscription n'est pas encore opérée, le préposé impartit aux opposants un délai suffisant pour obtenir du juge une ordonnance provisionnelle. L'opposition de droit privé donne ainsi lieu à un procès civil dans lequel l'opposant intervient comme partie.
Mais il se peut également que des tiers fondent leur opposition sur l'intérêt public que le registre du commerce est destiné à protéger et dont le préposé doit tenir compte d'office. Dans ce cas, cependant, ils n'ont pas, en principe, qualité de parties. En effet, l'opposition n'est pas une
BGE 84 I 83 S. 86
action populaire ouverte à chaque citoyen dans l'intérêt général. Le soin d'assurer le bien public et de faire respecter les principes du droit public objectif incombe aux autorités compétentes et non au particulier. Il leur est certes loisible d'examiner les atteintes à l'intérêt public que leur signalent des citoyens, mais elles n'en ont pas l'obligation parce que le particulier aurait le droit de les mettre en oeuvre. Si donc, contrairement à l'avis du dénonciateur, l'autorité considère que l'intérêt général n'a point été atteint et si elle en informe le particulier en rejetant sa requête, celui-ci n'a pas, en principe, qualité pour recourir contre cette décision (RO 60 I 33, 62 I 167, 73 II 181). Il n'en est autrement que dans les cas où le contraire est prévu par la loi ou en découle nécessairement. C'est ainsi que l'art. 57 al. 2 ORC permet aux tiers de requérir l'inscription d'une personne ou d'une société tenue de figurer dans le registre du commerce et la jurisprudence en déduit, à juste titre, qu'ils ont alors qualité pour recourir contre la décision de l'autorité administrative (cf. STAMPA, Sammlung von Entscheiden in Handelsregistersachen, no 5; HIS, Commentaire du CO, ad art. 932 rem. 88).
On ne se trouve pas dans un tel cas lorsqu'il s'agit de savoir si une raison de commerce satisfait aux conditions des art. 944 et suiv. CO et 38 et suiv. ORC. Certes, l'art. 32 al. 1 ORC dispose que, si des tiers forment opposition à une inscription déjà opérée, le préposé les renvoie au juge, à moins qu'ils n'invoquent des dispositions que les autorités du registre du commerce doivent appliquer d'office. Mais ces derniers termes signifient simplement que, rendu attentif à des prescriptions impératives tendantes à la protection de l'intérêt public, le préposé vérifie d'office si elles ont été observées lors de l'inscription critiquée. Il s'agit donc d'une règle analogue à l'art. 940 al. 1 CO, qui prescrit au préposé de contrôler d'office si les conditions légales requises pour l'inscription sont remplies. Dès lors, les opposants. n'ont pas vocation pour recourir contre la décision du préposé. Il en est de même, à plus forte raison, lorsque
BGE 84 I 83 S. 87
l'opposition est dirigée contre une inscription non encore opérée. Dans ce cas, en effet, l'art. 32 al. 2 ORC défère au juge la solution du litige, ajoutant que le préposé ne peut de toute façon procéder à l'inscription que si les autres conditions requises sont remplies. Cette disposition renvoie donc simplement à l'art. 940 al. 1 CO dans la mesure où il s'agit du respect de prescriptions qui sont inspirées par le souci de l'intérêt public. Dès lors, lorsqu'un tiers prétend qu'une raison de commerce, déjà ou non encore inscrite, n'est pas conforme aux art. 944 et suiv. CO ou 38 et suiv. ORC, il n'est point recevable à recourir contre la décision par laquelle le préposé ordonne ou maintient l'inscription. En revanche, il a le droit d'attaquer devant le juge une inscription indue par laquelle il est lésé (art. 956 al. 2 CO; RO 73 II 181) et, tant qu'elle n'est pas encore opérée, il peut l'empêcher, conformément à l'art. 32 al. 2 ORC, en formant une opposition de droit privé et en obtenant du juge une ordonnance provisionnelle dans le délai qui lui aura été imparti à cet effet par le préposé.
3.
En l'espèce, l'inscription n'était pas encore opérée lorsque l'Aéro-Club a formé opposition. Dans la mesure où cette opposition était fondée sur des motifs d'intérêt public, elle avait pour seul effet de signaler au préposé des dispositions qu'il devait de toute façon appliquer d'office en vertu des art. 32 al. 2 i.f. ORC et 940 al. 1 CO. L'Aéro-Club n'avait donc pas qualité pour recourir et c'est à tort que le Département du commerce et de l'industrie s'est saisi du recours et a statué au fond. Dans cette mesure, sa décision doit être annulée.
Si, en revanche, l'opposition de l'Aéro-Club tendait à protéger ses droits le préposé devait, en vertu de l'art. 32 al. 2 ORC, lui impartir un délai suffisant pour obtenir du juge une ordonnance provisionnelle. Toutefois, comme les déclarations de l'opposant n'étaient pas très claires sur ce point, c'est avec raison que le préposé l'a invité à préciser s'il entendait former une opposition de droit privé. Les effets de cette communication ayant été valablement suspendus
BGE 84 I 83 S. 88
par l'autorité cantonale, l'Aéro-Club devra maintenant indiquer s'il entend former une opposition selon l'art. 32 al. 2 ORC et, dans l'affirmative, il incombera au préposé de lui impartir, conformément à cette disposition légale, un délai pour obtenir une ordonnance provisionnelle du juge.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et annule la décision attaquée, à l'exception de son dispositif 2. | public_law | nan | fr | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a27be3af-3ba2-4f10-9813-23b4ca38749e | Urteilskopf
119 III 97
28. Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 4. Mai 1993 i.S. M. (Rekurs) | Regeste
Löschung einer Betreibung.
Da das Betreibungsregister im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 SchKG
bzw.
Art. 9 ZGB
beweist, dass die darin protokollierten Vorgänge stattgefunden haben, dürfen die Eintragungen grundsätzlich nicht entfernt werden. Das Erlöschen der Betreibung durch Zahlung wird durch die Angabe "Z", das Erlöschen aus andern Gründen durch die Angabe "E" festgehalten. | Sachverhalt
ab Seite 97
BGE 119 III 97 S. 97
Nachdem die OSKA Kranken- und Unfallversicherung in der gegen M. eingeleiteten Betreibung bereits das Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, zog sie am 21. Januar 1993 diese Betreibung zurück. Sodann teilte die Gläubigerin mit Eingabe vom 29. Januar 1993 dem Obergericht von Appenzell A.Rh. als Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs mit, dass neben dem Betreibungsverfahren gleichzeitig Verhandlungen mit M. betreffend
BGE 119 III 97 S. 98
Verrechnungsforderungen gelaufen seien. Am 14. Januar 1993 sei eine Einigung erreicht worden, weshalb sie um Löschung im Betreibungsregister ersuche.
Das Obergericht von Appenzell A.Rh. wies das Gesuch um Löschung der Betreibung, dem sich M. angeschlossen hatte, ab. Ebenso wies die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den hierauf von M. erhobenen Rekurs ab.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Die Rechtsprechung hat erkannt, dass sowohl das Unterbleiben wie auch die Unklarheit oder Unrichtigkeit einer Eintragung in das Betreibungsregister einen Grund zur Beschwerde bilden können. Sie hat aber die Frage offengelassen, ob das abgelehnte Begehren um Löschung einer Eintragung - der Befürchtung entspringend, Dritte könnten Kenntnis von der Betreibung bekommen - mit Rekurs an das Bundesgericht weitergezogen werden könne (
BGE 95 III 4
).
Aus rechtsstaatlichen Gründen drängt es sich auf, die Zulässigkeit des Rekurses im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 SchKG
zu bejahen. Da der Tatsache, dass jemand betrieben worden ist, insbesondere im Geschäftsleben Bedeutung beigemessen wird (vgl.
BGE 115 III 87
f. E. 3b), kann eine gegen ihn eingeleitete Betreibung den Betroffenen nicht gleichgültig lassen, ja mag ihm konkrete Nachteile bringen. Die Betroffenheit legitimiert zum Rekurs.
2.
Das Betreibungsregister beweist - im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 SchKG
bzw.
Art. 9 ZGB
-, dass die darin protokollierten Vorgänge stattgefunden haben. Angesichts dieses reinen Protokollierungszwecks erscheint es plausibel, dass der Gesetzgeber die Frage der Löschung von Einträgen im Betreibungsregister als Problem angesehen hat, das sich eo ipso gar nicht stellen kann, und es deshalb auch nicht gelöst hat (SUTER/VONDERMÜHLL, Die Löschung von Betreibungen im Betreibungsregister, unter besonderer Berücksichtigung der Praxis beim Betreibungsamt Basel-Stadt, BlSchK 52/1988, S. 214 f.).
Es ist indessen erkannt worden, dass die Möglichkeit der Löschung einer Betreibung nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Jedoch besteht diese Möglichkeit nur in ganz beschränktem Rahmen, nämlich wenn sich eine Betreibung wegen Irrtums des Gläubigers oder des Amtes - zum Beispiel hinsichtlich der Person des Schuldners - als mangelhaft oder gar nichtig erweist (SUTER/VONDERMÜHLL,
BGE 119 III 97 S. 99
a.a.O., S. 220). Die Löschung führt zum vollständigen, das heisst: auch amtsinternen Verschwinden der Eintragung (SUTER/VONDERMÜHLL, a.a.O., S. 216).
3.
a) Nach den für die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts verbindlichen Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 81 OG
) hat die OSKA Kranken- und Unfallversicherung parallel zur Betreibung Verhandlungen mit dem Schuldner M. geführt. Zufolge Einigung zwischen den Parteien sei die Betreibung von der Gläubigerin zurückgezogen worden. Somit stehe eindeutig fest, dass die Betreibung zu Recht erfolgt und erst nachträglich der Vergleich zustande gekommen sei.
b) Aufgrund dieses Sachverhaltes hat das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. die Möglichkeit der Löschung der Betreibung in dem Sinne, dass dem Betreibungsregister die Tatsache, dass gegen den Rekurrenten eine Betreibung eingeleitet worden ist, überhaupt nicht mehr entnommen werden kann, ohne Verletzung von Bundesrecht verneint.
Die Vorbringen in der Rekursschrift, die entgegen der Vorschrift des
Art. 79 Abs. 1 OG
nicht erkennen lassen, welche Bundesrechtssätze der Rekurrent als verletzt betrachtet, sind unbehelflich. Der Rekurrent rollt nur noch einmal die Auseinandersetzungen auf, die er mit der Gläubigerin gehabt hat und die schliesslich in einen Vergleich gemündet haben. Was das Resultat des Vergleiches war und insbesondere, ob er am Ende der Gläubigerin doch noch einen Betrag bezahlt hat, sagt der Rekurrent nicht.
Wie immer dem sei, besteht sowenig Anlass zur vollständigen Entfernung des Eintrags einer Betreibung aus dem Betreibungsregister, die infolge eines Vergleichs zwischen Gläubiger und Schuldner zurückgezogen worden ist, wie bei einer durch Zahlung obsolet gewordenen Betreibung; denn grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass die Betreibung weder grundlos erfolgte noch unnütz war (vgl.
BGE 115 III 87
f. E. 3b; ISAAK MEIER, Betreibungsauskunft - ein ungelöstes Problem des SchKG, in Festschrift 100 Jahre SchKG, Zürich 1989, S. 138 f.). Der Betreibungsbeamte hält im Betreibungsregister den Gang der Betreibung fest, insbesondere auch die Art deren Erledigung: zum Beispiel durch "Z" das Erlöschen durch Zahlung des Schuldners an das Betreibungsamt und durch "E" das Erlöschen aus anderen Gründen (vgl. Art. 30 des Reglements über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register und die Rechnungsführung, SR 281.31;
BGE 115 III 88
).
BGE 119 III 97 S. 100
Auf diese Weise wird eine obsolet gewordene Betreibung gekennzeichnet. Jedoch dürfen die im Betreibungsregister enthaltenen Eintragungen grundsätzlich nicht daraus entfernt werden, wenn sie der tatsächlich vorgenommenen Handlung des Betreibungsbeamten entsprechen.
Was der Rekurrent begehrt, läuft nun aber darauf hinaus, dass eine Handlung des Betreibungsbeamten aus dem Register entfernt werden soll, die tatsächlich stattgefunden hat. Der Rekurrent tut nicht dar, dass und inwiefern die Eintragung der Betreibung auf einem Irrtum beruhen oder der Eintragung eine nichtige Betreibung zugrunde liegen würde. Es kann daher seinem Begehren nicht entsprochen werden. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a27d8bd0-63f8-447c-ba53-862cec9b8707 | Urteilskopf
86 III 3
2. Entscheid vom 11. Mai 1960 i.S. Grob. | Regeste
Der Rekurs an das Bundesgericht gemäss
Art. 19 SchKG
muss handschriftlich unterzeichnet sein, ansonst er ungültig ist (
Art. 30 Abs. 1 OG
, 14 OR). | Sachverhalt
ab Seite 3
BGE 86 III 3 S. 3
Gegen den Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde des Kantons St. Gallen vom 9. April 1960 reichte der Gläubiger Grob den vorliegenden Rekurs ein, der sowohl im Hauptexemplar als im Doppel am Kopf wie am Schluss den Namen des Rekurrenten nur in Maschinenschrift aufweist.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Nach
Art. 30 Abs. 1 OG
müssen alle für das Bundesgericht bestimmten Rechtsschriften mit Unterschrift versehen sein. Darunter versteht das Gesetz selbstverständlich - wie es
Art. 14 OR
für die nach Gesetz der schriftlichen Form bedürftigen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ausdrücklich sagt - eigenhändige Unterschrift. Die Bestimmung des
Art. 30 Abs. 1 OG
ist nicht eine blosse Ordnungsvorschrift, sondern sie macht die handschriftliche Unterzeichnung zur Gültigkeitsvoraussetzung der Vorkehr. Eine Eingabe ohne handschriftliche Unterschrift stellt keine rechtserhebliche Erklärung dar (BGE
BGE 86 III 3 S. 4
29 I 477, 77 II 352, 80 IV 48, 81 IV 143, 83 II 514; mit Bezug auf den Rekurs gemäss
Art. 19 SchKG
/78 ff. OG: Entscheid vom 1. Juli 1955 i.S. Müller c. Zürich, nicht publ.). Der in Maschinenschrift angebrachte Name des Rekurrenten vermag die handschriftliche Unterzeichnung nicht zu ersetzen.
Rücksendung an den Rekurrenten zur Verbesserung kam nicht in Frage, da bei Eingang des Rekurses beim Bundesgericht die Rekursfrist bereits abgelaufen war.
Dieser Formmangel hat Ungültigkeit des Rekurses zur Folge.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Auf den Rekurs wird nicht eingetreten. | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a281decf-3da2-458a-8b88-808de3119587 | Urteilskopf
135 III 397
59. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et consorts contre X. (recours en matière civile)
4A_14/2009 du 2 avril 2009 | Regeste
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG
;
Art. 45 Abs. 1 OR
; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Bestattungskosten.
Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn diese zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führt und daher dringend einer Klärung durch das Bundesgericht bedarf (E. 1).
Wer den Tod einer Person zu verantworten und die Bestattungskosten zu ersetzen hat (
Art. 45 Abs. 1 OR
), kann nicht als Umstand, für den der Geschädigte einstehen muss (
Art. 44 Abs. 1 OR
), geltend machen, dass der Tod in nächster Zeit aus einem anderen Grund ohnehin eingetreten wäre, namentlich aufgrund des hohen Alters des Opfers (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 398
BGE 135 III 397 S. 398
A.
Le 16 mai 2006 vers 15 heures 15 à N., X., au volant de sa voiture, a renversé V., âgée de 89 ans, qui traversait la chaussée à pied en dehors d'un passage pour piétons. Héliportée au Centre Z., V. est décédée des suites de ses blessures moins de deux heures plus tard.
B.
Par jugement du 25 mai 2007, le Tribunal pénal de l'arrondissement de la Broye a condamné X., pour homicide par négligence, à une peine pécuniaire de 90 jours-amende (à 20 fr.) avec sursis pendant deux ans ainsi qu'au paiement d'une amende de 1'500 fr. (...)
Sur le plan civil, le tribunal pénal a condamné X. à payer aux trois enfants de la victime (A., B. et C.) 2'000 fr. pour les frais funéraires, 350 fr. à chacun pour les frais de constitution de partie civile et, en outre, 4'000 fr. à A. comme réparation pour tort moral.
Les trois enfants de la victime ont recouru contre le jugement rendu en matière civile par le juge pénal.
Par arrêt du 17 novembre 2008, la Cour d'appel pénal du Tribunal cantonal fribourgeois a confirmé le jugement attaqué, sauf en ce qui concerne l'indemnité pour les frais funéraires qui a été portée de 2'000 fr. à 3'500 fr. La cour cantonale a constaté que les frais funéraires s'élevaient à 15'241 fr. 65. En raison du grand âge de la victime, elle a estimé, en se fondant sur les tables de mortalité, que les héritiers auraient dû de toute manière assumer les frais funéraires environ six ans plus tard. Elle en a conclu que le dommage consistait seulement dans le fait que cette dépense avait été anticipée de six ans. Estimant que les héritiers ne pouvaient prétendre qu'à un intérêt de 5 % par an sur le montant des frais funéraires, elle a déterminé le montant de l'indemnité à 4'575 fr., qu'elle a ensuite réduit d'un quart pour tenir compte de la faute concomitante de la victime (la conductrice était certes inattentive, mais la victime était débitrice de la priorité puisqu'elle traversait sans être sur un passage pour piétons). Arrondissant les chiffres, elle est parvenue à une indemnité de 3'500 fr.
C.
A., B. et C. ont déposé un recours en matière civile et, subsidiairement, un recours constitutionnel au Tribunal fédéral contre l'arrêt du 17 novembre 2008. Le recours ne porte que sur la réduction de l'indemnité pour frais funéraires en raison du grand âge de la victime. Les recourants contestent que l'indemnisation pour les frais funéraires, prévue par l'
art. 45 al. 1 CO
, puisse être réduite en raison de l'âge de la victime, considéré comme un fait dont celle-ci répond au sens de l'
art. 44 al. 1 CO
. (...) Admettant la réduction
BGE 135 III 397 S. 399
de 25 % pour faute concomitante, ils concluent à ce que l'indemnité pour les frais funéraires soit portée à 11'431 fr. 25 (75 % de 15'241 fr. 65) avec suite de frais et dépens; subsidiairement, ils concluent au renvoi de la cause à l'autorité précédente et, plus subsidiairement, à l'examen de la question sous l'angle de l'arbitraire (
art. 9 Cst.
) dans le recours constitutionnel subsidiaire. (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours et réformé l'arrêt attaqué en ce sens que l'intimée a été condamnée à payer aux recourants, avec solidarité entre eux, le montant de 11'431 fr. 25 à titre de réparation du dommage subi.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
1.1
L'arrêt attaqué, rendu par la cour pénale cantonale, ne porte que sur la question civile, le sort de l'action pénale ayant été définitivement tranché en première instance; à l'encontre d'une telle décision, le recours ordinaire au Tribunal fédéral est le recours en matière civile, et non le recours en matière pénale (
ATF 133 III 701
consid. 2.1 p. 702 ss).
1.2
Les recourants admettent que la valeur litigieuse n'atteint pas le seuil de 30'000 fr. permettant normalement le recours en matière civile (
art. 74 al. 1 let. b LTF
), mais ils soutiennent que le recours est néanmoins recevable parce que la contestation soulève une question juridique de principe (
art. 74 al. 2 let. a LTF
). Conformément aux exigences de l'
art. 42 al. 2 2
e
phrase LTF, ils ont expliqué de manière précise en quoi la contestation soulèverait une question juridique de principe.
La jurisprudence a souligné qu'il fallait se montrer restrictif dans l'admission d'une dérogation à l'exigence de la valeur litigieuse sur la base de l'
art. 74 al. 2 let. a LTF
; elle s'est efforcée de cerner la notion de contestation soulevant une question juridique de principe (cf.
ATF 135 III 1
consid. 1.3 p. 4 s.;
ATF 134 III 267
consid. 1.2 p. 269,
ATF 134 III 354
consid. 1.3 p. 357). En résumé, il faut qu'il soit nécessaire, pour résoudre le cas d'espèce, de trancher une question juridique qui donne lieu à une incertitude caractérisée, laquelle appelle de manière pressante un éclaircissement de la part du Tribunal fédéral, en tant qu'autorité judiciaire suprême chargée de dégager une interprétation uniforme du droit fédéral.
BGE 135 III 397 S. 400
En l'espèce, il n'est pas possible de statuer sur le montant réclamé sans trancher la question juridique posée. Celle-ci ne trouve pas une réponse évidente à la simple lecture des art. 44 al. 1 et 45 al. 1 CO; elle n'a donné lieu à aucune jurisprudence du Tribunal fédéral et il n'est nullement démontré qu'elle serait tranchée de manière uniforme par les différents tribunaux cantonaux; au contraire, la doctrine est divisée sur cette question, de sorte que l'on se trouve bien en présence d'une incertitude caractérisée. Les circonstances du cas (le décès accidentel d'une personne très âgée) n'ont rien d'extraordinaire et sont susceptibles de se reproduire à tout moment. De surcroît, il est peu probable, compte tenu des frais funéraires usuels, que cette question puisse un jour être présentée au Tribunal fédéral avec une valeur litigieuse suffisante, au moins lorsque les frais funéraires sont seuls en cause.
Il se justifie donc de recevoir le recours en matière civile sur la base de l'
art. 74 al. 2 let. a LTF
, ce qui entraîne l'irrecevabilité du recours constitutionnel subsidiaire (
art. 113 LTF
).
1.3
Interjeté par les demandeurs qui ont succombé partiellement dans leurs conclusions en paiement (
art. 76 al. 1 LTF
) et dirigé contre un arrêt final (
art. 90 LTF
), rendu en matière civile (
art. 72 al. 1 LTF
) par une autorité cantonale de dernière instance (
art. 75 LTF
), le recours est en principe recevable, puisqu'il a été déposé dans le délai (
art. 100 al. 1 et
art. 46 al. 1 let
. c LTF) et la forme (
art. 42 LTF
) prévus par la loi.
1.4
Le recours peut être interjeté pour violation du droit, tel qu'il est délimité par les
art. 95 et 96 LTF
. Le Tribunal fédéral applique le droit d'office (
art. 106 al. 1 LTF
). Il n'est donc limité ni par les arguments soulevés dans le recours, ni par la motivation retenue par l'autorité précédente; il peut admettre un recours pour un autre motif que ceux qui ont été invoqués et il peut rejeter un recours en adoptant une argumentation différente de celle de l'autorité précédente (
ATF 134 III 102
consid. 1.1 p. 104). Compte tenu de l'exigence de motivation contenue à l'
art. 42 al. 1 et 2 LTF
, sous peine d'irrecevabilité (
art. 108 al. 1 let. b LTF
), le Tribunal fédéral n'examine en principe que les griefs invoqués; il n'est pas tenu de traiter, comme le ferait une autorité de première instance, toutes les questions juridiques qui se posent, lorsque celles-ci ne sont plus discutées devant lui (
ATF 134 III 102
consid. 1.1 p. 105). Il ne peut entrer en matière sur la violation d'un droit constitutionnel ou sur une question relevant du droit cantonal ou intercantonal que si le grief
BGE 135 III 397 S. 401
a été invoqué et motivé de manière précise par la partie recourante (
art. 106 al. 2 LTF
).
1.5
Le Tribunal fédéral conduit son raisonnement juridique sur la base des faits établis par l'autorité précédente (
art. 105 al. 1 LTF
). Il ne peut s'en écarter que si les faits ont été établis de façon manifestement inexacte - ce qui correspond à la notion d'arbitraire (
ATF 134 V 53
consid. 4.3 p. 63) - ou en violation du droit au sens de l'
art. 95 LTF
(
art. 105 al. 2 LTF
). Aucun fait nouveau ni preuve nouvelle ne peut être présenté à moins de résulter de la décision de l'autorité précédente (
art. 99 al. 1 LTF
).
1.6
Le Tribunal fédéral ne peut aller au-delà des conclusions des parties (
art. 107 al. 1 LTF
). Toute conclusion nouvelle est irrecevable (
art. 99 al. 2 LTF
).
S'il admet le recours, le Tribunal fédéral peut réformer la décision attaquée, c'est-à-dire qu'il peut statuer lui-même sur le fond à la place de l'autorité précédente (
art. 107 al. 2 LTF
).
2.
2.1
Le litige devant le Tribunal fédéral ne porte que sur la prise en compte du grand âge de la victime au moment de déterminer le montant de l'indemnité pour les frais funéraires.
2.2
Selon l'
art. 45 al. 1 CO
, les dommages-intérêts, en cas de mort d'homme, comprennent les frais, notamment ceux d'inhumation.
La jurisprudence a eu l'occasion de préciser ce qu'il fallait entendre par frais d'inhumation; elle a exclu de cette notion les frais d'entretien de la tombe, mais elle y a inclus les frais d'acquisition de vêtements lorsque l'héritier ne pourra raisonnablement les porter qu'à l'occasion des obsèques (
ATF 113 II 323
consid. 5 p. 338 s. et les références citées).
Elle a admis que l'indemnité pouvait être réduite en raison d'une faute concomitante de la victime (
ATF 113 II 323
consid. 5 p. 338).
En revanche, elle a souligné la différence entre l'indemnisation pour les frais d'inhumation et l'indemnisation pour perte de soutien; elle a estimé qu'il n'y avait pas lieu, s'agissant simplement des frais d'inhumation, d'appliquer la compensatio damni cum lucro et de réduire le montant de l'indemnité pour tenir compte du fait que les héritiers économiseront à l'avenir l'entretien de la personne décédée (
ATF 112 Ib 322
consid. 5a p. 330, arrêt portant sur le droit cantonal de la responsabilité civile).
BGE 135 III 397 S. 402
Elle n'a cependant jamais eu à trancher la question d'une prise en compte de l'âge, en tant que fait dont la victime répond au sens de l'
art. 44 al. 1 CO
.
La doctrine a depuis longtemps identifié le problème. Il tient à cette particularité que, tout homme étant mortel, des frais funéraires devront tôt ou tard être assumés.
OSER/SCHÖNENBERGER estiment, la date de la mort étant par nature hautement incertaine, qu'il n'y a pas lieu de tenir compte de cet argument et que l'indemnisation doit être complète (Zürcher Kommentar, 2
e
éd. 1929, n° 5 ad
art. 45 CO
).
Certains auteurs ont relevé qu'il serait plus logique, selon les principes généraux de la responsabilité civile, de n'accorder qu'un intérêt pour tenir compte du fait que la dépense a été anticipée. Ils admettent cependant que le texte légal est contraignant et que le responsable doit rembourser les frais d'inhumation (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, vol. I, 5
e
éd. 1995, p. 332 n. 253; HEINZ REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4
e
éd. 2008, p. 65 s. n. 281).
De nombreux auteurs sont encore plus affirmatifs; ils considèrent que le législateur a fait un choix à l'
art. 45 al. 1 CO
et qu'il a imposé au responsable le remboursement des frais d'inhumation, sans qu'il puisse faire valoir que la mort serait de toute manière intervenue tôt ou tard pour une autre cause (HARDY LANDOLT, Zürcher Kommentar, 3
e
éd. 2007, n° 22 ad
art. 45 CO
; INGEBORG SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4
e
éd. 2006, p. 120 n. 18.29 et p. 130 s. n. 21.05; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, vol. II, 2
e
éd. 1998, p. 77; BEAT SCHÖNENBERGER, in: Kurzkommentar Obligationenrecht, 2008, n° 4 ad
art. 45 CO
; HANS MERZ, Schweizerisches Privatrecht, vol. VI/1, 1984, p. 204).
En revanche, DESCHENAUX/TERCIER estiment que l'
art. 45 al. 1 CO
contient une règle discutable, qui doit être interprétée restrictivement, et que seul le dommage supplémentaire lié au décès accidentel devrait être indemnisé (La responsabilité civile, 2
e
éd. 1982, p. 234 n. 13). Cette opinion est mentionnée par FRANZ WERRO, sans que l'on sache si cet auteur la partage, puisqu'il affirme immédiatement auparavant que le fait que les frais funéraires devraient de toute façon être assumés un jour importe peu (La responsabilité civile, 2005, p. 268 n. 1060 s.). Dans le Commentaire romand, ce même auteur relève que le responsable doit rembourser les frais
BGE 135 III 397 S. 403
funéraires, sans mentionner l'opinion de DESCHENAUX/TERCIER (FRANZ WERRO, Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, n
os
3 et 4 ad
art. 45 CO
).
Tout en admettant que le texte légal ne permet peut-être pas cette interprétation, ROLAND BREHM soutient néanmoins qu'en présence d'une personne très âgée, une réduction en application de l'
art. 44 al. 1 CO
(fait dont la victime répond) devrait être possible (Berner Kommentar, 3
e
éd. 2006, n
os
7-11 ad
art. 45 CO
). Cette possibilité de réduction est aussi admise par ANTON K. SCHNYDER (in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4
e
éd. 2007, n° 2 ad
art. 45 CO
).
2.3
L'argument selon lequel il ne s'agit que d'anticiper une dépense n'est pas entièrement convaincant. Si, comme on le suggère en l'espèce, les frais funéraires étaient assumés six ans plus tard, il est évident que leur montant ne serait pas identique, en raison de la variation des prix. Par ailleurs, les frais d'inhumation, qui sont par nature encourus après le décès, incombent aux héritiers qui commandent les prestations (même s'ils peuvent être récupérés sur les forces de la succession:
art. 474 al. 2 CC
); or, il n'est pas certain que ce soient les mêmes personnes six ans plus tard. On peut imaginer, par exemple, qu'un héritier prédécède ou que le de cujus désigne, par testament, un autre héritier dans les limites de la quotité disponible. Il n'est donc pas exact d'affirmer que les mêmes personnes doivent nécessairement assumer les mêmes frais quelques années plus tard.
La comparaison que l'on voudrait faire avec les principes dégagés en matière de prédisposition naturelle n'est pas non plus vraiment convaincante. D'abord, toute personne n'est pas atteinte d'une prédisposition naturelle; les principes dégagés à ce sujet tendent à moduler la décision pour tenir compte de cas particuliers; il s'agit fondamentalement d'un processus d'individualisation. Il n'y a rien de comparable avec la constatation que tout homme est mortel et générera, tôt ou tard, des frais funéraires. Il s'agit d'un problème général, qui doit en principe être réglé par la loi. Ensuite, il faut observer que les principes concernant la prédisposition naturelle ont été développés lorsqu'il s'agit de capitaliser des rentes pour incapacité de travail ou perte de soutien. Les frais d'inhumation ne sont pas du même montant, ce qui peut justifier un système plus simple et plus expéditif (cf.
ATF 112 Ib 322
consid. 5a p. 330).
BGE 135 III 397 S. 404
Si l'on devait admettre - comme l'a fait la cour cantonale - qu'il faut déterminer le moment où la mort devait normalement intervenir sans l'accident, on se lancerait dans des spéculations hasardeuses. Certes, il existe des statistiques sérieuses sur les espérances de vie. Si on entre dans un tel raisonnement, on ne voit cependant pas ce qui empêcherait d'invoquer que les données statistiques moyennes doivent être corrigées pour tenir compte de l'état de santé réel de la personne en cause. Il est évident que même une personne jeune, atteinte d'une grave maladie dont l'issue est fréquemment mortelle, ne présente que des espérances de vie réduites. On peut songer par exemple à une personne atteinte d'un cancer au dernier degré. Si l'on songe que le montant des frais funéraires est toujours relativement réduit, on peut douter qu'il soit justifié de se lancer dans de telles complications, en se livrant de surcroît à des considérations qui seront certainement durement ressenties par les proches de la victime.
La cour cantonale explique qu'elle s'est laissée convaincre par l'opinion de DESCHENAUX/TERCIER sur le dommage véritablement causé. On peut toutefois signaler que ces mêmes auteurs enseignent que le responsable doit réparer tout le dommage qu'il a causé, sans pouvoir invoquer qu'une cause ultérieure aurait de toute manière entraîné le même préjudice postérieurement (figure de la causalité outrepassante; op. cit., p. 57 n. 25). Or, c'est précisément de cela dont il s'agit et la règle que la majorité des auteurs pense pouvoir déduire de l'
art. 45 al. 1 CO
va précisément dans ce sens (cf. INGEBORG SCHWENZER, op. cit., p. 130 s. n. 21.05).
Avec son raisonnement, la cour cantonale n'a pas accordé aux héritiers des dommages-intérêts correspondant à tout ou partie des frais funéraires assumés. Elle leur a alloué au contraire une sorte d'escompte, de 5 % l'an, pour avoir fourni l'argent de manière anticipée. Cette conception heurte de manière frontale le texte légal. Celui-ci prévoit clairement que les dommages-intérêts doivent comprendre les frais d'inhumation et il n'est pas question d'un escompte sur les frais d'inhumation.
A l'issue de cette analyse, le Tribunal fédéral parvient à la conclusion que l'
art. 45 al. 1 CO
doit être interprété selon son sens littéral. Celui qui est responsable de la mort d'une personne doit verser des dommages-intérêts pour couvrir les frais funéraires qu'il a causés. Le responsable ne peut donc pas faire valoir qu'une autre cause
BGE 135 III 397 S. 405
aurait ultérieurement provoqué la mort et engendré des frais funéraires.
2.4
Le montant des frais funéraires a été constaté d'une manière qui lie le Tribunal fédéral (
art. 105 al. 1 LTF
).
La réduction d'un quart pour faute concomitante (
art. 44 al. 1 CO
) n'est pas contestée, ni les autres points du dispositif, de sorte qu'il n'y a pas lieu d'y revenir. | null | nan | fr | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a283d8a5-b544-4dfc-bb5e-4f65515ba66e | Urteilskopf
136 I 49
6. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Hausherr gegen Kanton Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_274/2008 vom 25. September 2009 | Regeste
Art. 8 Abs. 1,
Art. 127 Abs. 2 und
Art. 190 BV
,
Art. 7 Abs. 1 StHG
; Dividendenbesteuerung; abstrakte Normenkontrolle; verfassungsrechtliches Anwendungsgebot von Bundesgesetzen.
Formelles (E. 1 und 2).
Das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes erlaubt den Kantonen die Privilegierung qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen bei der Besteuerung von Dividenden im Rahmen der Einkommenssteuer. Das verfassungsrechtliche Anwendungsgebot von Bundesgesetzen schliesst die Überprüfung einer vom Bundesgesetz abgedeckten kantonalen Regelung im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle aus, auch wenn das Bundesgesetz erst ein Jahr später in Kraft getreten ist (E. 3 und 4).
Die im kantonalen Recht vorgesehene Bevorzugung der Dividendeneinkünfte qualifizierter Anteilseigner von Unternehmungen mit Sitz in der Schweiz (gegenüber solchen mit Sitz im Ausland) sowie die Privilegierung von Beteiligungen, die sich nicht quotenmässig (prozentual), sondern betragsmässig (nach einer bestimmten Summe) berechnen, finden im Bundesgesetz keine Grundlage und sind rechtsungleich und damit verfassungswidrig (E. 5).
Dasselbe gilt für die im kantonalen Recht vorgesehene Entlastung qualifizierter Beteiligungen an Unternehmungen bei der Vermögenssteuer (E. 6).
Rechtsfolgen (E. 7.1). | Sachverhalt
ab Seite 51
BGE 136 I 49 S. 51
A.
Mit Beschluss vom 23. März 2007 änderte die Bundesversammlung im Rahmen der so genannten Unternehmenssteuerreform II verschiedene steuerrechtliche Bestimmungen des Bundes. Unter anderem fügte sie in
Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14)
den folgenden zweiten Satz ein (BBl 2007 2321):
"Bei Dividenden, Gewinnanteilen, Liquidationsüberschüssen und geldwerten Vorteilen aus Beteiligungen aller Art, die mindestens 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals ausmachen (qualifizierte Beteiligungen), können die Kantone die wirtschaftliche Doppelbelastung von Körperschaften und Anteilsinhabern mildern."
Parallel dazu ergingen die
Art. 18b und
Art. 20 Abs. 1 lit. c und Abs. 1
bis
des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11)
, die eine Milderung der Steuerbelastung bei der direkten Bundessteuer durch eine bloss teilweise Besteuerung des Dividendenertrages vorsehen. Nachdem gegen die Unternehmenssteuerreform II ein Referendum zustande gekommen war, wurde die Gesetzesnovelle in der eidgenössischen Volksabstimmung vom 24. Februar 2008 angenommen (BBl 2008 2781). Sie trat am 1. Januar 2009 in Kraft (AS 2008 2893, 2902).
B.
Am 22. März 2007 beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern, das kantonale Steuergesetz vom 21. Mai 2000 (StG/BE) anzupassen. Ein Teil der Änderungen erfolgte im Rahmen der so genannten Unternehmenssteuerreform. Dabei wurden insbesondere ein neuer
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE für die Einkommenssteuer und ein neuer
Art. 65 Abs. 2 StG
/BE für die Vermögenssteuer erlassen. Diese beiden Bestimmungen lauten wie folgt:
"
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE:
Für Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften mit Sitz in der Schweiz wird der für das steuerbare
BGE 136 I 49 S. 52
Gesamteinkommen massgebliche Steuersatz um 50 Prozent reduziert, sofern die Beteiligungsquote mindestens zehn Prozent oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken beträgt.
Art. 65 Abs. 2 StG
/BE:
Für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften mit Sitz in der Schweiz wird der für das steuerbare Gesamtvermögen massgebliche Steuersatz um 20 Prozent reduziert, sofern die Beteiligungsquote mindestens zehn Prozent oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken beträgt."
Gemäss der gleichzeitig erlassenen Übergangsregelung gilt der neue
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE, nicht aber der neue
Art. 65 Abs. 2 StG
/BE bereits für das Steuerjahr 2008.
In der Volksabstimmung vom 24. Februar 2008 hiess das Stimmvolk die Änderung des Steuergesetzes gut (Amtsblatt des Kantons Bern vom 19. März 2008 S. 278); die Gesetzesnovelle trat am 1. Januar 2008 in Kraft.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. April 2008 an das Bundesgericht beantragt Rudolf Hausherr, die in der Volksabstimmung vom 24. Februar 2008 angenommenen Art. 42 Abs. 3 und 65 Abs. 2 StG/BE aufzuheben, eventuell den Satzteil "... oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken beträgt" in den beiden Bestimmungen aufzuheben.
D.
Mit Vernehmlassung vom 4. Juni 2008 schliesst die Finanzdirektion des Kantons Bern auf Abweisung der Beschwerde. Mit Replik vom 8. September 2008 und Duplik vom 21. Oktober 2008 halten Rudolf Hausherr und die Finanzdirektion an ihren jeweiligen Standpunkten fest.
E.
Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts entschied über die Beschwerde an einer öffentlichen Sitzung am 25. September 2009.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Ein kantonaler Erlass kann beim Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden (
Art. 82 lit. b BGG
). Der Ausschlusskatalog von
Art. 83 BGG
betrifft nur Beschwerden gegen Entscheide und kommt bei der Anfechtung von Erlassen (abstrakte Normenkontrolle) nicht zur Anwendung. Gegen kantonale Erlasse ist unmittelbar die Beschwerde zulässig, sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann (
Art. 87 Abs. 1 BGG
).
BGE 136 I 49 S. 53
1.2
Angefochten ist vorliegend eine Gesetzesbestimmung, gegen deren Erlass im Kanton Bern kein kantonales Rechtsmittel offensteht. Dagegen kann somit grundsätzlich beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben werden.
1.3
Nach
Art. 101 BGG
ist die Beschwerde gegen einen Erlass innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen. Das Ergebnis der Volksabstimmung über die angefochtene Gesetzesnovelle vom 24. Februar 2008 wurde am 19. März 2008 im Amtsblatt des Kantons Bern veröffentlicht. Die vorliegende Beschwerde wurde der Post am 9. April 2008 aufgegeben und erging mithin fristgerecht.
1.4
Für die Beschwerde an das Bundesgericht gelten die im Gesetz vorgesehenen Begründungsanforderungen.
1.4.1
Nach
Art. 42 Abs. 2 BGG
ist in der Begründung der Beschwerde in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt das massgebliche Recht verletzt, das Beschwerdegrund (vgl. dazu
Art. 95 ff. BGG
) einer Beschwerde beim Bundesgericht bilden kann (
BGE 133 II 249
E. 1.4.1 S. 254). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (
Art. 106 Abs. 2 BGG
;
BGE 133 II 249
E. 1.4.2 S. 254). Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der angefochtene Erlass an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (vgl. allgemein
BGE 134 II 244
E. 2.1 und 2.2 S. 245 f. mit Hinweisen, sowie zur Substantiierungspflicht bei der Willkürrüge im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle
BGE 128 I 295
E. 7a S. 312).
1.4.2
Die Beschwerdebegründung ist zwar knapp, erfüllt aber grundsätzlich die Anforderungen an eine genügende Substantiierung der erhobenen Rügen. Ungenügend ist hingegen die Begründung der Willkürrüge, legt der Beschwerdeführer doch nicht dar, inwiefern ein qualifizierter und offensichtlicher Mangel in der Rechtsetzung vorliegen soll. Insoweit kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.
2.1
Gemäss
Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG
ist zur Anfechtung eines kantonalen Erlasses legitimiert, wer durch den Erlass aktuell oder
BGE 136 I 49 S. 54
virtuell besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Änderung oder Aufhebung hat. Das schutzwürdige Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein (
BGE 133 I 2
86 E. 2.2 S. 290). Virtuelles Berührtsein setzt voraus, dass der Beschwerdeführer von der angefochtenen Regelung früher oder später einmal mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit unmittelbar betroffen ist (vgl.
BGE 133 I 206
E. 2.1 S. 210). Zur Anfechtung eines kantonalen Steuererlasses sind grundsätzlich die im betroffenen Kanton Steuerpflichtigen legitimiert, d.h. diejenigen Personen, die dort ihren Wohnsitz haben (
BGE 130 I 174
E. 1.2 S. 176 f.). Es kann hier offenbleiben, wieweit die als AVLOCA-Praxis bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichts betreffend Legitimation zur Anfechtung eines Erlasses wegen rechtsungleicher Begünstigung mit der früheren staatsrechtlichen Beschwerde (dazu
BGE 109 Ia 252
;
BGE 131 I 198
E. 2.6 S. 203; vgl. auch
BGE 133 I 206
E. 2.2-2.4 S. 210 f.) auch auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zugeschnitten ist, woran immerhin angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen gewisse Zweifel bestehen. So oder so bildet ein Steuertarif ein unteilbares Ganzes, der als solcher den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muss. Jeder Steuerpflichtige muss die Missachtung der verfassungsrechtlichen Grundsätze im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle rügen können, selbst wenn sich ein andern Steuerpflichtigen gewährter Vorteil nicht unmittelbar zu seinem Nachteil auswirkt (vgl.
BGE 133 I 206
E. 2.1-2.3 S. 210 f.). Nicht zulässig sind hingegen Beschwerden, die im Interesse der Allgemeinheit oder der richtigen Gesetzesanwendung geführt werden (
BGE 125 I 7
E. 3c S. 9;
BGE 123 II 376
E. 2 S. 378 f.;
BGE 121 II 39
E. 2c/aa S. 44; BERNHARD WALDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 15 zu
Art. 89 BGG
).
2.2
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Kanton Bern und ist dort steuerpflichtig. Damit untersteht er dem bernischen Steuertarif und ist von diesem als unteilbares Ganzes betroffen. Die hier zu entscheidende Streitsache des anwendbaren Steuersatzes bzw. der Rechtmässigkeit desselben stellt eine Tariffrage dar. Überdies ist der Beschwerdeführer als Fürsprecher unternehmerisch tätig, ohne vom angefochtenen Teilsatzverfahren profitieren zu können. Selbst wenn schliesslich davon ausgegangen würde, dass nur beschwerdeberechtigt ist, wer wenigstens virtuell Aktionär sein kann, trifft dies auf den Beschwerdeführer wohl zu. Zumindest die virtuelle Betroffenheit kann dem Beschwerdeführer daher nicht abgesprochen werden, weshalb er zur Beschwerde legitimiert ist.
BGE 136 I 49 S. 55
3.
3.1
Nach
Art. 190 BV
sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend. Damit kann Bundesgesetzen weder im Rahmen der abstrakten noch der konkreten Normenkontrolle die Anwendung versagt werden. Zwar handelt es sich dabei um ein Anwendungsgebot und kein Prüfungsverbot (
BGE 131 II 710
E. 5.4 S. 721;
BGE 129 II 249
E. 5.4 S. 263 mit Hinweisen; YVO HANGARTNER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, Bd. II, N. 8 zu
Art. 190 BV
), und es kann sich rechtfertigen, vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes zu prüfen; wird eine solche festgestellt, muss das Gesetz aber angewandt werden, und das Bundesgericht kann lediglich gegebenenfalls den Gesetzgeber einladen, die fragliche Bestimmung zu ändern. Freilich besteht nicht in jedem Fall die Veranlassung, die bundesgesetzliche Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht hin zu prüfen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 2C_61/2008 vom 28. Juli 2008 E. 1.3.2). Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob sich dies rechtfertigt. Im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle ist dafür entscheidend, ob ein genügendes allgemeines Interesse an der Feststellung einer allfälligen Verfassungswidrigkeit besteht.
3.2
Im vorliegenden Fall ist eine kantonale Gesetzesbestimmung angefochten. Dafür gilt das Anwendungsgebot von
Art. 190 BV
grundsätzlich nicht. Auch der Umstand, dass der Bundesgesetzgeber eine Materie für seinen Kompetenzbereich, hier die direkte Bundessteuer, gleich oder ähnlich wie ein Kanton ordnet, schränkt die Befugnis des Bundesgerichts zur Überprüfung eines kantonalen Erlasses nicht ein; dabei ist sogar in Kauf zu nehmen, dass sich bei einer solchen Prüfung allenfalls Zweifel an der Verfassungsmässigkeit eines Bundesgesetzes ergeben können (
BGE 109 Ia 273
E. 2b S. 277 f.). Setzt das kantonale Steuergesetz jedoch unmittelbar Harmonisierungsrecht des Bundes um, das im Steuerharmonisierungsgesetz enthalten ist, greift das verfassungsrechtliche Anwendungsgebot auf das kantonale Recht durch. Das kantonale Steuergesetz, für welches das Anwendungsgebot an sich nicht gilt, wird davon als Umsetzungsakt der bundesgesetzlichen Ordnung erfasst (vgl.
BGE 131 II 710
E. 5.4 S. 721). Auch diesfalls hängt es von den Umständen des Einzelfalles bzw. vom Vorliegen eines entsprechenden allgemeinen Feststellungsinteresses ab, ob sich die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht trotz Anwendungsgebots rechtfertigt.
BGE 136 I 49 S. 56
3.3
Bei einer abstrakten Normenkontrolle, namentlich bei der Überprüfung eines kantonalen Gesetzes, kann das Bundesgericht auch einer nachträglichen Änderung der Rechtslage Rechnung tragen und insbesondere neu in Kraft getretenes, übergeordnetes Recht mitberücksichtigen (
BGE 120 Ia 286
E. 2c/bb S. 291;
BGE 119 Ia 460
E. 4d S. 473 mit Hinweisen). Das kann aber nicht unbeschränkt gelten, sondern setzt einen engen Zusammenhang vor allem in sachlicher und zeitlicher Hinsicht voraus.
3.4
Der neue
Art. 7 Abs. 1 StHG
erlaubt den Kantonen für Kapitalbeteiligungen von mindestens 10 % die Einführung einer Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung. Entscheiden sich die Kantone für eine solche Milderung, müssen sie zwingend eine Mindestbeteiligung von 10 % verlangen, im Übrigen verfügen sie über einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der kantonalen Regelung. Das gilt insbesondere für die Methode der Entlastung (Teilsatz-, Teilbesteuerungs- oder anderes Verfahren) und deren Umfang. Es ist den Kantonen namentlich überlassen, ob sie die wirtschaftliche Doppelbelastung von Körperschaft und Anteilsinhaber wie in der angefochtenen bernischen Regelung durch eine Reduktion des Steuersatzes oder wie in den neuen, parallel ergangenen
Art. 18b und
Art. 20 Abs. 1 lit. c und Abs. 1
bis
DBG
durch eine bloss teilweise Besteuerung des Dividendenertrages mildern wollen. Dagegen wird in der Literatur zwar eingewendet, die bundesrechtliche Harmonisierung beziehe sich einzig auf das Steuerobjekt, d.h. die Bemessungsgrundlage, und nicht auf den anwendbaren Tarif; die Kantone könnten daher die Milderung bei der Dividendenbesteuerung lediglich durch eine besondere Definition des Steuerobjekts, nicht aber durch einen Sondertarif umsetzen (vgl. insbes. URS R. BEHNISCH, in: Die schweizerische Bundesverfassung, a.a.O., N. 28 zu
Art. 129 BV
;
derselbe
, Steuerwettbewerb trotz seiner Zähmung ein Stein des Anstosses, Neue Zürcher Zeitung vom 21. Februar 2007). Beim Erlass von
Art. 7 Abs. 1 StHG
ging der Gesetzgeber aber klarerweise davon aus, dass der Bund die Kompetenz hat, unter Einhaltung einer gewissen Regelungsautonomie der Kantone beim Ausmass und bei der Art der Entlastung Lösungen zu treffen, die auch durch tarifliche Massnahmen umgesetzt werden können (vgl. BBl 2005 4796). Der Gesetzgeber stellte denn auch den Kantonen bewusst frei, Entlastungen wie der Bund in Form von Abzügen von der Bemessungsgrundlage oder aber Steuerermässigungen in Form eigentlicher tariflicher Massnahmen vorzusehen (BBl 2005 4868). Abgesehen davon kennt das
BGE 136 I 49 S. 57
Harmonisierungsrecht auch an anderer Stelle Sondertarife, so etwa inArt. 11 StHG.
4.
4.1
Der angefochtene
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE für die Einkommenssteuer entspricht weitgehend dem revidierten
Art. 7 Abs. 1 StHG
und wird von diesem seit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2009 im entsprechenden Umfang inhaltlich gedeckt. Eine allfällige diesbezügliche Verfassungswidrigkeit unterliegt daher seit dem 1. Januar 2009 dem Anwendungsgebot und lässt sich jedenfalls mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt vom Bundesgericht nicht mehr korrigieren. Damit wird dem Antrag auf Aufhebung der ganzen Bestimmung die Grundlage entzogen. Selbst im Falle, dass die angefochtene Bestimmung insoweit verfassungswidrig sein sollte, wäre es unverhältnismässig und würde es sich nicht rechtfertigen, diese Gesetzesnorm aufzuheben, und den Kanton nochmals in ein Gesetzgebungsverfahren zu zwingen, um eine gleich lautende Bestimmung zu erlassen, die nunmehr vom neuen Bundesgesetz gedeckt wäre. Unabhängig davon, ob die angefochtene kantonale Bestimmung und die hier nur vorfrageweise angesprochene neue bundesgesetzliche Norm verfassungskonform sind oder nicht, sind sie jedenfalls seit dem 1. Januar 2009 im entsprechenden Umfang anwendbar.
4.2
Es könnte sich immerhin fragen, ob etwas anderes zu gelten hätte, falls die kantonale Regelung über diejenige des Bundesrechts hinausginge, also insbesondere Erleichterungen gewähren würde, die vom Bundesrecht nicht mehr gedeckt wären, indem sie etwa nicht nur die wirtschaftliche Doppelbelastung beseitigen, sondern weitergehende Steuervorteile bieten würde. Der Beschwerdeführer behauptet eine solche überschiessende Wirkung.
4.3
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang bei der Einkommenssteuer, dass die Frage der Verfassungskonformität der Unternehmenssteuerreform in Fachkreisen schon seit längerem diskutiert wurde (vgl. etwa Bericht der Expertenkommission rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung [ERU], erstattet dem Eidgenössischen Finanzdepartement, Bern 2001; Bundesamt für Justiz, Gutachten betreffend die Verfassungsmässigkeit einer Teilbesteuerung von Dividenden im Privatbesitz, erstattet der Eidg. Steuerverwaltung am 29. November 2006; ULRICH CAVELTI, Die Unternehmenssteuerreform II ist verfassungskonform, Neue Zürcher Zeitung vom 29. Januar 2008; ETIENNE GRISEL, Rechtsgutachten zu Handen des
BGE 136 I 49 S. 58
Eidgenössischen Finanzdepartements vom 29. November 2006; KEUSCHNIGG/DIETZ, Volkswirtschaftliche Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform II, Gutachten im Auftrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 24. September 2002; MATTEOTTI/FELBER, Verfassungsrechtliche Kritik an der Unternehmenssteuerreform II, Jusletter vom 11. Februar 2008; ROBERT WALDBURGER, Die Vorlage verletzt offenkundig die Verfassung, Tagesanzeiger vom 22. Dezember 2007; WALDBURGER/BAUMANN, Zur Verfassungsmässigkeit der Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung durch das Unternehmenssteuerreformgesetz II und das Steuergesetz des Kantons Basel-Landschaft, Gutachten vom 8. Januar 2008; vgl. auch MARKUS REICH, Die wirtschaftliche Doppelbelastung der Kapitalgesellschaften und ihrer Anteilsinhaber, 2000, S. 25 ff.). Dabei wurden in der Frage der Verfassungsmässigkeit von Entlastungsmassnahmen für die Dividendenbezüger, wie sie hier strittig sind, verschiedene Auffassungen vertreten. Unter anderem äusserten sogar Organe des Bundes mit guten Gründen gewisse Zweifel. Dies ist auch dem Gesetzgeber nicht entgangen und bildete ausdrücklich Thema der politischen Diskussionen sowie des Abstimmungskampfes.
4.4
In der politischen Diskussion setzte sich dann aber mehr und mehr die Auffassung durch, die wirtschaftliche Doppelbelastung zwischen Dividendenbezüger und Gesellschaft sei zu beseitigen. Die Gesetzesrevision wurde mithin in Kenntnis der allfälligen verfassungsrechtlichen Fragwürdigkeit angenommen. Insbesondere war angesichts der im Gesetzgebungsverfahren beigezogenen Gutachten klar, dass die angestrebte Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung weiterreichen könnte, als das rein rechnerisch erforderlich wäre. Der Gesetzgeber setzte sich jedoch namentlich unter Hinweis auf angebliche volkswirtschaftliche Gesichtspunkte und eine mögliche Änderung der Verhaltensweise der Beteiligten über solche Bedenken hinweg. Im Zusammenhang mit dem Steuerharmonisierungsgesetz war mit Blick auf die parallel laufenden und teilweise bereits abgeschlossenen kantonalen Gesetzgebungsverfahren ebenso klar, dass bei den Kantonen entsprechende Entlastungen von ebenfalls bis zu 50 % als zulässig erachtet werden sollten. Die Mehrheit der Stimmberechtigten ging dabei davon aus, dass die schliesslich gewählte Lösung bzw. erlassene Regelung verfassungsrechtlich zulässig sei. Erleichterungen in diesem Umfang sind daher durch den Bundesgesetzgeber abgedeckt. Dabei muss nicht in jedem Kanton aufgrund der konkreten Steuersätze der Nachweis erbracht
BGE 136 I 49 S. 59
werden, dass in jeder möglichen Konstellation die Entlastung nicht höher ausfällt als die tatsächliche Doppelbelastung. Es besteht demnach kein genügendes allgemeines Interesse an einer vollständigen verfassungsrechtlichen Überprüfung des bernischen Halbsatzverfahrens im vom Bundesgesetz abgedeckten Rahmen. Nebst dem Bund haben im Übrigen inzwischen mindestens 18 Kantone mehr oder weniger parallel zum Gesetzgebungsverfahren des Bundes analoge Gesetzesrevisionen durchgeführt. Darüber kann sich das Bundesgericht nicht ohne stichhaltigen Grund hinwegsetzen.
4.5
Fraglich erscheint allenfalls, ob die bundesgesetzliche Regelung auch geeignet ist, die Besteuerung durch den Kanton Bern im Jahre 2008 abzudecken. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Beschwerdeführer die entsprechende Übergangsbestimmung zu
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE, worin die Geltung dieser Regelung für das Steuerjahr 2008 vorgesehen ist, nicht angefochten hat. Im Übrigen fehlt es auch an einer diesbezüglichen Beschwerdebegründung. Auf die Frage der Anwendbarkeit von
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE für das Steuerjahr 2008 ist daher nicht einzugehen.
5.
5.1
In zweierlei Hinsicht weicht
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE freilich vom Wortlaut von
Art. 7 Abs. 1 StHG
ab: So sieht die kantonale Bestimmung einerseits vor, dass das Halbsatzverfahren nur für die Beteiligungen an Unternehmen mit Sitz in der Schweiz gelten soll, und sie lässt andererseits die Teilsatzbesteuerung nicht nur bei einer mindestens zehnprozentigen Beteiligungsquote, sondern unabhängig vom prozentualen Anteil auch für Beteiligungen zu, deren Verkehrswert mindestens zwei Millionen Franken beträgt. Beide Kriterien sind vom Bundesrecht nicht vorgegeben und stellten auch nicht Thema der entsprechenden verfassungsrechtlichen Diskussion dar, weshalb die Überprüfung ihrer Verfassungsmässigkeit nicht an
Art. 190 BV
scheitern kann. Das Bundesgesetz erlaubt trotz des entsprechenden Gestaltungsspielraums nicht jede beliebige Art der Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, sondern bestimmt die grundsätzlichen Voraussetzungen einer solchen Entlastung. Will ein Kanton dasselbe unter anderen Voraussetzungen gewähren, steht die entsprechende Regelung nicht unter dem Schutz von
Art. 190 BV
. Es ist daher zu prüfen, ob die beiden fraglichen Kriterien vor der Verfassung standhalten.
5.2
Im Bereich der Steuern wird das allgemeine Gleichbehandlungsgebot von
Art. 8 Abs. 1 BV
insbesondere durch die
BGE 136 I 49 S. 60
Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit konkretisiert (
Art. 127 Abs. 2 BV
). Der erste Grundsatz verlangt, dass alle Personen oder Personengruppen nach denselben gesetzlichen Regeln erfasst werden; Ausnahmen, für die kein sachlicher Grund besteht, sind unzulässig. Nach dem zweiten Prinzip sind Personen, die sich in gleichen Verhältnissen befinden, in derselben Weise mit Steuern zu belasten und müssen wesentliche Ungleichheiten in den tatsächlichen Verhältnissen zu entsprechend unterschiedlichen Steuerbelastungen führen. Drittens müssen die Steuerpflichtigen nachMassgabe der ihnen zustehenden Mittel gleichmässig besteuert werden; die Steuerbelastung hat sich nach den ihnen zur Verfügung stehenden Wirtschaftsgütern und ihren persönlichen Verhältnissen zu richten (vgl.
BGE 134 I 248
E. 2 S. 251 f.;
BGE 133 I 206
E. 6.1 S. 215 f.;Urteil 2P.233/2002 vom 27. Januar 2003 E. 3.2, in: StE 2003 B 21.1 Nr. 11; je mit Hinweisen).
5.3
Im System der Gesamtreineinkommensbesteuerung, auf welchem die direkten Steuern des Bundes und der Kantone beruhen, bildet der Überschuss aller Einkünfte über die damit verbundenen Ausgaben Grundlage der Bemessung, und zwar unabhängig von der Art der Einkünfte. Solche der natürlichen Person aus Beteiligungen an Unternehmen nicht oder nur teilweise zu erfassen oder mit einem anderen Tarif zu besteuern, gerät insoweit in Widerspruch zu den Prinzipien der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es bedarf einer sachlichen Rechtfertigung, Dividendeneinkünfte anders zu behandeln als andere Einkünfte. Eine solche sieht der Gesetzgeber des Kantons Bern in der so genannten wirtschaftlichen Doppelbelastung.
5.4
Wieweit es eine solche Doppelbelastung gibt, ist allerdings umstritten (zur Literatur vgl. die Angaben in E. 4.3). Rechtlich werden Dividendeneinkünfte zum Vornherein nicht doppelt belastet. Zwar wird der erzielte Gewinn zunächst bei der Unternehmung als Gewinn besteuert, woraufhin die Dividende bzw. der Gewinnanteil aus der Beteiligung beim Teilhaber steuerlich ebenfalls erfasst wird. Dies beruht aber natürlicherweise darauf, dass sich eine juristische Person aufgrund ihrer eigenen Rechtsfähigkeit von der natürlichen Person unterscheidet bzw. ein eigenes Rechtssubjekt und Steuersubjekt ist. Die rechtliche Selbständigkeit juristischer Personen von den wirtschaftlich daran berechtigten natürlichen Personen wird nur
BGE 136 I 49 S. 61
ausnahmsweise, unter dem Gesichtspunkt des so genannten Durchgriffs, durchbrochen. Dieser setzt Identität der wirtschaftlichen Interessen zwischen juristischer und dahinter stehender natürlicher Person voraus, und insbesondere dass die rechtliche Berufung auf die Selbständigkeit der juristischen Person der Umgehung von Gesetzesvorschriften oder der Missachtung der Rechte Dritter dient; es geht der Sache nach um eine missbräuchliche Verwendung der juristischen Person durch die sie beherrschende natürliche Person (
BGE 132 III 489
E. 3.2 S. 493 mit Hinweisen). Das Umgekehrte gilt nicht: Wer sich als natürliche Person einer juristischen Person bedient, muss sich deren Selbständigkeit entgegenhalten lassen und kann sich nicht auf wirtschaftliche Identität berufen. Sind natürliche und juristische Person aber verschiedene Rechtssubjekte, stellt die Nichtbesteuerung oder reduzierte Besteuerung der Dividendeneinnahmen bei der natürlichen Person für diese eine ungerechtfertigte Privilegierung im Vergleich zu allen anderen Einkunftsarten wie insbesondere Arbeitseinkommen dar. Will der Gesetzgeber die rechtliche Trennung von juristischen und natürlichen Personen zum Zwecke der Besteuerung aufheben und auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise übergehen, ergibt sich aus dem Gebot der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung bzw. derjenigen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dass die Belastungsgleichheit gewahrt bleiben muss.
5.5
Die Privilegierung der Beteiligung an inländischen Gesellschaften lässt sich mit dem Anliegen der Förderung der einheimischen Wirtschaft nicht rechtfertigen, hängt dies doch nur sehr indirekt mit der Frage der wirtschaftlichen Doppelbelastung zusammen. Namentlich spielt es für die unternehmerische Tätigkeit und Verantwortung, mit der das Teilsatzverfahren gerechtfertigt wird, keine Rolle, ob sie im Zusammenhang mit einer schweizerischen oder einer ausländischen Gesellschaft ausgeübt bzw. getragen wird. Analoge kantonale Bestimmungen, mit denen Gesellschaften des eigenen Kantons gegenüber anderen bevorzugt wurden, gelten im Übrigen als harmonisierungswidrig und seit dem Inkrafttreten des Steuerharmonisierungsrechts als obsolet. Die wirtschaftliche Doppelbelastung, deren Beseitigung mit der Unternehmenssteuerreform angestrebt wurde, besteht - soweit es sie überhaupt gibt - gleichermassen wie bei Beteiligungen an Unternehmen mit Sitz in der Schweiz auch bei Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz im Ausland, selbst wenn die Besteuerung der ausländischen Gesellschaft nicht immer leicht festzustellen sein wird
BGE 136 I 49 S. 62
und deshalb ein Vergleich im Einzelfall schwierig werden könnte. Schliesslich ist die Besteuerung von Beteiligungserträgen aus Unternehmen mit Sitz im Ausland auch mit Blick auf die Doppelbesteuerungsregeln zu beurteilen, wo in der Regel eine Milderung der internationalen Doppelbelastung bei der Dividendenbesteuerung angestrebt wird, ohne dass damit zwangsläufig die Doppelbelastung von Unternehmung und Dividendenbezüger vermieden werden muss (vgl. ARNOLD/BERGER, § 20, Steuerpflicht bei Auslandbezug, in: Ausländerrecht, Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, Rz. 20.67 ff.; HÖHN/WALDBURGER, 9. Kapitel, in: Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, Ernst Höhn [Hrsg.], 2. Aufl. 1993, S. 335 f.; PETER LOCHER, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. 2005, S. 380 ff.). Auch dies spricht für eine Gleichbehandlung von Beteiligungserträgen aus ausländischen mit solchen aus schweizerischen Unternehmen. Zwar ist dieser Umstand möglicherweise weniger im Verhältnis zu den OECD-Staaten von Bedeutung (vgl. BBl 2005 4746), er kann aber jedenfalls gegenüber anderen Staaten massgeblich werden. Insgesamt beruht die Beschränkung des Teilsatzverfahrens auf Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz in
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE daher nicht auf einer sachlichen Grundlage, weshalb sie sich als rechtsungleich erweist, und sie verletzt den Grundsatz der Belastungsgleichheit. Damit steht sie im Widerspruch zu
Art. 8 und 127 Abs. 2 BV
.
5.6
Analoges gilt für das zu einer zehnprozentigen Beteiligungsquote alternative Kriterium einer summenmässigen Beteiligung im Wert von zwei Millionen Franken. Wer eine Beteiligung von weniger als 10 % hält, die mehr als zwei Millionen Franken wert ist, ist mit dem Schicksal der Gesellschaft nicht mehr verbunden und hat nicht mehr Einfluss auf diese als ein Teilhaber mit der gleichen Beteiligungsquote an einer kleineren Gesellschaft. Die fragliche Bestimmung räumt wohlhabenden Steuerpflichtigen mit wertbeständigen Beteiligungen eine Entlastungsmöglichkeit ein, die weniger wohlhabenden nicht zusteht. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung, die zudem im Widerspruch zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steht, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil gilt eine betragsmässige Limite selbst in demjenigen Schrifttum, das der Quotenbeschränkung zustimmend gegenübersteht, als untaugliches Mittel zur Erreichung der Zielsetzung einer Milderung der Doppelbelastung (vgl. insbes. REICH, a.a.O., S. 65). Ungeeignet erscheint auch der Verweis der Finanzdirektion des Kantons Bern auf die Privilegierung von
BGE 136 I 49 S. 63
Holdinggesellschaften im Steuerrecht des Bundes und des Kantons Bern, welche unter anderem zum Teil auf dieselbe betragsmässige Limite von zwei Millionen Franken abstellt (vgl.
Art. 69 DBG
,
Art. 28 Abs. 1 StHG
sowie
Art. 96 StG
/BE). Es handelt sich dabei um Tatbestände, die nicht die Beseitigung der Doppelbelastung, sondern die Förderung von Holdingstrukturen zum Ziel haben. Der Vergleich bietet daher keine sachliche Grundlage für eine Ungleichbehandlung bei der Vermeidung der Doppelbelastung. Das Kriterium einer summenmässigen Beteiligung im Wert von zwei Millionen Franken als Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Halbsatzbesteuerung verstösst daher ebenfalls gegen
Art. 8 und 127 Abs. 2 BV
.
5.7
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE erweist sich in diesem Sinne als teilweise verfassungswidrig. Die darin vorgesehenen Satzteile "mit Sitz in der Schweiz" und "oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken" sind aufzuheben. Diese teilweise Unzulässigkeitserklärung der fraglichen Gesetzesbestimmung erweist sich als zulässig, weil ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der bernische Gesetzgeber jedenfalls die bundesgesetzlich abgedeckte Entlastung beschliessen wollte.
6.
6.1
Nicht von der bundesgesetzlichen Regelung geschützt ist sodann die in
Art. 65 Abs. 2 StG
/BE vorgesehene Entlastung bei der Vermögenssteuer. Danach wird für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften mit Sitz in der Schweiz der für das steuerbare Gesamtvermögen massgebliche Steuersatz um 20 Prozent reduziert, sofern die Beteiligungsquote mindestens zehn Prozent oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken beträgt. Ein solches Privileg kennt weder das Recht der direkten Bundessteuer, das grundsätzlich ohnehin keine Vermögenssteuer vorsieht, noch das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes. Auch wenn der Kanton Bern nicht der einzige Kanton mit einer entsprechenden Regelung ist, so hat die Entlastung bei der Vermögenssteuer im Übrigen bei weitem nicht dieselbe Verbreitung erlangt wie die im Bundesgesetz angelegte Entlastung bei der Einkommenssteuer.
6.2
Es versteht sich von selbst, dass jedenfalls die bereits bei der Einkommenssteuer als verfassungswidrig erkannten besonderen, vom Bundesrecht abweichenden Privilegierungen, die sich am Sitz der Unternehmung ("mit Sitz in der Schweiz") oder an der Art der
BGE 136 I 49 S. 64
Beteiligung ("oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken beträgt") ausrichten, analog auch bei der Vermögenssteuer unzulässig sind. Darüber hinaus verstösst aber die ganze Bestimmung als solche gegen die Bundesverfassung. So ist in der Regel wirtschaftlich leistungsfähiger als andere Steuerpflichtige, wer eine Beteiligung von mindestens zehn Prozent an einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft hält; in jedem Fall zwingend ist dies freilich nicht, weshalb das allein nicht den Ausschlag geben kann. In der Literatur wird denn auch teilweise die Auffassung vertreten, die Entlastung bei der Vermögenssteuer rechtfertige sich gleichermassen wie bei der Einkommenssteuer (vgl. REICH, a.a.O., S. 70). Dies überzeugt indessen unabhängig von der Frage der Verfassungsmässigkeit der Entlastung bei der Einkommenssteuer nicht. Auch bei der Vermögenssteuer ist umstritten, ob es überhaupt eine Doppelbelastung gibt. Die bei der Unternehmung erhobene Kapitalsteuer beruht erneut auf der juristischen Selbständigkeit der Gesellschaft und kann nicht ohne weiteres mit der Besteuerung des Anteileigners als natürlicher Person gleichgesetzt werden. Abgesehen davon soll die Milderung der Doppelbelastung nach ihrer hauptsächlichen Zweckrichtung solche Beteiligungen fördern bzw. privilegieren, bei denen unternehmerisches Risiko und wirtschaftliche Verantwortung übernommen und getragen wird. Dies zahlt sich jedoch normalerweise in erster Linie über die erzielten Erträge bzw. Dividenden und nur zweitrangig über die Beteiligung selbst aus. Der Bundesgesetzgeber beschränkte sich bei der Harmonisierung der kantonalen Steuern denn auch auf die Entlastung bei der Einkommenssteuer. Die Privilegierung der entsprechenden Beteiligungen bei der Vermögenssteuer beruht somit nicht auf genügenden sachlichen Gründen, und sie trägt auch den unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten der Steuerpflichtigen zu wenig Rechnung.
6.3
Art. 65 Abs. 2 StG
/BE ist demnach mit
Art. 8 und 127 Abs. 2 BV
nicht vereinbar und als verfassungswidrig aufzuheben.
7.
7.1
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. In
Art. 42 Abs. 3 StG
/BE sind die Satzteile "mit Sitz in der Schweiz" und "oder der Verkehrswert der Beteiligung mindestens zwei Millionen Franken" und
Art. 65 Abs. 2 StG
/BE ist vollständig aufzuheben. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a2890818-245d-40e9-b3b6-fbd61649f603 | Urteilskopf
84 II 493
68. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Oktober 1958 i.S. Kofmel gegen Minder. | Regeste
Feststellungsklage, Zulässigkeit (Erw. 1)...
Einfache Gesellschaft oder Dienstvertrag, Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 2). | Erwägungen
ab Seite 494
BGE 84 II 493 S. 494
Der Maschineningenieur Kofmel führte nebenbei Exportgeschäfte durch. Im Jahre 1954 trat er mit dem Kaufmann und Tennislehrer Minder in der Weise in geschäftliche Beziehungen, dass Minder bei der Durchführung von Exportgeschäften Kofmels mitwirrkte. Diese Zusammenarbeit dauerte bis im August 1956. Anlässlich ihrer Beendigung ergaben sich zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten über die Rechtsnatur ihrer Beziehungen. Kofmel nahm den Standpunkt ein, sie seien als Dienstvertrag zu betrachten und kündigte diesen am 17. August 1956 aus wichtigen Gründen im Sinne von
Art. 352 OR
. Minder behauptete das Bestehen einer einfachen Gesellschaft im Sinne von
Art. 530 ff. OR
und erklärte, seinerseits das Gesellschaftsverhältnis aus wichtigen Gründen (
Art. 545 Ziff. 7 OR
) aufzulösen.
Minder erhob Klage mit den Anträgen auf Feststellung des Bestehens einer einfachen Gesellschaft, Auflösung derselben aus wichtigen Gründen und Verpflichtung des Beklagten zur Rechnungsablegung.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich schützte diese Begehren.
Das Bundesgericht führt über die Zulässigkeit der Feststellungsklage und die Überprüfbarkeit der Natur des streitigen Rechtsverhältnisses aus:
1.
Die Vorinstanz hat das Begehren des Klägers um Feststellung des Bestehens einer einfachen Gesellschaft zwischen den Parteien geschützt. Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, die Vorinstanz habe damit Bundesrecht verletzt, weil die von diesem für einen Feststellungsanspruch aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
BGE 84 II 493 S. 495
a) In.
BGE 77 II 344
ff., auf den sich der Beklagte beruft, hat das Bundesgericht zwar in Abweichung von der früheren Rechtsprechung erklärt, im Bereiche des Bundesprivatrechts sei die allgemeine Feststellungsklage nicht kantonalen, sondern eidgenössischen Rechts. Demzufolge müssen selbst die Gerichte der Kantone, deren Prozessrecht die Feststellungsklage nicht kennt, eine solche zulassen, wo sie für die Durchsetzung des Bundesprivatrechts erforderlich ist.
Darin erschöpft sich aber die Bedeutung dieser Rechtsprechung. Insbesondere sollten durch sie die Kantone nicht daran gehindert werden, über die vom eidgenössischen Recht geforderten Feststellungsansprüche hinaus noch weitere zuzulassen, sofern ein solcher Anspruch durch das eidgenössische Recht nicht ausdrücklich oder sinngemäss ausgeschlossen wird. Es ist einem Kanton daher auch unnbenommen, weniger strenge Anforderungen an das Feststellungsinteresse zu stellen, als dies im eidgenössischen Recht geschieht (so auch LEUCH in der SJZ 36 S. 297; a.A. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft, S. 60 f.). Das galt schon unter der Herrschaft der früheren Rechtsprechung (
BGE 49 II 430
) und ist nach ihrer Änderung ausdrücklich bestätigt worden (
BGE 80 II 122
oben; das wurde in
BGE 83 II 197
f., wo diese Frage wiederum offen gelassen wurde, offenbar übersehen). Diese Zurückhaltung ist geboten, weil Eingriffe in das kantonale Zivilprozessrecht nur dort erfolgen dürfen, wo sie für die Durchsetzung des eidgenössischen Privatrechts unerlässlich sind.
b) Gegen die Zulassung der Feststellungsklage gemäss Rechtsbegehren 1 hätte das Bundesgericht somit nur einzuschreiten, wenn das eidgenössische Recht sie ausschlösse. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn aus dem Wesen der einfachen Gesellschaft, wie sie im OR geordnet ist, folgt nicht, dass nur auf Leistung der aus dem Gesellschaftsverhältnis entspringenden Verpflichtungen, nicht dagegen auf Feststellung des Bestehens einer solchen Gesellschaft
BGE 84 II 493 S. 496
und der mit ihrer Eingehung begründeten Verpflichtungen geklagt werden könne (
BGE 49 II 430
f.).
Damit erweist sich die Berufung, soweit sie die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäss Rechtsbegehren 1 bestreitet, als unzulässig. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die Anforderungen, die das eidgenössische Recht an eine Feststellungsklage stellt, erfüllt seien.
2.
Ob das Rechtsverhältnis der Parteien als einfache Gesellschaft oder als Dienstvertrag anzusehen sei, ist als Rechtsfrage vom Bundesgericht an Hand der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen frei zu überprüfen. Eine unrichtige Unterstellung durch die Parteien oder die Vorinstanz steht der Anwendung der zutreffenden Rechtssätze durch das Bundesgericht nicht entgegen. Dieses hat vielmehr die rechtliche Unterstellung des von den Parteien vorgetragenen und durch die Vorinstanz ermittelten Sachverhaltes von Amtes wegen vorzunehmen (
BGE 70 II 217
und dort erwähnte Entscheide).. .. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a2983b33-ba55-4cf6-984c-96eeeb01b198 | Urteilskopf
97 IV 224
40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Oktober 1971 i.S. Jegge gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 92 Abs. 2 SVG
.
Führerflucht liegt auch vor, wenn der Fahrzeugführer zunächst auf der Unfallstelle bleibt, diese aber, unbekümmert um seine Verpflichtungen, ohne triftigen Grund vor dem Eintreffen der Polizei verlässt. | Erwägungen
ab Seite 224
BGE 97 IV 224 S. 224
Aus den Erwägungen:
Nach
Art. 92 Abs. 2 SVG
wird ein Fahrzeugführer, der bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat und die Flucht ergreift, mit Gefängnis bestraft.
BGE 97 IV 224 S. 225
Beim Frontalzusammenstoss, den der Beschwerdeführer verursachte, ist der Führer des andern Fahrzeuges, Alfred Lang, verletzt worden. Dass die Verletzungen nicht schwerwiegender Natur waren und ambulant behandelt werden konnten, ist unerheblich (
BGE 95 IV 152
Erw. 1). Der Beschwerdeführer hatte somit die nach
Art. 51 SVG
gebotenen Pflichten zu erfüllen, insbesondere dem Verletzten die erforderliche Hilfe angedeihen zu lassen, für die Benachrichtigung der Polizei zu sorgen und auf der Unfallstelle zu bleiben, um bei der polizeilichen Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz kam der Beschwerdeführer keiner dieser Pflichten nach; er hat sich namentlich im Auto eines andern heimlich und vorzeitig vom Unfallplatz entfernt, so dass er für die später eintreffende Polizei, die vergeblich nach ihm fahndete, während rund 17 Stunden unerreichbar blieb.
Der Beschwerdeführer bestreitet, objektiv den Tatbestand der Führerflucht erfüllt zu haben, indem er geltend macht, dass ihm einzig vorgeworfen werden könne, den Unfallort vorzeitig verlassen zu haben, wofür er lediglich nach
Art. 92 Abs. 1 SVG
mit einer Übertretungsstrafe belegt werden dürfe. Diese Auffassung hält nicht stand. Gewiss liegt eine Führerflucht nicht vor, wenn der Fahrzeugführer, der den ihm obliegenden Pflichten nach Möglichkeit nachgekommen ist, die Unfallstelle aus einem triftigen Grund, z.B. um sich selber in ärztliche Behandlung zu begeben, ohne Zustimmung der Polizei verlässt (vgl.
BGE 95 IV 153
Erw. 3). Diese Voraussetzungen trafen hier aber nicht zu. Vom Vorwurf der Pflichtverletzung kann sich der Beschwerdeführer nicht durch den Hinweis entlasten, dass andere Personen ihm die Erfüllung der Pflichten abgenommen hätten. Diese Helfer, die zufällig auf der Unfallstelle angehalten hatten, handelten von sich aus, nicht auf Veranlassung des Beschwerdeführers, der sich vorwiegend mit Schaulustigen unterhielt und zusah, wie andere an seiner Stelle die erforderlichen Vorkehren trafen. Selbst wenn richtig wäre, dass die Benachrichtigung der Polizei bereits in die Wege geleitet war, als der Beschwerdeführer sie hätte veranlassen können, so steht jedenfalls fest, dass er sich in Wirklichkeit um nichts bekümmerte, auch nicht um das Befinden des Verletzten Lang, dem er zudem weder Namen noch Adresse bekanntgab. Im letzten Punkt kann er den Vorwurf, gegen Gesetz und Anstand
BGE 97 IV 224 S. 226
verstossen zu haben, nicht damit abtun, dass sein Wagen auf der Unfallstelle zurückblieb und er von anwesenden Helfern erkannt worden sei; denn es kann einem Verletzten nicht zugemutet werden, nach der Person des Unfallbeteiligten zu forschen, wozu er häufig gar nicht in der Lage ist. Unter dem Gesichtspunkt des
Art. 92 Abs. 2 SVG
ist vor allem von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer das vorzeitige Verlassen des Unfallortes entgegen seiner Darstellung nicht mit seinen eigenen Verletzungen - Bruch der Zahnprothese, leichte Gehirnerschütterung - rechtfertigen kann, die nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz nicht so geartet waren, dass sie ihn an der Erfüllung seiner wichtigsten Verpflichtungen gehindert hätten, so namentlich auch nicht bekanntzugeben, warum und wohin er sich vorzeitig entfernte. Wie wenig das heimliche Verschwinden mit den eigenen Verletzungen im Zusammenhang stand, beweist denn auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer das Anerbieten verschiedener Automobilisten, ihn vom Unfallort zu einem Arzt zu führen, vorerst durchwegs abgelehnt hat und dass er nach seinem Verschwinden sich weder zum Arzt noch nach Hause begab, sondern die Nacht bei seiner Schwester verbrachte und erst am folgenden Mittag ärztliche Betreuung in Anspruch nahm. Durch diese Verhaltenweise hat er sich polizeilichen Untersuchungsmassnahmen, die seine Person betrafen, entzogen und damit eine umfassende und rasche Abklärung des Unfallherganges sowie die Sicherung der Beweise, die im Interesse des Verletzten sofort an Ort und Stelle hätte vorgenommen werden sollen, verunmöglicht. Die Vorinstanz hat darum die verwerfliche Handlungsweise des Beschwerdeführers zu Recht als Führerflucht im Sinne von
Art. 92 Abs. 2 SVG
gewürdigt. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a29a122e-06b9-4efe-bba9-13ad67176ef1 | Urteilskopf
101 Ia 557
87. Auszug aus dem Urteil vom 3. Dezember 1975 i.S. D. gegen Kanton Aargau. | Regeste
Doppelbesteuerung, Steueraufteilung.
Eine Aufteilung der Steuerhoheit zwischen dem Arbeitsort und dem Familienort rechtfertigt sich dann, wenn zwar der unselbständig erwerbende Steuerpflichtige am Arbeitsort eine leitende Stellung einnimmt, sich aber sein zivilrechtlicher Wohnsitz auf Grund der familiären und gesellschaftlichen Beziehungen am Familienort befindet, obschon er nicht täglich an diesen zurückkehrt. | Sachverhalt
ab Seite 557
BGE 101 Ia 557 S. 557
D., Teilhaber und Geschäftsführer der G. GmbH in E. (AG), wohnte seit Herbst 1947 in einem eigenen Haus am Arbeitsort. Am 1. August 1969 kaufte er sich ein Wohnhaus
BGE 101 Ia 557 S. 558
in F. (TI) und verbrachte dort mit seiner Ehefrau zusammen regelmässig die Wochenenden. Die Steuerbehörden der Kantone Aargau und Tessin einigten sich darauf, F. bis auf weiteres als sekundäres Steuerdomizil von D. zu betrachten und dessen Erwerbseinkommen sowie sein bewegliches Vermögen für die Zeit vom 1. August 1969 bis 1. Januar 1970 je zur Hälfte zu besteuern. Gegen die in E. entsprechend vorgenommene Steuerveranlagung, die allerdings mit dem Hinweis auf den "alternierenden Wohnsitz" des Steuerpflichtigen begründet war, erhob D. Einsprache, worauf ihn die Steuerkommission für in E. voll steuerpflichtig erklärte.
Auf Beschwerde von D. hob die Steuerrekurskommission des Kantons Aargau am 25. September 1972 den Einspracheentscheid der Steuerkommission E. auf und stellte fest, dass dem Kanton Aargau und der Gemeinde E. lediglich das Recht zustehe, das Erwerbseinkommen von D. sowie sein bewegliches Vermögen einschliesslich des Ertrages zur Hälfte zu besteuern; das Besteuerungsrecht für die andere Hälfte wurde, wie ursprünglich zwischen den kantonalen Steuerbehörden vereinbart, dem Kanton Tessin vorbehalten.
Bei der Veranlagung für die Steuerperiode 1971/1972 gingen die Tessiner Behörden davon aus, dass D. sein Einkommen und Vermögen, mit Ausnahme seiner im Kanton Aargau gelegenen Immobilien und deren Ertrag, vollständig in F. zu versteuern habe. Die Steuerkommission E. hielt ihrerseits jedoch die Beziehungen von D. zum Arbeitsort E. für unverändert und erhob mit Veranlagung vom 14. Dezember 1973 weiterhin Steuern auf der Hälfte seines Erwerbseinkommens und seines Wertschriftenvermögens.
Gegen die Veranlagungsverfügung der Steuerkommission E. hat D. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbotes eingereicht und verlangt, dass die angefochtene Verfügung aufgehoben und die Steuerausscheidung zwischen den Kantonen Aargau und Tessin, so wie sie die Tessiner Steuerbehörden vorgenommen haben, bestätigt werde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Im Einschätzungsentscheid der Steuerkommission E. vom 14. Dezember 1973 wird die angefochtene Steueraufteilung
BGE 101 Ia 557 S. 559
mit "alternierende Besteuerung wie Vorperiode" begründet. Will die Steuerkommission damit erklären, dass sich die hälftige Aufteilung des Besteuerungsrechtes auf die Kantone Aargau und Tessin im Hinblick auf den alternierenden Wohnsitz des Beschwerdeführers rechtfertigen lasse, so ist diese Begründung offensichtlich falsch.
Die Steuerrekurskommission des Kantons Aargau hat schon in ihrem Entscheid vom 25. September 1972 in bezug auf die Steuerperiode vom 1. August 1969 bis 31. Dezember 1970 zu Recht erklärt, D. habe keinen alternierenden Wohnsitz. Für die Annahme eines alternierenden Wohnsitzes wird in der Rechtsprechung vorausgesetzt, dass der Steuerpflichtige in regelmässigen Abständen den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen von einem nach einem andern Ort und von diesem wieder zurück an den ersten Ort verlege (vgl.
BGE 100 Ia 243
E. 2b). Dies trifft aber im Falle von D. nicht zu, was übrigens vom Aargauer Regierungsrat auch anerkannt wird.
In der Beschwerdeantwort der Aargauer Regierung, welche erst die eigentliche Begründung für den angefochtenen Einschätzungsentscheid enthält, wird dagegen ausgeführt, dass sich die hälftige Steueraufteilung aus den gleichen Gründen aufdränge, wie sie schon für die Vorperiode vom 1. August 1969 bis 31. Dezember 1970 gegolten hätten. Eine wesentliche Änderung in den Lebensbeziehungen habe sich für den Beschwerdeführer in den Jahren 1971/72 nicht ergeben. Neben den Beziehungen von D. zu F., dem Ort der Familienniederlassung, hätten diejenigen zu seinem Arbeitsort E., wo er weiterhin in leitender Stellung tätig gewesen sei, in praktisch unveränderter Weise weiterbestanden. Es rechtfertige sich daher, auch für die Steuerperiode 1971/72 das Recht zur Besteuerung des Einkommens und des beweglichen Vermögens sowie dessen Ertrages auf die Kantone Aargau und Tessin je zur Hälfte aufzuteilen.
4.
a) Das Steuerdomizil einer unselbständig erwerbenden Person befindet sich grundsätzlich an einem einzigen Ort, und zwar an ihrem zivilrechtlichen Wohnsitz. Hält sich der Steuerpflichtige dauernd abwechslungsweise an zwei Orten auf, was dann zutrifft, wenn sein Arbeitsort nicht mit seinem sonstigen Aufenthaltsort zusammenfällt, so ist für die Bestimmung des Steuerdomizils gleich wie für die Festlegung des zivilrechtlichen Wohnsitzes massgebend, zu welchem Ort der
BGE 101 Ia 557 S. 560
Pflichtige die stärkeren Beziehungen unterhält. In der Regel werden die Verbindungen familiärer und gesellschaftlicher Natur als stärker erachtet als diejenigen, die sich aus der beruflichen Tätigkeit ergeben (LOCHER, Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht, § 3, IA, 1 Nr. 10, 15, 23, 24). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige täglich an seine Wohnstätte, bzw. an seinen Familienort zurückkehrt. Selbst wenn aber der Betreffende während der Werktage am Arbeitsort übernachtet und nur über das Wochenende regelmässig an seinen Familienort zurückkehrt, wird lediglich dann eine überwiegende Beziehung zum Arbeitsort angenommen, wenn die Berufsausübung die Persönlichkeit des Steuerpflichtigen so intensiv erfasst, dass demgegenüber die familiären und gesellschaftlichen Verbindungen in den Hintergrund treten. Ein solch starker Zusammenhang mit dem Arbeitsort ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, falls der Steuerpflichtige in einem wirtschaftlich bedeutendem Unternehmen eine leitende Stellung einnimmt, wobei für die leitende Stellung vorausgesetzt wird, dass der Posten mit besonderer Verantwortlichkeit verbunden ist und der Steuerpflichtige einem zahlreichen Personal vorsteht (LOCHER, a.a.O. § 3, IB, 1b, Nr. 3, 7, 11, 14).
Nimmt der Pflichtige im Sinne der Rechtsprechung eine leitende Stellung ein, so wird er grundsätzlich am Arbeitsort besteuert. Wie dargelegt, beruhte diese Regelung ursprünglich auf der Annahme, die durch die leitende Stellung entstehende Bindung an den Arbeitsort sei derart intensiv, dass sich der Mittelpunkt sämtlicher Lebensbeziehungen des Pflichtigen regelmässig am Arbeitsort befinde; Steuerdomizil und zivilrechtlicher Wohnsitz wurden also auch für den in leitender Stellung Tätigen als identisch betrachtet (
BGE 57 I 420
, LOCHER, a.a.O. § 3, IB, 1b, Nr. 1, 5, 7). Das Bundesgericht hat jedoch in neuerer Rechtsprechung die tatsächlichen Lebensverhältnisse eines leitenden Angestellten in differenzierterer Weise gewürdigt und erklärt, dass die Begründung des Steuerdomizils am Arbeitsort für den in leitender Stellung Tätigen eine Ausnahme vom Grundsatz darstelle, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse für die Bestimmung des steuerrechtlichen Wohnsitzes massgebend sei (LOCHER, a.a.O. § 3, IB, 1b, Nr. 14). Bei der Festlegung des Steuerdomizils sei nämlich, der Natur des Steuerrechts entsprechend, den wirtschaftlichen
BGE 101 Ia 557 S. 561
Gegebenheiten, d.h. den Verbindungen zum Ort der Erwerbstätigkeit, ein etwas grösseres Gewicht beizumessen, als sie es bei der Bestimmung des zivilrechtlichen Wohnsitzes haben würden (nicht publ. Entscheid i.S. Mettler vom 16. September 1970; vgl. auch SCHLUMPF, Bundesgerichtspraxis zum Doppelbesteuerungsrecht, 3. A., S. 63). Damit hat das Bundesgericht anerkannt, dass einerseits die leitende berufliche Stellung eines unselbständig Erwerbstätigen eine Verbindung zum Arbeitsort schafft, die zwar die Besteuerung am Arbeitsort rechtfertigt, andererseits aber die persönlichen und gesellschaftlichen Interessen des Steuerpflichtigen in solchem Masse auf seinen Wohnort, insbesondere auf seinen Familienort ausgerichtet sein können, dass dieser als Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse betrachtet werden muss.
b) Abweichend vom Grundsatz, dass der Pflichtige nur ein einziges Steuerdomizil hat, wird eine Teilung der Steuerhoheit als zulässig erachtet, wenn eine vom Wohnsitz des Familienhauptes getrennte, auf die Dauer berechnete Familienniederlassung in einem anderen Kanton besteht (
BGE 40 I 227
f.,
BGE 47 I 66
E. 3,
BGE 57 I 422
E. 2,
BGE 80 I 188
, LOCHER, a.a.O. § 3, IB, 3 Nr. 1, 4, 7, 9, 11, 13). Das Bundesgericht hat diese Regel zunächst für den Fall entwickelt, dass der Steuerpflichtige vollständig getrennt von der Familie lebt und seinen zivilen Wohnsitz am Arbeitsort begründet hat. Sie beruhte auf der Überlegung, dass sich in dieser Situation die ökonomische Leistungsfähigkeit des Pflichtigen in zwei Kantonen manifestiere und daher jeder Kanton sich diese Leistungsfähigkeit in dem Umfange zunutze machen dürfe, welcher der sich auf seinem Gebiete entfaltenden Wirtschaftstätigkeit entspreche (
BGE 40 I 229
). Die Bedingung der dauernd getrennten, selbständigen Familienniederlassung ist in der Folge insofern gelockert worden, als eine Steueraufteilung auch dann zugelassen worden ist, wenn der Steuerpflichtige wohl "seinen zivilrechtlichen Wohnsitz im Hinblick auf seine leitende Stellung" am Arbeitsort hat, von der Familie aber nicht völlig getrennt lebt, sondern sich regelmässig über das Wochenende und während der Ferien zu ihr begibt (nicht publ. Entscheid i.S. Hummel vom 20. Mai 1948; vgl. auch die weiteren bei SCHLUMPF, a.a.O. S. 108 Nr. 10-13 und bei LOCHER, a.a.O. § 3, IB, Ib, Nr. 12 zitierten Entscheide). Unter solchen Umständen wird aber heute angenommen, dass sich der Mittelpunkt der
BGE 101 Ia 557 S. 562
Lebensverhältnisse auch des in leitender Stellung Tätigen an dem Ort befindet, wo sich seine Familie und er sich selbst, wenn immer möglich, mit dieser zusammen aufhält; der Arbeitsort gilt lediglich als Steuerdomizil (vgl. E. 4a). Diese modifizierte Betrachtungsweise beruht indessen auf den gleichen Gegebenheiten. Eine Aufteilung der Steuerhoheit zwischen dem Arbeitsort als primärem und dem Familienort als sekundärem Steuerdomizil rechtfertigt sich daher nicht nur für den Fall, dass eine vom Wohnsitz des Steuerpflichtigen getrennte, auf die Dauer berechnete Familienniederlassung besteht, sondern auch dann, wenn zwar der Steuerpflichtige am Arbeitsort im Sinne der Rechtsprechung eine leitende Stellung einnimmt, sich aber sein zivilrechtlicher Wohnsitz auf Grund der familiären und gesellschaftlichen Beziehungen am Familienort befindet, obschon er nicht täglich an diesen zurückkehrt.
c) Nach Auffassung der Kantone Aargau und Tessin waren die Voraussetzungen für eine quotenmässige Aufteilung des Besteuerungsrechtes im Falle von D. während der Zeitdauer vom 1. August 1969 bis 31. Dezember 1970 gegeben. Es ist tatsächlich unbestritten, dass die G. GmbH im Hinblick auf die Zahl ihrer Angestellten und ihre wirtschaftliche Stellung als bedeutendes Unternehmen im Sinne der Rechtsprechung zu betrachten ist, und dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Periode darin eine leitende Funktion ausübte. Fest steht ebenso, dass D. während der Wochentage, an denen er sich am Arbeitsort aufhielt, auch dort übernachtete. Er vermietete zwar sein Haus in E. an seine erwachsenen Söhne, behielt sich aber die Benützung einiger Räume vor. Es wird im weiteren auch nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer das Haus, das er im August 1969 in F. kaufte, nicht nur als Ferienhaus benützte, sondern es ständig während den Wochenenden und, soweit es ihm die Arbeit erlaubte, auch darüber hinaus bewohnte. Die Ehefrau des Beschwerdeführers begleitete diesen zwar hie und da nach E., doch hielt sie sich für gewöhnlich in F. auf. All diesen unbestrittenen Angaben ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer den Mittelpunkt seiner persönlichen Beziehungen im August 1969 nach F. verlegte. Es liess sich daher in der Tat für die Zeitdauer von August 1969 bis Dezember 1970 eine hälftige Steueraufteilung zwischen Arbeitsort und Familienort rechtfertigen.
BGE 101 Ia 557 S. 563
d) Die hälftige Steueraufteilung zwischen den Kantonen Aargau und Tessin, die mit Entscheid der aargauischen Rekurskommission vom 26. September 1972 bestätigt wurde, ist vom Beschwerdeführer nicht angefochten und somit rechtskräftig geworden. Das heisst allerdings nicht, dass der Beschwerdeführer sie auch für die nachfolgende Steuerperiode gelten lassen müsste; der Grundsatz der Periodizität der Steuererhebung verhindert gerade, dass die für eine bestimmte Zeitdauer vorgenommene Einschätzung auch für die nachfolgende Gültigkeit habe.
Immerhin darf berücksichtigt werden, dass D. in seiner Beschwerdeschrift ausdrücklich auf den Entscheid der aargauischen Rekurskommission verweist und einzig geltend macht, dass sich in der nachfolgenden, hier zur Diskussion stehenden Steuerperiode seine Lebensbeziehungen geändert hätten. Die vom Beschwerdeführer verlangte vollständige Verlegung des Steuerdomizils in den Kanton Tessin wäre nach dem Gesagten tatsächlich nur angebracht, wenn in seinen Beziehungen zum Arbeitsort eine wesentliche Änderung eingetreten wäre. Eine solche Änderung wird jedoch vom Kanton Aargau gerade bestritten.
5.
a) Der Aargauer Regierungsrat bringt in seiner Beschwerdeantwort vor, dass die Situation des Beschwerdeführers bis zum 31. Dezember 1972, dem Datum seiner Pensionierung, praktisch unverändert geblieben sei. Insbesondere wird dargelegt, dass D. seine leitende Stellung in der Firma bis zu seiner Pensionierung fast in vollem Umfange beibehalten habe. D. habe seine Tätigkeit, wenn überhaupt, höchstens in quantitativer, nicht aber in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Dementsprechend seien auch in den Handelsregistereinträgen keine Änderungen vorgenommen worden, die sich auf die Stellung des Beschwerdeführers bezogen hätten. Der Regierungsrat führt im weiteren eine ganze Reihe von Umständen an, welche seiner Ansicht nach das Fortbestehen der Situation aufzeigen, welche in der Vorperiode eine hälftige Steueraufteilung rechtfertigten.
b) Diese Ausführungen werden vom Beschwerdeführer weder in der Beschwerdeschrift noch, was massgeblich ins Gewicht fällt, in der Beschwerdeergänzung widerlegt.
In seiner Beschwerde begnügt sich der Beschwerdeführer zu behaupten, dass er im Jahre 1971 seine Tätigkeit und seine
BGE 101 Ia 557 S. 564
Präsenzzeit in der Firma eingeschränkt und einen Teil seiner Leitungsaufgaben auf seinen Sohn und weitere Mitarbeiter übertragen habe. Diese Behauptungen werden nicht weiter substantiiert.
In der Beschwerdeergänzung unterlässt es der Beschwerdeführer vollständig, zu der in der Beschwerdeantwort enthaltenen, eingehenden Motivierung des angefochtenen Entscheides Stellung zu nehmen. Er führt lediglich aus, dass das Haus in F. sein eigentlicher "Alterssitz" sei, dass er in F. seine politischen Rechte ausübe und dort auch einen Freundes- und Bekanntenkreis gefunden habe. Diese an sich nicht bestrittenen Umstände sind jedoch im vorliegenden Fall unerheblich und können nicht zu der vom Beschwerdeführer verlangten Neufestlegung des Steuerdomizils führen. Sie weisen einzig darauf hin, dass sich der Wohnsitz von D. in F. befindet, vermögen aber nichts darüber auszusagen, ob der Beschwerdeführer seine ursprünglich starken Beziehungen zu seinem Arbeitsort E. in den Jahren 1971/72 eingeschränkt oder abgebrochen habe. Hat sich aber eine solche Änderung offenbar nicht ergeben, gilt E. auch für die Steuerperiode 1971/72 als primäres Steuerdomizil des Beschwerdeführers und darf dementsprechend, wie die Steuerkommission E. beschlossen hat, eine hälftige Steueraufteilung zwischen den beteiligten Kantonen vorgenommen werden. Die Beschwerde ist daher abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a2a3dffd-c1b9-4e8c-b071-2cd0f95508fb | Urteilskopf
94 I 29
5. Arrêt du 21 février 1968 dans la cause Blaser et consorts contre Grand Conseil du canton de Neuchâtel. | Regeste
Gesetzesreferendum.
1. Erfordernis eines aktuellen praktischen Interesses an der Aufhebung des mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochtenen Entscheids oder Erlasses; Ausnahme hievon, wenn der gerügte Eingriff, dessen Wirkungen bereits voll eingetreten sind, sich jederzeit in gleicher Weise wiederholen könnte (Erw. 1).
2. Begriff des dem Referendum unterliegenden Erlasses "von allgemeiner Tragweite" und des ihm nicht unterliegenden einfachenErlasses. Als einfacher Erlass gilt nach neuenburgischem Recht derjenige, der in bezug auf seinen Gegenstand und seine Dauer beschränkt ist, selbst wenn er in die Rechtsstellung einer unbeschränkten Anzahl von Personen eingreift (Erw. 2).
3. Grundsatz der Übereinstimmung (oder der Stufenordnung) der Formen: Eine Behörde kann ihre Anordnungen nur unter Beobachtung der bei ihrem Erlass angewendeten Form gültig abändern (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 30
BGE 94 I 29 S. 30
A.-
La loi neuchâteloise du 13 décembre 1948 sur la fermeture des magasins durant la semaine prescrit à l'art. 1er: "La fermeture des magasins est fixée à 18 heures 30 du lundi au vendredi et à 17 heures le samedi et la veille des jours fériés légaux ne tombant pas sur un dimanche". Selon l'art. 2, sur requête écrite des deux tiers au moins des commerçants d'une même branche d'activité et après avoir consulté les associations d'employés intéressées, le Conseil communal peut, dans certaines limites, déroger à la disposition précédente, soit en particulier: "a) avancer d'une heure au plus ou retarder de deux heures au plus pour tout ou partie de l'année l'heure de fermeture, b) exclusivement pour les magasins de tabac retarder l'heure de fermeture le samedi jusqu'à 20 heures 30 au maximum".
Le 22 novembre 1967, le Grand Conseil neuchâtelois a voté le décret suivant, intitulé "Décret complétant la loi sur la fermeture des magasins durant la semaine":
"Article premier. - La loi sur la fermeture des magasins durant la semaine, du 13 décembre 1948, est complétée, à titre d'essai, par la disposition suivante:
Article additionnel. - Les magasins sont autorisés en 1967 à retarder l'heure de fermeture jusqu'à 22 heures un soir par semaine dans les 15 jours précédant Noël ou Nouvel An.
BGE 94 I 29 S. 31
Il appartient au Conseil communal de fixer les soirs d'ouverture après consultation des milieux intéressés.
Art. 2. - Le Conseil d'Etat est chargé de pourvoir à la promulgation et à l'exécution du présent décret qui, n'étant pas de portée générale, n'est pas soumis aux formalités de referendum."
L'art. 2 du décret se réfère implicitement à l'art. 39 al. 2 Cst. cant., en vertu duquel les lois et les décrets de portée générale sans caractère d'urgence sont soumis au referendum facultatif.
B.-
Par un recours de droit public, Frédéric Blaser, Charles Roulet et Louis Sidler concluent à l'annulation du décret du 22 novembre 1967. Invoquant la violation de leurs droits politiques, ils argumentent en bref comme il suit.
Bien que sa validité soit limitée dans le temps, le texte attaqué contient une règle de droit au sens de la loi fédérale du 23 mars 1962 sur les rapports entre les conseils. En autorisant quiconque exploite un magasin à en retarder la fermeture à certaines conditions, il n'arrête pas une mesure isolée, visant un cas particulier, mais formule une disposition de caractère général, qui est soumise en vertu de l'art. 39 al. 2 Cst. cant. aux formalités du referendum. Dès lors, c'est en méconnaissance des droits des électeurs que le Grand Conseil a soustrait le décret du 22 novembre 1967 au scrutin populaire.
Le Grand Conseil s'est écarté en outre du principe de la hiérarchie des formes, d'après lequel un acte accepté expressément ou tacitement par le peuple ne peut être modifié que par un acte adopté conformément à la même procédure.
C.-
Le 7 décembre 1967, le président de la Chambre de droit public a rejeté la requête d'effet suspensif présentée par les recourants. Sans entendre préjuger le sort du recours, il considère que les objections opposées par le Grand Conseil à la demande de suspension ne paraissent pas dénuées de tout fondement et que l'application du décret en cause ne semble pas devoir léser des intérêts particuliers ou généraux.
D.-
Le Grand Conseil propose le rejet du recours pour les raisons résumées ci-dessous.
Selon que sa portée est générale ou non, le décret du 22 novembre 1967 est soumis à la procédure référendaire ou y échappe. Ni la constitution cantonale, ni la loi neuchâteloise du 21 novembre 1944 sur l'exercice des droits politiques ne définissent le décret de portée générale. Il résulte toutefois des art. 140 et 141 de cette loi qu'il appartient au Grand Conseil de décider de la nature des décrets qu'il vote. Ainsi, le droit neuchâtelois
BGE 94 I 29 S. 32
ne contient aucune disposition comparable aux
art. 4 à 8
de la loi fédérale sur les rapports entre les conseils. Il s'ensuit que les règles de droit fédéral ne s'appliquent pas nécessairement en l'espèce par analogie.
Les travaux qui ont précédé l'adoption des lois du 23 novembre 1916 et du 21 novembre 1944 sur l'exercice des droits politiques n'éclairent pas la ratio legis. Il faut remonter jusqu'en 1879, soit à l'époque où le referendum législatif a été introduit dans la constitution neuchâteloise, pour trouver dans les actes parlementaires des indications utiles. Il en ressort que la majorité de la commission chargée d'élaborer le nouvel art. 39 al. 2 Cst. cant. n'entendait pas lui attribuer une portée plus étendue que celle de la disposition correspondante de la constitution fédérale. Au demeurant, les débats relatifs à l'art. 39 et à la loi du 14 juillet 1879 sur l'exercice du droit de referendum n'ont pas porté sur la distinction entre les décrets de portée générale et les décrets simples. Cependant, on peut en déduire que le Grand Conseil a réservé à ce sujet son pouvoir d'appréciation.
Il a d'ailleurs usé largement de cette compétence, qui ne lui a jamais été contestée. En particulier, sans se heurter à l'opposition des recourants, il a modifié récemment plusieurs textes législatifs par voie de décret simple.
Suivant sa jurisprudence, le Tribunal fédéral ne s'écarte de l'interprétation du droit public cantonal par un Grand Conseil qu'en cas de violation flagrante de la constitution. En l'espèce, l'art. 39 al. 2 Cst. cant. n'a pas été transgressé. Loin de modifier la loi sur la fermeture des magasins, le décret du 22 novembre 1967 se borne à la compléter à titre d'essai. Limité dans le temps et quant à son objet, il n'a pas une portée générale.
C'est à tort enfin que les recourants invoquent la loi fédérale sur les rapports entre les conseils. Si les cantons sont tenus de régler l'exercice des droits politiques conformément à l'art. 6 Cst., il n'est en revanche pas nécessaire qu'ils instituent une procédure référendaire en tous points semblable à celle du droit fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le Grand Conseil ne conteste pas aux recourants leur qualité d'électeurs neuchâtelois. A ce titre, ils sont recevables à se plaindre, en vertu de l'art. 85 litt. a OJ, de la lésion de leurs droits politiques (RO 90 I 173
;
89 I 39
consid. 1).
BGE 94 I 29 S. 33
En principe, seul a vocation pour recourir celui qui a un intérêt actuel et pratique à l'admission du recours. Le Tribunal fédéral renonce toutefois à cette exigence lorsqu'elle fait obstacle au contrôle de la constitutionnalité d'un acte qui peut se reproduire dans les mêmes conditions (RO 92 I 29
;
89 I 264
consid. 5
;
87 I 245
, avec références). En l'espèce, le décret du 22 novembre 1967 a déjà sorti tous ses effets. Cependant, si le présent recours était déclaré irrecevable faute d'intérêt, il devrait en être de même des recours qui seraient formés contre des décrets ultérieurs identiques. Le Tribunal fédéral ne pourrait dès lors jamais en revoir la constitutionnalité. Il y a donc lieu d'entrer en matière.
2.
En vertu de l'art. 39 al. 2 Cst. cant., "les lois sont soumises à l'adoption ou au rejet du peuple, si la demande en est faite par 6000 électeurs. Il en est de même des décrets qui sont d'une portée générale et n'ont pas un caractère d'urgence". Selon son art. 2, le décret attaqué, "n'étant pas de portée générale, n'est pas soumis aux formalités de referendum". Les droits politiques des recourants ont donc été violés si, contrairement à la clause qu'il contient, le décret du 22 novembre a une portée générale au sens de l'art. 39 Cst. cant. C'est par conséquent sur ce point qu'il convient d'abord de se prononcer.
Lorsque, comme en l'espèce, il est saisi d'un recours en vertu de l'art. 85 litt. a OJ, le Tribunal fédéral examine librement l'application du droit constitutionnel cantonal. Il en va de même à l'égard des lois cantonales qui précisent le contenu et l'étendue du droit de vote. Mais le décret du 22 novembre 1967 émanant de la plus haute autorité cantonale, le juge doit s'imposer une certaine réserve, sans se confiner cependant sur le terrain de l'arbitraire (RO 93 I 318 consid. 4
;
92 I 355
consid. 3
;
91 I 271
consid. 2 et 318 consid. 3).
a) Le Grand Conseil fait état des travaux préparatoires de l'art. 39 Cst. cant., adopté en votation populaire les 28 et 29 juin 1879. Il se réfère notamment aux discussions de la commission du Grand Conseil et aux débats de cette dernière autorité elle-même. Certes, le Tribunal fédéral recourt dans chaque cas aux procédés d'interprétation qui lui paraissent les plus adéquats à dégager le sens et la portée d'une norme, sans nécessairement faire abstraction de la méthode historique. Cependant, en l'espèce, il n'est pas nécessaire d'examiner plus précisément si et dans quelles conditions il se justifie de tenir
BGE 94 I 29 S. 34
compte des opinions émises au cours des travaux préparatoires. En effet, les délibérations auxquelles le Grand Conseil se reporte, qui remontent à près d'un siècle, ne sont rien moins qu'explicites. Il en ressort seulement que le Parlement neuchâtelois entendait introduire dans le droit public cantonal les institutions de démocratie semi-directe qu'avait adoptées le constituant fédéral. Il semblerait donc qu'à l'arrêté fédéral de portée générale corresponde le décret de portée générale, l'un comme l'autre étant soumis, sauf clause d'urgence, au referendum facultatif. Toutefois, la notion d'arrêté fédéral de portée générale est restée des plus controversées jusqu'à l'adoption de la loi du 23 mars 1962 sur les rapports entre les conseils (RO 74 I 254 et les références à la doctrine). Il est par conséquent pratiquement exclu de définir par voie de comparaison la notion de décret de portée générale.
Les travaux préparatoires montreraient en outre qu'en attribuant à ses actes la qualité de loi ou de décret avec ou sans portée générale, le Grand Conseil conserve un certain pouvoir d'appréciation et de décision. Sans qu'il soit nécessaire de trancher la question, il est certain que le Grand Conseil n'est pas absolument libre dans l'exercice de ce pouvoir. Cela est si vrai que l'autorité législative a défini elle-même ce qu'il fallait entendre par loi et par décret dans la loi qu'elle a votée le 21 novembre 1944 sur l'exercice des droits politiques.
b) C'est en effet au regard de cette loi qu'il convient d'examiner la nature du décret attaqué. Elle dispose, à son art. 138 al. 2, qu'"une loi est une disposition législative d'ordre général et sans limite de temps. Le décret est limité à un objet particulier ou dans le temps". Sans doute l'art. 138 ne donne-t-il pas la définition du décret de portée générale; mais il n'est pas nécessaire de la rechercher. En déniant à son acte du 22 novembre 1967 le caractère de décret de portée générale, le Grand Conseil lui a implicitement conféré celui de décret simple. Il suffit donc d'examiner si l'acte incriminé satisfait aux critères formulés par l'art. 138 al. 2 précité pour le décret simple; si c'est bien le cas, l'art. 2 du décret ne viole pas les droits politiques garantis par la constitution neuchâteloise (cf. RO 74 I 255
;
76 I 25
).
Ces critères sont, d'une part, la limitation à un objet particulier, d'autre part, la limitation dans le temps. Or, il apparaît clairement que le décret du 22 novembre 1967 leur est conforme. Tout d'abord, l'ouverture des magasins jusqu'à 22 heures
BGE 94 I 29 S. 35
n'était autorisée qu'à deux occasions, plus précisément une fois par semaine pendant la quinzaine précédant Noël 1967 ou Nouvel An 1968; circonscrit aussi étroitement, l'objet du décret doit être tenu pour particulier. Ensuite, l'acte incriminé a sorti tous ses effets avant le 1er janvier 1968: sa durée était donc limitée. Il est vrai qu'il affectait la situation juridique d'un nombre indéterminé de personnes et qu'à ce titre, il formulait une norme générale; cependant, il convient de faire remarquer que, dans sa définition du décret, le droit public neuchâtelois ne fait pas mention de ce dernier critère. L'acte attaqué peut dès lors être considéré comme un décret simple au sens de l'art. 138 al. 2 de la loi sur l'exercice des droits politiques; il n'était donc pas soumis au referendum institué par l'art. 39 al. 2 Cst. cant., dont les recourants invoquent par conséquent à tort la violation. Le premier moyen du recours est ainsi mal fondé.
c) A vrai dire, pour interpréter l'art. 39 al. 2 Cst. cant., les recourants se réfèrent également à la loi fédérale du 23 mars 1962 sur les rapports entre les conseils. Ils font valoir que, parmi les différentes espèces d'arrêtés fédéraux de portée générale que cette loi énumère, il en est une qui, suivant la définition qu'en donne l'art. 6 al. 1, se rapproche du décret neuchâtelois de portée générale; cette disposition prévoit que "les actes législatifs de durée limitée qui contiennent des règles de droit doivent être édictés sous forme d'arrêté fédéral de portée générale". Par règle de droit, il faut entendre "toutes les normes générales et abstraites qui imposent des obligations ou confèrent des droits aux personnes physiques ou morales, ainsi que celles qui règlent l'organisation, la compétence ou les tâches des autorités ou fixent une procédure" (art. 5 al. 2 de la loi précitée).
En l'espèce, le décret attaqué, affectant la situation d'un nombre indéterminé de personnes, formulait une norme générale. En revanche, il n'est pas certain que la règle qu'il a édictée ait été abstraite; le nombre de situations auxquelles il devait s'appliquer n'était pas, en effet, indéterminé, puisqu'il ne visait que deux cas, dans une période précisément limitée. D'ailleurs, même si le décret du 22 novembre 1967 satisfaisait aux deux critères posés par la loi fédérale, il ne devrait pas pour autant être qualifié de décret de portée générale, la loi fédérale ne s'appliquant pas en matière cantonale, fût-ce par analogie.
BGE 94 I 29 S. 36
3.
Reprochant au Grand Conseil d'avoir dérogé à une loi soumise au referendum facultatifpar un acte qui, lui, y échappait, les recourants se prévalent d'une violation du principe du parallélisme - ou de la hiérarchie - des formes.
a) En vertu du principe de la légalité, toute autorité est liée par ses actes aussi longtemps qu'elle ne les a pas abrogés ou modifiés (RO 74 I 17;
76 IV 52
;
87 I 258
;
91 I 278
consid. 7; JAA XXIX, no 176, p. 317; XXX, no 28, p. 59, et no 124, p. 208). Les justiciables doivent en effet être assurés qu'elle applique à tous la même norme, et qu'il ne puisse y être dérogé que dans les cas que la norme prévoit elle-même. Toutefois, s'il était loisible à l'autorité de revenir sur ses actes par n'importe quelle voie, le principe de la légalité risquerait d'être éludé. Aussi, conformément à la règle du parallélisme des formes, l'autorité ne revise-t-elle valablement ses actes que selon la forme dans laquelle ils ont été adoptés.
Le Tribunal fédéral en a déjà jugé ainsi dans plusieurs arrêts. Le législateur ne peut notamment s'écarter d'une loi sujette au referendum par un décret qui y est soustrait (RO 30 I 722 consid. 3
;
50 I 232
). L'autorité législative ne saurait déléguer ses compétences à l'autorité exécutive, en l'habilitant à s'écarter de la législation en vigueur, que par un texte soumis au referendum (RO 88 I 33; cf. RO 93 I 333 consid. 3). Etant normative, l'interprétation authentique doit, sauf disposition constitutionnelle contraire, emprunter la forme prévue pour la règle interprétée (RO 33 I 630 consid. 3
;
70 I 8
consid. 5 et 6). C'est donc un principe d'une jurisprudence ferme, sinon abondante, qu'une norme ne peut être modifiée ou abrogée que par un acte de rang égal ou supérieur (RO 87 I 360
;
89 I 275
consid. 17).
b) En droit public neuchâtelois, toute loi ou tout décret de portée générale sont déférés au vote populaire, si 6000 électeurs au moins en font la demande (art. 39 al. 2 Cst. cant.; art. 138 de la loi sur l'exercice des droits politiques). Dès lors, d'après le principe du parallélisme des formes, ces actes législatifs ne peuvent être revisés que par des actes également sujets au referendum. En l'espèce, la loi neuchâteloise du 13 décembre 1948 fixe la fermeture des magasins durant la semaine à 18 heures 30, et le samedi à 17 heures (art. 1er); des dérogations peuvent être accordées à certaines conditions par le Conseil communal (art. 2). En autorisant l'ouverture jusqu'à 22 heures, le décret du Grand Conseil du 22 novembre 1967 a manifestement modifié la loi. Peu importe que cette modification n'ait
BGE 94 I 29 S. 37
été introduite qu'à titre d'essai et qu'elle n'ait été applicable qu'à deux reprises; elle n'en dérogeait pas moins à la réglementation légale. Prenant cette mesure par un décret simple, acte non soumis au referendum, le Grand Conseil neuchâtelois n'a pas respecté le principe du parallélisme des formes et, par là, a porté atteinte aux droits politiques des recourants.
c) Il ne fait aucun doute que les règles de droit dont le décret attaqué s'est écarté sont de nature législative au sens de l'art. 138 al. 2 de la loi sur l'exercice des droits politiques. Il n'est donc pas nécessaire de décider si un texte adopté sous la forme d'une loi ou d'un décret de portée générale, mais qui aurait pu revêtir celle d'un décret simple, peut être modifiée par un acte soustrait au referendum.
4.
Il n'importe que le Grand Conseil ait déjà voté à plusieurs reprises des décrets simples modifiant des textes légaux et qu'il estime exercer ainsi une compétence qu'il fait dériver des art. 140 et 141 de la loi sur l'exercice des droits politiques. La règle du parallélisme des formes est une règle de droit fédéral, dont l'autorité cantonale ne peut s'écarter.
5.
Il ressort des considérants précédents que le second moyen des recourants est bien fondé. Le décret attaqué ayant déjà sorti tous ses effets, il ne se justifie cependant plus de l'annuler. Il suffit bien plutôt de constater qu'il a violé les droits politiques des recourants. Les textes du même genre que le Grand Conseil voterait ultérieurement dans des conditions semblables seraient exposés à un sort identique.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et constate que le décret attaqué a violé les droits politiques des recourants. | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a2a4225b-6fa7-4bfe-8493-0d6f8cde9743 | Urteilskopf
83 I 41
7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. März 1957 i.S. Waggoner und Rowley gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum. | Regeste
Art. 2 Ziff. 4 aPatG,
Art. 111 PatG
.
a) Diese Bestimmungen gelten auch für Textilfasern aus Glas (Erw. 2).
b) Wann ist die Herstellung der synthetischen Textilfaser beendet, wann beginnt ihre Veredlung? (Erw. 3, 4).
c) Wann kommt die Erfindung "für die Textilindustrie in Betracht"? (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 83 I 41 S. 41
A.-
Jack Waggoner und Warren Rowley ersuchten das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum am 12. Juli 1951, die Erfindung eines Verfahrens zu patentieren, das sie wie folgt umschrieben: "Verfahren zur Herstellung von Textilerzeugnissen aus Glasfasern und die Gewinnung von gekräuselten Fasern daraus, dadurch gekennzeichnet, dass ein Textilgut aus Glasfasern zunächst bei Temperaturen von 200-7000 C behandelt wird, um die Fasern in dem Textilgut möglichst weitgehend zu entspannen, darauf mit einem Überzugsmaterial für die Oberfläche der Fasern versehen wird, worauf man das Überzugsmittel auf die Faseroberfläche fixiert."
Das Gesuch wurde vom Amte beanstandet, weil die Erfindung eine nicht rein mechanische Veredlung von Textilfasern betreffe und daher, soweit sie für die Textilindustrie in Betracht komme, gemäss Art. 2 Ziff. 3 aPatG nicht patentiert werden könne.
Dem hielten die Gesuchsteller zunächst entgegen, unter
BGE 83 I 41 S. 42
Textilfasern im Sinne dieser Bestimmung seien nur organische Fasern zu verstehen; Glasfasern fielen nicht unter den Begriff. Um ihre Auffassung zu stützen, änderten sie im Patentanspruch die Wörter "Textilerzeugnisse" und "Textilgut" in "Erzeugnisse" bezw. "Gut" ab und merzten die Ausdrücke "Textil", "Textilien" und "Stoff" auch aus der Beschreibung der Erfindung aus. Später stellten sie sich auf den Standpunkt, die Glasfasern, mögen sie auch verspinnbar und verwebbar sein, würden erst durch das zur Patentierung angemeldete Verfahren für Bekleidungs- und Dekorationszwecke brauchbar; das Verfahren diene also nicht der Veredlung, sondern der Herstellung von Textilfasern. Übrigens überlasse die schweizerische Textilindustrie schon die bisher bekannten nicht rein mechanischen Verfahren zur Veredlung von Glasfasern einer Spezialindustrie und verarbeite selber die Glasfasern nur auf rein mechanischem Wege, weshalb mit Sicherheit gesagt werden könne, dass das vorliegende Verfahren, das eine Erwärmung auf 200-7000 C erfordere, für sie gar nicht in Betracht falle. Die Gesuchsteller lehnten es ab, das Gesuch auf nicht textile Zwecke einzuschränken oder sein Anmeldedatum auf den Tag der Einführung der amtlichen Vorprüfung zu verschieben (
Art. 115 Abs. 2 PatG
).
B.-
Am 31. Oktober 1956 wies das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum das Gesuch auf Grund des
Art. 111 PatG
zurück.
C.-
Die Gesuchsteller führen gemäss
Art. 97 ff. OG
Beschwerde mit dem Antrag, dieser Entscheid sei aufzuheben und das Amt anzuweisen, die Prüfung des Gesuches auf Grund des Art. 13 Abs. 2 VollzVo. PatG fortzusetzen.
Das Amt beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
"Erfindungen von Erzeugnissen, welche durch Anwendung nicht rein mechanischer Verfahren zur Veredlung von rohen oder verarbeiteten Textilfasern jeder Art erhalten werden, sowie von derartigen Veredlungsverfahren,
BGE 83 I 41 S. 43
soweit als diese Erfindungen für die Textilindustrie in Betracht kommen", konnten gemäss Art. 2 Ziff. 4 aPatG nicht patentiert werden und können es gemäss
Art. 111 PatG
auch heute noch nicht, solange die Vorschriften über die amtliche Vorprüfung (
Art. 87 ff. PatG
) nicht in Kraft gesetzt sind.
2.
Durch die Wendung "Textilfasern jeder Art" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass das Material, aus dem eine Faser hergestellt ist, ihrer Würdigung als Textilfaser nicht im Wege stehen kann. Die Beschwerdeführer anerkennen das und halten an ihrem im Beanstandungsverfahren eingenommenen Standpunkt, wonach aus Glas hergestellte Fasern wegen ihrer anorganischen Beschaffenheit nie Textilfasern seien, nicht mehr fest. Sie sehen im Erzeugnis, das in dem zur Patentierung angemeldeten Verfahren bearrbeitet werden soll, lediglich deshalb keine Textilfaser, weil es vor dieser Bearbeitung zu Bekleidungs- und Dekorationszwecken unbrauchbar sei. Die Streitfrage, ob das Verfahren an Textilfasern angewendet werde, deckt sich also mit der Frage, ob solche in ihm veredelt oder, wie die Beschwerdeführer geltend machen, erst hergestellt werden.
3.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 2 Ziff. 4 aPatG (
BGE 79 II 224
ff.) ist die synthetische Textilfaser nicht schon hergestellt, wenn der Faden aus der Spinndüse austritt, sondern erst, wenn er die aus chemisch-technischen und betriebswirtschaftlichen Gründen mit seiner Bildung in den nämlichen fortlaufenden Arbeitsgang verlegte weitere Behandlung erfahren hat, so dass er von den Zweigen der Textilindustrie übernommen zu werden pflegt. Die Behandlungen, die nach hergebrachter Anschauung von diesen Zweigen besorgt werden, z.B. Färben, Schlichten, Mattieren und Konditionnieren, gehören zur Veredlung der Faser, auch wenn sie ausnahmsweise vom Hersteller besorgt werden, und anderseits gibt es Behandlungen, die an sich auch in einem Betrieb der Textilindustrie erfolgen können, aber üblicherweise in den der Herstellung
BGE 83 I 41 S. 44
dienenden Arbeitsvorgang verlegt werden und daher zur Herstellung zu rechnen sind, z.B. das Verstrecken des Fadens.
Diese Auslegung von Art. 2 Ziff. 4 aPatG trifft auch auf
Art. 111 PatG
zu, der die bis zur Einführung der amtlichen Vorprüfung von der Patentierung ausgeschlossenen Erfindungen wörtlich gleich umschreibt wie jene Bestimmung. Die Beschwerdeführer selbst setzen sich dafür ein, dass nach den Grundsätzen der erwähnten Rechtsprechung entschieden werde, ob ihre Erfindung der Herstellung oder vielmehr der Veredlung der Textilfaser dient.
4.
Dass die Textilindustrie Glasfasern verwendet, ist nicht neu. Schon A. HAUSSENER, Professor an der Technischen Hochschule in Brünn, wies in seinen im Jahre 1907 erschienenen "Vorlesungen über mechanische Technologie der Faserstoffe" darauf hin, dass Glasfäden zu Phantasiezwecken benützt würden (S. 244). BERNARD KOZLIK sodann führte im Jahre 1920 in der "Materialkunde der Textilindustrie" aus, Glasfäden würden in vereinzelten Fällen in der Textilindustrie verwendet, wenn auch wegen ihrer Sprödigkeit nur als Schussmaterial in Seidenstoffe zu Dekorationszwecken (S. 32). Professor P. A. KOCH in Netstal (Glarus) spricht sich im Abschnitt über "die Eigenschaften der Textil-Glasfäden" des im Jahre 1953 von Professor R. PUMMERER herausgegebenen Buches "Chemische Textilfasern, Filme und Folien" dahin aus, es sei 1931 gelungen, Glasfasern, später auch Glasseide als Garn, in solcher Feinheit herzustellen, dass ihre textile Weiterverarbeitung sowie die Fertigung entsprechend feiner Gewebe, Bänder und Litzen aus ihnen möglich geworden sei, womit diese Textil-Glasfäden als Faserstoff Eingang in die Textilindustrie gefunden hätten (S. 1023). Er bezeichnet die Textil-Glasfäden als das feinste Textilmaterial (S. 1028) und führt aus, sie seien dort, wo eine Dehnung von wenigen Prozent ausreiche und die fehlende Geschmeidigkeit der Ware keinen Mangel darstelle, den übrigen Faserstoffen überlegen, zumal sie mit anderen Eigenschaften, wie Unbrennbarkeit,
BGE 83 I 41 S. 45
Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und chemische Einwirkungen sowie elektrischem und thermischem Isoliervermögen, alle Textilien mit Ausnahme von Asbest überragten (S. 1033). Auch in der Ausgabe 1954 des Brockhaus-Lexikons wird die Glasfaser als Textilprodukt bezeichnet und ausgeführt, sie lasse sich zu spinnfähigen Fäden und weiter zu feuerhemmenden und akustisch wirksamen farbigen Vorhang- und Spannstoffen mit schönem Seidenglanz verarbeiten (Bd. 4 S. 668).
Die Glasfaser wird also nicht erst durch die zur Patentierung angemeldete Erfindung in die Textilindustrie eindringen können. Die Behauptung der Beschwerdeführer, bevor die Erzeugnisse aus Glas das erfundene Verfahren durchlaufen hätten, würden sie weder von der verarbeitenden noch von der ausrüstenden Textilindustrie, sondern nur von Spezialbetrieben für technische Zwecke (Herstellung von Isolationsmatten, Filtern und dgl.) gekauft, stimmt nicht. Dass die erwähnten Äusserungen in ausländischen Werken stehen, die den Besonderheiten des schweizerischen Patentrechts nicht Rechnung trügen, wie die Beschwerdeführer geltend machen, ist unerheblich. Sie betreffen nicht Fragen des Patentrechts, sondern technische und betriebswirtschaftliche Fragen, die für die schweizerische Textilindustrie nicht anders zu beantworten sind als für die ausländische, ganz abgesehen davon, dass Prof. Koch als in der Schweiz wohnender Fachmann auch mit den schweizerischen Verhältnissen vertraut ist.
Übrigens haben die Beschwerdeführer in ihrer Patentbeschreibung selber auf die bisherige Verwendung von Glasfasern zur Herstellung von Wandbehängen, Überwürfen und Vorhängen, also von Erzeugnissen der Textilindustrie hingewiesen und in der ursprünglichen Fassung des Patentanspruches und der Patentbeschreibung die im erfundenen Verfahren zu behandelnde Ware als "Textilgut" bezeichnet. Die nachträgliche Ausmerzung dieses Ausdrucks ändert an der Sache nichts.
Aus der Beschreibung des Patentes ergibt sich ferner,
BGE 83 I 41 S. 46
dass das angemeldete Verfahren auf Glasfasern angewendet werden soll, die bereits zu einem Gewebe, Gewirke oder dergleichen verarbeitet sind. Weberei und Wirkerei, die solche Erzeugnisse herstellen, sind Betriebe der Textilindustrie. Daraus erhellt, dass die Glasfaser schon vor der Anwendung des angemeldeten Verfahrens den Textilbetrieben zur Verfügung steht und von ihnen verlangt und gekauft wird, dass sie also die Phase der Herstellung fertig durchlaufen hat. Nicht nötig ist, dass sie sich, nachdem die Textilbetriebe sie im übernommenen Zustande gewoben oder gewirkt haben, bereits zu Bekleidungs- oder Dekorationszwecken eignen. Die weitere Behandlung, die ihnen diese Eignung erst verschafft, gehört zur Veredlung, so auch die Behandlung im angemeldeten Verfahren. Mit diesem wollen die Beschwerdeführer dem Gewebe oder Gewirke von Glasfasern neue Eigenschaften verleihen, die es befähigen, über die bis dahin beschränkte Verwendung als Textilstoffe weitere Möglichkeiten auf diesem Gebiete zu finden.
5.
Nach
Art. 111 PatG
muss die Erfindung, um von der Patentierung ausgeschlossen zu sein, "für die Textilindustrie in Betracht kommen". Die Beschwerdeführer sprechen dem angemeldeten Verfahren dieses Merkmal ab, indem sie behaupten, die heutige Textilindustrie des Inlandes wäre nicht in der Lage, es auch nur teilweise anzuwenden. Schon mit den bisher bekannten nicht rein mechanischen Verfahren zur Herstellung brauchbarer Textil-Glasfasern befasse sie sich nicht, sondern sie überlasse diese Verfahren der chemischen Industrie. Deshalb sei sicher, dass das vorliegende Verfahren, das umfangreiche Kapitalanlagen (Entspannungsöfen) erfordere und die Umschulung ganzer Teile der Belegschaft notwendig machen würde, für sie jetzt und auch später ganz ausser Betracht falle.
Darauf kommt nichts an. Für die Textilindustrie kommt eine Erfindung nicht nur dann "in Betracht", wenn sie in eigenen Betrieben ausgeführt wird, sondern schon dann, wenn sie für die Textilindustrie von wirtschaftlicher Bedeutung
BGE 83 I 41 S. 47
ist. Das trifft hier zu; diese Industrie ist daran interessiert, dass den Textilfasern aus Glas mit Hilfe des von den Beschwerdeführern angemeldeten Verfahrens neue Eigenschaften gegeben werden, welche die aus diesen Fasern hergestellten Textilien verbessern oder ihnen neue Möglichkeiten der Verwendung schaffen.
6.
Die Beschwerdeführer selber gehen davon aus, dass das zur Patentierung angemeldete Verfahren "nicht rein mechanischer" Art ist.
Art. 111 PatG
trifft also auch in dieser Hinsicht zu. Mithin sind alle Voraussetzungen dieser Norm erfüllt. Das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum hat das Gesuch zu Recht zurückgewiesen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a2aa800a-2526-4135-adc2-d7a7ce35aa93 | Urteilskopf
102 II 313
46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. November 1976 i.S. Nobel gegen Müller und Müller | Regeste
Art. 214 Abs. 3 ZGB
.
Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten.
Die ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten unter dem Güterstand der Güterverbindung ist als Schenkung auf den Todesfall im Sinne von
Art. 245 Abs. 2 OR
anzusehen. Sie unterliegt wie eine Verfügung von Todes wegen der Herabsetzung, soweit die Pflichtteilsrechte der Nachkommen verletzt sind (E. 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 102 II 313 S. 314
A.-
Fridolin Müller war in erster Ehe verheiratet mit Emma Stöckli. Aus dieser Ehe ging im Jahre 1916 die Tochter Emma hervor. Im Dezember 1918 starb die Ehefrau. Eine zweite Ehe Müllers blieb kinderlos. 1936 ging er mit der 19 Jahre jüngeren Frieda Kopp eine dritte Ehe ein, aus der im Jahre 1944 der Sohn Kurt hervorging. Die Eheleute lebten unter dem Güterstand der Güterverbindung und schlossen am 7. Februar 1958 einen Ehe- und Erbvertrag, der im Wesentlichen folgende Bestimmungen enthielt:
"1. Die Vertragsparteien stellen vorerst fest, dass die güterrechtlichenVerhältnisse ihrer Ehe dem ordentlichen Güterstand der Güterverbindungunterstehen, die sie weiterhin beibehalten wollen.
2. Die Vertragsparteien stellen des weitern fest, dass sie anlässlichihrer Verehelichung im Jahre 1936 folgende Werte in die Ehe eingebrachthaben:
a) Der Ehemann: Fr. 15'000.-- in bar, die Firma Fritz Müller, Teppichhandel, sowie die Stube;
b) Die Ehefrau: Fr. 10'000.-- in bar, die in das Geschäft des Ehemannes
eingelegt wurden, ferner den gesamten vorhandenen Hausrat (ausgenommen die Stube), wie Möbel, Wäsche, Geschirr etc.
3. Alles übrige eheliche Vermögen bildet Vorschlag im Sinne von
Art. 214 ZGB
.
4. Gestützt auf
Art. 214 Abs. 3 ZGB
und in Abänderung derVorschlagsteilung gemäss
Art. 214 Abs. 1 ZGB
vereinbaren die Parteien, dassbeim Tode des einen oder andern von ihnen der überlebende Ehegatte denganzen Vorschlag zu unbeschwertem Eigentum erhalten soll.
Bei einem Rückschlag gilt das Gesetz (
Art. 214 Abs. 2 ZGB
).
5. Dieser Ehevertrag, dem nur parteiinterne Geltung zukommt, wird derVormundschaftsbehörde der Stadt St. Gallen zur Genehmigung unterbreitet,aber nicht in das Güterrechtsregister eingetragen.
6. Erbvertraglich vereinbaren und verfügen die Parteien letztwillig was folgt:
a) Beide Ehegatten setzen ihre Nachkommen zugunsten des überlebendenEhegatten auf den gesetzlichen Pflichtteil. An dem Erbteil, welcher
BGE 102 II 313 S. 315
dem gemeinsamen Sohn Kurt Müller zukommt, erhält der überlebende Ehegatteausserdem die lebenslängliche Nutzniessung gemäss
Art. 473 ZGB
.
b) Im Sinne einer Teilungsvorschrift verfügt der unterzeichnete EhemannFritz Müller, dass seine Ehefrau die Einzelfirma Fritz Müller, Teppiche,Notkerstrasse 12, St. Gallen, samt Aktiven und Passiven, ferner dieLiegenschaften Notkerstrasse 12 in St. Gallen, Sonnenhaldenstr. 29 inGoldach SG und diejenige an der Frauenfelderstrasse in Steckborn TG zumdannzumaligen Steuerwert, jedoch unter Übernahme der darauf lastendenHypotheken, sowie den vom Ehemann eingebrachten Hausrat, zu Alleineigentumübernehmen kann. Die Tochter des Ehemannes aus erster Ehe, Frau Emma Nobelgeb. Müller, Flawil, ist somit in bar auszuzahlen.
c) Beide Vertragsparteien ernennen zu ihrem Willensvollstrecker Herrn Dr. X., Rechtsanwalt, St. Gallen, und falls dieser das Mandat nicht annehmen kann oder will, das Bezirksamt St. Gallen.
d) Mit diesem Ehe- und Erbvertrag werden alle früheren letztwilligen Verfügungen der Vertragsparteien aufgehoben."
Der Vertrag wurde am 19. Februar 1958 vom Waisenamt St. Gallen genehmigt.
Am 25. September 1972 starb Fridolin Müller im Alter von 85 Jahren. Er hinterliess als gesetzliche Erben seine dritte Ehefrau, den aus der Ehe mit dieser entsprossenen Sohn Kurt und die aus der ersten Ehe stammende Tochter Emma Nobel-Müller.
Der von den Eheleuten Müller-Kopp geschlossene Ehe- und Erbvertrag wurde am 12. Oktober 1972 durch das Bezirksamt St. Gallen eröffnet. Seine Formgültigkeit ist nicht bestritten.
In der Folge wurde auf Begehren Emma Nobels über den Nachlass des Erblassers das öffentliche Inventar aufgenommen, das bei Fr. 371'799.65 Aktiven und Fr. 370'826.55 Passiven mit einem mutmasslichen Aktivenüberschuss von Fr. 973.10 abschloss. Unter den Passiven figuriert ein Posten von Fr. 263'000.-- als "güterrechtlicher Anspruch der Ehefrau", wovon Fr. 10'000.-- unter dem Titel eingebrachtes Gut. Am 6. Juni 1973 überwies der Willensvollstrecker Emma Nobel Fr. 5'170.-- als ihren Erbanteil am Nachlass des verstorbenen Vaters.
B.-
Im August 1973 machte Emma Nobel gegen die dritte Ehefrau ihres Vaters (Beklagte 1) und ihren Stiefbruder Kurt Müller (Beklagten 2) bei Bezirksgericht St. Gallen eine Erbteilungsklage anhängig, mit der sie beantragte:
BGE 102 II 313 S. 316
"1. Es sei der Nachlass des am 25. September 1972 in St. Gallenverstorbenen Fridolin (genannt Fritz) Müller-Kopp, geb. 20. September 1887,von Näfels, wohnhaft gewesen Notkerstrasse 12, St. Gallen, gerichtlichfestzustellen.
2. Es sei festzustellen, dass der gesetzliche Pflichtteil der Klägerin
neun Zweiunddreissigstel des Nachlasses des genannten Erblassers beträgt.
3. Es seien die vom genannten Erblasser der Beklagten 1 mit Ehe- undErbvertrag vom 7. Februar 1958 gemachten güterrechtlichen Zuwendungen(insbesondere die Zuweisung des gesamten Vorschlags) auf das in Anbetrachtdes Pflichtteilsrechts der Klägerin zulässige Mass herabzusetzen.
4. Es sei das in Ziffer 6 lit. b des zwischen dem Erblasser und derBeklagten 1 am 7. Februar 1958 abgeschlossenen Ehe- und Erbvertragesenthaltene Vorausvermächtnis (genannt "Teilungsvorschrift") herabzusetzenoder eventuell der Ausgleichung gemäss
Art. 608 Abs. 2 ZGB
zu unterstellen.
5. Es sei festzustellen, dass der Beklagte 2 für sämtliche vom Erblasserzu dessen Lebzeiten erhaltenen Zuwendungen, insbesondere für eine solche imWerte von Fr. 15'000.--, ausgleichspflichtig ist.
6. Es seien die Beklagten zu verpflichten, in die für die Vornahme derErbteilung notwendigen Handlungen einzuwilligen, unter Androhung derUngehorsamsstrafe gemäss
Art. 292 StGB
im Widerhandlungsfalle.
7. Es sei die Beklagte 1 zu verpflichten, der Klägerin den ihremPflichtteil entsprechenden Betrag (abzüglich einer à-Konto-Zahlung vonFr. 5'170.--) auszuzahlen."
Das Bezirksgericht fällte am 24. September 1974 folgendes Urteil:
"1. Es wird festgestellt, dass der Nachlass des Müller Fridolin, geb.20.9.1887, von Näfels, gestorben am 25.9.1972 in St. Gallen, aus dem vonihm in die Ehe mit Müller Frieda eingebrachten Gut besteht, nämlich aus derStube, dem Teppichhandel Fritz Müller sowie Fr. 15'000.-- in bar.
2. Es wird davon Vormerk genommen, dass die Beklagten eine Pflichtteilsquote der Klägerin von 9/32 anerkennen.
3. Die Klagebegehren Ziffer 3, 4, 5, 6 und 7 werden abgewiesen.
(4./5. Kosten und Entschädigung)"
Zur Begründung führte das Gericht im wesentlichen aus, Vereinbarungen nach
Art. 214 Abs. 3 ZGB
unterlägen nach konstanter Praxis des Bundesgerichts nicht der erbrechtlichen Herabsetzungsklage. Dass die Begünstigung des überlebenden Ehegatten rechtsmissbräuchlich sei, könne im vorliegenden Fall nicht gesagt werden. Da der gesamte Vorschlag an die Ehefrau falle und Sondergut des Erblassers nicht behauptet
BGE 102 II 313 S. 317
werde, bestehe der Nachlass nur aus dem eingebrachten Mannesgut. Die Pflichtteilsquote der Klägerin von 9/32 am Nachlass sei anerkannt. Die Liegenschaften seien nicht Nachlassgegenstände und gehörten nicht zur Erbschaft, weshalb sie weder der Herabsetzung noch der Ausgleichung unterlägen. Der Nachlasswert des eingebrachten Teppichhandels sei nicht feststellbar, so dass diesbezüglich ein herabsetzbares Vermächtnis nicht bewiesen und deshalb die Herabsetzungsklage wie auch das Ausgleichungsbegehren abzuweisen seien. Ebensowenig sei erstellt, dass der Beklagte 2 vom Erblasser Zuwendungen erhalten habe, weshalb eine Ausgleichungspflicht diesbezüglich entfalle.
Eine Berufung gegen diesen Entscheid wurde vom Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 9. Juli 1975 abgewiesen. In der Begründung folgte das Kantonsgericht im wesentlichen dem Bezirksgericht.
C.-
Gegen das kantonsgerichtliche Urteil erhebt die Klägerin Berufung an das Bundesgericht mit den Anträgen:
"1. Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es seien demzufolgeauch Dispositiv Ziff. 1 und 3-5 des Urteils des Bezirksgerichtes St. Gallenvom 24. September 1974 aufzuheben.
2. Es sei die Sache an die kantonale Instanz zurückzuweisen zur Vornahme folgender Handlungen:
a) gerichtliche Feststellung des Nachlasses des am 25. September 1972 verstorbenen Fridolin (genannt Fritz) Müller-Kopp, geb. 20. September 1887, von Näfels, wohnhaft gewesen Notkerstrasse 12, St. Gallen;
b) Herabsetzung der vom genannten Erblasser der Beklagten undBerufungsbeklagten 1 gemachten güterrechtlichen Zuwendungen (insbesonderegemäss Ehe- und Erbvertrag vom 7. Februar 1958) und sämtlicher weitererganz oder teilweise unentgeltlicher Zuwendungen an die Beklagte undBerufungsbeklagte 1, die vom Erblasser zur pflichtteilsrechtlichenBenachteiligung der Klägerin und Berufungsklägerin gemacht wurden(insbesondere im Rahmen des am 3. Januar 1967 abgeschlossenen Kaufvertragesüber die Liegenschaft Notkerstrasse 12 in St. Gallen), auf das inAnbetracht des Pflichtteilsrechts der Klägerin und Berufungsklägerinzulässige Mass.
3. Es sei das in Ziff. 6 lit. b des zwischen dem Erblasser und derBeklagten und Berufungsbeklagten 1 am 7. Februar 1958 abgeschlossenen Ehe-und Erbvertrages enthaltene Vorausvermächtnis (genannt"Teilungsvorschrift") herabzusetzen oder eventuell der Ausgleichung gemässArt. 608 Abs. 2 ZGB zu unterstellen.
4. Es sei festzustellen, dass der Beklagte und Berufungsbeklagte 2 fürsämtliche vom Erblasser zu dessen Lebzeiten erhaltenen Zuwendungen,
BGE 102 II 313 S. 318
insbesondere für eine solche im Werte von Fr. 15'000.--,ausgleichspflichtig ist.
5. Eventuell sei die Sache zur Durchführung des Beweisverfahrenshinsichtlich des Berufungsantrages 4 an die kantonale Instanzzurückzuweisen.
6. Es sei die Beklagte und Berufungsbeklagte 1 zu verpflichten, derKlägerin den ihrem Pflichtteil entsprechenden Betrag (abzüglich einerAkontozahlung von Fr. 5'170.--) auszuzahlen."
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Eheleute Müller-Kopp lebten unter dem Güterstand der Güterverbindung. Wird eine solche Ehe durch den Tod eines Gatten aufgelöst und ergibt sich nach der Ausscheidung des Mannes- und Frauengutes ein Vorschlag, so gehört dieser gemäss
Art. 214 Abs. 1 ZGB
zu einem Drittel der Ehefrau oder ihren Nachkommen und im übrigen dem Ehemann oder seinen Erben. Nach
Art. 214 Abs. 3 ZGB
sind die Ehegatten jedoch befugt, durch Ehevertrag eine andere Beteiligung am Vorschlag zu verabreden. Die Eheleute Müller-Kopp haben von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und durch ihren im Jahre 1958 abgeschlossenen Ehe- und Erbvertrag vereinbart, dass beim Tod des einen Gatten der überlebende Gatte den ganzen Vorschlag zu unbeschwertem Eigentum erhalten solle.
Die Klägerin macht in erster Linie geltend, ehevertragliche Änderungen der Vorschlagsteilung im Sinne von
Art. 214 Abs. 3 ZGB
seien nur zulässig, soweit dadurch das Pflichtteilsrecht der Kinder nicht verletzt werde, und sie verlangt demgemäss die Herabsetzung der Vorschlagszuweisung auf das erlaubte Mass.
2.
Das Bundesgericht hat erstmals in
BGE 58 II 1
ff. entschieden, gemäss
Art. 214 Abs. 3 ZGB
könne durch Ehevertrag gültig und nicht mit der Herabsetzungsklage anfechtbar vereinbart werden, dass der ganze Vorschlag dem überlebenden Ehegatten zufalle. Dieser Entscheid wurde in der Literatur lebhaft diskutiert und fand keine einhellige Zustimmung (vgl. die Zusammenstellung der Befürworter und Kritiker in
BGE 82 II 481
/482 sowie bei LEMP, N. 92 zu
Art. 214 ZGB
). In
BGE 82 II 477
ff. erhielt das Bundesgericht Gelegenheit, zu den verschiedenen Kritiken Stellung zu nehmen. Es hielt in
BGE 102 II 313 S. 319
einem ausführlich begründeten Entscheid daran fest, dass die Ehegatten (innerhalb der Schranken des Rechtsmissbrauchs) gemäss
Art. 214 Abs. 3 ZGB
berechtigt seien, den ganzen Vorschlag dem überlebenden Gatten zuzuweisen, und dass eine solche Vereinbarung keiner erbrechtlichen Herabsetzung unterliege. Es befasste sich eingehend mit der Entstehungsgeschichte von
Art. 214 ZGB
und gelangte zum Ergebnis, aus den Materialien könne nicht abgeleitet werden, dass die ehevertragliche Zuweisung des ganzen Vorschlages an den einen oder andern Gatten der Herabsetzung nach den Bestimmungen über den Pflichtteil unterstehe. Zur Begründung seines Entscheides führte das Bundesgericht ferner aus, wenn die Ehegatten von der ihnen durch
Art. 214 Abs. 3 ZGB
gebotenen Möglichkeit Gebrauch machten, schaffe ihre Vereinbarung allein Recht und trete die vereinbarte Vorschlagsbeteiligung an die Stelle der gesetzlichen Teilungsart (
Art. 214 Abs. 1 ZGB
). Das Gesetz enge die Freiheit der Parteien nicht ein und unterwerfe ihre Vereinbarungen über die Vorschlagsteilung keiner Beschränkung. Es kümmere sich auch nicht um die Motive, welche die Parteien zu einer vertraglichen Regelung der Vorschlagsteilung bestimmten und verlange insbesondere nicht, dass die von den Parteien getroffene Regelung ihren Grund in diesem oder jenem Umstand habe, der die gesetzliche Teilung als ungerechtfertigt erscheinen lasse. Die gemäss
Art. 214 Abs. 3 ZGB
durch Ehevertrag vereinbarte Vorschlagsteilung habe ihren Rechtsgrund in gleicher Weise wie die gesetzlich vorgesehene im Güterrecht. Selbst wenn die Vereinbarung dem überlebenden Gatten den ganzen Vorschlag zuweise, stelle sie keine Verfügung von Todes wegen dar, sondern sie bleibe ein güterrechtlicher Vertrag unter Lebenden. Der Tod des einen Gatten sei nicht der Rechtsgrund der Vereinbarung, sondern nur der Erfüllungszeitpunkt. Eine solche Vereinbarung könne deshalb nicht gemäss
Art. 522 ZGB
als herabsetzbare Verfügung von Todes wegen angesehen werden. Zuwendungen von Todes wegen könnten im übrigen nur durch Verfügungen von Todes wegen, das heisst durch Testament oder Erbvertrag, erfolgen. Auch eine Herabsetzung nach
Art. 527 ZGB
falle ausser Betracht. Die bei der Gütergemeinschaft vorgesehene Regelung des
Art. 226 ZGB
könne auf Fälle der Güterverbindung nicht, auch nicht analog, angewendet werden. Aus diesen Gründen unterlägen
BGE 102 II 313 S. 320
Vereinbarungen über die Vorschlagsteilung einzig den Schranken von
Art. 2 Abs. 2 ZGB
.
Dieses Urteil, das für die spätere bundesgerichtliche Rechtsprechung wegleitend blieb (
BGE 100 II 277
/278 Erw. 5,
BGE 99 Ia 310
ff.; vgl. auch
BGE 99 II 11
ff.), brachte indessen die Kritik nicht zum Verstummen. Verschiedene namhafte Autoren forderten erneut, dass Vereinbarungen im Sinne von
Art. 214 Abs. 3 ZGB
, allenfalls unter gewissen Voraussetzungen, der Herabsetzung zu unterstellen seien (LEMP, N. 93/94 zu
Art. 214 ZGB
; PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, IV, S. 186/187, 414, sowie ZBJV 1976 S. 335 ff.; DESCHENAUX, SJK 1246, insbesondere S. 15; BORNAND, Note sur la répartition conventionnelle entre les époux, particulièrement en faveur de la femme, du bénéfice de l'union conjugale dans le régime matrimonial de l'union des biens, ZBGR 1957 S. 65 ff.; MOOR, La convention sur le bénéfice dans le régime matrimonial de l'union des biens, Diss. Lausanne 1966, insbesondere S. 135; KLAUS, Pflichtteilsrecht und güterrechtliche Verfügungen, Diss. Zürich 1971, insbesondere S. 129). Es erscheint daher als gerechtfertigt, die Frage einer erneuten Prüfung zu unterziehen.
3.
In
BGE 82 II 485
führte das Bundesgericht aus, die Gesetzesmaterialien liessen den Schluss nicht zu, der Gesetzgeber habe ehevertragliche Vereinbarungen über den Vorschlag der Herabsetzung unterstellen wollen. Es sagte indessen zu Recht nicht, die Herabsetzbarkeit solcher Vereinbarungen stehe mit den Materialien geradezu in Widerspruch. Das Bundesgericht untersuchte damals vor allem die Entstehung des heutigen
Art. 214 Abs. 3 ZGB
und stellte dabei fest, es sei weder in diesem Zusammenhang noch bei den Beratungen über die Eheverträge im allgemeinen je die Rede davon gewesen, dass Vereinbarungen über die Teilung des Vorschlages irgendwelchen Einschränkungen unterstünden. Daraus lässt sich jedoch nicht schliessen, der Gesetzgeber habe derartige Eheverträge dem Pflichtteilsrecht entziehen wollen. Besonderer Diskussionen über die Schranken der vertraglichen Vorschlagszuweisung bedurfte es nicht, hatten doch die eidgenössischen Räte sämtliche ehevertragliche Zuwendungen generell der Herabsetzung unterstellt, indem sie im Abschnitt über den Ehevertrag folgenden Art. 204 aufnahmen (Sten.Bull. 1905 S. 689-695, 1102-1105):
BGE 102 II 313 S. 321
"Bei allgemeiner Gütergemeinschaft können die Ehegatten, für den Fall desTodes eines derselben, eine beliebige Teilung des Gesamtvermögensverabreden, mit der Beschränkung, dass dessen Nachkommen wenigstens einViertel des bei seinem Tode vorhandenen Gesamtvermögens zufallen muss.Bei den andern Güterständen unterliegen vertragliche Zuwendungenausschliesslich den Beschränkungen des Pflichtteilsrechtes (478)."
Bei der endgültigen Redaktion des Gesetzes, die einer besonderen Redaktionskommission oblag, wurde Abs. 1 dieser Bestimmung zum heutigen
Art. 226 Abs. 2 ZGB
, während Abs. 2 ersatzlos gestrichen wurde (zur Entstehungsgeschichte eingehend KLAUS, a.a.O. S. 107 ff.). Da die Redaktionskommission materielle Änderungen an dem von den Räten angenommenen Text weder vornehmen wollte noch konnte, muss doch wohl angenommen werden, die Streichung von Abs. 2 sei deswegen erfolgt, weil der Vorbehalt des Pflichtteilsrechtes als selbstverständlich angesehen wurde. Diese Meinung vertrat jedenfalls der als Gesetzesredaktor, Berichterstatter im Nationalrat und Mitglied der Redaktionskommission mit dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens bestens vertraute EUGEN HUBER in der 2. Ausgabe seiner Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes, die erst nach dem Inkrafttreten des ZGB erschienen und durch Verweisungen darauf ergänzt sind (Bd. 1 S. 122 N. 3 und S. 185 N. 1). Die Autoren, die sich mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes befasst haben, sind der gleichen Ansicht (LEMP, N. 93 zu
Art. 214 ZGB
; CAVIN, Régime matrimonial et droit de succession, in Mélanges Guisan, 1950, S. 109-115; EGGER, Ehevertragliche Vereinbarungen über den Vorschlag, ZBGR 1952 S. 171-173; MEIER-HAYOZ, Die Bedeutung der Materialien für die Gesetzesauslegung, SJZ 1952 S. 334; MOOR, a.a.O. S. 117-120; KLAUS, a.a.O. S. 114-116). Zumindest entkräftet die Entstehungsgeschichte des Gesetzes das Argument, aus
Art. 226 Abs. 2 ZGB
lasse sich durch Umkehrschluss ableiten, Vereinbarungen über die Vorschlagsteilung seien im Gegensatz zu solchen über die Teilung des Gesamtgutes bei der Gütergemeinschaft keinerlei Beschränkungen unterworfen.
4.
Der Herabsetzung nach
Art. 522 ZGB
unterliegen Verfügungen von Todes wegen, welche die Verfügungsbefugnis des Erblassers überschreiten. In
BGE 82 II 488
hat das Bundesgericht ausgeführt, unter Verfügung im Sinne von
Art. 522 ZGB
verstehe das Gesetz einzig Testament und Erbvertrag.
BGE 102 II 313 S. 322
Dabei hat es jedoch übersehen, dass den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen nach
Art. 245 Abs. 2 OR
auch Schenkungen unterstehen, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist. Auf solche Schenkungen sind insbesondere auch die Bestimmungen über die Herabsetzung anwendbar (
BGE 96 II 96
Erw. 8d, 89 II 92/93 Erw. 5). Zu prüfen ist somit, ob die ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten unter
Art. 245 Abs. 2 OR
falle.
a) Dass die Vollziehbarkeit der Zuwendung auf den Tod des Zuwendenden gestellt ist, liegt in der Natur dieser Art der Vorschlagsteilung und bedarf keiner weiteren Begründung. Schwieriger ist die Beurteilung der Frage, ob es sich überhaupt um eine Schenkung handle. Als Schenkung gilt nach
Art. 239 Abs. 1 OR
jede Zuwendung, womit jemand aus seinem Vermögen einen andern ohne entsprechende Gegenleistung bereichert. Fraglich ist zunächst, ob die Zuweisung des Vorschlages "aus dem Vermögen" des Zuwendenden erfolge. Nach Abs. 2 von
Art. 239 OR
liegt keine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden und damit keine Schenkung vor, wenn dieser auf ein Recht verzichtet, das er noch nicht erworben hat. In
BGE 82 II 489
hat das Bundesgericht diesbezüglich ausgeführt, die Ehefrau habe während der Ehe keinen Anspruch auf ihren Anteil am Vorschlag; dieser entstehe vielmehr erst bei der Auflösung des Güterstandes. Wenn die Ehefrau zugunsten des Mannes auf ihren Vorschlagsanteil verzichte, mache sie daher keine Schenkung, die herabsetzbar wäre. Unter diesen Umständen könne aber auch der Verzicht des Mannes nicht als herabsetzbare Schenkung angesehen werden.
Dass der Anspruch der Frau auf ihren Anteil am Vorschlag erst bei Auflösung des Güterstandes entstehe, trifft indessen nicht zu. Richtig ist nur, dass er erst in diesem Zeitpunkt geltend gemacht werden kann. Im übrigen aber besteht der Anspruch als Anwartschaft schon während der Ehe (LEMP, N. 6 zu
Art. 214 ZGB
; DESCHENAUX, SJK 1246 S. 2; KNAPP, Le régime matrimonial de l'union des biens, N. 810; KRADOLFER, Schutz des Rechts der Ehefrau auf Vorschlagsteilhabe, Diss. Zürich 1974 S. 64 ff.). Die Vorschlagsbeteiligung der Ehefrau gehört zum Wesen des Güterstandes der Güterverbindung, wie er im ZGB geordnet ist. Sie kann sich jederzeit
BGE 102 II 313 S. 323
aktualisieren, nicht nur im Falle der Auflösung der Ehe durch Tod eines Ehegatten oder durch Scheidung, sondern auch schon während der Ehe bei Eintritt des ausserordentlichen Güterstandes (
Art. 182 ff. ZGB
). So können die Gläubiger der Ehefrau nach
Art. 185 ZGB
die richterliche Anordnung der Gütertrennung verlangen und dadurch auf den Vorschlagsanteil greifen, wenn sie in der Betreibung zu Verlust gekommen sind (LEMP, N. 6 zu
Art. 185 ZGB
). Nach der Lehre kann die Ehefrau ihre künftige Forderung auf Anteil am Vorschlag sogar an Dritte abtreten (LEMP, N. 88 zu
Art. 214 ZGB
; KRADOLFER, a.a.O. S. 74). Der Vorschlagsanteil bildet somit schon vor der Auflösung des Güterstandes Bestandteil ihres Vermögens. Es lässt sich daher nicht sagen, durch die Zuweisung des Vorschlages an den Mann für den Fall ihres Vorversterbens verzichte die Ehefrau im Sinne von
Art. 239 Abs. 2 OR
auf ein Recht, bevor sie es erworben habe.
Dazu kommt, dass sich der Verzicht auf ein noch nicht erworbenes Recht dadurch auszeichnet, dass bei ihm anders als bei der Schenkung kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Entreicherung des Verzichtenden und der Bereicherung des Begünstigten besteht (GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, 6. Aufl., S. 341; PIOTET, ZBJV 1976, S. 336, ZSR 1971, S. 40; MOOR, a.a.O. S. 110/111). Aus diesem Grund ist die Nichtannahme einer Vertragsofferte, der Verzicht auf die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts oder die Nichtausübung eines Kaufsrechtes nicht als Schenkung zu betrachten (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 8 zu
Art. 239 OR
), ebensowenig die in
Art. 239 Abs. 2 OR
besonders erwähnte Ausschlagung einer Erbschaft. In diesen Fällen hat die Begünstigung des "Beschenkten" ihren Rechtsgrund nicht im Verzicht des "Schenkers". Wird z.B. ein an sich wegen Irrtums anfechtbarer Kaufvertrag vom Verkäufer unangefochten gelassen, so erwirbt der Käufer die Kaufsache auf Grund des Vertrages und nicht auf Grund des Verzichts auf Anfechtung. Beim Verzicht der Ehefrau auf ihren Anteil am Vorschlag verhält es sich jedoch anders. Bereicherung und Entreicherung sind hier reziprok; die im Vermögen des Ehemannes eintretende Bereicherung ist die direkte Folge dieses Verzichts und hat keinen andern Rechtsgrund als den Ehevertrag. Dass die ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten eine Schenkung sei, lässt sich
BGE 102 II 313 S. 324
daher nicht mit der Begründung bestreiten, auf Seiten der Frau liege keine Zuwendung "aus ihrem Vermögen" vor.
Im übrigen ist nicht einzusehen, aus welchem Grund der Verzicht der Frau auf Vorschlagsbeteiligung anders behandelt werden sollte als derjenige des Mannes. Als Vorschlag wird das Ergebnis einer bei Auflösung des Güterstandes vorzunehmenden Rechenoperation bezeichnet. An diesem Saldo ist naturgemäss Eigentum nicht denkbar. Der Vorschlag kann demzufolge nicht im Eigentum des Mannes stehen. So gut wie die Frau hat auch der Mann nur die Aussicht, bei Auflösung des Güterstandes dereinst einen Teil des erzielten Vorschlags für sich beanspruchen zu dürfen. Freilich ist richtig, dass der Ehemann Eigentümer der Errungenschaft ist (
Art. 195 Abs. 2 ZGB
). Daraus folgt aber nur, dass der Anspruch der Ehefrau auf Vorschlagsbeteiligung in der Regel in einer Geldforderung gegen den Mann besteht (
BGE 100 II 73
). Der Vorschlagsanspruch des Mannes deckt sich deswegen nicht mit seinem Eigentum an der Errungenschaft. Erfährt z.B. eine von der Frau eingebrachte Liegenschaft infolge von Investitionen aus der Errungenschaft eine Wertsteigerung, so ist durchaus denkbar, dass der Mann einen Anspruch auf Beteiligung am Vorschlag hat, ohne Eigentümer von Errungenschaft zu sein. Dieser Anspruch unterscheidet sich qualitativ nicht von demjenigen der Frau.
b) Von einer Schenkung kann sodann nur gesprochen werden, wenn die Zuwendung "ohne entsprechende Gegenleistung", also unentgeltlich, erfolgt ist.
Ehevertragliche Änderungen der Vorschlagsteilung können aus den verschiedensten Motiven vorgenommen werden. Eheleute können sich insbesondere dann veranlasst sehen, von der gesetzlichen Vorschlagsteilung abzuweichen, wenn die Erzielung eines Vorschlages ausschliesslich oder doch vorwiegend bloss dem einen von ihnen zuzuschreiben ist, so etwa, wenn nur dank den Erträgnissen des Frauengutes oder der intensiven Mitarbeit der Ehefrau im Geschäft des Mannes ein Vorschlag geäufnet werden konnte. Es liegt nahe, derart güterrechtlich begründete Zuwendungen als entgeltlich zu betrachten. Bei der Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten fehlt es indessen auf jeden Fall an einer güterrechtlichen Rechtfertigung. Mit einer solchen Vereinbarung bekunden die Ehegatten, dass die Begünstigung nicht von besonderen
BGE 102 II 313 S. 325
Verdiensten um das Zustandekommen des Vorschlags, sondern allein von der Zufälligkeit der Absterbeordnung abhängen soll. Die Zuwendung erweist sich damit nicht als Gegenleistung für den Beitrag an der Erzielung des Vorschlags, sondern als reine Liberalität (LEMP, N. 94 zu
Art. 214 ZGB
; CAVIN, a.a.O. S. 117; KLAUS, a.a.O. S. 81, 123). Freilich kann sich ergeben, dass der Vorschlag schliesslich gerade demjenigen Ehegatten zufällt, der sich durch besonderen Einsatz für die eheliche Gemeinschaft ausgezeichnet hat, wie es die Beklagte 1 im vorliegenden Fall für sich behauptet. Dadurch wird aber die Zuwendung nicht entgeltlich. Dass gerade dieser Ehegatte begünstigt wird, beruht auf Zufall und nicht auf dessen Verdiensten. Wäre dem nicht so, hätte die Zuwendung einen andern Rechtsgrund als die in der Vereinbarung ebenfalls enthaltene, bedingte Zuwendung an den andern Ehegatten. Die Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten kann jedoch nicht auf einem verschiedenen Rechtsgrund beruhen, je nachdem ob der Mann oder die Frau zuerst stirbt. Die Unentgeltlichkeit derartiger Eheverträge wird ferner auch nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass die Zuweisung des Vorschlags gegenseitig ist. Wenn der Mann für den Fall seines Vorversterbens seinen Vorschlagsanteil der Frau zuwendet, so ist dies nicht die Gegenleistung dafür, dass auch die Frau für den Fall ihres Vorversterbens eine entsprechende Zuwendung macht.
c) Gegen die Anwendbarkeit von
Art. 245 Abs. 2 OR
liesse sich einwenden, die wirtschaftliche Vorsorge für den überlebenden Ehegatten, die mit derartigen Eheverträgen bezweckt werde, könne sittlich geboten sein; die Erfüllung einer sittlichen Pflicht werde aber nach
Art. 239 Abs. 3 OR
nicht als Schenkung behandelt. Ob eine Schenkung auf den Todesfall deswegen der Herabsetzung entzogen sei, weil sie in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erfolgte, beurteilt sich indessen nach Erbrecht und nicht nach Schenkungsrecht. Im Erbrecht wird nun bei der Frage der Herabsetzbarkeit nicht darauf abgestellt, aus welchen Gründen eine Zuwendung gemacht worden ist. So unterliegt z.B. die testamentarische Begünstigung der Ehefrau der Herabsetzung ungeachtet dessen, ob die Sitte den Ehemann zu dieser Verfügung verpflichtete. Schliesst der Ehemann zugunsten der Ehefrau eine Lebensversicherung ab, um sie auf diese Weise für den Fall seines Todes zu sichern, so
BGE 102 II 313 S. 326
unterliegt der Versicherungsanspruch nach
Art. 529 ZGB
mit dem Rückkaufswert ebenfalls der Herabsetzung, ohne dass es auf die Gründe der Begünstigung ankäme. Endlich unterstellt das Gesetz selbst in
Art. 527 Ziff. 1 ZGB
gewisse Zuwendungen der Herabsetzung, die sehr häufig in Erfüllung einer sittlichen Pflicht gemacht werden, wie z.B. die Ausrichtung einer Aussteuer. Die Herabsetzbarkeit einer Zuwendung hat daher nichts damit zu tun, ob diese in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erfolgte oder nicht (PIOTET, Droit successoral, S. 416, ZSR 1971, S. 39 ff.). Dies lässt sich dadurch rechtfertigen, dass der Pflichtteilsschutz nach der Auffassung des Gesetzgebers ebenfalls auf einer sittlichen Grundlage beruht. Die sittliche Pflicht, für den überlebenden Ehegatten vorzusorgen, darf deshalb nicht gegen das im Gesetz verankerte Pflichtteilsrecht ausgespielt werden.
d) Die ehevertragliche Zuweisung des Vorschlags an den "überlebenden Ehegatten" ist somit als Schenkung auf den Todesfall im Sinne von
Art. 245 Abs. 2 OR
anzusehen. Sie ist daher wie eine Verfügung von Todes wegen herabsetzbar (in diesem Sinne PIOTET, ZBJV 1976 S. 335; DESCHENAUX, SJK 1246, S. 15; MOOR, a.a.O. S. 104 ff.; KLAUS, a.a.O. S. 85 ff.).
5.
Für dieses Ergebnis sprechen auch sachliche Überlegungen. Besteht das eheliche Vermögen, wie das häufig der Fall ist, praktisch nur aus Errungenschaft, so können die Nachkommen nach der bisherigen Rechtsprechung durch die Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten völlig von der Erbschaft ausgeschlossen werden. Das ist vor allem dann stossend, wenn wie im vorliegenden Fall Kinder aus einer früheren Ehe vorhanden sind, denen gegenüber der Ehevertrag wie eine Enterbung wirkt (EGGER, a.a.O. S. 180). Aber auch gemeinsame Kinder werden durch eine derartige Vereinbarung in ihrem Erbrecht stark beeinträchtigt. Wohl besteht für sie die Aussicht, dereinst den überlebenden Ehegatten beerben zu können. Bis dies der Fall ist, kann es jedoch Jahre dauern, und das Vermögen kann sich in dieser Zeit vermindern. Zudem kann der Ehegatte über die freie Quote seines Vermögens letztwillig verfügen. Ferner kann er sich ein zweites Mal verheiraten und es können ihm weitere Kinder geboren werden, was die Erbanwartschaft der Kinder aus der ersten Ehe zusätzlich schmälert. Durch ehevertragliche Vereinbarungen über den Vorschlag kann somit das Pflichtteilsrecht
BGE 102 II 313 S. 327
illusorisch gemacht werden. Angesichts der hohen Bedeutung, die das Gesetz dem Pflichtteilsschutz beimisst, kann dies nicht zugelassen werden.
Freilich entspricht es einem legitimen Bedürfnis, den überlebenden Ehegatten sicherzustellen und ihm im Alter ein Absinken im Lebensstandard zu ersparen. Die Motive, welche die Eheleute zum Abschluss eines derartigen Ehevertrages veranlassen, können denn auch durchaus achtenswert sein. Die Sicherung des überlebenden Ehegatten darf jedoch nicht auf Kosten der Pflichtteilsrechte gehen. Das Gesetz geht davon aus, dass der überlebende Ehegatte durch seinen Anteil am Vorschlag, durch seinen Erbanspruch und durch allfällige Zuwendungen im Rahmen der verfügbaren Quote hinreichend gesichert ist. Es ist Sache des Gesetzgebers, hier Abhilfe zu schaffen, wenn er dies als erforderlich erachten sollte.
Aus all diesen Gründen ist die ehevertragliche Zuweisung des Vorschlages an den überlebenden Ehegatten in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung der Herabsetzung zu unterstellen. Dabei erscheint es jedoch als gerechtfertigt, den Pflichtteilschutz gegenüber derartigen güterrechtlichen Verfügungen auf die Nachkommen der Ehegatten zu beschränken. Weiter entfernten Pflichtteilserben ist zuzumuten, dass ihnen das, was die Ehegatten während der Ehe gemeinsam erarbeitet haben, entzogen wird. Auf Seiten der Ehefrau haben diese Erben ohnehin keinen Anspruch auf den Vorschlag (
Art. 214 Abs. 1 ZGB
). Sodann ginge es nicht an, bei Eheverträgen über die Vorschlagsteilung sämtlichen Pflichtteilsberechtigten die Herabsetzungsklage zuzubilligen, während gegenüber ehevertraglichen Vereinbarungen über die Teilung des Gesamtgutes unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft nach
Art. 226 Abs. 2 ZGB
ausdrücklich nur die Nachkommen geschützt sind. Bei krasser Beeinträchtigung der Rechte weiter entfernter Pflichtteilserben hilft weiterhin das Verbot des Rechtsmissbrauchs (vgl.
BGE 99 II 9
ff.).
6.
Wird die Zuweisung des Vorschlags an den überlebenden Ehegatten grundsätzlich als herabsetzbar erklärt, so ist die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird zu prüfen haben, ob die Pflichtteilsrechte der Klägerin verletzt sind. Zu diesem Zweck ist vorerst die Höhe des Vorschlags zu ermitteln. Dabei ist insbesondere abzuklären, ob die vom Erblasser
BGE 102 II 313 S. 328
während der Ehe auf die Beklagte 1 übertragene Liegenschaft Notkerstrasse 12 in St. Gallen bei der Vorschlagsberechnung mitzuberücksichtigen ist. Vom Vorschlag fällt ein Drittel von Gesetzes wegen der Beklagten 1 zu. Lediglich die restlichen zwei Drittel sind ihr unentgeltlich zugewendet worden. Nur dieser Teil ist daher für die Berechnung der verfügbaren Quote zum Nachlass hinzuzurechnen. Dazu kommen gegebenenfalls die von der Klägerin behaupteten herabsetzbaren Zuwendungen unter Lebenden. Der Pflichtteil der Klägerin beträgt unbestrittenermassen 9/32.
Wie die Vorinstanz dabei ihre Beweise zu ergänzen hat, regelt sich nach kantonalem Prozessrecht und der Vorschrift des
Art. 8 ZGB
. Hinsichtlich der künftigen Beweisabnahme hat das Bundesgericht der Vorinstanz keine Weisungen zu erteilen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsschrift ist deshalb nicht einzutreten. Sollte die Vorinstanz die für sie massgebenden Beweisregeln verletzen, könnte ihr neuer Entscheid mit den zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln angefochten werden.
7.
In Ziff. 6b des Ehe- und Erbvertrags verfügte der Erblasser im Sinne einer Teilungsvorschrift, dass seine Ehefrau verschiedene Liegenschaften zum Steuerwert, den von ihm eingebrachten Hausrat sowie die Teppichfirma Müller zu Alleineigentum übernehmen könne. Die Klägerin beantragt, das in dieser Teilungsvorschrift sinngemäss enthaltene Vorausvermächtnis sei der Herabsetzung, eventuell der Ausgleichung zu unterstellen. Die fragliche Teilungsanordnung ist indessen weitgehend gegenstandslos, so dass dadurch zum vorneherein keine Pflichtteilsrechte verletzt sein können. Sämtliche Liegenschaften hat der Erblasser schon zu seinen Lebzeiten veräussert. Auch das Teppichgeschäft war nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz beim Tod des Erblassers nicht mehr vorhanden. Was schliesslich den eingebrachten Hausrat anbetrifft, so bestreitet die Klägerin nicht, dass dieser einzig in einer "Stube" im Wert von Fr. 820.-- besteht. Diesen Betrag hat die Vorinstanz aber in ihrer Nachlassberechnung berücksichtigt.
8.
Die Klägerin verlangt ferner, es sei festzustellen, dass der Beklagte 2 für alle vom Erblasser zu dessen Lebzeiten erhaltenen Zuwendungen, insbesondere für eine solche im Werte von Fr. 15'000.--, ausgleichungspflichtig sei. Die Vorinstanz
BGE 102 II 313 S. 329
gelangte in ihrem Urteil jedoch zum Ergebnis, eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an den Beklagten 2 sei nicht bewiesen. Das ist eine Feststellung tatsächlicher Art, die das Bundesgericht bindet. Was die Klägerin dagegen einwendet, richtet sich gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren vor Bundesgericht nicht angefochten werden darf. Die Berufung erweist sich daher auch in diesem Punkt als unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen (I. Zivilkammer) vom 9. Juli 1975 aufgehoben; die Sache wird zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a2b65d33-3b6a-45f8-80f5-5938ce39cd05 | Urteilskopf
111 Ia 5
3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. März 1985 i.S. Sch. gegen Obergericht des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
,
Art. 152 OG
; unentgeltliche Rechtspflege.
Umittelbar aus
Art. 4 BV
abgeleiteter Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Verwaltungsverfahren (E. 2)? Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes vor einem Bezirksamt des Kantons Aargau verneint, da dessen Entscheid (betreffend den Entzug der elterlichen Gewalt) an das Obergericht weitergezogen werden kann, welches mit voller Prüfungsbefugnis entscheidet und vor welchem Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung besteht (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 6
BGE 111 Ia 5 S. 6
Der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde - einem Bezirksamt des Kantons Aargau - wurde der Antrag gestellt, der Beschwerdeführerin die elterliche Gewalt über ihre beiden Töchter zu entziehen, welche ihr in dem fünf Jahre früher entschiedenen Scheidungsprozess zugesprochen worden waren. Der für das Verfahren vor dem Bezirksamt beigezogene Fürsprecher stellte das Gesuch, er sei als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen, was die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde ablehnte.
Gegen deren Entscheid gelangte die Beschwerdeführerin an das Obergericht des Kantons Aargau mit dem Begehren, es sei ihr das volle Armenrecht zu gewähren und der von ihr gewählte Fürsprecher als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bezeichnen. Das Obergericht wies die Beschwerde ab.
Die gegen den Entscheid des Obergerichts gerichtete staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher eine Verletzung von
Art. 4 BV
gerügt wurde, hat das Bundesgericht abgewiesen mit den folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft bei auf
Art. 4 BV
gestützten staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verweigerung des Armenrechts, ob der bundesrechtliche Anspruch, wie er von der Rechtsprechung aus dem Rechtsgleichheitsgebot abgeleitet wird, verletzt ist. Diese Prüfung erfolgt, was Rechtsfragen anbetrifft, frei (
BGE 104 Ia 326
E. 2). Eine Verletzung kantonaler Bestimmungen über die unentgeltliche Rechtspflege wird in der vorliegenden Beschwerde nicht geltend gemacht und ist daher vom Bundesgericht nicht zu prüfen (vgl.
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
).
BGE 111 Ia 5 S. 7
2.
Das Obergericht des Kantons Aargau anerkennt im angefochtenen Entscheid, dass die Beschwerdeführerin mittellos sei und der von ihr verfochtene Rechtsstandpunkt nicht als offensichtlich aussichtslos bezeichnet werden könne. Diese Voraussetzungen verleihten der Beschwerdeführerin nach Massgabe von § 35 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (vom 9. Juli 1968; AGS Bd. 7, S. 199) wohl Anspruch auf Erlass der Verfahrenskosten, nicht jedoch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht unmittelbar aus
Art. 4 BV
.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat eine bedürftige Person in einem für sie nicht aussichtslosen Zivilprozess unmittelbar aufgrund von
Art. 4 BV
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und auf Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf (
BGE 110 Ia 27
mit Hinweisen). Entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung schliesst der Umstand, dass in einem Verfahren die Offizialmaxime gilt, die Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes nicht zum vornherein aus. Je nach der Schwierigkeit der sich im Prozess stellenden Fragen und den persönlichen Voraussetzungen der am Verfahren Beteiligten mag es sich trotz der Offizialmaxime rechtfertigen, einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen (
BGE 110 Ia 28
f.,
BGE 104 Ia 77
E. 3c). Hingegen trifft es zu, dass - wie im angefochtenen Entscheid und in den Gegenbemerkungen des Obergerichts hervorgehoben wird - in einem reinen Zweiparteienprozess, in welchem die eine Seite durch einen Anwalt vertreten ist, ein grösseres Bedürfnis besteht, der nicht vertretenen Partei unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit einen unentgeltlichen Rechtsbeistand beizugeben, als in einem Verfahren wie hier, wo die Beschwerdeführerin sich gegen den von der Behörde gestellten Antrag auf Entzug der elterlichen Gewalt zur Wehr setzt, jedoch nicht einer privaten Gegenpartei gegenübersteht. Doch auch in einem solchen von einer Behörde angehobenen Verfahren mag sich eine unvertretene Partei unter Umständen ebenso benachteiligt fühlen wie in einem eigentlichen Zweiparteienprozess.
Das Obergericht hat der Beschwerdeführerin einen unentgeltlichen Rechtsbeistand vor allem deshalb versagt, weil es sich bei dem vor dem Bezirksamt hängigen Verfahren nicht um einen Zivilprozess handle, sondern um ein vollständig von der Offizialmaxime beherrschtes Verwaltungsverfahren, für welches kein auf
Art. 4 BV
BGE 111 Ia 5 S. 8
gestützter Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung bestehe. In der Tat hat das Bundesgericht - anders als in Zivil-, Straf- und Sozialversicherungssachen - bis heute noch nie für das Verwaltungsverfahren einen aus
Art. 4 BV
abgeleiteten Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung anerkannt. Rechtsstaatliche Erwägungen, insbesondere die vorstehend gemachte Überlegung, dass selbst in einem Verfahren, wo der Betroffene sich nur einer Behörde und nicht auch einem privaten gegenübergestellt sieht, er sich ohne Vertretung durch einen Anwalt benachteiligt fühlen mag, lassen Zweifel an der Berechtigung dieser bundesgerichtlichen Zurückhaltung aufkommen (vgl. PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 51; BLAISE KNAPP, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Basel und Frankfurt am Main 1983, N. 403). Es stellt sich die Frage, ob nicht auch für das Verwaltungsverfahren ein unmittelbar aus
Art. 4 BV
abgeleiteter Anspruch sowohl auf unentgeltliche Rechtspflege als auch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes bejaht werden sollte. Indessen kann die Frage offenbleiben, da in dem hier zu beurteilenden Fall besondere Verhältnisse vorliegen, die zu einer befriedigenden Lösung führen.
3.
Der Bundesgesetzgeber hat die Ausgestaltung des Verfahrens zur Entziehung der elterlichen Gewalt ebenso wie das zur Anordnung der übrigen Kindesschutzmassnahmen einzuschlagende Verfahren weitgehend den Kantonen überlassen. Er hat jedoch bezüglich der gemäss
Art. 311 Abs. 1 ZGB
für die Entziehung der elterlichen Gewalt zuständigen Vormundschaftsbehörde in
Art. 314 Ziff. 1 ZGB
folgendes bestimmt:
"Ist die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde keine richterliche Behörde, so bleibt gegen die Entziehung der elterlichen Gewalt der Weiterzug an eine kantonale richterliche Behörde vorbehalten."
Gegen den Entscheid der obern kantonalen Gerichte ist die Berufung an das Bundesgericht zulässig (
Art. 44 lit. d und 48 Abs. 1 OG
). Da jedoch das Bundesgericht die Feststellung des Sachverhaltes nicht überprüft (
Art. 63 Abs. 2 OG
), wollte mit der Aufnahme des Vorbehaltes von
Art. 314 Ziff. 1 ZGB
dem Anspruch auf gerichtliche Beurteilung zivilrechtlicher Verhältnisse, welchen
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
gewährleistet, möglichst umfassend Rechnung getragen werden (Botschaft des Bundesrates an die
BGE 111 Ia 5 S. 9
Bundesversammlung über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesverhältnis), BBl 1974 II, S. 85).
Für das Berufungsverfahren vor Bundesgericht hat eine bedürftige Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, gemäss
Art. 152 OG
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; dieser Anspruch umfasst dort, wo es als notwendig erscheint, auch die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes. Der Rechtsschutz wäre indessen unvollkommen, wenn ein unentgeltlicher Rechtsbeistand erst für das Verfahren vor Bundesgericht gewährt würde und nicht schon vor der von
Art. 314 Ziff. 1 ZGB
vorgesehenen kantonalen richterlichen Behörde, welche den Sachverhalt für das Bundesgericht verbindlich feststellt. Aus der das kantonale Verfahren zur Entziehung der elterlichen Gewalt regelnden Vorschrift von
Art. 314 Ziff. 1 ZGB
und der Zuständigkeit des Bundesgerichts gemäss
Art. 44 lit. d OG
ergibt sich deshalb ein Anspruch des von der Kindesschutzmassnahme betroffenen Elternteiles auf Bewilligung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes vor der letzten kantonalen Instanz, sofern die Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege - Bedürftigkeit und nicht aussichtsloses Rechtsbegehren - erfüllt sind. Dieser Anspruch kann nicht davon abhängig sein, ob das kantonale Verfahren als Verwaltungsverfahren oder als Zivilprozess ausgestaltet ist; denn die Notwendigkeit einer Vertretung ergibt sich bereits im Hinblick auf die Weiterziehbarkeit des kantonalen Entscheides mittels Berufung an das Bundesgericht.
4.
Ist somit davon auszugehen, dass für das Verfahren zur Entziehung der elterlichen Gewalt vor der letzten kantonalen Instanz von Bundesrechts wegen die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes verlangt werden kann, sofern die Voraussetzungen hiefür gegeben sind, so stellt sich die Frage, ob derselbe Anspruch auch schon in einem früheren Stadium des kantonalen Verfahrens bestehe.
Nach aargauischem Recht entscheidet das Bezirksamt als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde erstinstanzlich über das von der Vormundschaftsbehörde gestellte Begehren um Entzug der elterlichen Gewalt gemäss
Art. 311 Abs. 1 ZGB
; der Entscheid des Bezirksamtes kann durch Beschwerde an das Obergericht weitergezogen werden (§ 55c Abs. 1 und 4 sowie § 59 Abs. 4 Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, AGS Bd. 1, S. 603). Für das Verfahren vor dem Bezirksamt gelten die Verfahrensregeln des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (§ 55c Abs. 2
BGE 111 Ia 5 S. 10
Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch), insbesondere dessen § 20, wonach die Behörden den Sachverhalt unter Beachtung der Vorbringen der Beteiligten von Amtes wegen prüfen und die hiezu notwendigen Ermittlungen anstellen. Mit anderen Worten gilt somit für das vom Bezirksamt durchzuführende Verfahren zur Entziehung der elterlichen Gewalt die uneingeschränkte Offizialmaxime. Derselbe Grundsatz gilt für das Verfahren vor Obergericht, an welches der Entscheid des Bezirksamtes weitergezogen werden kann.
Ein vor Bezirksamt unterlegener Elternteil kann daher vor Obergericht sämtliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens rügen und auch neue Tatsachen geltend machen sowie neue Beweise vorbringen. Da er nach dem oben (E. 3) Ausgeführten vor Obergericht Anspruch auf Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes hat, sofern er bedürftig und die Beschwerde nicht aussichtslos ist, besteht genügende Gewähr dafür, dass die Frage des Entzuges der elterlichen Gewalt in zweiter kantonaler Instanz umfassend geprüft wird und der Betroffene durch die unentgeltliche Verbeiständung gegen Benachteiligung bei der Entscheidfindung geschützt ist. Unter diesen Umständen ist es nicht unumgänglich, dass dem vom Entzug der elterlichen Gewalt bedrohten Elternteil schon im Verfahren vor dem Bezirksamt ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt wird. Ein bundesrechtlicher Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im Verfahren zur Entziehung der elterlichen Gewalt vor dem Bezirksamt lässt sich daher nicht begründen.
5.
Wenngleich die staatsrechtliche Beschwerde nach dem Gesagten abzuweisen ist, war das gestellte Rechtsbegehren keineswegs zum vornherein aussichtslos. Es hat im Gegenteil zur Klärung einer nicht leicht zu beantwortenden Frage beigetragen. Der Beschwerdeführerin ist deshalb für das Verfahren vor Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen, unter Bestellung des von ihr beigezogenen Fürsprechers zum unentgeltlichen Rechtsbeistand (
Art. 152 OG
). | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a2b78a47-7240-467a-a000-33481e46f6d9 | Urteilskopf
137 V 90
13. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG gegen G. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_238/2010 vom 7. April 2011 | Regeste
Art. 3 Abs. 2 UVG
; Unfall in der Nachdeckungsfrist.
Erleidet eine versicherte Person in der 30-tägigen Nachdeckungsfrist einen Unfall, so ist sie für dessen Folgen auch dann versichert, wenn sie vor dem Unfall bereits eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 91
BGE 137 V 90 S. 91
A.
Die 1948 geborene G. war bis 30. November 2002 bei der Stiftung H. als Krankenschwester/Therapeutin angestellt und damit bei der Alpina Versicherungen, Basel (heute: Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, Zürich [im Folgenden: Zürich]) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen obligatorisch versichert. Ab 1. Dezember 2002 arbeitete G. als selbstständigerwerbende Shiatsu-Therapeutin. Am 14. Dezember 2002 stürzte sie bei einem Spaziergang und zog sich eine Humeruskopffraktur am rechten Schultergelenk zu. Die Zürich erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld). Mit Verfügung vom 28. Januar 2008 und Einspracheentscheid vom 24. Februar 2009 stellte die Zürich unter Hinweis auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 265/03 vom 14. Februar 2005 fest, im Zeitpunkt des Unfalls vom 14. Dezember 2002 habe keine Versicherungsdeckung aus der obligatorischen Unfallversicherung bestanden, weshalb eine Leistungspflicht zu verneinen sei; auf eine Rückforderung der bisher erbrachten Leistungen werde verzichtet.
B.
In Gutheissung der gegen den Einspracheentscheid vom 24. Februar 2009 eingereichten Beschwerde verpflichtete das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 26. November 2009 die Zürich, für den Unfall vom 14. Dezember 2002 weiterhin Leistungen aus UVG zu erbringen.
C.
Mit Beschwerde beantragt die Zürich, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr leistungsablehnender Einspracheentscheid zu bestätigen und es sei festzustellen, dass das kantonale Gericht das rechtliche Gehör verletzt habe.
Während G. auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
D.
Mit prozessleitender Verfügung vom 7. Mai 2010 wies die Instruktionsrichterin das von der Zürich gestellte Gesuch, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ab.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Streitgegenstand bildet die Leistungspflicht der Zürich für die gesundheitlichen und erwerblichen Folgen des Unfalles vom 14. Dezember 2002.
BGE 137 V 90 S. 92
4.
4.1
Gemäss
Art. 1 Abs. 1 UVG
(SR 832.20; in der bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Fassung; vgl. heute:
Art. 1a Abs. 1 UVG
) sind die in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer obligatorisch nach diesem Gesetz versichert. In der Schweiz wohnhafte Selbstständigerwerbende und ihre nicht obligatorisch versicherten Familienmitglieder können sich freiwillig versichern (
Art. 4 Abs. 1 UVG
). Die Bestimmungen über die obligatorische Versicherung gelten sinngemäss für die freiwillige Versicherung (
Art. 5 Abs. 1 UVG
).
4.2
Die Versicherung beginnt an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer aufgrund der Anstellung die Arbeit antritt oder hätte antreten sollen, in jedem Fall aber im Zeitpunkt, da er sich auf den Weg zur Arbeit begibt (
Art. 3 Abs. 1 UVG
). Sie endet mit dem 30. Tag nach dem Tage, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (
Art. 3 Abs. 2 UVG
). Die Versicherung ruht, wenn der Versicherte der Militärversicherung oder einer ausländischen obligatorischen Versicherung untersteht (
Art. 3 Abs. 4 UVG
).
5.
5.1
Die Beschwerdegegnerin erlitt am 14. Dezember 2002, mithin weniger als 30 Tage nach dem Tage, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn der Stiftung H. aufgehört hatte, einen Unfall. Zu jenem Zeitpunkt ging die Beschwerdegegnerin einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach, ohne sich gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen freiwillig nach
Art. 4 Abs. 1 UVG
oder anderweitig auf Basis des privaten Rechts versichert zu haben. Eine solche Versicherung schloss sie erst auf den 1. Januar 2003 ab. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beschwerdegegnerin sei zum Zeitpunkt des Unfalles nicht mehr bei ihr versichert gewesen, da sie in der Zwischenzeit eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Für Selbstständigerwerbende ohne freiwillige Versicherung komme
Art. 3 Abs. 2 UVG
nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Zuge (vgl. auch Urteil U 265/03 vom 14. Februar 2005 E. 3.3.1).
5.2
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend. Anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen
BGE 137 V 90 S. 93
Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten Umständen anpasst oder ergänzt (
BGE 135 III 20
E. 4.4 S. 23;
BGE 132 V 159
E. 4.4.1 S. 164).
5.3
Die Nachdeckungsfrist von 30 Tagen wurde eingeführt, damit es bei kürzeren Arbeitsunterbrüchen - etwa bei einem Stellenwechsel - nicht länger zu unerwünschten Versicherungslücken kommt (Botschaft vom 9. Mai 1958 betreffend Änderung verschiedener Bestimmungen auf dem Gebiete der Unfallversicherung, BBl 1958 I 945, 950 Ziff. III. 2.a). Der Gesetzgeber war sich hiebei bewusst, dass eine obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherte Person, welche aus einem der SUVA unterstellten Betrieb austritt, in einen Betrieb eintreten konnte, welcher nach damaligem Recht dem Versicherungsobligatorium nicht unterstand, und dabei noch während eines vollen Monates für SUVA-Leistungen versichert war (Votum Weibel, Sten.Bull. 1959 N 492). Da diese Leistungen jedoch finanziell nicht sehr ins Gewicht fielen, folgten die Räte trotz diesen Bedenken dem Antrag des Bundesrates und der SUVA auf die Einführung der 30-tägigen Frist.
5.4
5.4.1
Beim Erlass von
Art. 3 Abs. 2 UVG
wollte der Gesetzgeber die damals geltende Regelung fortführen (Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung, BBl 1976 III 141, 185 Ziff. 401.1 zu Art. 3 E-UVG; WALTER SEILER, Der Entwurf zu einem neuen Unfallversicherungsgesetz, SZS 1977 S. 6 ff., 10). Dabei regelt
Art. 3 Abs. 2 UVG
nicht in erster Linie die Nachdeckungsfrist, sondern legt das Ende des Versicherungsschutzes fest. Gemäss seinem Wortlaut enthält dieser Absatz keine Einschränkung bezüglich Personen, welche in der 30-Tages-Frist eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Folgte man der Ansicht der Beschwerdeführerin und ginge man gestützt auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 265/03 vom 14. Februar 2005 E. 3.3.1 trotzdem davon aus, dieser Absatz sei auf Selbstständigerwerbende ohne freiwillige Versicherung nicht anwendbar, so stellte sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt bei dieser Personengruppe die Versicherung aus der zuvor ausgeübten unselbstständigen Erwerbstätigkeit endet. Dem Gesetz wäre - da ja der einzige Absatz, welche das Ende der Versicherung regelt, gerade nicht anwendbar wäre - keine Antwort zu entnehmen. Diese Lücke wäre - da auch kein diesbezügliches Gewohnheitsrecht feststellbar ist - vom Gericht nach
BGE 137 V 90 S. 94
derjenigen Regel zu füllen, die es als Gesetzgeber aufstellen würde (
Art. 1 Abs. 2 ZGB
).
5.4.2
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Versicherung des alten Arbeitgebers erlösche, sobald die versicherte Person eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehme; es sei alsdann an dieser, von sich aus für rechtzeitigen Versicherungsschutz zu sorgen. Insoweit die Zürich dies aus der rechtlichen Situation bei nahtloser Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit ableitet, ist ihrer Argumentation entgegenzuhalten, dass in solchen Fällen die Aufnahme der neuen Tätigkeit die Versicherung aufgrund des alten Arbeitsverhältnisses nicht beendet, sondern eine Doppelversicherung besteht (vgl. auch UELI KIESER, Unfallversicherung, in: Stellenwechsel und Entlassung, Geiser/Münch [Hrsg.], 1997, S. 389 ff. Rz. 14.5; a.M.: DANIEL GUIGNARD, Le début et la fin de l'assurance-accidents [LAA], 1997, S. 230 mit Hinweis auf die Wegleitung der Privatversicherer zur obligatorischen Unfallversicherung, 1985, S. 24 Rz. 4.21). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass regelmässig eine Leistungspflicht der neuen, und nicht der alten Versicherung besteht (vgl.
Art. 77 UVG
). So ist etwa die Rechtsprechung im Falle einer versicherten Person, welche sich noch während der Nachdeckungsfrist bei der Arbeitslosenversicherung anmeldete und damit erneut obligatorisch versichert war (vgl.
Art. 2 der Verordnung vom 24. Januar 1996 über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen [SR 837.171]
), von einer Doppelversicherung ausgegangen (
BGE 127 V 458
E. 2b/ee S. 461; ARV 1998 S. 185, C 219/96 E. 3c; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 846 Fn. 36; teilweise kritisch: AGNES LEU, Die Unfallversicherung für arbeitslose Personen, SZS 2008 S. 261 ff., 270; vgl. auch betreffend einer Anmeldung während einer Abredeversicherung: SVR 2004 UV Nr. 8 S. 24, U 286/02 E. 3). Abgesehen von dieser nicht stichhaltigen Analogie würde die Ansicht der Beschwerdeführerin für jene Fälle keine überzeugende Lösung bieten, in denen die versicherte Person ihre selbstständige Erwerbstätigkeit bereits (allenfalls nur teilweise) aufnimmt, während sie noch Anspruch auf mindestens den halben Lohn ihres alten Arbeitgebers hat.
5.4.3
Freilich liesse sich ein Teil dieser Probleme umgehen mit der Festlegung des Endes der Versicherung auf jenen Zeitpunkt, in dem die versicherte Person die selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, dies jedoch mit dem Vorbehalt, die Deckung ende frühestens in jenem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf mindestens den halben
BGE 137 V 90 S. 95
Lohn des alten Arbeitgebers aufhört. Nicht beantwortet wäre damit die Frage, wann eine selbstständige Erwerbstätigkeit als aufgenommen gilt. Der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit geht regelmässig eine Planungsphase voran; an diese schliesst sich mehr oder weniger deutlich abgrenzbar eine Anlaufphase an, in der oftmals kein oder nur ein geringes Entgelt erwirtschaftet wird. Es wäre nur schwer zu rechtfertigen, wenn die versicherte Person ihren Versicherungsschutz schon während den ersten Planungsarbeiten verlieren würde. Von einer Person, welche eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen will, kann zudem realistischerweise nicht erwartet werden, dass sie sich bereits vor den ersten Planungsarbeiten um eine freiwillige Unfallversicherung kümmert. Zudem wäre bereits das Einholen von Offerten verschiedener Unfallversicherungen als Planungsarbeit zu qualifizieren. Zwar könnte der massgebende Zeitpunkt auf den Übergang von der Planungs- zur Anlaufphase festgesetzt werden; indessen ist dieser Übergang oft fliessend und nicht völlig ermessensfrei zu bestimmen (vgl. ARV 2004 S. 199, C 160/02 E. 3.3). Zudem stellte sich die Frage, was zu gelten hätte, wenn eine versicherte Person, welche die selbstständige Erwerbstätigkeit bereits nebenberuflich ausübte, diese unter Aufgabe ihrer unselbstständigen Erwerbstätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit ausbaut.
5.5
Damit versicherte Personen nicht ohne ihr Wissen ihren Versicherungsschutz verlieren und sich gegebenenfalls rechtzeitig um einen alternativen Schutz bemühen können, ist es notwendig, dass das Ende der alten Versicherung einfach und ermessensfrei festgestellt werden kann. Dies wäre nach der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auslegung von
Art. 3 Abs. 2 UVG
nicht der Fall. Zudem war sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Nachdeckungsfrist bewusst, dass von ihr gegebenenfalls auch Personen profitieren können, für welche sie nicht explizit geschaffen wurde (vgl. E. 5.3 hievor). Diese Überlegungen führen dazu, der gegenteiligen Auslegung - welche dem Wortlaut der Norm entspricht - den Vorzug zu geben. Somit ist festzuhalten, dass in Anwendung von
Art. 3 Abs. 2 UVG
auch jene während der Nachdeckungsfrist verunfallten Personen für diesen Unfall noch obligatorisch versichert sind, welche bereits eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen haben (im Ergebnis wohl auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl. 1989, S. 148). Soweit aus dem Urteil U 265/03 vom 14. Februar 2005 E. 3.3.1 etwas Gegenteiliges abgeleitet werden kann, ist daran nicht festzuhalten. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a2b7faa3-f6c3-4d97-86ed-f8e5704d5136 | Urteilskopf
117 IV 40
11. Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1991 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 397 StGB
,
§ 449 Ziff. 3 StPO
/ZH; Revision.
Wird mit einem Revisionsbegehren eine Massnahme (hier: ambulante Behandlung bei gleichzeitigem Strafaufschub) anstelle einer unbedingten Freiheitsstrafe angestrebt, liegt eine Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten vor, wenn die neue Sanktion als die für die Besserung des Täters richtige betrachtet werden kann. | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 117 IV 40 S. 41
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X. am 2. Oktober 1989 wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und weiterer Straftaten zu 30 Monaten Gefängnis abzüglich 64 Tage Untersuchungshaft.
Am 2. März 1990 ersuchte X. um Wiederaufnahme des Verfahrens. Hinsichtlich Schuldspruch und Strafzumessung beanstandete sie das obergerichtliche Urteil nicht. Hingegen beantragte sie, nach bewilligter Revision sei eine ambulante Massnahme unter gleichzeitigem Strafaufschub anzuordnen. Das Revisionsgesuch stützte sich auf ein psychiatrisches Gutachten vom 26. Februar 1990.
Das Obergericht lehnte das Revisionsgesuch am 30. Mai 1990 ab. Es führte aus, der geltend gemachte Revisionsgrund sei nicht erheblich, da die Anordnung einer ambulanten Massnahme unter gleichzeitigem Strafaufschub nicht milder sei als der Vollzug der Freiheitsstrafe.
X. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichteten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Die Beschwerdeführerin macht insbesondere geltend, ob ein Urteil milder oder günstiger sei, könne nicht losgelöst von den Einschränkungen beantwortet werden, die es für die betroffene Person mit sich bringe. Dies ergebe sich auch aus dem Sinn der Revision als einem Rechtsmittel, das es dem Verurteilten ermöglichen solle, seine Situation aufgrund einer veränderten Sachlage zu verbessern. Wenn die Beschwerdeführerin ihre Behandlung erfolgreich abschliesse, was aufgrund der bisherigen Entwicklung anzunehmen sei, werde sie aller Wahrscheinlichkeit nach die Strafe von 30 Monaten nicht verbüssen müssen. Richtig sei zwar, dass das angestrebte Urteil für die Beschwerdeführerin dann nicht günstiger sei, wenn nach misslungener Behandlung nachträglich der Vollzug der Strafe von 30 Monaten Gefängnis angeordnet werde. Da aber aufgrund des rechtskräftigen Urteils ein 30monatiger Strafvollzug unabänderlich feststehe, sei ein Urteil mit zwei offenen Möglichkeiten, wovon die für die Beschwerdeführerin
BGE 117 IV 40 S. 42
günstige Möglichkeit wesentlich durch ihr eigenes Verhalten beeinflusst werden könne, hinsichtlich ihrer Rechtsstellung eindeutig das vorteilhaftere.
b) Demgegenüber führt die Vorinstanz aus, in objektiver Hinsicht könne keineswegs gesagt werden, die Anordnung einer ambulanten Behandlung unter Aufschub des Strafvollzugs sei für den Betroffenen ganz allgemein und in jedem Fall der günstigere oder mildere Entscheid als die Ausfällung einer (unbedingten) Strafe allein. In subjektiver Hinsicht allerdings dürften die meisten Verurteilten eine ambulante Massnahme unter Strafaufschub vorziehen; darauf könne es aber nicht ankommen. Die (Rechts-)Frage nach dem milderen Urteil sei anhand objektiver Kriterien zu beantworten. Als solche böten sich aber auch die objektiven Umstände in einem konkreten Fall nicht an, weil die künftige Entwicklung naturgemäss im ungewissen bleibe und somit rational zur Zeit des Urteils nicht beurteilt werden könne. Dass es bei der Frage nach dem milderen Urteil nicht auf den (objektiven oder gar subjektiven) Momentaneindruck im Zeitpunkt des Entscheides ankommen könne, ergebe sich auch aus der Tatsache, dass sich die Anordnung strafrechtlicher Massnahmen nach dem öffentlichen Interesse und nicht nach jenem des Verurteilten richte; sie sei keineswegs zugunsten des Verurteilten gedacht oder gar ein Ausfluss von ihm gewährter Milde.
2.
a) Gemäss
Art. 397 StGB
ist wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten zu gestatten. Inhaltlich stimmen
Art. 397 StGB
und
§ 449 Ziff. 3 StPO
/ZH überein (ZR 83 Nr. 81). Nach ständiger Praxis sind Tatsachen und Beweismittel erheblich, wenn sie geeignet sind, die der Verurteilung zugrundeliegenden Feststellungen so zu erschüttern, dass nach dem veränderten Sachverhalt ein milderes Urteil möglich ist (
BGE 109 IV 174
mit Hinweis).
Ob eine (stationäre oder ambulante) Behandlung im Vergleich zur Strafe ein milderes Urteil darstelle, wird in der Doktrin nicht erörtert.
BGE 76 IV 39
beschlägt das Verhältnis zwischen Freiheitsstrafe und der Versorgung nicht voll Zurechnungsfähiger gemäss (dem inzwischen aufgehobenen)
Art. 15 StGB
und damit eine hier nicht interessierende stationäre Massnahme.
BGE 101 IV 317
legt an die Voraussetzung des wesentlich milderen Urteils keinen strengen Massstab an; sie ist bereits gegeben, wenn aufgrund des veränderten Sachverhalts hinsichtlich einer von mehreren
BGE 117 IV 40 S. 43
strafbaren Handlungen, derentwegen der Täter verurteilt wurde, ein Freispruch möglich ist, unabhängig davon, ob dieser mildere Bestrafung nach sich zieht.
b) Die Vorinstanz führte aus, der zu einer ambulanten Massnahme Verurteilte könne keineswegs zum vornherein damit rechnen, dass die aufgeschobene Strafe später ganz oder teilweise nicht mehr vollzogen werde. Komme es zur vollständigen Strafvollstreckung, so werde er durch das Urteil im Ergebnis mehr belastet, als wenn bloss eine Strafe ohne Massnahme ausgefällt worden wäre. Aber auch bei nur teilweiser Vollstreckung sei keineswegs sicher, ob die durch den Massnahmevollzug bewirkten Freiheitsbeschränkungen sowie psychischen und materiellen Belastungen nicht schwerer wögen als der erlassene Anteil der Strafe. Deshalb könne auch nicht allgemein gesagt werden, die Anordnung einer ambulanten Behandlung unter Aufschub des Strafvollzugs sei der günstigere oder mildere Entscheid als die Ausfällung einer (unbedingten) Strafe allein.
Diese Schlussfolgerung ist nicht zwingend. Der Richter darf eine ambulante Massnahme unter gleichzeitigem Aufschub der Strafe nur anordnen, wenn die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung (
BGE 105 IV 87
ff.) oder eine erfolgreiche Weiterführung derselben (
BGE 115 IV 89
) wirklich vorhanden ist. Zudem wird er von einem nachträglichen Strafvollzug absehen, wenn dadurch der erzielte Behandlungserfolg in Frage gestellt würde. Unter diesen Umständen ist wohl eher anzunehmen, dass auf den nachträglichen Strafvollzug im allgemeinen verzichtet wird und somit entgegen der Ansicht der Vorinstanz die Anordnung einer ambulanten Massnahme unter gleichzeitigem Strafaufschub den milderen Entscheid darstellt als das Ausfällen einer unbedingten Strafe. Dies kann jedoch offenbleiben.
Die Beantwortung der Frage, ob eine Massnahme im Verhältnis zu einer Strafe milder sei, führt wegen der verschiedenartigen Auswirkungen der Sanktionen auf den Betroffenen und insbesondere wegen dessen unsicherer künftiger Entwicklung zu kaum lösbaren Schwierigkeiten. Deshalb ist - ähnlich wie bei der Anwendung der lex mitior bei Massnahmen, wo nicht die mildere, sondern die zweckmässigere zum Zug kommt (
BGE 97 I 923
) - im Hinblick auf die Besserung des Täters die richtige Sanktion zu wählen. Diese Lösung liegt zugleich im Interesse des Staates und des Verurteilten und erfüllt damit auch die Voraussetzung des
Art. 397 StGB
, wonach die Wiederaufnahme zugunsten des
BGE 117 IV 40 S. 44
Verurteilten bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu gestatten ist.
Die Vorinstanz wies das Revisionsgesuch der Beschwerdeführerin mit der hypothetischen Begründung ab, der zu einer ambulanten Massnahme Verurteilte könne keineswegs damit rechnen, dass die aufgeschobene Strafe später ganz oder teilweise nicht mehr vollzogen werde, weshalb die angestrebte Anordnung einer ambulanten Behandlung unter Strafaufschub keinen Entscheid zu ihren Gunsten im Sinne von
Art. 397 StGB
und auch keine mildere Bestrafung im Sinne von
§ 449 Ziff. 3 StPO
/ZH darstelle. Damit verletzte sie aber Bundesrecht, weil sie nicht beurteilte, ob im konkreten Fall der Beschwerdeführerin der Strafvollzug oder eine ambulante Massnahme unter gleichzeitigem Strafaufschub die sachgerechte Sanktion sei.
c) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach gutzuheissen, der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird zu entscheiden haben, ob der Vollzug der Strafe oder die Anordnung einer ambulanten Massnahme unter gleichzeitigem Strafaufschub im Hinblick auf die Besserung der Beschwerdeführerin die richtige Sanktion sei; im letzteren Fall wird sie die weiteren Voraussetzungen einer Revision gemäss
§ 449 Ziff. 3 StPO
/ZH und 397 StGB zu prüfen haben. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2b813ab-d6d7-40dc-b22d-d54409276434 | Urteilskopf
119 IV 107
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. März 1993 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
,
Art. 84 OG
,
Art. 269 BStP
; Verletzung des Beschleunigungsgebots im Strafverfahren; staatsrechtliche Beschwerde oder Nichtigkeitsbeschwerde?
Die Frage, ob das Beschleunigungsgebot verletzt wurde, betrifft eine mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügende unmittelbare Verletzung der Bundesverfassung bzw. der EMRK. Die Frage, welche Folgen eine Verletzung des Beschleunigungsgebots für die Auslegung und Anwendung eidgenössischen Strafrechts hat, betrifft demgegenüber die verfassungs- bzw. konventionskonforme Auslegung und Anwendung von Bundesrecht und ist mit Nichtigkeitsbeschwerde aufzuwerfen. | Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 119 IV 107 S. 108
Das Bezirksgericht Zofingen sprach S. am 19. Januar 1989 des Rechtsüberholens auf der Autobahn und der Behinderung des Verkehrs gemäss Art. 35 Abs. 1 bis 3,
Art. 44 Abs. 1 SVG
und
Art. 36 Abs. 5 VRV
sowie des Einhaltens eines ungenügenden Abstandes gemäss
Art. 34 Abs. 3 und 4 SVG
schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
zu einer Busse von Fr. 350.--. Das Obergericht des Kantons Aargau wies eine gegen dieses Urteil eingereichte Berufung am 20. April 1989 ab.
Eine dagegen geführte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Entscheid vom 15. November 1989 gut, hob das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. April 1989 auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach S. am 11. Januar 1990 wiederum der groben Verletzung von Verkehrsregeln unter Anwendung anderer Bestimmungen des SVG schuldig und bestätigte die in seinem ersten Urteil ausgesprochene Busse. Gegen diesen und den nachfolgenden gleichlautenden Entscheid des Obergerichts vom 6. Dezember 1990 erhob S. zwei staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, welche das Bundesgericht mit Urteilen vom 29. Juni 1990 und 22. Oktober 1991 guthiess.
BGE 119 IV 107 S. 109
Mit Urteil vom 19. August 1992 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau S. der groben Widerhandlung gegen das SVG begangen durch Rechtsüberholen auf der Autobahn und Behinderung des Verkehrs gemäss Art. 35 Abs. 1 bis 3 SVG und des Fahrens mit ungenügendem Abstand gemäss
Art. 34 Abs. 4 SVG
schuldig und bestätigte die Busse von Fr. 350.--. Von der Verletzung von Art. 34 Abs. 3 und 44 Abs. 1 SVG sowie
Art. 36 Abs. 5 VRV
sprach es ihn frei.
Gegen dieses Urteil führt S. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen, die Staatsanwaltschaft auf Vernehmlassung verzichtet. Eine in derselben Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wies der Kassationshof ab.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. Er macht geltend, eine blosse Reduktion der Busse oder auch ein gänzlicher Verzicht auf Bestrafung würde in seinem Fall der Verletzung des Beschleunigungsgebots ganz offensichtlich zu wenig Rechnung tragen. Als angemessene Sanktion komme daher nur die Einstellung des Verfahrens in Frage. Die Vorinstanz habe daher Bundesrecht (Art. 35 Abs. 1 - 3,
Art. 34 Abs. 4 und
Art. 90 Ziff. 2 SVG
oder
Art. 63 StGB
) verletzt, indem sie das Strafverfahren nicht eingestellt habe.
a) Die Rüge der unmittelbaren Verletzung der EMRK oder der Bundesverfassung ist mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen. Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde können lediglich Rügen einer mittelbaren Verletzung der Bundesverfassung oder der EMRK, d.h. einer nicht verfassungs- bzw. nicht konventionskonformen Auslegung und Anwendung von Bundesrecht, erhoben werden (
BGE 116 IV 388
E. 1,
BGE 114 Ia 377
,
BGE 114 IV 26
E. 4, je mit Hinweisen).
b) Die Frage, ob das Rechtsverzögerungsverbot oder Beschleunigungsgebot gemäss
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verletzt
BGE 119 IV 107 S. 110
wurde, betrifft die unmittelbare Verletzung der Bundesverfassung bzw. der EMRK. Die entsprechenden Rügen sind daher mit der staatsrechtlichen Beschwerde vorzubringen.
Demgegenüber betrifft die Frage, welche Folgen eine Verletzung des Beschleunigungsgebots für die Auslegung und Anwendung eidgenössischen Strafrechts hat, die mittelbare Verletzung von
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. Wird eine derartige Verletzung festgestellt und der Verfahrensverzögerung im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen oder dadurch, dass der Täter zwar schuldig gesprochen, aber von Strafe Umgang genommen oder das Verfahren gar eingestellt wird (vgl.
BGE 117 IV 129
E. d), handelt es sich um eine verfassungs- und EMRK-konforme Auslegung und Anwendung des in Frage stehenden Bundesstrafrechts. Die Frage, ob eine kantonale Instanz eine bundesrechtliche Strafbestimmung zu Recht nicht angewendet hat, weil die Verurteilung mit der EMRK nicht zu vereinbaren wäre, kann daher mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfen werden (
BGE 117 IV 125
,
BGE 114 IV 119
E. bb). Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, das Bundesrecht sei nicht verfassungs- bzw. konventionsgemäss ausgelegt und angewendet worden.
c) Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz habe eine Verletzung des Beschleunigungsgebots gemäss
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu Unrecht verneint, ist danach auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten.
Zu prüfen ist indes, ob die Verfahrensdauer von viereinhalb Jahren besondere Sanktionen nach sich ziehen muss (vgl. dazu
BGE 117 IV 129
). Dies ist für den zu beurteilenden Fall zu verneinen. Zwar erscheint die Verfahrensdauer für eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln, die keine besonderen Beweiserhebungen wie Expertisen erforderte und eine Busse von Fr. 350.-- zur Folge hatte, als überdurchschnittlich lang. Es ist jedoch zu beachten, dass sie für den Beschwerdeführer zu keiner besonderen Belastung geführt hat. Insbesondere ist er keinen Beschränkungen infolge strafprozessualer Massnahmen zur Sicherung des Verfahrens unterworfen worden und hat keine Beeinträchtigung des sozialen Ansehens oder wirtschaftliche Nachteile erlitten. Im übrigen stand auch kein gravierender Schuldvorwurf in Frage, der eine besondere Belastung hätte herbeiführen können. Die Ungewissheit, ob er wegen einer Verkehrsregelverletzung zu einer nicht hohen Busse verurteilt werden würde, wog nicht schwer. In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand zu würdigen, dass der Beschwerdeführer sämtliche
BGE 119 IV 107 S. 111
Beschwerdemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Zwar hat ihm die Vorinstanz daraus zu Recht keinen Vorwurf gemacht, zumal er mit seinen Rechtsmitteln jeweils im wesentlichen durchdrang. Dennoch kann nicht völlig ausser acht gelassen werden, dass dieses Vorgehen geeignet war, das Verfahren zu verlängern (Entscheid der EMRK vom 1. Juli 1992 i.S. Schertenleib, VPB 1992 Nr. 54; HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, S. 163).
Deshalb hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die lange Verfahrensdauer nicht strafmildernd berücksichtigt oder ihr auf andere Weise Rechnung getragen hat. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2b970d8-5c94-4316-afc7-0fa043eacef8 | Urteilskopf
101 II 17
6. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Januar 1975 i.S. A. gegen G. | Regeste
Art. 320 ZGB
Verträge über Unterhaltsbeiträge an das aussereheliche Kind können ohne entsprechenden Vorbehalt gerichtlich nicht abgeändert werden. | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 101 II 17 S. 17
Aus dem Tatbestand:
A.-
Am 9. November 1966 erhob A. beim Bezirksgericht Zürich gegen G. eine Vaterschaftsklage auf Vermögensleistungen. Als der Beklagte durch ein Blutgruppengutachten, ergänzt durch eine serostatistische Wahrscheinlichkeitsberechnung, als Vater des Klägers nicht ausgeschlossen werden konnte, schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich der Beklagte zu folgenden monatlichen Unterhaltsbeiträgen ohne Kinderzulagen verpflichtete:
a) von der Geburt bis zum zurückgelegten 6. Altersjahr des Klägers je Fr. 180,
b) dann bis zum zurückgelegten 12. Altersjahr je Fr. 200,
c) dann bis zur vollen Erwerbstätigkeit des Klägers, mindestens aber bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr, längstens bis zu seinem zurückgelegten 20. Altersjahr je Fr. 250.
BGE 101 II 17 S. 18
Mit Beschluss vom 8. Dezember 1967 schrieb das Bezirksgericht Zürich den Prozess als durch Vergleich erledigt ab.
B.-
Mit Eingabe vom 3. Mai 1974 verlangte der Kläger die Abänderung der Unterhaltsbeiträge gemäss
Art. 320 ZGB
, und zwar von zur Zeit Fr. 200.-- auf Fr. 530.-- monatlich; zudem beantragte er eine Indexierung der Beiträge. Das Bezirksgericht Zürich hiess die Abänderungsklage am 19. Juni 1974 teilweise gut, erhöhte die Unterhaltsbeiträge und band diese überdies an den Lebenskostenindex.
Mit Beschluss vom 16. September 1974 hiess das Obergericht des Kantons Zürich einen Rekurs des Beklagten gegen diesen Entscheid gut und wies die Klage ab.
C.-
Hiegegen legte der Kläger Berufung beim Bundesgericht ein, mit der er die Erhöhung sowie die Indexierung der Unterhaltsbeiträge verlangt.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Obergericht hat sich bei seinem Entscheid an die herrschende Lehre gehalten, wonach Unterhaltsbeiträge, die auf Vertrag beruhen, nicht unter
Art. 320 ZGB
fallen und daher vom Richter nicht abgeändert werden können, sofern nicht ein entsprechender Vorbehalt gemacht wurde ( HEGNAUER, N. 9-11 zu
Art. 320 ZGB
, mit weiteren Hinweisen). Der Kläger verlangt eine Neuüberprüfung dieser Praxis.
a) Nach der deutschen Fassung von
Art. 320 ZGB
kann der Unterhaltsbeitrag an das aussereheliche Kind bei erheblicher Änderung der Verhältnisse auf Begehren des Klägers oder des Beklagten neu bestimmt werden. Dies liesse an sich auch die Abänderung von vertraglich festgesetzten Unterhaltsbeiträgen zu. Der französische Gesetzestext ist dagegen eindeutig ("Les décisions concernant le montant de la pension alimentaire peuvent être revisées..."); er erfasst nur die Entscheidungen über die Unterhaltsbeiträge, nicht dagegen die Verträge. Dass dies der Wille des Gesetzgebers war, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Ein Antrag, der den Richter ermächtigen wollte, unter den gleichen Voraussetzungen auch Unterhaltsverträge abzuändern, wurde nämlich im Ständerat ausdrücklich abgelehnt (Sten.Bull. 1905 S. 1215 ff.). Zwar wurde im Nationalrat nicht über einen entsprechenden
BGE 101 II 17 S. 19
Antrag abgestimmt. Dies ändert jedoch entgegen der Ansicht des Klägers nichts am klaren Auslegungsergebnis.
b) Dass vertraglich festgesetzte Unterhaltsbeiträge anders behandelt werden als richterlich zugesprochene, ist sachlich gerechtfertigt. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, ist der Unterhaltsanspruch des ausserehelichen Kindes schuldrechtlicher Natur (
BGE 78 II 322
) und damit rechtsgeschäftlicher Regelung zugänglich (HEGNAUER, N. 82 zu
Art. 319 ZGB
). Die Parteien können frei darüber verfügen. Schliessen sie einen Unterhaltsvertrag ab, so hat die Beitragspflicht des präsumtiven Vaters ihren Rechtsgrund einzig im Parteiwillen, der auch die Höhe der Beiträge bestimmt. Der Richter ist nicht befugt, in einen solchen Vertrag einzugreifen und vertragliche Pflichten festzusetzen, die die Parteien ursprünglich nicht gewollt haben. Da die Vertragspflichten einzig auf dem gemeinsamen Willen der Parteien beruhen, wäre auch nicht zu ersehen, nach welchen Gesichtspunkten er die Abänderung des Vertrages vorzunehmen hätte. Ein Eingriff des Richters in den Vertrag kommt nur in Ausnahmefällen in Frage, nämlich dann, wenn durch nachträgliche nicht voraussehbare Umstände ein derart offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eingetreten ist, dass das Beharren einer Partei auf ihrem Anspruch als missbräuchlich erscheint (
BGE 97 II 398
mit Hinweisen; vgl. dazu Erw. 2).
Aus
Art. 153 ZGB
lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Wohl ist nach dieser Bestimmung eine scheidungsrechtliche Rente auch dann herabsetzbar, wenn sie auf Vereinbarung beruht. Abgesehen davon, dass
Art. 153 ZGB
im Gegensatz zu
Art. 320 ZGB
die Möglichkeit der Abänderung der Beiträge ausdrücklich vorsieht, unterscheidet sich indessen die Scheidungskonvention wesentlich vom Unterhaltsvertrag indem sie nämlich mit der richterlichen Genehmigung ihren vertraglichen Charakter verliert und Bestandteil des Urteils wird, an dessen Rechtskraft sie teilhat (
BGE 60 II 82
, 170). Eine scheidungsrechtliche Rente hat somit ihren Rechtsgrund im Scheidungsurteil und nicht im Parteiwillen, auch wenn sie in einer Scheidungskonvention vereinbart worden ist.
c) Dazu kommt, dass es sich bei der von den Parteien abgeschlossenen Vereinbarung um einen Vergleich handelt. Die Vaterschaft des Beklagten konnte durch die Gutachten weder ausgeschlossen noch bewiesen werden. Wie der Prozess ausgegangen
BGE 101 II 17 S. 20
wäre, stand nicht fest. Um die daraus entstehende Ungewissheit zu beseitigen, machten beide Parteien gegenseitige Zugeständnisse, deren Ausmass durch die unterschiedliche Einschätzung des Prozessrisikos bedingt war. Der Beklagte verzichtete darauf, die Klage in vollem Umfange zu bestreiten, während der Kläger die eingeklagten Leistungen teilweise reduzierte. Der Vorteil des Vergleichs bestand für den Beklagten umgekehrt darin, dass seine Vaterschaft nicht festgestellt und der Prozess erledigt wurde; anderseits musste der Kläger nicht mehr befürchten, dass seine Klage abgewiesen würde (nach den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil betrug die Ausschlusschance für den Beklagten gemäss dem serostatistischen Gutachten lediglich 85%, so dass dieser die Einholung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens hätte verlangen dürfen, um seine Nichtvaterschaft zu beweisen;
BGE 98 II 262
ff.,
BGE 97 II 193
ff.). Bei dieser Sachlage kann der Richter die Vereinbarung erst recht nicht abändern. Die Parteien mussten sich beim Abschluss des Vergleichs bewusst sein, dass sich die finanziellen Verhältnisse des Beklagten verändern könnten. Auch das Risiko der fortschreitenden Geldentwertung konnte ihnen nicht unbekannt sein, betrug doch die Teuerungsrate nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil schon damals 4%. Wenn sie unter diesen Umständen keinen Abänderungsvorbehalt anbrachten und auch keine Indexklausel vorsahen, so bildet dies das Ergebnis ihrer Vergleichsverhandlungen, das der Kläger, der aus dem Vergleich seinerseits Vorteile gezogen hat, nicht einseitig in Frage stellen kann. Der Ansicht von HEGNAUER (ZSR 1965 II 170 N. 12), wonach beim Unterhaltsvergleich die Abänderbarkeit zu vermuten sei und ausdrücklich wegbedungen werden müsse, wenn sie nicht gewollt sei, kann nicht gefolgt werden. Gerade weil die Parteien die Höhe der Unterhaltsbeiträge in einem Vergleich, also in gegenseitigem Nachgeben, genau festgesetzt haben, geht es nicht an, ihnen zu unterstellen, sie hätten andere Pflichten begründen wollen als diejenigen, die in der Vereinbarung zum Ausdruck kommen.
Dass die Parteien ihre Vereinbarung vor dem Richter getroffen haben, ändert nichts. Der gerichtliche Vergleich unterscheidet sich vom aussergerichtlichen nur hinsichtlich der Vollstreckbarkeit sowie allenfalls in bezug auf die Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln.
BGE 101 II 17 S. 21
Somit besteht kein Anlass, von der bisherigen Praxis abzuweichen und die Änderung von Unterhaltsverträgen zuzulassen.
2.
Zu Recht hat die Vorinstanz auch die Voraussetzungen für einen Eingriff des Richters in den Vertrag auf Grund der clausula rebus sic stantibus als nicht erfüllt betrachtet. Wohl ist nach ihren Feststellungen der Lebenskostenindex seit 1967 um 44% gestiegen. Da die Teuerungsrate jedoch schon damals 4% betrug, war die seither eingetretene Geldentwertung, wie übrigens auch die Verbesserung der finanziellen Lage des Beklagten, durchaus voraussehbar. Unter diesen Umständen ist eine Berufung auf die clausula rebus sic stantibus zum vornherein ausgeschlossen (
BGE 69 II 144
,
BGE 59 II 374
/375).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 16. September 1974 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a2bab49f-be51-455c-bcb3-8e0bc24fabb9 | Urteilskopf
98 V 163
41. Extrait de l'arrêt du 2 août 1972 dans la cause Eggli contre Caisse cantonale vaudoise d'assurance infantile, assurance-maladie et accidents et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 97 und 128 OG
.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfügung auf dem Gebiete der vom Kanton obligatorisch erklärten Krankenversicherung (
Art. 2 KUVG
) ist insoweit zulässig, als diese Verfügung sich auf Bundesrecht stützt oder hätte stützen sollen. | Erwägungen
ab Seite 163
BGE 98 V 163 S. 163
Extrait des considérants:
Aux termes de l'art. 128 OJ, le Tribunal fédéral des assurances connaît en dernière instance des recours de droit administratif contre des décisions au sens des art. 97 et 98 lit. b à h, en matière d'assurances sociales. Le renvoi de l'art. 97 OJ à l'art. 5 LPA signifie en sus que ces décisions doivent être fondées sur le droit public fédéral. Un recours contestant l'affiliation à une caisse publique d'assurance-maladie, dans un régime d'assurance obligatoire institué par une loi cantonale dans le cadre de l'art. 2 LAMA, est-il ainsi recevable?
Toute décision rendue en application d'une loi cantonale relative à l'assurance-maladie obligatoire édictée conformément à l'art. 2 LAMA l'est "en matière d'assurances sociales". Une telle décision est-elle en revanche fondée sur le droit fédéral?
Les dispositions prises par les cantons dans le cadre de l'art. 2 al. 1er lit. a LAMA sont de pur droit cantonal; que ces dispositions soient soumises à l'approbation du Conseil fédéral, selon l'art. 2 al. 3 LAMA ne modifie pas leur nature (voir ainsi
BGE 98 V 163 S. 164
GRISEL, Droit administratif suisse, p. 480 lit. a in fine). Le recours de droit administratif qui contesterait l'application faite de la loi cantonale dans le cas d'espèce, c'est-à-dire l'interprétation du droit cantonalpris en lui-même, serait donc irrecevable.
Suivant la jurisprudence du Tribunal fédéral, le recours de droit administratif dirigé contre une décision qui se fonde à tort sur le droit cantonal au lieu du droit fédéral est recevable. Logiquement, il ne peut qu'en aller de même lorsque le juge de première instance a appliqué à tort le seul droit cantonal au lieu de tenir compte aussi du droit fédéral, notamment lorsque l'application de règles cantonales est susceptible de violer des prescriptions du droit des assurances sociales (v. RO 96 I 686, 758 et la jurisprudence citée; v. aussi RO 88 I 181).
En l'espèce, l'art. 2 al. 1er LAMA délègue aux cantons la compétence de déclarer obligatoire l'assurance en cas de maladie, en général ou pour certaines catégories de personnes; les cantons peuvent créer des caisses publiques, en tenant compte cependant des caisses de secours existantes; ils peuvent obliger les employeurs à veiller au paiement des contributions de leurs employés obligatoirement assurés à des caisses publiques, sans toutefois astreindre les employeurs eux-mêmes à des contributions. La délégation de compétence susmentionnée est ainsi assortie de certaines prescriptions. S'agissant d'un litige relevant d'un domaine touché par ces prescriptions (affiliation à une caisse publique), il est nécessaire d'entrer en matière sur le recours afin de vérifier, matériellement, si le droit fédéral a été violé ou non en l'occurrence (v. RO 92 I 66).
Au demeurant, les statuts des caisses-maladie doivent être conformes aux dispositions de la LAMA (art. 1er al. 2, art. 4 LAMA) et il faut que cette question puisse être examinée par le Tribunal fédéral des assurances.
Il y a donc lieu d'entrer en matière sur le recours de droit administratif. | null | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a2bdaa29-123b-4c49-b173-aa5ee66d5872 | Urteilskopf
125 V 437
72. Auszug aus dem Urteil vom 20. Dezember 1999 i.S. F. gegen Öffentliche Krankenkasse Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 25 Abs. 2 lit. a,
Art. 35 Abs. 2,
Art. 41 Abs. 4 KVG
: Mit dem Abschluss einer HMO-Versicherung schränkt die versicherte Person auch ihre Wahlfreiheit in Bezug auf Chiropraktorinnen und Chiropraktoren ein. | Sachverhalt
ab Seite 437
BGE 125 V 437 S. 437
A.-
F. ist Mitglied bei der Öffentlichen Krankenkasse Luzern (ÖKK; nachfolgend Krankenkasse), bei welcher sie eine HMO-Versicherung abgeschlossen hat. Vom 2. April bis 14. Mai 1996 war sie bei Dr. med. S.,
BGE 125 V 437 S. 438
Chiropraktor, in Behandlung. Mit Verfügung vom 9. August 1996 lehnte die Krankenkasse die Bezahlung der Behandlungskosten in Höhe von Fr. 314.60 ab, da die Behandlung nicht von den HMO-Ärzten veranlasst wurde, noch eine entsprechende Überweisung vorliege. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 25. September 1996 fest.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 18. November 1997 ab.
C.-
F. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die vollen Chiropraktor-Behandlungskosten in Höhe von Fr. 314.60 zu ersetzen.
Krankenkasse und Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. (...).
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a)
Art. 41 Abs. 1 KVG
enthält das Recht der Versicherten auf freie Wahl des Leistungserbringers. Dieses Wahlrecht können die Versicherten laut
Art. 41 Abs. 4 KVG
im Einvernehmen mit dem Versicherer auf Leistungserbringer beschränken, die der Versicherer im Hinblick auf eine kostengünstigere Versorgung auswählt (
Art. 62 Abs. 1 und 3 KVG
). In einem solchen Fall muss der Versicherer lediglich die Kosten für Leistungen übernehmen, die von diesen Leistungserbringern ausgeführt oder veranlasst werden (
Art. 41 Abs. 4 Satz 2 KVG
). Mit
Art. 41 Abs. 4 KVG
besteht damit eine gesetzliche Grundlage, auf freiwilliger Basis Gesundheitskassen (Health Maintenance Organisations; HMO) einzuführen.
Umstritten ist zwischen den Parteien, ob eine Einschränkung des Wahlrechts lediglich innerhalb der Gruppe des gleichen Leistungserbringers gilt oder sich auf alle Leistungserbringer erstreckt. In der bundesrätlichen Botschaft wird zur Möglichkeit der freiwilligen Einschränkung des Wahlrechtes ausgeführt, der Gesetzgeber verzichte darauf, dass sich im Normalfall jeder Versicherte, der Versicherungsleistungen beanspruchen wolle, zunächst an den für ihn zuständigen Allgemeinpraktiker zu wenden habe. Dieser würde ihn, soweit möglich, selber betreuen und bei Bedarf einem Spezialisten, einer geeigneten Institution oder einem paramedizinischen Berufsspezialisten zuweisen. Dies sei im Grunde nichts anderes als das System des früheren Haus- oder Familienarztes. Ein solches System des zuweisenden Allgemeinpraktikers,
BGE 125 V 437 S. 439
wie es andere Länder kennen, müsse nicht unbedingt zwingend im Gesetz vorgeschrieben werden. Die Praxis könne es vielmehr dort, wo es gewünscht und frei gewählt werde, von sich aus schaffen, insbesondere auch im System der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Es sei hier insbesondere an die möglichen alternativen Versicherungsformen, wie z.B. die Gesundheitskassen, die sog. Health Maintenance Organisations (HMO) zu erinnern, die gerade auch unter diesem Gesichtspunkt von den Versicherten, den Versicherern und den Leistungserbringern als echte Alternative gewählt und zu nutzbringender Wirkung gebracht werden könnten (Botschaft des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 164). Des Weitern wird in der Botschaft (a.a.O., S. 128) Folgendes ausgeführt:
"Die Gesundheitskasse übernimmt eine längerfristige Verantwortung für die Versicherten. Das Angebot umfasst deshalb in der Regel nicht nur die Behandlung im Krankheitsfall, sondern auch Präventions- und Gesundheitsförderungsmassnahmen, z.B. die Beratung durch eine Gesundheitsschwester. Der Versicherte muss Gesundheitsleistungen - soweit vorhanden - bei den für die Gesundheitskasse tätigen Leistungserbringern nachfragen. Für Behandlungen, die die Gesundheitskasse nicht selbst durchführen kann, wird der Versicherte an externe Leistungserbringer verwiesen. Der Einschränkung der freien Wahl des Leistungserbringers steht eine reduzierte Prämie und die Möglichkeit des Wegfalls der obligatorischen Kostenbeteiligung gegenüber (...). Die Gesundheitskasse kann kostengünstiger arbeiten, weil sie einerseits Wert auf die Erhaltung der Gesundheit legt und anderseits Einfluss auf den gesamten Behandlungsprozess - besonders auch die Überweisung an Spezialisten oder ein Spital - nehmen kann. Schliesslich können auch im Rahmen der ansonst grundsätzlich unveränderten Pflegeversicherung denjenigen Versicherten Prämienermässigungen gewährt werden, die eine höhere Kostenbeteiligung wählen (z.B. die wählbare Jahresfranchise) oder während einer bestimmten Zeit keine Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen (System mit Prämienbonus ...)."
Sinn und Zweck solcher Gesundheitskassen liegt somit darin, dass die einer HMO angeschlossenen Versicherten sich bereit erklären, alle Behandlungen und Untersuchungen durch das bezeichnete HMO-Gesundheitszentrum durchführen oder sich von einem solchen an Dritte überweisen zu lassen. Ausgenommen sind Notfälle, bei welchen die Inanspruchnahme der HMO nicht möglich oder angemessen ist (EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 355; SCHNEIDER/RAETZO, Primes et qualité des soins: les organisations de maintien de la santé [ODMS] et la LAMal, in:
BGE 125 V 437 S. 440
SZS 1999 S. 284). Diesem Konzept würde es widersprechen, wenn sich die Überweisung an andere Leistungserbringer durch einen HMO-Arzt auf die gleiche Kategorie von Leistungserbringern beschränken würde. Vielmehr ist mit dem HMO-System verbunden, dass der Versicherte, bevor er sich durch andere Leistungserbringer behandeln lässt, das HMO-Gesundheitszentrum aufsucht. Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung gilt diese Pflicht zur Inanspruchnahme der HMO integral und erstreckt sich auf alle Leistungserbringer. Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass das HMO-Modell lediglich bei den Ärzten, nicht hingegen bei den andern Leistungserbringern, wie beispielsweise bei den Spitälern (
Art. 35 Abs. 2 lit. h KVG
) zur Anwendung gelangen würde. Dies ist gerade nicht der Sinn der mit
Art. 41 Abs. 4 KVG
verfolgten gesetzgeberischen Absicht. Danach muss der Versicherte Gesundheitsleistungen bei den für die Gesundheitskasse tätigen Leistungserbringern nachfragen. Für Behandlungen, welche die Gesundheitskasse nicht selbst durchführen kann, wird der Versicherte an externe Leistungserbringer verwiesen. Die Gesundheitskasse soll Einfluss auf den gesamten Behandlungsprozess nehmen können, insbesondere auch auf die Überweisung an Spezialisten oder in ein Spital (Bundesrätliche Botschaft, a.a.O., S. 128). Es macht durchaus Sinn, dass die HMO-Ärzte auch im Falle einer Behandlung bei einem Chiropraktor oder einer Chiropraktorin vorgängig zu konsultieren sind.
b) An diesem Ergebnis vermögen die Vorbringen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern. Insbesondere zeitigt der ins KVG überführte Dualismus "Arzt" und "Chiropraktor" nicht ein anderes Ergebnis. Dass Chiropraktorinnen und Chiropraktoren mit den Ärztinnen und Ärzten sowohl bei den Leistungen (
Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG
) als auch als Leistungserbringer (
Art. 35 Abs. 2 KVG
) grundsätzlich gleichgestellt sind, ändert nichts daran, dass die Versicherten mit dem Beitritt zur HMO-Versicherung aus freien Stücken die in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bestehende Wahlfreiheit unter den zugelassenen Leistungserbringern eingeschränkt und sich verpflichtet haben, sich zuerst an die HMO-Ärztin oder den HMO-Arzt zu wenden. Damit wird weder der Katalog der Pflichtleistungen nach
Art. 25 Abs. 2 KVG
verkleinert (vgl. auch Art. 41 Abs. 4 letzter Satz KVG) noch eine Behandlung durch eine Chiropraktorin oder einen Chiropraktor ausgeschlossen. Die HMO-Versicherung führt ihrem Sinn und Zweck entsprechend dazu, dass sich die Versicherten für
BGE 125 V 437 S. 441
die chiropraktorische Behandlung an die vom Versicherer ausgewählten Chiropraktorinnen oder Chiropraktoren zu wenden haben und, falls keine bezeichnet worden sind, dass die Überweisung durch eine HMO-Ärztin oder einen HMO-Arzt zu erfolgen hat, auch wenn im letzteren Fall ein unter Umständen Kosten verursachender Umweg erforderlich ist. Weder die Entstehungsgeschichte, der Wortlaut oder der Zweck von
Art. 41 Abs. 4 KVG
noch die Gesetzessystematik lassen die Auffassung der Beschwerdeführerin als nahe liegend erscheinen. Sodann kann die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten, dass andere Versicherer eine unterschiedliche Lösung getroffen haben oder dass die Beschwerdegegnerin in ihrem Reglement nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine Chiropraktorin oder ein Chiropraktor nicht direkt aufgesucht werden darf. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a2bdccf4-3763-42bd-9be9-2e2bd747620a | Urteilskopf
103 III 46
11. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. März 1977 in Sachen Fallscheer und Mitbeteiligte gegen Widmer | Regeste
Verrechnung im Konkurs (
Art. 213 SchKG
)
1. Ist die rechtskräftig kollozierte Forderung, die einem von Abtretungsgläubigern geltend gemachten Anspruch der Konkursmasse verrechnungsweise entgegengehalten wird, nochmals zu substantiieren? (Tragweite des Kollokationsplanes) (E. 1).
2. Für die Anfechtung des die Verrechnung ermöglichenden Rechtsgeschäftes zwischen dem nachmaligen Konkursiten und seinem Gläubiger (einem späteren Konkursgläubiger) sind die Regeln über die paulianische Anfechtung (
Art. 285 ff. SchKG
) massgebend, nicht diejenigen des
Art. 214 SchKG
(E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 47
BGE 103 III 46 S. 47
Die Mode Widmer AG mit Sitz in Zug, die in der Innerschweiz verschiedene Verkaufsgeschäfte für Textilwaren betrieben hatte, fiel am 3. September 1968 in Konkurs. Mit zwei vom 30. Juni 1968 datierten Verträgen hatte sie das gesamte in ihren Geschäftsfilialen Luzern, Zug und Schwyz vorhandene Inventar und Mobiliar zu einem Preis von insgesamt Fr. 300'000.-- einem gewissen Hansueli Strässle in Herrliberg verkauft. Wie sich nachträglich herausstellte, handelte es sich dabei jedoch um ein fingiertes Rechtsgeschäft. In Wirklichkeit waren die Aktiven der erwähnten Filialen zum gleichen Preis an die Ehefrau des einzigen Verwaltungsrates der Mode Widmer AG, Maria Widmer-Mathis, verkauft worden. Diese bezahlte in der Folge an den Kaufpreis einen Teilbetrag von Fr. 140'000.--. Die Restforderung in der Höhe von Fr. 160'000.-- bildete das grösste Konkursaktivum. Die Konkursmasse sah davon ab, diesen Anspruch selbst geltend zu machen; sie ermächtigte hiezu die drei Konkursgläubiger Horst Fallscheer, Fallscheer GmbH Co. und Samotram AG, die innert der von der Konkursverwaltung hiefür angesetzten
BGE 103 III 46 S. 48
Frist die Abtretung der Forderung gemäss
Art. 260 SchKG
verlangt hatten.
Mit Eingabe vom 28. August 1971 reichten die drei Abtretungsgläubiger beim Amtsgericht Luzern-Land gegen Maria Widmer-Mathis Klage ein. Sie verlangten die Bezahlung von Fr. 160'000.-- nebst 5% Zins ab verschiedenen, gestaffelten Stichtagen. Das Verfahren wurde bis zur Erledigung der Klage, die über den gleichen Anspruch auch gegen Strässle angehoben worden war, eingestellt. Mit Urteil vom 7. Mai 1976 hiess das Amtsgericht die Klage gut und verpflichtete die Beklagte, den Klägern Fr. 160'000.-- nebst 5% Zins seit 28. August 1971 zu bezahlen. Das Gericht hatte auf Grund der Akten die Überzeugung gewonnen, dass die Darstellung der Beklagten, sie habe nicht nur Fr. 140'000.-- bezahlt, sondern den ganzen Kaufpreis, nicht richtig sein könne. Ebenso hatte es die Einrede der Verrechnung mit zwei Verlustscheinsforderungen gegenüber der Mode Widmer AG verworfen, mit der Begründung, die Forderungen seien nicht substantiiert worden und die Verlustscheine könnten auch nicht als Schuldanerkennungen betrachtet werden, da die Ansprüche von der Gemeinschuldnerin nicht anerkannt worden seien.
Die Beklagte appellierte gegen dieses Urteil und erneuerte ihren Antrag auf Abweisung der Klage. Das Obergericht des Kantons Luzern ging in Übereinstimmung mit der ersten Instanz davon aus, dass von der Kaufpreisschuld ein Betrag von Fr. 160'000.-- unbezahlt geblieben sei und dass die Klage deshalb gutgeheissen werden müsse, sofern die Verrechnungseinrede sich als unbegründet erweise. Im Gegensatz zum Amtsgericht gelangte es aber zur Auffassung, die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen von insgesamt Fr. 157'862.10 bedürften keiner weiteren Substantiierung, weil sie im Konkurs der Mode Widmer AG in den Kollokationsplan aufgenommen und von keiner Seite bestritten worden seien. Mangels Anfechtung des Kollokationsplans sei ihre Zulassung rechtskräftig geworden. Die Verrechnungseinrede sei daher zu schützen, was dazu führe, dass die Kaufpreisrestanz bis auf Fr. 2'137.90 als getilgt zu betrachten sei (Differenz zwischen Fr. 160'000.-- und Fr. 157'862.10). In diesem beschränkten Umfang hiess das Obergericht die Klage gut, wies sie im übrigen jedoch ab.
Die Kläger haben gegen dieses Urteil Berufung an das
BGE 103 III 46 S. 49
Bundesgericht eingereicht. Sie stellen den Antrag, die Beklagte sei zu verpflichten, ihnen in Gutheissung der Klage Fr. 160'000.-- nebst 5% Zins seit 28. August 1971 zu bezahlen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Zunächst ist streitig, ob die von der Beklagten verrechnungsweise geltend gemachten Forderungen in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als anerkannt zu betrachten sind und von den Klägern daher nicht mehr bestritten werden können. In der Berufungsschrift wird vorgebracht, die Vorinstanz habe Sinn und Tragweite der Kollokation einer Forderung im Konkurs verkannt; der Kollokationsplan habe lediglich als Grundlage für die Verteilung des Konkurserlöses zu dienen; das zwischen den Konkursgläubigern und dem Schuldner bestehende Rechtsverhältnis werde dadurch nicht endgültig festgelegt.
a) Es trifft zu, dass Zweck des Kollokationsverfahrens im Konkurs die Feststellung der Passivmasse ist, d.h. die Ermittlung der Forderungen, die Anspruch auf einen Anteil am Konkursergebnis haben, und die Festlegung ihrer Rangordnung untereinander. Der rechtskräftige Kollokationsplan bildet Grundlage der Verteilung. Nach ihm bestimmt sich somit, in welchem Verhältnis sich die Gläubiger den Konkurserlös zu teilen haben. Dementsprechend geht es im Kollokationsprozess nicht um die rechtskräftige Beurteilung einer Forderung als solcher, sondern nur um die Frage, inwieweit ein Gläubiger Anspruch auf den Erlös aus der Liquidation der Aktiven des Gemeinschuldners haben soll (vgl.
BGE 98 II 318
E. 4;
BGE 65 III 30
/31).
Aus dieser beschränkten Wirkung der Kollokation, die sich aus dem Wesen der Zwangsvollstreckung ergibt, können die Kläger indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Im Rahmen der durch den Konkurs herbeigeführten Liquidation der Aktiven der Gemeinschuldnerin entfaltet nämlich die unangefochtene Aufnahme der von der Beklagten eingegebenen Forderungen in den Kollokationsplan volle Wirkung. Der vorliegende Prozess geht darüber nicht hinaus. Die Kläger machen mit ihrer Klage gestützt auf
Art. 260 SchKG
einen Rechtsanspruch
BGE 103 III 46 S. 50
der Konkursmasse geltend. Es handelt sich dabei um eine besondere Form der Aktivenverwertung, die für den Fall vorgesehen ist, dass die Gesamtheit der Gläubiger auf die Realisierung verzichtet, und der Verbesserung des Konkurserlöses dient. Dass das Ergebnis der Klage in erster Linie den das Risiko der Prozessführung übernehmenden Konkursgläubigern zugute kommt, ändert an deren Vollstreckungscharakter nichts.
Auch für die Realisierung von Aktiven auf dem in
Art. 260 SchKG
vorgesehenen Weg ist der Kollokationsplan verbindlich, und er bleibt es auch für den Fall, dass der Anspruch der Masse - wie hier - erst nach dem formellen Abschluss des Konkursverfahrens geltend gemacht wird. Die klagenden Abtretungsgläubiger müssen sich demnach - im Gegensatz zu einem Gemeinschuldner, der die kollozierte Forderung nicht anerkannt hat (vgl.
Art. 265 Abs. 1 SchKG
) - entgegenhalten lassen, sie hätten die von der Beklagten zur Verrechnung gestellten, in den Kollokationsplan aufgenommenen Forderungen - durch den Verzicht auf Anfechtung des Planes - selber anerkannt. Diese sind nicht nochmals zu substantiieren, denn die Kläger fordern die Zahlung des noch geschuldeten Kaufpreises anstelle der Konkursmasse und die Konkursverwaltung hätte als deren Vertreterin gegen die Verrechnungserklärung nicht einwenden können, sie lasse die (eigene) Kollokationsverfügung nicht gelten. Mehr Einreden, als die Masse hätte erheben können, stehen aber den Klägern nicht zu.
Unbehelflich ist schliesslich auch das klägerische Vorbringen, die Beklagte habe während des ganzen Konkursverfahrens nie eine Verrechnungsabsicht geäussert. Da sie die von den Klägern geltend gemachte Forderung zu Beginn des Prozesses stets bestritt, kann nämlich nicht gesagt werden, sie habe auf eine allfällige Verrechnung verzichtet.
b) Die Richtigkeit des vorinstanzlichen Entscheides in diesem Punkt wird durch eine andere Überlegung bekräftigt. In
Art. 213 SchKG
wird das Recht eines Gläubigers zur Verrechnung im Konkurs ausdrücklich anerkannt, sofern er nicht erst nach der Konkurseröffnung Schuldner des Konkursiten oder der Masse geworden ist. Mit der Zulassung der Verrechnung im Konkurs wird verhindert, dass ein Gläubiger die dem Gemeinschuldner ihm gegenüber zustehende Forderung voll bezahlen muss, für sein eigenes Guthaben je nach dem Ergebnis
BGE 103 III 46 S. 51
des Konkurses indessen überhaupt nichts oder nur eine geringe Dividende erhält. Hat ein Gläubiger seine Forderung im Konkurs angemeldet und ist sie im Kollokationsverfahren anerkannt worden, muss er die Gewähr haben, sie den Rechtsansprüchen der Konkursmasse ihm gegenüber ohne weiteres entgegenhalten zu können, solange solche Ansprüche im Rahmen des Konkurses überhaupt geltend gemacht werden können.
2.
In zweiter Linie bringen die Kläger vor, die von der Beklagten geschaffene Verrechnungsmöglichkeit sei auf unlautere Art zustande gekommen, weshalb die Anerkennung ihrer Gegenforderungen im Kollokationsverfahren als nichtig zu betrachten sei. Selbst wenn aber die Beklagte und ihr Ehemann eine Schädigung der Konkursmasse beabsichtigt haben sollten, hätte dies nicht die Nichtigkeit der betreffenden Rechtshandlungen zur Folge, sondern höchstens deren Anfechtbarkeit. Die Kläger berufen sich denn auch auf die
Art. 214 und 288 SchKG
und leiten daraus ab, die von der Beklagten erklärte Verrechnung sei unzulässig. Sie werfen der Vorinstanz vor, sich mit der Frage der Anfechtbarkeit des Verhaltens der Beklagten nicht auseinandergesetzt zu haben, obwohl dieser Standpunkt von ihnen schon im kantonalen Verfahren vertreten worden sei.
Es trifft zu, dass die Kläger bereits in der Klage- und später auch in der Replikschrift geltend gemacht hatten, durch den Verkauf von Geschäftsaktiven der Mode Widmer AG an die Beklagte sei in anfechtbarer Weise eine Benachteiligung der andern Gläubiger beabsichtigt worden. Das angefochtene Urteil setzt sich damit nicht auseinander. Es ist daher zu prüfen, ob die Vorinstanz Anlass gehabt hätte, auf diesen von den Klägern verfochtenen Rechtsstandpunkt näher einzugehen.
a)
Art. 214 SchKG
erklärt die Verrechnung einer Forderung im Konkurs als anfechtbar, "wenn ein Schuldner des Gemeinschuldners vor der Konkurseröffnung, aber in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, eine Forderung an denselben erworben hat, um sich oder einem andern durch die Verrechnung unter Beeinträchtigung der Konkursmasse einen Vorteil zuzuwenden". Diese Sonderbestimmung ist vor allem deshalb notwendig, weil die allgemeinen Regeln über die paulianische Anfechtung (
Art. 285 ff. SchKG
) voraussetzen, dass der Betreibungs- oder Gemeinschuldner
BGE 103 III 46 S. 52
selber an den anfechtbaren Rechtshandlungen beteiligt war (dazu
BGE 95 III 86
).
Art. 214 SchKG
regelt den Erwerb einer Forderung gegen den am Rechtsgeschäft nicht beteiligten Gemeinschuldner zum Zwecke der Verrechnung (
BGE 95 III 88
). Nicht darunter fällt dagegen der Fall, da ein Gläubiger des Gemeinschuldners durch ein vor der Konkurseröffnung mit diesem selbst abgeschlossenes Rechtsgeschäft dessen Schuldner wird, um seine Forderung mit der neu eingegangenen Schuldverpflichtung verrechnen und dadurch einen unzulässigen Vorteil erlangen zu können. Ein solcher Sachverhalt ist ausschliesslich auf Grund der
Art. 285 ff. SchKG
zu beurteilen (Kommentar WEBER/BRÜSTLEIN, 2. Aufl., herausgegeben von A. Reichel, N. 5 zu
Art. 214 SchKG
).
b) Gemäss
Art. 288 SchKG
sind, ohne zeitliche Einschränkung, alle Rechtshandlungen anfechtbar, die der Gemeinschuldner in der dem andern Teil erkennbaren Absicht vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen oder einzelne Gläubiger zum Nachteil anderer zu begünstigen. Darunter kann - wie bereits ausgeführt - auch ein Rechtsgeschäft fallen, das der Schuldner vor der Konkurseröffnung mit einem Gläubiger abgeschlossen hat, um diesem die Verrechnung zu ermöglichen. In
BGE 57 III 144
E. 2 wird als Beispiel hiefür der Fall genannt, dass sich ein Gläubiger vom Schuldner Waren verkaufen lässt, um seine Forderung mit dem Kaufpreis verrechnen zu können. Es wird dabei ausgeführt, als anfechtbare Rechtshandlung falle nicht die Verrechnung als solche in Betracht, an welcher der Gemeinschuldner ja nicht direkt beteiligt sei, sondern das sie ermöglichende Rechtsgeschäft; die Verrechnung werde von der Anfechtung nur indirekt betroffen, indem der Gläubiger seiner Zahlungspflicht effektiv nachkommen müsse, statt von der Möglichkeit der Verrechnung Gebrauch machen zu können.
Nach den von den Klägern schon im erstinstanzlichen Verfahren aufgestellten Behauptungen läge hier ein solcher Sachverhalt vor. Es wird geltend gemacht, der Ehemann der Beklagten, welcher einziger Verwaltungsrat der Gemeinschuldnerin gewesen sei, habe seiner Frau im Bewusstsein des drohenden Zusammenbruchs der Mode Widmer AG die in Frage stehenden Geschäftsaktiven verkauft, um ihr die Verrechnung eines Teils der Kaufpreisschuld mit ihren Gegenforderungen zu ermöglichen und sie dadurch den andern Gläubigern
BGE 103 III 46 S. 53
gegenüber zu begünstigen; die Beklagte habe in Kenntnis der schlechten finanziellen Lage des von ihrem Ehemann geführten Unternehmens an diesem Rechtsgeschäft mitgewirkt. Sollte sich diese klägerische Sachdarstellung als richtig erweisen - wofür auf Grund der Akten immerhin einige Anhaltspunkte vorliegen - würde es sich in der Tat fragen, ob der Verkauf von Geschäftsaktiven der Konkursitin an die Beklagte nicht gemäss
Art. 288 SchKG
als anfechtbar zu betrachten wäre. Die Vorinstanz hat es zu Unrecht unterlassen, diese erhebliche Frage näher abzuklären. Die Sache ist deshalb in Anwendung von
Art. 64 Abs. 1 OG
zur Ergänzung des Sachverhaltes und zu neuer Entscheidung an sie zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In Gutheissung des mit der Berufung gestellten Eventualantrages wird das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern (I. Kammer) vom 15. September 1976 aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhaltes und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a2c2f991-f4c3-4455-8869-934bd1f90702 | Urteilskopf
122 I 343
43. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. November 1996 i.S. Gewerkschaft Bau und Industrie, Baptista Alberto Santos, Joao Manuel Pereira Sousa und Manuel Augusto Lopes Gomes gegen Regierungsrat des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
, Art. 2 ÜbBest. BV; Prämienverbilligung für Saisonniers und Kurzaufenthalter.
Art. 65 KVG
verlangt nicht, dass von Bundesrechts wegen alle obligatorisch Versicherten ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Aufenthalts und die Intensität ihrer Beziehung zur Schweiz in den persönlichen Geltungsbereich der Prämienverbilligung fallen (E. 3).
Es verstösst weder gegen
Art. 65 KVG
noch gegen
Art. 4 BV
, Saisonniers und Kurzaufenthalter von der Prämienverbilligung auszuschliessen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 344
BGE 122 I 343 S. 344
Art. 65 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; AS 1995 1328; in Kraft seit 1. Januar 1996) sieht vor, dass die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen gewähren. Zur Regelung des Vollzugs des Krankenversicherungsgesetzes erliess der Kanton Thurgau am 25. Oktober 1995 ein Gesetz über die Krankenversicherung (KVG/TG), dessen § 4 wie folgt lautet:
§ 4 Berechtigung
1 Die Prämienverbilligung für die obligatorische Krankenversicherung wird
Personen mit steuerrechtlichem Wohnsitz oder Aufenthalt im Kanton ausgerichtet.
2 Für die Berechtigung massgebend sind die persönlichen Verhältnisse am 1. Januar des Jahres, in welchem die Prämienverbilligung ausgerichtet wird.
3 Neugeborene sowie Personen, die sich neu im Kanton angemeldet haben, sind ab 1. Januar des der Geburt oder der Anmeldung folgenden Jahres bezugsberechtigt.
4 Bezugsberechtigt für Kinder ist die prämienzahlende Person.
5 Der Regierungsrat regelt die Berechtigung von Ausländern mit besonderem Status, insbesondere von Saisonniers oder Asylbewerbern.
Gemäss § 5 des Gesetzes hängt der Anspruch auf Prämienverbilligung vom geschuldeten Steuerbetrag ab (Abs. 1), wobei Bemessungsgrundlage in der Regel die letzte rechtskräftige Einschätzung ist (Abs. 2). Für quellensteuerpflichtige Personen wird der Quellensteuerbetrag entsprechend umgerechnet (Abs. 3).
Am 19. Dezember 1995 erliess der Regierungsrat des Kantons Thurgau eine Verordnung zum Gesetz über die Krankenversicherung (RRV). Deren § 11 lautet wie folgt:
§ 11 Kurzaufenthalter
Ausländer und Ausländerinnen mit einer Aufenthaltsbewilligung, die weniger als zwölf Monate gültig ist, haben keinen Anspruch auf Prämienverbilligung.
Die Gewerkschaft Bau und Industrie, Baptista Alberto Santos, Joao Manuel Pereira Sousa und Manuel Augusto Lopes Gomes erheben gemeinsam staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, § 11 der Verordnung des Regierungsrates zum Krankenversicherungsgesetz aufzuheben.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde der Gewerkschaft Bau und Industrie nicht ein und weist diejenige der anderen drei Beschwerdeführer ab.
BGE 122 I 343 S. 345
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführer bringen vor, der Ausschluss der Saisonniers von der Prämienverbilligung verstosse gegen Bundesrecht, indem
Art. 65 KVG
den Kreis der Berechtigten abschliessend umschreibe und insoweit keinen Raum für kantonales Ausführungsrecht belasse. Damit wird in hinreichender Weise eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts gerügt, auch wenn in der Beschwerde Art. 2 ÜbBest. BV nicht ausdrücklich genannt ist.
a) Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Ob ein kantonaler Erlass mit der Verfassung vereinbar ist, prüft das Bundesgericht frei (
BGE 122 I 18
E. 2a/b.aa S. 20, mit Hinweisen).
b) Das Bundesrecht unterscheidet zwischen "Saisonniers" und "Kurzaufenthaltern" (Art. 16 ff. bzw. 20 ff. der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer, BVO; SR 823.21). Das Marginale zur hier angefochtenen Verordnungsbestimmung lautet bloss "Kurzaufenthalter". Nach ihrem Wortlaut ist jedoch ein Anspruch ausgeschlossen für "Ausländer und Ausländerinnen mit einer Aufenthaltsbewilligung, die weniger als zwölf Monate gültig ist", was auch für Saisonniers zutrifft. Der Kanton geht in seiner Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde davon aus, dass § 11 RRV ebenfalls für Saisonniers gelte. Das liegt um so näher, als
§ 4 Abs. 5 KVG
/TG, auf den sich die angefochtene Bestimmung offensichtlich stützt, von "Ausländern mit besonderem Status, insbesondere von Saisonniers und Asylbewerbern" spricht. Es ist daher für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde davon auszugehen, dass § 11 RRV den Anspruch sowohl für Saisonniers als auch für Kurzaufenthalter (im Sinne der BVO) ausschliesst, ebenso wohl für Stagiaires, deren Aufenthaltsbewilligung höchstens zwölf Monate beträgt (
Art. 22 Abs. 2 BVO
).
c) Gemäss
Art. 65 KVG
gewähren die Kantone "den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen" Prämienverbilligungen. Es ist eine Frage der Auslegung dieser Bestimmung, ob sie
BGE 122 I 343 S. 346
für einen generellen Ausschluss der Saisonniers und Kurzaufenthalter von der Prämienverbilligung Raum lässt.
d) Nach dem Wortlaut von
Art. 65 KVG
sind Kriterien für die Gewährung von Prämienverbilligungen erstens die Eigenschaft als Versicherter, zweitens der Umstand, dass der Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.
e) Das Krankenversicherungsgesetz basiert auf dem Grundsatz des Versicherungsobligatoriums. Gemäss
Art. 3 Abs. 1 KVG
muss sich jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder versichern lassen. Zwar haben Saisonniers und Kurzaufenthalter keinen zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz, doch kann der Bundesrat gemäss
Art. 3 Abs. 3 lit. a KVG
die Versicherungspflicht ausdehnen auf Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, die hier tätig sind oder sich hier längere Zeit aufhalten. Der Bundesrat hat demgemäss in Art. 1 Abs. 2 lit. a der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (Krankenversicherungsverordnung, KVV; AS 1995 3867) die Versicherungspflicht ausgedehnt auf Ausländer mit einer Aufenthaltsbewilligung für länger als drei Monate. Saisonniers und Kurzaufenthalter mit einer Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten sind somit (obligatorisch) Versicherte im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes.
f) Der Kanton Thurgau bringt vor, dass nach
Art. 65 KVG
die Kantone die Anspruchsvoraussetzungen definieren könnten. Der Entwurf des Bundesrates zum Krankenversicherungsgesetz sah vor, dass ein Anspruch auf Prämienverbilligung besteht, wenn die Prämie eines Versicherten einen vom Kanton festgelegten Prozentsatz des Einkommens übersteigt, wobei als Einkommen das steuerbare Einkommen der direkten Bundessteuer gelten sollte, erhöht um einen vom Kanton festgelegten Zuschlag für das nach kantonalem Recht steuerbare Vermögen (Art. 58 Abs. 1 und 3 des Entwurfs zum Krankenversicherungsgesetz, BBl 1992 I S. 277 f.). Der Nationalrat ersetzte diese Regelung durch die Formulierung "in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen". Damit sollte den Kantonen weitgehende Autonomie in der Ausgestaltung der Prämienverbilligung gegeben werden. Die Kantone sollen entscheiden können, ob eher viele Versicherte kleinere Beiträge oder wenige Versicherte grössere Beiträge erhalten sollen (Amtl.Bull. N 1993 S. 1889, Berichterstatterin Segmüller; vgl. auch Amtl Bull S 1993 S. 1082, 1084 f., Berichterstatter Huber). Nach dem Willen des Gesetzgebers geniessen somit die Kantone eine erhebliche Freiheit in der Ausgestaltung der Prämienverbilligung, indem sie autonom festlegen können, was
BGE 122 I 343 S. 347
unter "bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu verstehen ist.
g) Die angefochtene thurgauische Regelung definiert indessen nicht diesen Begriff, sondern sie schliesst Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung von weniger als zwölf Monaten auch dann von der Anspruchsberechtigung aus, wenn sie in - gemäss thurgauischem Recht umschriebenen - bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Sie konkretisiert somit nicht das vom Bundesrecht vorgesehene Kriterium der bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern sie fügt eine neue, im Bundesrecht nicht enthaltene Anspruchsvoraussetzung ein. Es fragt sich, ob
Art. 65 KVG
eine solche zusätzliche Anforderung zulässt.
aa) Weder dem Wortlaut noch der Systematik von
Art. 65 KVG
lässt sich entnehmen, ob Kriterien wie die Staatsangehörigkeit oder die Dauer der Aufenthaltsbewilligung für die Gewährung von Prämienverbilligungen ausschlaggebend sein sollen. Auch die historische Auslegung ist unergiebig, da diese Frage in der parlamentarischen Behandlung von
Art. 65 KVG
nicht diskutiert wurde.
bb) Teleologisch zielt die Prämienverbilligung darauf ab, für Personen in bescheidenen Verhältnissen die wirtschaftliche Last der Krankenversicherungsprämien zu mildern. Sie ist damit ein Element der Solidarität zugunsten weniger bemittelter Bevölkerungsschichten. Damit könnte einerseits die Auffassung vertreten werden, dass alle Bevölkerungsschichten, ungeachtet ihres fremdenpolizeilichen Status, in den Genuss der Prämienverbilligung gelangen sollten. Umgekehrt kann aber auch argumentiert werden, dass Solidaritätsregelungen, die ein Staat trifft, im allgemeinen auf einen Kreis von Personen beschränkt werden, die eine nähere Beziehung zu diesem Staat haben. Zwar hat das Bundesgericht einen menschenrechtlichen Anspruch auf Existenzsicherung unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status anerkannt (
BGE 122 II 193
E. 2b S. 197
;
121 I 367
E. 2d S. 374), doch gilt dies nicht gleichermassen für Leistungen, die über das unmittelbar verfassungsrechtliche Minimum hinausgehen. So hat der Bundesgesetzgeber selber in denjenigen Bereichen der Sozialversicherung, die eine ausgesprochene Solidaritätskomponente enthalten, bisweilen die Ausrichtung von Leistungen an Ausländer an das Erfordernis des Wohnsitzes in der Schweiz geknüpft (
Art. 18 Abs. 2 AHVG
;
Art. 6 Abs. 2 IVG
;
Art. 2 Abs. 2 ELG
; vgl. JEAN MEYER, Le statut des travailleurs immigrés dans la sécurité sociale suisse. Basel 1990, S. 30 f., 62; ROLF SCHMID, Die Rechtsstellung des ausländischen Saisonarbeiters in der Schweiz,
BGE 122 I 343 S. 348
Diss. Zürich 1991, S. 290 ff.). Saisonniers und Kurzaufenthalter können daher - vorbehältlich staatsvertraglicher Vereinbarungen - diese Leistungen nicht erhalten. In anderen Bereichen der Sozialversicherung werden allerdings die Leistungen für Saisonniers und Kurzaufenthalter gleich wie für Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ausgerichtet, so namentlich in der beruflichen Vorsorge, in der Unfallversicherung und in der Arbeitslosenversicherung (MEYER, a.a.O., S. 98, 102, 121 ff.; SCHMID, a.a.O., S. 302 ff., 317 f., 323). Es gibt somit keinen allgemeinen Grundsatz, wonach Saisonniers und Kurzaufenthalter sozialversicherungsrechtlich anders behandelt werden als Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.
cc) Vorliegend hat der Bundesgesetzgeber eine solche Differenzierung nach Staatsangehörigkeit oder fremdenpolizeilichem Status nicht getroffen. Immerhin kann im Rahmen der teleologischen Auslegung einer bundesrechtlichen Bestimmung, die den Kantonen einen grossen Bereich gesetzgeberischen Gestaltungsermessens einräumen will, berücksichtigt werden, dass es Überlegungen gibt, die eine differenzierte Behandlung verschiedener Kategorien von Ausländern erlauben. Es kann nicht der Sinn des Krankenversicherungsgesetzes sein, einen Anspruch auf Prämienverbilligung all denjenigen Personen zuzugestehen, die vorübergehend und gleichsam zufällig in der Schweiz erwerbstätig sind, ohne zu ihr eine nähere Beziehung zu haben. Zu den obligatorisch versicherten Kurzaufenthaltern können auch Personen gehören, die einmalig für kurze Zeit in der Schweiz arbeiten, namentlich im Rahmen ihrer Aus- oder Weiterbildung. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, wenn er schon den Kantonen einen grossen Spielraum gewährte, zwingend vorschreiben wollte, all diesen Personen Prämienverbilligungen auszurichten.
dd) Hinzu kommt schliesslich, dass die zu treffende Regelung auch praktisch handhabbar sein muss. Das Bundesgericht hat zwar wiederholt entschieden, dass es mit
Art. 4 BV
nicht vereinbar ist, Unterschiede in der sozialversicherungsrechtlichen Anspruchsberechtigung allein mit beschränkten Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeiten bezüglich anspruchsrelevanter Sachverhalte im Ausland zu begründen (
BGE 117 Ia 97
E. 3d S. 104;
BGE 114 Ia 1
E. 8c S. 6). Doch kann die Praktikabilität im Verein mit anderen Kriterien ein Element sein, welches eine gewisse Schematisierung erlaubt. Dabei ist zu beachten, dass das thurgauische Gesetz den Anspruch auf Prämienverbilligung an die Höhe des geschuldeten Steuerbetrags, somit an das Ergebnis des steuerrechtlichen Veranlagungsverfahrens,
BGE 122 I 343 S. 349
knüpft (
§ 5 KVG
/TG). Das ist eine zweckmässige und zulässige Regelung, sah doch der Bundesrat in seinem Entwurf zum Krankenversicherungsgesetz selber eine Regelung vor, die auf das steuerbare Einkommen abstellte. Es muss daher auch zulässig sein, die Anspruchsberechtigung auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Anspruchsvoraussetzungen mit Hilfe des steuerrechtlichen Verfahrens mit hinreichender Zuverlässigkeit abgeklärt werden können.
h) Aus all dem ergibt sich, dass
Art. 65 KVG
nicht so auszulegen ist, dass damit von Bundesrechts wegen alle obligatorisch Versicherten ohne Rücksicht auf die Dauer ihres Aufenthaltes und die Intensität ihrer Beziehung zur Schweiz in den persönlichen Geltungsbereich der Prämienverbilligung fallen.
4.
a) Das bedeutet allerdings nicht, dass die Kantone völlig freie Hand in der Ausgestaltung ihrer Regelung hätten. Sie müssen sich an den Sinn und Geist des Krankenversicherungsgesetzes halten und dürfen den damit angestrebten Zweck nicht vereiteln (vgl.
BGE 122 I 70
E. 2a S. 74;
BGE 119 Ia 453
E. 2b S. 456). Doch können die Schranken, die sich aus
Art. 65 KVG
ergeben, nicht wesentlich weiter gehen als diejenigen, die bereits aus
Art. 4 BV
fliessen, nachdem der Bundesgesetzgeber in dieser Frage bewusst den Kantonen einen grossen Gestaltungsspielraum eröffnen wollte. Die Rüge der Verletzung des Bundesrechts fällt somit im Ergebnis zusammen mit der von den Beschwerdeführern ebenfalls erhobenen Rüge der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots.
b) Ein Erlass verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und damit
Art. 4 Abs. 1 BV
, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (
BGE 121 I 102
E. 4a S. 104, mit Hinweisen).
BGE 122 I 343 S. 350
c) Der Kanton bringt zur Rechtfertigung der angefochtenen Bestimmung im wesentlichen vor, dass sich die Einkommensverhältnisse der Saisonniers und Kurzaufenthalter nicht mit der erforderlichen Vollständigkeit und Genauigkeit feststellen liessen, da deren im Ausland gelegenes Vermögen bzw. dort erzieltes Einkommen nicht erfassbar sei. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Kurzaufenthalter mit ihrem in der Schweiz erzielten Einkommen die Lebenshaltungskosten für den Aufenthalt in der Heimat für die ganze restliche Zeit des Jahres zu decken vermöchten, so dass aus Gründen der Gleichbehandlung diese überschiessenden Mittel mitzuberücksichtigen seien.
d) Es ist nicht grundsätzlich verfassungswidrig, Schweizer und Ausländer in der Sozialversicherung unterschiedlich zu behandeln (
BGE 117 Ia 97
E. 3e S. 104 f.). Unzulässig ist bloss, eine solche Unterscheidung zu treffen, ohne dass ein vernünftiger Grund vorliegt bzw. wenn der geltend gemachte Grund zweckfremd ist und nicht ins gesetzliche System der betreffenden Sozialversicherung passt (BGE
BGE 114 Ia 1
E. 8a/e, S. 4 und 7 f.).
e) Saisonniers und Kurzaufenthalter unterscheiden sich von Schweizern oder Ausländern mit einer Niederlassungs- oder Jahresaufenthaltsbewilligung dadurch, dass sie in der Schweiz keinen Wohnsitz haben. Ein Familiennachzug ist ausgeschlossen (
Art. 38 Abs. 2 BVO
). Sie verbringen einen gewissen Teil des Jahres im Ausland. Ihr Lebensmittelpunkt liegt deshalb nicht in der Schweiz. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind anders als diejenigen von Personen, die das ganze Jahr - allenfalls mit ihrer Familie - hier leben und auch ganzjährig mit den hiesigen - in der Regel höheren - Lebenshaltungskosten konfrontiert sind. Es kann auch nicht gesagt werden, mit der angefochtenen Bestimmung werde eine system- oder zweckfremde Absicht verfolgt. Die Prämienverbilligung für die Krankenversicherung hat den Charakter einer sozial begründeten Hilfe für wirtschaftlich Benachteiligte. Auch wenn sie auf die Krankenversicherung Bezug nimmt, nähert sie sich von ihrer Funktion her doch einer Fürsorgeleistung oder Solidaritätsregelung, welche in der Regel an den Wohnsitz anknüpfen (vorne E. 3g.bb; vgl. auch Art. 12, 14, 20, 21 des Bundesgesetzes vom 27. Juni 1977 über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, SR 851.1). Nachdem bereits der Bundesgesetzgeber Kurzaufenthalter und Saisonniers sozialversicherungsrechtlich verschiedentlich anders behandelt hat als Personen mit Wohnsitz in der Schweiz (vorne E. 3g.bb), lässt sich auch die entsprechende kantonale Regelung verfassungsrechtlich
BGE 122 I 343 S. 351
rechtfertigen. Rund die Hälfte der Kantone hat denn auch, wie der Kanton Thurgau, die Saisonniers von der Anspruchsberechtigung ausgeschlossen. Die bundesrechtlich verlangte Solidarität kann sich nur auf Personen beziehen, deren Lebensmittelpunkt in der Schweiz liegt und die relativ unfreiwillig mit den hiesigen hohen Krankenkassenprämien konfrontiert sind, nicht dagegen auf Personen mit Lebensmittelpunkt im Ausland, die nur vorübergehend als Arbeitnehmer in die Schweiz kommen und in dieser Eigenschaft keine Unterstützung aus allgemeinen Steuermitteln erwarten dürfen. Es liegt am einzelnen Saisonnier oder Kurzaufenthalter, zu entscheiden, ob er die in der Schweiz zu bezahlenden hohen Krankenversicherungsprämien in Kauf nehmen will bzw. ob der aufgrund des offerierten Lohnes resultierende Nettoverdienst für ihn noch hoch genug ist. Dass viele Saisonniers den Wunsch haben mögen, dauernd oder längerfristig in der Schweiz tätig zu sein und gegebenenfalls auch die Familie nachzuziehen, ändert nichts. Massgebend für die Beurteilung der Bindung zur Schweiz ist der bewilligte fremdenpolizeiliche Status. Solange der Saisonnier keine Jahresaufenthaltsbewilligung erlangt hat, ist er vor Nachteilen, wie sie hier in Frage stehen, nicht verfassungsrechtlich geschützt, und es lässt sich mangels einer klaren Regelung auch aus
Art. 65 KVG
nichts Weitergehendes ableiten. | public_law | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a2c6bfb6-c75f-4f61-b4bb-6bb2afaa5638 | Urteilskopf
141 I 253
24. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause Département de la sécurité et de l'économie (DSE) de la République et canton de Genève contre A. (recours en matière de droit public)
8C_772/2014 du 24 septembre 2015 | Regeste
Art. 89 Abs. 1 BGG
; Beschwerdeberechtigung bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten im Bereich des öffentlichen Personalrechts.
Nur das Gemeinwesen als solches ist in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber gestützt auf die Generalklausel von
Art. 89 Abs. 1 BGG
zur Beschwerde ans Bundesgericht legitimiert, nicht aber ein kantonales Departement, selbst wenn es als erste Instanz verfügt hat. Da es eine kantonale Verwaltungseinheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist, bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigung, die es ihm gestattet, im Namen des Gemeinwesens aufzutreten, dem es angehört (im Kanton Genf des Regierungsrats; E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 254
BGE 141 I 253 S. 254
A.
A. est entré à la police judiciaire du canton de Genève le 1
er
janvier 1983 en qualité d'inspecteur de sûreté. Le 1
er
février 2000, il a été nommé au grade d'inspecteur principal adjoint (classe 19, annuité 8). A la demande de sa hiérarchie, il a assumé dès le mois de juin 2001 le poste de directeur des ressources humaines de la police. Son traitement a été fixé en classe 25, annuité 5. Par la suite, en raison de l'entrée en vigueur de nouvelles dispositions, son poste a été rétrogradé en classe 21. Son traitement est toutefois resté équivalent à celui prévu par la classe 25, annuité 8, par l'effet des droits acquis. Sa progression salariale a toutefois été bloquée.
A la suite d'une réorganisation, l'intéressé a été réaffecté à la police judiciaire en qualité de chef de section adjoint dès le 1
er
septembre 2011. Il est resté colloqué dans la classe 25, annuité 8, mais sa progression salariale a été rétablie pour le futur. Sa nouvelle fonction était la même que celle occupée par des camarades de sa promotion qui avaient, quant à eux, fait toute leur carrière au sein de la police judiciaire. En revanche, ceux-ci bénéficiaient d'un traitement en classe 25, annuité 15, depuis le 1
er
janvier 2012.
Le 13 février 2013, A. a écrit au Conseiller d'Etat en charge du Département de la sécurité pour lui demander de lui accorder le même traitement que les fonctionnaires de police issus de la même promotion que lui, soit de le rémunérer en fonction de la classe 25, annuité 14 du 1
er
septembre 2011 au 31 janvier 2012, puis selon la classe 25 annuité 15 à compter du 1
er
février 2012. Par décision du 26 mars 2013, le chef du Département de la sécurité a rejeté cette demande.
B.
Saisie d'un recours de A., la Chambre administrative de la Cour de Justice de la République et canton de Genève a annulé la décision attaquée et renvoyé la cause au Département de la sécurité et de l'économie (DSE; anciennement Département de la sécurité) pour qu'il procède conformément aux considérants. Le département était invité à calculer le salaire de l'intéressé conformément aux conclusions du recours auxquelles elle a entièrement fait droit.
C.
Le DSE exerce un recours en matière de droit public contre l'arrêt cantonal. A. a conclu, principalement, à l'irrecevabilité du recours, subsidiairement à son rejet.
Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable.
(résumé)
BGE 141 I 253 S. 255
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
Le droit de recours des collectivités publiques est visé en premier lieu par l'
art. 89 al. 2 LTF
. Toutefois, lorsque les conditions fixées par cette disposition ne sont pas remplies, comme c'est indéniablement le cas en l'espèce, il faut examiner si l'autorité peut se prévaloir de l'
art. 89 al. 1 LTF
. D'après cette disposition, a qualité pour former un recours en matière de droit public quiconque a pris part à la procédure devant l'autorité précédente ou a été privé de la possibilité de le faire (let. a); est particulièrement atteint par la décision ou l'acte normatif attaqué (let. b); et a un intérêt digne de protection à son annulation ou à sa modification (let. c). La qualité pour recourir de la règle générale de l'
art. 89 al. 1 LTF
est en premier lieu conçue pour les particuliers. Il est toutefois admis que les collectivités publiques peuvent s'en prévaloir à certaines conditions qui doivent toutefois être appréciées restrictivement (
ATF 141 II 161
consid. 2.1 p. 164;
ATF 135 I 43
consid. 1.3 p. 47; arrêt 2C_620/2012 du 14 février 2013 consid. 1.2.4).
3.2
La jurisprudence concernant la recevabilité du recours en matière de droit public retient que la collectivité publique, en tant qu'employeur, n'agit certes pas au même titre qu'un particulier dans une contestation découlant de rapports de travail régis par le droit public, mais qu'elle a néanmoins un intérêt spécifique digne de protection à l'annulation ou à la modification d'une décision d'un tribunal favorable à son agent (
ATF 134 I 204
consid. 2.3 p. 206). Dans ce domaine, un canton a donc qualité pour recourir. Selon la jurisprudence toutefois, conformément à la légitimation fondée sur l'
art. 89 al. 1 LTF
, seule une collectivité publique comme telle (voire une autre personne morale de droit public) peut se prévaloir de cette disposition, mais pas une autorité ou une branche de l'administration dépourvue de la personnalité juridique, à moins d'avoir une procuration expresse lui permettant d'agir au nom de la collectivité publique en cause. Peu importe à cet égard que l'autorité ait ou non rendu la décision administrative à l'origine de la procédure (
ATF 140 II 539
consid. 2.2 p. 541;
ATF 138 II 506
consid. 2.1 p. 508 ss;
ATF 136 V 351
consid. 2.4 p. 354;
ATF 134 II 45
consid. 2.2.3 p. 48; arrêt 2C_1016/2011 du 3 mai 2012 consid. 1.3, non publié in
ATF 138 I 196
; FLORENCE AUBRY GIRARDIN, in Commentaire de la LTF, 2
e
éd. 2014, n° 39 p. 1026 ad
art. 89 LTF
; BERNHARD WALDMANN, in Basler
BGE 141 I 253 S. 256
Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2
e
éd. 2011, n° 49 ad
art. 89 LTF
; MOOR/POLTIER, Droit administratif, vol. II, 3
e
éd. 2011, p. 754; cf. aussi arrêt 8C_810/2014 du 1
er
avril 2015 consid. 1.2: qualité pour agir d'un office fédéral laissée indécise).
3.3
En l'espèce, le recours a été formé par le DSE en son propre nom. Il est signé par le chef dudit département, lequel est indéniablement une entité cantonale dépourvue de la personnalité juridique. L'office recourant ne prétend pas qu'il aurait agi en tant que représentant du canton de Genève. Du reste, les corporations de droit public sont en principe représentées seulement par leurs autorités supérieures, en l'occurrence le Conseil d'Etat s'agissant de Genève (arrêt 2C_971/2012 du 28 juin 2013 consid. 2.3; voir aussi arrêt déjà cité 2C_1016/2011). On doit donc admettre que le recours émane d'une autorité cantonale qui ne peut se prévaloir d'un droit de recours en application de l'
art. 89 al. 1 LTF
. Le fait que le chef du DSE est un membre du Conseil d'Etat du canton de Genève n'y change rien car celui-ci n'a pas signé le recours en tant que représentant du Conseil d'Etat mais en tant que chef du département. La qualité pour recourir du département faisant défaut, le recours est irrecevable. | public_law | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a2cc893a-e4d7-4d89-aecd-ee6b7109f9ec | Urteilskopf
137 IV 339
49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Beschwerde in Strafsachen)
1B_440/2011 vom 23. September 2011 | Regeste
Art. 221 Abs. 2 StPO
; Haftgrund der Ausführungsgefahr.
Die Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, kann auch konkludent erfolgen (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 339
BGE 137 IV 339 S. 339
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt ein Strafverfahren gegen X. wegen des Verdachts der versuchten vorsätzlichen Tötung. Sie wirft ihm vor, er habe am Abend des 23. Dezember 2010 versucht, seine Ehefrau umzubringen. Gleichentags wurde er verhaftet.
Mit Entscheid vom 9. Juni 2011 verlängerte der Regionale Zwangsmassnahmenrichter am Kreisgericht See-Gaster die Untersuchungshaft.
Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 12. Juli 2011 ab. Sie bejahte Ausführungsgefahr gemäss Art. 221 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0).
X. führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid der Anklagekammer sei aufzuheben; er sei umgehend aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.4
Der Beschwerdeführer macht in der Replik erstmals geltend, es fehle an einer Drohung, weshalb
Art. 221 Abs. 2 StPO
nicht
BGE 137 IV 339 S. 340
anwendbar sei. Es kann offenbleiben, ob darauf eingetreten werden kann, da der Beschwerdeführer den Einwand bereits in der Beschwerde hätte vorbringen können (
BGE 132 I 42
E. 3.3.4 S. 47 mit Hinweisen). Dieser ist jedenfalls unbegründet.
Art. 221 Abs. 2 StPO
setzt die Drohung voraus, ein schweres Verbrechen auszuführen. Es trifft zu, dass eine ausdrückliche Drohung des Beschwerdeführers, er werde seine Frau töten, nicht aktenkundig ist. Die Drohung kann jedoch auch konkludent erfolgen (MARC FORSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 18 zu
Art. 221 StPO
). So verhält es sich hier. Der Beschwerdeführer steht unter dem dringenden Verdacht, am 23. Dezember 2010 in der Waschküche seiner Ehefrau die Pulsader des linken Handgelenks aufgeschnitten und sie dort zurückgelassen zu haben in der Annahme, sie werde verbluten. Darin ist eine konkludente Drohung zu erblicken, der Beschwerdeführer werde die bisher nur bis zum Versuchsstadium gelangte vorsätzliche Tötung noch verwirklichen (vgl. FORSTER, a.a.O., Fn. 75; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 14 zu
Art. 221 StPO
). Aufgrund des Vorfalls vom 23. Dezember 2010 ist die Bedrohung sogar konkreter, als wenn der Beschwerdeführer lediglich verbal gedroht hätte. Liegt demnach eine konkludente Drohung vor, sind die Voraussetzungen der Haft nach
Art. 221 Abs. 2 StPO
auch insoweit erfüllt. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2d0049a-7ab0-49b4-956b-b9c0f04bb069 | Urteilskopf
85 II 489
72. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 15 déeembre 1959 dans la cause Triebold et eonsorts contre Fédération suisse des associations de fabricants d'horlogerie et consorts. | Regeste
Boykott.
1. Begriff und Rechtmässigkeit eines Erzwingungsboykotts (Erw. 3).
2. Rechtmässigkeit des durch die Kollektivkonvention der Uhrenindustrie vom 1. April 1957 vorgesehenen Boykottes mit dem Zwecke der Einführung
a) bilateraler Tarife (Erw. 4),
b) einer Schiedsgerichtsbarkeit (Erw. 5),
c) eines Kontrollorgans (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 489
BGE 85 II 489 S. 489
A.-
L'horlogerie est une des principales branches de l'activité économique suisse. Concentrée essentiellement dans le Jura et au pied de cette chaîne, elle comprend actuellement 2922 entreprises. Sur ce nombre, 1180 seulement sont assujetties à la loi fédérale sur le travail dans les fabriques; 375 peuvent occuper plus de 50 personnes.
BGE 85 II 489 S. 490
B.-
Particulièrement sensible aux fluctuations économiques, l'industrie horlogère a traversé plusieurs crises graves, qui l'ont obligée à s'organiser de façon très stricte et qui ont provoqué l'intervention de la Confédération.
Les fabricants de montres ancre sont groupés dans des sections locales, qui fondèrent, en 1924, la Fédération suisse des associations de fabricants d'horlogerie (F.H.). En 1926, les principales fabriques d'ébauches formèrent une société anonyme, Ebauches SA L'année suivante fut constituée l'Union des branches annexes de l'horlogerie (UBAH), pour grouper les entreprises qui produisent les diverses pièces de la montre, à l'exception de l'ébauche (balanciers, spiraux, assortiments, pierres d'horlogerie, ressorts, cadrans, aiguilles, boîtes, etc.). En 1928, la F.H., l'UBAH et Ebauches SA conclurent quatre conventions destinées à restreindre l'exportation de "chablons" (ébauches et pièces du mouvement) et d'autres pièces détachées et à empêcher autant que possible la création d'entreprises horlogères à l'étranger. En outre, ces accords instituaient le système dit de la "réciprocité syndicale": les membres des associations affiliées à la F.H. s'engageaient à n'acheter leurs ébauches et leurs pièces détachées qu'à Ebauches SA et aux membres des organisations groupées dans l'UBAH, à des tarifs fixés qui étaient censés faire partie intégrante des conventions; de leur côté, Ebauches SA et les fabricants de pièces annexes avaient en principe l'obligation de ne vendre leurs produits qu'aux membres des sections de la F.H. L'organe d'exécution de ces conventions était les Délégations réunies, qui comprenaient des représentants de la F.H., de l'UBAH et d'Ebauches SA Le contrôle fut confié à la Fiduciaire horlogère suisse (Fidhor).
Par la suite, les accords furent régulièrement renouvelés, avec quelques modifications de détail, sous le nom de "Convention collective de l'industrie horlogère suisse".
Cette organisation ne put prévenir une crise aiguë, qui se produisit dès fin 1929. Provoquée par la situation économique mondiale, elle fut aggravée par le "chablonnage"
BGE 85 II 489 S. 491
(exportation de "chablons") et la "sous-enchère" auxquels se livraient les fabricants qui ne faisaient point partie des organisations.
Le 12 mars 1934, le Conseil fédéral édicta un arrêté qui subordonnait à un permis l'ouverture de nouvelles entreprises de l'industrie horlogère, l'augmentation du nombre des ouvriers, l'agrandissement, la transformation et le déplacement des entreprises existantes, ainsi que l'exportation de pièces détachées. Enfin, un arrêté du Conseil fédéral du 13 mars 1936 conféra au Département de l'économie publique le droit de rendre obligatoires, même pour les maisons dissidentes, les tarifs minima adoptés par les organisations conventionnelles. Toutes ces mesures permirent notamment de supprimer la dissidence et la "sousenchère" et de maintenir dans d'étroites limites l'exportation des mouvements et des pièces détachées.
Le statut officiel de l'horlogerie a été renouvelé pour la dernière fois par l'arrêté fédéral du 22 juin 1951, qui est en vigueur jusqu'au 31 décembre 1961. Cet acte législatif subordonne à un permis l'exportation de parties détachées ainsi que l'ouverture de nouvelles entreprises, l'augmentation du nombre des ouvriers et la transformation d'entreprises existantes. En revanche, il ne règle plus les tarifs. D'après l'art. 43 al. 2 de l'ordonnance d'exécution du 21 décembre 1951, le Département fédéral de l'économie publique peut charger Fidhor des enquêtes nécessaires pour contrôler l'observation des dispositions légales.
C.-
a) Le 1er avril 1957, une nouvelle convention collective a été conclue pour une période allant de cette date au 31 mars 1959.
Cette convention maintenait la réciprocité syndicale (art. 5 et suiv.).
En outre, les tarifs et conditions de vente d'Ebauches SA et des groupements de l'UBAH faisaient partie intégrante de la convention et de tous les contrats de vente particuliers; les parties se reconnaissaient juridiquement obligées par eux après leur enregistrement par les Délégations
BGE 85 II 489 S. 492
réunies, de même que par les conditions conventionnelles de paiement (art.11). Des tarifs et conditions de vente pouvaient être établis pour chaque pièce détachée par entente directe entre les organisations; si les négociations n'aboutissaient pas à un accord dans un délai de trois mois, les tarifs étaient déterminés par des commissions tarifaires (art. 12). La même procédure s'appliquait lorsqu'une des parties demandait la modification des tarifs ou conditions de vente (art. 13 al. 3). En vertu de l'art. 13 al. 5 à 7, les modifications aux tarifs et conditions de vente d'Ebauches SA et de l'UBAH s'appliquaient immédiatement à toutes les nouvelles commandes et, après trois mois, aux commandes acceptées avant leur entrée en vigueur; les Délégations réunies avaient le pouvoir d'annuler, sans que des dommages-intérêts fussent dus, les commandes qu'elles jugeaient destinées à éluder ces dispositions. Sous réserve des compléments et modifications prévus par les art. 12 et 13, la convention maintenait les tarifs ainsi que les conditions de paiement et de vente qui étaient en vigueur le 31 mars 1957 (art. 87). Les commissions tarifaires prévues par la convention étaient réglementées par les art. 79 a à 79e. Une telle commission pouvait être créée pour chaque pièce détachée fabriquée par les membres des groupements conventionnels de l'UBAH (art. 79 a al. 2). Elle se composait de quatre experts neutres, dont deux étaient désignés par les clients et deux par le groupement intéressé de l'UBAH, et d'un président neutre nommé par les quatre experts (art. 79 a al. 3). Ces experts étaient tenus au secret de fonction et pouvaient être récusés pour les motifs prévus par le code de procédure civile du canton de Berne (art. 79 a al. 4). Pour établir ou modifier les tarifs et conditions de vente, la commission tarifaire devait procéder par expertise en commun dans des fabriques de pièces détachées répondant aux exigences du progrès technique, de la normalisation et de la rationalisation (art. 79 b al. 1); chaque entreprise visitée était tenue de mettre toute sa documentation à la disposition des experts (art. 79 b
BGE 85 II 489 S. 493
al. 5). Ceux-ci devaient déterminer le juste prix en tenant compte de tous les éléments constitutifs du prix de revient et, sur requête motivée, en prenant en considération le prix de la fourniture similaire fabriquée à l'étranger (art. 79 c). Le projet de tarif établi par une commission devait être soumis aux organisations intéressées; si l'une ou l'autre ne l'approuvait pas dans le délai de soixante jours, la commission tarifaire statuait souverainement et le tarif obligeait les parties après avoir été enregistré par les Délégations réunies (art. 79 d). Les commissions tarifaires étaient compétentes pour interpréter les tarifs et conditions de vente arrêtés par elles (art. 79 e).
Les Délégations réunies, organe d'exécution de la convention collective, étaient en outre chargées de certaines attributions judiciaires (art. 64 al. 2). Elles interprétaient la convention et décidaient si, par leurs décisions, elles l'appliquaient ou la modifiaient (art. 67 al. 2 et 4). Elles pouvaient prendre toutes les mesures qu'ellesjugeaient utiles contre les maisons dont l'activité était contraire à une saine application de la convention (art. 68). Leurs décisions constituaient des motifs valables d'annulation immédiate des contrats en cours, sans que des dommagesintérêts fussent dus (art. 69). Elles pouvaient ordonner la suspension, jusqu'à droit connu, des achats ou des ventes aux maisons inculpées d'infractions à laconvention (art. 72). En cas de contraventions, elles avaient le pouvoir de renvoyer directement l'affaire devant le Tribunal arbitral (art. 73 litt. c).
La convention prévoyait la constitution d'un Tribunal arbitral (
art. 82 à 85
). Cette autorité, qui avait son siège à Bienne, se composait de trois juges de carrière et de trois juges industriels (art. 82 al. 2 et 8); les premiers, choisis parmi les magistrats et anciens magistrats, étaient désignés l'un par le Tribunal cantonal de Neuchâtel, le deuxième par la Cour suprême du canton de Berne et le troisième par le Tribunal cantonal soleurois (art. 82 al. 3); les juges industriels étaient nommés par les juges de carrière, qui
BGE 85 II 489 S. 494
devaient choisir un fabricant d'horlogerie, un fabricant d'ébauches et un fabricant d'une pièce détachée de la montre (art. 82 al. 4). Pour chaque affaire, le Tribunal arbitral était composé de cinq juges: les trois juges de carrière et deux juges industriels désignés par le président d'après la nature de l'affaire (art. 82 al. 9). Si une infraction avait été retenue par les Délégations réunies à la charge de sa maison, un juge industriel était remplacé d'office par son suppléant jusqu'à décision contraire du président, mais en tout cas jusqu'à la clôture de l'affaire (art. 82 al. 10). Le Tribunal arbitral était compétent pour juger en dernier ressort toutes les contestations entre les organisations ou entre organisations et membres relatives à l'exécution et à l'interprétation de la convention, de même qu'à l'application des peines conventionnelles prévues (art. 83 al. 1). Il statuait également, sauf certaines exceptions, sur les recours formés contre les décisions des Délégations réunies (art. 83 al. 4). Ses jugements étaient susceptibles des recours prévus contre les sentences arbitrales par la loi bernoise (art. 83 al. 6). Au sujet des peines conventionnelles, l'art. 84 al. 5 statuait que toute partie qui ne pouvait justifier des écritures comptables ou une différence entre sa comptabilité et ses bordereaux fiscaux devait être condamnée à une peine additionnelle de 30% du montant non justifié conventionnellement. Le Tribunal arbitral pouvait ordonner la publication de ses jugements dans les bulletins des associations et d'autres journaux. Enfin, l'art. 85 réglait la procédure du tribunal.
Comme par le passé, l'organe de contrôle de la convention était Fidhor, dont les constatations avaient, jusqu'à preuve du contraire, force probante pour les Délégations réunies et le Tribunal arbitral (art. 80 al. 4). Au sujet des pouvoirs de cet organisme, l'art. 81 al. 3 et 4 statuait ce qui suit:
"Ils (les signataires) s'obligent à mettre à la disposition du contrôleur toute leur comptabilité commerciale, leur contrôle industriel et leur correspondance d'affaires. Ils ne peuvent invoquer le secret à propos de la documentation fiscale (notamment
BGE 85 II 489 S. 495
des bordereaux fiscaux) de la maison et de ses ayants droit. Fidhor est en droit de solliciter et d'obtenir des autorités fiscales tous renseignements ...; le fisc est alors délié du secret de fonction.
Le contrôle s'étend à toute l'activité et à toute la comptabilité de la maison, même si elles comprennent aussi des articles non soumis à la convention, complètement étrangers à l'horlogerie, des affaires ou des comptes personnels. Il s'étend également aux comptabilités des fournisseurs et des clients de la maison dans la mesure où elles la concernent."
Fidhor et ses agents étaient liés par le secret professionnel (art. 81 al. 8).
Enfin, selon l'art. 88, les dispositions conventionnelles relatives aux infractions visaient également les contraventions commises sous l'empire des conventions des 1er avril 1949 et 1er juillet 1954; de plus, elles étaient applicables pour toutes les parties pendant un an après l'expiration de la convention et, pour un signataire individuel, pendant un an après qu'il aurait cessé d'être conventionnel.
b) La convention collective du 1er avril 1957 a été remplacée par une nouvelle le 1er avril 1959.
D.-
Le 29 mars 1957, la F.H. a invité les membres de ses sections à signer des cartes d'adhésion à la nouvelle convention collective. Les demandeurs, qui font tous partie d'une section de la F.H., ont refusé de se soumettre à cet accord. Le 6 mai 1957, la F.H. a décidé que ces entreprises ne seraient plus considérées comme conventionnelles tant qu'elles n'auraient pas adhéré à la nouvelle convention.
E.-
Par mémoire du 22 juillet 1957, les demandeurs ont actionné la F.H., l'UBAH et Ebauches SA devant le Tribunal fédéral. Ils ont pris, en bref, les conclusions suivantes:
1.
a) Die Belieferungssperre der Beklagten gegenüber den Klägern sei als widerrechtlich bzw. wider die guten Sitten zu erklären, soweit sie bezweckt, den Klägern die bilateralen Übah-Tarife und folgende Bestimmungen der KK der Uhrenindustrie aufzuzwingen:
aa) betreffend die bilateralen Übah-Tarife, also Art. 11; Art. 12 Abs. 3 & 4; Art. 13 Abs. 2, 3, 5-7; Art. 15, 79a, 79b, 79c, 79d, 79e, 87, soweit nicht Ebauches SA betreffend, bb) die Schiedsgerichtsordnung, nämlich Art. 63 Abs. 2; Art. 64 Abs. 2 & 3; Art. 67 Abs. 2 & 4; Art. 68, 69,
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72; Art. 73 lit. c; Art. 80 Abs. 4; Art. 82, 83; Art. 84 neue Abs. 5 & Abs. 6 (bisher Abs. 5); Art. 85, 88.>
b) Folgende Bestimmungen der KK der Uhrenindustrie seien als für die Kläger unverbindlich zu erklären:
- in Art. 81 Abs. 3 der ganze 2. und 3. Satz ("Ils ne peuvent invoquer ..." und "Fidhor est en droit de ...")
- in Art. 81, Abs. 4, 1. Satz, folgende Ausdrücke: "des affaires ou des comptes personnels".
2. Die Beklagten seien zu verhalten, die Kläger als Unterzeichner der Kollektiv-Konvention der Uhrenindustrie unter Ausschluss der in Rechtsbegehren 1a und b genannten Bestimmungen so lange anzuerkennen, als diese Kollektiv-Konvention gilt.
3. Die für die Kläger nicht verbindlichen bilateralen Übah-Tarife seien überdies für sämtliche Unterzeichner der KK überhaupt als unverbindlich zu erklären.
Eventuell:
Die für die Kläger nicht verbindlichen bilateralen Übah-Tarife seien für die mit den Klägern in Geschäftsverkehr stehenden Unterzeichner der KK hinsichtlich dieses Geschäftsverkehrs als unverbindlich zu erklären.
Les défenderesses ont conclu au rejet de l'action.
Erwägungen
Considérant en droit:
1 et 2. - (Questions de procédure.)
3.
Les parties sont d'avis qu'on se trouve en l'espèce en présence d'un boycott d'assujettissement. Cette opinion est exacte. Les défenderesses imposent en effet à leurs membres l'abstention de tout rapport commercial avec les demandeurs pour obliger ceux-ci à se soumettre aux conditions de la convention collective, comme les autres maisons affiliées aux sections de la F.H.
D'après la jurisprudence constante du Tribunal fédéral (RO 73 II 76, 76 II 287, 81 II 124, 82 II 299 et 315), le boycott n'est pas illicite dans tous les cas. Au contraire, il constitue, dans la vie économique, un moyen de lutte admissible en soi. Il devient illicite, en revanche, si le but visé ou les moyens utilisés sont contraires au droit ou aux moeurs ou s'il existe une disproportion évidente entre l'avantage recherché par le boycotteur et le dommage causé au boycotté.
Il faut donc juger si l'une ou l'autre de ces conditions
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sont remplies en l'espèce, en examinant successivement les trois groupes de dispositions conventionnelles critiquées par les demandeurs, savoir celles qui concernent les tarifs bilatéraux de l'UBAH, celles qui ont trait à la juridiction arbitrale et les dispositions relatives aux pouvoirs de Fidhor.
4.
a) En ce qui concerne les tarifs bilatéraux de l'UBAH, les défenderesses exposent que, selon l'art. 12 al. 3 de la convention collective de 1957, des tarifs et conditions de vente pouvaient être établis pour les produits des membres des groupements conventionnels de l'UBAH. De tels tarifs, poursuivent-elles, ne faisaient pas nécessairement partie de la convention collective, mais procédaient d'un accord de volonté indépendant; sur ce point, c'est donc la décision d'établir des tarifs et non la convention collective qui aurait dû être attaquée par les demandeurs.
Il est exact que les tarifs n'étaient pas obligatoires en vertu de la convention collective. Mais, au moment où celle-ci est entrée en vigueur, ils existaient déjà et elle les a maintenus par son art. 87. Les maisons qui adhéraient à la convention s'obligeaient donc, en vertu de cette disposition, à observer ces tarifs et conditions de vente. D'autre part, si de nouveaux tarifs étaient établis, c'est en vertu des art. 11 et suiv. de la convention collective qu'ils liaient les entreprises affiliées aux sections de la F.H. et, en cas de violation, elles encouraient les peines conventionnelles prévues par cette même convention. Dès lors, si celle-ci était annulée sur les points en question comme le demandent Triebold et consorts, les tarifs n'auraient plus de caractère obligatoire pour les membres des sections de la F.H. Les demandeurs ont donc un intérêt juridique à l'annulation des dispositions qu'ils ont énumérées sous ch. 1a litt. aa de leurs conclusions.
b) Par la convention collective, notamment par les tarifs bilatéraux, les défenderesses veulent empêcher la dissidence, supprimer en partie la libre concurrence et
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régler les prix, pour soustraire autant que possible l'industrie horlogère aux crises qui l'ont frappée périodiquement. Ce but est conforme, pour l'essentiel, à celui que s'est proposé le législateur fédéral lorsqu'il a établi le statut de l'horlogerie de 1951 et, plus encore, à celui qui était visé par les arrêtés de 1934 et 1936. Il ne saurait donc être taxé d'illicite ou de contraire aux moeurs. Du reste, une réglementation des prix n'est illicite en soi que si elle tend à maintenir artificiellement des prix excessifs et à exploiter ainsi la clientèle (RO 54 II 168, 62 II 100). Les demandeurs ne prétendent pas que ces conditions soient remplies en l'espèce.
Quant aux moyens employés pour atteindre ce but, ils ne sont pas - abstraction faite de la juridiction arbitrale et des pouvoirs de Fidhor, qui seront examinés ci-dessous - contraires au droit ou aux moeurs.
Il reste donc à juger s'il existe une disproportion manifeste entre les avantages recherchés par le boycott et les dommages causés à ceux qui sont atteints par cette mesure.
Il est constant que les graves crises traversées par l'industrie horlogère provenaient dans une large mesure d'un manque de solidarité et d'organisation. Le "chablonnage" enlevait du travail à des entreprises indigènes, nuisait au bon renom de la montre suisse et favorisait l'émigration de l'industrie horlogère. En outre, la "sousenchère" entraînait la ruine de nombreux fabricants et empêchait de rétribuer convenablement les ouvriers. Cette situation exigeait une organisation stricte, qui fut mise sur pied avec l'aide de la Confédération. Le législateur fédéral subordonne lui-même à un permis l'ouverture ou l'agrandissement d'entreprises horlogères, ainsi que l'exportation de mouvements et de pièces détachées. Ces mesures furent complétées par les conventions collectives, qui instituèrent la réciprocité syndicale, en vertu de laquelle il n'était notamment permis aux fabricants de montres d'acheter des ébauches et autres pièces détachées qu'aux entreprises conventionnelles, affiliées à Ebauches SA et
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à l'UBAH. Enfin, ces conventions étaient assorties de tarifs bilatéraux, que le Département fédéral de l'économie publique put rendre obligatoires de 1936 à 1951.
Dans la présente procédure, les demandeurs ne critiquent pas la réciprocité syndicale. Ils prétendent en revanche qu'elle pourrait être maintenue sans les tarifs bilatéraux adoptés pour les produits des entreprises affiliées à l'UBAH. Cette opinion est erronée. Du moment que ces maisons ne sont autorisées à vendre leurs marchandises qu'à un cercle restreint d'acheteurs, il est nécessaire de leur donner l'assurance qu'elles pourront le faire à des prix rémunérateurs. Inversement, les fabricants d'horlogerie étant tenus de s'approvisionner auprès des membres des groupements de l'UBAH, il faut empêcher que ceux-ci, notamment en période de haute conjoncture, ne profitent de leur monopole pour imposer des prix abusivement élevés. Les tarifs bilatéraux constituent donc le complément indispensable de la réciprocité syndicale. Aussi bien ont-ils été approuvés par le législateur fédéral en 1936. De même, dans son message du 6 octobre 1950, (FF 1950 III p. 102), le Conseil fédéral exposait encore que, d'après les expériences faites depuis 1936, les autorités fédérales ne pouvaient se désintéresser de la fixation des prix. Il est vrai que, sur ce point, les conseils législatifs n'ont pas adopté les propositions du Conseil fédéral et ont éliminé du statut de 1951 toute disposition concernant les prix. Mais les demandeurs y voient à tort la démonstration que des tarifs ne sont pas nécessaires. Les Chambres fédérales n'ont nullement nié l'importance de tels tarifs. Si elles n'ont pas admis sur ce point la proposition du Conseil fédéral, c'est parce que sa base constitutionnelle était douteuse et que le même résultat pouvait être atteint par des conventions de droit privé (cf. Bull. stén., 1950 CE p. 370 et 438, 1951 CN p. 293/294 et 346).
Il faut considérer en outre que l'industrie horlogère est fortement décentralisée et compte un grand nombre de petites entreprises à caractère artisanal, puisque plus de 1700 d'entre elles ne sont pas soumises à la loi sur le travail
BGE 85 II 489 S. 500
dans les fabriques. Sa dispersion permet à une importante population rurale de trouver une source de gain sur place, sans émigrer dans les grands centres. Cette structure de l'industrie horlogère est très heureuse du point de vue social et doit être conservée autant que possible. C'est du reste un des buts que le législateur fédéral s'est proposé en édictant le statut de l'horlogerie (cf. message du Conseil fédéral du 6 octobre 1950, loc. cit. p. 106). Or les tarifs contribuent également au maintien de cette situation. En effet, s'ils n'existaient pas, une diminution éventuelle des commandes provoquerait nécessairement la "sous-enchère" et la baisse générale des prix. Ce phénomène frapperait en premier lieu les petites entreprises, qui disparaîtraient au profit des grandes, plus aptes à soutenir la concurrence grâce à leurs réserves financières et à la rationalisation poussée de leur fabrication.
Cependant, pour être dignes d'être protégés, il ne faut pas que les tarifs obligatoires soient fondés sur la situation des entreprises les moins bien organisées et encouragent ainsi la stagnation. En outre, ils ne doivent point être imposés par une des parties au détriment de l'autre. Ils satisfaisaient à ces exigences en l'espèce. Les art. 12, 13 et 79 a à 79e de la convention de 1957 statuaient qu'à défaut d'entente directe entre les organisations intéressées, les prix étaient fixés par une commission constituée paritairement et présidée par une personne neutre; les membres de cette commission pouvaient être récusés pour les motifs prévus par le code de procédure civile bernois. D'autre part, pour établir ou modifier les tarifs et conditions de vente, la commission tarifaire devait se fonder sur le prix de revient déterminé par des expertises effectuées dans des fabriques répondant aux exigences du progrès technique, de la normalisation et de la rationalisation.
Ainsi, les tarifs critiqués par les demandeurs visent le même but que le statut édicté par le législateur et protègent efficacement une des branches les plus importantes de l'économie suisse. Ils prévalent dès lors sur les intérêts
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particuliers des demandeurs, qui représentent moins de 2% des entreprises horlogères (cf. RO 62 II 281).
5.
Les demandeurs critiquent en outre la juridiction arbitrale imposée par la convention collective, ainsi que la compétence judiciaire attribuée aux Délégations réunies. A leur avis, cette convention ne pouvait les soustraire à leur juge naturel; le droit garanti par l'art. 58 Cst. doit également être respecté sur le terrain du droit civil: en vertu de l'art. 27 CO, il est contraire au droit de la personnalité qu'un individu soit distrait de son juge naturel contre sa volonté. Au surplus, disent-ils, le Tribunal arbitral n'était nullement nécessaire pour que la convention collective pût être appliquée; les tâches confiées à cette juridiction pouvaient être remplies tout aussi bien par les juges ordinaires.
Chacun a le droit, en principe, de renoncer à son juge naturel. Une telle renonciation ne saurait cependant être imposée à un individu, sous menace d'un boycott, lorsque le but visé ou les moyens utilisés sont illicites ou contraires aux moeurs. En outre, une telle mesure coercitive doit être justifiée par des intérêts supérieurs à celui qu'a le boycotté à ne relever que de son juge naturel. C'est ainsi qu'un boycott n'est jamais admissible lorsqu'il tend à soumettre la personne visée à un tribunal arbitral dont l'impartialité est douteuse, notamment parce qu'il n'a pas été constitué paritairement.
Le but que la F.H., l'UBAH et Ebauches SA se proposaient en 1957 en imposant une juridiction arbitrale aux entreprises qui leur étaient affiliées et les moyens qu'elles utilisaient n'étaient ni illicites ni contraires aux moeurs.
D'autre part, cette juridiction avait pour elles un intérêt évident. car elle permettait une meilleure application de la convention collective. Si les infractions à cet accord avaient dû être soumises à diverses autorités cantonales, celles-ci auraient risqué d'avoir une jurisprudence divergente et, comme le montant des peines est essentiellement une question d'appréciation, le Tribunal fédéral n'aurait
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pu assurer qu'imparfaitement une application uniforme de la convention. On obtenait en revanche ce résultat en soumettant tous les cas à la même juridiction arbitrale. En outre, le Tribunal arbitral était composé de personnes qui connaissaient bien l'organisation et les problèmes de l'industrie horlogère; certaines d'entre elles, savoir les juges industriels, avaient même l'expérience pratique de la direction d'une entreprise d'horlogerie.
Le Tribunal fédéral a déjà jugé, d'autre part (RO 81 I 328 et suiv.), que la juridiction arbitrale instituée par la convention collective offrait toutes les garanties d'une autorité indépendante. De fait, les trois juges de carrière qui faisaient partie du Tribunal arbitral étaient élus par les autorités judiciaires suprêmes des cantons de Neuchâtel, Berne et Soleure et c'étaient eux qui désignaient les juges industriels. Sans doute ceux-ci étaient-ils nécessairement attachés à des entreprises affiliées à la F.H., à l'UBAH ou à Ebauches SA Mais, la plupart du temps, c'eût aussi été le cas des experts auxquels les tribunaux ordinaires auraient dû recourir. Au surplus, il n'est nullement certain que les juges industriels aient eu tendance à défendre les intérêts des associations au dépens de ceux de la maison inculpée; ils pouvaient parfois se trouver dans la même situation que cette dernière; à son art. 82 al. 10, la convention collective de 1957 envisageait expressément ce cas. En outre, la majorité appartenait toujours aux juges de carrière. Tous les membres du Tribunal arbitral, enfin, pouvaient être récusés pour les motifs prévus par le code de procédure civile bernois (cf. art. 384).
Dès lors, si l'institution de la juridiction arbitrale frappait les demandeurs dans leurs intérêts personnels, cette atteinte n'était pas illicite, car elle était encore justifiée par les intérêts généraux de l'industrie horlogère.
Enfin, les demandeurs se plaignent à tort des compétences judiciaires accordées aux Délégations réunies. En général, les décisions de cet organe étaient susceptibles de recours au Tribunal arbitral, qui pouvait les revoir librement
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(art. 83 al. 5 de la convention collective). Or, comme on l'a vu, cette juridiction offrait les garanties nécessaires quant à son impartialité. Parmi les points critiqués par les demandeurs, seules les décisions prises par les Délégations réunies en vertu de l'art. 73 litt. c de la convention collective ne pouvaient être déférées au Tribunal arbitral. Mais cette clause permettait simplement aux Délégations réunies, au lieu de classer l'affaire ou de proposer d'abord une liquidation administrative, de renvoyer directement l'entreprise contrevenante devant la juridiction arbitrale. Celle-ci pouvant à bon droit être imposée avec menace d'un boycott, on ne voit pas en quoi l'art. 73 litt. c portait une atteinte illicite aux intérêts personnels des demandeurs.
6.
a) Les demandeurs critiquent les dispositions conventionnelles en vertu desquelles Fidhor pouvait exiger des signataires tous leurs documents fiscaux, obtenir des autorités les renseignements qu'elle désirait à ce sujet et étendre son contrôle à toute l'activité et à toute la comptabilité des membres des organisations horlogères, même si elles comprenaient aussi des articles non soumis à la convention, complètement étrangers à l'horlogerie, des affaires ou des comptes personnels. Ils estiment que ces clauses portaient à leurs intérêts personnels une atteinte telle qu'elles ne pouvaient être imposées par un boycott.
Pour que la convention collective produisît son plein effet, il était indispensable d'en surveiller étroitement l'application. En particulier, un tel contrôle devait permettre de déceler toutes les manoeuvres par lesquelles les contrevenants cherchaient à éluder les dispositions conventionnelles, notamment les tarifs obligatoires. La suppression du secret fiscal et la faculté de consulter également les comptes privés des fabricants étaient donc des mesures parfaitement adéquates. D'autre part, ce contrôle était confié à un organe qui était lié par le secret professionnel, qui ne consignait dans ses rapports que les faits susceptibles d'être considérés comme des infractions (art. 81 al. 9 de la convention collective) et qui a la confiance du législateur
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fédéral, puisque, en vertu de l'art. 43 al. 2 de l'ordonnance d'exécution du 21 décembre 1951, le Département fédéral de l'économie publique peut charger Fidhor des enquêtes nécessaires pour contrôler l'observation du statut de l'horlogerie.
Dès lors, l'atteinte que les pouvoirs de contrôle accordés à Fidhor par la convention collective de 1957 portaient aux intérêts personnels des demandeurs n'était pas illicite, car elle était justifiée par les intérêts prépondérants de l'industrie horlogère.
b) Les demandeurs se plaignent enfin de l'art. 80 al. 4 de la convention collective, en vertu duquel les constatations de fait figurant dans les rapports d'enquête de Fidhor avaient, jusqu'à preuve du contraire, force probante pour les Délégations réunies et le Tribunal arbitral. Cependant, cette disposition ne les frappait pas de façon excessive dans leurs intérêts personnels: l'entreprise à laquelle une contravention était reprochée pouvait apporter la preuve contraire et il appartenait en définitive au Tribunal arbitral d'apprécier la valeur probante du rapport de Fidhor et celle des éléments invoqués par le fabricant en cause, puis de donner la préférence à l'une ou à l'autre des thèses en présence.
7.
Ainsi, dans la mesure où elle est recevable, la demande n'est fondée sur aucun de ses points et doit être rejetée. | public_law | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a2d2a59c-b50b-4fac-a7e6-d318a835ef93 | Urteilskopf
101 Ia 269
45. Urteil vom 17. Juni 1975 i.S. Bachmann und Mitbeteiligte gegen Kanton St. Gallen. | Regeste
St. Galler Gesetz über die Wasserfahrzeugsteuer vom 8. Mai 1974.
Die Kantone sind auf Grund ihrer Steuerhoheit befugt, Wasserfahrzeuge mit Standort in ihrem Gebiet zu besteuern (E. 2).
Die am st. gallischen Bodensee-Ufer stationierten und von diesem Ufer aus in Verkehr gesetzten Schiffe unterstehen der Steuerhoheit des Kantons St. Gallen (E. 3).
Das St. Galler Gesetz über die Wasserfahrzeugsteuer lässt sich mit den internationalen und interkantonalen Verträgen vereinbaren (E. 4) und verstösst weder gegen bundesrechtliche noch gegen kantonalrechtliche Normen (E. 5-8). | Sachverhalt
ab Seite 270
BGE 101 Ia 269 S. 270
Das Gesetz über die Wasserfahrzeugsteuer (WFStG) wurde am 8. Mai 1974 vom St. Galler Grossen Rat und - nach Ergreifung des Referendums - am 20. Oktober 1974 von den St. Galler Stimmbürgern angenommen.
Das WFStG bestimmt, dass der Staat von den Haltern von Wasserfahrzeugen eine Steuer erhebt (Art. 1), umschreibt die besteuerten Fahrzeuge (Art. 2/3) und regelt in Art. 4 die Grundlagen der Steuerbemessung.
Art. 2 und 4 lauten wörtlich:
Art. 2 "Der Steuer unterliegen die Wasserfahrzeuge:
a) für deren Inverkehrsetzung eine Betriebsbewilligung des Kantons St. Gallen erforderlich ist:
b) die im Kanton St. Gallen ihren gewöhnlichen Standort haben;
c) die vom st. gallischen Ufer aus auf dem Bodensee, Zürichsee oder Walensee in Verkehr gesetzt werden (Wanderboote)."
Art. 4 "Die Höhe der Steuer richtet sich nach:
a) der Motorenleistung für Motorschiffe;
b) der Segelfläche für Segelschiffe;
c) der Nutzlast für Lastschiffe."
In Art. 5 WFStG werden die Steuertarife im einzelnen festgelegt.
Sechs Personen, welche als Halter von im Kanton St. Gallen stationierten Segelbooten der Wasserfahrzeugsteuer unterliegen, sowie der Yachtclub Rapperswil haben nach der Volksabstimmung fristgerecht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, das Gesetz über die Wasserfahrzeugsteuer sei vollumfänglich aufzuheben, eventuell sei das Gesetz an den Grossen Rat des Kantons St. Gallen zurückzuweisen "und es sei dieser einzuladen, ein neues Gesetz über die Erhebung von Wasserfahrzeuggebühren nach dem Verursacher- und Kostendeckungsprinzip zu erlassen".
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
(Prozessuales).
2.
Die Wasserfahrzeugsteuer ist eine Objektsteuer. Nach einem andern Einteilungskriterium könnte die Abgabe auch als Besitzessteuer bezeichnet werden (vgl. BLUMENSTEIN,
BGE 101 Ia 269 S. 271
System des Steuerrechts, 3. A. S. 162). Allerdings ist offenbar nicht der blosse Besitz, sondern das Inverkehrsetzen eines Wasserfahrzeuges die eigentliche Grundlage der Besteuerung. Ähnlich wie bei der Hundesteuer und der Motorfahrzeugsteuer besteht der Zweck der fiskalischen Belastung nicht nur in der allgemeinen Beschaffung von Geldmitteln; mindestens teilweise hat die Abgabe auch die Funktion einer Gebühr, indem die Verursacher bestimmter Verwaltungskosten (Seerettungsdienst, polizeiliche Überwachung usw.) zu finanziellen Leistungen herangezogen werden sollen (Gemengsteuer).
Die Kantone haben auf Grund ihrer Steuerhoheit die Möglichkeit, die Halter von Schiffen nicht nur mit kostendeckenden Gebühren zu belasten, sondern auch eine Objektsteuer zu erheben. Es bedarf hiefür keiner bundesrechtlichen Ermächtigung.
Art. 105 SVG
, der das Recht der Kantone zur Besteuerung von Strassenfahrzeugen ausdrücklich vorbehält, bestätigt lediglich eine aus der Finanzhoheit der Kantone sich ergebende Kompetenz und regelt gewisse Abgrenzungsfragen. Der Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt enthält in Art. 59 eine ähnliche Bestätigung der Steuerhoheit der Kantone (BBl 1974 I S. 1580, Amtl.Bull. N 1974 S. 1793 ff.); darnach können die Kantone Schiffe mit Standort in ihrem Gebiet besteuern. Mit dieser Bestimmung wird eine auf Grund der originären Steuerhoheit der Kantone bereits vorhandene Besteuerungsmöglichkeit auch bei Einführung einer bundesrechtlichen Ordnung der Binnenschiffahrt ausdrücklich gewahrt, aber nach dem ursprünglichen Entwurf auf Schiffe mit Standort im Kantonsgebiet beschränkt, unter Ausschluss der sogenannten Wanderboote (vgl. Art. 2 lit. c, Art. 6 WFStG). Ob die Einschränkung in bezug auf die sogenannten Wanderboote schon de lege lata aus einer bundesrechtlichen Norm abgeleitet werden kann, ist hier nicht zu prüfen, da die Beschwerdeführer nicht geltend machen, Art. 2 lit. c WFStG sei verfassungswidrig, weil die Steuerhoheit des Kantons sich nicht auf die anderwärts stationierten, aber von einem st. gallischen Ufer aus in Verkehr gesetzten Boote erstrecke. - Die Frage der interkantonalen Abgrenzung des Rechtes zur Besteuerung von Wasserfahrzeugen wurde auch im Laufe der noch nicht abgeschlossenen Beratung des eidgen. Binnenschiffahrtsgesetzes diskutiert (vgl. Amtl.Bull. N 1974 S. 1793). Ob das WFStG mit der Lösung übereinstimmt, die schliesslich in
BGE 101 Ia 269 S. 272
der Bundesgesetzgebung getroffen wird, kann und muss hier nicht beurteilt werden. Das Bundesgericht hat sich in diesem Verfahren darauf zu beschränken, die zur Begründung der Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Gesetzes vorgebrachten Rügen auf Grund des geltenden Rechts zu prüfen.
Die allgemein gegen die Erhebung einer kantonalen Wasserfahrzeugsteuer erhobenen Einwendungen sind nicht stichhaltig. Aus dem Bundesrecht lässt sich nicht ableiten, Wasserfahrzeuge dürften nur mit kostendeckenden Gebühren belastet werden. Auch der Umstand, dass die Wasserfahrzeugsteuer, deren Einführung in erster Linie mit den staatlichen Aufwendungen für die private Schiffahrt begründet worden ist (Botschaft des Regierungsrates im Amtsblatt vom 29. Oktober 1973 S. 1295 ff.), nicht als eigentliche Zwecksteuer ausgestaltet wurde, verstösst weder gegen eine Verfassungsnorm noch gegen eine andere bundesrechtliche Vorschrift. Auch wenn die Erhebung einer Steuer mit bestimmten Staatsausgaben begründet wird, so ergibt sich daraus keine Pflicht des Gesetzgebers, die Verwendung der Erträge dieser Steuer durch gesetzliche Vorschrift zu regeln und eine streng zweckgebundene Steuer zu schaffen. Das Fehlen einer gesetzlichen Zweckbindung macht die angefochtene Wasserfahrzeugsteuer nicht verfassungswidrig.
3.
Die Steuerhoheit - die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit eines Gemeinwesens, Steuern zu erheben - ist ein Ausfluss der Gebietshoheit (BLUMENSTEIN, a.a.O. S. 32). Die Beschwerdeführer machen geltend, durch die Besteuerung der auf dem Bodensee eingesetzten Boote greife der Kanton St. Gallen über sein Territorium hinaus und verlange eine Steuer auf Objekten, die seiner Steuerhoheit nicht unterstehen. Dieser Einwand wird auf die sogenannte Kondominatstheorie gestützt, wonach der Bodensee ein gemeinsames Herrschaftsgebiet (Kondominium) der Uferstaaten bilden soll. Diese Theorie ist von der Schweiz nie anerkannt worden; Deutschland hat sie während des ersten Weltkrieges aufgegeben (zur Entwicklung und zum heutigen Stand der Kontroverse über die Gebietshoheit: SJK Nr. 466 REALE, Bodensee; GUGGENHEIM, Lehrbuch des Völkerrechts I, S. 347).
Selbst wenn man keine Realteilung des Sees, sondern ein Kondominium der Uferstaaten annehmen würde, so wäre schon aus rein praktischen Gründen ein begrenzter Uferstreifen der
BGE 101 Ia 269 S. 273
ausschliesslichen Herrschaft des Anliegerstaates zuzuweisen. Auch Österreich als Verfechter der Kondominatstheorie beansprucht und anerkennt das ausschliessliche Hoheitsrecht des Uferstaates im sogenannten Haldengebiet, d.h. bis zu einer bestimmten Wassertiefe (DIEZ, Probleme des internationalen Nachbarrechts im Bodenseeraum, in: Festschrift Dr. Simon Frick 1974, S. 109).
Boote, die an einem st. gallischen Seeufer ihren gewöhnlichen Standort haben oder für deren Inverkehrsetzung nach den polizeirechtlichen Vorschriften eine Betriebsbewilligung des Kantons St. Gallen notwendig ist, stehen zu diesem Kanton in einer so nahen Beziehung, dass eine auch die Steuerhoheit umfassende tatsächliche und rechtliche Herrschaftsgewalt angenommen werden darf. Ob dies auch für sogenannte Wanderboote zutrifft, welche in einem andern Kanton immatrikuliert sind und nur vorübergehend vom st. gallischen Ufer aus in Verkehr gesetzt werden, braucht hier - wie bereits dargelegt - wegen Fehlens einer entsprechenden Rüge nicht entschieden zu werden.
Auf jeden Fall lässt sich aus der von der Schweiz nie anerkannten Kondominatstheorie nicht ableiten, der Kanton St. Gallen dürfe die am st. gallischen Bodenseeufer stationierten und von diesem Ufer aus in Verkehr gesetzten Schiffe nicht besteuern. Es verletzt keine Vorschrift des Verfassungsrechts, anzunehmen, die auf dem Bodensee verwendeten Wasserfahrzeuge seien der Gebietshoheit und damit auch der Steuerhoheit des Standortkantons oder subsidiär jenes Kantons, der die Betriebsbewilligung erteilte, unterstellt. Indem der Kanton St. Gallen die am st. gallischen Ufer des Bodensees stationierten Boote besteuert, überschreitet er die ihm zustehende Steuerhoheit nicht.
4.
Die Beschwerdeführer rügen, dass das WFStG den zur Zeit noch geltenden Vertrag zwischen den Bodenseeuferstaaten betreffend eine internationale Schiffahrts- und Hafenordnung auf dem Bodensee vom 22. September 1867 (aISHO) verletze. Die Erhebung einer Wasserfahrzeugsteuer verstosse überdies gegen die interkantonale Vereinbarung über- die Schiffahrt auf dem Zürichsee und dem Walensee.
Kantonales Recht muss den internationalen und interkantonalen Vereinbarungen entsprechen. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann gemäss
Art. 84 lit. b und c OG
auch die
BGE 101 Ia 269 S. 274
Verletzung von Konkordaten und von Staatsverträgen gerügt werden.
a) Der Kanton St. Gallen anerkennt, dass sich aus Art. 1 Abs. 1 der aISHO vom 22. September 1867 (BS 13, S. 379 ff.) gegen die Erhebung von Wasserfahrzeugsteuern rechtliche Bedenken ergeben (Botschaft zum WFStG, Amtsblatt 1973, S. 1294); die Vertragsstaaten dürfen gemäss Art. 1 Abs. 1 nur die in der vertraglichen Ordnung vorgesehenen Abgaben und Gebühren jeder Art erheben. Das neue Übereinkommen vom 1. Juni 1973, das noch nicht in Kraft gesetzt wurde, enthält kein solches Verbot anderer Abgaben (BBl 1973 S. 961 ff.). Der Regierungsrat erklärt in seiner Vernehmlassung, er werde das WFStG nicht in Kraft treten lassen, bevor die aISHO aufgehoben und durch das neue Übereinkommen vom 1. Juni 1973 ersetzt sei. Das entspricht auch der Stellungnahme in der bereits erwähnten Botschaft zum WFStG.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, zu prüfen, ob die aISHO der Erhebung einer Wasserfahrzeugsteuer entgegenstünde. Der für die Bestimmung des Zeitpunktes des Vollzuges zuständige Regierungsrat (Art. 12 WFStG) hat verbindlich erklärt, er werde die Wasserfahrzeugsteuer erst erheben, wenn die aISHO aufgehoben sei. - Dass das neue Übereinkommen keine Vorschrift enthält, welche die Wasserfahrzeugsteuer verbietet, ist unbestritten. Die aISHO kann der Vorbereitung eines erst nach ihrer Aufhebung in Kraft tretenden Steuererlasses nicht entgegenstehen. Auf Grund der Zusicherung des Regierungsrates über den Zeitpunkt des Vollzugsbeginns des WFStG ist ein Konflikt zwischen diesem Erlass und der aISHO ausgeschlossen. Dass das WFStG möglicherweise mit dem jetzt noch geltenden, aber vor der Aufhebung stehenden Vertrag von 1867 nicht im Einklang steht, führt nicht zu einer Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde, da der vom Volk angenommene kantonale Erlass erst in Kraft tritt, wenn die allenfalls entgegenstehende staatsvertragliche Bestimmung aufgehoben ist.
b) Die Interkantonale Vereinbarung über die Schiffahrt auf dem Zürichsee und dem Walensee vom 15. Februar 1966 enthält in Art. 158 die Bestimmung, dass die Erhebung von Gebühren und der Ersatz von Barauslagen der Vollzugsorgane sich nach Vorschriften der Interkantonalen Schiffahrtskommission richte. Die Schiffahrtskommission erliess ein Reglement,
BGE 101 Ia 269 S. 275
in welchem u.a. auch das Gebührenwesen in den Art. 130 ff. geordnet wird. Bei den in dieser Weise festgelegten Abgaben handelt es sich um eigentliche Gebühren für bestimmte amtliche Handlungen, wie Schiffsuntersuchungen und Schiffsführerprüfungen. Die Frage einer speziellen Besteuerung der Wasserfahrzeuge wird damit nicht berührt. Aus dem auf Grund der interkantonalen Vereinbarung geschaffenen einheitlichen Gebührentarif kann nicht der Schluss gezogen werden, damit habe man jede anderweitige fiskalische Belastung der Wasserfahrzeuge durch die beteiligten Kantone ausschliessen wollen.
In der interkantonalen Vereinbarung selber ist im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Untiefenbezeichnung, den Sturmwarn- und den Seerettungsdienst (Art. 129 Abs. 3 und 154) ausdrücklich vorgesehen, dass die Kantone die Halter der Schiffe zur Entrichtung eines jährlichen Beitrages an die Kosten dieser besondern Massnahmen verpflichten können. Schon nach dem Wortlaut der Vereinbarung sind somit - neben den Gebühren gemäss einheitlichem Tarif - nach kantonalem Recht abgestufte jährliche Beiträge zulässig. Die Beschwerdeführer vertreten jedoch die Auffassung, damit sei in der Vereinbarung der Kreis der möglichen Abgaben abschliessend geordnet, und eine eigentliche Wasserfahrzeugsteuer verletze daher dieses Konkordat.
Der Aufbau der Interkantonalen Vereinbarung lässt den Schluss nicht zu, die beteiligten Kantone hätten sich gegenseitig verpflichtet, keine eigentliche Wasserfahrzeugsteuer zu erheben. Mit Art. 158 Abs. 1 wird eine Vereinheitlichung der Gebühren vereinbart. Art. 129 Abs. 3 und Art. 154 verweisen die Uferkantone auf die Möglichkeit, zur Finanzierung der Untiefenbezeichnung, des Sturmwarn- und Seerettungsdienstes Beiträge zu erheben. Daraus kann nicht gefolgert werden, die fiskalische Belastung mit einer Objektsteuer habe man ausschliessen wollen. Wahrscheinlich wurde bei der Vorbereitung des Konkordates die Möglichkeit einer eigentlichen Besteuerung des Bootsbesitzes gar nicht erörtert. Der interkantonale Vertrag verfolgte in erster Linie polizeiliche Ziele. Trotz der Vereinbarung einer einheitlichen Regelung der Gebühren bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass man Unterschiede der fiskalischen Belastung zwischen den auf den beiden Seen verkehrenden Booten verhindern wollte. Art. 129 und 154 haben
BGE 101 Ia 269 S. 276
die Möglichkeit unterschiedlicher Kostenüberwälzung auf die Bootshalter geschaffen. Das Fehlen einer Vorschrift über die eigentliche Besteuerung von Wasserfahrzeugen lässt sich nicht als Vereinbarung eines Besteuerungsverbotes interpretieren.
c) Der Kanton St. Gallen hat bisher gestützt auf die erwähnten Bestimmungen der Interkantonalen Vereinbarung (Art. 129 und Art. 154) zur teilweisen Deckung der Kosten, die aus der Untiefenbezeichnung sowie aus dem Sturmwarn- und Seerettungsdienst erwachsen, Kostenbeiträge erhoben (Art. 29 ff. der Vollzugsverordnung zu den interkantonalen Vorschriften über die Schiffahrt auf dem Zürichsee und dem Walensee vom 27. Mai 1968). Daraus, dass bisher nur ein Teil der anfallenden Kosten den Besitzern von Motorbooten und Segelschiffen auferlegt wurde, ergibt sich kein verfassungsrechtliches Argument gegen die Zulässigkeit der Wasserfahrzeugsteuer. Das Bundesgericht hat nicht zu prüfen, ob mit der bisherigen Ordnung eine gerechte Kostenverteilung erreicht wurde; denn, wie bereits dargelegt, ist es den Kantonen grundsätzlich nicht verwehrt, Wasserfahrzeuge ohne Beachtung des Verursacher- und Kostendeckungsprinzips mit einer reinen Objektsteuer oder einer Gemengsteuer zu belegen. Ob auch für eine andere Form und Ausgestaltung der fiskalischen Belastung gewichtige Gründe angeführt werden können, ist für die verfassungsrechtliche Überprüfung der vom kantonalen Gesetzgeber gewählten Lösung nicht entscheidend. Nach Einführung der Wasserfahrzeugsteuer soll auf die bisher von den Schiffshaltern am Zürichsee und am Walensee erhobenen Kostenbeiträge (für den Seerettungsdienst usw.) verzichtet werden. Dass dieser in der Botschaft zum WFStG zugesicherte Verzicht im Gesetzestext selber nicht zum Ausdruck kommt, ist kein Grund zur Aufhebung des Gesetzes. Das Versprechen kann zweckmässigerweise durch eine entsprechende Abänderung der Vollzugsverordnung vom 27. Mai 1968 eingehalten werden.
5.
a) Die Beschwerdeführer behaupten nicht ausdrücklich, die Verfassung des Kantons St. Gallen verbiete die Erhebung einer Wasserfahrzeugsteuer. In der von ihnen mehr beiläufig angeführten Bestimmung von Art. 55 Ziff. 7 KV wird die Budgetkompetenz des Grossen Rates umschrieben sowie die Kompetenz zur Erhebung der erforderlichen Abgaben und Steuern "nach jeweiligen Gesetzen und Verordnungen" erwähnt.
BGE 101 Ia 269 S. 277
Inwiefern sich aus dieser Vorschrift ein verfassungsrechtliches Argument gegen das WFStG ableiten lassen soll, wird nicht dargetan. Falls die Beschwerdeführer gestützt auf Art. 55 KV eine eigentliche Rüge erheben wollten, so fehlt dieser Rüge auf jeden Fall die notwendige Substantiierung (
Art. 90 Abs. 1 lit. c OG
).
b) Art. 3 des Steuergesetzes (StG) des Kantons St. Gallen hat (in der Fassung vom 23. Juni 1974) folgenden Wortlaut:
"Der Staat erhebt jährlich zur Deckung der Ausgaben, die nicht aus andern Einnahmen bestritten werden können:
a) von natürlichen Personen Einkommens-, Beteiligungsgewinn- und Vermögenssteuern;
b) von juristischen Personen Reinertrags- und Eigenkapitalsteuern oder an deren Stelle Minimalsteuern;
c) von natürlichen und juristischen Personen Grundstückgewinnsteuern."
In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Erhebung einer Wasserfahrzeugsteuer verstosse gegen diesen
Art. 3 StG
, da weitere Steuern ohne Abänderung dieser Bestimmung nicht erhoben werden dürften. Diese Rüge, auf die lediglich unter dem Aspekt der Willkür eingetreten werden kann, ist offensichtlich unbegründet.
Art. 3 StG
enthält schon seinem Wortlaut nach keine abschliessende Aufzählung aller kantonalen Abgaben, die als Steuern zu qualifizieren sind, sondern umschreibt nur die in jenem Abschnitt des Steuergesetzes geregelten Staatssteuern. Dass unter den erwähnten "andern Einnahmen" keine Steuern sein dürften, lässt sich dieser Bestimmung nicht entnehmen. Zudem könnte der Gesetzgeber auf jeden Fall durch einen späteren Erlass von Gesetzesrang eine neue Steuer einführen. Selbst wenn
Art. 3 StG
ursprünglich als abschliessende Aufzählung aller kantonalen Steuern gemeint gewesen wäre, so stünde eine solche Vorschrift der Schaffung einer neuen Steuer durch einen späteren Erlass der gleichen Stufe nicht entgegen.
6.
Art. 27quinquies BV
gibt dem Bund die Kompetenz zur Schaffung von Vorschriften über Turnen und Sport der Jugend und verpflichtet ihn zur Förderung von Turnen und Sport der Erwachsenen. Diese Verfassungsnorm verbietet den Kantonen nicht, Einrichtungen und Fahrzeuge, welche der Ausübung eines Sportes dienen, mit einer Objektsteuer zu belegen.
BGE 101 Ia 269 S. 278
Ein solches Besteuerungsverbot ist auch dem Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport vom 17. März 1972 nicht zu entnehmen. Wohl lassen sich aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Bundes zur Förderung von Turnen und Sport und aus den gestützt auf
Art. 27quinquies BV
erlassenen bundesrechtlichen Vorschriften gewisse gesetzgebungspolitische Argumente gegen eine kantonale Besteuerung von "Sportgeräten" ableiten; aber das Bundesrecht verbietet die Erhebung einer solchen Objektsteuer an sich nicht. In welchem Umfange die vom angefochtenen WFStG erfassten Wasserfahrzeuge der Ausübung eines eigentlichen Sportes dienen, ist hier nicht zu untersuchen; denn selbst der Nachweis, dass ein Wasserfahrzeug ausschliesslich der Ausübung einer gemäss
Art. 27quinquies BV
förderungswürdigen sportlichen Betätigung dient, hätte nicht die Verfassungswidrigkeit der Erhebung einer kantonalen Objektsteuer zur Folge; die bundesrechtlichen Vorschriften über Turnen und Sport schränken die kantonale Besteuerungsmöglichkeit nicht ein.
7.
In der Beschwerdeschrift wird die Ausgestaltung der Wasserfahrzeugsteuer in verschiedener Hinsicht beanstandet, ohne dass die Beschwerdeführer aber darlegten, inwiefern die getroffene Regelung gegen Verfassungsnormen verstossen soll.
a) Eine Steuer muss nicht nach dem Verursacher- und Kostendeckungsprinzip erhoben werden, auch wenn einer ihrer Zwecke darin besteht, die Verursacher oder Nutzniesser bestimmter staatlicher Aufwendungen fiskalisch zu belasten. Erfolgt diese Belastung nicht durch eine Gebühr oder Vorzugslast, sondern in der Form der eigentlichen Besteuerung nach schematischen Kriterien, so sind gewisse Abweichungen vom Verursacher- und Kostendeckungsprinzip verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Dass die Vorschriften des WFStG auslegungsbedürftig sind und dass in einzelnen Punkten vielleicht eine klarere, präzisere Regelung möglich wäre, ist kein Grund zur verfassungsrechtlichen Aufhebung des Gesetzes. Sollte die Interpretation in willkürlicher Weise erfolgen oder andere Verfassungsprinzipien verletzen, so können sich die Betroffenen mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Wehr setzen. Dass die gewählte gesetzliche Ordnung als solche verfassungswidrig sei und nicht verfassungskonform ausgelegt werden könne, wird in der Beschwerdeschrift nicht dargetan.
BGE 101 Ia 269 S. 279
Insbesondere erscheinen die Kriterien der Steuerbemessung als sachlich begründet. Wie die Segelfläche im einzelnen zu berechnen ist und nach welcher Methode die Motorenleistung bestimmt werden soll, lässt sich in einem Ausführungserlass noch näher umschreiben. Dass Segelschiffe mit Hilfsmotor sowohl nach der Segelfläche als auch nach der Stärke des Hilfsmotors besteuert werden, stellt keine unhaltbare "Doppelbesteuerung" dar, obschon in der Regel nur die Segel oder nur der Motor und nicht beide gleichzeitig zum Einsatz gelangen. Es ist sachlich durchaus vertretbar, dass für die steuerliche Bewertung eines solchen Bootes Segelfläche und Motorenstärke Berücksichtigung finden.
c) Dass Wasserfahrzeuge besteuert werden, andere "Sportgeräte" dagegen nicht, verstösst nicht gegen
Art. 4 BV
. Abgesehen davon, dass die besteuerten Wasserfahrzeuge nicht alle und nicht ausschliesslich der Ausübung eines eigentlichen Sportes dienen, bestehen für die fiskalische Belastung der Boote ganz besondere Gründe - unerwünscht starke Zunahme der Boote, Notwendigkeit besonderer staatlicher Vorkehren (Sturmwarnungs- und Seerettungsdienst, Untiefenbezeichnung) -, welche für andere "Sportgeräte" nicht gelten.
d) Die sogenannten Optimistjollen (Segeljolle "Optimist"), kleine, vorwiegend von Kindern verwendete Segelboote, werden zur Zeit am Bodensee in Ufernähe toleriert, aber nicht formell bewilligt. Am Zürichsee kann für den gleichen Bootstyp auf Gesuch eine eigentliche Betriebsbewilligung erteilt werden (Auskunft des Justiz- und Polizeidepartementes St. Gallen vom 29. Mai 1975). Aus dieser bisherigen unterschiedlichen Behandlung unter dem Aspekt der formellen Bewilligungspflicht ist jedoch nicht der Schluss zu ziehen, der Kanton St. Gallen werde bei der Besteuerung zwischen Optimistjollen am Bodensee und solchen am Zürichsee einen Unterschied machen. Das angefochtene Gesetz lässt die Möglichkeit offen, Optimistjollen durch die Vollzugsverordnung gemäss Art. 3 lit. d als kleines Wasserfahrzeug ohne Motor steuerfrei zu erklären oder sie gemäss Art. 2 - ohne Rücksicht auf das Erfordernis einer Betriebsbewilligung - zu besteuern. Auf jeden Fall ergibt sich aus dem Gesetz selber keine unterschiedliche, rechtsungleiche Behandlung dieses Bootstyps. Es ist Sache des Kantons, dafür zu sorgen, dass die Anwendung des Gesetzes einheitlich erfolgt und dass nicht aus bisherigen Unterschieden
BGE 101 Ia 269 S. 280
der polizeilichen Behandlung sich sachlich unbegründete steuerliche Differenzierungen ergeben.
8.
Die Beschwerdeführer bezeichnen die Wasserfahrzeugsteuer als eine gegen
Art. 31 BV
verstossende Prohibitivsteuer.
a) Obschon die Beschwerdeführer mit ihren Schiffen nicht einen Handel oder ein Gewerbe betreiben, können sie als virtuell Betroffene einen Erlass auch mit dieser Rüge anfechten. Sie sind legitimiert, geltend zu machen, das WFStG würde sie in einer
Art. 31 BV
verletzenden Weise behindern, wenn sie je im Gebiet der Wasserfahrzeuge sich wirtschaftlich betätigen möchten.
b) Die Rüge ist jedoch materiell unbegründet. Die Wasserfahrzeugsteuer ist keine Gewerbesteuer. Es handelt sich nicht um eine Abgabe, welche ein einzelnes Gewerbe oder eine Betriebsform in besonderer Weise belastet. Nur auf solche eigentliche Gewerbesteuern bezieht sich das Verbot der sogenannten Prohibitivsteuern (AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, S. 692 ff., insbes. Ziff. 1945, 1948; BURCKHARDT, Kommentar BV, S. 247 ff.).
Einer der Zwecke der Wasserfahrzeugsteuer ist es zwar, der schrankenlosen Ausbreitung des privaten Schiffsverkehrs entgegenzuwirken. Wird dieses Ziel erreicht, so begrenzt dies auch die Entwicklungsmöglichkeiten des Bootsgewerbes. Wegen dieser möglichen Konsequenz auf einen Gewerbezweig ist aber die Steuer keine Gewerbesteuer, welche unter dem Aspekt von
Art. 31 BV
zu prüfen wäre. Zudem besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass diese steuerliche Belastung der Wasserfahrzeuge das Bootsgewerbe in seiner Existenz bedrohen könnte. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a2d2d624-9cd1-4927-a261-44109b046354 | Urteilskopf
117 IV 130
27. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 27 mars 1991 dans la cause X. c. Ministère public du canton du Valais (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 117 StGB
; fahrlässige Tötung; unechtes Unterlassungsdelikt.
Die Erfüllung eines unechten Unterlassungsdeliktes setzt voraus, dass der Täter eine Garantenstellung hat, dass er in Verletzung einer Sorgfaltspflicht eine Handlung unterliess, zu der er auf Grund seiner Garantenstellung verpflichtet gewesen wäre, und dass diese Unterlassung für den Erfolg kausal war. Zur Feststellung dieses Kausalzusammenhangs muss hypothetisch und in Anwendung der generellen Begriffe der natürlichen und der adäquaten Kausalität geprüft werden, ob sich der Eintritt des Erfolgs durch die unterlassene Handlung hätte vermeiden lassen (E. 2a).
Anwendung dieser Grundsätze und Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen mehreren Unterlassungen und einem tödlichen Unfall auf einer Baustelle (E. 2b, c und d). | Sachverhalt
ab Seite 131
BGE 117 IV 130 S. 131
A.-
Le 5 avril 1989 vers 8 heures, A., employé de l'entreprise X., grutier de formation, manoeuvrait sur un chantier une pelle mécanique de marque Ruston Bucyrus 19 RB. Ayant soulevé avec son engin une benne remplie de béton, il ne put la maintenir en suspension et elle tomba, heurtant un ouvrier, qui fut tué.
L'entrepreneur X. avait décidé d'utiliser cet engin à la manière d'une grue, ce qui en constitue effectivement l'un des modes d'utilisation. Le grutier A. disposait de la formation nécessaire pour manoeuvrer cette machine de chantier. Il savait en particulier - bien qu'il ne l'ait pas appris de X. - que, si les bandes de freins étaient mouillées, il devait faire des manoeuvres de séchage, afin qu'elles fonctionnent normalement. Le jour de l'accident, alors qu'il avait plu, A. n'a pas effectué les manoeuvres de séchage, de
BGE 117 IV 130 S. 132
sorte que les freins, utilisés pour faire descendre la charge, n'ont pas fonctionné normalement, ce qui a provoqué l'accident. D'autre part, il fut constaté l'absence du "mouflage" prévu pour ce type d'utilisation de la machine, étant précisé que les prescriptions d'exploitation du fabricant ne se trouvaient pas dans la cabine de l'engin. Il ne fut toutefois pas établi que cet élément ait joué un rôle causal dans la survenance de l'accident.
B.-
L'autorité de première instance a reconnu A. et X. coupables d'homicide par négligence (
art. 117 CP
) et les a condamnés respectivement à 10 jours et 20 jours d'emprisonnement avec sursis.
Le Tribunal cantonal a partiellement admis l'appel de A. et a réduit sa peine à une amende; il a en revanche rejeté l'appel de X., lequel se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Soutenant qu'il n'a pas commis une violation de ses devoirs qui soit en relation de causalité adéquate avec l'accident, il demande à être exempté de toute peine, à ce que les prétentions civiles soient renvoyées au for civil, les frais étant mis à la charge du fisc.
Le Tribunal fédéral admet le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Le recourant a été reconnu coupable d'homicide par négligence au sens de l'
art. 117 CP
. Selon cette disposition, celui qui, par négligence, aura causé la mort d'une personne sera puni de l'emprisonnement ou de l'amende. Il s'agit d'une infraction de résultat qui suppose en général une action. En l'espèce cependant, le recourant n'a pas, par sa propre action, provoqué l'accident et causé la mort de la victime.
On admet toutefois qu'une infraction de résultat peut également être réalisée lorsque l'auteur omet par sa faute l'accomplissement d'un acte qu'il était juridiquement tenu d'accomplir et qui, selon le cours ordinaire des choses et l'expérience de la vie, aurait évité la survenance du dommage (délit d'omission improprement dit; LOGOZ, Commentaire du CPS, Partie générale, p. 62 et les références citées). Un délit d'omission improprement dit est réalisé lorsque la survenance du résultat par une action est expressément menacée d'une sanction pénale, que l'accusé par son action aurait effectivement pu éviter le résultat et qu'en raison de sa situation juridique particulière il y était à ce point obligé que son omission apparaît comparable au fait de provoquer le résultat par un
BGE 117 IV 130 S. 133
comportement actif (
ATF 113 IV 72
consid. 5a et les arrêts cités). La doctrine a développé quelles étaient les situations de garant qui obligent juridiquement à prendre des mesures de précaution (
ATF 113 IV 73
consid. 5b et les références citées).
Pour déterminer si un délit d'omission improprement dit est réalisé, il y a tout d'abord lieu d'examiner si la personne à laquelle l'infraction est imputée se trouvait dans une situation de garant (
ATF 108 IV 5
consid. 1a et b). Ce n'est que si tel était bien le cas que l'on peut établir l'étendue du devoir de diligence qui découle de cette position de garant (voir
ATF 110 IV 70
consid. 2) et quels actes concrets l'intéressé était tenu d'accomplir en raison de ce devoir de diligence.
Dans les conditions fixées par la loi, l'employeur est responsable, sur le plan civil, des dommages causés par ses employés à ses cocontractants (
art. 101 CO
) ou à des tiers (
art. 55 CO
). Il a donc l'obligation juridique de veiller à ce que ses employés prennent les mesures de précaution nécessaires pour éviter la survenance d'un dommage; il assume en particulier la cura in eligendo, in instruendo et in custodiendo (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bes. Teil, II/1, 4e éd., Zurich 1987 No 131 p. 335). Il se trouve ainsi dans une position de garant. Pour l'application de l'
art. 117 CP
dans un cas d'omission, il appartient à l'autorité cantonale d'indiquer, de manière précise et concrète, en quoi l'employeur a violé son devoir de diligence, c'est-à-dire quelle est la mesure qu'il aurait dû prendre; l'étendue de son devoir de diligence est une question de droit que la Cour de cassation examine librement.
Il ne suffit cependant pas d'établir une violation du devoir de diligence, il faut encore que cette violation soit en relation de causalité adéquate avec le résultat. Dans le cas d'un délit d'omission improprement dit, la question de la causalité ne se présente pas de la même manière que si l'infraction de résultat était réalisée par commission; il faut plutôt procéder par hypothèse et se demander si l'accomplissement de l'acte omis aurait, selon le cours ordinaire des choses et l'expérience de la vie, évité la survenance du résultat qui s'est produit; pour l'analyse des conséquences de l'acte supposé, il faut appliquer les concepts généraux de la causalité naturelle et de la causalité adéquate (
ATF 116 IV 185
consid. 4, 310 consid. a et les références citées; STRATENWERTH, AT I § 14 No 34 et les références citées). L'autorité cantonale doit tout d'abord constater l'existence d'un rapport de causalité naturelle,
BGE 117 IV 130 S. 134
ce qui constitue une question de fait, soustraite au contrôle de la Cour de cassation (
ATF 115 IV 102
consid. 2a, 243 consid. 3 et les arrêts cités). Il y a toutefois violation de la loi si l'autorité cantonale méconnaît le concept même de la causalité naturelle (
ATF 101 IV 152
consid. 2b) ou perd de vue que l'
art. 117 CP
exige la causalité. Il faut ensuite que l'autorité cantonale constate l'existence d'un rapport de causalité adéquate au sens de la jurisprudence (
ATF 115 IV 102
consid. 2b et les arrêts cités); il s'agit là d'une question de droit que la Cour de cassation peut revoir librement (
ATF 115 IV 243
consid. 3).
b) La cour cantonale a relevé que le recourant n'avait pas lui-même donné ou fait donner les instructions au grutier sur la manière d'utiliser l'engin. Elle retient cependant en fait que le grutier savait quelles étaient les manoeuvres de séchage qu'il devait entreprendre lorsque la machine était mouillée. On ne voit pas que l'employeur ait dû répéter des informations que l'ouvrier spécialisé connaissait déjà. De toute manière, une carence dans l'information n'est pas en relation de causalité avec l'accident, puisqu'il est établi en fait que l'accident est survenu uniquement parce que l'ouvrier a omis d'accomplir ce qu'il savait devoir faire.
c) La cour cantonale observe par ailleurs que le recourant n'a pas veillé à ce que les prescriptions d'utilisation se trouvent dans la cabine de l'engin. On ne voit cependant pas, sur la base des faits retenus, en quoi la présence des prescriptions d'utilisation aurait pu modifier le cours des événements. Sur ce point, l'autorité cantonale semble avoir perdu de vue l'exigence d'un rapport de causalité, découlant de l'
art. 117 CP
. Comme elle a admis que le grutier savait ce qu'il devait faire mais qu'il a renoncé à accomplir les manoeuvres requises, il ne s'agit plus d'une question de manque d'information. L'absence des prescriptions ne pouvait concerner que la question du mouflage, mais l'autorité cantonale a retenu en fait qu'il n'était pas établi que l'absence de mouflage ait été en relation de causalité naturelle avec la survenance de l'accident. Le fait que les prescriptions d'utilisation n'aient pas été dans la cabine de l'engin ne se trouve donc pas, selon les constatations de l'autorité cantonale, en relation de causalité avec la survenance du dommage.
d) La cour cantonale a surtout reproché au recourant de ne pas avoir surveillé le grutier. Il est cependant établi que celui-ci, en tant qu'ouvrier spécialisé, savait ce qu'il avait à faire. L'employeur ne peut pas être automatiquement rendu responsable sur le plan pénal
BGE 117 IV 130 S. 135
à chaque fois qu'un ouvrier spécialisé ne respecte pas les mesures de précaution relevant de l'exercice de son activité. L'autorité cantonale n'indique pas de manière précise et concrète ce que l'employeur aurait dû faire en l'espèce. Il ne ressort pas de l'état de fait que des prescriptions de sécurité ou l'usage professionnel aurait exigé que le séchage des freins soit accompli par deux ouvriers spécialisés ou qu'une seconde personne compétente devait impérativement surveiller le grutier pendant cette opération. Le devoir de surveillance qui incombe à l'employeur ne comprend pas, d'une façon générale, l'obligation de faire accompagner chaque ouvrier spécialisé par une personne compétente chargée de le surveiller. Les faits retenus en l'espèce ne permettent pas de constater que le recourant aurait, sous cet angle, violé son devoir de diligence. | null | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2dfcb66-3be1-48f6-b044-dca5d9ceaf88 | Urteilskopf
98 IV 52
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Februar 1972 i.S. Strebel gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB
. Aufruhr.
1. Umschreibung des Teilnehmervorsatzes.
2. Sonderstellung für den Parlamentarier hinsichtlich der Teilnahme an der Zusammenrottung nur, wenn er sich als neutraler Beobachter verhält. | Sachverhalt
ab Seite 52
BGE 98 IV 52 S. 52
A.-
Werner Strebel schloss sich am frühen Abend des 29. Juni 1968 der Demonstration vor dem Globus-Provisorium bei der Bahnhofbrücke in Zürich an und verweilte darin, als ein Teil der Anwesenden sich auf die Fahrbahn der Bahnhofbrücke begab, auf die Tramschienen setzte und den Verkehr schliesslich vollständig zum Stillstand brachte. Er verblieb im Zentrum des Haufens auch als die Polizei wiederholt die Demonstranten zur Freigabe der Strasse aufforderte und der Polizeiinspektor ein Ultimatum stellte, den Platz innerhalb einer bestimmten Zeit zu räumen, ansonsten die Ordnungskräfte Wasser einsetzen würden, wobei auf blosse Zuschauer keine Rücksicht genommen werden könnte. Schon vor dem Wassereinsatz beschimpfte Strebel die Polizeibeamten mit Ausdrücken wie "Nazi", "Sauhunde", "Schweine", "Nazibrüder" und "Dreckbande". In einer späteren Phase der Demonstration befand er sich auf der Bahnhofbrücke und richtete hier nach eigenen Aussagen Rufe der Missbilligung gegen die Polizei. Als er daraufhin beim Central das Mitglied des "Aktionskomitees Autonomes Jugendzentrum" Roland Gretler traf, welches eben versuchte, Manifestanten vom Behändigen von Blumentöpfen und deren Verwendung als Wurfgeschosse abzuhalten, äusserte er sich zu diesem: "Mit etwas müssen sich die Jungen schliesslich wehren." Etwa um dieselbe Zeit rief er auch laut in die Menge, jetzt müsse man "drauf gehen". Später kehrte er zum Globus-
BGE 98 IV 52 S. 53
Provisorium zurück und wiederholte seine Beschimpfungen gegenüber der Polizei mit Ausdrücken wie "Sauhunde", "Nazimethoden" usw., worauf ein Polizist ihn verhaften wollte. Als dieser aber von einem zweiten Polizeibeamten erfuhr, dass es sich dabei um Gemeinderat Strebel handle, liess er von seinem Vorhaben ab.
B.-
Am 18. Dezember 1970 verurteilte das Geschworenengericht des Kantons Zürich Werner Strebel gestützt auf
Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB
wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von einem Monat.
Eine vom Verurteilten gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde wurde am 10. November 1971 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
C.-
Strebel führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Geschworenengerichtes sei wegen Verletzung der
Art. 285, 20 und 64 StGB
aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Kassationshof wies die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, wonach der Teilnahmevorsatz eine besondere Zielsetzung in dem Sinne verlange, dass mittels der vom zusammengerotteten Haufen begangenen oder zu begehenden Gewalttätigkeiten die Staatsgewalt als solche getroffen oder gar gestürzt werden solle, geht fehl; sie verkennt den Unterschied zwischen Art. 285 einerseits und Art. 265 anderseits. Bloss im letzteren Falle muss der Vorsatz des Täters darauf gerichtet sein, mit Gewalt die verfassungsmässigen Behörden abzusetzen oder ihnen die Ausübung ihrer Gewalt zu verunmöglichen. Im ersteren reicht es aus, wenn der Täter Behörden, Behördenmitglieder oder Beamte an einzelnen Amtshandlungen hindern, dabei stören oder angreifen will (Art. 285 Ziff. 1), bzw. der Teilnehmer die vom zusammengerotteten Haufen darauf gerichteten Handlungen billigt (Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1; s. HAFTER, Bes. Teil S. 637; LOGOZ, N. 8 zu Art. 285 und N. 2 b zu Art. 265; THORMANN/VON OVERBECK, N. 6 zu Art. 265). Hierbei ist - wie bereits ausgeführt - nicht einmal erforderlich, dass die Person, welche sich in Kenntnis dieser Handlungen willentlich dem Haufen anschliesst oder
BGE 98 IV 52 S. 54
in ihm verbleibt, durch ihre Anwesenheit die Ziele der aufrührerischen Menge fördern wolle (
BGE 70 IV 220
). Die Billigung des gewaltsamen Verhaltens genügt, unbekümmert um ihre objektive Wirkung.
Sodann vermag auch der Einwand des Beschwerdeführers nicht durchzudringen, er habe sich als Parlamentarier der Gemeinde Zürich, dessen Recht und Pflicht es sei, Exekutive und Verwaltung zu überwachen, befugterweise ins Zentrum der Auseinandersetzung begeben, und es könnten deshalb seine daselbst in der Erregung über die Brutalitäten der Polizei von sich gegebenen Laute nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass er die verübten Gewalttätigkeiten unterstützt habe. Zwar wird man es einem Parlamentsmitglied, das es für seine Pflicht erachtet, die Polizei zu überwachen, zugestehen müssen, bei einer Demonstration, die den Einsatz der Polizei erfordert, anwesend zu sein. Da Strebel bei den Demonstranten als der Polizei gegenüber kritischer Parlamentarier bekannt war und seine Anwesenheit deshalb leicht als Unterstützung der Demonstration verstanden werden konnte, hätte er sich indessen besondere Zurückhaltung auferlegen und strikte auf die Rolle des neutralen Beobachters beschränken müssen, wenn er sich schon für berechtigt hielt, mitten im Haufen zu sein. Das aber hat er offensichtlich nicht getan. Die Rechtfertigungsthese des Parlamentariers geht deshalb fehl, zumal Strebel erwiesenermassen nicht erst dann die Polizei zu beschimpfen anfing, als diese zur Räumung des Platzes vorging, sondern bereits in jenem Zeitpunkte, als die Ordnungskräfte bloss zur Räumung der Fahrbahn aufforderten, sich sonst aber hinter den Abschrankungen aufhielten. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2e2fb3b-719e-4251-aa72-188541440b2c | Urteilskopf
117 IV 398
67. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Oktober 1991 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 44 StGB
; ambulante Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen.
Art. 43 Ziff. 3 Absätze 2 und 3 StGB, welche die ambulante Behandlung an geistig Abnormen betreffen, sind analog auch auf die ambulante Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen gemäss
Art. 44 StGB
anwendbar, wenn sich die Massnahme als unzweckmässig oder für andere gefährlich erwiesen und der Richter deshalb zu entscheiden hat, ob und wieweit aufgeschobene Strafen noch vollstreckt werden sollen oder ob an Stelle des Strafvollzuges eine andere gleichartige ambulante Massnahme angeordnet werden soll. | Erwägungen
ab Seite 398
BGE 117 IV 398 S. 398
Aus den Erwägungen:
2.
a) Obwohl im vorliegenden Fall im Jahre 1986 eine Massnahme gemäss
Art. 44 StGB
(Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen) ausgesprochen worden war, erstattete die Justizdirektion 1990 Bericht und Antrag gemäss
Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
. Diese Bestimmung bezieht sich auf Massnahmen an
BGE 117 IV 398 S. 399
geistig Abnormen. Es stellt sich zunächst die Frage, ob diese analoge Anwendung richtig war.
b) aa) Die herrschende Lehre und die kantonale Rechtsprechung nehmen an, dass die Abs. 2 und 3 des
Art. 43 Ziff. 3 StGB
, die bei Misserfolg der ambulanten Behandlung eines geistig Abnormen eingreifen und es dem Richter erlauben, nachträglich die Anstaltseinweisung oder eine andere sichernde Massnahme anzuordnen, bei Erfolglosigkeit der ambulanten Massnahme gegenüber einem Trunk- oder Rauschgiftsüchtigen sinngemäss anwendbar sind (vgl. URSULA FRAUENFELDER, Die ambulante Behandlung geistig Abnormer und Süchtiger als strafrechtliche Massnahme nach
Art. 43 und 44 StGB
, Diss. Zürich 1978, S. 171 f.; REHBERG, Fragen bei der Anordnung und Aufhebung sichernder Massnahmen nach StGB Art. 42-44, ZStR 93/1977, S. 198 f.; SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Band, 4. Aufl., S. 171 f.; ferner SJZ 81/1985, S. 269 Nr. 50, und ZBJV 113/1977 S. 276 f.). Demgegenüber lehnt STRATENWERTH (Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil II,
§ 12 N 48
und 49) beim Scheitern einer ambulanten Behandlung nach
Art. 44 StGB
zwar eine analoge Anwendung von
Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
nicht ab, will indessen nur den nachträglichen Vollzug der aufgeschobenen Strafe in Betracht ziehen, da für die Einweisung in eine Anstalt oder die Anordnung einer anderen sichernden Massnahme die gesetzliche Grundlage fehle.
bb) Die ambulante Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen ist in Art. 44 Ziff. 1 Satz 2 (i.V.m. Ziff. 6) StGB vorgesehen. Nach Satz 3 dieser Bestimmung ist
Art. 43 Ziff. 2 StGB
entsprechend anwendbar. Weitere Bestimmungen über die ambulante Behandlung von Trunk- und Rauschgiftsüchtigen enthält
Art. 44 StGB
in den weiteren Ziffern, die den Vollzug und die Beendigung der Massnahme betreffen, nicht; diese Behandlungsart findet dort keine Erwähnung mehr. Hingegen wird die Ziff. 3 von
Art. 45 StGB
, die von der nicht bestandenen Probezeit bei einer bedingten oder probeweisen Entlassung aus einer Massnahme handelt, in deren Abs. 7 als sinngemäss anwendbar erklärt, wenn eine ambulante Behandlung unter Aufschub der Strafe gemäss
Art. 43 und 44 StGB
angeordnet wurde.
Die Verweisung auf
Art. 43 Ziff. 2 StGB
bedeutet, dass bei einer ambulanten Massnahme nach
Art. 44 StGB
der Vollzug der Strafe gleich wie bei einer solchen nach
Art. 43 StGB
aufgeschoben werden kann, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen.
BGE 117 IV 398 S. 400
Der Richter kann in diesem Falle entsprechend
Art. 41 Ziff. 2 StGB
Weisungen erteilen und wenn nötig eine Schutzaufsicht anordnen. Geht es um die Beendigung einer ambulanten Behandlung eines Trunk- oder Rauschgiftsüchtigen und um die damit zusammenhängenden nachträglichen richterlichen Entscheidungen, so müssen dafür folgerichtig auch die entsprechenden weiteren Bestimmungen von
Art. 43 StGB
Anwendung finden, nachdem
Art. 44 StGB
diese Fragen in den Einzelheiten nicht selber regelt, sondern in Ziff. 1 auf
Art. 43 Ziff. 2 StGB
verweist. Die Regelung von
Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 und 3 StGB
, die für eine nach dieser Bestimmung angeordnete ambulante Behandlung in bezug auf den Abbruch der Massnahme wegen deren Unzweckmässigkeit oder Gefährlichkeit für Dritte und die damit im Zusammenhang stehenden nachträglichen richterlichen Entscheidungen gilt, ist daher grundsätzlich auch für die ambulante Behandlung nach
Art. 44 StGB
heranzuziehen.
Dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht und nicht von einem qualifizierten Schweigen auszugehen ist, wenn in Art. 44 Ziff. 1 nur auf Ziff. 2 und nicht auch auf Ziff. 3 von
Art. 43 StGB
verwiesen wird, ergibt sich aus folgendem: Während die Botschaft des Bundesrates zur entsprechenden Revision des schweizerischen Strafgesetzbuches (BBl 1965 I S. 577) die ambulante Behandlung der Trunk- und Rauschgiftsucht im Rahmen des bedingten Strafvollzuges nach
Art. 41 StGB
mit einer entsprechenden Weisung als möglich ansah, wurde in der ständerätlichen Kommission (Protokoll der 4. Sitzung vom 11.-13. Mai 1966, S. 162) beantragt, "analog zum Art. 43" die Möglichkeit der ambulanten Behandlung vorzusehen. Dies führte in der Folge zur Ergänzung von
Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
mit den heutigen Sätzen 2 und 3. Mit einer analogen Regelung wie in
Art. 43 StGB
war offenkundig nicht nur die Anwendung dieser Bestimmung bei der Anordnung einer ambulanten Massnahme, sondern auch bei deren Abbruch sowie den damit zusammenhängenden nachträglichen richterlichen Entscheidungen gemeint.
Die Verweisung auf die für die Anordnung der ambulanten Massnahme anwendbare Gesetzesbestimmung genügt somit, um zu schliessen, damit finde auch die für deren Abbruch und die damit im Zusammenhang stehenden Fragen geltende Regelung Anwendung. Die gleiche Gesetzestechnik verwendet der Gesetzgeber denn auch beispielsweise in Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 mit dem Hinweis auf
Art. 41 Ziff. 2 StGB
. Ist diese zweite Bestimmung die
BGE 117 IV 398 S. 401
Grundlage für die Erteilung von Weisungen, so ist folgerichtig
Art. 41 Ziff. 3 StGB
sinngemäss anzuwenden, wenn es um die Folgen einer Missachtung der Weisungen geht (vgl.
BGE 109 IV 11
E. 2b).
cc) Ob durch diese sinngemässe Anwendung von
Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 und 3 StGB
auf Trunk- und Rauschgiftsüchtige auch eine genügende gesetzliche Grundlage dafür gegeben ist, beim Scheitern einer ambulanten Behandlung eines Trunk- oder Rauschgiftsüchtigen die nachträgliche Einweisung in eine Anstalt oder eine andere sichernde Massnahme anzuordnen - was STRATENWERTH verneint (s. oben E. 2/b/aa) -, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Eine solche Einweisung oder Anordnung stand nicht zur Diskussion und wurde denn auch nicht verfügt. Was die Frage des nachträglichen Vollzugs der aufgeschobenen Freiheitsstrafen und einer neuen, gleichartigen ambulanten Massnahme betrifft, gingen die kantonalen Behörden jedenfalls zu Recht von einer analogen Anwendung der erwähnten Bestimmungen von
Art. 43 StGB
aus. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2e76e13-1e3a-444e-9929-050c62e6740e | Urteilskopf
121 III 142
30. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20. April 1995 i.S. Thurgauer Kantonalbank (Rekurs) | Regeste
Summarisches Konkursverfahren (
Art. 231 Abs. 2 und 3 SchKG
).
Im summarischen Konkursverfahren darf keine ausseramtliche Konkursverwaltung eingesetzt werden. | Sachverhalt
ab Seite 142
BGE 121 III 142 S. 142
A.-
Über die H. AG wurde am 9. März 1994 der Konkurs eröffnet. Das Bezirksgerichtspräsidium Bischofszell ordnete das summarische Verfahren an. Da das kantonale Konkursamt sich ausserstande sah, das Konkursverfahren selber durchzuführen, beantragte es bei den Konkursgläubigern auf dem Zirkulationsweg die Ernennung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung. Innert der vom Konkursamt angesetzten Frist ging keine Einsprache gegen diesen Antrag ein.
B.-
Die Thurgauer Kantonalbank, welche Gläubigerin im Konkurs der H. AG ist, gelangte mit dem Antrag, die Wahl der ausseramtlichen Konkursverwaltung sei als nichtig zu erklären, am 18. November 1994 an die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau. Zur Begründung machte sie geltend, im summarischen Konkursverfahren bestehe keine Möglichkeit, eine ausseramtliche Konkursverwaltung einzusetzen; vielmehr sei ausschliesslich das Konkursamt zuständig. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die ausseramtliche Konkursverwaltung Prozesse zu führen habe,
BGE 121 III 142 S. 143
welche bei Misserfolg beträchtliche Kosten zulasten der Masse verursachen würden.
Die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau trat auf die Beschwerde wegen Fristversäumnisses nicht ein. Diesen Entscheid zog die Thurgauer Kantonalbank an die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Bundesgerichts weiter.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Die Lehre ist sich einig darüber, dass es im summarischen Konkursverfahren gemäss
Art. 231 Abs. 2 und 3 SchKG
keine ausseramtliche Konkursverwaltung gibt (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Auflage, Bern 1993, § 49 N. 8; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach Schweizerischem Recht, Band II, Zürich 1993, § 45 Rz. 21; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage Lausanne 1993, S. 323, § 2 Ziff. 1: "On peut relever ... qu'il n'y a jamais d'administration spéciale." - Komm. JAEGER, Zürich 1911, N. 9 zu
Art. 231 SchKG
; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Bern 1911, S. 747). Auch wenn diese Lehre nicht als Rechtsquelle gilt, ist sie - entgegen den in den Vernehmlassungen geäusserten Auffassungen - zu berücksichtigen, wenn sich deren Übernahme sachlich rechtfertigt (
Art. 1 Abs. 3 ZGB
; vgl. DESCHENAUX, Der Einleitungsartikel, in SPR II, S. 119 ff.; Komm. MEIER-HAYOZ, N. 451 ff. zu
Art. 1 ZGB
; Komm. EGGER, N. 44 f. zu
Art. 1 ZGB
).
b) Das summarische Konkursverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es einfach, rasch und weitgehend formlos ist. Vor allem ist es auch kostensparend, und dementsprechend ist das Ergebnis für die Gläubiger meistens günstiger. Die Vereinfachung des Verfahrens liegt nicht zuletzt auch darin, dass es in den Händen des Konkursamtes liegt und dass Gläubigerversammlungen nur ausnahmsweise vorgesehen sind. Aus diesem Grund wird es als folgerichtig betrachtet, dass weder ein Gläubigerausschuss noch eine gewählte Konkursverwaltung tätig wird (AMONN, a.a.O., § 49 N. 1 und 8).
Der von der kantonalen Aufsichtsbehörde ins Feld geführte Umstand, dass die Beamten des Konkursamtes zeitlich nicht in der Lage seien, das Verfahren zu leiten, hätte ohnehin keinen Grund für die Einsetzung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung im summarischen Konkursverfahren zu bilden vermocht. Die Kantone sind zur Gewährung einer ordnungsgemässen Rechtspflege, zu der auch
BGE 121 III 142 S. 144
das Konkurswesen gehört, verpflichtet; sie haben daher für ausreichend Personal zu sorgen (
BGE 119 III 1
E. 2).
c) Der neugefasste Art. 231 revSchKG (BBl 1994 V, S. 1046) hält sowenig wie das noch geltende Recht ausdrücklich fest, dass es im summarischen Konkursverfahren keine ausseramtliche Konkursverwaltung gibt. Indessen werden nach Art. 231 Abs. 3 Ziff. 1 revSchKG Gläubigerversammlungen in der Regel nicht einberufen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass das revidierte Recht, welches das summarische Konkursverfahren allgemein auf einfache Verhältnisse ausgedehnt wissen will (BBl 1991 III, S. 143), das Wirken einer ausseramtlichen Konkursverwaltung im summarischen Konkursverfahren ebenfalls ausschliesst.
2.
Den Auffassungen, welche im angefochtenen Entscheid und in den Vernehmlassungen vertreten werden - insbesondere der Argumentation mit Vorschriften der KOV (SR 281.32) -, kann nach dem Gesagten nicht gefolgt werden, während die Rechtsauffassung der Thurgauer Kantonalbank sich als zutreffend erweist.
Die kantonale Aufsichtsbehörde, die immerhin eingesehen hat, dass die Einsetzung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung insbesondere im Hinblick auf die Kosten als äusserst problematisch erscheint, hätte die Bestellung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung von Amtes wegen aufheben können (FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 47 Rz. 22, S. 268 oben). Die Anordnung muss als nichtig betrachtet werden, weil damit eine grundlegende und - mit Ausnahme der abweichenden Meinung, die in einem Entscheid der solothurnischen Aufsichtsbehörde Ausdruck gefunden hat - allgemein anerkannte Verfahrensregel verletzt wird.
Da die Nichtigkeit jederzeit festgestellt werden kann und muss (
BGE 120 III 117
E. 2c mit Hinweis), bleibt es ohne Bedeutung, dass die Beschwerde im kantonalen Verfahren nicht innert der zehntägigen Frist des
Art. 17 Abs. 2 SchKG
eingereicht worden ist. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a2ea2e2e-85b5-46b2-88e4-dc405c524d60 | Urteilskopf
97 IV 18
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Januar 1971 i.S. Madörin gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
. Zum Begriff der strafbaren Vermögensverminderung.
1. Eine solche kann liegen in der Eingehung neuer Schulden (Erw. 1a).
2. "Zum Nachteil der Gläubiger" erfolgt die Vermögensverminderung dann, wenn sie den Gläubigern im Hinblick auf ihre Befriedigung in der Zwangsvollstreckung objektiv zum Nachteil gereicht und der Vorsatz des Täters auf diese Benachteiligung gerichtet ist (Erw. 1 b).
3. Zur Frage, wann gemäss Art. 286/88 SchKG nicht anfechtbare und daher rechtmässige Schenkungen und Leistungen zur Erfüllung sittlicher Pflichten vorliegen (Erw. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 97 IV 18 S. 18
A.-
René Madörin betrieb in A. ein Möbelgeschäft, in welchem seine mit ihm in Gütertrennung lebende Ehefrau mitarbeitete. Als am 21. Mai 1965 sein Vater starb, wandte er seinen Anteil an der väterlichen Erbschaft im Werte von Fr. 7500.-- seiner Frau in Form einer Gutschrift für Möbelbezüge unentgeltlich zu. Diese löste den Warengutschein im Februar 1968 ein, indem sie eine für ihr in O. gemietetes Einfamilienhaus
BGE 97 IV 18 S. 19
bestimmte Möbellieferung aus dem Geschäft ihres Mannes im Umfange von Fr. 7500.-- mit der genannten Gutschrift bezahlte.
Am 15. Mai 1968 wurde über René Madörin der Konkurs eröffnet, nachdem gegen ihn seit 1963 jedes Jahr zahlreiche Konkursandrohungen und Pfändungen ergangen waren.
B.-
Am 23. Februar 1970 sprach das Strafdreiergericht des Kantons Basel-Landschaft Madörin von der Anklage des betrügerischen Konkurses (
Art. 163 Ziff. 1 StGB
) und der Bevorzugung eines Gläubigers (
Art. 167 StGB
) frei, und dies mit folgender Begründung: Madörin habe seiner Frau die Fr. 7500.-- schon kurz nach dem Tode seines Vaters in Form einer Gutschrift für Möbelbezüge zugewendet. Für diesen Zeitpunkt könne ihm nicht nachgewiesen werden, dass er in Voraussicht des Konkurses mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt habe. Der Tatbestand der Bevorzugung eines Gläubigers aber sei deswegen nicht erfüllt, weil die kurz vor dem Konkurs erfolgte Lieferung von Möbeln an die Frau nichts anderes als die Erfüllung der ihr 1965 eingeräumten Gutschrift bedeute.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft den erstinstanzlichen Entscheid, soweit damit Madörin von der Anklage der Gläubigerbevorzugung freigesprochen wurde. Dagegen hiess das Gericht die Berufung dahin gut, dass es Madörin des betrügerischen Konkurses im Sinne des
Art. 163 Ziff. 1 StGB
schuldig sprach und zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zwei Monaten verurteilte.
C.-
Madörin führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft hat sich mit dem Begehren vernehmen lassen, es sei die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer ficht seine Verurteilung nach
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
zunächst mit der Behauptung an, es fehle an einer strafbaren Vermögensverminderung, weil es
BGE 97 IV 18 S. 20
fraglich sei, ob die Eingehung neuer Schulden diesem Tatbestandserfordernis genüge. Jedenfalls aber sei die Begründung der neuen Schuld in seinem Falle nicht ungerechtfertigt gewesen, weil er den Warengutschein seiner Frau in Erfüllung einer sittlichen Pflicht habe zukommen lassen.
a) Die vorwiegend im 4. Abschnitt des 2. Titels des StGB zusammengefassten Konkurs- und Betreibungsdelikte dienen dem Schutz des Zwangsvollstreckungsrechtes (
BGE 93 IV 18
/19), an dessen Ordnung sie unmittelbar anschliessen und aus der heraus sie auch verstanden werden müssen. Sie bezwecken zudem den Schutz der Gläubiger eines Schuldners, dem der Vermögensverfall droht oder der in Vermögensverfall geraten ist (HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, S. 328/9; THORMANN-v. OVERBECK, Schweizerisches Strafgesetzbuch, N. 1 der Vorbemerkungen zu Art. 163-172;
BGE 93 IV 19
). Insoweit stellen sie ähnlich der Anfechtungsklage der
Art. 285 ff. SchKG
ein Sicherungsmittel gegen Handlungen des Schuldners dar, welche auf eine Verringerung des nach den Normen des Betreibungsrechtes dem Zugriff der Gläubiger dienenden Exekutionssubstrates abzielen (vgl. BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 855; JAEGER, Kommentar zum SchKG, 3. Auflage, N. 1, A zu Art. 285); denn der Schuldner, der sich in der genannten ungünstigen Vermögenslage befindet, soll das noch vorhandene Vermögen seinen Gläubigern erhalten (
BGE 74 IV 37
). Er darf deren Betreibungsmöglichkeiten nicht beeinträchtigen.
Aus dieser allgemeinen Zweckbestimmung der Konkurs- und Betreibungsdelikte folgt als erstes, dass die Verminderung des Schuldnervermögens im Sinne des
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
in der Schmälerung des gegenwärtigen oder zukünftigen Exekutionssubstrates besteht (HAEFLIGER, Betrügerischer Konkurs und Pfändungsbetrug in der Rechtsprechung, BlSchK 1954, S. 102) und folglich nicht nur durch eine Entäusserung oder Entwertung von Vermögensgegenständen, sondern durch jede Verringerung der im Konkursfall der Befriedigung der Gläubiger dienenden Aktiven bewirkt werden kann. Zwar nennt
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
als Beispiele der Vermögensverminderung die Veräusserung, Beschädigung, Zerstörung, Entwertung oder Unbrauchbarmachung von Vermögensstücken-Diese Aufzählung steht jedoch dem Gesagten nicht entgegen. Abgesehen davon, dass sie keine abschliessende ist, ist der Tatbestand
BGE 97 IV 18 S. 21
der Verminderung des Vermögens in seiner allgemeinen Umschreibung so weit gefasst, dass er auch andere denkbare Einwirkungen auf das Vermögen des Schuldners einschliesst, welche eine Beeinträchtigung der Beschlagsrechte der Gläubiger zur Folge haben (
BGE 85 IV 221
; vgl. auchBGE 75 IV 64zu
Art. 169 StGB
). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kann daher eine Verminderung des Schuldnervermögens nach
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
namentlich auch durch eine Vermehrung der auf die Aktiven angewiesenen Passivmasse, also durch Eingehung neuer Schulden herbeigeführt werden. Das wurde übrigens schon in
BGE 84 IV 162
festgestellt ("actes de fraude: dépréciation des actifs et augmentation du passif") und entspricht auch herrschender Lehre (GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, N. 3 zu Art. 163; HAFTER, op.cit., S. 340; LÖFFLER, Der Schutz der Gläubigerrechte in den schweiz. Vorentwürfen, ZStR 1916, S. 84; LOGOZ, N. 3 A zu Art. 163; SCHWANDER, Betrügerischer Konkurs und Pfändungsbetrug, SJK Nr. 1128 S. 7; vgl. auch JAEGER, op.cit., N. 3 S. 386 und N. 7 zu
Art. 288 SchKG
; GAUGLER, Die paulianische Anfechtung, Band I, S. 103; BERZ, Der paulianische Rückerstattungsanspruch, Diss. Zürich 1960, S. 58). Tatsächlich schafft der Schuldner mit der Begründung einer neuen Schuld einen neuen Gläubiger oder erhöht die Forderung eines bereits bestehenden und verkleinert damit letzten Endes die potentielle Befriedigungsquote der andern. Schliesslich drängt sich der genannte Schluss auch deswegen auf, weil der Gesetzgeber in
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
schon das Vortäuschen von Schulden als Akt einer scheinbaren Vermögensverminderung ausdrücklich unter Strafe gestellt hat und es deshalb geradezu widersinnig wäre, die durch eine wirkliche Begründung von neuen Schulden herbeigeführte tatsächliche Vermögensverminderung als mögliche Bankerotthandlung auszuschliessen. Ob es sich, wie der Beschwerdeführer meint, bei der analogen Regelung zum Pfändungsbetrug anders verhalte, erscheint zweifelhaft, kann jedoch dahingestellt bleiben (s. HAFTER, op.cit., dessen Ausführungen auf S. 340 sich auf beide Tatbestände beziehen; ebenso GERMANN, op.cit., N. 3 zu Art. 164 und THORMANN-v. OVERBECK, op.cit., N. 3 zu Art. 164; s. ferner BERZ, loc.cit.). In jedem Falle muss es für den Tatbestand des betrügerischen Konkurses, der hier allein in Frage steht, bei der Feststellung sein Bewenden naben, dass eine Vermehrung der Passiven durch Eingehung
BGE 97 IV 18 S. 22
neuer Schulden eine strafbare Vermögensverminderung darstellen kann.
b) Dem Beschwerdeführer ist indessen einzuräumen, dass nicht jede Erhöhung der Schulden eine nach
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
verpönte Vermögensverminderung darstellt. Das folgt schon aus dem Gesetz selber, indem dieses eine Verminderung des Schuldnervermögens "zum Nachteil der Gläubiger" voraussetzt. Entsprechend liegt denn auch eine strafbare Bankerotthandlung nur vor, wo die Verminderung des Schuldnervermögens den Gläubigern im Hinblick aufihre Befriedigung in der Zwangsvollstreckung objektiv zum Nachteil gereicht und der Vorsatz des Täters auf diese Benachteiligung gerichtet ist. Dabei kommt dem letzteren Moment entscheidende Bedeutung zu; denn die Tatsache für sich allein, dass die Vorkehren des Schuldners eine Benachteiligung der Gläubiger in dem nachher ausgebrochenen Konkurs zur Folge haben, erfüllt den Tatbestand des
Art. 163 StGB
noch nicht (
BGE 74 IV 38
; s. auch HAEFLIGER, loc.cit.). Der Schuldner muss vielmehr die Schädigung der Gläubiger mit Wissen und Willen herbeigeführt oder zumindest in Kauf genommen haben (
BGE 93 IV 18
, 92). In diesen Zusammenhang ist auch die vom Beschwerdeführer angerufene Auffassung HAFTERS hineinzustellen, wonach bloss eine "ungerechtfertigte" Eingehung von Schulden eine verpönte Vermögensverminderung darstellt (Betrachtungen zum Konkurs und Betreibungsrecht, ZStR 1936, S. 9 und Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, S. 340). Damit wollte der genannte Autor nicht ein zusätzliches Element in den objektiven Tatbestand einführen, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, sondern bloss auf den Schädigungsvorsatz Bezug nehmen; denn ob die Begründung einer neuen Schuld gerechtfertigt ist, d.h., ob der Täter einen vernünftigen Grund hat, die neue Verbindlichkeit einzugehen, betrifft die Frage nach der Art des Handlungsmotivs. Dieses gehört zwar selber nicht zum subjektiven Tatbestand des
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
(vgl.
BGE 74 IV 38
und 40 Nr. 10), kann aber als gewichtiges Indiz dafür in Betracht fallen, ob der Schuldner mit dem genannten Schädigungsvorsatz gehandelt hat oder nicht. Das wurde denn auch von GERMANN zutreffend erkannt, wenn er im Anschluss an die Aussage, dass der Schuldner sein Vermögen durch Eingehung neuer Schulden vermindern könne, feststellt, die Begründung neuer Verbindlichkeiten sei indessen
BGE 97 IV 18 S. 23
nur strafbar, wenn sie mit dem Vorsatz der Gläubigerschädigung erfolge, was z.B. dann anzunehmen sei, wenn kein vernünftiger Grund zu dem Rechtsgeschäft bestanden habe (op cit. N. 3 zu Art. 163; s. auch LÖFFLER, loc.cit.). So betrachtet aber handelt es sich bei der Frage, ob die Eingehung einer neuen Schuld gerechtfertigt war, um eine Tatfrage, die allenfalls vom kantonalen Richter vorgängig der Feststellung des Schädigungsvorsatzes zu beantworten ist, mit dem objektiven Tatbestandsmerkmal der Vermögensverminderung aber nichts zu tun hat.
c) Sollte jedoch der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, dass die Eingehung der neuen Schuld keine ungerechtfertigte gewesen sei, weil "die Schenkung eines Warengutscheins über Fr. 7500.--" an seine Ehefrau einer moralischen Pflicht entsprochen habe, einen Rechtfertigungsgrund geltend machen wollen, so wäre der Beschwerde auch mit dieser Begründung nicht mehr Erfolg beschieden. Abgesehen davon, dass die Berufung Madörins auf die Erfüllung einer sittlichen Pflicht neu und schon deswegen unzulässig ist (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
), kennt das StGB keinen entsprechenden Rechtfertigungsgrund (vgl.
Art. 32 StGB
). Der Beschwerdeführer scheint sich diesbezüglich an die Lehre und Rechtsprechung zur paulianischen Anfechtung anlehnen zu wollen, denen zufolge unentgeltliche Verfügungen (der Begriff ist nicht indentisch mit demjenigen der Schenkung; s. BLUMENSTEIN, op.cit., S. 877; GAUGLER, op.cit., S. 110), die in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erfolgten, der Anfechtung nach
Art. 286 SchKG
(Schenkungspauliana) entzogen sind. Indessen liesse sich - wenn überhaupt - auch hieraus nichts zugunsten des Beschwerdeführers ableiten, weil nämlich auch in Erfüllung einer sittlichen Pflicht ergangene unentgeltliche Verfügungen des Schuldners in jedem Falle der Deliktspauliana (
Art. 288 SchKG
) unterliegen, wenn sie mit der Absicht der Gläubigerbenachteiligung vorgenommen wurden und die letztere für den Begünstigten erkennbar gewesen ist (
BGE 64 III 88
; JAEGER, op.cit., N. 3 S. 369 zu
Art. 286 SchKG
). Nicht anders verhält es sich mit dem in der Beschwerde angestellten Vergleich mit den Vergabungen an wohltätige Institutionen und den Dienstaltersgeschenken. Die Schenkung des Beschwerdeführers an seine Ehefrau hat mit jenen in
Art. 286 Abs. 1 SchKG
unter dem Titel der gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenke zusammengefassten
BGE 97 IV 18 S. 24
und der Schenkungspauliana nicht unterworfenen Verfügungen nichts gemein. Zudem sind auch diese letzteren nur insoweit nicht anfechtbar, als sie das im sozialen Kreis des Schuldners übliche Mass nicht übersteigen, was bezüglich der Zuwendung Madörins an seine Frau nicht ohne weiteres gesagt werden könnte (JAEGER, op.cit., N. 2 zu
Art. 286 SchKG
).
Des weitern wäre dem Beschwerdeführer aber auch deswegen nicht zu folgen, weil er sich schon in der Hauptverhandlung vor Obergericht und dann wiederum in der Beschwerde an das Bundesgericht der bereits von der ersten Instanz vertretenen Auffassung angeschlossen hat, wonach es sich bei der Ausstellung des Warengutscheins nicht um eine Lohnzahlung, sondern um eine Schenkung gehandelt habe. Dann aber kann er sich nicht gleichzeitig auf die Erfüllung einer sittlichen Pflicht berufen; denn Schenkung und Erfüllung einer sittlichen Pflicht schliessen sich gegenseitig aus (
Art. 239 Abs. 3 OR
).
Schliesslich könnte im vorliegenden Fall von der Erfüllung einer sittlichen Pflicht ohnehin nicht die Rede sein. Nach
Art. 161 Abs. 2 ZGB
steht die Ehefrau dem Manne mit Tat und Rat zur Seite und hat ihn in seiner Sorge für die Gemeinschaft nach Kräften zu unterstützen. Den Beistand, den sie danach dem Manne schuldet, kann sie in Form von Arbeit leisten, namentlich durch Führung des Haushalts. Neben diese Tätigkeit oder an ihre Stelle tritt jedoch die Mitarbeit im Gewerbebetrieb des Mannes, wenn das Wohl der Gemeinschaft sie gebietet. Einen Lohnanspruch für diese Arbeit hat die Ehefrau nicht (
BGE 72 III 122
,
BGE 74 II 208
). Anders ist es nur, soweit sie Arbeit leistet, zu der das Wohl der Gemeinschaft sie nicht verpflichtet. Diesfalls kann ein Dienstverhältnis vorliegen, was jedoch nur ausnahmsweise anzunehmen ist (LEMP, Kommentar, N. 51 zu
Art. 161 ZGB
). Dass die letztere Voraussetzung hier erfüllt sei, wird in der Beschwerde nicht dargetan. Madörin macht bloss geltend, seine Frau sei über die normale Arbeitszeit hinaus als "Mädchen für alles" im Geschäft tätig gewesen, wofür sie in den 1965 vorausgegangenen Jahren nur schlecht entlöhnt worden sei, so dass er sich mit der Schenkung ihr gegenüber habe erkenntlich zeigen wollen. Damit ist indessen nicht gesagt, dass diese Mehrarbeit nicht durch das Wohl der ehelichen Gemeinschaft geboten gewesen sei. Jedenfalls ergibt sich aus den Akten, dass Madörin, dessen Frau seit der Heirat im Geschäft tätig war, ein Dienstmädchen beschäftigte, was es
BGE 97 IV 18 S. 25
seiner Frau erlaubte, sich von der Haushaltarbeit freizumachen, um sich der offenbar dringenderen Mithilfe im Geschäft zu widmen. Zudem hat das Obergericht nach eingehender Prüfung der rechtlichen Zuwendung in Übereinstimmung mit der ersten Instanz die Annahme einer aus Dienstvertrag folgenden Lohnzahlung verworfen, und der Beschwerdeführer hat diese Würdigung nicht als bundesrechtswidrig bestritten. Fügte sich demnach die Arbeit der Ehefrau des Beschwerdeführers in den Rahmen ihrer gesetzlichen Beistandspflicht ein, die unentgeltlich zu erfüllen war, so kann nicht von einer sittlichen Pflicht des Ehemanns zur Bezahlung eines Entgelts für solche Arbeit gesprochen werden.
d) Nach dem Gesagten besteht daher die Feststellung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer mit der Ausstellung des Warengutscheins an seine Ehefrau eine neue Schuld begründet und damit in einer nach
Art. 163 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
beachtlichen Weise sein Vermögen vermindert habe, zu Recht. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2f467c9-01a6-433b-8504-d7b412abcc45 | Urteilskopf
123 IV 202
32. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1997 i.S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 261bis Abs. 1 StGB
und 4 StGB; Rassendiskriminierung.
Der Tatbestand schützt die Würde des Einzelnen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Rasse, Ethnie oder Religion. Strafbar macht sich, wer jemanden wegen einer zugeschriebenen Rasse, Ethnie oder Religion diskriminiert, unabhängig davon, ob solche Eigenschaften tatsächlich bestehen (E. 3a).
"Aufrufen" ist auch als "aufreizen" zu verstehen (E. 3b).
Als öffentlich gilt insbesondere, was sich an einen grossen Adressatenkreis richtet (E. 3d).
Subjektiv setzt der Tatbestand vorsätzliches Handeln aus rassendiskriminierenden Beweggründen voraus (E. 4c). | Sachverhalt
ab Seite 202
BGE 123 IV 202 S. 202
A.-
Im Juli 1995 faxte der amerikanische Hauptsitz der Universalen Kirche einen in Englisch abgefassten Brief und Adressmaterial für eine Jahreskonferenz in Toronto an die Vereinigung in der Schweiz. Eine vom 1. Juli 1995 datierte Übersetzung wurde Mitte Juli 1995 an 432 Adressaten im In- und Ausland verschickt als "Ein Besonderer Geschenks-Einladungsbrief von Dem Geheimen Avatar" an verpflichtete Schüler. Es wird zunächst dargelegt, dass
BGE 123 IV 202 S. 203
dies weniger ein Aufruf als ein Befehl zur Teilnahme sei und dass viele diese Aktivität verlassen hätten. Sodann wird auf den Seiten 2 und 3 des vierseitigen Briefs ausgeführt:
"Dann gab es das jüdische 'Kontingent'. Oh, Meine Güte, wie sehr dachten sie, dass Lord Morya und Unser Orakel sie 'beleidigt' hätten! Nun, natürlich taten Wir dies, und du und Ich werden immer jene 'beleidigen', die der jüdischen 'Überzeugung' angehören, einfach deshalb, weil ihnen in sehr jungen Jahren ein programmierter Beleidigungsmechanismus eingepflanzt worden ist. Sie lassen sich sehr leicht beleidigen, und der durchschnittliche Jude verbringt den grössten Teil seines Lebens damit, nach beleidigenden Situationen zu suchen, damit er oder sie seine oder ihre Selbstgerechtigkeit erhalten kann! [...]
Es gibt einige sehr falsche Dinge, die von den Zionisten auf der ganzen Welt begangen werden, über die der durchschnittliche Jude nicht Bescheid weiss, von denen ihm nichts gesagt wird und über die er nichts wissen will. Wenn sie von solchen Dingen in Kenntnis gesetzt werden, weichen sie in falschem Entsetzen und programmiertem 'Un-Glauben' zurück. Wie die Gassenkatzen der Nacht hören Wir, wie sie ihre programmierten Schreie "Es ist nichts als eine weitere dumme Verschwörungstheorie" in den Äther hinaus miauen, bis ihre Widersacher schweigen. Wie bei so vielen Dingen in der Welt, spielt es leider nie eine Rolle, wie wahr sie sind.
Letzten Monat (Juni 1995) sagte ein bekannter polnischer Priester: "... Wegen ihrer satanischen Gier zettelten die Juden den 2. Weltkrieg an, genauso wie sie für den Beginn des Kommunismus verantwortlich waren." Es ist vollkommen wahr. Dieser gesegnete Kirchenmann sprach die absolute Wahrheit! Es war Baron Rothschild, der Adolf Hitlers fehlschlagendes neues arisches 'Drittes Reich' finanzierte, und es war die jüdische Gemeinde, die unter der immensen Macht des russischen Zaren litt und 1917 einen gewissen Wladimir Iljitsch Ulianow Lenin unterstützte, in der Hoffnung, dass er seine Macht mit ihnen teilen würde. Er tat es nicht. Warum hätte er es tun sollen? Er eignete sich rücksichtslos eigene Macht an, auf Kosten von allem und jedem um ihn herum, genauso wie seine jüdischen 'Verfechter' programmiert waren (und es immer noch sind), alles an sich zu reissen, was sie nur können, wenn sie können ... und wenn sie Gelegenheit dazu erhalten, werden sie es tun. Merke dir Unsere Worte! Wer wird sie aufhalten?
Sie lagen "tot im Wasser", wie ihr sagt, als Erzengel Melchisedek ihr totes Land vor etwa zwanzig Jahrhunderten besuchte, und hier stehen sie am Vorabend eines weiteren Zeitalters und erzählen der Welt unverschämter Weise, dass sie noch immer die "Auserwählten" sind. Kein Mitglied dieser sogenannten "auserwählten Rasse" wird sich je lange genug hinsetzen, um die Tatsachen zu untersuchen. Weshalb? Sie sind zu beschäftigt damit, Geld zu 'machen', als Politiker, Rechtsanwälte, Bankiers, Ärzte, Medienmagnate, Filmregisseure, Moderatoren von Radio-Talkshows, Grundstücksmakler, Konzerndirektoren und -präsidenten, Herausgeber von Printmedien, Besitzer von Fernsehstationen, oder einfach als einfache Juweliere,
BGE 123 IV 202 S. 204
und andere - alles kontrollierend, was in einer christlichen Welt einen Wert besitzt, denn es ist die christliche Welt, die zu zerstören der leidenschaftliche Zionist entschlossen ist. Deshalb waren es die Zionisten, die die American Civil Liberties Union (A.C.L.U.) gründeten, eine Organisation, die dazu geschaffen ist, die Gesetze zu verwenden, um - um jeden Preis - das moralische Gewebe der neuzeitlichen christlichen Gesellschaft zu zerstören. Erinnere dich einfach daran, was der Grosse Herr 1991 sagte: "Israel ist der Sitz des Anti-Christen!!"
[...] Wir werden weiter über diese unerträgliche Sachlage sprechen, und es ist Unsere innigste Hoffnung, dass auch du es tun wirst, ohne darauf zu achten, wer dich dafür verdammen wird, zu Dem Wort zu stehen, für die Wahrheit aufzustehen [Originaltext: it is Our fervent hope that so will you, no matter who condemns you for standing by The Word, standing up for the Truth] und DEINE GEGENWART ERKENNBAR ZU MACHEN!"
P. bestätigte im Untersuchungsverfahren, für den Versand dieses von ihm mit anderen Personen übersetzten Briefs verantwortlich zu sein. Er bekannte sich zum Inhalt, bestritt aber, dass er oder die Mitglieder ein rassistisches Gedankengut vertreten würden und als Antisemiten zu bezeichnen seien und dass er mit rassendiskriminierenden Äusserungen an die Öffentlichkeit getreten sei.
B.-
Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden fand P. am 11. Juli 1996 der Rassendiskriminierung schuldig und bestrafte ihn mit 4 Monaten Gefängnis bedingt bei 3 Jahren Probezeit und Fr. 5'000.-- Busse. Das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden bestätigte am 18. März 1997 das Urteil des Kantonsgerichts.
C.-
P. erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben bzw. es eventuell aufzuheben und zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist ein kassatorisches Rechtsmittel (
Art. 277ter BStP
). Bei Gutheissung wird daher das Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Auf den Antrag ist in diesem Sinne einzutreten.
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung Bundesrecht verletze (
Art. 269 BStP
). Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheids richten, das Vorbringen neuer Tatsachen, neue Einreden, Bestreitungen und Beweismittel sowie Erörterungen über
BGE 123 IV 202 S. 205
die Verletzung kantonalen Rechts sind unzulässig (
Art. 273 BStP
). Was jemand weiss, will oder womit er einverstanden war, ist als Tatfrage im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde prinzipiell nicht überprüfbar (
Art. 277bis BStP
;
BGE 122 IV 156
E. 2b). Daher ist nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer der Vorsatzannahme zugrundeliegende innere Tatsachen bestreitet und soweit er sich im Strafpunkt gegen tatsächliche Feststellungen richtet. Weiter kann der Beschwerdeführer nur geltend machen, seine Verurteilung verletze Bundesrecht, nicht aber, es hätten noch andere Personen in die Strafuntersuchung einbezogen werden müssen.
2.
Die Schweiz verpflichtete sich im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 21. Dezember 1965 (SR 0.104) auf der Grundlage der angeborenen Würde und Gleichheit aller Menschen und "in der Überzeugung, dass jede Lehre von einer auf Rassenunterschiede gegründeten Überlegenheit wissenschaftlich falsch, moralisch verwerflich sowie sozial ungerecht und gefährlich ist und dass eine Rassendiskriminierung, gleichviel ob in Theorie oder in Praxis, nirgends gerechtfertigt ist", zur strafrechtlichen Erfassung bestimmter rassendiskriminierender Verhaltensweisen. Sie brachte mit ihrem Beitritt den Willen zum Ausdruck, rassistisches und menschenverachtendes Verhalten in der Schweiz nicht zu tolerieren (Botschaft über den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und über die entsprechende Strafrechtsrevision vom 2. März 1992, BBl 1992 III 273). Zu diesem Zweck wurde Art. 261bis in das Strafgesetzbuch eingefügt und nach einer Referendumsabstimmung am 1. Januar 1995 in Kraft gesetzt.
Gemäss
Art. 261bis StGB
mit dem Randtitel Rassendiskriminierung wird mit Gefängnis oder Busse bestraft,
1. wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft
("aura incité"; "incita"),
2. wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind,
3. wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt,
4. wer (1) öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden
BGE 123 IV 202 S. 206
Weise herabsetzt oder diskriminiert oder (2) aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht,
5. wer eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert.
Die eidgenössischen Räte waren sich einig, Hetzern und Rassisten mit strafrechtlichen Mitteln ihr Handwerk zu legen. Gleichzeitig wurde hervorgehoben, dass die Freiheitsrechte wie die Meinungsäusserungsfreiheit gewahrt bleiben. Dies ergibt sich bereits aus Art. 4 des Internationalen Übereinkommens, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichteten, in ihrer Antirassismusgesetzgebung die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Grundsätze gebührend zu berücksichtigen. Hintergrund des Übereinkommens und insoweit der Rassismusstrafnorm bilden die Erfahrungen des Kolonialismus, des Völkermords und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere die Tatsache der unter den Begriffen Shoah und Holocaust zusammengefassten Verbrechen, aber auch rassistische Vorkommnisse in der Schweiz.
Es werden der öffentliche Friede beziehungsweise der Respekt und die Achtung vor dem andern und dessen Anderssein als geschützt bezeichnet. In dieser Sicht gilt auch die Würde des Menschen als Rechtsgut, während der öffentliche Friede mittelbar geschützt wird als Folge des Schutzes des Einzelnen in seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe (NIGGLI, Rassendiskriminierung, Zürich 1996, N. 105, 130, 211; REHBERG, Strafrecht IV, 2. Auflage, Zürich 1996, S. 180; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 4. Auflage, Bern 1995, § 39 N. 22; TRECHSEL, Kurzkommentar, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 261bis N. 1, 6; GUYAZ, L'incrimination de la discrimination raciale, Bern 1996, S. 241, 250).
3.
a) Der Tatbestand schützt wesentlich die Würde des einzelnen Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer "Rasse, Ethnie oder Religion". Diese Begriffe beziehen sich auf unterschiedliche Kontexte und lassen sich insoweit auch juristisch nicht auf eine griffige Formel bringen. Die Zielsetzung des Gesetzes ist dagegen klar. Strafrechtlich ist entscheidend, dass
Art. 261bis StGB
auf dem Grundsatz der angeborenen Würde und Gleichheit aller Menschen beruht. Die Bestimmung verbietet daher eine Diskriminierung selbst bei einem Bestehen behaupteter Unterschiede, weshalb sich eine nähere strafrechtliche Definition von "Rasse" oder "Ethnie"
BGE 123 IV 202 S. 207
erübrigt. Vielmehr macht sich strafbar, wer eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen einer zugeschriebenen Rasse, Ethnie oder Religion diskriminiert. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob solche Eigenschaften tatsächlich bestehen, ob sich dieser Personenkreis solche Eigenschaften selbst zurechnet oder ob solche Eigenschaften fälschlich oder wahnhaft zugeschrieben werden; massgebend ist der Beweggrund (STRATENWERTH, a.a.O., § 39 N. 28; REHBERG, a.a.O., S. 183; GUYAZ, a.a.O., S. 128 ff., 135, 142 f.).
b) Das Tatbestandsmerkmal "Aufrufen" in
Art. 261bis Abs. 1 StGB
geht auf den Entwurf des Bundesrats zurück, der den Vorentwurf straffen und präzisieren wollte. Das öffentliche Aufrufen oder Aufreizen zu Rassendiskriminierung des Vorentwurfs wurde zum Aufrufen zu Hass und Diskriminierung. Diese Kürzung entfernte im deutschen Wortlaut den Begriff "aufreizen" und im französischen den Begriff "appeler" aus dem Gesetz, wobei der Bundesrat aber weiterhin die rassistische Hetze verfolgt wissen wollte (Botschaft, a.a.O., S. 312).
Dieses Konzept wurde in den eidgenössischen Räten übernommen. Der Ständerat behandelte die Vorlage als Zweitrat. Sein Berichterstatter führte aus, es gehe in den ersten drei Absätzen um die Bekämpfung der Rassenhetze: Abs. 1 erkläre das einfache Aufrufen zur Rassenhetze als strafbar, Abs. 2 betreffe eine subtilere Form der Aufhetze, die mit vermehrtem gedanklichem Aufwand verbunden sei, und Abs. 3 betreffe Aktionen, die gleichsam auf einem höheren organisatorischen Standard erfolgten, die also systematisch geplant würden und deshalb möglicherweise auch wirksamer seien als das einfache Aufhetzen einer Einzelperson. Alle drei Absätze hätten nur das öffentliche Aufhetzen zum Ziel; es gehe um Aufrufe, die sich an eine unbestimmte Zahl von Personen richten. In Abs. 4 gehe es um eigentliche Angriffe aufgrund rassendiskriminatorischer Motive (Zimmerli, AB 1993 S 96 f.).
"Aufrufen" ist daher im Sinne der französischen und italienischen Fassung des Gesetzes ("celui qui aura incité ..." bzw. "chiunque incita ...") auch als "aufreizen" zu verstehen (GUYAZ, a.a.O., S. 254; NIGGLI, a.a.O., N. 763; REHBERG, a.a.O., S. 186). Diese Auslegung gibt den Willen des Gesetzgebers richtig wieder. Erfasst werden damit auch die allgemeine Hetze oder das Schüren von Emotionen, die auch ohne hinreichend expliziten Aufforderungscharakter Hass und Diskriminierung hervorrufen können (vgl. STRATENWERTH, a.a.O., § 39 N. 32). Diese Auslegung entspricht der von den Vertragsstaaten des Internationalen Übereinkommens übernommenen
BGE 123 IV 202 S. 208
Verpflichtung, "jedes Aufreizen zur Rassendiskriminierung" unter Strafe zu stellen.
c) Infolge eines Abänderungsantrags von Ständerat Küchler erhielt Abs. 4 (1) anstelle der Fassung von Bundesrat und Nationalrat ("in ihrer Menschenwürde angreift") die neue Fassung "in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert". Damit wollte Küchler die Bestimmung präziser fassen, so dass "nicht jegliche unbedachte Handlung oder Äusserung" strafbar werde. Das war aber weder vom Bundesrat noch von den Räten je beabsichtigt worden. Es wurde in dieser Präzisierung denn auch selbst im Ständerat "in keiner Art und Weise eine grundlegende Änderung des Konzeptes" gesehen (Ständerat Zimmerli und Bundesrat Felber, AB 1993 S 97, 98). Im Differenzbereinigungsverfahren zog der Bundesrat "die etwas enger" und "klarer" umschriebene Version des Ständerats vor, während der Nationalrat zunächst annahm, seine Formulierung drücke das Gemeinte klarer und deutlicher aus (AB 1993 N 1075-1080). Nachdem der Ständerat an seiner Fassung weiterhin festhielt (AB 1993 S 452), wurde im Nationalrat ausgeführt, es gehe darum, die Bestimmung möglichst klar zu formulieren und dem Richter auch Schranken zu geben, an die er sich halten könne. Trotz dieser gemeinsamen Absicht sei man zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. "Herabsetzt" sei im Vergleich zu "angreift" "etwas weniger intensiv und deshalb auch weniger einschränkend" und lasse dem Richter mehr Spielraum. Es handle sich aber eher um eine Form- als eine Grundsatzfrage. Die ständerätliche Fassung wurde Gesetz (AB 1993 N 1300, 1451; AB 1993 S 579). Das Differenzbereinigungsverfahren führte dem Wortlaut nach - wie im Nationalrat richtig gesehen wurde - wohl prinzipiell zu einer "weniger einschränkenden" Fassung. Die Räte wollten jedoch keine Änderung des bundesrätlichen Konzepts.
d) Als öffentlich gilt nach konstanter Rechtsprechung, was sich an einen unbestimmten Personenkreis richtet (
BGE 111 IV 151
E. 2). Der Gesetzgeber verwies auf diese Rechtsprechung (E. 3b, zweiter Absatz). Als öffentlich gilt daher insbesondere auch, was sich an einen grossen Adressatenkreis richtet.
4.
a) Die Vorinstanz nimmt an, die Norm schütze Angehörige einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion. Diese Voraussetzung sei im Falle von Angehörigen der jüdischen Religion erfüllt. Der fragliche Text sei insgesamt wie in einzelnen Teilen als Herabwürdigung und Unwerterklärung aller Personen jüdischen Glaubens zu werten. Sein Inhalt sei geschickt mit den Verpflichtungen der
BGE 123 IV 202 S. 209
Vereinigung verwoben und geeignet, bei den Adressaten Hassgefühle hervorzurufen und letztlich die öffentliche Ordnung zu gefährden. Daher sei mitgewollt gewesen, dass die Botschaft und damit auch die Äusserungen über die Juden hinausgetragen werden, zumal der Text dazu aufgefordert habe. Der Beschwerdeführer habe dies in Kauf genommen. Er sei für den Versand strafrechtlich verantwortlich und habe zumindest eventualvorsätzlich gehandelt. Sein Verschulden wiege schwer. Ihm fehle die Einsicht in das Unrecht seiner Tat. Er könne sich seiner Verantwortung nicht mit dem Hinweis auf einen religiösen Gehorsam entziehen, dass ihm nämlich die Gebote der Vereinigung nicht erlaubt hätten, das Schreiben zu "administrieren".
b) Der Beschwerdeführer bestreitet rassistische Äusserungen. Die Norm schütze nicht die gesellschaftliche Ehre, sondern setze voraus, dass ein Text dem Judentum die Qualität des Menschseins abspreche. Das erfordere im Vergleich zur Verletzung der Ehre notwendig eine ausschliessende und herabsetzende Bewertung als minder- und unterwertig. Im Text fänden sich dergleichen Differenzierungen nicht. Verschiedene Textstellen seien beleidigend. Es werde aber nirgends die Über- oder Unterlegenheit einer bestimmten Gruppe behauptet. Ein Aufruf zu Hass oder Diskriminierung gegen die abtrünnigen Kirchenangehörigen wegen ihres Judentums habe nicht stattgefunden, auch nicht gegen das Judentum als solches. Die Vorinstanz lasse offen, ob die Äusserungen Ideologie verkörperten. Auch eine Verletzung der Menschenwürde sei nicht gegeben; der Vergleich mit Gassenkatzen treffe nicht die Juden als Rasse, sondern den durchschnittlichen Juden in seiner Reaktion auf behauptetes Verhalten der Zionisten, womit nicht eine Unwertigkeit behauptet werde. Öffentlichkeit sei nicht gegeben; die Briefe gehörten der kirchlichen Privatsphäre an. Subjektiv habe er nicht damit rechnen müssen, dass die Briefe an die Öffentlichkeit gelangten; nicht sein Handeln, sondern ein Vertrauensbruch habe dazu geführt. Schliesslich verletze die Strafe Bundesrecht.
c) In der zu beurteilenden Sache geht es um Antisemitismus in der Form einer strafrechtlich relevanten Judenfeindschaft. Ausser Frage steht, dass die jüdische Spiritualität (dazu Adin Steinsaltz, Le Talmud, L'Edition Steinsaltz, Ramsay 1995 ff.) im Religionsbegriff von
Art. 261bis StGB
geschützt wird. Die Vorinstanz zieht für den Schuldspruch hauptsächlich fünf Textstellen heran und beurteilt diese als einzelne wie auch den vorgeworfenen Text insgesamt als rassendiskriminierend im Sinne von Art. 261bis Abs. 1 und 4 (1)
BGE 123 IV 202 S. 210
StGB. Der Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht. Es erweist sich angesichts der summierten Verwendung notorischer Versatzstücke aus dem Arsenal der Judenhetze als überflüssig, sich mit dem Text weiter auseinanderzusetzen.
Öffentlichkeit ist anzunehmen. Der Beschwerdeführer versandte 432 Briefe an einen grossen Adressatenkreis, wobei die Adressaten autoritativ auf "Das Wort" verpflichtet wurden. Der Einwand, die Briefe hätten der kirchlichen Privatsphäre angehört, wird jedenfalls dann irrelevant, wenn sie an einen grossen Adressatenkreis versandt werden. Das Adjektiv "kirchlich" ändert daran nichts. Dabei kann offenbleiben, ob von einer "kirchlichen Privatsphäre" reden nicht bereits in sich einen Widerspruch bildet, bei einer Kirche, die in Amerika und Europa eine grössere Zahl Menschen einschliesst.
Eine Verletzung von
Art. 261bis Abs. 2 und 3 StGB
lässt die Vorinstanz offen, so dass auf diese Vorbringen nicht einzugehen ist.
Subjektiv setzt der Tatbestand vorsätzliches Handeln aus rassendiskriminierenden Beweggründen voraus. Eventualvorsatz genügt (
Art. 18 Abs. 1 und 2 StGB
) und ist anzunehmen, wenn der Täter den strafbaren Erfolg als möglich voraussieht, aber gleichwohl handelt, weil er ihn in Kauf nimmt für den Fall, dass er eintreten sollte (
BGE 119 IV 1
E. 5a). Der Beschwerdeführer versandte einverständlich einen rassendiskriminierenden Aufruf an einen grossen Adressatenkreis. Das erfüllt den subjektiven Tatbestand.
Die Strafe ist ermessenskonform festgesetzt worden. Ein achtenswerter Beweggrund liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer kann sich nicht damit rechtfertigen, blosser Weisungsempfänger gewesen zu sein und die Briefe an Gleichgesinnte versandt zu haben. Weiter ist nicht einzusehen, weshalb ein "Schutz von Gesinnungs- und Meinungsfreiheit" hätte berücksichtigt werden sollen.
5.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird kostenpflichtig abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. Damit ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2f85a8b-10a1-414f-8e05-83854d0c23e5 | Urteilskopf
97 II 362
51. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. November 1971 i.S. Hörni gegen Zürich-Unfall, Kunz und Richner. | Regeste
Schadenersatz zwischen Motorfahrzeughaltern.
1. Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 und 2 MFG,
Art. 34 SVG
. Pflicht des Führers, rechts zu fahren und beim Kreuzen einen angemessenen Abstand einzuhalten (Erw. 2).
2. Verletzung dieser Pflicht durch zwei Lastwagenführer, die einen Unfall verursachen; Kausalzusammenhang (Erw. 3 und 4).
3. Art. 60 Abs. 2, 61 Abs. 1 SVG. Aufteilung des Schadens; Bedeutung von Betriebsgefahr und Verschulden (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 363
BGE 97 II 362 S. 363
A.-
Albert Hörni führte am 12. September 1962, etwa um 19.20 Uhr, einen 2,25 m breiten "Fiat"-Lastwagen auf der Kantonsstrasse von Pfäffikon her durch das Dorf Schindel legi.
Ausgangs von Schindellegi beschreibt die Strasse eine Linkskurve und dann, bei einer Steigung von 5% und einem Hang entlang führend, eine langgezogene Rechtsbiegung. Sie ist auf dieser Strecke mit einer Leitlinie versehen und 6,10 bis 6,20 m breit.
Als Hörni angeblich mit etwa 35 km/h die Rechtsbiegung befuhr, kam ihm von Biberbrugg her ein Lastzug entgegen, der von Paul Richner gesteuert war und aus einem 2,25 m breiten "Mercedes"-Lastwagen und einem 2,30 m breiten Zweiachs-Anhänger bestand. Richner fuhr auf der Talseite der Strasse und hatte nach seinen Angaben eine Geschwindigkeit von 40 km/h. Beim Kreuzen streifte das linke Vorderrad des "Fiat"-Lastwagens die linken Räder des Anhängers. Der Lastwagen geriet daraufhin auf die linke Fahrbahn und stürzte über die steile Böschung in eine Baumgruppe, wobei er stark beschädigt und Hörni schwer verletzt wurde.
B.-
Am 27. April 1965 klagte Hörni gegen Richner, den Halter des "Mercedes"-Lastwagens Ulrich Kunz sowie gegen die Versicherungsgesellschaft Zürich-Unfall, bei der Kunz für seine Halterhaftpflicht versichert war, auf Zahlung von Fr. 173'077.15 für Schadenersatz und Genugtuung.
BGE 97 II 362 S. 364
Das Bezirksgericht Höfe hiess die Klage am 19. Januar 1968 im Teilbetrage von Fr. 17'307.70 nebst 5% Zins seit 12. September 1962 gut. Es kam zum Schluss, der Kläger habe den Schaden zu 9/10 selbst verschuldet.
Der Kläger appellierte an das Kantonsgericht Schwyz, das mit Urteil vom 16. Dezember 1969 den Entscheid des Bezirksgerichtes aufhob und die Klage abwies.
Der Begründung des Urteils ist zu entnehmen, dass das linke Vorderrad des "Fiat"-Lastwagens die Leitlinie beim Kreuzen um 12 cm überfuhr, während die linken Räder des Anhängers sich dieser Linie bis auf 10 cm näherten und dessen Oberbau 1,2 cm in die Linie hineinragte. Das Kantonsgericht ist jedoch der Meinung, Hörni sei für den Unfall allein verantwortlich, da er entgegen der Vorschrift des Art. 26 Abs. 2 MFG die Rechtsbiegung nicht eng genommen, sondern ohne Grund 1,13 m vom rechten Strassenrand entfernt gefahren sei. Nach Art. 25 Abs. 1 MFG hätte er zudem beim Kreuzen einen angemessenen Abstand wahren und innerhalb der rechten Strassenhälfte bleiben müssen. Angesichts des entgegenkommenden Lastzuges sei es unvernünftig und rücksichtslos gewesen, einen Teil der linken Fahrbahn für sich zu beanspruchen. Durch seine Fahrweise habe er elementare Verkehrsregeln grob verletzt und die einzige adäquate Unfallursache gesetzt. Richner dagegen sei mit dem Lastzug innerhalb seiner Fahrbahn geblieben; seine Fahrweise könne ihm trotz des knappen Abstandes von der Leitlinienmitte nicht als kausales Mitverschulden angerechnet werden.
C.-
Der Kläger hat gegen das Urteil des Kantonsgerichtes die Berufung erklärt. Er beantragt, es aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
Das Bundesgericht weist die Klage gegen Richner ab, heisst im übrigen die Berufung aber dahin gut, dass es das Urteil des Kantonsgerichtes aufhebt und die Sache zur Ermittlung und Berechnung des Schadens an die Vorinstanz zurückweist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Es ist unbestritten, dass das Verhalten der beiden Lastwagenführer nach den Verkehrsregeln des zur Zeit des Unfalles noch geltenden MFG, die Haftpflicht dagegen nach
Art. 58 ff. SVG
zu beurteilen ist.
BGE 97 II 362 S. 365
Das MFG verpflichtete den Fahrer, beim Kreuzen einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 letzter Satz), rechts zu fahren und Strassenbiegungen nach rechts kurz, solche nach links dagegen weit zu nehmen (Art. 26 Abs. 1 und 2). Diese Regeln decken sich mit Vorschriften des
Art. 34 SVG
, der unter anderem bestimmt, dass Fahrzeuge rechts fahren, sich namentlich auf unübersichtlichen Strecken möglichst an den rechten Strassenrand halten und beim Kreuzen einen ausreichenden Abstand wahren müssen (Abs. 1 und 4). Welcher Abstand beim Kreuzen angemessen ist, entscheidet sich nicht allgemein, sondern nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Fahrbahnbreite, der Art des Fahrzeuges, der Übersichtlichkeit der Strecke und der vom Führer selber eingehaltenen Geschwindigkeit. Je grösser diese ist, desto schwieriger wird es, den Abstand auf den Dezimeter genau abzuschätzen und einer im Verlaufe des Kreuzens eintretenden Gefahr durch Verzögerung der Fahrt, Anhalten oder Ausweichen wirksam zu begegnen. Auch darf der Führer, wie das Bundesgericht schon unter der Herrschaft des MFG entschieden hat, die rechte Strassenhälfte nicht beliebig für sich beanspruchen, insbesondere nicht hart der Mittellinie der Strasse entlang fahren. Wo die Verhältnisse es gestatten und mit Gegenverkehr zu rechnen ist, muss er vielmehr den zum Kreuzen notwendigen Zwischenraum in der Strassenmitte frei lassen, sein Fahrzeug folglich von ihr angemessen fern halten (
BGE 76 IV 61
,
BGE 81 IV 172
/3,
BGE 87 IV 24
; vgl. fernerBGE 77 II 258Erw. 1,
BGE 81 IV 299
,
BGE 94 IV 121
Erw. 1).
3.
Über diese Pflichten des Führers hat sich im vorliegenden Fall nicht bloss Hörni, sondern entgegen der Annahme der Vorinstanz auch Richner hinweggesetzt.
a) Richner fuhr nach eigenen Angaben mit etwa 40 km/h und sah, dass ihm ein Lastwagen entgegenkam. Unter diesen Umständen war es pflichtwidrig unvorsichtig, sich auf der eher schmalen Durchgangsstrasse der Leitlinie beim Kreuzen so zu nähern, dass die Karrosserie des Lastzuges zum Teil in die Linie hineinragte. Schon das Gebot, gegenüber entgegenkommenden Fahrzeugen einen genügenden Sicherheitsabstand zu wahren, verpflichtete ihn, weiter nach rechts zu halten. Er hatte keine Gewähr, gefahrlos kreuzen zu können, lief vielmehr Gefahr, den "Fiat"-Lastwagen zu streifen und dadurch mit den eigenen Fahrzeugen seitlich abgetrieben zu werden.
BGE 97 II 362 S. 366
Dass die Fahrbahn auf der Talseite 22 cm weniger breit war als diejenige auf der Bergseite, weil die Leitlinie nicht genau der Strassenmitte folgte, befreit ihn nicht. Er war gleichwohl nicht genötigt, hart an der Linie entlang zu fahren, da er mit den Fahrzeugen 60 cm, mit den Rädern sogar 71 cm Abstand vom rechten Strassenrand einhielt. Seine Fahrweise lässt sich auch nicht damit entschuldigen, dass er auf der Talseite, einer steilen Böschung entlang fuhr. Angesichts des entgegenkommenden Lastwagens war ihm zuzumuten, etwa 20 cm weiter rechts zu halten und den sich daraus ergebenden Gefahren durch erhöhte Vorsicht und nötigenfalls durch Mässigung der Geschwindigkeit Rechnung zu tragen. Solche Vorkehren lagen für einen gewissenhaften Führer wesentlich näher als der Versuch, mit unverminderter Geschwindigkeit und einem seitlichen Abstand von wenigen Zentimetern am andern Fahrzeug vorbeizukommen.
b) Hörni hat die angeführten Verkehrsregeln der Art. 25 und 26 MFG erheblich schwerer verletzt als Richner. Obwohl er sich mit dem Wagen auf der Bergseite und auf der breiteren Fahrbahn befand, überfuhr er die Leitlinie um 12 cm, liess dagegen zu seiner Rechten mindestens 1,13 m offen. Dass die beschränkte Sicht in der Biegung, Rücksichten auf allfällige Fussgänger und in die Fahrbahn ragende Sträucher oder Äste ihn angeblich veranlassten, einen solchen Abstand vom rechten Strassenrand einzuhalten, lässt sich im Ernst nicht behaupten. Weder das eine noch das andere berechtigte ihn, sich über wichtige Verkehrsverpflichtungen hinwegzusetzen. Unter den gegebenen Umständen ging seine Pflicht, die dem Gegenverkehr vorbehaltene Fahrbahn freizuhalten und beim Kreuzen einen angemessenen Abstand zu wahren, seinem Bedürfnis, auf der rechten Seite gegen Überraschungen möglichst gesichert zu sein, vielmehr vor (vgl.
BGE 87 IV 25
). Seine Einwendungen sind umso weniger zu verstehen, als er das entgegenkommende Fahrzeug nach eigenen Aussagen schon zu Beginn der Linksbiegung erblickt hatte und sein Wagen mit einer Rechtssteurung versehen war, er folglich den rechten Strassenrand gut beobachten und den Abstand von dieser Seite ohne besondere Mühe auf ein Mindestmass beschränken konnte. Seine Fahrweise entbehrt jeder Rechtfertigung.
4.
Das pflichtwidrige Verhalten des Klägers war nicht nur im natürlichen, sondern auch im Rechtssinne kausal für die
BGE 97 II 362 S. 367
Streifkollision und deren Folgen. Der Kläger versucht dies mit Recht nicht zu widerlegen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist aber auch im schuldhaften Verhalten Richners eine adäquate Ursache für den Zusammenstoss zu erblicken. Ein angemessener Abstand beim Kreuzen ist um der Gefahren willen vorgeschrieben, denen der Verkehr aus entgegengesetzten Richtungen ohne diese Sicherung ausgesetzt ist. Wer sich über die Vorschrift hinwegsetzt und hart an der Leitlinie fährt, muss mit Folgen, wie sie hier eingetreten sind, rechnen. Das muss er vor allem dann, wenn er auf einer eher schmalen Strasse im Begriffe ist, einen Lastwagen zu kreuzen, und selber einen solchen Wagen führt. Richner hätte bei angemessenem Abstand den Zusammenstoss und dessen Folgen ebenso vermeiden können wie Hörni.
5.
Haften nur Motorfahrzeughalter für einen Unfall, so haben sie gemäss
Art. 60 Abs. 2 Satz 2 SVG
den Schaden zu gleichen Teilen zu tragen, wenn nicht besondere Umstände, namentlich das Verschulden, eine andere Verteilung rechtfertigen. Die Vorschrift beruht auf der Vermutung, dass die Betriebsgefahren der am Unfall beteiligten Motorfahrzeuge meistens einigermassen gleich sind, eine von der Regel abweichende Aufteilung des Schadens folglich erst begründet ist, wenn die Gefahr beim Fahrzeug des einen Halters offensichtlich überwiegt. Zu beachten ist ferner, dass den konkreten Betriebsgefahren im Rahmen der Gesamtverursachung nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, sobald die beteiligten Halter ein Verschulden trifft, da diesfalls der Schaden in erster Linie im Verhältnis ihres Verschuldens zu teilen ist (vgl.
BGE 84 II 310
,
BGE 94 II 177
Erw. 2,
BGE 95 II 343
Erw. 7). Gleich verhält es sich nach
Art. 61 Abs. 1 SVG
, der die Aufteilung des Schadens unter Haltern regelt, wenn einer von ihnen bei einem Unfall körperlich geschädigt worden ist.
Die Vorinstanz ist mit dem gerichtlichen Experten der Meinung, die an sich höhere Betriebsgefahr des Lastzuges habe sich bei der Streifkollision nicht auswirken können. Der Kläger behauptet demgegenüber, der Halter des Lastzuges habe wegen dessen Beschaffenheit und dessen ungleich grösseren Gewichtes eine viel höhere Betriebsgefahr zu vertreten als er. Aus dem Gewicht und der Länge des Lastzuges kann indes schon deshalb nichts für eine besondere Betriebsgefahr hergeleitet werden, weil einzig der Anhänger von der Kollision
BGE 97 II 362 S. 368
erfasst wurde. Nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht, spricht auch sonst nichts für die Behauptung des Klägers; insbesondere liegt nichts dafür vor, dass der Anhänger geschlingert habe, wie der Kläger anzunehmen scheint. Es ist deshalb von gleichwertigen Betriebsgefahren auszugehen.
Richner trifft ein eher leichtes, Hörni dagegen ein ziemlich schweres Verschulden am Unfall. Die Fahrweise des ersteren ist, wenn nicht entschuldbar, so doch teilweise verständlich, da er mit dem Lastzug auf der Talseite und zudem auf der schmäleren Fahrbahn fuhr. So geringfügig, wie das Bezirksgericht anzunehmen schien, ist das Verschulden Richners, der Berufsfahrer ist, freilich nicht. Statt der Gefahr einer Streifkollision pflichtgemäss vorzubeugen, hat er die nach den Umständen gebotene erhöhte Vorsicht vielmehr vermissen lassen. In erheblich grösserem Masse ist dies aber Hörni vorzuwerfen. Die Vorinstanz hält ihm mit Recht entgegen, dass er die Leitlinie, die mindestens 100 m vor der Unfallstelle begann, schlechterdings nicht übersehen konnte. Trotzdem hat er die Strassenmitte in der Biegung leichtsinnig überfahren. Dadurch hat er den schweren Unfall zum überwiegenden Teile selbst verschuldet. In Würdigung aller Umstände rechtfertigt es sich, ihm nur einen Drittel des Schadens ersetzen und ihn zwei Drittel selber tragen zu lassen. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a2f9ba02-98bb-4c45-8636-a5f6733607d0 | Urteilskopf
102 IV 15
4. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 30 janvier 1976 dans la cause Nicole contre Ministère public du canton de Vaud. | Regeste
Art. 43 CP; Massnahmen an geistig Abnormen.
1. Die Empfehlung an die Vollzugsbehörde, die Modalitäten einer psychiatrischen Behandlung festzulegen, kann nicht einer in Anwendung von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
angeordneten Massnahme gleichgesetzt werden (Erw. 4 lit. a).
2. Wenn die Sachverständigen als Behandlung bloss Gespräche des Patienten mit einem Psychiater ins Auge fassen, kann der Richter von einer Massnahme gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
absehen und es der Vollzugsbehörde überlassen, das Nötige vorzukehren (Erw. 4 lit. b). | Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 102 IV 15 S. 15
A.-
Michel Nicole a été condamné le 23 avril 1951 par le Tribunal correctionnel de Lausanne à 6 mois d'emprisonnement pour débauche contre nature. Le sursis assortissant cette peine a été révoqué à la suite d'une nouvelle condamnation, à 8 mois d'emprisonnement, prononcée le 18 mars 1952 par le même Tribunal, pour attentat à la pudeur des enfants. L'exécution des deux peines a été suspendue, Nicole étant interné à Cery pour une durée indéterminée. Par la suite, Nicole a été libéré conditionnellement avec effet rétroactif au 1er octobre 1952, puis le Président du Tribunal de district de Lausanne a décidé, le 9 avril 1956, de lui accorder la remise totale des peines prononcées contre lui.
BGE 102 IV 15 S. 16
Le 22 novembre 1962, Nicole a été derechef condamné pour attentat à la pudeur d'une enfant, par le Tribunal correctionnel du district de Vevey, à 20 jours d'emprisonnement, et le 5 juillet 1967, par le Tribunal de police de Lausanne, à 15 jours d'emprisonnement, pour une infraction semblable.
Nicole, qui avait divorcé en 1965, a épousé en 1967 Ursula Schaerli, mère d'une enfant naturelle prénommée Sybille. Cette dernière était née le 4 mars 1965; elle a été autorisée par l'autorité compétente à porter le patronyme de Nicole.
Du printemps 1971 à la fin de 1974, Nicole s'est livré à des attentats répétés à la pudeur de la petite Sybille qui a été et se trouve encore gravement perturbée par les actes dont elle a été victime.
Nicole a été soumis à une expertise psychiatrique. Les deux experts consultés estiment qu'il n'est atteint ni de maladie mentale, ni de faiblesse d'esprit, ni d'une grave altération de la conscience; ses troubles de caractère seraient assimilables à un développement mental incomplet; de ce fait, et bien qu'il possédât pleinement la faculté d'apprécier le caractère illicite de ses actes, il n'aurait pu se déterminer d'après cette appréciation. Une hospitalisation dans un hôpital psychiatrique ne serait pas indiquée, car il est accessible à une sanction pénale et serait peut-être, par l'effet d'une peine privative de liberté, amené à une prise de conscience qui lui serait profitable à l'avenir; il serait toutefois utile qu'au cours de sa détention, il puisse se confier à un médecin psychiatre qui le verrait périodiquement.
Le 9 mai 1975, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné Nicole à six ans de réclusion, sous déduction de 114 jours de détention préventive, pour attentat qualifié à la pudeur des enfants.
B.-
Le recours de Nicole a été rejeté le 16 juillet 1975 par la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois. Celle-ci a estimé que le grief tiré par Nicole d'une violation de l'art. 43 CP était mal fondé, dès lors que les premiers juges s'étaient référés à l'expertise précitée pour renoncer à renvoyer Nicole dans un hôpital psychiatrique et puisqu'ils avaient, dans leurs considérants, confié à l'autorité d'exécution le soin d'examiner les modalités du traitement à administrer pendant l'incarcération.
C.-
Nicole se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il
BGE 102 IV 15 S. 17
demande à être renvoyé dans un hôpital ou un hospice, ou tout au moins à bénéficier d'un traitement ambulatoire au sens de l'art. 43 CP.
Erwägungen
Considérant en droit:
4.
a) Bien que les experts aient estimé utile que le recourant puisse, déjà lors de son incarcération, se confier à un médecin psychiatre, l'autorité cantonale a renoncé à ordonner un traitement ambulatoire au sens de l'art. 43 CP. Elle s'est limitée à confier à l'autorité administrative le soin de fixer les modalités du traitement psychiatrique durant l'exécution de la peine.
Une telle recommandation, faute de figurer dans le dispositif de la décision judiciaire, ne lie pas l'autorité d'exécution et ne saurait de ce fait être assimilée à une mesure ordonnée en application de l'art. 43 ch. 1 al. 1 CP. De plus, les dispositions prises dans une telle hypothèse par l'autorité d'exécution échappent à l'action du juge, alors que celui-ci, en vertu de l'art. 43 ch. 3 CP (cf. item art. 43 ch. 5 CP), conserve un pouvoir d'intervention et de contrôle sur les mesures qu'il ordonne lui-même.
Il n'est dès lors pas indifférent de déterminer si le recourant devait ou non faire l'objet d'un traitement ambulatoire ordonné par le juge.
b) Savoir si l'état mental du délinquant exige une psychothérapie et si un tel traitement est de nature à éliminer ou à atténuer le risque de récidive est une question d'appréciation dont la solution incombe au premier chef au juge du fait. Le Tribunal fédéral n'intervient donc sur ce point que si l'autorité cantonale a outrepassé son pouvoir d'appréciation ou si elle s'est fondée sur des considérations qui sont en contradiction avec le droit fédéral ou avec le but des mesures concernant les délinquants anormaux.
La possibilité pour le recourant de se confier à un psychiatre relève déjà, en principe, des soins accordés aux détenus dans tous les établissements, en vertu de l'art. 46 ch. 2 CP. L'autorité cantonale était donc fondée à admettre que l'autorité administrative ferait le nécessaire à cet égard, en vertu de ses obligations propres. Par ailleurs, pendant la détention, il n'existe guère de danger que les tendances pédophiles du
BGE 102 IV 15 S. 18
recourant puissent se manifester. En cas de libération anticipée, il sera possible d'écarter un tel risque par des règles de conduite appropriées.
Certes, un traitement ordonné par le juge aurait pu, en cas de nécessité, être encore poursuivi après la remise en liberté - même provisoire - du recourant. Il n'y avait toutefois pas à tenir compte de cette éventualité, étant donné la longue durée pendant laquelle le recourant demeurera incarcéré et se trouvera ainsi sous le contrôle de l'autorité d'exécution. Au surplus, le recourant ne s'est jusqu'ici jamais dérobé ou soustrait à un traitement psychiatrique.
Lorsque le seul traitement psychiatrique envisagé par les experts se réduit à des entretiens qu'il serait "utile" pour le patient d'avoir périodiquement avec un médecin, on ne saurait véritablement reprocher au juge d'excéder son pouvoir appréciateur en renonçant à prévoir lui-même les modalités de cette mesure et de s'en remettre pour cela à l'autorité d'exécution. Le pourvoi doit ainsi être rejeté également sur ce point.
5.
Le recourant a demandé l'assistance judiciaire. Il ressort des pièces produites qu'il est dénué de ressources. On ne saurait par ailleurs dire que son pourvoi, bien que rejeté, ait été dès l'abord dénué de toute chance de succès. Il remplit donc les conditions posées à l'art. 152 OJ.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi. | null | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a2fb4e0c-fb3d-4a92-bddb-e457e075224b | Urteilskopf
135 I 19
4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Frei und Mitb. gegen Keller-Inhelder sowie Kantonsrat des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten)
1C_291/2008 vom 17. Dezember 2008 | Regeste
Art. 34 Abs. 2 BV
,
Art. 2 lit. x KV/SG
; Anspruch auf unverfälschte Stimmabgabe; direkte Wahl der Volksvertreter nach Proporzsystem; Grundsatz des freien Mandats.
Erneuerungswahl des St. Galler Kantonsparlaments: Gültigkeit der Wahl einer Kandidatin, die auf der Liste einer Partei gewählt wird, aber zwischen Wahltermin und Konstituierung des Parlaments zu einer Partei mit konkurrierender Liste übertritt (E. 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 20
BGE 135 I 19 S. 20
Am 16. März 2008 fand im Kanton St. Gallen die Erneuerungswahl des Kantonsrats (Kantonsparlament) für die Amtsdauer 2008/2012 statt. Die Wahl des Kantonsrats erfolgt nach dem System der Proporzwahl. Der Kantonsrat besteht aus 120 Mitgliedern. Im Wahlkreis See-Gaster waren 15 Sitze zu vergeben. In diesem Wahlkreis errangen die miteinander verbundenen Listen Nrn. 6 und 7 der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) insgesamt 5 Sitze und die Liste Nr. 1 der Schweizerischen Volkspartei (SVP) 6 Sitze. Auf der Liste Nr. 6 kandidierte unter anderem die bisherige Kantonsrätin Barbara Keller-Inhelder. Sie erzielte auf ihrer Liste die beste Stimmenzahl und wurde gemäss Wahlprotokoll als gewählt erklärt. Die Wahlergebnisse wurden im kantonalen Amtsblatt vom 31. März 2008 veröffentlicht. Es gingen keine Beschwerden gegen die Durchführung der Wahl und deren Ergebnisse ein. Mit Botschaft vom 22. April 2008 beantragte die Regierung des Kantons St. Gallen dem Kantonsrat, die Gültigkeit der Kantonsratswahl festzustellen. Am 27. Mai 2008 orientierte die Kantonsregierung jedoch das Präsidium des Kantonsrats, dass Barbara Keller-Inhelder Medienberichten zufolge kurz nach dem Wahltermin einen Parteiwechsel von der CVP zur SVP vollzogen habe.
Der neugewählte Kantonsrat trat erstmals am 2. Juni 2008 zusammen. An diesem Datum behandelte er unter anderem die sog. Validierung der Kantonsratswahl. Bei diesem Geschäft stimmte er zunächst über die Gültigkeit der Wahl von Barbara Keller-Inhelder ab, hiernach gesamthaft über diejenige der anderen 119 Mitglieder. Die vorberatende kantonsrätliche Kommission hatte den Antrag gestellt, die Wahl von Barbara Keller-Inhelder wegen ihres Parteiwechsels für ungültig zu erklären. Diesen Antrag lehnte der Kantonsrat mit 58 zu 54 Stimmen bei 6 Enthaltungen und 2 Abwesenheiten ab; Barbara Keller-Inhelder befand sich im Ausstand. Anschliessend stellte der Kantonsrat fest, die Wahl der anderen 119 Mitglieder sei ebenfalls gültig.
Den kantonsrätlichen Entscheid über die Validierung der Wahl von Barbara Keller-Inhelder fechten Jörg Frei und vier Mitbeteiligte beim Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
BGE 135 I 19 S. 21
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Zur Hauptsache rufen die Beschwerdeführer
Art. 34 Abs. 2 BV
und
Art. 2 lit. x KV/SG
(SR 131.225) an.
Art. 34 Abs. 2 BV
schützt die freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe. Die Garantie bedeutet, dass kein Abstimmungs- oder Wahlergebnis anerkannt werden darf, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Der Wählerwille soll sich möglichst unverfälscht in der Zusammensetzung des Parlaments widerspiegeln (vgl.
BGE 131 I 442
E. 3.1 S. 447;
BGE 123 I 97
E. 4a S. 105).
Art. 2 KV/SG
gewährleistet die Grundrechte nach Massgabe der Bundesverfassung in allgemeiner Weise und schliesst namentlich auch die freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe in Ausübung der politischen Rechte ein (lit. x). Diese kantonalen Garantien reichen nicht über jene von
Art. 34 Abs. 2 BV
hinaus (Urteil des Bundesgerichts 1C_412/2007 vom 18. Juli 2008 E. 3).
2.2
In der Replik bringen die Beschwerdeführer Rügen vor, die sie in der Beschwerdeschrift nicht geltend gemacht haben. Es gilt vorweg zu prüfen, ob dies zulässig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Beschwerdeergänzung auf dem Weg der Replik nur insoweit statthaft, als die Ausführungen in der Vernehmlassung eines anderen Verfahrensbeteiligten dazu Anlass geben. Ausgeschlossen sind hingegen in diesem Rahmen Anträge und Rügen, die der Beschwerdeführer bereits vor Ablauf der Beschwerdefrist hätte erheben können (vgl.
BGE 134 IV 156
E. 1.7 S. 162;
BGE 132 I 42
E. 3.3.4 S. 47 mit weiteren Hinweisen).
2.2.1
Zum einen führen die Beschwerdeführer in diesem Rahmen aus, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 62 Abs. 3 des Geschäftsreglements des Kantonsrats vom 24. Oktober 1979 (sGS 131.11) und sei auch deswegen aufzuheben. Mit dieser Bestimmung wird vorgeschrieben, dass gewisse vorberatende Kommissionen des Kantonsrats in der Regel dem Kantonsrat schriftlich Bericht zu erstatten haben. Die Beschwerdeführer beanstanden, es sei vorliegend nur eine kurze mündliche und damit unzulängliche Berichterstattung erfolgt. Dass diese neu erhobene Rüge wegen Äusserungen in der Vernehmlassung der Kantonsregierung notwendig geworden sei, ist weder behauptet noch ersichtlich. Bereits aus dem Protokollauszug, den die Beschwerdeführer als Anfechtungsobjekt
BGE 135 I 19 S. 22
eingereicht haben, geht hervor, wie die kritisierte Berichterstattung im Rat vor sich ging. Auf die diesbezüglichen Vorbringen kann demzufolge nicht eingetreten werden.
2.2.2
Zum andern dreht sich die Beschwerdeergänzung um die Tatsachenfeststellung des Kantonsrats zum Zeitpunkt, in dem Barbara Keller-Inhelder den Parteiwechsel vollzogen hat. In der Beschwerdeschrift wird entsprechend dem angefochtenen Entscheid - und ohne Infragestellung - vorgebracht, Barbara Keller-Inhelder sei im Nachgang zur Wahl aus der CVP ausgetreten und in die SVP übergetreten. Nichts anderes hat die Kantonsregierung in der Vernehmlassung an das Bundesgericht vorgetragen.
In der Replik bringen die Beschwerdeführer nun die Präzisierung an, der Parteiwechsel habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch vor dem Wahltermin stattgefunden. Auch insofern sind die Beschwerdeführer nicht zu einer Beschwerdeergänzung berechtigt. Sie machen nicht geltend, die nachträglich behaupteten Tatsachen und neu eingereichten Belege seien ihnen vor Ablauf der Beschwerdefrist nicht zugänglich gewesen. Aus diesem Grund kann auf die diesbezüglichen Ausführungen nicht eingegangen werden.
Im Übrigen bekräftigen die Beschwerdeführer in der Replik, die Gegenseite habe mit der Kommunikation des Parteiwechsels gezielt bis nach den Wahlen zugewartet. Die Beschwerdeführer zeigen nicht auf, inwiefern ihre neue Sachdarstellung für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein soll. Nur unter dieser Voraussetzung wäre eine Sachverhaltsrüge gemäss
Art. 97 Abs. 1 BGG
überhaupt zulässig. Auch im Hinblick darauf sind die neuen Vorbringen zum Sachverhalt unbeachtlich.
2.3
Im Ergebnis ist der Streitgegenstand auf die Frage beschränkt, ob es das Stimm- und Wahlrecht verletzt, Barbara Keller-Inhelder trotz des
nach
den Wahlen vollzogenen Parteiwechsels zur Amtsausübung zuzulassen. Es ist unbestritten, dass die übrigen rechtlichen Voraussetzungen für den Amtsantritt erfüllt sind. Die Beschwerdeführer legen Barbara Keller-Inhelder zur Last, sich gegenüber der Wählerschaft treuwidrig verhalten zu haben. An ihrer Stelle sei dem in Frage kommenden Ersatzmitglied der Wahlliste das Nachrücken zu gestatten. Der Kantonsrat habe verkannt, dass er zum Schutz von Sinn und Zweck des Proporzwahlrechts zu einer solchen Anordnung verpflichtet sei. Die Beschwerdeführer verlangen von den Parlamentariern keine rechtliche Bindung während der ganzen
BGE 135 I 19 S. 23
Amtsdauer an die angestammte Partei. Ein Übertritt noch vor der Konstituierung des neugewählten Parlaments ist aber ihrer Meinung nach besonders stossend. Werde in einem solchen Fall der Amtsantritt geschützt, dann entspreche die Zusammensetzung des Parlaments von Beginn weg nicht dem Wählerwillen.
3.
3.1
An sich ist es richtig, dass aus Sicht der Stimmberechtigten die Zusammensetzung des Parlaments nicht nur am Wahltag selbst, sondern auch danach dem Wahlergebnis entsprechen soll. Wie es sich insofern verhält, wenn ein gewählter Kandidat bzw. ein Parlamentarier aus der Partei ausscheidet oder in eine andere Partei übertritt, muss vorliegend untersucht werden.
3.2
Dabei ist einzubeziehen, dass für die im Amte stehenden Parlamentsmitglieder das Prinzip der auftragsfreien Repräsentation gilt (sog. freies Mandat). Für die Mitglieder der Bundesversammlung wird dieser Grundsatz heute aus
Art. 161 Abs. 1 BV
abgeleitet; die Bestimmung wurde inhaltlich unverändert aus
Art. 91 aBV
übernommen (vgl. dazu HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, N. 1607; MORITZ VON WYSS, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 3 ff. zu
Art. 161 BV
; PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2. Aufl. 2007, § 34 N. 1; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. I, 2. Aufl. 2006, N. 70; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, in: Petit Commentaire de la Constitution fédérale, 2003, N. 4 zu
Art. 161 BV
;
derselbe
, in: Kommentar zur Bundesverfassung, N. 1 ff. zu
Art. 91 aBV
). Nach der herrschenden Staatsrechtslehre in der Schweiz gehört der Grundsatz der auftragsfreien Repräsentation zum Wesen des parlamentarischen Mandats (vgl. HALLER/KÖLZ/GÄCHTER, Allgemeines Staatsrecht, 4. Aufl. 2008, S. 247 f.; TSCHANNEN, a.a.O., § 30 N. 12 ff.; AUBERT, in: Petit Commentaire, N. 1 lit. f der Vorbemerkungen vor
Art. 148 ff. BV
). Kritisch zu diesem Grundsatz geäussert hat sich PETER SALADIN; er postulierte eine Verantwortung der Parlamentarier gegenüber ihrer Wählerschaft (Verantwortung als Staatsprinzip, 1984, S. 174 f.). In abgeschwächter Form bekennen sich mehrere Autoren unter dem Stichwort "Responsiveness" zu einer Bindung der Parlamentarier gegenüber ihrer Wählerschaft als Ansprechpartner (vgl. dazu JÖRG PAUL MÜLLER, "Responsive Government": Verantwortung als Kommunikationsproblem, ZSR 1995 I S. 3 ff., 15, 21; RENÉ RHINOW, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, 2003, N. 1856,
BGE 135 I 19 S. 24
2239; PHILIPPE MASTRONARDI, Verfassungslehre, 2007, N. 494 f.; so schon SALADIN, a.a.O., S. 177 ff.). Der Inhalt der soeben erwähnten Standpunkte muss nicht vertieft erörtert werden. Nach dem geltenden Verfassungsrecht des Bundes ist vom Prinzip des freien Mandats auszugehen.
3.3
Die sanktgallische Kantonsverfassung enthält keine Regelung zu diesem Aspekt des Parlamentsrechts. Im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass der Grundsatz des freien Mandats für ein Kantonsparlament auch ohne besondere Regelung im kantonalen Recht gilt (vgl. MATTHIAS HAUSER, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 1 zu
Art. 52 KV/ZH
; PETER MÜNCH, Wesen und Bedeutung der Parlamentsfraktion aus schweizerischer Sicht, in: Archiv des öffentlichen Rechts 120/1995 S. 382 ff., 410; KURT EICHENBERGER, Verfassung des Kantons Aargau, Kommentar, 1986, N. 4 der Vorbemerkungen vor
§
§ 76 ff. KV/AG
). Wie die Kantonsregierung in der Vernehmlassung an das Bundesgericht darlegt, sind Parteiwechsel von Kantonsratsmitgliedern nach dem Amtsantritt in der St. Galler Praxis wiederholt vorgekommen, ohne dass diese Politiker zur Abgabe des Mandats verpflichtet gewesen wären. Ungewöhnlich ist beim vorliegenden Fall, dass der Parteiwechsel bereits vor Amtsantritt vollzogen wurde. Im Ergebnis hat der Kantonsrat hier dem Grundsatz des freien Mandats eine für die Zeit zwischen Wahl und Amtsantritt vorauswirkende Tragweite verliehen. Es fragt sich, ob dieser Entscheid mit den politischen Rechten der Beschwerdeführer vereinbar ist.
4.
Bei Stimmrechtsbeschwerden überprüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten frei (
Art. 95 lit. a und c BGG
). Gestützt auf
Art. 95 lit. d BGG
prüft es auch die Anwendung des kantonalen Rechts, das den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normiert oder mit diesem in engem Zusammenhang steht, mit freier Kognition. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich allerdings der vom obersten kantonalen Organ vertretenen Auffassung an; als solches werden Volk und Parlament anerkannt (vgl. Urteil 1C_5/2007 vom 30. August 2007 E. 1, in: ZBl 109/2008 S. 155). Trotz der freien Prüfung weicht das Bundesgericht nicht leichthin von der Beurteilung des kantonalen Parlaments ab.
5.
Unter dem Blickwinkel der politischen Rechte geht es um den Aspekt, dass die Volkswahl von Verfassungs wegen eine direkte sein muss.
BGE 135 I 19 S. 25
5.1
Art. 39 Abs. 1 und
Art. 51 Abs. 1 BV
verpflichten die Kantone, den Stimmberechtigten das Recht zur direkten Wahl der Volksvertreter einzuräumen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 1P.605/1994 vom 16. März 1995 E. 2b, in: ZBl 97/1996 S. 134). Dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe genügen grundsätzlich sowohl das Mehrheits- als auch das Verhältniswahlverfahren (
BGE 131 I 74
E. 3.2 S. 79,
BGE 131 I 85
E. 2.2 S. 87; je mit Hinweisen). Die Mitglieder des St. Galler Kantonsrats werden gemäss
Art. 37 KV/SG
in den bezeichneten Wahlkreisen nach Proporz gewählt. Wie Art. 54 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 4. Juli 1971 über die Urnenabstimmungen (UAG; sGS 125.3) festlegt, richtet sich das Wahlverfahren sachgemäss nach der Bundesgesetzgebung zur Wahl des Nationalrats, mithin nach dem Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (BPR; SR 161.1).
5.2
Das Wahlsystem der Verhältniswahl bezweckt, alle massgeblichen politischen Kräfte nach Massgabe ihrer Parteistärke im Parlament Einsitz nehmen zu lassen (vgl.
BGE 131 I 74
E. 3.3 S. 80;
BGE 123 I 97
E. 4d S. 106 mit weiteren Hinweisen). Bei diesem Wahlsystem tritt die Persönlichkeitswahl in den Hintergrund; im Vordergrund steht die von der Partei bzw. politischen Gruppierung aufgestellte Liste (vgl.
BGE 118 Ia 415
E. 6c S. 420 f.; Urteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 2.1). Für die Stimmberechtigten zeichnet sich die Proporzwahl dadurch aus, dass sie nur Kandidaten wählen können, die auf einer Liste vorgeschlagen sind (
BGE 98 Ia 64
E. 3c S. 72 f.; HANGARTNER/KLEY, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2000, N. 1436). Das Stimm- und Wahlrecht umfasst bei Proporzwahlen einen Anspruch auf gehörige Bekanntgabe der Listen; dazu gehören Angaben über die Erklärung einer Listenverbindung (vgl.
BGE 104 Ia 360
E. 3a S. 363 f.).
5.3
Die Parteien schlagen die Kandidaten vor, die auf ihren Listen zur Wahl stehen. Die behördliche Bereinigung der Kandidatenlisten erfolgt im Vorverfahren. Im Rahmen des Vorverfahrens haben die Kandidaten schriftlich zu bestätigen, dass sie den Wahlvorschlag annehmen (Art. 13 Abs. 4 der Vollzugsverordnung vom 17. August 1971 zum kantonalen Gesetz über die Urnenabstimmungen [VV-UAG; sGS 125.31] unter Hinweis auf
Art. 22 BPR
). Ausserdem ist die sog. Doppelkandidatur verboten: Der Kandidatenname darf nur auf einer Liste erscheinen (vgl. HANGARTNER/KLEY, a.a.O., N. 1433; vgl. im Einzelnen Art. 15 VV-UAG unter Hinweis auf
Art. 27 BPR
).
BGE 135 I 19 S. 26
Mit diesen Sicherungen wird gewährleistet, dass für den Wahlgang jeder Kandidat einer Liste - bzw. der dahinterstehenden Partei - zugeordnet werden und gestützt darauf direkt die Mandatszuteilung vorgenommen werden kann. Die behördliche Prüfung im Rahmen des Vorverfahrens ist jedoch vorwiegend formeller Natur. Es ist weder vorgeschrieben noch wird geprüft, ob die Kandidaten eine Bindung zu der Partei aufweisen, die sie auf der Liste aufstellt. Zwar werden sich die Kandidaten im Wahlkampf bildlich gesprochen das Etikett der Partei anheften müssen, auf deren Liste sie sich um einen Parlamentssitz bewerben. Diese Tatsache verändert aber die rechtliche Tragweite der vorgenannten Erklärung der Kandidaten im Lichte von Art. 13 Abs. 4 VV-UAG nicht. Daraus lässt sich nichts anderes ableiten, als dass die Unterzeichner mit einer Kandidatur auf dieser Liste einverstanden sind. Sie geben mit dieser Erklärung kein Versprechen zu ihrem Verhalten nach dem Wahlgang ab.
5.4
Bei der Proporzwahl bedeutet die Stimmabgabe für einen Kandidaten gleichzeitig eine solche für die Liste, auf der er kandidiert. Diese Einheit von Kandidatenstimme und Listenstimme gilt nachgerade im System der Einzelstimmenkonkurrenz, das im Kanton St. Gallen zur Anwendung gelangt. Das System regelt die Wirkungen des sog. Panaschierens in der Weise, dass die eingelegte Liste Stimmen an die Listen der anderen Parteien verliert, für deren Kandidaten gestimmt wird (vgl. HANGARTNER/KLEY, a.a.O., N. 1439 f., auch zum Folgenden). Auch nach dieser Ordnung werden die Sitze in erster Linie einer Liste bzw. Listenverbindung gemäss der gesamthaft erlangten Stimmenzahl zugeteilt. Innerhalb der Liste werden diese Sitze an die Kandidaten mit den meisten Stimmen vergeben. Primär entscheidend ist somit die Stimme für die Liste. Auch beim Modus der Einzelstimmenkonkurrenz erreichen die direkt abgegebenen Kandidatenstimmen oft nicht die Schwelle, die für das Erlangen eines Mandats mathematisch nötig ist. Unter diesen Umständen verdankt der Kandidat sein Mandat zu einem bedeutenden Teil der Anrechnung von weiteren Listenstimmen. So verhält es sich im vorliegenden Fall, auch wenn Barbara Keller-Inhelder das beste Wahlresultat auf ihrer Liste aufweist. Sie hat rund 4'600 Stimmen auf sich vereinigt; die Verteilungszahl für ein Vollmandat lag bei über 11'500 Stimmen. Der verfassungsrechtliche Entscheid über Auseinandersetzungen der vorliegenden Art kann freilich nicht von der gewonnenen Zahl an Kandidatenstimmen im Einzelfall abhängen.
BGE 135 I 19 S. 27
5.5
Wie bei E. 3.3 hiervor angesprochen, spielt vielmehr eine wesentliche Rolle, dass die Mitglieder des St. Galler Kantonsparlaments aus ihrer angestammten Partei austreten und sogar in eine andere Partei übertreten können, ohne deshalb zur Abgabe des Mandats verpflichtet zu sein. Sie verletzen keine rechtliche Treuepflicht gegenüber ihrer Wählerschaft, wenn sie die Partei nach Amtsantritt wechseln. Ein derartiges Verhalten verstösst nicht gegen politische Rechte der Wählerschaft (vgl. allgemein TOMAS POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen, 1988, S. 283). Dieser Autor spricht sich an derselben Stelle dafür aus, den Schutz vor Mandatsverlust auch auf Konstellationen zu erstrecken, bei denen das Ausscheiden aus der Partei zwischen Wahltermin und Amtsantritt geschieht. In diese Richtung weisen ältere Entscheide bezüglich Ersatzmitgliedern des Nationalrats; Letztere wurden zur Amtsausübung zugelassen, obwohl sie zwischen der Wahl und dem Zeitpunkt des Nachrückens aus ihrer Partei ausgetreten waren bzw. die Partei gewechselt hatten (vgl. dazu JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Bd. II, 1995, N. 1191, unter anderem mit Hinweis auf VEB 22/1952 Nr. 10).
5.6
Hier ist der Parteiwechsel nur kurz nach dem Wahltag bzw. noch vor der Konstituierung des neugewählten Parlaments vollzogen worden. Dieser Schritt mag fragwürdig und der damit bewirkte Verlust an politischer Glaubwürdigkeit gross sein. Dennoch ist auch ein derartiger Parteiübertritt mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des direkten Wahlrechts vereinbar. Unmittelbar aus den verfassungsmässigen politischen Rechten lassen sich keine höheren Anforderungen an die Zulassung zum Amtsantritt ableiten, als später während der Amtsausübung gelten. Immerhin stünde es dem kantonalen Gesetzgeber frei, eine Regelung über Konsequenzen zu erlassen für den Fall, dass ein gewählter Kandidat noch vor der Validierung der Wahl aus eigenen Stücken zu der Partei einer konkurrierenden Liste überwechselt. Eine derartige Vorschrift besteht hier nicht. Vor diesem Hintergrund hält es vor der Verfassung stand, dass der Kantonsrat die Wahl von Barbara Keller-Inhelder trotz des fraglichen Parteiwechsels als gültig eingestuft und ihr die Amtsausübung erlaubt hat.
5.7
Aufgrund der vorstehenden Überlegungen bildet es ebenfalls keinen gangbaren Weg, die Kandidatenstimmen von Barbara Keller- Inhelder von der alten auf die neue Partei zu transferieren und in diesem Sinne die Sitzzuteilung an die Wahllisten neu zu berechnen.
BGE 135 I 19 S. 28
Es besteht daher kein Anlass, den von den Beschwerdeführern verlangten Amtsbericht zu einer Neuberechnung des Wahlergebnisses auf einer solchen Grundlage einzuholen. | public_law | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a311e45e-0cdf-40c8-b341-87771169b80a | Urteilskopf
91 IV 216
58. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Dezember 1965 i.S. Giuliani gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | Regeste
Art. 90 SVG
,
Art. 237 Ziff. 1 StGB
.
Auf die vorsätzliche konkrete Gefährdung des Strassenverkehrs, herbeigeführt durch Verletzung von Verkehrsregeln, ist unter Ausschluss von
Art. 90 SVG
Art. 237 Ziff. 1 StGB
anzuwenden. | Erwägungen
ab Seite 216
BGE 91 IV 216 S. 216
Aus den Erwägungen:
Wie der Kassationshof entschieden hat, ist
Art. 237 StGB
sowohl in den von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
als auch in den von Ziff. 1 erfassten Fällen nicht mehr anwendbar (
BGE 90 IV 156
). Offen gelassen wurde dagegen bisher, ob in Fällen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung auch die Anwendung von
Art. 237 Ziff. 1 StGB
ausgeschlossen sei (
BGE 90 IV 159
Nr. 34). Diese Frage ist entgegen der in der Gesetzesberatung vertretenen Auffassung, dass sowohl die fahrlässige wie vorsätzliche Gefährdung unter
Art. 90 Ziff. 2 SVG
falle, und obschon Abs. 2 dieser Bestimmung die Anwendung des
Art. 237 StGB
ohne Einschränkung ausschliesst, zu verneinen. Schon die Entstehungsgeschichte zeigt, dass mit
Art. 90 Ziff. 2 SVG
nur die Ausschaltung von
Art. 237 Ziff. 2 StGB
beabsichtigt wurde; bloss die Praxis zu dieser Bestimmung hat zu Kritik Anlass gegeben und in der parlamentarischen Beratung zum Antrag Kistler geführt, aus dem
Art. 90 Ziff. 2 SVG
entstanden ist
BGE 91 IV 216 S. 217
(vgl.
BGE 90 IV 152
f., 157 f.). Die seltener vorkommenden Tatbestände der vorsätzlichen Verkehrsgefährdung nach
Art. 237 Ziff. 1 StGB
wurden dabei nicht erörtert. Dass
Art. 90 SVG
auch
Art. 237 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
ersetzen soll, der die vorsätzliche Verursachung einer konkreten Gemeingefahr ausschliesslich mit Zuchthaus bedroht, kann zum vornherein nicht gewollt sein (ebenso SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 177; BURCKHARDT, ZStR 1964, 48). Es wäre aber auch sachlich nicht gerechtfertigt, in den gewöhnlichen Fällen vorsätzlicher Verkehrsgefährdung, die durch Verletzung von Verkehrsregeln bewirkt wird,
Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
nicht mehr anzuwenden (DUBS, Festgabe für Gerwig, S. 10 f.). Nach dieser Bestimmung ist der Täter stets mit Gefängnis zu bestrafen, während
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
wahlweise Gefängnis oder Busse vorsieht. Es kann nicht der wahre Sinn des SVG sein, den Täter heute wegen vorsätzlicher konkreter Gefährdung unter eine mildere Strafandrohung zu stellen als früher, die zudem nicht strenger ist als jene, die bisher nach
Art. 237 Ziff. 2 StGB
bei fahrlässiger Verkehrsstörung galt. Es könnte auch nicht verstanden werden, wenn der Verkehrsteilnehmer, der durch seine Fahrweise andere Strassenbenützer vorsätzlich in Gefahr bringt, unter Umständen mit einer Busse wegkäme und damit gegenüber dem, der den gleichen Erfolg auf andere Weise als durch Verletzung von Verkehrsregeln, z.B. durch Aufstellen eines Hindernisses, herbeiführt und dafür nach
Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
in jedem Falle mit Gefängnis bestraft werden muss, bevorzugt behandelt würde. Hiezu kommt, dass in den Fällen des
Art. 90 Ziff. 2 Abs. 1 SVG
selbst bei vorsätzlicher grober Verletzung von Verkehrsregeln die damit verbundene konkrete Gefährdung anderer vom Täter in der Regel nicht gewollt, sondern fahrlässig hervorge-, rufen wird (SCHERRER, Die Gefährdungstatbestände des SVG S. 63 ff.).
Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
auf den Verkehrsteilnehmer, der im Strassenverkehr vorsätzlich Leib und Leben von Menschen konkret gefährdet, weiterhin anzuwenden, drängt sich daher auch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens auf. Eine merkliche Einschränkung des Geltungsbereiches des
Art. 90 SVG
wird dadurch nicht eintreten. | null | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a313a6ff-8541-4f51-9e12-0f89b66d1360 | Urteilskopf
112 Ib 5
2. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 12 mai 1986 dans la cause Gerd Schultes contre Conseil d'Etat du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland.
Art. 38 BewG
: der Widerruf einer Auflage richtet sich nach dem neuen Recht, selbst wenn sie sich auf eine unter dem alten Recht erteilte Bewilligung bezieht (E. 2a).
Art. 11 Abs. 2 lit. e BewV
: die Voraussetzungen, um den Erwerber zu verpflichten, seine Hauptwohnung innert einer Frist von zwei Jahren zu veräussern, sind vorliegend erfüllt (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 5
BGE 112 Ib 5 S. 5
A.-
Gerd Schultes, de nationalité allemande, est fonctionnaire auprès du Fonds des Nations Unies pour l'Enfance (ci-après: l'UNICEF). Le 3 décembre 1980, le Département de l'économie publique du canton de Genève lui a donné l'autorisation d'acquérir
BGE 112 Ib 5 S. 6
un immeuble de 501 m2 à Prégny-Chambésy, à condition qu'il y construise une villa et qu'il affecte cette habitation de manière durable à son séjour personnel et à celui de sa famille. Cet immeuble était aussi frappé d'une interdiction de l'aliéner pendant cinq ans à partir de son acquisition, soit à partir du 12 janvier 1982.
Le 3 mai 1983, Gerd Schultes a demandé au Département l'autorisation de louer sa villa pendant son séjour à Copenhague, où il devait être transféré au "Integrated Supply Center" de l'UNICEF, à partir du mois de juillet 1983. Il a produit une attestation du Directeur du bureau de l'UNICEF, selon laquelle son retour à Genève n'était "pas exclu".
B.-
Par arrêté du 13 septembre 1983, le Département de l'économie publique a autorisé le requérant à louer sa villa pour une durée de deux ans au prix de 3'000 francs par mois, charges comprises.
A la suite du recours formé par l'Office fédéral de la justice, le Département a, le 8 décembre 1983, rendu un nouvel arrêté qui annulait sa décision du 14 septembre 1983 et fixait à Gerd Schultes un délai de six mois pour aliéner sa villa au prix maximum de 560'000 francs.
C.-
Gerd Schultes a recouru contre ce deuxième arrêté auprès du Conseil d'Etat du canton de Genève, en demandant à nouveau l'autorisation de pouvoir louer sa villa pendant une durée de deux ans.
Le Conseil d'Etat a rejeté le recours, par arrêté du 1er mai 1985.
D.-
Gerd Schultes a formé un recours de droit administratif contre cet arrêté et a requis l'octroi d'une autorisation de louer le bien immobilier litigieux pendant deux ans, pour un loyer mensuel de 3'000 francs, charges comprises. A titre subsidiaire, il a demandé l'octroi de la même autorisation pour un loyer "non spéculatif" dont le montant serait fixé par le Tribunal fédéral.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Aux termes de l'art. 38 de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (LFAIE; RS 211.412.41), la nouvelle loi et ses dispositions d'exécution s'appliquent aux autorisations accordées en première instance après leur entrée en vigueur - fixée au 1er janvier 1985 - dans la mesure où elles ne reposent pas sur des autorisations de principe entrées en force conformément au droit antérieur.
BGE 112 Ib 5 S. 7
Contrairement à ce que le Tribunal fédéral avait admis précédemment, en particulier dans son arrêt von den Broeck du 28 mars 1985, auquel se réfère l'Office fédéral de la justice, il faut considérer que l'art. 38 LFAIE pose la règle générale que le nouveau droit est applicable dès son entrée en vigueur et que l'exception à cette règle doit être interprétée de manière restrictive. On ne saurait dès lors admettre que les décisions refusant d'accorder la révocation d'une charge reposent sur des autorisations de principe et tombent ainsi sous le coup de l'exception de l'art. 38 in fine LFAIE, quand bien même elles ont été rendues en application de l'ancien droit. Cela découle aussi de l'art. 17 al. 5 de l'ancienne ordonnance du 21 décembre 1983 (aOAIE, RO 1974 p. 101), aux termes duquel "lorsque l'arrêté fédéral cesse d'être en vigueur, les charges sont considérées comme abolies de plein droit". Par analogie à l'hypothèse prévue par cette disposition, lorsque l'arrêté fédéral n'est plus en vigueur parce qu'il a été remplacé par de nouvelles normes, la validité, le contenu et la révocation des charges doivent s'apprécier selon le nouveau droit, indépendamment du fait que ces charges se rapportent à des autorisations accordées sous l'empire de l'ancienne législation. C'est donc au regard du nouveau droit qu'il y a lieu de trancher le présent recours.
b) L'art. 11 al. 2 lettre e de l'ordonnance sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger du 1er octobre 1984 (OAIE; RS 211.412.411) prévoit l'obligation pour l'acquéreur d'aliéner une résidence principale ou secondaire dans un délai de deux ans, lorsqu'il ne l'utilise plus comme telle. Le délai de deux ans que le recourant avait réclamé dans sa demande initiale est donc maintenant prévu d'office par la loi. Quant à la charge, elle porte sur l'obligation d'aliéner l'immeuble. Selon le nouveau droit, la demande de révocation a dès lors pour but de faire tomber cette obligation ou de faire prolonger le délai d'exécution. Une telle demande n'est cependant justifiée que s'il existe des motifs impérieux (art. 14 al. 4 LFAIE). Cette notion implique, d'après l'art. 11 al. 4 OAIE, une modification des circonstances qui rend l'exécution des charges impossible ou insupportable pour l'acquéreur.
Au regard du but de la loi (art. 9 al. 1 lettre b LFAIE, qui correspond à l'art. 6 al. 2 lettre a ch. 2 AFAIE en vigueur lors de l'acquisition de l'immeuble), celui qui est tenu d'affecter l'immeuble à son séjour personnel et à celui de sa famille ne saurait prétendre que l'obligation d'aliéner prévue par l'art. 11 al. 2 lettre e OAIE est
BGE 112 Ib 5 S. 8
impossible ou insupportable comme telle, et cela particulièrement lorsque, comme en l'espèce, le domicile en Suisse après l'acquisition n'a duré que relativement peu de temps. En revanche, le délai de deux ans pourrait être considéré comme une condition inacceptable si, dans un laps de temps déterminé, on peut s'attendre à ce que l'acquéreur revienne en Suisse et occupe de nouveau son immeuble. Cette condition n'est toutefois manifestement pas remplie dans le cas particulier. Il paraît en effet certain qu'après plus de deux ans et demi d'absence, le recourant n'est toujours pas en mesure de prouver que son séjour à Copenhague serait de courte durée. La dernière attestation fournie par l'UNICEF le 29 janvier 1986 est à cet égard tout aussi vague que celle que le recourant avait produite devant l'autorité de première instance. Libellée en anglais, elle indique qu'il se pourrait que l'intéressé reprenne ses fonctions à Genève, mais qu'il n'est pas possible d'indiquer une date précise pour l'instant.
Dans ces circonstances, il faut admettre que, contrairement à ce qu'il prétend, le recourant n'est pas installé provisoirement à Copenhague avec sa famille et que rien ne permet de penser qu'il va réintégrer son logement à Genève dans un proche avenir. Il en résulte qu'en application de l'art. 11 al. 2 lettre e OAIE, le recourant est tenu de mettre en vente sa villa de Prégny-Chambésy.
c) Au vu de ce qui précède, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en constatant que les conditions pour révoquer la charge n'étaient pas remplies et qu'il était ainsi justifié d'impartir au recourant un délai pour vendre son immeuble.
Le recours doit ainsi être rejeté et l'affaire renvoyée au Département de l'économie publique, afin qu'il fixe au recourant un nouveau délai pour aliéner sa villa. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a3143e14-3d2a-4769-b46b-dbb03fdf0584 | Urteilskopf
140 I 277
23. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause A. contre Conseil d'Etat du canton du Valais (recours constitutionnel subsidiaire)
8D_3/2013 du 22 juillet 2014 | Regeste
Art. 49 Abs. 1 BV
;
Art. 13 und 14 SchKG
; derogatorische Kraft des Bundesrechts; Disziplinarmassnahmen gegen der Aufsicht nach SchKG unterstellte Personen.
Über Personen, die der Aufsicht nach SchKG unterstellt sind, weist
Art. 14 SchKG
die Disziplinargewalt betreffend Mängel im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Funktion klar den kantonalen Aufsichtsbehörden zu. Die Gesetzesbestimmung enthält eine präzise und abschliessende Liste der Verwaltungssanktionen. Das Prinzip der derogatorischen Kraft des Bundesrechts steht daher der Ausfällung anderer als der in
Art. 14 Abs. 2 SchKG
vorgesehenen Sanktionen entgegen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 278
BGE 140 I 277 S. 278
A.
A., né en 1960, a été nommé en qualité de préposé à l'Office des poursuites et faillites du district de B. par le Conseil d'Etat du canton du Valais.
Le 11 octobre 2006, le Juge II pour les districts de B. et de C. a constaté la répudiation de la succession de feu D. et a chargé l'Office des poursuites et des faillites du district de B. de sa liquidation. Ce faisant, A. a enregistré un seul actif, soit un yacht se trouvant à E. Il a obtenu l'autorisation de liquider cette succession en la forme sommaire. En qualité de liquidateur, il s'est rendu à plusieurs reprises à E. afin de pouvoir vendre le bateau. Celui-ci a été réalisé au mois de janvier 2008.
A la demande du Juge II pour les districts de B. et de C., l'Inspection cantonale des finances (ICF) a été chargée d'un contrôle de la liquidation de la succession par le préposé au vu notamment des coûts importants que ce dernier avait engagés dans le cadre de cette liquidation et du bilan financier des opérations. A réception du projet de rapport établi par l'ICF, le juge a estimé qu'il pouvait clore la procédure de liquidation. Les faits reprochés à A. devaient toutefois être portés à la connaissance des autorités de poursuite pénale, ainsi que de l'autorité cantonale de surveillance pour les offices des poursuites et les offices des faillites.
B.
Après avoir entendu oralement et par écrit l'intéressé, le Conseil d'Etat du canton du Valais a décidé, dans sa séance du 30 mars 2011, d'ouvrir une procédure disciplinaire à son endroit. Il l'a suspendu avec effet immédiat dans l'attente des conclusions de ladite procédure. Le 20 juin 2012, le Conseil d'Etat a décidé, au titre de mesure disciplinaire, de diminuer de moitié le traitement de A. pour une
BGE 140 I 277 S. 279
période de trois mois à compter du 1
er
juillet 2012. Il lui était reprochédivers manquements en relation avec la liquidation de la successionde feuD.
C.
A. a recouru contre cette décision en concluant à son annulation. Par arrêt du 24 mai 2013, la Cour de droit public du Tribunal cantonal du Valais a rejeté son recours.
D.
A. exerce un recours constitutionnel subsidiaire. Il conclut principalement à l'annulation de l'arrêt du 24 mai 2013 et à la suppression de toute sanction disciplinaire. Subsidiairement, il demande le renvoi de la cause à l'autorité précédente, le tout sous suite de frais et dépens.
Le Conseil d'Etat du canton du Valais a conclu au rejet du recours. La cour cantonale a renoncé à présenter des déterminations.
E.
Par ordonnance du 24 octobre 2013, le juge instructeur a accordé l'effet suspensif au recours.
F.
Par jugement du 29 janvier 2013, la Cour des affaires pénales du Tribunal pénal fédéral a acquitté A. du chef de violation de la souveraineté étrangère (
art. 299 CP
). Elle a estimé, en substance, que les agissements de l'intéressé sur sol italien n'étaient pas des actes officiels, que les voies de l'entraide ne devaient pas nécessairement être suivies et que l'Etat étranger avait consenti à ces actes. Saisi d'un recours du Ministère public de la Confédération contre ce jugement, le Tribunal fédéral l'a rejeté dans la mesure de sa recevabilité par arrêt 6B_235/2013 du 22 juillet 2013.
Le recours a été admis.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
1.1
La décision du Conseil d'Etat a été rendue en application de la loi cantonale valaisanne du 11 mai 1983 fixant le statut des fonctionnaires et employés de l'Etat du Valais (loi sur le statut des fonctionnaires), applicable au moment des faits et abrogée depuis l'entrée en vigueur au 1
er
juillet 2011 de la loi cantonale du 19 novembre 2010 sur le personnel de l'Etat du Valais (ci-après: LcPers; RS/VS 172.2). La loi sur le statut des fonctionnaires régissait, sous réserve des dispositions spéciales, le statut des fonctionnaires et employés titulaires de l'une des fonctions énumérées dans l'organigramme de l'administration cantonale, des établissements de l'Etat et du personnel
BGE 140 I 277 S. 280
administratif des tribunaux (art. 1
er
al. 1). A son art. 16, elle conférait au Conseil d'Etat le pouvoir de prononcer les mesures disciplinaires, notamment la diminution du traitement jusqu'à concurrence de la moitié, pour une durée maximale de trois mois (al. 1 let. d). Les premiers juges ont également appliqué ces dispositions. La sanction n'a donc pas été prononcée sur la base de l'
art. 14 al. 2 LP
et ni le Conseil d'Etat ni le Tribunal cantonal n'ont statué en qualité d'autorité de surveillance, respectivement d'autorité supérieure de surveillance, selon les
art. 17 et 18 LP
(cf. à propos des voies de droit en cas de mesures disciplinaires fondées sur l'
art. 14 al. 2 LP
: arrêt 5A_112/2009 du 7 mai 2009 consid. 1; BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, 2
e
éd. 2014, n° 53 ad
art. 74 LTF
).
1.2
La présente cause est ainsi une contestation en matière de rapports de travail de droit public, qui porte sur une contestation pécuniaire (réduction du traitement) et qui, par conséquent, ne tombe pas sous le coup de l'exception de l'
art. 83 let
. g LTF. La valeur litigieuse est de 13'776 fr. 60 (3 x 9'184 fr. 40 : 2). Elle est inférieure au seuil requis de 15'000 fr. (
art. 85 al. 1 let. b LTF
). La décision attaquée a par ailleurs été rendue par une autorité cantonale (
art. 113 LTF
) de dernière instance (
art. 86 al. 1 let
. d LTF en corrélation avec l'
art. 114 LTF
). En conséquence, la voie du recours constitutionnel subsidiaire est ouverte, à l'exclusion de la voie du recours ordinaire en matière de droit public.
1.3
Le recourant, qui a succombé dans ses conclusions prises devant l'autorité précédente, a un intérêt juridique à la modification de la décision attaquée (
art. 115 LTF
). Il invoque la violation de ses droits constitutionnels (
art. 116 LTF
). Le présent recours constitutionnel, déposé en temps utile (
art. 100 al. 1 et 117 LTF
), est donc recevable.
(...)
3.
3.1
Selon l'art. 3a al. 1 de la loi d'application [du canton du Valais] du 20 juin 1996 de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (ci-après: LALP; RS/VS 281.1), le Conseil d'Etat est l'autorité de surveillance au sens des
art. 13 et 14 LP
. Selon l'art. 3 LALP, chaque office est dirigé par un préposé; un substitut le remplace en cas d'empêchement ou de récusation (al. 1). Le préposé, le substitut et le personnel sont nommés par le Conseil d'Etat (al. 2). Le préposé est responsable de la gestion de son office (al. 4). S'appliquent,
BGE 140 I 277 S. 281
pour le surplus, la législation cantonale sur le statut des fonctionnaires et la législation d'application de la LP (al. 5).
3.2
Les premiers juges déduisent de cette réglementation que, pour ce qui a trait aux questions de personnel, la loi sur le statut des fonctionnaires l'emporte sur les dispositions d'application de la LP lorsque la surveillance vise une personne qui bénéficie d'un engagement comme fonctionnaire; les dispositions de surveillance administrative du droit de la poursuite et faillite n'ont de portée que pour les agents qui ne bénéficient pas de ce statut. Au demeurant, selon la juridiction cantonale, le fondement juridique des sanctions disciplinaires n'a guère d'importance dans la mesure où l'autorité dispose de sanctions identiques, "avec davantage de gradation dans le Statut". La loi sur le statut des fonctionnaires prévoit en effet, à son art. 16, les mesures disciplinaires suivantes:
a) la réprimande écrite;
b) l'amende jusqu'à 1'000 fr.;
c) la mise au provisoire pour une durée maximale d'un an;
d) la diminution du traitement jusqu'à concurrence de la moitié, pour une durée maximale de trois mois;
e) la suspension temporaire d'emploi jusqu'à six mois, le cas échéant avec diminution ou suspension du traitement;
f) le transfert dans une fonction inférieure avec traitement correspondant;
g) le renvoi sans délai et le cas échéant sans indemnité.
3.3
Le recourant invoque la force dérogatoire du droit fédéral (
art. 49 al. 1 Cst.
). Il fait valoir qu'en matière de surveillance des offices de poursuites et faillites, le droit fédéral règle de manière exhaustive le catalogue des mesures disciplinaires que l'autorité de surveillance peut prendre contre un agent public. La mesure disciplinaire prononcée par l'intimé aurait dû être fondée sur l'
art. 14 al. 2 LP
- qui ne prévoit pas une réduction de traitement comme mesure disciplinaire - et non sur l'
art. 16 let
. d de la loi sur le statut des fonctionnaires. En effet, les reproches formulés contre lui seraient, sans exception, en relation avec de prétendues violations du droit de la poursuite et donc sans rapport aucun avec la législation cantonale en matière d'engagement des fonctionnaires.
4.
4.1
Selon l'
art. 49 al. 1 Cst.
, le droit fédéral prime le droit cantonal qui lui est contraire. Ce principe constitutionnel de la primauté du
BGE 140 I 277 S. 282
droit fédéral fait obstacle à l'adoption ou à l'application de règles cantonales qui éludent des prescriptions de droit fédéral ou qui en contredisent le sens ou l'esprit, notamment par leur but ou par les moyens qu'elles mettent en oeuvre, ou qui empiètent sur des matières que le législateur fédéral a réglementées de façon exhaustive (
ATF 138 I 468
consid. 2.3.1 p. 470;
ATF 137 I 31
consid. 4.1 p. 41 et les références).
4.2
En vertu de l'
art. 13 LP
, chaque canton désigne une autorité de surveillance pour les offices des poursuites et les offices des faillites (al. 1); ils peuvent en outre instituer des autorités inférieures de surveillance pour un ou plusieurs arrondissements (al. 2). Sur le plan organisationnel, les compétences de l'autorité de surveillance peuvent être attribuées par le droit cantonal à des autorités de l'ordre judiciaire, à des autorités de l'ordre administratif ou à des autorités mixtes (PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, 1999, n° 21 ad
art. 13 LP
; LOUIS DALLÈVES, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 2 ad
art. 13 LP
; Pra 2012 n° 132 p. 952, 5A_25/2012 consid. 4.1). L'
art. 14 LP
prévoit que l'autorité de surveillance inspecte chaque office au moins une fois par an (al. 1); les mesures disciplinaires suivantes peuvent être prises contre un préposé ou un employé (al. 2):
1. la réprimande;
2. l'amende jusqu'à 1'000 fr.;
3. la suspension pour six mois au plus;
4. la destitution.
4.3
Ces sanctions disciplinaires sont spécialement applicables en cas de violation des devoirs particuliers qu'impose une saine administration de l'exécution forcée (GILLIÉRON, op. cit., n° 32 ad
art. 14 LP
). Elles supposent une faute commise dans l'exercice de ses fonctions par la personne responsable (DALLÈVES, op. cit., n° 4 ad
art. 14 LP
). Dans le cas particulier, il n'est pas contesté que les reproches formulés à l'encontre du recourant se rapportent exclusivement à la violation de ses devoirs découlant de sa fonction de préposé à l'Office des faillites. En effet, selon le jugement attaqué, il est reproché à l'intéressé d'avoir porté à l'inventaire de la succession répudiée, comme seul actif de la succession à liquider, un voilier avec la mention "sa réalisation s'annonce compliquée", cela en violation de l'art. 27 al. 1 de l'ordonnance du 13 juillet 1911 sur l'administration des offices de faillite (OAOF; RS 281.32). En outre, toujours selon
BGE 140 I 277 S. 283
le jugement attaqué, au vu des grandes incertitudes qui prévalaient à propos de la valeur du voilier, des frais de réalisation et de la durée de la procédure, le recourant aurait dû requérir la suspension de la faillite conformément à l'
art. 230 LP
. Par ailleurs, en facturant ses frais de déplacement à 70 cts le kilomètre en lieu et place de 2 fr., l'intéressé - dont la volonté aurait été d'éviter que les frais dépassent le produit escompté de la vente du voilier - avait également méconnu l'art. 14 al. 1 de l'ordonnance du 23 septembre 1996 sur les émoluments perçus en application de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (OELP; RS 281.35). Enfin, il aurait colloqué une créance de première classe qui n'existait pas à la date de l'ouverture de la faillite. De manière plus générale, plusieurs éléments auraient démontré un manque de rigueur du préposé dans la gestion de la liquidation en cause.
4.4
Il résulte de ce qui précède que l'autorité cantonale de surveillance au sens de l'
art. 13 LP
a pour rôle de veiller à une application régulière de la loi par les organes de la poursuite. Les mesures disciplinaires qu'elle prend dans le cadre de cette activité sanctionnent la violation des devoirs de service des fonctionnaires de la poursuite dans l'exercice de leurs tâches en tant qu'organes de la poursuite. Les faits constitutifs d'une infraction disciplinaire ne sont cependant pas prévus dans la loi. Il n'y a donc pas de typicité de l'infraction disciplinaire, en raison du caractère très général des devoirs de fonction des agents publics cantonaux chargés de l'exécution forcée. En revanche, l'
art. 14 LP
attribue clairement le pouvoir disciplinaire aux autorités cantonales de surveillance et dresse une liste précise et exhaustive des sanctions administratives. Lorsque l'autorité qui prend la décision disciplinaire n'est pas l'autorité cantonale de surveillance ou que la peine infligée n'est pas prévue par le droit fédéral, il y a méconnaissance grave de l'
art. 14 LP
(
ATF 128 III 156
consid. 1c p. 158; cf. aussi arrêts 5A_112/2009 du 7 mai 2009 consid. 2.1 et 7B.16/2002 du 26 mars 2002 consid. 1c). D'ailleurs, la doctrine unanime souligne également le caractère exhaustif du catalogue des sanctions de l'
art. 14 al. 2 LP
(GILLIÉRON, op. cit., n° 32 ad
art. 14 LP
; DALLÈVES, op. cit., n° 5 ad
art. 14 LP
; FRANK EMMEL, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2
e
éd. 2012, n
os
5a et 9 ad
art. 14 LP
; MARCO LEVANTE, in Kurzkommentar zum SchKG, Daniel Hunkeler [éd.], 2014, n° 9 ad
art. 14 LP
). Le principe de la force dérogatoire du droit fédéral s'oppose donc au prononcé de sanctions autres que celles prévues à
BGE 140 I 277 S. 284
l'
art. 14 al. 2 LP
dans les cas relevant du pouvoir disciplinaire à l'encontre des personnes soumises à la surveillance selon le droit de la LP et pour des manquements liés à l'exercice de leurs fonctions.
4.5
Une exception à ces règles de compétence et au principe de l'exhaustivité des sanctions disciplinaires a été reconnue par la jurisprudence. Se fondant sur la doctrine (notamment GILLIÉRON, op. cit., n° 33 ad
art. 14 LP
, et EMMEL, op. cit., n° 11b ad
art. 14 LP
; cf. aussi KREN KOSKIEWICZ/WALDER, SchKG Kommentar, 18
e
éd. 2012, n° 6 ad
art. 14 LP
), le Tribunal fédéral a admis qu'à côté de la destitution comme sanction disciplinaire au sens de l'
art. 14 al. 2 ch. 4 LP
, prononcée par l'autorité cantonale de surveillance LP, l'autorité de nomination pouvait relever de leur fonction ou renvoyer pour justes motifs les agents publics nommés de façon permanente pour des motifs prévus par le droit cantonal (arrêt 8C_76/2011 du 25 octobre 2011 consid. 5; cf. aussi arrêt 5A_112/2009, précité, consid. 4.4). Dans un cas comme dans l'autre, la mesure produit les mêmes effets. En l'espèce il ne s'agit toutefois pas d'une sanction de ce type.
4.6
En conséquence, le Conseil d'Etat ne pouvait que statuer comme autorité de surveillance LP et prononcer l'une des sanctions prévues à l'
art. 14 LP
. En infligeant au recourant une sanction qui n'est pas prévue dans cette disposition et en statuant de surcroît comme autorité de nomination des agents de la fonction publique en général, le Conseil d'Etat a violé le principe susmentionné de la force dérogatoire du droit fédéral. L'arrêt attaqué et la décision précédente doivent dès lors être annulés.
En sa qualité d'autorité de surveillance LP, le Conseil d'Etat conserve néanmoins la possibilité de prononcer l'une des mesures disciplinaires mentionnées à l'
art. 14 al. 2 LP
, si les conditions requises en sont réalisées. | public_law | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a3157132-f8e9-42ed-8a08-9e3d2c995339 | Urteilskopf
80 I 146
25. Arrêt du 3 février 1954 dans la cause von Roten contre Tribunal cantonal vaudois. | Regeste
Art. 5 Üb.-Best. z. BV. Ausübung des Anwaltsberufes.
Der in einem Kanton niedergelassene Anwalt hat Anspruch darauf, dass ihm in einem andern Kanton nach seinem Belieben die Bewilligung zur ständigen Berufsausübung oder die Bewilligung zur Führung eines einzelnen Prozesses erteilt wird.
- Diese Bewilligung kann nicht an die Bedingung geknüpft werden, dass er im Kanton ein ständiges Bureau eröffnet.
- Verhältnis zwischen
Art. 33 Abs. 2 BV
und Art. 5 Üb.-Best.
- Der Anwalt, dem die ständige Berufsausübung in einem Kanton bewilligt wird, kann dort zur Übernahme von Offizialverteidigungen verpflichtet werden. | Sachverhalt
ab Seite 147
BGE 80 I 146 S. 147
A.-
La loi vaudoise du 22 novembre 1944 sur le barreau (en abrégé: LB) contient les dispositions suivantes:
Art. 12:
"Tout porteur du brevet d'avocat délivré par le Tribunal cantonal doit, s'il veut exercer le Barreau, requérir son inscription au tableau des avocats. Il peut requérir cette inscription à condition:
a) d'être Suisse;
b) d'avoir l'exercice des droits civils;
c) de ne pas être privé des droits civiques;
d) d'avoir une étude permanente dans le canton;
e) de jouir d'une bonne réputation;
f) de n'avoir encouru aucune condamnation à raison de faits contraires à la probité ou à l'honneur.
....."
Art. 13:
"S'il en est requis, le Tribunal cantonal, dans les limites prévues à l'article 5 des dispositions transitoires de la Constitution fédérale, inscrit au tableau des avocats le porteur d'un brevet équivalent délivré par l'autorité compétente d'un autre canton; les conditions posées à l'art. 12 doivent en outre être remplies."
Art. 14:
"Le Tribunal cantonal peut autoriser un avocat établi dans un autre canton à assister une partie devant les juridictions vaudoises.
BGE 80 I 146 S. 148
L'autorisation est spéciale. Elle pourra être refusée si les conditions posées à l'art. 12 ne sont pas remplies, exception faite de celle prévue sous lettre d)."
B.-
Peter von Roten est titulaire d'un brevet d'avocat valaisan. Il pratique le barreau à Bâle, où il est établi et associé avec deux autres avocats. Le 29 avril 1953, il sollicita du Tribunal cantonal vaudois l'autorisation de pratiquer le barreau dans le canton de Vaud. Le Tribunal cantonal lui ayant fait remarquer que, pour obtenir une autorisation de par l'art. 13 LB, il devait notamment avoir une étude permanente dans le canton, il répondit que, selon l'art. 5 Disp. trans. Cst. et la jurisprudence du Tribunal fédéral, les cantons n'étaient pas autorisés à exiger des avocats établis hors de leur territoire un domicile ou, à plus forte raison, une étude dans le canton. Entendu, le 24 septembre 1953, par le Président du Tribunal cantonal vaudois, il a exposé qu'il n'avait nullement l'intention de plaider habituellement dans le canton de Vaud, mais une fois par an à peu près, que néanmoins, il accepterait de se charger des causes d'office qui lui seraient confiées.
C.-
Le 20 octobre 1953, le Tribunal cantonal a rejeté la requête de von Roten, en bref par les motifs suivants:
Selon les art. 33 Cst. et 5 Disp. trans. Cst., aussi longtemps qu'un brevet fédéral n'aura pas été institué, les cantons ne pourront exiger de l'avocat étranger d'autres preuves de capacité que le brevet qu'il a obtenu dans son canton. Ils peuvent néanmoins exiger que l'avocat porteur d'un diplôme d'un autre canton se munisse d'une autorisation préalable, même si le requérant ne veut exercer sa profession qu'occasionnellement. Ils peuvent subordonner cette autorisation à certaines conditions de police indépendantes de la capacité. Le Tribunal fédéral a jugé qu'un canton ne peut empêcher un avocat de pratiquer sur son territoire par le motif que cet avocat serait établi dans un autre canton. Mais l'art. 33 Cst. prescrit uniquement que, selon la loi fédérale, les brevets fédéraux
BGE 80 I 146 S. 149
seront valables sur tout le territoire de la Confédération. Il concerne donc essentiellement la validité du brevet. L'art. 5 Disp. trans. Cst. a une portée plus étendue. Il concerne le territoire sur lequel la profession peut être exercée et prescrit qu'un canton ne peut empêcher un avocat de pratiquer sur son territoire par le motif que cet avocat serait établi dans un autre canton. Ainsi, à la différence de l'art. 5 Disp. trans. Cst., l'art. 33 Cst. "n'interdit pas aux cantons d'exiger des avocats d'autres cantons qui désirent pratiquer sur leur territoire qu'ils viennent s'y établir". Cette disposition-ci doit avoir le pas sur celle-là, parce que les dispositions transitoires ne sauraient conférer des droits plus étendus que la constitution elle-même. Les autorités vaudoises étaient donc fondées à exiger que le requérant, pour obtenir l'autorisation générale de pratiquer dans le canton, y ait une étude permanente. Mais il pourrait obtenir des autorisations spéciales de cas en cas, sans remplir cette condition, pourvu qu'il en fasse la demande et paie les émoluments prescrits. Au surplus, les cantons peuvent, indépendamment de la capacité, soumettre les autorisations à des conditions de police. L'exigence relative à l'étude permanente dans le canton rentre au nombre de ces conditions. Enfin, l'avocat qui demande l'autorisation générale de pratiquer et qui remplit les conditions de l'art. 12 LB ne peut cependant être inscrit au tableau des avocats que s'il a "réellement l'intention de pratiquer habituellement dans le canton", faute de quoi, il doit se contenter d'autorisations spéciales. L'art. 13 LB ne le dit pas mais, parmi les conditions posées par l'art. 12 - auquel il se réfère - figure l'exigence d'une étude permanente, qui, précisément, manifeste l'intention de pratiquer habituellement dans le canton. Or, le requérant, dans la présente espèce, déclare lui-même n'avoir l'intention de pratiquer dans le canton de Vaud qu'occasionnellement. Une autorisation générale de pratiquer ne saurait dès lors lui être accordée.
BGE 80 I 146 S. 150
D.-
Contre ce prononcé du Tribunal cantonal vaudois, von Roten a formé, en temps utile, un recours de droit public. Il conclut à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral annuler la décision attaquée et l'admettre à plaider habituellement devant les tribunaux vaudois. Son argumentation se résume comme il suit:
Pour les trois autorisations spéciales qu'il a obtenues, le recourant a dû payer respectivement 24 fr. 10, 35 fr. 60 et 52 fr.; il a dû en outre, pour chacune, "déposer toutes les pièces démontrant qu'il remplissait les conditions de l'art. 12 LB et en plus un "acte de moeurs" et un extrait du "contrôle disciplinaire". Il s'agissait cependant d'une seule et même affaire, dont la procédure s'est déroulée tantôt devant le Tribunal cantonal, tantôt devant le juge d'Aigle. Le Tribunal cantonal violait l'art. 5 Disp. trans. Cst. et les principes jurisprudentiels posés par le Tribunal fédéral en admettant qu'un avocat qui n'a pas d'étude permanente dans le canton ne peut y obtenir une autorisation générale de plaider. En refusant à un avocat étranger l'autorisation générale et en le forçant ainsi à payer des montants considérables et à entreprendre chaque fois des démarches compliquées pour obtenir une autorisation, le Tribunal cantonal empêche cet avocat de jouir de la liberté de pratiquer sur les divers territoires cantonaux, liberté que la Constitution fédérale garantit à ceux qui exercent une profession libérale. On ne saurait guère objecter qu'un bénéficiaire de l'assistance judiciaire gratuite ne peut être tenu de se rendre hors du canton pour consulter son avocat. Car il appartient à l'autorité compétente de choisir les avocats d'office qu'elle désigne, de sorte que le mandat puisse être exercé sans trop de frais pour le bénéficiaire de l'assistance. Le Tribunal ne peut pas davantage objecter que le requérant n'a pas l'intention de pratiquer régulièrement dans le canton de Vaud. Même l'avocat qui n'a pas cette intention a un intérêt à pouvoir pratiquer dans un canton donné.
E.-
Le Tribunal cantonal vaudois conclut au rejet du recours et déclare "se référer à la décision attaquée".
BGE 80 I 146 S. 151
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'art. 33 al. 1 Cst. autorise les cantons à exiger des preuves de capacité de ceux qui veulent exercer des professions libérales et notamment la profession d'avocat. Cela présuppose la nécessité d'une autorisation préalable. De plus, l'art. 33 al. 2 enjoint au législateur fédéral d'instituer des brevets de capacité valables dans toute la Confédération. Les personnes qui, avant la promulgation de la loi ainsi prévue, ont obtenu un brevet de capacite d'un canton peuvent, en vertu de l'art. 5 Disp. trans. Cst., pratiquer sur tout le territoire de la Confédération. La jurisprudence a interprété ces dispositions constitutionnelles en ce sens que, si un canton ne peut pas exiger d'un requérant d'autres preuves de capacité que le brevet d'avocat délivré, après un examen, par l'autorité d'un autre canton, chaque canton est libre de subordonner son autorisation à d'autres conditions dictées par l'intérêt public, en particulier à celle de l'honorabilité du requérant (RO 41 I 390 s.
;
45 I 364
;
53 I 28
;
59 I 199
;
65 I 6
).
2.
Selon l'arrêt attaqué et la loi vaudoise du 22 novembre 1944, l'avocat porteur d'un brevet délivré par un autre canton peut obtenir deux sortes d'autorisation d'exercer sa profession sur le territoire vaudois; l'autorisation générale de pratiquer (art. 13 LB) et l'autorisation spéciale d'assister une partie devant les juridictions vaudoises (art. 14 LB). L'institution de ces deux types d'autorisation est conforme à l'art. 5 Disp. trans. Cst. Le Tribunal fédéral a jugé que cette disposition constitutionnelle garantit aussi le droit de conduire un seul procès sous la réserve que ce droit - et non pas seulement l'exercice habituel de la profession - peut également être subordonné à une autorisation préalable (RO 67 I 334).
3.
Dans la présente espèce, von Roten a demandé une autorisation générale. Le Tribunal cantonal la lui a refusée tout d'abord par le motif qu'il n'avait, de son propre aveu, l'intention d'exercer sa profession sur le
BGE 80 I 146 S. 152
territoire vaudois qu'exceptionnellement. Un tel argument ne saurait être admis. L'art. 5 Disp. trans. Cst. confère au requérant, sous réserve qu'il remplisse les conditions posées par le canton dans l'intérêt public, le droit d'obtenir soit l'autorisation générale, soit l'autorisation spéciale à son gré, selon qu'il a demandé l'une ou l'autre. L'autorité cantonale ne peut, sous prétexte qu'en réalité le requérant n'a pas l'intention de pratiquer habituellement dans le canton, lui refuser l'autorisation générale qu'il demande. Et si le Tribunal fédéral s'est fondé sur l'intention manifestée par le requérant dans la cause Rais (RO 67 I 334), c'était uniquement pour déterminer le sens réel de la demande soumise à l'autorité cantonale et non pas pour aller à l'encontre de cette demande, comme l'a fait en l'espèce le Tribunal cantonal vaudois.
Le Tribunal cantonal a refusé par un autre motif encore l'autorisation générale demandée. Il a jugé, conformément à la loi cantonale, qu'un avocat, porteur du brevet d'un autre canton, ne pouvait obtenir l'autorisation générale de pratiquer que s'il avait une étude permanente dans le canton (art. 13 et 12 lit. d LB). Cependant, le Tribunal fédéral a dit que l'art. 5 Disp. trans. "libère l'exercice de la profession d'avocat des frontières cantonales en ce sens qu'un canton n'a pas le droit de faire dépendre son autorisation d'un lien territorial durable entre l'avocat et le lieu où il veut pratiquer" (RO 65 I 6). Se fondant sur ce principe, le Tribunal a jugé que l'on ne saurait imposer à l'avocat, porteur du brevet d'un autre canton, ni la création d'un domicile (arrêt précité), ni même la simple indication d'une adresse (RO 39 I 51 s.) dans le canton où il veut pratiquer.
Le Tribunal cantonal n'a pas ignoré cette jurisprudence, mais il a jugé qu'elle n'était pas décisive. En effet, dit-il, l'art. 33 Cst. n'interdit pas aux cantons d'exiger de l'avocat établi hors de leur territoire qu'il vienne s'y établir s'il veut pratiquer; seul l'art. 5 Disp. trans. comporte une telle interdiction. Considérant qu'une simple disposition
BGE 80 I 146 S. 153
transitoire ne saurait conférer au citoyen plus de droits que la constitution elle-même, le juge cantonal a admis qu'il pouvait exiger du recourant la constitution d'une étude permanente sur territoire vaudois. Cette argumentation est erronée. Supposé même que, comme le dit le Tribunal cantonal, il y ait une divergence entre l'art. 33 Cst. et l'art. 5 Disp. trans., celui-ci accordant aux citoyens plus de droits que celui-là, il n'en resterait pas moins que ces deux dispositions constitutionnelles garderaient chacune toute leur portée et leur validité et l'on ne voit pas quel principe du droit public permettrait de conclure, comme la Cour cantonale a voulu le faire, que la disposition transitoire comme telle devrait céder le pas à la disposition définitive. Au surplus, dans la présente espèce, l'une et l'autre ont en réalité la même portée en ce sens qu'elles tendent toutes deux à assurer le libre exercice de la profession sur tout le territoire suisse. Il est vrai que, sur ce point, l'art. 5 Disp. trans. s'exprime d'une manière plus nette que l'art. 33 al. 2 Cst. et que les deux textes se distinguent à cet égard. Le second prévoit simplement qu'une loi fédérale instituera des actes de capacité "valables dans toute la Confédération", tandis qu'aux termes du premier, dans l'entretemps, les titulaires d'un certificat de capacité délivré par un canton ou une autorité concordataire pourront "exercer" leur "profession sur tout le territoire de la Confédération". Mais cette différence des textes s'explique du fait que l'art. 33 al. 2 Cst. crée seulement un cadre dans lequel une loi fédérale devra être établie, tandis que l'art. 5 Disp. trans. pose les principes essentiels qui s'appliqueront en lieu et place de la loi aussi longtemps qu'elle n'aura pas été promulguée et plus tard encore pour assurer le respect des droits acquis. Il n'est pas douteux cependant que, dans le cadre tracé par l'art. 33 al. 2 Cst., une loi fédérale sur l'exercice du barreau pourrait, comme le fait l'art. 5 Disp. trans., autoriser les porteurs d'un diplôme fédéral à exercer librement leur profession "sur tout le territoire de la
BGE 80 I 146 S. 154
Confédération", de sorte que l'autorisation générale de pratiquer dans un canton autre que celui de l'établissement ne saurait être subordonnée à la création d'un lien territorial durable entre le requérant et le canton où il veut exercer sa profession. A cet égard, l'autorité constituante, par l'art. 5 Disp. trans., a tracé au législateur la voie à suivre dans le cadre de l'art. 33 al. 1 Cst. Aussi bien, le législateur a-t-il effectivement suivi cette voie en édictant la loi fédérale du 19 décembre 1877 sur l'exercice des professions de médecin, de pharmacien et de vétérinaire dans la Confédération suisse: L'article premier de cette loi autorise expressément certaines catégories de personnes, qu'elle définit, à exercer ces professions "sur tout le territoire de la Confédération", reprenant ainsi les termes mêmes de l'art. 5 Disp. trans.
Le Tribunal canton allègue enfin que l'obligation d'entretenir une étude permanente dans le canton peut être imposée, en tant que mesure de police, à l'avocat qui demande l'autorisation générale de pratiquer. Il voit la justification d'une telle mesure tout d'abord dans le fait que l'autorisation générale comporte l'obligation d'assumer les défenses d'office et que l'"on ne saurait tolérer qu'une partie mise au bénéfice de l'assistance doive se rendre hors du canton pour consulter son avocat". Il estime en outre que "La dignité de la profession, les égards auxquels les justiciables ont droit interdisent aussi que l'avocat reçoive son client n'importe où, dans un établissement public par exemple".
Effectivement, dans ses arrêts Witzthum et Rais (65 I 7 i. f.
;
67 I 335
), le Tribunal fédéral a jugé que l'obligation d'assumer des défenses d'office en matière civile ou pénale pouvait, sans que cela porte atteinte à la Constitution, être imposée à l'avocat qui a reçu l'autorisation générale de pratiquer dans un canton dont il ne possède pas le brevet. Peu importe à cet égard qu'il y pratique effectivement d'une manière habituelle ou non. Le Tribunal cantonal a donc prévu à juste titre que von Roten pourrait être désigné comme avocat d'office par les autorités
BGE 80 I 146 S. 155
vaudoises s'il obtenait l'autorisation demandée. Il ne s'ensuit pas cependant que l'on puisse l'obliger à entretenir une étude permanente sur le territoire vaudois, car cette obligation, on l'a vu, est exclue par la disposition spéciale de l'art. 5 Disp. trans. Au surplus et supposé même que cette disposition n'existe pas ou ne puisse s'appliquer, il serait au moins douteux qu'une telle obligation se justifie comme mesure de police. Car elle serait le plus souvent prohibitive et, partant, disproportionnée, eu égard aux inconvénients qu'elle tendrait à éliminer. Ces inconvénients, du reste, ne sont pas aussi considérables que le dit le Tribunal cantonal. L'avocat notamment peut au besoin trouver, hors du lieu où il est établi, des locaux qui lui permettent à l'occasion de recevoir ses clients sans que la dignité de la profession, ni les égards dus au justiciable subissent aucune atteinte. Enfin, il appartient à l'avocat d'office de faire en sorte que son établissement hors du canton ne charge pas son client de frais supplémentaires et excessifs.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule l'arrêt attaqué. | public_law | nan | fr | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a317e250-03c7-4f3a-99cd-6f44917a919a | Urteilskopf
115 II 149
26. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 13 avril 1989 dans la cause Caisse d'épargne et de crédit S.A. contre G. (recours en réforme) | Regeste
Art. 854, 859 Abs. 2 und 901 ZGB
.
1. Verpfändung eines Inhaberschuldbriefes. Übersicht über Lehre und Rechtsprechung zur Frage des Gegenstandes dieses Pfandrechts (E. 2).
2. Erwerb eines Inhaberschuldbriefes, der zur Sicherung einer Kontokorrentforderung als Faustpfand hingegeben wurde, durch den Pfandgläubiger im Rahmen des Faustpfandverwertungsverfahrens. Anschliessende Betreibung auf Grundpfandverwertung für den im Titel ausgewiesenen Forderungsbetrag.
Obwohl es stossend anmutet, steht die Weigerung des Gläubigers, den Erlös aus der Grundpfandverwertung auf seine ursprüngliche Forderung anzurechnen, in Einklang mit dem geltenden Recht, welches von der Abstraktheit der im Schuldbrief ausgewiesenen Forderung ausgeht. Im vorliegenden Fall hat indessen der Pfandgläubiger sein Einverständnis zur Anrechnung mit seinem Verhalten frühzeitig und unwiderruflich bekundet, weshalb seine spätere Weigerung unbeachtlich bleibt (E. 3-6). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 115 II 149 S. 150
A.-
Le 12 novembre 1969, la Caisse d'épargne et de crédit S.A. a accordé à G. un crédit en compte courant d'un montant maximum de 475'000 francs. Le prêt était notamment garanti par le nantissement d'une cédule hypothécaire au porteur de 260'000 francs, grevant en deuxième rang un immeuble dont le débiteur était propriétaire. Cette cédule a été réalisée le 30 janvier 1976 dans une poursuite en réalisation de gage mobilier; elle a été acquise aux enchères pour la somme de 1'000 francs par la Caisse d'épargne et de crédit S.A. qui a dès lors dénoncé, sans succès, la cédule au remboursement. Une poursuite en réalisation de gage immobilier a entraîné, le 3 décembre 1981, la vente de l'immeuble grevé. Pour la propriétaire de la cédule, le produit de la vente s'est élevé à 290'818 francs 95.
B.-
Le 20 juin 1983, la Caisse d'épargne et de crédit S.A. a ouvert action devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois à l'encontre de G., réclamant notamment au défendeur le remboursement du compte courant à concurrence de 403'140 francs avec intérêts à 7% dès le 1er juin 1982.
La cour cantonale a mis en oeuvre une expertise aux fins de déterminer le montant du solde du compte courant. Selon l'expert, le solde au 30 juin 1977 s'élevait à 395'565 francs 45 et au 31 mai 1982 à 194'444 francs 50. Pour aboutir à ce dernier résultat, l'expert a déduit différents montants de la créance alléguée par la demanderesse, et notamment la somme obtenue (290'818 francs 95) dans la vente de l'immeuble ensuite de la poursuite en réalisation du gage immobilier.
Par jugement du 12 février 1988, la Cour civile vaudoise a arrêté à 45'059 francs 45, créance assortie d'intérêts et de commissions trimestrielles, le montant du solde du compte courant en faveur de la demanderesse. La cour cantonale s'est écartée des conclusions de l'expert s'agissant d'une somme de 135'135 francs 05 a titre d'intérêts dont elle a nié l'existence pour la période antérieure au 31 janvier 1982. Elle a en outre déduit une somme de 14'250 francs provenant d'un livret d'épargne appartenant à l'épouse du défendeur.
C.-
La Caisse d'épargne et de crédit S.A. exerce en temps utile un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut à la réforme du jugement entrepris en ce sens que le défendeur est
BGE 115 II 149 S. 151
condamné à lui payer la somme de 304'420 francs 40, plus intérêts et commissions. Le recours s'en prend uniquement à l'imputation du produit de la vente de l'immeuble sur le solde du compte courant.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
L'
art. 859 al. 2 CC
autorise la création de cédules hypothécaires (nominatives ou au porteur) au nom du propriétaire lui-même et la jurisprudence admet le nantissement d'une telle cédule (
ATF 38 III 160
,
ATF 41 III 266
,
ATF 52 III 159
,
ATF 93 II 85
,
ATF 104 III 35
), qui s'opère par la seule remise du titre (au porteur) au créancier gagiste (
art. 901 al. 1 CC
;
ATF 93 II 87
consid. 5).
L'objet du droit de gage demeure toutefois controversé. Une partie de la jurisprudence considère comme objet du gage la créance incorporée dans le titre (
ATF 68 II 87
;
ATF 93 II 86
consid. 3 et les citations;
ATF 107 III 135
consid. 6c et les citations). Le dernier de ces arrêts (
ATF 107 III 134
) voit en revanche l'objet du gage dans la quote-part de l'immeuble qui correspond au montant de la cédule et à la case hypothécaire qu'elle occupe. Il rejoint ainsi l'opinion déjà exprimée par le Tribunal fédéral dans l'arrêt
ATF 41 III 266
.
Il est certain que le titulaire du droit de gage ne l'est pas aussi de la créance incorporée dans le titre, puisqu'il ne bénéficie précisément que d'un droit de gage. Au demeurant, l'existence de la créance n'est que formelle, car elle ne peut prendre naissance aussi longtemps que le propriétaire du fonds et de la cédule détient simultanément la double qualité de créancier et de débiteur (
ATF 107 III 133
consid. 4, 134 consid. 5). Ce sont la réalisation du droit de gage, qui s'opère selon les règles des
art. 151 ss LP
(
ATF 52 III 160
,
ATF 89 III 45
), ou le transfert de la propriété du titre qui donnent naissance à la créance (
ATF 107 III 135
consid. 6b). Or le créancier gagiste peut se porter acquéreur de la créance au terme de la procédure de réalisation, ce qui lui permet, par la suite, de faire aussi réaliser la créance (
ATF 107 III 134
; HUBER, Die Ansprüche der Faustpfandgläubiger von Eigentümerschuldbriefen im Konkurs des Pfandeigentümers, RNRF 1979 p. 330-332). Le dernier arrêt cité a toutefois fait l'objet d'une critique sévère d'une partie de la doctrine (AMONN, RJB 1983 p. 339) et la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral, dans une récente décision (
ATF 113 III 147
consid. 4c), ne s'y est pas référée.
BGE 115 II 149 S. 152
Les théories de la doctrine majoritaire admettant la possibilité d'un vrai gage mobilier sur la cédule hypothécaire appartenant au propriétaire font l'objet de critiques depuis longtemps. En 1926 déjà, GUISAN (Le nantissement et la saisie des cédules hypothécaires et lettres de rente appartenant au propriétaire même de l'immeuble grevé, Lausanne 1926 p. 26 ss), bientôt suivi par GAUTSCHI (Beitrag zur Theorie des Eigentümergrundpfandes nach schweizerischem ZGB, thèse Zurich 1928, p. 213 ss) et PAYOT (Le nantissement des cédules hypothécaires au porteur, thèse Neuchâtel 1934, p. 63 ss), considérait que le créancier auquel la cédule avait été remise en nantissement ne disposait que d'un droit de gage immobilier. Il rejetait les opinions, soutenues par EUGEN HUBER et GUHL, qui, fondées sur les théories de la création ou de l'individualisation des droits réels, voyaient l'objet du gage dans le droit incorporé dans la cédule, droit qui prendrait naissance au moment même de l'inscription du titre au registre foncier, soit avant même la remise du titre à un tiers. Selon GUISAN, ces théories étaient incompatibles avec les principes de l'extinction des droits par la consolidation ou la confusion (
art. 118 CO
). La théorie de l'émission (Begebungstheorie), pour laquelle s'était prononcé le Tribunal fédéral (cf.
ATF 38 II 156
;
ATF 41 III 224
), n'a pas non plus trouvé grâce aux yeux de GUISAN qui considère que le titre ne peut acquérir la qualité de papier-valeur tant que le propriétaire du fonds l'est encore de la cédule, ce qui exclut un vrai acte de nantissement; si, en revanche, le créancier gagiste est devenu propriétaire de la cédule, il n'y a pas de nantissement, ce qui exclut la poursuite en réalisation d'un gage mobilier.
3.
En l'espèce, il n'est pas nécessaire de procéder à un nouvel examen des différentes théories en présence (cf. l'exposé de ZOBL, Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, RNRF 1978 p. 193 ss). On doit en effet constater que la recourante a acquis la propriété, au terme d'une poursuite en réalisation de gage mobilier dont la validité n'a pas été contestée, de la cédule hypothécaire qui lui avait été remise en nantissement. Elle est donc devenue titulaire de la créance incorporée dans le titre, garantie par un gage immobilier ordinaire.
La question se pose toutefois de savoir si le produit de la réalisation subséquente du gage immobilier doit être imputé sur la créance en garantie de laquelle le gage mobilier sur (la quote-part de la valeur de) la cédule avait été constitué. La solution donnée à cette question revêt une importance considérable, car, en règle
BGE 115 II 149 S. 153
générale, le produit de la vente d'un gage mobilier sur une créance contre un débiteur en demeure ne suffira pas à désintéresser le créancier. Celui-ci, après en être devenu propriétaire dans la poursuite en réalisation de gage mobilier et avoir dénoncé la cédule au remboursement, sera donc amené, comme tel a été le cas en l'espèce, à requérir une poursuite en réalisation du gage immobilier pour la valeur nominale du titre.
La jurisprudence s'est déjà prononcée sur ce point. Elle considère que la créance garantie par le gage immobilier, que peut faire valoir celui qui a acquis la propriété de la cédule lors de la réalisation du gage mobilier, est indépendante de la créance qui résulterait d'un autre rapport juridique, celle d'un prêt en garantie duquel la cédule hypothécaire avait été remise en gage, par exemple (
ATF 89 III 43
). Toutefois, cette même jurisprudence et la doctrine ont été obligées de reconnaître que l'indépendance des deux créances peut entraîner, le cas échéant, un "préjudice" pour le débiteur (
ATF 52 III 160
), un gain disproportionné pour le créancier (
ATF 89 III 46
), des résultats inéquitables (ZOBL, loc.cit. p. 211) ou extrêmement choquants (OFTINGER, n. 141a ad
art. 901 CC
). Plus simplement, et d'ailleurs non sans raisons, GUISAN (loc. cit. p. 15) parle de "gains vraiment scandaleux". La présente espèce en constitue un exemple frappant: la recourante a acquis pour 1'000 francs la cédule qu'elle avait reçue en nantissement et a obtenu, dans la réalisation du gage immobilier subséquente, la somme de 290'818 francs 95; elle s'oppose toutefois à imputer ce montant sur la créance résultant du prêt accordé à l'intimé.
4.
La situation est différente quand l'immeuble grevé fait l'objet d'une saisie et d'une procédure de réalisation forcée ou lorsque le débiteur tombe en faillite - avant que la créance incorporée dans la cédule hypothécaire mise en gage ne soit réalisée.
Les art. 35 al. 2, 102 et 126 ORI (RS 281.42) prohibent en effet la vente séparée des titres de gage créés au nom du propriétaire et donnés en nantissement. Ces titres doivent figurer à l'état des charges selon leur rang et pour leur montant nominal ou, si elle est inférieure, pour la somme pour laquelle ils ont été remis en nantissement. Dans la procédure de faillite, les créances garanties par le nantissement sont colloquées comme garanties par gage mobilier, alors que les titres eux-mêmes sont inscrits comme créances garanties par gage immobilier à concurrence du montant pour lequel la créance garantie par le nantissement a été colloquée, mention étant faite de la collocation du gage mobilier. L'art. 76
BGE 115 II 149 S. 154
OOF (RS 281.32), ordonnance antérieure à l'ORI, prévoyait déjà l'interdiction d'une vente aux enchères séparée des titres de gage ayant trait à des créances garanties par les immeubles du failli et que celui-ci a mis en gage. Le but de ces dispositions est d'éviter que les autres créanciers ne subissent un préjudice si le créancier gagiste auquel une cédule hypothécaire a été remise en nantissement est colloqué en cinquième classe pour le découvert de sa créance garantie par gage, et si ensuite l'adjudicataire du titre (qui peut être le créancier gagiste lui-même) doit encore être admis pour le découvert de sa créance lorsque la réalisation de l'immeuble ne le satisfait pas entièrement (
ATF 52 III 170
consid. 1;
ATF 106 III 73
consid. 4 et les références;
ATF 107 III 129
consid. 1 et 134; HUBER, Die Ansprüche des Faustpfandgläubigers von Eigentümerschuldbriefen im Konkurs des Pfandeigentümers, RNRF 1979 p. 329 ss). Dans ce contexte, le Tribunal fédéral a rejeté l'opinion exprimée par ZOBL (loc.cit. p. 214), selon lequel les art. 76 OOF et 126 ORI tendraient à placer le créancier gagiste mobilier dans la même situation que s'il était devenu propriétaire du titre avant le prononcé de la faillite. Ils ne le pourraient du reste pas, puisque cela reviendrait à modifier la situation de droit matériel du créancier qui se trouverait ainsi assimilé à celui qui aurait obtenu la réalisation du gage avant la déclaration de faillite (
ATF 102 III 94
;
107 III 134
/135 consid. 5 in fine). Le créancier gagiste n'a donc que les droits qui existaient au moment de l'ouverture de la faillite sur la base des accords de droit privé passés avec le débiteur.
5.
a) La cour cantonale a estimé que la demanderesse devait imputer sur la créance résultant du compte courant le montant obtenu dans la réalisation de l'immeuble en considérant que, en remettant en gage une cédule hypothécaire au porteur, le propriétaire du titre transfère au créancier un papier-valeur incorporant une créance abstraite dont tout propriétaire de l'immeuble répond. Le créancier devient titulaire de la créance garantie par gage immobilier et il est légitimé à faire valoir cette créance du fait qu'il détient le titre. Le créancier ne peut pas avoir de gage sur sa propre créance, ce qui reviendrait à dire qu'il est son propre créancier gagiste. Selon la cour cantonale, il s'agit donc en l'occurrence d'une cession fiduciaire à fin de garantie (
art. 164 CO
), le produit de la réalisation de la créance garantie par gage immobilier éteignant la créance. Comme la fiducie a pour but l'extinction de la créance de base, il est nécessaire de procéder à l'imputation du produit obtenu
BGE 115 II 149 S. 155
lors de la réalisation. Le créancier gagiste est donc dans ce cas un créancier immobilier, la créance abstraite garantie doublant la créance causale. Il ne peut donc requérir qu'une poursuite en réalisation de gage immobilier, et non mobilier.
b) Les arguments développés par la cour cantonale, qui se recoupent avec ceux avancés par GILLIÉRON (JT 1981 II p. 122 ss, 1984 II p. 12, 1986 II p. 147, 1988 II p. 71), sont inexacts dans leurs prémisses. D'une part, dans la mesure où la cédule hypothécaire du propriétaire est uniquement constituée en gage et n'est pas transférée au créancier, celui-ci ne devient pas titulaire de la créance garantie par gage immobilier. D'autre part, rien ne permet d'affirmer, à défaut de constatations de la cour cantonale sur la volonté interne des parties, que celles-ci soient convenues d'une remise à titre fiduciaire. Cette forme de garantie est certes pratiquée (cf. ZOBL, Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen, RNRF 1987 p. 281 ss), mais elle suppose une convention spéciale des parties et n'est pas inhérente au nantissement d'une cédule hypothécaire du propriétaire. En l'espèce, d'ailleurs, le fait que la demanderesse ait acquis aux enchères la cédule dans la poursuite en réalisation du gage mobilier irait à l'encontre d'une convention de remise du papier-valeur à titre fiduciaire.
6.
a) Les critiques soulevées par la doctrine et la jurisprudence à l'encontre du résultat choquant que constitue d'une manière générale la possibilité pour le créancier de refuser l'imputation du produit de la réalisation du gage immobilier sur la créance de base ne peuvent cependant trouver de correctif dans l'interprétation des dispositions légales en vigueur. On ne saurait en effet considérer que la loi souffre d'une lacune (improprement dite) en s'en tenant dans tous les cas au principe du caractère abstrait de la créance constatée dans la cédule hypothécaire. C'est au législateur qu'il appartient de remédier, s'il l'estime nécessaire, à ces inconvénients (cf.
ATF 111 II 132
consid. b;
ATF 111 Ib 229
consid. 2a). La recourante, dont les moyens se fondent pour l'essentiel sur l'application stricte des règles qui régissent les droits découlant de la propriété de la cédule hypothécaire, a donc raison dans le principe.
b) En l'espèce, toutefois, et comme l'a retenu la cour cantonale à titre subsidiaire, on doit constater que, par le comportement qu'elle a adopté, soit en portant à deux reprises dans ses décomptes le montant du produit de la vente au crédit du compte courant, la demanderesse avait accepté le principe de l'imputation. | public_law | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a31bc3f2-a9e2-4d75-b6c9-55aeb265de8e | Urteilskopf
85 II 609
84. Sentenza 18 dicembre 1959 della II Corte civile nella causa Fondazione Ghirlanda contro Loggia massonica "Il Dovere". | Regeste
Bedingte Schenkung einer Liegenschaft. Zeitlicher Geltungsbereich der Gesetze.
1.
Art. 63 Abs. 1 OG
. Ob ein Rechtsverhältnis den zur Zeit seiner Entstehung geltenden Normen oder dem neuen Gesetz unterstehe, hat das Bundesgericht unabhängig von der rechtlichen Begründung der Anträge durch die Parteien zu entscheiden (Erw. 2).
2. Die vor Inkrafttreten des schweizerischen ZGB verurkundete Schenkung einer Liegenschaft ist grundsätzlich von dem damals geltenden kantonalen Rechte beherrscht (Erw. 3).
3. Ein Eigentumsrecht, dessen Bestand oder Dauer an eine Bedingung geknüpft wäre, kann nicht in das Grundbuch eingetragen werden (Erw. 4).
4. Art. 18 Abs. 3 SchlT des ZGB. Ein bedingtes Rückrufsrecht des Schenkers auf unbegrenzte Zeit ist mit den geltenden Normen über die Schenkung unvereinbar; ein Anspruch auf Eintragung eines solchen Rechtes im Grundbuch ist nicht mehr gegeben (Erw. 5).
5. Ein auf freier vertraglicher Vereinbarung beruhendes Recht, das unter der Herrschaft des alten Gesetzes jeder Art der Publizität entbehrte und auch nicht nach öffentlichem Recht oder nach andern allgemein verbindlichen Normen begründet war, kann nicht als dingliches Recht im Sinne von Art. 45 SchlT des ZGB gelten (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 610
BGE 85 II 609 S. 610
A.-
Il 20 aprile 1901, Antonio Lepori fu Giacomo, in Castagnola, donava alla costituenda loggia massonica "Il Dovere" il terreno al mappale nr. 375, ora particella nr. 358 del registro fondiario definitivo di Lugano. Nel relativo documento notarile si precisava che la donazione era fatta "al preciso e determinato scopo di erigervi un tempio massonico alla gloria del Grande Architetto dell'Universo e per l'uso della loggia massonica "Il Dovere" all'Oriente di Lugano, che ne sarà proprietaria libera e
BGE 85 II 609 S. 611
franca appena essa avrà conseguita la personalità giuridica a norma di legge mediante l'iscrizione a Registro di Commercio".
Il donante imponeva "alla parte donataria l'obbligo della costruzione del previsto tempio entro il termine di 5 anni", stabilendo inoltre "che la donazione del terreno verrà a cadere e sarà revocata nel caso di scioglimento della loggia massonica "Il Dovere" o di cambiamento di destinazione del Tempio a cui la fondazione è consacrata...". "Verificandosi la revoca il donatore od i suoi aventi causa saranno tenuti a rimborsare alla parte donataria il valore di stima dell'edificio stesso."
Tanto la condizione concernente l'iscrizione nel registro di commercio, quanto l'impegno di costruire il tempio furono successivamente adempiuti. L'oggetto della donazione passò in proprietà della donataria e venne iscritto, senza indicazione di oneri o condizioni, prima nel registro fondiario provvisorio, poi nel registro fondiario definitivo del Comune di Lugano.
Il donatore decedette nel 1908. Dei suoi due eredi, il figlio Arnoldo morì nel 1924 e la vedova Elena il 27 aprile 1953. Questa, erede anche del figlio premorto, istituì suo unico erede il secondo marito, avv. Mario Ghirlanda che, mediante atto notarile 12 dicembre 1957, cedette alla Fondazione Elena e Arnoldo Ghirrlanda-Lepori, Sonvico, di cui è fondatore e disponente, "i diritti reali condizionati sull'immobile part. nr. 358 della mappa di Lugano, di proprietà della loggia massonica "Il Dovere" scatenti dall'atto di donazione del 1901"... ad esso "passati in proprietà e dominio per la sua qualità di unico erede di sua moglie Elena già ved. fu Antonio Lepori e madre del fu Arnoldo Lepori qdm. Antonio".
B.-
Rifiutatasi la loggia "Il Dovere" di autorizzare "l'iscrizione e annotazione" dei diritti rivendicati dalla fondazione Ghirlanda, questa il 29 gennaio 1958 presentò petizione al Pretore della giurisdizione di Lugano-Città per ottenere che fosse dato ordine all'Ufficiale dei registri
BGE 85 II 609 S. 612
di iscrivere, a carico del mappale nr. 358 ed a favore dell'attrice i diritti reali condizionati quali risultano dal testo dell'atto pubblico 20 aprile 1901.
Il 9 agosto 1958, il Pretore respinse la petizione giudicando che le pretese dell'attrice non si riferiscono a diritti iscrivibili nel registro fondiario.
L'appellazione dell'attrice venne respinta dalla Camera civile del Tribunale di appello mediante sentenza 12 novembre 1958, intimata il 7 settembre 1959.
Secondo la Corte cantonale il contratto del 1901, che predispone la revoca della donazione in caso di inadempimento delle condizioni, sarebbe stato previsto dagli
art. 613 e 614
del CCT. Il relativo diritto dell'attrice avrebbe costituito, sotto l'impero del diritto cantonale, una rei vindicatio erga omnes, che avrebbe perso l'efficacia di diritto reale in forza degli
art. 3 e 17
cp. 2 titolo finale del CC. Ciò stante, il diritto dell'attrice non potrebbe più essere iscritto nel registro fondiario. La Corte cantonale non ha ritenuto ammissibile nemmeno la annotazione a'sensi dell'art. 959 CC, perchè questa è prevista soltanto quando si tratti di riversione per premorienza del donatario (art. 247 CO). A prescindere dal fatto che l'iscrizione e l'annotazione non costituirebbero atti conservativi nel senso dell'art. 152 CO, simili atti non sarebbero giustificati in concreto da alcun pericolo imminente. Ciò premesso, apparirebbe superfluo esaminare le domande dell'attrice agli effetti della tardività della domanda d'iscrizione che avrebbe dovuto essere presentata in occasione dell'impianto del registro fondiario definitivo del Comune di Lugano.
C.-
Il 22 settembre 1959, l'attrice Fondazione Elena e Arnoldo Ghirlanda-Lepori si è tempestivamente aggravata al Tribunale federale mediante ricorso per riforma, domandando che la petizione 29 gennaio 1958 sia accolta e che le spese e le ripetibili di tutte le istanze siano messe a carico della convenuta. Essa invoca le norme di diritto federale sulle donazioni di cui agli art. 239 e segg. e quelle sulle condizioni di cui agli art. 151 e segg. CO. Anche se
BGE 85 II 609 S. 613
si dovesse giudicare il suo diritto secondo il CCT, questo diritto sarebbe tuttora valido in virtù dell'art. 17 tit. fin. CC.
La convenuta propone che il ricorso, in quanto ricevibile, sia respinto protestando spese e ripetibili.
Erwägungen
Considerando in diritto:
2.
La ricorrente ha affermato, in via principale, che il negozio giuridico in questione "trova completa disciplina legale, ad esclusione di ogni altra, nelle norme di legge stabilite dal CO sulle donazioni (art. 239 e segg.) e dal titolo del CO sulle condizioni (art. 151 e segg., in particolare 152, cp. 2 e 154)". Dal canto suo la convenuta afferma che è applicable, in concreto, il diritto cantonale, per cui il ricorso sarebbe inammissibile nella misura in cui si invoca l'art. 152 cp. 2 CO in contrasto coll'art. 1 tit. fin. CC.
L'eccezione della convenuta non può essere accolta perchè il Tribunale federale non è vincolato alle motivazioni giuridiche delle parti (art. 63, cp. 1 OG, RU 70 II 217). Peraltro, il problema di sapere se il rapporto giuridico in questione sia regolato dalle disposizioni in vigore alla epoca della stipulazione, oppure dal nuovo codice, deve essere risolto secondo le disposizioni del tit. fin. CC trattando materialmente il ricorso. Anche nel caso citato dalla convenuta, il Tribunale federale non ha giudicato il ricorso inammissibile ma ne ha esaminato il merito (RU 39 II 483).
3.
L'art. 1 tit. fin. CC stabilisce la regola generale della non retroattività del nuovo codice. Pertanto, gli atti compiuti prima del primo gennaio 1912 sono, di massima, regolati dalle disposizioni federali e cantonali vigenti quando furono compiuti.
Il 20 aprile 1901, data in cui l'atto di donazione fu stipulato, vigeva il codice federale delle obbligazioni del 14 giugno 1881 che riservava ai Cantoni "la forma delle donazioni e dei contratti relativi a diritti reali su beni
BGE 85 II 609 S. 614
immobili" (art. 10). In realtà il vecchio codice, che stabiliva come regola generale quella della libertà contrattuale, lasciava ai Cantoni, salvo alcune disposizioni qui irrilevanti, il regolamento di tutta questa materia (OSER/SCHÖNENBERGER nr. 1 all'art. 239 CO). Invece tale legge regolava (art. 171-177) con norme quasi identiche agli attuali 151/157, le condizioni da cui è fatta dipendere una obbligazione.
Queste ultime disposizioni, le vecchie come le nuove, non sono applicabili nel senso richiesto dall'attrice. A parte il fatto che l'art. 152 cp. 2 (come l'identico 172 cp. 2 del vecchio codice) si riferisce direttamente alla condizione sospensiva e non a quella risolutiva fatta valere dall'attrice, il provvedimento conservativo ivi previsto può essere ordinato, come giustamente rileva la Corte cantonale, non già in presenza di qualsiasi pericolo generico ed astratto, immanente ad ogni obbligazione condizionale, ma soltanto nel caso particolare in cui il debitore, trasgredendo il divieto stabilito nel precedente capoverso, si comporti in modo da ostacolare il debito adempimento della sua obbligazione. La Corte cantonale ha accertato che da parte della convenuta non si sono verificati "atti od omissioni che potrebbero impedire il debito adempimento della sua obbligazione". Questo accertamento di fatto è vincolante in questa sede.
Comunque il rapporto giuridico in esame era regolato in modo esauriente e completo dagli art. 609/14 CCT che, disciplinando le condizioni applicate alle donazioni di beni stabili, costituivano in un certo senso norme speciali rispetto agli art. 171/177 CO. Secondo l'art. 1 tit. fin. CC queste norme sono applicabili in concreto. L'art. 609 stabiliva che "la donazione può farsi liberamente o sotto condizioni". L'art. 613 prevedeva la revoca della donazione per inadempimento delle condizioni e l'art. 614 precisava che "in caso di revoca per l'inadempimento delle condizioni, i beni ritorneranno in potere del donante liberi da qualunque peso od ipoteca imposta dal donatario, ed il donante avrà
BGE 85 II 609 S. 615
contro i terzi detentori degli immobili donati tutti i diritti che avrebbe contro il medesimo donatario".
La Corte cantonale, che è sovrana nell'interpretare il diritto cantonale allora vigente, ha stabilito:
a) che il diritto di revoca di cui agli art. 613/14 CCT aveva carattere reale "permettendo la rivendicazione della cosa donata sia contro i terzi detentori che contro lo stesso donatario".
b) che tale diritto è trasmissibile per successione o per convenzione, non essendo applicabile in concreto l'art. 620 CCT riferentesi unicamente al caso particolare previsto dall'art. 618.
Questa interpretazione è vincolante per il Tribunale federale, per cui non si può tener conto delle critiche sollevate al riguardo dalla convenuta (art. 43 cp. 1, 55 cp. 1, lett. c OG, RU 79 II 405).
4.
Il problema del diritto personale, quello cioè dei rapporti interni fra le parti, esula dalla presente causa. In quanto intesa ad ottenere che del rivendicato diritto sia preso atto nel registro fondiario, l'azione in esame mira soltanto a legittimare la pretesa dell'attrice anche verso i terzi in buona fede, vale a dire a fissarne il carattere reale.
Di massima, i diritti reali acquisiti secondo il vecchio diritto cantonale continuano a sussistere, sotto riserva delle disposizioni sul registro fondiario, anche dopo l'entrata in vigore del CC (
art. 17 e 45
tit. fin. CC). Essi vengono costituiti secondo il nuovo diritto se ciò è possibile (art. 17 cp. 3), vale a dire se possono essere identificati con istituti del diritto vigente. In concreto tale possibilità è da escludere.
Un diritto condizionato di proprietà, quale è sostanzialmente quello in questione, non è previsto dal CC. Un simile diritto non può, comunque, essere iscritto nel registro fondiario, perchè secondo l'art. 12 RRF le richieste d'iscrizione non devono essere subordinate a riserva o condizione alcuna. Dottrina e giurisprudenza sono concordi
BGE 85 II 609 S. 616
nell'affermare che il normale funzionamento del registro fondiario ammette l'iscrizione soltanto di rapporti chiari e inequivocabili. Un diritto, la cui esistenza o la cui durata fosse dipendente da una condizione non adempirebbe questi requisiti (BURCKHARDT, Bundesrecht, nr. 1349 IV; RU 52 II 40; ANDERMATT, Die grundbuchliche Anmeldung pag. 75; SCHATZMANN, Eintragungsfähigkeit... p. 85 e segg.; JACOMELLA in Rep. di Giur. patria, 1944, pag. 1 e segg., specialmente pag. 6).
Nell'ambito più specifico della donazione, gli art. 239 e segg. CC, invocati dalla ricorrente, prevedono un solo caso in cui al diritto personale di revoca del donatore può essere attribuita efficacia verso i terzi: quello concernente la riversione della cosa donata qualora il donatore premuoia (art. 247). In tal caso l'annotazione si effettua a'sensi degli art. 959/60, che peraltro la escludono nei casi, come quello in esame, per i quali la legge non la prevede espressamente.
5.
Il diritto rivendicato dall'attrice, se perfezionato come diritto reale al momento dell'entrata in vigore del CC, non potendo essere iscritto nè annotato, dovrebbe costituire oggetto di menzione ai sensi dell'art. 45 tit. fin. CC.
La Corte cantonale ha trascurato questa possibilità ed ha ritenuto che, il contratto del 1901 pur "rimanendo retto dagli art. 599/621 CCT - per quanto concerne la sua forza obbligatoria e i suoi effetti inter partes -", il relativo "diritto reale legale è decaduto al momento della entrata in vigore del CC in forza degli
art. 3 e 17
cp. 2 tit. fin. CC". In realtà, le disposizioni quì citate non determinano la decadenza dei diritti reali preesistenti ma dispongono che, dall'entrata in vigore del CC, l'estensione del diritto di proprietà e dei diritti reali è regolata secondo i principi istituiti dal nuovo codice, ad esempio quelli fissati dagli art. 667 e segg.
La distinzione fra diritto personale e domanda d'iscrizione esposta nell'impugnata sentenza è tuttavia applicabile
BGE 85 II 609 S. 617
in concreto secondo quanto dispone l'art. 18 tit. fin. CC.
L'art. 45 tit. fin. CC si riferisce unicamente ai diritti già acquisiti e operanti come reali, vale a dire già validi verso i terzi, al momento dell'entrata in vigore del CC. Se invece, come devesi desumere dall'impugnata sentenza, il contratto del 1901 accordava al donatore, o suoi aventi causa, solo l'azione personale ad ottenere la costituzione del diritto reale mediante una qualsiasi forma di registrazione o di pubblicazione (come nel caso dell'art. 837 CC), la domanda d'iscrizione fondata sul vecchio diritto può ora essere accolta solo in quanto non sia incompatibile colla nuova legge (art. 18 cp. 3 tit. fin. CC).
La donazione gravata da condizioni od oneri è genericamente prevista anche dal nuovo codice all'art. 245 cp. 1. I relativi art. 247/251 prevedono anche il diritto di riversione e di revoca della donazione, ma soltanto per i casi ivi espressamente previsti. Comunque, tali diritti del donatore sono personalissimi e, pertanto, non possono essere trasferiti a terzi (OSER/SCHÖNENBERGER nr. 2 e 3 all'art. 251 CO). Un diritto condizionato del donatore ad ottenere la revoca della proprietà donata, trasmissibile a terzi e illimitato nel tempo, come quello stabilito dal contratto del 1901, oltre ad urtare contro il nuovo concetto di proprietà, è senza dubbio incompatibile colle suindicate vigenti norme sulla donazione, per cui la richiesta d'iscrizione o menzione nel registro fondiario non può essere ammessa (ved. MUTZNER nr. 7, REICHEL nr. 5 all'art. 18 tit. fin. CC).
6.
Comunque, il problema di sapere cosa si intenda per diritto reale non è già risolto in virtù della relativa definizione che può essere dedotta dal vecchio diritto cantonale, ma si risolve secondo i principi fondamentali del nuovo codice. A questi effetti sono reali soltanto i diritti che, potendosi opporre a chicchessia, riservano al loro soggetto un potere diretto, almeno parziale, sulla cosa a cui si riferiscono (cfr. MUTZNER, nr. 2/4 all'art. 17
BGE 85 II 609 S. 618
e relative citazioni, nr. 25 allo stesso articolo; HUBER, Erläuterungen Vol. II pag. 21). Ciò non è possibile se i terzi non ne sono in alcun modo resi edotti. Una forma qualsiasi di pubblicità è perciò immanente all'idea di diritto reale.
Tale presupposto può essere adempiuto dal possesso o dal fatto che la legge stabilisca come diritti reali, operanti senza formalità di registrazione o di pubblicazione e indipendentemente dalla volontà delle parti, quelli derivanti da determinati rapporti di diritto pubblico o da altri rapporti di carattere obbligatorio generale per tutti i proprietari, come è il caso per l'art. 836 CC. Invece il diritto che nasce dall'autonomia contrattuale delle parti può valere nei confronti dei terzi solo in quanto sia reso pubblico. Praticamente gli
art. 17 e 45
tit. fin. CC mirano a parificare le precedenti forme di pubblicità, esistenti in modo più o meno efficace in tutti gli ordinamenti cantonali, a quelle istituite dal nuovo codice, ma non possono essere invocati, salvo il caso dell'art. 18 tit. fin CC, per sanzionare come reali dei diritti a cui, fino all'entrata in vigore del CC è difettato l'elemento essenziale della pubblicità (cfr. TUOR, Das schweiz. Zivilgesetzbuch, VI ed. p. 21, MUTZNER, nr. 37 all'art. 17, nr. 5 all'art. 45).
In concreto, la registrazione dell'atto del 1901 è stata eseguita soltanto per il trasferimento della proprietà "libera e franca" alla donataria che ne godette l'indisturbato possesso fino al 1958. La condizione stabilita non per legge, ma nell'ambito dell'autonomia contrattuale del donatore, non ha invece costituito oggetto di una qualsiasi forma di pubblicazione. Ciò premesso, se le costatazioni esposte nell'impugnata sentenza significassero che il contratto del 1901 accordava al donatore non solo l'azione personale ad esigere la registrazione del suo diritto, ma gli attribuiva direttamente, senza ulteriore formalità, un preteso diritto reale, tale diritto non potrebbe ciò nondimeno essere menzionato perchè, difettandone una preesistente forma di pubblicità, non potrebbe essere
BGE 85 II 609 S. 619
riconosciuto come diritto reale a'sensi dell'art. 45 tit.
fin. CC.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso per riforma è respinto e la sentenza impugnata è confermata. | public_law | nan | it | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a31c6f5f-72ea-4b81-9704-632021d4df7f | Urteilskopf
91 IV 144
39. Urteil des Kassationshofes vom 6. Oktober 1965 i.S. Tarschisch gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich | Regeste
1.
Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
. Die Verfolgungsverjährung hört mit der Ausfällung eines vollstreckbaren kantonalen Urteils auf (Erw. 1).
2.
Art. 36 SVG
,
Art. 1 Abs. 8 VRV
. Vortrittsrecht an der Verzweigung von Strassen, von denen eine mit einem unbeschränkten oder beschränkten Fahrverbot belegt ist (Erw. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 144
BGE 91 IV 144 S. 144
A.-
Tarschisch führte am 24. Juli 1963, gegen 07.30 Uhr, ein Personenauto in Zurich 3 durch die Schweighofstrasse stadtauswärts, um in die Ütlibergstrasse zu gelangen. Wegen des eidgenössischen Schützenfestes, das sich damals im Albisgütli abwickelte, war die Schweighofstrasse von der Stelle an, wo sie die Bachtobelstrasse kreuzt, für den Fahrzeugverkehr teilweise vorübergehend gesperrt, und dieser wurde in der Kreuzung nach links durch die Bachtobelstrasse umgeleitet. Die beiden Verkehrsanordnungen wurden zu Beginn des gesperrten Strassenstückes durch je eine grosse Tafel, die am linken und rechten Fahrbahnrand aufgestellt waren, signalisiert; auf der ersten waren das Wort Verkehrsumleitung und ein nach links gerichteter Pfeil, auf der zweiten das Zeichen für allgemeines Fahrverbot (Signal Nr. 201) und darunter der Vermerk angebracht, dass die Zufahrt für Anwohner und für Parkierer der oberen Ütlibergstrasse mit entsprechendem Kennzeichen sowie für Bus und Taxiwagen gestattet sei. Im Augenblick, als Tarschisch nach links in die Bachtobelstrasse abzubiegen begann, stiess er mit dem Motorradfahrer Hugentobler zusammen, der aus dem gesperrten Teil der Schweighofstrasse
BGE 91 IV 144 S. 145
kommend geradeaus über die Kreuzung stadteinwärts fuhr.
B.-
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich erklärte Tarschisch am 1. Juli 1965 der Übertretung von
Art. 36 Abs. 3 SVG
und
Art. 14 Abs. 1 VRV
schuldig und bestätigte die vom Polizeirichter der Stadt Zürich gegen den Verzeigten ausgefällte Busse von Fr. 50. -.
C.-
Der Gebüsste führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Er bestreitet, dass er einem aus dem gesperrten Strassenstück entgegenkommenden Fahrzeug den Vortritt habe gewähren müssen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen, das mit einem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel nicht angefochten werden konnte, ist mit der Ausfällung am 1. Juli 1965 vollstreckbar geworden. An diesem Tage hat die Verfolgungsverjährung aufgehört und die Vollstreckungsverjährung begonnen (
BGE 72 IV 106
, 164;
BGE 73 IV 14
und ständige Rechtsprechung). Die zweijährige absolute Verjährungsfrist (
Art. 90 Ziff. 1 SVG
. Art. 101, 109, 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB), die am 24. Juli 1963 begann, ist daher noch nicht abgelaufen.
2.
Das Signal "Allgemeines Fahrverbot" (Nr. 201) verbietet den Verkehr für alle Fahrzeuge (Art. 16 Abs. 1 der Verordnung über die Strassensignalisation vom 31. Mai 1963). Die Verkehrsfläche, auf der das allgemeine Fahrverbot uneingeschränkt gilt, darf somit von Motorfahrzeugen und motorlosen Fahrzeugen nicht benützt werden. Sie fällt zwar, wenn sie dem Fussgängerverkehr dient, unter den Begriff der Strasse (
Art. 1 Abs. 1 VRV
), stellt aber, da sie dem Fahrverkehr nicht geöffnet ist, keine Fahrbahn dar (
Art. 1 Abs. 4 VRV
). Das bedeutet, dass die mit einem solchen Fahrverbot belegte Verkehrsfläche an der Stelle, wo sie mit einer dem Fahrverkehr geöffneten Strasse zusammentrifft, keine Verzweigung (Kreuzung, Gabelung, Einmündung) bildet (
Art. 1 Abs. 8 VRV
). Dem Fahrzeugführer, der die Fahrbahn einer öffentlichen Strasse benützt, steht daher gegenüber einem andern, der aus einer Strasse mit unbeschränktem Fahrverbot herausfährt, das absolute Vortrittsrecht zu. Es verhält sich in diesem Falle nicht anders, als wenn jemand an einem Ort, wo keine Strasse besteht, oder aus einem Privatweg in eine öffentliche Fahrbahn
BGE 91 IV 144 S. 146
einbiegt, um sich in den allgemeinen Verkehr einzugliedern (vgl.
BGE 84 IV 109
).
3.
Nach Art. 15 der Signalisationsverordnung ist es zulässig, vom allgemeinen Fahrverbot Ausnahmen zu machen. So kann das Befahren der mit einem Fahrverbot belegten Strasse bestimmten Fahrzeugführern oder Fahrzeugkategorien oder für bestimmte Zwecke (z.B. Zubringerdienst) allgemein gestattet werden. In solchen Fällen wird die Benützung der Strasse für den allgemeinen Fahrverkehr nicht aufgehoben, sondern bloss eingeschränkt. Die Strasse dient trotz dem Fahrverbot dem Fahrverkehr und ist auf der für diesen bestimmten Fläche Fahrbahn im Sinne des
Art. 1 Abs. 4 VRV
. Was sie von andern Strassen unterscheidet, ist einzig ihre beschränkte Befahrbarkeit. Dieser Umstand könnte aber auf die Anwendung der Verkehrsregeln über das Vortrittsrecht nur Einfluss haben, wenn die beschränkt befahrbare Strasse für den allgemeinen Fahrverkehr eine derart untergeordnete Bedeutung hätte, dass sie im Vergleich mit der Strasse, mit der sie zusammentrifft, einer blossen Ausfahrt im Sinne des
Art. 1 Abs. 8 VRV
gleichzustellen wäre (vgl.
BGE 91 IV 41
).
Diese Voraussetzung trifft im vorliegenden Falle nicht zu. Der vom Fahrverbot betroffene Teil der Schweighofstrasse diente nicht nur als Zufahrt zu vereinzelten angrenzenden Grundstücken, sondern war in dem beidseits der Strasse von Wohnhäusern überbauten Gebiet schon als Quartierstrasse von einiger Bedeutung. Darüber hinaus stand sie dem durchgehenden Verkehr offen und konnte als Durchgangsstrasse ausser von den Anwohnern auch von den in der oberen Ütlibergstrasse parkierenden Fahrzeugführern, die eine entsprechende Erlaubnis hatten, sowie ohne besondere Bewilligung von allen Fahrzeugen der städtischen Verkehrsbetriebe und der Taxiunternehmen benützt werden. An der Kreuzung Schweighofstrasse/Bachtobelstrasse galt daher ohne gegenteilige Anordnung das gesetzliche Vortrittsrecht, wonach dem von rechts kommenden Fahrzeug der Vortritt zusteht (
Art. 36 Abs. 2 SVG
) und der nach links Abbiegende einem entgegenkommenden Fahrzeug den Vortritt zu lassen hat (
Art. 36 Abs. 3 SVG
).
Der Beschwerdeführer, der die deutlich signalisierten Einschränkungen des Fahrverbots gelesen hat und erkennen konnte, dass einem grossen Teil von Fahrzeugen die Durchfahrt durch die obere Schweighofstrasse gestattet war, musste
BGE 91 IV 144 S. 147
mit solchen, die ihm aus dieser Strasse entgegenkommen konnten, rechnen. In Wirklichkeit hat er auch nicht angenommen, dass aus dem teilweise gesperrten Strassenstück keine Fahrzeuge in die Kreuzung einfahren werden oder dass er diesen gegenüber vortrittsberechtigt sei, sondern der Zusammenstoss mit dem Motorradfahrer ist darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer aus Unaufmerksamkeit diesen zu spät wahrgenommen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a3210536-0923-4a70-af58-501e60766530 | Urteilskopf
101 III 1
1. Entscheid vom 14. Januar 1975 i.S. Pro Artibus Establishment und Boos. | Regeste
Betreibung einer unverteilten Erbschaft;
Art. 65 Abs. 3 SchKG
.
1. Der Willensvollstrecker ist zur Entgegennahme der für die unverteilte Erbschaft bestimmten Betreibungsurkunden legitimiert (Erw. 1).
2. Die Aufsichtsbehörden haben im Beschwerde- und Rekursverfahren zu prüfen, ob die Person, der Betreibungsurkunden für die unverteilte Erbschaft zugestellt worden sind oder die eine andere Person zu deren Entgegennahme bevollmächtigt hat, zu dem in
Art. 65 Abs. 3 SchKG
genannten Kreis von Personen gehört (Erw. 3).
3. Der Entscheid einer Aufsichtsbehörde, ein Verfahren zu sistieren, bis ein ausländisches Gericht ein Urteil erlassen hat in einem Prozess über eine unverteilte Erbschaft, in welchem der beschwerdeführende Erbschaftsgläubiger nicht Partei ist, kann eine formelle Rechtsverweigerung bedeuten (Erw. 2).
4. Die Aufsichtsbehörden sind im Beschwerde- bzw. Rekursverfahren befugt, vorfrageweise eine Rechtsfrage aus einem andern Rechtsgebiet zu prüfen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 101 III 1 S. 2
A.-
Die Erbschaftsgläubiger Pro Artibus Establishment und Robert Boos liessen den unverteilten Nachlass der in den USA verstorbenen Frau Elisabeth Molnar-Riportella, der sich in Verwahrung der Schweizerischen Bankgesellschaft in Zürich befand, am 28. März 1973 mit Arrest belegen. Zudem strengten sie gegen den Nachlass die Betreibungen Nr. 1542 und 1543 an. Das zuständige Betreibungsamt Zürich 1 stellte die Zahlungsbefehle den beiden Schwestern der Erblasserin, Tullah Hanley und Amy E. Innes, beide wohnhaft in den USA, bzw. deren Vertreter Gabriel von Réthy in Schlieren zu. Da kein Rechtsvorschlag erhoben wurde, gab das Betreibungsamt den Fortsetzungsbegehren vom 30. Mai 1973 statt und vollzog die Pfändung der bei der Schweizerischen Bankgesellschaft gelegenen Vermögenswerte in der Höhe von Fr. 2'805'054.25. Diese Summe wurde dem Betreibungsamt übergeben und ist nun bei der Zürcher Kantonalbank hinterlegt. Die Verwertung hätte somit durchgeführt werden können,
BGE 101 III 1 S. 3
wenn nicht inzwischen der Ehemann der verstorbenen Elisabeth Molnar-Riportella, Vincent Riportella, am 13. August 1973 beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Zürich ein Gesuch um Zulassung eines verspäteten Rechtsvorschlages in den Betreibungen Nr. 1542 und 1543 gestellt hätte. Der Einzelrichter verfügte daraufhin am 14. August 1973 im Sinne einer provisorischen Massnahme die vorläufige Einstellung der beiden Betreibungen.
B.-
Vincent Riportella erhob am 24. August 1973 Beschwerde beim Bezirksgericht Zürich als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs und verlangte die Aufhebung der Betreibungen Nr. 1542 und 1543 wegen Ungültigkeit der Zustellung der Zahlungsbefehle an Tullah Hanley und Amy E. Innes. Er machte geltend, die Schwestern der Erblasserin seien weder Erbinnen noch Willensvollstreckerinnen; die Zahlungsbefehle hätten ihm als dem alleinigen Erbberechtigten zugestellt werden müssen.
Da der Beschwerdeführer dargetan hatte, dass er vor Gerichten des Staates New York Prozesse anhängig gemacht habe, in denen die Nichtigkeit der Ernennung von Tullah Hanley und Amy E. Innes zu Testamentsvollstreckerinnen festgestellt werden solle, und in der Erwägung, dass bei Obsiegen des Beschwerdeführers in diesen Prozessen auch die Zustellung der streitigen Zahlungsbefehle nichtig wäre, beschloss die untere Aufsichtsbehörde am 9. November 1973, das Geschäft einstweilen zu sistieren. Dem Beschwerdeführer wurde aufgegeben, der Aufsichtsbehörde innert zehn Tagen nach Hinfälligkeit des Sistierungsgrundes von dieser Kenntnis zu geben.
C.-
Die Gläubiger Pro Artibus Establishment und Robert Boos zogen den Beschluss der untern Aufsichtsbehörde an das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter und beantragten die Aufhebung der einstweiligen Sistierung. Das Obergericht wies den Rekurs mit Entscheid vom 28. Juni 1974 ab. Es ergänzte den angefochtenen Beschluss in dem Sinne, dass auch den Rekurrenten aufgegeben wurde, der unteren Aufsichtsbehörde innert zehn Tagen nach Hinfälligkeit des Sistierungsgrundes von dieser schriftlich Kenntnis zu geben. Das Obergericht stellte auf einen von Vincent Riportella eingereichten Beschluss des Surrogate's Court, New York, vom 19. Dezember 1973 ab, wonach
BGE 101 III 1 S. 4
die Mandate der beiden vorläufigen Testamentsvollstreckerinnen mit Bezug auf sämtliche Nachlassangelegenheiten in der Schweiz mit sofortiger Wirkung widerrufen worden waren. Die Aufsichtsbehörde nahm an, dass der Ausgang der in New York hängigen Prozesse für das vorliegende Beschwerdeverfahren von präjudizieller Bedeutung sei, weshalb es sich nicht rechtfertige, dieses Verfahren fortzusetzen, bevor ein rechtskräftiger Entscheid über die Gültigkeit der Mandate ergangen sei.
D.-
Die Firma Pro Artibus Establishment und Robert Boos erheben gegen den Entscheid des Obergerichts Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Begehren, die einstweilige Sistierung des Geschäftes aufzuheben und das Geschäft ohne Rücksicht auf die Erledigung der vor den Gerichten des Staates New York pendenten Verfahren zu Ende zu führen.
Die Rekurrenten machen u.a. geltend, die Sistierung des Verfahrens und damit die Abwälzung des Entscheides auf die New Yorker Gerichte stelle für sie als Erbschaftsgläubiger eine untragbare Härte dar. Sie müssten nun eventuell jahrelang warten, bis ein ausländisches Gericht einen Prozess zwischen den Erben definitiv entschieden habe. Auch in Amerika dauerten Prozesse über mehrere Instanzen mindestens fünf Jahre. Zudem habe der amerikanische Richter mit der Beurteilung der Forderungen der Rekurrenten durch die schweizerischen Gerichte gerechnet und warte auf ihren Entscheid. Die Zustellung der Zahlungsbefehle im vorliegenden Falle entspreche der schweizerischen Rechtsauffassung. Die Verzögerung, die infolge der Sistierung durch die kantonalen Instanzen verursacht werde, komme einer Rechtsverweigerung gleich und verletze Bundesrecht.
E.-
Vincent Riportella wurde Gelegenheit gegeben, eine Rekursantwort einzureichen. In dieser beantragt er die Abweisung des Rekurses.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 65 Abs. 3 SchKG
hat die Zustellung des Zahlungsbefehls, wenn die Betreibung gegen eine unverteilte Erbschaft gerichtet ist, an den für die Erbschaft bestellten
BGE 101 III 1 S. 5
Vertreter oder, falls ein solcher nicht bekannt ist, an einen der Erben zu erfolgen. Der betreibende Gläubiger hat dem Betreibungsamt anzugeben, ob er Zustellung an einen Vertreter oder an einen der Erben verlange; der Betreibungsbeamte hat nicht selbst das Bestehen einer Vertretung abzuklären (JAEGER, N. 19 zu
Art. 65 SchKG
). Bevor der Gläubiger eine Betreibung gegen eine unverteilte Erbschaft einleitet, hat er sich daher bei der zuständigen Behörde nach dem Vorhandensein eines Willensvollstreckers, Erbschaftsverwalters oder Erbenvertreters zu erkundigen; ist ein Willensvollstrecker bestellt, so ist dieser zur Entgegennahme der für die unverteilte Erbschaft bestimmten Betreibungsurkunden legitimiert (
BGE 71 III 162
/63).
Im vorliegenden Fall haben Tullah Hanley und Amy E. Innes in einem nicht datierten Schreiben, das als "Erklärung und Vollmacht" bezeichnet wird, bestätigt, dass sie von ihrer Schwester, Elisabeth Molnar-Riportella, in deren Testament vom Juni 1969 zu Testamentsvollstreckerinnen bestimmt worden seien. Sie anerkennen in diesem Schreiben auch die Forderungen von Robert Boos und der Firma Pro Artibus Establishment und erklären, sie entsprächen dem Wunsche der Gläubiger nach Ernennung eines Zustellungsbevollmächtigten in der Schweiz, um dadurch die Arrestnahme auf das in der Schweiz gelegene Vermögen des Nachlasses und die Betreibung zu erleichtern. Als Bevollmächtigten der Erbschaft ernennen sie Gabriel von Réthy in Schlieren und ermächtigen ihn, den Arrestbefehl, die Vollzugsurkunde, den Zahlungsbefehl und sämtliche Urkunden im Arrest- und Betreibungsverfahren sowie eine allfällige Vorladung und Klageschrift entgegenzunehmen, Rechtsvorschlag zu erheben oder die Forderung anzuerkennen. Dieses Schriftstück ist von den beiden Damen Hanley und Innes unterzeichnet, und ihre Unterschriften sind vom Schweizer Generalkonsulat in New York am 16. März 1973 beglaubigt worden. Gabriel von Réthy hat dem Betreibungsbeamten am 8. Mai 1973 eine Photokopie dieser "Erklärung und Vollmacht" im Büro des Amtes anlässlich der Zustellung der Zahlungsbefehle übergeben.
Tullah Hanley und Amy E. Innes sind vom Nachlassgericht des Kreises New York am 19. Januar 1972 gestützt auf Art. 1412 des Surrogate's Court Procedure Act zu vorläufigen Testamentsvollstreckerinnen bestellt worden, nachdem sie eine
BGE 101 III 1 S. 6
Kaution von 100'000 $ geleistet hatten. Mit Verfügung vom 19. Dezember 1973 hat dasselbe Gericht die Vollmachten der provisorischen Testamentsvollstreckerinnen mit Bezug auf Gelder, Forderungen und andere Posten, die sich auf den Namen der Erblasserin in der Schweiz befinden, widerrufen mit der Begründung, Vincent Riportella habe behauptet, die Damen Hanley und Innes hätten es versäumt, die Interessen des Nachlasses in gewissen durch Robert Boos und Pro Artibus Establishment in der Schweiz anhängig gemachten Verfahren zu verteidigen. Gleichzeitig verfügte das Nachlassgericht, dass Vincent Riportella die provisorische Vollmacht zur Erbschaftsverwaltung bezüglich der in der Schweiz gelegenen Nachlasswerte erteilt werde. In den beim Nachlassgericht in New York zwischen den Damen Hanley und Innes einerseits und Vincent Riportella anderseits hängigen Prozessen sind u.a. die Vollmachten der beiden Schwestern der Erblasserin, die Gültigkeit ihrer Ernennung zu Testamentsvollstreckerinnen, das Bestehen des von Riportella behaupteten Interessenkonflikts sowie die angebliche Kollusion zwischen den Rekurrenten und den Willensvollstreckerinnen umstritten.
2.
Der Beschluss der unteren Aufsichtsbehörde, das Geschäft einstweilen zu sistieren, bis die vor den Gerichten des Staates New York anhängig gemachten Prozesse entschieden seien, ist nicht ein materieller Entscheid, der eine Massnahme im Vollstreckungsverfahren selbst zum Gegenstand hat, sondern es handelt sich um eine prozessleitende Entscheidung. Als solche kann sie nicht mit einem Rekurs gemäss
Art. 18 und 19 SchKG
angefochten werden (
BGE 100 III 12
). Hingegen kann der Entscheid einer Aufsichtsbehörde, eine Beschwerde erst zu behandeln, wenn ein ausländisches Gericht ein Urteil erlassen hat in einem Prozess, in welchem der beschwerdeführende Gläubiger nicht Partei ist, so dass die Rechtskraft dieses Urteils ihm nicht entgegengehalten werden kann, eine formelle Rechtsverweigerung im Sinne von
Art. 18 Abs. 2 oder
Art. 19 Abs. 2 SchKG
oder zum mindesten eine Rechtsverzögerung bedeuten. Zwar hat das Gesetz den Aufsichtsbehörden keine Fristen angesetzt, innert denen sie ihre Entscheidungen fällen müssen. Nach einem allgemein anerkannten, ungeschriebenen Grundsatz des Betreibungsrechtes sind jedoch die Amtshandlungen, wenn das Gesetz keine Frist vorsieht, innerhalb der durch die Umstände gebotenen Frist
BGE 101 III 1 S. 7
vorzunehmen (BLUMENSTEIN, Handbuch des schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 80, und FAVRE, Droit des Poursuites, 3. Aufl., S. 65). Die ausdrückliche oder stillschweigende Weigerung des Betreibungsamtes, eine ihm obliegende Handlung vorzunehmen, bedeutet eine formelle Rechtsverweigerung (
BGE 97 III 31
f.). Im Beschwerde- oder Rekursverfahren liegt eine solche vor, wenn die Aufsichtsbehörde eine bei ihr eingereichte Beschwerde weder materiell erledigt noch durch Nichteintreten entscheidet (
BGE 83 III 97
Erw. 2
BGE 80 III 96
und der nicht veröffentlichte Entscheid des Bundesgerichts vom 13. September 1968 i.S. Thomann, Erw. 1).
Der Entscheid der Vorinstanz, mit welchem diese den Rekurs der Gläubiger gegen den Beschluss der untern Aufsichtsbehörde, das Verfahren zu sistieren, bis das Urteil eines ausländischen Gerichts in dem zwischen den Erben anhängigen Prozess vorliege, abweist, kann daher beim Bundesgericht mit einem Rekurs gemäss
Art. 19 Abs. 2 SchKG
wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung angefochten werden.
3.
Die Aufsichtsbehörden sind befugt, im Beschwerde- und Rekursverfahren die Frage zu prüfen, ob die Zustellung von Betreibungsurkunden gültig vorgenommen worden ist, d.h. an eine Person, die nach dem Gesetz legitimiert ist, die fragliche Urkunde entgegenzunehmen (vgl.
BGE 96 III 6
,
BGE 91 III 14
,
BGE 90 III 15
/16 und
BGE 88 III 15
). Dem vorliegenden Fall liegen Betreibungen gegen eine unverteilte Erbschaft zugrunde; die Aufsichtsbehörde muss daher prüfen, ob die Person, der die Zahlungsbefehle zugestellt worden sind oder die eine andere Person zu deren Entgegennahme bevollmächtigt hat (vgl. JAEGER, N. 2 zu
Art. 64 SchKG
; JAEGER/DAENIKER, N. 2 zu
Art. 64 SchKG
;
BGE 43 III 22
), ein für die Erbschaft bestellter Vertreter oder, wenn ein solcher nicht bekannt ist, ein Erbe ist, d.h. zu den Personen gehört, die gestützt auf
Art. 65 Abs. 3 SchKG
berechtigt sind, für die Erbschaft Betreibungsurkunden entgegenzunehmen. Die Aufsichtsbehörde wird, wenn nötig, vorfrageweise auch prüfen müssen, ob der von den betreibenden Gläubigern genannte Vertreter für den Nachlass ordnungsgemäss bevollmächtigt war, ob ein Widerruf dieser Vollmacht durch die zuständige Behörde stattgefunden hat und welche Auswirkungen ein allfälliger Widerruf auf die Zustellung der Betreibungsurkunden gehabt hat. Diese
BGE 101 III 1 S. 8
Fragen gehören teilweise dem Zivilrecht an, und sie sind im vorliegenden Fall auch mit Problemen des internationalen Privatrechts und des ausländischen Rechts verknüpft. Die Aufsichtsbehörde ist zur Behandlung dieser Probleme, wenn auch bloss vorfrageweise, zuständig; denn nach schweizerischer Rechtsauffassung ist die vorfrageweise Prüfung einer Rechtsfrage aus einem andern Rechtsgebiet zulässig, sofern sie nicht durch eine gesetzliche Bestimmung ausgeschlossen wird (
BGE 98 Ia 120
). Dieser Grundsatz gilt auch für die Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs (vgl.
BGE 99 III 51
und
BGE 94 III 6
mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall darf daher die kantonale Aufsichtsbehörde das Verfahren nicht sistieren, um den Entscheid der New Yorker Gerichte über die Klage des Vincent Riportella abzuwarten. Die Aufsichtsbehörde hat das Beschwerdeverfahren durchzuführen, wobei sie die sich stellenden Vorfragen aus dem Gebiete des Zivilrechts, des internationalen Privatrechts und des amerikanischen Rechts zu prüfen hat. Die Sache ist deshalb zur Behandlung der Beschwerde des Vincent Riportella vom 24. August 1973 an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache an die obere kantonale Aufsichtsbehörde zurückgewiesen zur Behandlung der von Vincent Riportella in den Betreibungen Nr. 1542 und 1543 des Betreibungsamtes Zürich 1 erhobenen Beschwerde. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a325df7e-95f0-4b6e-9e79-d915ee5690f1 | Urteilskopf
106 Ib 182
29. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Februar 1980 i.S. Henggeler gegen Schweizerische Eidgenossenschaft (verwaltungsrechtliche Klage) | Regeste
Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse; ungleiches Pensionierungsalter für Beamte und Beamtinnen.
1. Eine bundesrätliche Verordnung, die von der Bundesversammlung durch einfachen Bundesbeschluss genehmigt wurde, darf vom Bundesgericht auf ihre Rechtmässigkeit überprüft werden (E. 2).
2. Das Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf enthält keine unmittelbar anwendbare ("self-executing") Regel, welche ein gleiches Pensionierungsalter für Beamte und Beamtinnen verlangt (E. 3).
3. Vereinbarkeit des ungleichen Pensionierungsalters mit
Art. 4 BV
; Frage offengelassen (E. 4).
4. Enge Konnexität des ungleichen Pensionierungsalters gemäss Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse mit der entsprechenden Regelung im AHV-Gesetz; Folgen für die Überprüfung der Verfassungsmässigkeit (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 183
BGE 106 Ib 182 S. 183
Dr. Otto Henggeler, der am 24. Juni 1917 geboren wurde, trat im März 1943 in den Bundesdienst ein und ist seit dem
BGE 106 Ib 182 S. 184
1. Januar 1971 als Sektionschef im Eidg. Justiz- und Polizeidepartement tätig. Am 27. Juli 1978 gelangte er mit dem Antrag an den Bundesrat, es sei ihm auf das erfüllte 62. Altersjahr hin (d.h. auf den 24. Juni 1979) die Auflösung des Dienstverhältnisses und die Auszahlung der Altersrente zu bewilligen. Er machte geltend, Beamtinnen könnten bereits im Alter von 60 Jahren ihre Pensionierung verlangen (Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse); er werde daher - verglichen mit den Beamtinnen - rechtsungleich behandelt, wenn ihm nach der gleichen Bestimmung der Altersrücktritt und die entsprechende Rente erst nach Vollendung des 65. Altersjahres zustehe. Das ungleiche Pensionierungsalter verletze im übrigen auch das Internationale Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958.
Die Eidg. Versicherungskasse und das Eidg. Finanzdepartement teilten O. Henggeler mit, dass seinem Begehren nicht entsprochen werden könne und verwiesen ihn auf den Weg der verwaltungsrechtlichen Klage.
Mit einer verwaltungsrechtlichen Klage beantragt O. Henggeler, es sei festzustellen, dass Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse
Art. 4 BV
sowie das genannte Übereinkommen Nr. 111 verletzten und dass ihm mit erfülltem 62. Altersjahr ein Anspruch auf Altersrücktritt mit Rentenberechtigung zustehe. Er beantragt ferner, die Eidg. Versicherungskasse sei anzuweisen, ihm ab 1. Juli 1979 eine volle Altersrente auszuzahlen. Er macht geltend, nichts in der Konstitution der Frau rechtfertige es heute noch, dass Beamtinnen in bezug auf das für den Altersrücktritt und den Rentenanspruch notwendige Alter im Vergleich zu Beamten privilegiert werden. Die Frau sei im Gegenteil dadurch bevorzugt, dass ihre Lebenserwartung grösser sei als diejenige des Mannes. Sie könne daher länger von den Versicherungsleistungen der Kasse profitieren.
Die Eidgenossenschaft, welche durch das Eidg. Finanzdepartement vertreten ist, beantragt Abweisung der Klage. Sie räumt ein, dass die Verfassungsmässigkeit der Statuten der Eidg. Versicherungskasse vom Bundesgericht überprüft werden könne, bestreitet aber, dass mit diesen Statuten
Art. 4 BV
sowie das genannte Übereinkommen Nr. 111 verletzt würden. Sie macht geltend, der Unterschied im Pensionsalter sei durch physische Unterschiede zwischen Mann und Frau gerechtfertigt.
BGE 106 Ib 182 S. 185
Aufgrund dieser Unterschiede entstehe auch bei der AHV der Rentenanspruch der Frau früher als derjenige des Mannes. Die Eidg. Versicherungskasse beruhe auf dem Kapitaldeckungsverfahren (Art. 54 Abs. 1 der Statuten). Die statutarischen Beiträge seien mit Blick auf die in Art. 23 definierten Altersgrenzen festgesetzt worden. Eine Verschiebung der Altersgrenze von 65 auf 62 für Männer würde eine Prämienerhöhung um 2,2% des versicherten Verdienstes erfordern.
Der Kläger macht in seiner Replik geltend, die Gründe, welche zum früheren Rentenanspruch der Frau bei der AHV geführt hätten, seien überholt, denn das Bundesgericht sei seither in
BGE 103 Ia 517
zum Ergebnis gelangt, dass die Konstitution der Frau in unserer Zeit zu keiner Ungleichbehandlung in öffentlichen Arbeitsverhältnis mehr berechtige.
Die Eidgenossenschaft führt in ihrer Duplik aus, im zitierten Urteil habe das Bundesgericht festgestellt, eine ungleiche Behandlung von Mann und Frau sei unter Umständen durch die physischen Unterschiede gerechtfertigt. Dieses Urteil beziehe sich im übrigen nur auf die gleiche Besoldung und nicht auf eine alle Gebiete des Berufslebens umfassende Gleichbehandlung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Anspruch von O. Henggeler betrifft eine vermögensrechtliche Leistung aus dem Dienstverhältnis des Bundespersonals. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs ist gemäss
Art. 116 lit. a OG
die verwaltungsrechtliche Klage gegeben.
Die Rechtslage kann im vorliegenden Fall mit dem Entscheid über die Forderung auf Leistung einer Altersrente genügend geklärt werden. Der Kläger hat daher kein Rechtsschutzinteresse am Entscheid über seine Feststellungsbegehren.
2.
Der Kläger begründet seine Forderung mit dem Argument, Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse (SR 172.222.1) sei verfassungswidrig und verletze das Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (AS 1961 S. 810). Es muss daher geprüft werden, ob das Bundesgericht die Rechtmässigkeit dieser Statuten überprüfen kann.
a) Die Statuten der Eidg. Versicherungskasse wurden vom Bundesrat gestützt auf
Art. 48 BtG
erlassen und stellen somit
BGE 106 Ib 182 S. 186
eine bundesrätliche Verordnung dar. Gemäss
Art. 48 Abs. 2 BtG
bedürfen diese Statuten der Genehmigung durch die Bundesversammlung. Der hier zur Diskussion stehende Art. 23 der Statuten wurde von der Bundesversammlung am 11. Dezember 1972 mit einem einfachen, nicht dem Referendum unterstellten Bundesbeschluss genehmigt und auf den 1. Januar 1973 in Kraft gesetzt (AS 1973 S. 33 ff.).
Das Bundesgericht kann Verordnungen des Bundesrates auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, eine bestimmte Regelung zu treffen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit einer solchen, in der Verordnung enthaltenen Regelung.
Durch die Genehmigung in Form eines einfachen Bundesbeschlusses fügt die Bundesversammlung einer bundesrätlichen Verordnung nichts hinzu, was einer Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen wäre, denn gemäss Art. 113 Abs. 3, bzw.
Art. 114bis Abs. 3 BV
, sind für das Bundesgericht nur die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze und allgemeinverbindlichen Beschlüsse sowie die von ihr genehmigten Staatsverträge massgebend. Einfache Bundesbeschlüsse im Sinne von
Art. 8 GVG
sind jedoch von der Überprüfung durch das Bundesgericht nicht ausgeschlossen. Die Statuten der Eidg. Versicherungskasse haben durch ein Zusammenwirken einer bundesrätlichen Verordnung und einem einfachen Bundesbeschluss ihre Gültigkeit erlangt. Da diese Erlassformen je einzeln überprüfbar sind, kann auch ein Erlass, der durch ein Zusammenwirken dieser beiden Erlassformen Gültigkeit erlangt, vom Bundesgericht auf seine Rechtmässigkeit überprüft werden (
BGE 104 Ib 420
ff. E. 4c mit Hinweisen).
Die Rechtswidrigkeit einer Verordnungsvorschrift kann der Bürger im verwaltungsrechtlichen Klageverfahren im Rahmen der Begründung einer Forderung rügen (vgl.
BGE 104 Ib 421
E. 4c mit Hinweisen). Es ist somit im vorliegenden Fall zu prüfen, ob Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse, welche das Rücktrittsalter auf 65 Altersjahre für Beamte und auf 60 Altersjahre für Beamtinnen festsetzt,
Art. 4 BV
und das zitierte Übereinkommen Nr. 111 verletzt.
3.
Der Kläger beruft sich auf einen Staatsvertrag, d.h. auf das Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in
BGE 106 Ib 182 S. 187
Beschäftigung und Beruf (AS 1961 S. 810). Es ist zu prüfen, ob er aus diesem Staatsvertrag Rechte ableiten kann.
Ein von der Bundesversammlung genehmigter Staatsvertrag wird mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden für die Schweiz verbindlich und zum Bestandteil des Landesrechts. Seine Normen können deshalb neben den Behörden auch Einzelpersonen verpflichtet, wenn sie unmittelbar anwendbar, d.h. self-executing sind. Eine solche Bedeutung kommt einer staatsvertraglichen Bestimmung dann zu, wenn sie inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Die erforderliche Bestimmtheit geht vor allem blossen Programmartikeln ab. Sie fehlt auch Bestimmungen, die eine Materie nur in Umrissen regeln, dem Vertragsstaat einen beträchtlichen Ermessens- oder Entscheidungsspielraum lassen oder blosse Leitgedanken enthalten, sich also nicht an die Verwaltungs- oder Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber richten (
BGE 105 II 57
f. E. 3 mit Hinweisen).
Das Übereinkommen Nr. 111, das für die Schweiz am 13. Juli 1962 in Kraft getreten ist, verpflichtet die Vertragsstaaten gemäss Art. 2 im wesentlichen, eine innerstaatliche Politik festzulegen und zu verfolgen, die darauf abzielt, mit Methoden, die den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten angepasst sind, die "Gleichheit der Gelegenheiten und der Behandlung in bezug auf Beschäftigung und Beruf" zu fördern, um jegliche Diskriminierung auf diesem Gebiet auszuschalten. Art. 3 der Übereinkunft nennt verschiedene Massnahmen, welche die Vertragsstaaten im Rahmen der Durchführung des in Art. 2 genannten Programms zu ergreifen haben. Diesen Bestimmungen fehlt die notwendige Bestimmtheit, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Sie enthalten vielmehr Leitgedanken eines Programms, zu dessen Durchführung sich die Vertragsstaaten verpflichtet haben, und wenden sich daher an die Gesetzgeber. Die notwendige Bestimmtheit des Übereinkommens Nr. 111 fehlt auch im Bereich des im vorliegenden Fall betroffenen öffentlichen Arbeitsverhältnisses, denn auch in bezug auf die "Beschäftigungen", die der "unmittelbaren Aufsicht einer staatlichen Behörde unterstehen", haben sich die Vertragsstaaten nur verpflichtet, die in Art. 2 umschriebene "Politik" zu verfolgen (Art. 3 lit. d). Bei dieser Rechtslage muss das Übereinkommen Nr. 111 als nicht unmittelbar anwendbar, d.h. als nicht self-executing betrachtet werden. Das Bundesgericht hat im übrigen auch in einem
BGE 106 Ib 182 S. 188
ähnlichen Fall, nämlich in bezug auf das Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit festgestellt, die Bestimmungen dieses Staatsvertrages seien nicht unmittelbar anwendbar (
BGE 103 Ia 524
).
4.
Der Kläger macht schliesslich geltend, das in Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse enthaltene ungleiche Pensionierungsalter für Beamte und Beamtinnen verletze
Art. 4 BV
.
a) Ein gesetzgeberischer Erlass verstösst dann gegen
Art. 4 BV
, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist, bzw. Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund dieser Verhältnisse aufdrängen (
BGE 104 Ia 295
E. 5a,
BGE 102 Ia 43
f. E. 3d mit Hinweisen). Der Hinweis auf das Fehlen sachlicher Gründe und auf die Sinn- und Zwecklosigkeit bezieht sich auf die Fälle, in denen dem Gesetzgeber nicht spezifisch eine rechtsungleiche Behandlung sondern ein Verstoss gegen das aus
Art. 4 BV
abgeleitete Willkürverbot vorzuwerfen ist (ARTHUR HAEFLIGER, Rechtsgleichheit und Gesetzgeber, in Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, S. 382). Der Kläger behauptet jedoch nicht, Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse sei willkürlich. Er macht vielmehr geltend, diese Norm verletze die Rechtsgleichheit. Dies trifft grundsätzlich nur unter der Voraussetzung zu, die im zweiten Teil der zitierten bundesgerichtlichen Formel genannt wird, nämlich wenn mit der beanstandeten Regelung eine rechtliche Unterscheidung getroffen wird, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist. Innerhalb dieses Rahmens bleibt dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (
BGE 102 Ia 44
).
Ein strengerer Massstab ist jedoch dann anzuwenden, wenn die rechtlich ungleiche Behandlung in einem Bereich erfolgt, der durch die Grundrechte einen besonderen Schutz erfährt. Dies ist der Fall, wenn die ungleiche Behandlung den Menschen in seiner Wertschätzung als Person betrifft (Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse usw.; vgl.
BGE 103 Ia 517
, ferner
BGE 105 Ia 121
) oder im Bereiche von verfassungsmässigen Ansprüchen der Bürger sowie von grundrechtsbeschränkenden
BGE 106 Ib 182 S. 189
Massnahmen erfolgt (
BGE 104 Ia 379
E. 3, zur Publikation in Teil Ia bestimmtes Urteil i.S. Oswald und Niederer vom 9. Mai 1980 E. 5b). In solchen Fällen müssen triftige und ernsthafte Gründe vorliegen, die sich aus den tatsächlichen Unterschieden ergeben, damit eine rechtliche Ungleichbehandlung vor der Verfassung standhält.
b) Der Kläger macht geltend, die Konstitution der Frau rechtfertige es heute nicht mehr, dass für Beamtinnen ein niedrigeres Pensionsalter vorgesehen werde als für Beamte.
Die Eidgenossenschaft stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, das niedrigere Pensionsalter der Beamtinnen sei im Hinblick auf die Konstitution der Frau begründet. Sie verweist dabei auf die Botschaft des Bundesrates vom 25. Juni 1956 betreffend die Änderung des AHV-Gesetzes (BBl 1956 I 1461), in der ausgeführt wurde:
"Physiologisch betrachtet ist die Frau vielfach trotz ihrer höheren Lebenserwartung dem Mann gegenüber im Nachteil. Ihre Körperkräfte lassen im allgemeinen früher nach, weshalb sie oft schon vorzeitig zur Aufgabe oder Einschränkung der Erwerbstätigkeit gezwungen ist. Es besteht daher ein soziales Bedürfnis nach der Vorverlegung des Rentenalters der Frau, das sich insbesondere bei Frauen zeigt, die körperlich arbeiten müssen, aber auch ganz allgemein in der statistisch nachgewiesenen Krankheitsanfälligkeit älterer Frauen zutage tritt."
Diese Begründung für ein unterschiedliches Rentenalter bei der AHV gilt nach den Ausführungen der Eidgenossenschaft ohne jede Einschränkung auch für die Pensionskasse des Bundes.
c) Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist (bzw. ob in den genannten Fällen der Ungleichbehandlung in Schutzbereich der Grundrechte ein triftiger und ernsthafter Grund dafür vorliegt), kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden (
BGE 103 Ia 519
f. E. 2 mit Hinweisen; HAEFLIGER a.a.O., S. 386 f.). Gerade im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Mann und Frau zeigt sich deutlich, dass der Entscheid der Frage, ob eine tatsächliche Verschiedenheit eine unterschiedliche rechtliche Behandlung zu rechtfertigen vermag, von den Anschauungen der Zeit abhängig ist. Diese Beeinflussung der Rechtsprechung durch die Wertvorstellungen der Zeit wird veranschaulicht durch die bereits in
BGE 103 Ia 520
f. angeführte Wandlung der frühen
BGE 106 Ib 182 S. 190
Bundesgerichtspraxis in der Frage der Gleichbehandlung der Geschlechter: Im Jahre 1887 hatte das Bundesgericht noch entschieden, es verstosse nicht gegen
Art. 4 BV
, Frauen von der Parteivertretung vor Gericht auszuschliessen (BGE 13, S. 5). Im Jahre 1923 hatten sich die Wertvorstellungen jedoch geändert und das Bundesgericht erblickte im Ausschluss der Frau von der Advokatur eine Verletzung des Gleichheitsgebotes, da sich die Verschiedenheit der Behandlung nur mit Vorurteilen und überlebten Ansichten erklären lasse (
BGE 49 I 20
f.).
Im vorliegenden Fall wird eine Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts gerügt. Eine solche ist nur zulässig, wenn sie durch triftige und ernsthafte Gründe, die sich aus den tatsächlichen Unterschieden ergeben, gerechtfertigt wird. Es ist fraglich, ob die von der Eidgenossenschaft angerufenen Gründe, die im wesentlichen der zitierten bundesrätlichen Botschaft von 1956 entnommen sind, in Anbetracht der seit jenem Zeitpunkt gewandelten Anschauungen über die Gleichbehandlung von Mann und Frau genügen, um das in Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse festgelegte unterschiedliche Pensionsalter von Beamten und Beamtinnen rechtlich abzustützen. Fraglich ist insbesondere, ob es mit
Art. 4 BV
zu vereinbaren ist, dass für Beamte und Beamtinnen je ein generelles, jedoch verschiedenes Pensionsalter gilt, ohne dass die Möglichkeit geboten wird, der individuellen Schaffenskraft, die von den für die Geschlechter berechneten Durchschnittswerten abweichen kann, innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens Rechnung zu tragen. Das Bundesgericht hat diese Fragen allerdings nicht zu entscheiden, wie sich aus der nachfolgenden Erwägung ergibt.
5.
Für die Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen und allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüssen trägt die Bundesversammlung (unter dem Vorbehalt des Referendums) die Verantwortung (
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
). Die Verfassungsmässigkeit einer bundesrätlichen Verordnung kann jedoch vom Bundesgericht überprüft werden. Das Bundesgericht hat aber Zurückhaltung zu üben, wenn mit der Beurteilung der Verfassungsmässigkeit einer Verordnungsbestimmung mittelbar auch ein Urteil über die Verfassungsmässigkeit einer gesetzlichen Regelung in einer ähnlichen Materie abgegeben und damit die Verantwortung der Bundesversammlung für die Verfassungsmässigkeit von Gesetzen beeinträchtigt würde. Ein
BGE 106 Ib 182 S. 191
solcher Fall kann eintreten, wenn das Bundesgericht die Verfassungsmässigkeit einer Verordnungsbestimmung überprüft, die mit einer gesetzlichen Regelung in einer verwandten Materie inhaltlich übereinstimmt.
Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass das in Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse festgelegte unterschiedliche Pensionierungsalter in ähnlicher Form auch in
Art. 21 Abs. 1 AHVG
enthalten ist. Wenn sich das Bundesgericht über die Verfassungsmässigkeit des unterschiedlichen Pensionierungsalters bei der Eidg. Versicherungskasse ausspräche, würde damit mittelbar auch ein Urteil über die parallele Regelung bei der AHV abgegeben, welche von der Bundesversammlung als verfassungskonform betrachtet worden ist. Zwischen dem angefochtenen Artikel der Statuten der Eidg. Versicherungskasse und der Regelung des AHVG besteht eine besonders enge Konnexität.
Gemäss der ursprünglichen Fassung des AHV-Gesetzes von 1946 (BS 8, 447) entstand der Anspruch auf eine Altersrente für Mann und Frau noch in gleicher Weise mit Vollendung des 65. Altersjahres. Mit der Gesetzesrevision von 1956 (AS 1957, 262; BBl 1956 I 1461) wurde das Rentenalter für die Frau jedoch auf das 63. Altersjahr hinuntergesetzt. Eine weitere Vorverschiebung um ein Jahr, d.h. auf das 62. Altersjahr erfuhr das Rentenalter der Frau in der Gesetzesrevision von 1963 (AS 1964, 285; BBl 1963 II 540 f.). In der Gesetzesrevision von 1977 (AS 1978, 391; BBl 1976 I 31) wurde schliesslich beschlossen, die Ehepaarrente nicht mehr auszurichten, wenn der Ehemann 65 und die Ehefrau 60 Jahre alt geworden ist, sondern erst wenn die Ehefrau das Alter von 62 erreicht hat (
Art. 22 Abs. 1 AHVG
). Damit sollte die Ungleichheit gegenüber der ledigen Frau, die einen Rentenanspruch erst nach Vollendung des 62. Altersjahres erwirbt, beseitigt werden.
Die Bundesversammlung hat somit in den Jahren 1956 und 1963 den klaren Willen geäussert, dass bei der AHV für Mann und Frau ein unterschiedliches Rentenalter gelten solle. Sie hat mit diesen Entscheiden gleichzeitig zu erkennen gegeben, dass sie in einer solchen Regelung keinen Verstoss gegen die Rechtsgleichheit erblicke. In der Gesetzesrevision von 1977 wurde das unterschiedliche Rentenalter im weiteren indirekt bestätigt, indem das für eine Ehepaarrente notwendige Alter der Ehefrau dem Rentenalter der ledigen Frau angepasst wurde.
BGE 106 Ib 182 S. 192
Unter diesen Umständen steht es dem Bundesgericht nicht zu, das in Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse festgelegte unterschiedliche Rentenalter auf seine Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen, denn ein solcher Entscheid würde sich in unzulässiger Weise auch über das von der Bundesversammlung ausdrücklich und erst vor kurzer Zeit beschlossene unterschiedliche Rentenalter bei der AHV aussprechen. Die Rüge, Art. 23 der Statuten der Eidg. Versicherungskasse verletze die Rechtsgleichheit, kann daher ebenfalls nicht zur Gutheissung der Klage führen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a32f4852-880e-4653-b0f3-7e0ddc1d9e50 | Urteilskopf
90 II 43
6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1964 i.S. Farbenfabriken Bayer AG gegen Fuji Spinning Company Ltd. | Regeste
1. Berufungsantwort, Anforderungen.
Art. 61 Abs. 1,
Art. 55 OG
(Erw. 2).
2. Internationale Marke, Prioritätsrecht, Fristberechnung. Madrider Übereinkunft von 1891/1934, Art. 4 Abs. 1, Pariser Verbandsübereinkunft von 1891/1934, Art. 4 lit. C. (Erw. 3).
3. Verwechselbarkeit von Marken,
Art. 6 MSchG
. Befugnis des Beklagten zur Erhebung der Einrede der Nichtigkeit der klägerischen Marke wegen Verwechselbarkeit mit der älteren Marke eines Dritten (Erw. 4).
Verwechselbarkeit der Wortmarken "DACRON" und "Dralon". (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 43
BGE 90 II 43 S. 43
A.-
Die Farbenfabriken Bayer AG in Leverkusen (Bundesrepublik Deutschland) stellte am 21. April 1951 beim deutschen Patentamt das Begehren um Eintragung der Wortmarke "Dralon", die u.a. für Fäden, Textilfasern, Gewebe, Maschengewebe und textile Halb- und Fertigerzeugnisse bestimmt war. Die Marke wurde am 20.
BGE 90 II 43 S. 44
April 1955 unter der Nr. 674720 in die deutsche Zeichenrolle eingetragen.
Am 4. August 1955 wurde diese Marke auf Begehren der Inhaberin u.a. für die genannten Erzeugnisse unter der Nr. 186730 in das internationale Markenregister aufgenommen.
Die Fuji Spinning Company Ltd. in Tokio liess am 24. August 1953 im japanischen Markenregister die Marke "Fujidragon" für Baumwollerzeugnisse eintragen. Am 18. Juli 1960 hinterlegte sie beim eidgen. Amt für geistiges Eigentum die für Textilien bestimmte Marke Nr. 182382, die aus den in japanischen Schriftzeichen und lateinischen Buchstaben gebildeten Wörtern "FUJI DRAGON" besteht.
B.-
Die Farbenfabriken Bayer AG erhob beim Handelsgericht Bern gegen die Fuji Spinning Company Ltd. Klage mit den Begehren, die schweizerische Marke "FUJI DRAGON" sei nichtig zu erklären und der Beklagten sei zu untersagen, die Bezeichnung "DRAGON" für Textilien und deren Verpackung, sowie für Geschäftsdrucksachen, Reklamen oder sonstwie zu gebrauchen.
Zur Begründung ihrer Begehren machte die Klägerin im wesentlichen geltend, die Marke der Beklagten sei mit der älteren klägerischen Marke verwechselbar.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie bestritt das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen und erhob weiter die Einrede der Nichtigkeit der klägerischen Marke, weil diese sich nicht genügend von der Wortmarke "DACRON" unterscheide, die am 18. September 1951 im schweizerischen Markenregister unter der Nr. 140183 auf Begehren der amerikanischen Firma E.I. Du Pont de Nemours and Company u.a. für synthetische Fasern, Textilien, Stoffe, Gewebe, Strickwaren und Bekleidungsartikel eingetragen worden war.
C.-
Das Handelsgericht des Kantons Bern verwarf die auf die Marke "DACRON" gestützte Nichtigkeitseinrede der Beklagten, da die Marke "Dralon" nicht als eine Nachahmung
BGE 90 II 43 S. 45
des genannten Zeichens zu werten sei. Es verneinte auch eine Verwechselbarkeit der Marken "Dralon" und "FUJI DRAGON" und wies demgemäss die Klage mit Urteil vom 29. Januar 1963 ab.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihren im kantonalen Verfahren gestellten Anträgen fest.
Die Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Sowohl für Deutschland als auch für die Schweiz steht seit dem Jahre 1939 die am 2. Juni 1934 in London revidierte Fassung der Madrider Übereinkunft von 1891 betreffend die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken (MMU) in Kraft. Gemäss Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 MMU geniesst daher die im Ursprungsland Deutschland und beim internationalen Bureau für den Schutz des gewerblichen Eigentums registrierte Marke "Dralon" der Klägerin in der Schweiz den gleichen Schutz, wie wenn sie im schweizerischen Markenregister eingetragen wäre.
2.
Die Beklagte äussert sich in der Berufungsantwort nicht zu den Erwägungen, mit denen das Handelsgericht ihre auf die Marke "DACRON" gestützte Einrede der Nichtigkeit der klägerischen Marke "Dralon" verworfen hat. Das Bundesgericht hat jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin auch diese Erwägungen auf ihre rechtliche Stichhaltigkeit hin zu prüfen (
Art. 63 Abs. 3 OG
); denn wie sich aus der Verweisung in
Art. 61 Abs. 1 OG
auf
Art. 55 Abs. 1 OG
ergibt, ist das in lit. c der letzteren Bestimmung für die Berufungsschrift aufgestellte Erfordernis der Begründung der Anträge auf die Berufungsantwort nicht entsprechend anwendbar (
BGE 79 II 176
).
3.
Die Klägerin hält der Einrede der Nichtigkeit ihrer Marke entgegen, die Marke "DACRON" sei "nicht älteres Recht". Damit will sie offenbar geltend machen,
BGE 90 II 43 S. 46
ihrer Marke komme der zeitliche Vorrang vor jener zu.
Eine beim internationalen Bureau hinterlegte Marke geniesst gemäss Art. 4 Abs. 2 MMU (Fassung von 1934) ohne weiteres das in Art. 4 der Pariser Verbandsübereinkunft von 1883 zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVU; Londoner Fassung von 1934) vorgesehene Prioritätsrecht. Aber diese Ordnung gilt nach Art. 4 lit. C Abs. 1 PVU nur unter der Voraussetzung, dass die internationale Eintragung spätestens sechs Monate nach der ersten Hinterlegung in einem Verbandslande erfolgt ist; diesfalls kann dem Markeninhaber eine nach der ersten Hinterlegung in einem Verbandsland durch einen andern vorgenommene Hinterlegung nicht entgegengehalten werden (Art. 4 lit. B PVU).
Die Marke "Dralon" wurde beim internationalen Bureau erst am 4. August 1955 eingetragen. Damals war die Frist von sechs Monaten seit der ersten Hinterlegung bereits abgelaufen. Sie begann am Tage, an dem die Marke in Deutschland zur Eintragung angemeldet wurde, nicht erst am Tage der Eintragung, d.h. am 20. April 1955. Das ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 lit. C Abs. 2 PVU und wird auch im Schrifttum einhellig so angenommen (TETZNER, Warenzeichengesetz, 1958, Einleitung N. 32, § 6a N. 8; BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl., 1960, S. 1108, PVU Art. 4 N. 4, und S. 1162, MMU Art. 4 N. 2; HÄSLER, Der internationale Schutz der Fabrik- oder Handelsmarken, Diss. Bern 1937, S. 61).
Eine Priorität ab 20. April 1955 würde übrigens der Klägerin nichts nützen, da die Marke "DACRON" nicht erst nach diesem Tage, sondern schon am 18. September 1951 im schweizerischen Markenregister eingetragen wurde.
Kann sich die Klägerin somit gegenüber der Marke "DACRON" auf kein Prioritätsrecht berufen, so kommt es entscheidend darauf an, ob ihre Marke nach den allgemeinen Grundsätzen des Markenrechtes neben der Marke "DACRON" Bestand hat.
BGE 90 II 43 S. 47
4.
Nach
Art. 6 Abs. 1 MSchG
muss sich jede zur Hinterlegung gelangende Marke durch wesentliche Merkmale von den bereits eingetragenen Marken unterscheiden. Eine Marke, die diesem Erfordernis nicht genügt, ist gemäss ständiger Rechtsprechung absolut nichtig. Auf diese Nichtigkeit können sich nicht nur der Inhaber der älteren Marke und der getäuschte Käufer berufen, sondern auch alle andern Personen, die daran ein Interesse haben; ein solches besitzt insbesondere, wer wegen angeblicher Verletzung der nichtigen Marke belangt wird (
BGE 30 II 584
,
BGE 35 II 338
,
BGE 47 II 355
,
BGE 53 II 515
,
BGE 73 II 190
). Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum (MATTER, MSchG Art. 6 Anm. I 5, S. 98) angefochten worden. Das Bundesgericht hat sie jedoch nach erneuter Überprüfung bestätigt (
BGE 76 II 173
,
BGE 82 II 543
; vgl. auch
BGE 83 II 219
Erw. 2). Es besteht kein Grund, darauf zurückzukommen.
Die Klägerin selber ficht in der Berufungsschrift diese Rechtsprechung nicht an, sondern sieht nur in deren Anrufung durch die Beklagte einen Verstoss gegen
Art. 2 ZGB
, weil, wenn sich ihr Zeichen "Dralon" nicht mit der Marke "DACRON" vertrüge, dies auch für die Marke der Beklagten zuträfe.
Daraus vermag die Klägerin jedoch nichts für sich abzuleiten. Wenn ihre Marke sich mit dem früher eingetragenen Zeichen "DACRON" nicht verträgt, ist sie absolut nichtig und würde nicht dadurch gültig, dass auch die Marke der Beklagten sich allenfalls nicht genügend von "DACRON" unterscheidet. Es bliebe dabei, dass der Klägerin das Klagerecht fehlen würde, weil eben ihre Marke nichtig wäre und sie folglich kein schutzwürdiges Interesse hätte, jene der Beklagten nichtig erklären zu lassen.
Der Einwand der Klägerin, auch die Marke der Beklagten unterscheide sich nicht hinreichend von der Marke "DACRON", wäre allenfalls zu hören, wenn die Beklagte sich nicht auf die Einrede der Nichtigkeit der klägerischen Marke beschränken, sondern widerklageweise deren Nichtigerklärung und Löschung verlangen würde. Eine solche
BGE 90 II 43 S. 48
Widerklage müsste, bei Nichtigkeit der beklagtischen Marke, gleichfalls mangels eines schutzwürdigen Interesses abgewiesen werden (
BGE 52 II 405
ff.). Der blossen Einrede der Nichtigkeit, die den Eintrag der klägerischen Marke im Register unberührt lässt, kann sich die Klägerin dagegen nicht mit dem Einwand erwehren, auch die Marke der Beklagten sei nichtig.
5.
Die Klägerin macht geltend, "DACRON" sei nicht identisch mit "Dralon". Damit will sie offenbar sagen, diese Marke unterscheide sich von jener durch wesentliche Merkmale, weshalb die Einrede der Nichtigkeit zu verwerfen sei.
a) Ob zwei Marken sich hinlänglich voneinander unterscheiden, ist gemäss ständiger Rechtsprechung nach dem Gesamteindruck zu beurteilen, den jede als Ganzes hinterlässt; man darf sie daher nicht in ihre Bestandteile zerlegen und diese gesondert miteinander vergleichen. Bei Wortmarken, wie sie hier in Frage stehen, hängt der Gesamteindruck vom Klang und Schriftbild ab (
BGE 78 II 380
ff.,
BGE 82 II 233
f.,
BGE 84 II 446
ff.,
BGE 87 II 36
f.).
b) Nach diesen Grundsätzen unterscheiden sich die beiden Marken nicht ausreichend. Die Marke "Dralon" besteht gleich wie die Marke "DACRON" aus sechs Buchstaben, von denen fünf bei beiden Zeichen übereinstimmen, so namentlich der erste (D) und die beiden letzten (on). Übereinstimmung im Anfang und Ende ist aber besonders geeignet, so kurze Wörter einander ähnlich zu machen. Beide Zeichen haben auch gleichviele Silben; in beiden ist die erste betont, und zwar liegt der Ton hier wie dort auf dem Vokal a. Dadurch wird die Gefahr einer Verwechslung erhöht. Dass die erste Silbe bei "Dralon" aus drei, bei "DACRON" dagegen nur aus zwei Buchstaben besteht, mindert sie nicht wesentlich, ebensowenig der Umstand, dass im einen Wort das r dem a vorangeht, im andern dagegen nachfolgt. Auch dass "Dralon" an Stelle des C in "DACRON" ein L enthält, welche Buchstaben, für sich allein betrachtet
BGE 90 II 43 S. 49
oder gehört, leicht von einander unterschieden werden können, vermag den Gesamteindruck nicht wesentlich zu beeinflussen. Im Gesamten gewürdigt, liegen die beiden Marken einander nach Schriftbild und Klang so nahe, dass sie leicht verwechselt werden können. Diese Gefahr ist um so grösser, als "Dralon" und "DACRON" Phantasiebezeichnungen sind, weshalb sie beim Leser oder Hörer nicht kraft eines bestimmten Sinngehaltes, sondern nur auf Grund des Schriftbildes oder Klanges haften bleiben. Aus diesem Grunde ist nach der Rechtsprechung bei der Vergleichung von Phantasiebezeichnungen besondere Strenge geboten (
BGE 50 II 77
,
BGE 52 II 166
).
Dazu kommt, dass die Silben cron, ron und lon schwache Bestandteile sind, da sie in zahlreichen andern für Textilfasern, Gewebe und ähnliche Waren bestimmten Marken vorkommen, wie den von der Beklagten in grosser Zahl eingereichten Auszügen aus dem internationalen Markenregister aus der Zeit vor wie auch nach der Eintragung der klägerischen Marke zu entnehmen ist. Die Silben cron und lon tragen daher zur Unterscheidbarkeit der Marken "Dralon" und "DACRON" nur wenig bei. Der Leser oder Hörer, der die beiden Marken unterscheiden will, muss mehr auf die Silben "Da" und "Dra" achten; gerade diese sind aber besonders leicht zu verwechseln.
Dass "DACRON" mit grossen, "Dralon" dagegen mit kleinen Buchstaben geschrieben ist, gewährleistet keine genügende Unterscheidbarkeit; denn nicht jeder Abnehmer der Ware vermag sich des Schriftbildes zu erinnern, wenn er es überhaupt jemals gesehen, d.h. das Wort nicht bloss aussprechen gehört hat.
Freilich liegen "Dralon" und "DACRON" nicht so nahe beieinander wie die Marken "Jora" einerseits und "Cora", "Hora", "Nora" und "Jura" anderseits in dem in
BGE 76 II 173
ff. veröffentlichtlichten Falle. Darauf kommt aber entgegen der Ansicht des Handelsgerichts nichts an. Der genannte Entscheid hat nicht den Sinn, dass eine Nachahmung, die etwas weniger klar zu Tage liegt als
BGE 90 II 43 S. 50
bei den dort einander gegenüberstehenden Zeichen, erlaubt sei.
c) Dem Handelsgericht kann auch nicht beigepflichtet werden, wenn es die Nachahmung von "DACRON" verneint, weil die Firma Du Pont de Nemours and Company die Marke "Dralon" nie angefochten hat. Ob eine Marke sich durch wesentliche Merkmale von einer andern unterscheide, beurteilt sich auch im Streite mit einem Dritten nach objektiven Gesichtspunkten, nicht danach, wie der Inhaber der andern Marke sich verhalten hat. Massgebend ist, ob nach der Lebenserfahrung befürchtet werden muss, die Ähnlichkeit der beiden Marken vermöge den letzten Abnehmer bei der von ihm zu erwartenden Aufmerksamkeit über die Herkunft der Ware irrezuführen (
BGE 61 II 57
,
BGE 77 II 334
,
BGE 78 II 382
,
BGE 83 II 220
,
BGE 84 II 445
,
BGE 87 II 37
). Im vorliegenden Fall trifft das zu. Beide Marken sind für Textilien, Stoffe, Gewebe, Strickwaren und Erzeugnisse der Bekleidungsindustrie vorgesehen, also für Waren, die auch von Verbrauchern ohne besondere Fachkenntnisse und Erfahrung und oft auch ohne besondere Aufmerksamkeit erworden werden. Von diesen Kreisen kann "Dralon" leicht mit "DACRON" verwechselt werden.
6.
Ist die Marke der Klägerin somit nichtig, so ist deren Klage auf Nichtigerklärung der beklagtischen Marke mangels eines rechtlich geschützten Interesses abzuweisen. Ob die Marke "FUJI DRAGON" der Beklagten mit der Marke "Dralon" der Klägerin verwechselbar sei, ist unter diesen Umständen unerheblich und kann dahingestellt bleiben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 29. Januar 1963 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a336c8a1-277d-4d2e-9212-49f18dfbacbf | Urteilskopf
136 I 345
35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Departement des Innern sowie Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_542/2009 vom 10. September 2010 | Regeste
Art. 8 Abs. 1 BV
;
Art. 15a Abs. 4 und
Art. 16a Abs. 2 SVG
;
Art. 35a VZV
; Annullation eines Führerausweises auf Probe.
Rechtsnatur und gesetzlicher Zweck des Führerausweises auf Probe. Unter die nach
Art. 15a Abs. 4 SVG
relevanten Fälle von erneuten Widerhandlungen fallen auch leichte Fälle gemäss
Art. 16a Abs. 2 SVG
. Das Rechtsgleichheitsgebot wird dadurch nicht verletzt (E. 5 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 345
BGE 136 I 345 S. 345
A.
Mit Verfügung vom 30. November 2007 wurde dem X. ein Führerausweis auf Probe (für die Fahrzeugkategorien B, B1 und F) ausgestellt. Am 27. Dezember 2007 (01.30 Uhr) verursachte der Lenker mit seinem Personenwagen einen Selbstunfall. Die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Amt für Administrativmassnahmen, stufte das Verhalten des Lenkers als mittelschweren Fall einer Widerhandlung gegen das SVG ein und entzog ihm mit
BGE 136 I 345 S. 346
rechtskräftiger Verfügung vom 25. Februar 2008 den Führerausweis auf Probe (Kat. B, B1 und F sowie den Lernfahrausweis Kat. A) für die Dauer von zwei Monaten. Gleichzeitig verlängerte sie die Probezeit um ein Jahr.
B.
Am 14. Oktober 2008 verursachte der Lenker einen weiteren Selbstunfall mit Sachschaden. Mit Strafverfügung vom 27. November 2008 wurde er deswegen (in Anwendung von
Art. 90 Ziff. 1 SVG
) zu einer Busse von Fr. 200.- rechtskräftig verurteilt. Mit Administrativmassnahmenverfügung vom 22. Juli 2009 annullierte das Departement des Innern des Kantons Solothurn den Führerausweis auf Probe. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 6. November 2009 ab.
C.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts gelangte X. mit Beschwerde vom 14. Dezember 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt, der Führerausweis auf Probe sei ihm für die Dauer eines Monats zu entziehen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lenkte der Beschwerdeführer am 14. Oktober 2008 den Personenwagen seiner Mutter von Balmberg Richtung Günsberg. Er befuhr mit ca. 60 km/h eine sich leicht verengende Rechtskurve, als ihm ein unbekannter Automobilist (in korrekter Fahrweise) entgegenkam. Nachdem der Beschwerdeführer in der Kurve abgebremst und den entgegenkommenden Personenwagen gekreuzt hatte, lenkte er nach links. Dabei verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug, worauf die Räder blockierten und er mit einem Brückengeländer kollidierte. Beim Selbstunfall entstand Sachschaden am Unfallfahrzeug in der Höhe von Fr. 6'500.-. Das Verwaltungsgericht erwägt, diese zweite Widerhandlung innert der Probezeit hätte (auch bei Annahme eines leichten Falles gestützt auf
Art. 16a Abs. 2 SVG
) zu einem weiteren Führerausweisentzug (von mindestens einem Monat) führen müssen, weshalb (gemäss
Art. 15a Abs. 4 SVG
) der Führerausweis auf Probe zu annullieren sei.
3.
Der Beschwerdeführer rügt eine bundesrechtswidrige Anwendung des SVG sowie eine Verletzung von
Art. 8 BV
. Das Gesetz verlange
BGE 136 I 345 S. 347
mindestens drei leichte Widerhandlungen, damit der Führerausweis auf Probe annulliert werden kann. Nur bei zwei aufeinanderfolgenden mittelschweren (oder schweren) Fällen komme eine Annullation schon nach zwei Widerhandlungen in Frage. Die von der Vorinstanz getroffene Wortlautauslegung führe zu einer rechtsungleichen Behandlung. Zwar habe er im Dezember 2007 eine mittelschwere und im Oktober 2008 eine leichte Widerhandlung gegen das SVG verübt. Wäre zuerst die leichte und dann die mittelschwere Widerhandlung erfolgt, hätte sein Führerausweis auf Probe jedoch nicht als verfallen erklärt werden dürfen. Unzulässigerweise werde er gleich sanktioniert wie ein Lenker, der in der Probezeit zwei mittelschwere oder schwere Widerhandlungen begangen hätte.
4.
Der erstmals erworbene Führerausweis für Motorräder und Motorwagen wird zunächst auf Probe erteilt. Die Probezeit beträgt drei Jahre (
Art. 15a Abs. 1 SVG
). Der Führerausweis wird unbefristet erteilt, wenn die Probezeit abgelaufen ist und der Inhaber an den (vom Bundesrat vorgeschriebenen) Weiterbildungskursen zur Erkennung und Vermeidung von Gefahren sowie zu umweltschonendem Fahren teilgenommen hat (
Art. 15a Abs. 2 SVG
). Wird dem Inhaber der Ausweis auf Probe wegen einer Widerhandlung entzogen, wird die Probezeit um ein Jahr verlängert (
Art. 15a Abs. 3 SVG
). Der Führerausweis auf Probe verfällt mit der zweiten Widerhandlung, die zum Entzug des Ausweises führt (
Art. 15a Abs. 4 SVG
). Nach einer leichten Widerhandlung wird der Ausweis (für mindestens einen Monat) entzogen, wenn in den vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis bereits entzogen war oder eine andere Administrativmassnahme verfügt wurde (
Art. 16a Abs. 2 SVG
). Eine Annullierung des Führerausweises auf Probe (gemäss
Art. 15a Abs. 4 SVG
) betrifft alle Ausweiskategorien und Unterkategorien (
Art. 35a Abs. 1 und 2 VZV
[SR 741.51]). Ein neuer Führerausweis auf Probe kann frühestens ein Jahr nach Begehung der Widerhandlung und nur aufgrund eines verkehrspsychologischen Gutachtens erteilt werden, das die Eignung bejaht (
Art. 15a Abs. 5 SVG
). Nach erneutem Bestehen der Führerprüfung wird ein neuer Führerausweis auf Probe erteilt (
Art. 15a Abs. 6 SVG
).
5.
Nach der Praxis des Bundesgerichts müssen Ungleichbehandlungen im Rahmen der Rechtsanwendung in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sich vernünftig begründen lassen bzw. sachlich haltbar sein. Der allgemeine Rechtsgleichheitsgrundsatz (
Art. 8 Abs. 1 BV
) verpflichtet die Behörden, gleiche Sachverhalte mit identischen
BGE 136 I 345 S. 348
relevanten Tatsachen gleich zu beurteilen, es sei denn, ein sachlicher Grund rechtfertige eine unterschiedliche Behandlung (
BGE 136 I 121
E. 5.2 S. 127;
BGE 131 I 105
E. 3.1 S. 107; je mit Hinweisen).
6.
6.1
Mit der auf den 1. Dezember 2005 in Kraft gesetzten Revision des SVG wurde (nach breiter Zustimmung im Vernehmlassungsverfahren) der Führerausweis auf Probe eingeführt. Gemäss diesem neuen administrativmassnahmenrechtlichen Instrument sollen sich Neulenker (sog. "Neuerwerber") während einer dreijährigen Probezeit in der Fahrpraxis bewähren, bevor ihnen der (unbefristete) Führerausweis definitiv erteilt wird. Während der Probezeit soll sich der Neulenker durch einwandfreies und klagloses Fahrverhalten im Verkehr ausweisen. Verstösse gegen Verkehrsregeln lösen deshalb nicht nur die gegen Inhaber des unbefristeten Führerausweises vorgesehenen Strafsanktionen und Administrativmassnahmen aus. Gleichzeitig erschweren sie während der Probezeit die Erlangung des unbefristeten Ausweises (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_559/2008 vom 15. Mai 2009 E. 3.1; DEMIERRE/MIZEL/MOURON, Les mesures administratives liées au nouveau permis de conduire à l'essai, AJP 2007 S. 729 ff.; HANS GIGER, SVG - Strassenverkehrsgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2008, N. 34 zu
Art. 15a SVG
). Ausweisentzüge (wegen Widerhandlungen nach
Art. 16a-16c SVG
) haben eine Verlängerung der Probezeit um ein Jahr zur Folge. Laut Botschaft des Bundesrates vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (BBl 1999 4462) gilt die Bewährungszeit als nicht bestanden (und verfällt der Führerausweis auf Probe), wenn während der Probezeit eine zweite Widerhandlung begangen wird, die zum Ausweisentzug führt (BBl 1999 4485 Ziff. 21; vgl. DEMIERRE/MIZEL/MOURON, a.a.O., S. 731 f.; GIGER, a.a.O., N. 35 und 36 zu
Art. 15a SVG
). Diese Regelung fand auch in den Eidgenössischen Räten ungeteilte Zustimmung (AB 2000 S 210; 2001 N 878). Unter die nach
Art. 15a Abs. 4 SVG
relevanten Fälle von erneuten Widerhandlungen fallen demnach auch leichte Fälle, für die (nach
Art. 16a Abs. 2 SVG
) ein weiterer Ausweisentzug anzuordnen wäre (vgl. DEMIERRE/MIZEL/MOURON, a.a.O., S. 733 und 737). Besteht der Neulenker die Probezeit nicht, kann er frühestens ein Jahr nach der zweiten Widerhandlung mit Ausweisentzug (und nach erfolgter verkehrspsychologischer Abklärung der Fahreignung) einen neuen Lernfahrausweis (und nach Bestehen der Führerprüfung einen neuen Führerausweis auf Probe) beantragen. Das neu eingeführte
BGE 136 I 345 S. 349
administrativmassnahmenrechtliche Instrument dient (ergänzend zur Verschärfung der Warnungsentzüge) der strengeren Ahndung und Prävention von SVG-Widerhandlungen durch Neulenker und damit der Erhöhung der Verkehrssicherheit (vgl.
BGE 136 II 447
E. 5.1; Urteil 1C_559/2008 vom 15. Mai 2009 E. 3.1 und 3.2; BBl 1999 4485; DEMIERRE/MIZEL/MOURON, a.a.O., S. 730-738; GIGER, a.a.O., N. 34-36 zu
Art. 15a SVG
).
6.2
Soweit der Beschwerdeführer den Standpunkt vertritt, der Verfall eines Führerausweises auf Probe setze mindestens drei (bzw. zwei schwere oder mittelschwere) Widerhandlungen gegen das SVG voraus, findet diese Ansicht im Gesetz, in den Materialien und in der einschlägigen Literatur keine Stütze. Zwar könnte bei mehreren aufeinanderfolgenden
leichten
Widerhandlungen die Konstellation eintreten, dass erst nach dem dritten leichten Fall ein zweiter Ausweisentzug und damit eine Annullierung des Führerausweises auf Probe zu erfolgen hätte (vgl. Art. 15a Abs. 4 i.V.m. Art. 16a Abs. 3 bzw. Abs. 2 SVG). Hier liegt jedoch unbestrittenermassen keine solche Konstellation vor: Mit rechtskräftiger Verfügung vom 25. Februar 2008 wurde dem Beschwerdeführer wegen einer
mittelschweren
Widerhandlung der Führerausweis auf Probe bereits für die Dauer von zwei Monaten entzogen (
Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG
) und die Probezeit um ein Jahr verlängert (
Art. 15a Abs. 3 SVG
). Innerhalb der Probezeit (und innert zwei Jahren seit dem letzten Ausweisentzug) erfolgte der zweite Unfall vom 14. Oktober 2008. Selbst wenn dieser als leichter Fall eingestuft wird, sieht das Gesetz hier einen zweiten Ausweisentzug zwingend vor (
Art. 16a Abs. 2 SVG
) und damit den Verfall des Führerausweises auf Probe (
Art. 15a Abs. 4 SVG
).
6.3
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Wortlaut des Gesetzes führe zu einer rechtsungleichen Behandlung. Für den ersten Selbstunfall (im Dezember 2007) sei zwar wegen eines mittelschweren Falles ein zweimonatiger Ausweisentzug erfolgt. Der zweite Selbstunfall (im Oktober 2008) sei jedoch als leichte Widerhandlung einzustufen. Wäre - in umgekehrter Reihenfolge - zuerst die leichte und dann erst die mittelschwere Widerhandlung erfolgt, hätte sein Führerausweis auf Probe (gemäss Art. 15a Abs. 4 i.V.m.
Art. 16a Abs. 3 SVG
) nicht als verfallen erklärt werden können. Die Administrativmassnahme dürfe aber nicht vom Zufall abhängig gemacht werden, in welcher Reihenfolge die Widerhandlungen erfolgten. Unzulässigerweise werde er behandelt wie ein Lenker, der in der Probezeit zwei mittelschwere oder schwere Widerhandlungen beging.
BGE 136 I 345 S. 350
Demgegenüber würden Lenker, die zunächst bloss verwarnt werden und anschliessend eine mittelschwere Widerhandlung begehen, privilegiert behandelt. Dies sei sachlich nicht nachvollziehbar, weshalb
Art. 16a Abs. 2 SVG
auf den Verfall des Führerausweises auf Probe nicht anwendbar sei. Insofern sei der Wortlaut von
Art. 15a Abs. 4 SVG
auslegungsweise zu "präzisieren".
6.4
Der Beschwerdeführer stellt sich zunächst auf den Standpunkt, bei seinem zweiten Selbstunfall (von Oktober 2008) innerhalb der Probezeit handle es sich um eine leichte (nicht um eine zweite mittelschwere) Widerhandlung gegen das SVG. Die kantonalen Instanzen brauchten diese Frage (angesichts des klaren Wortlautes des Gesetzes) nicht vertieft zu prüfen.
Der Ansicht des Beschwerdeführers, es handle sich um eine leichte Widerhandlung im Sinne von
Art. 16a SVG
, wäre im Übrigen Folgendes entgegenzuhalten: Durch sein fehlerhaftes Fahrverhalten schuf er (neben einer abstrakten Gefahr für dritte Verkehrsteilnehmer) eine konkrete Gefahr für sich selbst, welche sich in einem Selbstunfall mit Sachschaden realisierte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ereignete sich der zweite Unfall in (bzw. kurz nach) einer Rechtskurve auf einem sich leicht verengenden Strassenabschnitt. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers kollidierte mit einem Brückengeländer. Bei dieser Sachlage bestand die naheliegende Gefahr, dass nachfolgende Fahrzeuge von der Unfallsituation hätten überrascht werden können. Der Beschwerdeführer beschädigte (ausser dem Brückengeländer) das von ihm benutzte Fahrzeug massiv und verursachte einen Sachschaden in der Höhe von Fr. 6'500.-. Nach der Praxis des Bundesgerichts dürften die Administrativbehörden in derartigen Fällen (ohne Verletzung von
Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG
) grundsätzlich von einer erhöhten abstrakten Gefährdung und damit von einem mittelschweren Fall ausgehen (vgl. Urteil 1C_83/2010 vom 12. Juli 2010 E. 5). Dass der Strafrichter
Art. 90 Ziff. 1 SVG
anwendete, schlösse die Annahme eines mittelschweren Falles im Administrativverfahren jedenfalls nicht aus (vgl. Urteile 1C_83/2010 E. 4; 1C_424/2008 vom 31. März 2009 E. 4.1; 1C_7/2008 vom 24. Juli 2008 E. 6.2; s. schon
BGE 120 Ib 312
E. 4b S. 315 zu aArt. 16 Abs. 3 lit. a SVG).
6.5
Aber selbst wenn der zweite Selbstunfall noch als leichte Widerhandlung einzustufen wäre, würde der Wortlaut von
Art. 15a Abs. 4 SVG
zu keinen stossenden oder rechtsungleichen
BGE 136 I 345 S. 351
Konsequenzen führen: Das Gesetz sieht vor, dass bei einer zweiten Widerhandlung innert zwei Jahren seit dem ersten Ausweisentzug ein neuer Ausweisentzug bzw. der Verfall des Führerausweises auf Probe zu erfolgen hat (Art. 15a Abs. 4 i.V.m.
Art. 16a Abs. 2 SVG
). Dass diese Konsequenz ausbliebe, wenn eine erste leichte Widerhandlung (mangels früherer Administrativmassnahmen) noch keinen Ausweisentzug nach sich gezogen hätte (
Art. 16a Abs. 3 SVG
), ist sachlich gerechtfertigt und stellt weder ein Versehen des Gesetzgebers dar noch eine unechte Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber trägt damit dem Umstand Rechnung, dass von einem Inhaber des Führerausweises auf Probe, dem nach einer Widerhandlung gegen das SVG bereits der Ausweis entzogen und die Probezeit verlängert werden musste, ein besonderes Mass an Verantwortungsbewusstsein bzw. sorgfältigem künftigem Fahrverhalten erwartet werden darf und muss (vgl. dazu oben, E. 6.1). Demgegenüber zöge eine erste leichte Widerhandlung während der Probezeit eine blosse Verwarnung nach sich (
Art. 16a Abs. 3 SVG
), und die Probezeit würde nicht verlängert (
Art. 15a Abs. 3 SVG
).
Der Beschwerdeführer hat sich als Neulenker in der Probezeit nicht bewährt. Nachdem ihm der Führerausweis wegen einer mittelschweren Widerhandlung für zwei Monate entzogen und die Probezeit um ein Jahr verlängert werden musste, hat er einige Monate später einen weiteren Selbstunfall verursacht, der einen erneuten Ausweisentzug nach sich zieht. Dies führt nach der unmissverständlichen (und durch die Vorinstanz verfassungskonform angewendeten) gesetzlichen Regelung zur Annullierung des Führerausweises auf Probe. Die allfällige Erteilung eines neuen Lernfahrausweises (bzw. Führerausweises auf Probe) richtet sich nach
Art. 15a Abs. 5 und 6 SVG
.
6.6
Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz das SVG bundesrechtskonform angewendet. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a33a5d40-2f34-4f97-9030-a03b7e5f4d9c | Urteilskopf
121 III 242
47. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 28. Juli 1995 i.S. Schweizerische Kreditanstalt (Rekurs) | Regeste
Doppelaufruf;
Art 812 Abs. 2 ZGB
,
Art. 142 SchKG
.
Wenn zugunsten von Nachbargrundstücken und zulasten des zu versteigernden Grundstückes im öffentlichen Recht begründete Ausnützung übertragen worden ist, so wird der Bestand der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung durch die Zwangsverwertung nicht erschüttert; und es ist deshalb undenkbar, dass das Grundstück an der Steigerung einmal mit und einmal ohne Berücksichtigung der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung ausgerufen wird. | Sachverhalt
ab Seite 242
BGE 121 III 242 S. 242
A.-
Die U. AG als Vorgängerin der X. AG vereinbarte mit den benachbarten Grundeigentümern im April 1993 bezüglich der Berechnung der Ausnützungsziffer einen Abtausch, indem sie ihr Grundstück Nr. 2168, welches der Schweizerischen Kreditanstalt als Grundpfand haftet, mit einem Ausnützungsverbot von je 200 m2 belegen liess. Beide Ausnützungsverbote
BGE 121 III 242 S. 243
wurden vom Gemeinderat Thal als öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung verfügt und am 7. bzw. 27. Mai 1993 im Grundbuch angemerkt.
B.-
In der Folge wurde die X. AG von der Schweizerischen Kreditanstalt in der Betreibung auf Grundpfandverwertung Nr. 1793 des Betreibungsamtes Thal betrieben. Nach Auflage der Steigerungsbedingungen (vom 27. Februar bis 9. März 1995) erhob die Schweizerische Kreditanstalt Beschwerde beim Bezirksgerichtspräsidium Unterrheintal als unterer Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, indem sie den Antrag stellte, die Steigerungsbedingungen seien insofern abzuändern, als ein Doppelaufruf mit und ohne das Ausnützungsverbot anzuordnen sei.
Der Bezirksgerichtspräsident von Unterrheintal wies die Beschwerde am 3. April 1995 ab. Denselben Entscheid fällte das Kantonsgericht St. Gallen am 1. Juni 1995, weil es sich auf den Standpunkt stellte, mit den Ausnützungsverboten sei eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung im Grundbuch angemerkt worden, welche nicht Gegenstand eines Doppelaufrufs bilden könne.
Der gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde gerichtete Rekurs der Schweizerischen Kreditanstalt wurde von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Ein Doppelaufruf hat - ausser im Fall, wo mit dem Grundstück zugleich Zugehör gepfändet wurde (
Art. 57 VZG
in Verbindung mit
Art. 102 VZG
), und im Fall, wo der Anspruch eines Pfandgläubigers von einem anderen Gläubiger im Lastenbereinigungsverfahren mit Erfolg bestritten, vom Schuldner jedoch durch Nichtbestreiten anerkannt wurde (
Art. 42 und 56 VZG
in Verbindung mit
Art. 102 VZG
) - auf Verlangen des im Range vorgehenden Grundpfandgläubigers immer dann stattzufinden, wenn das Grundstück ohne dessen Zustimmung mit einer Dienstbarkeit, einer Grundlast oder einem im Grundbuch eingetragenen persönlichen Recht belastet wurde (
Art. 812 Abs. 2 ZGB
,
Art. 142 SchKG
,
Art. 56 und 104 VZG
; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Auflage Bern 1993, § 28 N. 52 ff.; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 31 Rz. 31 ff.; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage Lausanne 1993, S. 235).
BGE 121 III 242 S. 244
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat nun aber zu Recht erkannt, dass im vorliegenden Fall ungeachtet des Umstandes, dass die Übertragung der Ausnützungsziffern durch einen privatrechtlichen Vertrag ausgelöst wurde, weder von einer Dienstbarkeit noch von einer Grundlast noch von einem im Grundbuch eingetragenen persönlichen Recht die Rede sein kann. Als eine der Möglichkeiten zur Nutzungsbeschränkung von Grundstücken ist die Ausnützungsziffer den Ordnungs-, Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften des Baupolizeirechts zuzuordnen (vgl. SCHÜRMANN/HÄNNI, Planungs-, Bau- und besonderes Umweltschutzrecht, 3. Auflage Zürich 1995, S. 240 ff., insbesondere S. 246 f.; HALLER/KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Auflage Zürich 1992, S. 152 ff., insbesondere N. 649; DILGER, Raumplanungsrecht der Schweiz, Zürich 1982, S. 51 ff., insbesondere S. 54 f.; ZEMP, Kommentar zum Baugesetz des Kantons St. Gallen vom 6. Juni 1972, Basel 1979, S. 82). Die Handhabung der öffentlichrechtlichen Bauvorschriften ist nicht dem Belieben der Privaten anheimgestellt, und so ist denn auch in dem hier zu beurteilenden Fall nach der privatrechtlichen Vereinbarung vom Gemeinderat Thal eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung verfügt worden. Die zweimal 200 m2 Geschossfläche, deren Ausnützung die Grundpfandeigentümerin an zwei Nachbarn abgegeben hat, können nicht zugunsten des Grundstückes, das zur Versteigerung vorgesehen ist, zurückgeholt werden; denn der Bestand der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung wird durch die Zwangsverwertung nicht erschüttert (HAAB/SIMONIUS/SCHERRER, ZOBL, N. 18 zu
Art. 702 ZGB
). Es ist daher undenkbar, dass das Grundstück an der Zwangsversteigerung einmal mit und einmal ohne Berücksichtigung der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung ausgerufen wird.
Dass in einem Fall wie dem vorliegenden die den Grundpfandgläubiger schützende Bestimmung des Bundeszivilrechts (
Art. 812 Abs. 2 ZGB
) der öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung zu weichen hat, ist hinzunehmen (
Art. 6 Abs. 1 ZGB
; HUBER, N. 191 zu
Art. 6 ZGB
).
2.
Mit der Rekurrentin mag das Befremden darüber geteilt werden, dass eine Einwilligung zur öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung, wie sie im vorliegenden Fall von der Grundpfandeigentümerin erteilt worden ist, zu einer Wertverminderung des Grundpfandes und im Augenblick der Zwangsverwertung allenfalls zu einer Schädigung des Grundpfandgläubigers, der keine Kenntnis von der Eigentumsbeschränkung hatte, führt. Doch ist
BGE 121 III 242 S. 245
entgegen der Auffassung der Rekurrentin nichts Ungewöhnliches darin zu sehen, dass solchem Risiko beim Abschluss von grundpfandgesicherten Darlehensverträgen Rechnung zu tragen ist.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat im übrigen auf die Sicherungsbefugnisse der
Art. 808 ff. ZGB
verwiesen, die Platz greifen, wo der Pfandgegenstand nicht mehr gleiche Sicherheit bietet wie zuvor (WIELAND, N. 3 zu
Art. 808 ZGB
) oder wo durch die weitere Belastung eine indirekte Verschlechterung des Grundstückes eintritt (LEEMANN, N. 26 f. zu
Art. 808 ZGB
). Über die Anwendung dieser Vorschriften des Zivilgesetzbuches haben die Aufsichtsbehörden über Schuldbetreibung und Konkurs nicht zu befinden (Art. 808 Abs. 1 und 2,
Art. 809 Abs. 3 ZGB
;
Art. 17 ff. SchKG
). | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a3461cc0-d10c-47f0-a34a-8b20b59065b8 | Urteilskopf
117 IV 163
32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Juli 1991 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 166 StGB
; Unterlassung der Buchführung.
Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes genügt Eventualvorsatz (Präzisierung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 164
BGE 117 IV 163 S. 164
K. wurde vom Kantonsgericht St. Gallen am 10. Januar 1990 im Berufungsverfahren wegen wiederholter und fortgesetzter Unterlassung der Buchführung (
Art. 166 StGB
) sowie wiederholter und fortgesetzter ordnungswidriger Führung der Geschäftsbücher (
Art. 325 StGB
) zu zwei Monaten Gefängnis bedingt verurteilt.
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt K. Freispruch vom Vorwurf der wiederholten und fortgesetzten Unterlassung der Buchführung, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zwecks Neubeurteilung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von
Art. 166 StGB
(Unterlassung der Buchführung), da der subjektive Tatbestand nicht erfüllt sei bzw. ihm die vorausgesetzte Verschleierungsabsicht nicht nachgewiesen werden könne. Zur Begründung bringt er, wie bereits im Berufungsverfahren, im wesentlichen vor, die Unterlassung der Buchführung sei nicht deshalb erfolgt, weil er den Vermögensstand der von ihm geführten Gesellschaften habe verschleiern wollen, sondern weil ihm nach dem Defekt bzw. nach der Wegnahme der die Buchhaltungsdaten speichernden EDV-Anlage durch die Leasinggeberin die finanziellen Mittel für die Fortführung der Buchhaltung gefehlt hätten; er habe aus finanziellen Gründen auch seinen Buchhalter (der zwischen Rücknahme der EDV-Anlage und dem Ende seines Arbeitsverhältnisses die Buchhaltung auf konventionelle Art und Weise weitergeführt habe) nicht ersetzen und auch keinen Treuhänder bezahlen können; interessierte Dritte hätten ja den Vermögensstand der Gesellschaften über das Betreibungsamt oder zum Beispiel über die Firma C. abklären können.
b) Eine Bestrafung nach
Art. 166 StGB
ist nur bei vorsätzlichem Verhalten möglich. Vorsatz bedeutet insbesondere, dass sich der Schuldner seiner Buchführungspflicht bewusst sein und die möglichen Konsequenzen der Verletzung dieser Pflicht, nämlich eine Verschleierung der finanziellen Situation, erkennen muss. Dabei genügt (entgegen gewissen missverständlichen Formulierungen in
BGE 72 IV 19
) Eventualvorsatz. Die erforderliche Inkaufnahme
BGE 117 IV 163 S. 165
von Unklarheiten über den Vermögensstand heisst indessen nicht, dass die Verschleierung desselben das eigentliche Handlungsziel zu sein braucht (STRATENWERTH, BT I, 3. Aufl., S. 307; ALBRECHT, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, BT 2. Band, N 18 zu
Art. 166 StGB
mit weiteren Hinweisen; TRECHSEL, StGB-Kurzkommentar, N 4 zu Art. 166).
c) Die Vorinstanz stellte im Rahmen ihrer Beweiswürdigung fest, zumindest der Eventualvorsatz, dass der Vermögensstand "nicht oder nicht vollständig ersichtlich" war bzw. verschleiert wurde, sei beim Beschwerdeführer "klar ausgewiesen". An diese tatsächliche Feststellung über den sog. inneren Sachverhalt, das Wissen und Wollen des Beschwerdeführers, ist der Kassationshof gebunden; sie ist mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis Abs. 1 BStP;
BGE 109 IV 47
E. 1,
BGE 107 IV 192
E. 5; vgl. insbesondere auch
BGE 77 IV 166
). Nachdem aber Eventualvorsatz zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes von
Art. 166 StGB
genügt, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a3479969-d1a6-47ca-bb5d-4734468e6451 | Urteilskopf
138 I 410
36. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause A. SA et consorts contre Grand Conseil du canton de Vaud (recours en matière de droit public)
2C_219/2012 du 22 octobre 2012 | Regeste
Art. 49 Abs. 1 BV
; Art. 25a Abs. 5,
Art. 35 und 39 KVG
; abstrakte Normenkontrolle des Waadtländer Gesetzes vom 17. Mai 2011 über die Änderung des kantonalen Gesetzes vom 5. Dezember 1978 über die Planung und Finanzierung von Gesundheitseinrichtungen öffentlichen Interesses; Festsetzung von Bedingungen für die Rückerstattung der Pflegeheimkosten (kantonaler Anteil).
Verfassungsmässigkeit der im Waadtländer Gesetz vom 17. Mai 2011 enthaltenen Verpflichtung, wonach im Kanton nicht als Einrichtungen öffentlichen Interesses anerkannte Pflegeheime, die aber auf der Liste der zur Abrechnung mit der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassenen Leistungserbringer stehen, gewisse - den Pflegeheimen öffentlichen Interesses auferlegte - Anforderungen erfüllen müssen, um in den Genuss der Rückerstattung des kantonalen Anteils im Sinne von
Art. 25a Abs. 5 KVG
zu kommen? Standpunkte der Parteien (E. 3). Ermessensspielraum der Kantone in Bezug auf die Gesundheitsplanung; bedingungslose Pflicht der Kantone, die Restfinanzierung der auf der KVG-Liste stehenden Pflegeheime zu tragen (E. 4). Verletzung des Grundsatzes des Vorranges des Bundesrechts; Möglichkeit für die Kantone, mit anderen Mitteln vorzugehen (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 411
BGE 138 I 410 S. 411
A.
La loi fédérale du 13 juin 2008 sur le nouveau régime de financement des soins (RO 2009 3517), entrée en vigueur le 1
er
janvier 2011, a notamment complété la loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal; RS 832.10) d'un nouvel art. 25a, dont l'al. 5 prévoit que:
BGE 138 I 410 S. 412
"Les coûts des soins (en cas de maladie) qui ne sont pas pris en charge par les assurances sociales ne peuvent être répercutés sur la personne assurée qu'à hauteur de 20 % au plus de la contribution maximale fixée par le Conseil fédéral. Les cantons règlent le financement résiduel".
B.
Par suite de la modification du 13 juin 2008, le Grand Conseil du canton de Vaud (ci-après: le Grand Conseil) a adopté la loi cantonale modifiant celle du 5 décembre 1978 sur la planification et le financement des établissements sanitaires d'intérêt public (LPFES/VD; RSV 810.01) en date du 17 mai 2011. Celle-ci a été publiée dans la Feuille des avis officiels du canton de Vaud n
os
47-48 des 14 et 17 juin 2011 (p. 6 s.), et prévoit notamment:
"Art. 26g Coûts des soins
1
La part du coût des soins fournis par les EMS à la charge de l'assurance-maladie est déterminée conformément à la loi fédérale sur l'assurance-maladie et à ses dispositions d'application.
2
Le Conseil d'Etat détermine annuellement, par voie d'arrêté:
a. la part du coût des soins à la charge du résident, cette part ne pouvant pas dépasser le 10 % de la contribution maximale de l'assurance-maladie;
b. le financement résiduel à la charge de l'Etat et des régimes sociaux, compte tenu du nombre de journées effectuées, de l'évaluation des soins requis et des normes en matière de dotation.
3
Les EMS non reconnus d'intérêt public peuvent également prétendre au financement résiduel mentionné à l'alinéa 2, lettre b), ci-dessus à condition qu'ils:
a. répondent à la couverture des besoins et figurent sur la liste LAMal;
b. respectent les conditions énumérées à l'article 4, à l'exception de celles posées par l'alinéa 1, lettres b) et g), par l'alinéa 1
bis
lettres c) et d), ainsi que, pour ce qui concerne leurs résidents ne relevant pas des régimes sociaux, par l'alinéa 1
bis
, lettre a);
c. se soumettent à la surveillance financière du département conformément à l'article 32a et lui fournissent à cet effet les informations requises des EMS reconnus d'intérêt public en application de l'article 32b.
4
Les 'soins aigus et de transition' fournis par un EMS dans le cadre de son mandat sont financés par l'Etat et les assureurs-maladie conformément à la législation fédérale sur l'assurance-maladie et aux dispositions de la présente loi relatives au financement hospitalier, qui s'appliquent par analogie."
Les art. 4, 32a et 32b LPFES/VD, auxquels se réfère l'art. 26g al. 3 LPFES/VD, disposent dans leur teneur au moment de l'adoption de la loi cantonale litigieuse:
"Art. 4 Reconnaissance du caractère d'intérêt public
1
Pour être reconnu d'intérêt public, un établissement sanitaire privé doit remplir cumulativement les conditions suivantes:
BGE 138 I 410 S. 413
a. être reconnu indispensable à la couverture des besoins de santé pour l'hébergement ou pour l'hospitalisation en division commune au sens de la loi fédérale sur l'assurance-maladie; (...)
c. se soumettre à la présente loi et aux règlements relevant de la planification cantonale et du financement, notamment à leurs exigences en matière de restructuration de l'offre hospitalière et d'hébergement, et de qualité;
d. recourir à un prestataire de services informatiques agréé par le Département de la santé et de l'action sociale (ci-après: le département) pour la gestion de son système d'information;
e. appliquer les dispositions d'une convention collective de travail de force obligatoire existante ou à défaut les exigences posées par le Conseil d'Etat en matière de conditions d'engagement et de travail selon l'article 4b;
f. appliquer les règles relatives à l'achat de biens et de services conformément à l'article 4c; (...)
h. adhérer au réseau de soins régional conformément à la législation y relative.
1bis
S'il s'agit d'un EMS [établissement médico-social], il doit en outre rem
plir les conditions suivantes:
a. se soumettre aux conventions tarifaires applicables aux prestations de soins et socio-hôtelières ou, à défaut, aux tarifs arrêtés par le Conseil d'Etat; les prestations socio-hôtelières sont fixées dans le standard officiel établi par le Conseil d'Etat, après consultation des associations faîtières, et qui constitue la base du tarif journalier;
b. appliquer un contrat d'hébergement établi conformément à l'article 4e; (...)
2
La reconnaissance d'intérêt public fonde le droit de l'établissement à la contribution financière de l'Etat.
3
Le département décide du caractère d'intérêt public d'un établissement sanitaire.
4
La reconnaissance peut être accordée pour une durée limitée et assortie de conditions ou de charges. La liste des établissements sanitaires reconnus d'intérêt public est à disposition des tiers intéressés (...).
Art. 32a Surveillance financière
1
Le département contrôle que les établissements sanitaires d'intérêt public et les réseaux de soins utilisent les ressources allouées conformément à l'affectation prévue.
2
Le Conseil d'Etat, après évaluations faites lors des contrôles antérieurs, détermine la portée et les modalités de ce contrôle, y compris en ce qui concerne les sous-traitants qui délivrent régulièrement des prestations couvertes par la présente loi. Le règlement définit les modalités, en particulier les principes comptables à respecter et les règles relatives à la mission, à la qualification et à l'indépendance des organes de révision.
BGE 138 I 410 S. 414
Art. 32b Informations requises et qualité
1
Les établissements sanitaires et les réseaux de soins fournissent au département toutes les informations statistiques ainsi que, s'ils sont reconnus d'intérêt public, comptables et financières, nécessaires à la définition de la politique sanitaire du canton, à la mise en oeuvre de la présente loi et de ses dispositions d'application, ainsi qu'au contrôle de leur respect.
2
Le Conseil d'Etat définit, après consultation des associations faîtières, la forme, le contenu et la périodicité des informations à fournir.
3
Le département s'assure de la qualité de la prise en charge dans les établissements sanitaires reconnus d'intérêt public".
C.
Le 4 juillet 2011, A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. Sàrl, et quinze députés du Grand Conseil ont adressé une requête à la Cour constitutionnelle du Tribunal cantonal vaudois (ci-après: le Tribunal cantonal) contre la modification législative du 17 mai 2011, en concluant à l'annulation pour non-conformité au droit supérieur de l'art. 26g al. 3 LPFES/VD. Le Tribunal cantonal a rejeté leur requête par arrêt du 6 février 2012.
D.
Agissant par la voie du recours en matière de droit public, A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. Sàrl concluent, avec suite de frais et dépens, à l'annulation des art. 26g al. 3 let. b et let. c LPFES/VD, adoptés par le Grand Conseil le 17 mai 2011, "en tant qu'ils conditionnent le financement résiduel des soins prodigués par les EMS non reconnus d'intérêt public aux
art. 4 al. 1 let
. d, e, et f LPFES/VD, 4 al. 1
bis
let. b LPFES/VD, 32a LPFES/VD et 32b LPFES/VD". (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière de droit public dans la mesure de sa recevabilité.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Les recourantes se prévalent du principe de la primauté du droit fédéral en relation avec la législation fédérale sur l'assurance-maladie obligatoire, en particulier les
art. 25a et 39 LAMal
.
3.1
Le principe de la primauté du droit fédéral, consacré par l'
art. 49 al. 1 Cst.
, fait obstacle à l'adoption ou à l'application de règles cantonales qui éludent des prescriptions de droit fédéral ou qui en contredisent le sens ou l'esprit, notamment par leur but ou par les moyens qu'elles mettent en oeuvre, ou qui empiètent sur des matières que le législateur fédéral a réglementées de façon exhaustive. Cependant, même si la législation fédérale est considérée comme exhaustive dans un domaine donné, une loi cantonale peut subsister dans le même
BGE 138 I 410 S. 415
domaine si elle poursuit un autre but que celui recherché par le droit fédéral. Par ailleurs, dans la mesure où une loi cantonale renforce l'efficacité de la réglementation fédérale, le principe de la force dérogatoire n'est pas violé. En outre, même si, en raison du caractère exhaustif de la législation fédérale, le canton ne peut plus légiférer dans une matière, il n'est pas toujours privé de toute possibilité d'action. Ce n'est que lorsque la législation fédérale exclut toute réglementation dans un domaine particulier que le canton perd toute compétence pour adopter des dispositions complétives, quand bien même celles-ci ne contrediraient pas le droit fédéral ou seraient même en accord avec celui-ci (
ATF 137 I 167
consid. 3.4 p. 174 s.; arrêt 2C_727/2011 du 19 avril 2012 consid. 3.3, non publié in
ATF 138 II 191
).
3.2
Les recourantes soutiennent en substance que l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD - par le renvoi que cette disposition opère vers les dispositions des
art. 4 al. 1 let
. d, e et f; 4 al. 1
bis
let. b; 32a et 32b LPFES/VD - obligerait les EMS qui ne sont pas reconnus d'intérêt public à satisfaire à des exigences plus strictes qui sont propres aux EMS reconnus d'intérêt public, alors que seuls ces derniers bénéficieraient en contrepartie d'avantages financiers. De plus, ces critères iraient au-delà des exigences uniformes de qualité et d'économicité édictées par le système de la LAMal et violeraient partant l'
art. 49 al. 1 Cst.
Les conditions imposées par la loi attaquée aux EMS non reconnus d'intérêt public pour prétendre au financement de la part résiduelle conduiraient en d'autres termes, et en violation de l'
art. 25a al. 5 LAMal
qui impose aux cantons de couvrir la part résiduelle sans autres conditions, à "supprimer complètement toute part résiduelle du canton, sur la base de critères qui n'ont aucun lien avec la qualité ou le caractère économique des prestations". Les recourantes reprochent en outre à la loi en cause et au renvoi opéré à l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD de ne pas distinguer entre les prestations de soins et les prestations socio-hôtelières fournies par les deux catégories d'EMS à leurs résidents; or, contrairement aux EMS vaudois reconnus d'intérêt public, les EMS non reconnus d'intérêt public reçoivent uniquement une participation obligatoire de l'Etat pour le financement résiduel des soins, à l'exclusion de toute subvention étatique relative aux dépenses d'investissement et d'exploitation, en particulier socio-hôtelières (y compris l'hébergement).
Le Grand Conseil conteste ces griefs. Tout en admettant que "tous les EMS nécessaires à la couverture des besoins et inscrits sur la liste LAMal vaudoise peuvent désormais prétendre à un financement
BGE 138 I 410 S. 416
par l'Etat du solde du coût des soins, qu'ils soient d'intérêt public ou non", l'intimé estime que la marge d'appréciation, reconnue aux cantons par rapport aux modalités de prise en charge de la part résiduelle, leur permet d'obliger les EMS concernés à respecter les exigences prévues par l'art. 26g al. 3 LPFES/VD, ces dernières ne correspondant du reste que pour partie aux conditions imposées aux EMS vaudois reconnus d'intérêt public.
L'arrêt querellé du 6 février 2012 retient notamment que, le droit fédéral obligeant les cantons à prendre en charge une partie des prestations de soins, "ils ne sont plus tout à fait libres d'imposer des conditions au versement de leur contribution financière couvrant la part du coût des soins non reconnue à charge de l'assurance obligatoire des soins". Selon le Tribunal cantonal, les cantons ne peuvent imposer des conditions aux EMS admis sur la liste LAMal "que si elles correspondent au sens et au but des prescriptions fédérales (qualité, économicité, service d'intérêt public, comme l'admission de tous les patients, service d'urgence, etc.)". A la faveur d'une interprétation qu'ils ont jugée conforme au droit fédéral, les juges constitutionnels vaudois ont retenu que les différentes obligations contestées de la LPFES/VD présenteraient un lien suffisant, en particulier, avec le principe de la qualité des soins et avec celui de l'économicité des prestations fournies, de sorte à ne pas violer le droit supérieur.
4.
Au vu des arguments qui précèdent, il sied d'analyser la portée et les implications de l'insertion d'un EMS dans le système de planification sanitaire cantonale, de son inscription sur la liste LAMal et de l'adoption de l'
art. 25a al. 5 LAMal
.
4.1
Selon l'
art. 35 LAMal
, sont admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins les fournisseurs de prestations, dont font partie les EMS, qui remplissent les conditions des art. 36 à 40 de la loi (cf. al. 1 et 2 let. k). En vertu de l'
art. 39 al. 1 LAMal
, qui s'applique par analogie aux EMS (al. 3, et
art. 50 LAMal
), ces derniers sont admis à pratiquer à charge de l'assurance obligatoire des soins entre autres s'ils "correspondent à la planification établie par un canton (...) afin de couvrir les besoins en soins hospitaliers (...)" (al. 1 let. d). L'art. 58a al. 1 de l'ordonnance fédérale du 27 juin 1995 sur l'assurance-maladie (OAMal; RS 832.102) précise que "la planification en vue de couvrir les besoins en soins (...) garantit aux habitants des cantons qui l'établissent (...) le traitement dans un établissement médico-social" (cf.
ATF 138 II 191
consid. 4.2.1 p. 198 et les
BGE 138 I 410 S. 417
références citées). Pour être admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins, il est de plus indispensable que les fournisseurs de prestations "figurent sur la liste cantonale fixant les catégories d'hôpitaux en fonction de leurs mandats" (
art. 39 al. 1 let
. e LAMal; cf.
ATF 132 V 6
consid. 2.4.1 p. 11). Cette liste, qui fait office de registre officiel, doit être revue périodiquement en fonction des modifications inhérentes à la planification sanitaire cantonale (cf. GEBHARD EUGSTER, Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG], 2010, n
os
13, 16 et 24 ad
art. 39 LAMal
p. 245 s. et 249).
A condition de respecter les critères de planification (cf.
art. 58a ss OAMal
), les cantons disposent d'une large marge de manoeuvre pour mettre en oeuvre la planification sanitaire et dresser la liste LAMal applicable à leur territoire. Il leur est par exemple loisible de poser des conditions strictes et limitatives à l'admission des EMS sur la liste LAMal et de soumettre l'ensemble de ces derniers à un contrôle renforcé des prestations; ils peuvent aussi adopter une politique plus permissive s'agissant de l'inscription des EMS sur la liste LAMal lorsque les établissements en remplissent les conditions de base, tout en concluant, avec un certain nombre de ces EMS, des contrats de prestations par lesquels ceux-ci acceptent de se soumettre à un contrôle renforcé de leurs prestations et de leurs coûts en échange de certains privilèges (cf.
ATF 138 II 191
consid. 5.5.4 p. 210; voir aussi, en matière de limitation quantitative des capacités hospitalières,
ATF 138 II 398
consid. 3.3.3.5 p. 415 et 3.5.2 p. 418 notamment).
4.2
D'après l'
art. 25a al. 1 LAMal
, l'assurance obligatoire des soins fournit une contribution aux soins qui sont dispensés, notamment, dans les EMS admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins (cf. consid. 4.1 supra). L'
art. 25a al. 5 LAMal
répartit la charge des frais des soins en cas de maladie sur trois débiteurs. Premièrement, une contribution financière aux soins dispensés est fournie par l'assurance obligatoire des soins. Le Département fédéral de l'intérieur a fixé des tarifs journaliers échelonnés en fonction de la durée des soins requis, de 9 à 108 fr. (cf. art. 7a al. 3 de l'ordonnance du Département fédéral de l'intérieur du 29 septembre 1995 sur les prestations dans l'assurance obligatoire des soins en cas de maladie [ordonnance sur les prestations de l'assurance des soins, OPAS; RS 832.112.31], sur délégation de l'
art. 33 let. b et i OAMal
) [part de l'assureur]. Deuxièmement, les coûts des soins qui ne sont pas pris en charge par les assurances sociales peuvent être répercutés sur la personne assurée. Pour éviter qu'une charge démesurée ne pèse sur
BGE 138 I 410 S. 418
celle-ci, l'
art. 25a al. 5 LAMal
a limité sa part à 20 % au plus de la contribution maximale versée par l'assureur social, soit à 20 % de 108 fr. ou 21 fr. 60 par jour [part de l'assuré], les cantons étant libres d'adopter une solution plus favorable aux assurés. Tel est en l'espèce le cas s'agissant du canton de Vaud, qui a en principe opté pour une limitation de la part de l'assuré à 10 % (cf. art. 26g al. 2 let. a LPFES/VD). Troisièmement, le financement des frais qui ne sont couverts ni par l'assureur ni par l'assuré est à prendre en charge par le canton, selon l'art. 25a al. 5 in fine LAMal [part résiduelle] (cf. arrêt 2C_728/2011 du 23 décembre 2011 consid. 3.2).
Le présent litige porte sur la part cantonale et, plus particulièrement, sur les conditions auxquelles les cantons peuvent subordonner son versement. A cet égard, la Cour de céans a précisé que l'
art. 25a al. 5 LAMal
garantit que les coûts des soins résiduels, à savoir l'intégralité des frais effectifs que ni l'assurance obligatoire des soins ni l'assuré ne prendraient à leur charge, soit assumée par les collectivités publiques, soit par le canton ou, si ce dernier décide de les mettre (également) à contribution, par les communes (cf. arrêt 2C_728/2011 du 23 décembre 2011 consid. 3.4 s., confirmé in
ATF 138 II 191
consid. 4.2.3 p. 199; arrêts 2C_228/2011 du 23 juin 2012 consid. 3.2.1; 2C_864/2010 du 24 mars 2011 consid. 4.2). Ce faisant, les cantons disposent d'une large marge d'appréciation relative aux modalités de prise en charge de la part cantonale, en particulier en vue de leur permettre d'intervenir sur les prestataires de soins de santé, afin que ces derniers maîtrisent au mieux le coût des soins à l'aune de l'
art. 32 LAMal
; l'
art. 25a LAMal
ne s'oppose ainsi pas par principe à une tarification forfaitaire de la part résiduelle (cf. arrêts 2C_228/2011 du 23 juin 2012 consid. 3.2.1; 2C_728/2011 du 23 décembre 2011 consid. 3.5.2 ss). Cela étant, la Cour de céans a précisé que le droit social fédéral imposait désormais aux cantons de couvrir les coûts des soins résiduels auprès de tous les EMS autorisés à facturer leurs prestations à l'assurance-maladie obligatoire, sans autres conditions (cf.
ATF 138 II 191
consid. 4.2.3 p. 199).
4.3
Il découle notamment des considérations qui précèdent que les cantons conservent une marge de manoeuvre importante leur permettant de définir la planification sanitaire applicable à leur territoire, ainsi que d'imposer le cas échéant des charges et des conditions aux fournisseurs de soins pour les admettre sur la liste des prestataires autorisés à pratiquer à la charge de l'assurance-maladie obligatoire. Cependant, une fois la liste LAMal établie, les cantons sont alors
BGE 138 I 410 S. 419
seulement tenus de veiller, directement ou en déléguant (partiellement) cette tâche aux communes, à ce que les coûts des soins relatifs aux prestations fournies par les établissements figurant sur cette liste et qui, d'après l'
art. 25a al. 5 LAMal
, ne sont pris en charge ni par les assurances sociales ni par les assurés, soient entièrement couverts par l'Etat. Les cantons ne peuvent donc plus soumettre le principe de la prise en charge financière de la part résiduelle des EMS figurant sur la liste LAMal à des conditions et exigences additionnelles; il leur est en revanche permis, dans les limites fixées par le droit social fédéral, de réglementer les modalités de prise en charge de la part cantonale, par exemple en introduisant une tarification forfaitaire couvrant les coûts globaux, dans le but de favoriser l'économicité des coûts.
5.
5.1
En l'espèce, il ressort de l'exposé des motifs et projets de lois (incluant la novelle de la LPFES/VD) du Conseil d'Etat vaudois (ci-après: l'Exposé des motifs), datant du mois de mars 2011, que les cinq EMS recourants, bien que n'étant pas reconnus d'intérêt public (s'agissant de cette reconnaissance cantonale, cf. art. 4 LPFES/VD), étaient néanmoins considérés comme "nécessaires à la couverture des besoins", de sorte que le Conseil d'Etat entendait "les porter à nouveau sur la liste LAMal" (Exposé des motifs, ch. 2.2.2 et commentaire ad art. 26g LPFES/VD). Or, en tant qu'établissements médico-sociaux figurant sur la liste cantonale LAMal, l'Exposé des motifs soulignait à juste titre que ces derniers avaient le droit de pratiquer à la charge de l'assurance-maladie obligatoire et pouvaient, par voie de conséquence, prétendre à une prise en charge des coûts des soins résiduels par les collectivités publiques vaudoises, soit par l'Etat de Vaud et ses communes (Exposé des motifs, ch. 2.2.2).
Cela étant, il résulte de l'art. 26g al. 3 let. b et c de la novelle attaquée, que l'Etat de Vaud a choisi de ne pas ouvrir un droit automatique à cette forme de financement; en effet, la loi adoptée prévoit que seuls peuvent actuellement - parmi les EMS non reconnus d'utilité publique dans le canton de Vaud, mais figurant sur la liste LAMal - prétendre au financement de la part résiduelle par le canton (cf.
art. 25a al. 5 LAMal
; art. 26g al. 2 let. b LPFES/VD), ceux qui se conforment à plusieurs des conditions auxquelles étaient déjà soumis les EMS reconnus d'intérêt public. A cet égard, le nouveau droit prévoit que les EMS non reconnus d'utilité publique sont, en contrepartie du financement résiduel par les collectivités publiques du canton, "soumis à une bonne partie des conditions posées par la LPFES/VD au
BGE 138 I 410 S. 420
titre de la reconnaissance d'intérêt public. La non-prise en compte de toutes les conditions se justifie par le fait qu'ils ne bénéficient que d'une participation financière partielle de l'Etat" (Exposé des motifs, ch. 2.2.2). L'un des effets escomptés par les conditions posées au financement par l'Etat ressort explicitement de l'Exposé des motifs, dans le sens où, "compte tenu des exigences posées pour l'octroi de cette subvention, il est vraisemblable que de nombreux établissements renonceront à cette possibilité" (ch. 8.2, point 4).
Au cours de la séance du Grand Conseil vaudois du 3 mai 2011, les conditions posées au financement de la part résiduelle des frais de soins prodigués par des EMS non reconnus d'utilité publique mais inscrits sur la liste LAMal, ont suscité d'importants débats au sujet de la marge de manoeuvre que le droit social fédéral laissait aux cantons en la matière; un député contestait notamment que les cantons puissent subordonner l'octroi de ces prestations étatiques à des critères qui seraient, d'après lui, étrangers au but poursuivi par la LAMal, soit des prestations de qualité à un coût raisonnable (cf. Bulletin du Grand Conseil vaudois du 3 mai 2011, intervention de M. Jacques Haldy, p. 35 s.).
5.2
Il procède tant de la lettre de l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD ("à condition qu'ils..."), que de la volonté manifestée par les autorités du canton de Vaud, que l'introduction de la disposition attaquée a pour but de soumettre le règlement du financement de la part résiduelle du canton, selon l'
art. 25a al. 5 LAMal
, au respect de plusieurs conditions par les EMS non reconnus d'utilité publique sur le plan cantonal. Contrairement aux conditions fixées à la let. a de l'art. 26g al. 3 LPFES/VD, qui se contentent de reprendre les obligations de base déjà prévues par l'
art. 39 LAMal
en matière de planification sanitaire (cf. ANNE BENOIT, Le partage vertical des compétences en tant que garant de l'autonomie des Etats fédérés en droit suisse et en droit américain, 2009, p. 111), les conditions supplémentaires instaurées par la disposition cantonale entreprise ont été conçues de manière à imposer des obligations strictes aux EMS concernés, voire de décourager certains d'entre eux de recourir au financement cantonal, faute de pouvoir y satisfaire. Il découle en effet de l'Exposé des motifs que l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD a pour objectif et potentiellement pour effet de limiter le champ d'application de l'
art. 25a al. 5 LAMal
par rapport au versement de la part cantonale.
Or, il a été vu précédemment (consid. 4.2 supra) que le principe du versement de la part résiduelle par les collectivités publiques doit être
BGE 138 I 410 S. 421
compris comme étant non seulement impératif, mais également inconditionnel. Un canton n'est ainsi pas autorisé à subordonner l'obligation de financement de cette part à des conditions ou exigences additionnelles, dès lors qu'un fournisseur de prestations de soins a été admis à pratiquer à la charge de l'assurance obligatoire des soins et figure en conséquence sur la liste LAMal du canton concerné. En ce que l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD revient précisément à imposer de telles conditions supplémentaires, il restreint indûment la portée du droit social fédéral et contrevient partant aux
art. 25a al. 5 et 39 LAMal
. Par voie de conséquence, la disposition cantonale en cause viole la force dérogatoire du droit fédéral consacrée à l'
art. 49 al. 1 Cst.
5.3
En d'autres termes, la violation du droit supérieur constatée ne résulte pas tant du contenu des conditions imposées par l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD, mais de la soumission de l'obligation de prendre en charge la part résiduelle cantonale qui découle de l'
art. 25a al. 5 LAMal
à des conditions additionnelles. Ainsi, un canton qui, après avoir vérifié qu'un EMS remplit les exigences dictées par le droit social fédéral et correspond aux besoins de planification cantonale, décide d'inscrire ce dernier sur la liste prévue par la LAMal, est aussi tenu de prendre à sa charge la part résiduelle des frais de soins conformément à l'
art. 25a al. 5 LAMal
.
Cela étant, cette obligation de financement à charge des cantons n'empêche pas ces derniers, en conformité avec la LAMal et, notamment, l'ordonnance du 3 juillet 2002 sur le calcul des coûts et le classement des prestations par les hôpitaux, les maisons de naissance et les établissements médico-sociaux dans l'assurance-maladie (OCP; RS 832. 104, cf. en particulier son art. 11), de soumettre les EMS à un certain contrôle financier en rapport avec leur admission à pratiquer à charge de l'assurance obligatoire des soins, ainsi qu'à leur prescrire la manière de ventiler les données statistiques ou comptables y relatives pour être en mesure d'opérer une surveillance uniforme et transparente (cf.
ATF 138 II 398
consid. 6.2 p. 432 ss). La violation du droit social fédéral réside en l'occurrence dans le fait pour la disposition attaquée d'avoir conditionné le versement de la part résiduelle (et non pas, par exemple, l'inscription d'un établissement sur la liste LAMal) au respect d'une série d'exigences cantonales. Dans la mesure où un EMS inscrit sur la liste LAMal ne respecterait pas ou plus les exigences légales et conditions régissant l'inscription, le canton pourra décider de l'en rayer ou d'appliquer d'autres sanctions ou mesures que le droit fédéral lui permet de prendre. En revanche, aussi
BGE 138 I 410 S. 422
longtemps que l'établissement en cause figurera sur la liste cantonale des établissements habilités à pratiquer à charge de l'assurance obligatoire des soins, le canton ne pourra refuser de couvrir la part résiduelle des soins de santé y afférente.
5.4
Dès lors que la disposition querellée est contraire au droit supérieur dans son ensemble, en raison des conditions auxquelles elle subordonne le remboursement de la part résiduelle selon l'
art. 25a al. 5 LAMal
, nul n'est en l'espèce besoin, tel qu'y avait procédé la Cour constitutionnelle du Tribunal cantonal, d'examiner point par point si les conditions imposées par l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD, et les renvois à d'autres normes que cette disposition opère, "correspondent au sens et au but des prescriptions fédérales (qualité, économicité, service d'intérêt public comme l'admission de tous les patients, service d'urgence, etc.)". Soit un EMS remplit les conditions pour figurer sur la liste LAMal et, dans ce cas, le canton doit assu-mer la part résiduelle; soit il ne remplit pas les conditions, notamment, de qualité et d'économicité, de sorte que son inscription sur la liste LAMal devra lui être refusée ou, si l'établissement s'y trouve déjà, il devra être radié. Ainsi, la question qui se posait aux derniers juges ne se laissait pas résoudre par le biais de l'interprétation conforme du droit cantonal au droit supérieur, mais à la lumière de la systématique imposée par le droit social fédéral.
5.5
En résumé, la violation du droit supérieur constatée ne découle pas du contenu des conditions imposées par les dispositions litigieuses, mais de la fixation de conditions supplémentaires à la prise en charge de la part résiduelle cantonale pour des EMS figurant sur la liste LAMal. Le présent arrêt ne préjuge ainsi nullement de la possibilité pour un canton, qui dispose à ce titre d'une large marge d'appréciation, de conditionner - non pas le remboursement de la part cantonale -, mais l'admission d'un établissement sur la liste LAMal (cf.
art. 39 LAMal
) au respect de certaines conditions. Il ne prive pas non plus le canton de la possibilité d'inviter certains établissements à respecter des conditions particulières plus contraignantes en contrepartie d'avantages - en particulier des subventions - qui iraient au-delà du seul financement obligatoire des soins, applicable à tous les EMS inscrits sur la liste LAMal, de la part résiduelle selon l'
art. 25a al. 5 LAMal
(cf.
ATF 138 II 191
consid. 4.2.3 p. 199). Le présent arrêt ne limite pas non plus la faculté pour un canton, dans le respect de la LAMal, de ne pas reconduire le nom d'un EMS sur la liste cantonale (cf. consid. 5.4 supra), au motif que ce dernier ne se serait
BGE 138 I 410 S. 423
notamment pas tenu aux principes de l'économicité ou de la qualité des soins, voire le droit du canton d'intervenir de façon ponctuelle, y compris sur le plan financier, pour faire respecter les principes de base de l'assurance obligatoire des soins.
En outre, il convient de ne pas confondre, comme le font les autorités cantonales, la marge de manoeuvre dont disposent les autorités s'agissant des modalités du versement de la part résiduelle, notamment la possibilité de prévoir une tarification raisonnable, avec le devoir inconditionnel, résultant du régime de l'assurance-maladie de base, de couvrir les frais de soins non pris en charge par l'assureur-maladie et les assurés sociaux.
Enfin, la Cour de céans souligne que la violation constatée se rapporte à la compatibilité de la réglementation cantonale attaquée concernant la couverture des soins de santé avec le régime fédéral de l'assurance-maladie de base. Compte tenu du résultat du recours, le présent arrêt n'a donc pas à se prononcer au sujet du respect par la disposition querellée des exigences fédérales relatives à la couverture des frais socio-hôteliers en faveur des personnes démunies (cf., à ce titre,
ATF 138 II 191
consid. 5.3-5.8 p. 205 ss).
5.6
Le caractère inconditionnel de l'obligation de couvrir la part cantonale fait d'emblée obstacle à une interprétation conforme au droit fédéral des conditions additionnelles que prétend imposer l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD. Il y a par conséquent lieu d'admettre le recours sur ce point, ce qui conduit à l'annulation de l'arrêt du 6 février 2012 rendu par la Cour constitutionnelle du Tribunal cantonal, qui a à tort déclaré l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD conforme au droit supérieur.
5.7
Le grief tiré de la violation de la primauté du droit fédéral (
art. 49 al. 1 Cst.
) étant admis, il n'est donc pas nécessaire d'examiner si l'art. 26g al. 3 let. b et c LPFES/VD viole en sus, comme le font valoir les recourantes, leur liberté économique. | public_law | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a34d671e-7b5c-4130-9710-f9f8a8d997c3 | Urteilskopf
90 II 235
28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juli 1964 i.S. Häring gegen Wortmann. | Regeste
Aktienrecht, Kauf vinkulierter Namenaktien.
Folgen der Nichtzustimmung der Gesellschaft zur Aktienübertragung (Bestätigung und Verdeutlichung der Rechtsprechung) (Erw. 1-3).
Vertragslücke; Ausfüllung durch den Richter (Erw. 4).
Art. 627 Ziff. 8, 685/6 OR, 2 ZGB. | Sachverhalt
ab Seite 236
BGE 90 II 235 S. 236
A.-
In Winterthur besteht seit dem Jahre 1934 die Johann Lerch A.-G., Bauunternehmung. Ihr Gesellschaftskapital ist in 450 volleinbezahlte Namenaktien zu je Fr. 1000. - eingeteilt. Nach § 5 Abs. 1 der Statuten erfolgt die Übertragung der Aktien durch Indossament; nach § 5 Abs. 2 bedarf jedoch jede Übertragung der Genehmigung durch die Generalversammlung.
Das Unternehmen war ursprünglich eine Familien-A.-G. Noch im Jahre 1951 waren 425 von den insgesamt 450 Aktien in der Hand von Mitgliedern der Familie Häring-Lerch. In der Folge veräusserten verschiedene Familienmitglieder Aktien an Dritte, so dass sich 1954 mehr als die Hälfte aller Aktien, nämlich 249 Stück, in familienfremden Händen befanden.
Der Kläger Emil Häring, der ursprünglich 108 Aktien besass, hatte am 25. Januar 1952 30 Stück an den technischen Leiter des Unternehmens, Beglinger, verkauft, wobei ihm der Käufer ein Rückkaufsrecht einräumte. Dieser Verkauf wurde mit Beschluss der Generalversammlung vom 4. Juni 1952 genehmigt.
Am 3. Dezember 1953 erklärte Häring, von seinem Rückkaufsrecht Gebrauch machen zu wollen. An der Generalversammlung vom 26. März 1954 kam jedoch die für die Genehmigung dieser Rückübertragung erforderliche qualifizierte Stimmenmehrheit nicht zustande. Mit Rücksicht hierauf verweigerte Beglinger die Herausgabe der Aktien an Häring. Auf dessen Klage hin wurde er jedoch durch das Bundesgericht als letzte Instanz mit Urteil vom 11. Juni 1957 (
BGE 83 II 297
ff.) verpflichtet, Häring die 30 Namenaktien zu Eigentum zu übertragen, da die Nichtzustimmung der Gesellschaft lediglich den Übergang der Mitgliedschaftsrechte an den Aktien verhindere, während die Gültigkeit des Kaufvertrages als solchen davon nicht
BGE 90 II 235 S. 237
berührt werde. Auf Grund dieses Urteils händigte Beglinger dem Kläger die 30 Namenaktien aus, blieb aber im Aktienbuch der Gesellschaft als Aktionär eingetragen.
B.-
Der Beklagte Luc Wortmann-Häring, der gemäss übereinstimmender Darstellung der Parteien zusammen mit seiner Ehefrau 141 Aktien der Johann Lerch A.-G. besass, hatte am 10. Juli 1953 mit dem Kläger Emil Häring, seinem Schwager, einen Vertrag abgeschlossen, wonach der Kläger ihm 88 Aktien der Gesellschaft zum Nominalwert von je Fr. 1000. - verkaufte. Zur Erfüllung dieses Vertrages hatte der Kläger 38 in seinem Besitz befindliche Aktien dem Beklagten sofort indossiert zu übergeben; ferner verpflichtete er sich, die an Beglinger verkauften Aktien auf Grund seines Rückkaufsrechtes zurückzuerwerben und 20 weitere bei einer Bank hinterlegte Aktien auszulösen (Ziff. 4-6 des Vertrages).
Im weiteren bestimmte der Vertrag:
7. Mit diesem Kaufvertrag verpflichtet sich Herr Emil Häring unwiderruflich, Herrn Luc Wortmann das Eigentum an insgesamt 88 Aktien der JOH. LERCH A.-G. zu übertragen. Der gesamte Vertrag fällt dahin, sofern Herr Emil Häring nicht in der Lage sein sollte, die 30 Titel, welche er von Herrn Beglinger zurückzukaufen hat und die 20 Titel, welche er bei der Schweiz. Volksbank einzulösen hat, Herrn Luc Wortmann indossiert auszuhändigen und seine eigenen 38 Titel ebenfalls zu übertragen.
8. Mit der Abwicklung der Geschäfte gemäss § 5 und 6 dieses Vertrages verpflichtet sich Herr Emil Häring, bis zur Übertragung der Aktien im Aktienbuch der Gesellschaft auf Herrn Luc Wortmann diesen unwiderruflich zu bevollmächtigen, das Stimmrecht für die gesamten 88 Aktien an jeder ordentlichen oder ausserordentlichen Generalversammlung, sowie bei jedem sonstigen Anlass auszuüben, sowie sämtliche übrigen Rechte, die aus den Aktientitel fliessen, für sich zu beanspruchen, nachdem das Eigentum an diesen Aktien durch Herrn Emil Häring auf Herrn Luc Wortmann hierdurch uneingeschränkt übertragen wird.
9. Herr Emil Häring wird sämtliche Titel indossieren und falls es nötig sein sollte, den entsprechenden Antrag an die Verwaltung stellen, dass die Titel auf Herrn Luc Wortmann im Aktienbuch übertragen werden.
...
11. Dieser Vertrag ist unwiderruflich. Er steht unter der einzigen Bedingung, dass Herr Emil Häring die gesamten 88 Aktien auf Herrn Luc Wortmann übertragen kann. Die
BGE 90 II 235 S. 238
Lieferung nur eines Teils der gesamten Aktien ist unzulässig und macht diese Vereinbarung hinfällig.
Dieser Kaufvertrag wurde von den Parteien der Gesellschaft gegenüber geheimgehalten und vom Kläger auch in dem oben erwähnten Prozess gegen Beglinger nicht bekanntgegeben.
Im Anschluss an des Urteil des Bundesgerichts im Prozess Häring/Beglinger beauftragte der Kläger am 20. Juli 1957 seinen damaligen Anwalt, dem Beklagten die 30 von Beglinger zurückerhaltenen Aktien zu übergeben. Gleichzeitig schrieb er dem Beklagten, er verpflichte sich, die Aktien an ihn zu indossieren. Da der Beklagte bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen mit der Genehmigung der Aktienübertragung nicht rechnete, suchte er nicht darum nach. Dagegen gab der Kläger mit Schreiben vom 27. Februar 1959 dem Verwaltungsratspräsidenten der A.-G., Dr. Hess, den Aktienverkauf bekannt. Dr. Hess bestätigte den Empfang dieser Mitteilung und bemerkte dazu, er mache den Kläger darauf aufmerksam, dass der Wert der Aktien wesentlich über dem Nominalwert liege; er selber wäre ohne weiteres bereit, sie zu einem Kurswert von 200% des Nominalwertes zu übernehmen. Daraufhin nahm der Kläger mit Schreiben vom 1. November 1959 an den Beklagten den Standpunkt ein, der Kaufvertrag vom 10. Juli 1953 sei hinfällig geworden.
In der Folge verlangten beide Parteien von der Gesellschaft die Auszahlung der auf die 88 Aktien entfallenden Dividende für das Geschäftsjahr 1958. Die Gesellschaft hinterlegte mit Ermächtigung des zuständigen Richters den streitigen Dividendenbetrag bei der Bezirksgerichtskasse Winterthur.
C.-
Mit Klage vom 15. März 1961 stellte Häring das Begehren, der Beklagte Wortmann sei zur Herausgabe der bei der Bezirksgerichtskasse Winterthur hinterlegten Summe von Fr. 6328.65 zu verpflichten.
Das Bezirksgericht Winterthur und das Obergericht des
BGE 90 II 235 S. 239
Kantons Zürich wiesen dieses Klagebegehren ab und gaben der Bezirksgerichtskasse Winterthur Weisung, den von der Joh. Lerch A.-G. hinterlegten Dividendenbetrag dem Beklagten auszuzahlen.
Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers gegen diesen Entscheid ab, im wesentlichen auf Grund der folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Gleich wie im Prozess Häring/Beglinger (
BGE 83 II 297
f.) geht auch im vorliegenden Falle der Streit um die Rechtsbeständigkeit eines Kaufvertrages über vinkulierte Namenaktien, deren Erwerber von der A.-G. nicht als Aktionär angenommen wird. Überdies handelt es sich um Aktien der gleichen Gesellschaft, ja zum Teil sogar um die gleichen Aktien, und der heutige Kläger Häring war auch am früheren Prozess als Partei beteiligt. Die beiden Fälle unterscheiden sich lediglich dadurch, dass Häring damals Käufer der Aktien war und die Gültigkeit des Kaufvertrages verfocht, während er heute Verkäufer ist und den Standpunkt einnimmt, der Kaufvertrag der Parteien sei ungültig. Diese Verschiedenheit des Sachverhalts ändert jedoch nichts daran, dass in beiden Fällen die gleichen Rechtsfragen zu entscheiden sind. Es ist daher bei der Beurteilung des vorliegenden Streites auf die im Urteil im andern Prozess,
BGE 83 II 297
ff., aufgestellten Grundsätze zurückzugreifen.
2.
a) Im genannten Entscheid hat das Bundesgericht ausgeführt, die Nichtgenehmigung der Übertragung vinkulierter Namenaktien durch die Gesellschaft verhindere lediglich den Übergang der mit den Aktien verbundenen Mitgliedschaftsrechte, während sie dem Übergang der Vermögensrechte aus ihnen nicht entgegenstehe. Der Kaufvertrag zwischen Aktionär und abgewiesenem Erwerber könne daher gleichwohl bestehen bleiben, sofern die Parteien dies so vereinbart hätten.
BGE 90 II 235 S. 240
Die Folge sei, dass die Mitgliedschaftsrechte und die Vermögensrechte verschiedenen Trägern zustünden.
Die zur Umschreibung dieses Sachverhaltes gebrauchte Wendung, es trete "eine Spaltung der Aktienrechte" ein, ist in der Literatur beanstandet worden. Man hat ihr entgegengehalten, die Aktie sei als Recht unteilbar; die Unterscheidung zwischen Mitgliedschafts- und Vermögensrechten sei dem Gesetz nicht bekannt und unrichtig; zu unterscheiden sei vielmehr zwischen Verwaltungsrechten (wie dem Stimmrecht) und Vermögensrechten (wie dem generellen Recht auf Gewinn), die beide Mitgliedschaftsrechte seien. Ein selbständiges rechtliches Schicksal und einen vom Aktionär verschiedenen Träger könnten höchstens die aus den mitgliedschaftsrechtlichen Vermögensrechten fliessenden Forderungen im gewöhnlichen obligationenrechtlichen Sinn haben, so namentlich das Recht auf Bezug der beschlossenen Dividende. Von einer Abspaltung mitgliedschaftlicher Vermögensrechte, wie z.B. des jährlichen Anspruchs auf Verteilung des erzielten Reingewinns, könne dagegen keine Rede sein. Das Bundesgericht habe somit über das Ziel hinausgeschossen, wenn es die "Vermögensrechte aus der Aktie", ohne sie genau zu umschreiben, als "trennbar" erkläre (JÄGGI, ZSR 1958 I S. 525 ff., sowie SAG 33 S. 65 ff; im gleichen Sinne CARRY in einem noch nicht veröffentlichten Vortrag "Le transfert entre vifs des actions nominatives liées", Genf 1961).
b) Wenn in
BGE 83 II 297
ff. von der Möglichkeit der Abspaltung der mit der Aktie verbundenen Vermögensrechte gesprochen wird, so wollte das Bundesgericht unter diesen "Vermögensrechten" nichts anderes verstanden wissen als die Forderungsrechte im Sinne der Ausführungen von JÄGGI und CARRY. Dass das generelle Recht auf Gewinnausschüttung, d.h. der Anspruch auf Festsetzung einer gesetzes- und statutengemässen Dividende, wie auch das Recht, bei der Festsetzung des Liquidationsanteils mitzuwirken, auf den abgelehnten Erwerber übergehen,
BGE 90 II 235 S. 241
sollte mit dem erwähnten Entscheid nicht gesagt werden. Diese Rechte gehören auch nach der Meinung des Bundesgerichtes zu den Mitgliedschaftsrechten, da sie eine Mitwirkung bei der Willensbildung der Gesellschaft voraussetzen, die nur dem Aktionär zustehen kann. Sie sind Mitbestimmungsrechte in der Gesellschaft und als solche Bestandteil der Aktie als Recht, der Aktionäreigenschaft, die ihrem Wesen nach unteilbar ist (so auch BÜRGI,
Art. 686 OR
N. 98). Was auf den abgelehnten Aktienerwerber übergeht, sind auch nach der Auffassung des Bundesgerichtes lediglich die aus den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten entstandenen oder in Zukunft entstehenden einzelnen Forderungsrechte: Der Anspruch auf Auszahlung der beschlossenen Dividende, auf Ausrichtung des Liquidationsanteils, der sich auf Grund der von der Generalversammlung genehmigten Schlussabrechnung und des auf deren Grundlage erstellten Verteilungsplanes ergibt. Da diese allein auf den abgelehnten Erwerber übergehenden Forderungsrechte aber immerhin aus den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten an der Aktie herauswachsen, also primär ebenfalls dem Aktionär zustehen, lässt sich ihre Übertragung auf den Erwerber doch wohl als "Abspaltung" oder "Abtrennung" bezeichnen. Dagegen empfiehlt es sich zur Verhütung von Missverständnissen, statt von einer Trennbarkeit von Mitgliedschafts- und Vermögensrechten, bezw. einer Abspaltung der Vermögensrechte schlechthin, von der Abspaltung oder Abtrennung der aus der vinkulierten Aktie fliessenden Forderungsrechte zu sprechen.
Im übrigen ist an den im Sinne der vorstehenden Erläuterungen verdeutlichten Ausführungen in
BGE 83 II 297
ff. festzuhalten, denen auch JÄGGI und CARRY, trotz ihrer Kritik in terminologischer Hinsicht, im Ergebnis zugestimmt haben. Insbesondere geht auch nach ihrer Auffassung beim Aufrechtbleiben des Veräusserungsgeschäftes das Eigentum an der Aktienurkunde mit ihrer Übergabe trotz der Eintragungsverweigerung der Gesellschaft
BGE 90 II 235 S. 242
auf Grund des Indossaments auf den Erwerber über (JÄGGI, SAG 33 S. 67 f.).
Das Bundesgericht hat um so weniger Anlass, von seiner Rechtsprechung abzuweichen, als sich die Auffassung vom Übergang der Forderungsrechte im oben genannten Sinn sowie des Eigentums an der Aktienurkunde beim Verkauf vinkulierter Namenaktien in der Praxis seit langem durchgesetzt hat (BÜRGI,
Art. 686 OR
N. 100 f.; FLATTET, La dissociation des droits de l'action, in Mélanges François Guisan, S. 164).
c) Ob bei Abweisung des Käufers durch die Gesellschaft der Veräusserer jenem gegenüber verpflichtet sei, auf die Ausübung der bei ihm verbleibenden Mitgliedschaftsrechte zu verzichten (so JÄGGI, ZSR 1958 I S. 526 f., sowie SAG 33 S. 67), war im Falle Häring/Beglinger nicht zu entscheiden und kann auch heute offen bleiben. Das gleiche gilt für die Frage nach dem Schicksal der Bezugsrechte.
Offen bleiben kann schliesslich auch die Frage, ob der abgewiesene Erwerber einer vinkulierten Namenaktie, der keine Coupons beigegeben sind, von der Gesellschaft die Auszahlung der Dividende beanspruchen kann (so FLATTET, op.cit. S. 147), oder ob die Gesellschaft die Dividende nur an den als Aktionär im Aktienbuch Eingetragenen zu bezahlen habe (so JÄGGI, SAG 33 S. 70). Denn diese Frage war, wie auch JÄGGI anerkennt, ohne Einfluss auf den Entscheid im Falle Häring/Beglinger, und im heutigen Falle ist sie nicht streitig, da die Gesellschaft durch die Hinterlegung der Dividende anerkannt hat, sie dem Beklagten zu schulden, falls er im Prozess obsiegt. Das Bundesgericht hat sich somit im vorliegenden Prozess nicht abschliessend darüber auszusprechen, welche Rechte die Aktie dem abgewiesenen Erwerber verschafft.
d) Gemäss den aus
BGE 83 II 297
ff. zu übernehmenden Grundsätzen ist somit der Übergang sämtlicher Rechte aus den 88 Aktien auf den Beklagten nicht notwendige Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit des Kaufvertrages der Parteien vom 10. Juli 1953.
BGE 90 II 235 S. 243
3.
Der Kläger glaubt, die Ungültigkeit des Kaufvertrages daraus ableiten zu können, dass nach § 5 Abs. 2 der Statuten "jede Übertragung von Aktien zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung einer Generalversammlung bedarf".
Dieser Einwand beruht auf der Auffassung, das Gesetz unterscheide zwischen dem Verbot und der Beschränkung der Übertragung von Namenaktien gemäss
Art. 627 Ziff. 8 OR
einerseits und der Verweigerung der Eintragung des Erwerbers im Aktienbuch gemäss Art. 685/86 OR anderseits; die A.-G. könne daher in den Statuten die Übertragbarkeit als solche beschränken mit der Folge, dass für die Gültigkeit des ganzen Veräusserungsgeschäftes die Zustimmung der Gesellschaft notwendig sei; sie könne sich aber auch bloss das Recht vorbehalten, die Eintragung des Erwerbers im Aktienbuch zu verweigern, was lediglich den Übergang der Aktionäreigenschaft verhindere, das Veräusserungsgeschäft über die Aktienurkunde dagegen nicht berühre.
Diese aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleitete Unterscheidung ist jedoch in
BGE 83 II 301
abgelehnt worden, weil der Entscheid über die Zulassung oder Abweisung des Erwerbers im Beschluss des dafür nach den Statuten zuständigen Organs liege; der Vornahme oder Verweigerung der Eintragung im Aktienbuch komme keine selbständige Bedeutung zu, sondern sie stelle lediglich die Vollzugsmassnahme des bereits getroffenen Entscheides dar. Diese Auffassung über die Tragweite der Eintragung im Aktienbuch hat das Bundesgericht in
BGE 90 II 171
, Erw. 3, mit einlässlicher Begründung bestätigt.
Damit ist dem vom Kläger gestützt auf den Wortlaut von § 5 Abs. 2 der Statuten erhobenen Einwand der Boden entzogen.
4.
a) Die Vorinstanz hat angenommen, da den Parteien die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Veräusserungsgeschäftes trotz fehlender Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Aktionärrechte nicht bewusst gewesen sei, weise der Kaufvertrag gleich wie im Falle
BGE 90 II 235 S. 244
Häring/Beglinger eine Lücke auf; diese sei durch den Richter nach dem mutmasslichen Parteiwillen in dem Sinne auszufüllen, dass das Ausbleiben der Genehmigung der Gesellschaft zur Aktienübertragung das Veräusserungsgeschäft nicht hinfällig machen sollte.
b) Der Kläger wendet mit der Berufung ein, im vorliegenden Fall bestehe entgegen der Auffassung des Obergerichts keine Vertragslücke. Dass die Parteien die erwähnte Spaltungsmöglichkeit nicht kannten, sei belanglos; denn aus dem Vertragstext, sowie aus den gesamten Umständen gehe hervor, dass der Vertrag nach dem Willen der Parteien nur gelten sollte, wenn der Kläger vollständig erfüllen, d.h. alle 88 Aktien zu vollem Recht auf den Beklagten übertragen könne. Diese Schlussfolgerung stützt der Kläger auf Ziff. 11 des Vertrages, die dessen Gültigkeit von der Übertragung der sämtlichen 88 Aktien abhängig macht, sowie auf Ziff. 7 und 8, welche die "uneingeschränkte Übertragung" der Aktien vorsehen und bestimmen, dass der Verkäufer dem Erwerber den unwiderruflichen Auftrag erteile, ihn bis zur Eintragung des Erwerbers im Aktienbuch an der Generalversammlung zu vertreten.
c) Wie der Kläger zugibt, war den Parteien beim Abschluss des Vertrages vom 10. Juli 1953 nicht bekannt, dass selbst bei Nichtzustimmung der Gesellschaft zur Aktienübertragung das Eigentum an den Aktientiteln und die Forderungsrechte aus diesen übertragen werden können. Sie konnten deshalb keine Vorstellung darüber haben, ob im Falle der Nichtgenehmigung der Aktienübertragung durch die A.-G. das Veräusserungsgeschäft bestehen bleiben oder dahinfallen solle. Das schliesst eine Entscheidung dieser Frage auf dem Wege blosser Auslegung des Vertrages aus. Es liegt entgegen der Auffassung des Klägers auch hier eine Vertragslücke vor. Da diese nicht einen wesentlichen Punkt betrifft, dessen Nichtregelung das Zustandekommen des Vertrages in Frage stellen könnte, ist sie dem Sinn und Zweck des Vertrages entsprechend vom Richter auszufüllen, und zwar in der Weise, wie es angesichts der gesamten Sachlage
BGE 90 II 235 S. 245
die Parteien selber nach Treu und Glauben vermutlich getan hätten (
BGE 83 II 308
f.).
d) Bei der Ermittlung dieses mutmasslichen Parteiwillens ist in bezug auf den Beklagten davon auszugehen, dass er gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz schon im Jahre 1953 danach strebte, die Aktienmehrheit in der Gesellschaft zu erlangen. Da er damals zusammen mit seiner Ehefrau über 141 Aktien verfügte, hätte er dieses Ziel nur erreichen können, wenn er vom Kläger die sämtlichen 88 Aktien bekommen hätte, die Gegenstand des Vertrages der Parteien bildeten. Daraus erklärt sich, dass er in Ziff. 7 und 11 des Vertrages dessen Gültigkeit von der Aushändigung aller dieser 88 Aktien abhängig machte, während die Lieferung nur eines Teils derselben ausdrücklich als unzulässig bezeichnet wurde. Diese Bedingung konnte sich, da den Parteien ja die Möglichkeit einer Übertragung bloss des Eigentums an den Aktienurkunden nicht bewusst war, nur auf die Zahl der Aktien beziehen, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat.
Nach der Erlangung der Aktienmehrheit strebte der Beklagte, um auf die Beschlüsse der A.-G. einen massgebenden Einfluss ausüben zu können. Dazu hätte es des Übergangs der Aktien des Klägers mit allen Rechten bedurft. Angesichts der gegebenen Umstände war sich der Beklagte jedoch im klaren darüber, dass die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung vorläufig nicht erhältlich sein werde. Aus diesem Grunde wurde der Vertrag der Gesellschaft gegenüber geheimgehalten und in Ziff. 8 vereinbart, dass der Kläger den Beklagten unwiderruflich zur Ausübung der Aktionärrechte, insbesondere des Stimmrechts, bevollmächtige. Diese Vereinbarung war allerdings, wie schon die Vorinstanz zutreffend ausführt, als rechtsmissbräuchliche Umgehung der statutarischen Vinkulierungsbestimmungen ungültig (
BGE 81 II 540
). Aber sie lässt immerhin erkennen, dass der Beklagte das Geschäft nicht von der sofortigen Erlangung aller mit den Aktien verbundenen Rechte abhängig machen wollte. Es darf daher mit Sicherheit angenommen
BGE 90 II 235 S. 246
werden, dass er auch gewillt gewesen wäre, sich vorläufig mit dem Übergang des Eigentums an den Aktienurkunden und der damit verbundenen Forderungsrechte abzufinden, wenn er die Möglichkeit einer solchen Regelung gekannt hätte. Diese Annahme wird auch durch sein späteres Verhalten bestätigt, da er stets am Vertrag festgehalten hat und zur Bezahlung des vollen Kaufpreises bereit ist, obwohl ihm der Kläger die Aktionärrechte nicht zu verschaffen vermag.
Auf der andern Seite hätte auch der Kläger vermutlich zu der Aufrechterhaltung des Geschäftes mit dieser beschränkten Tragweite Hand geboten. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz entschloss er sich zum Verkauf der Aktien an den Beklagten, seinen Schwager, damit sie auch weiterhin im Familienbesitz verblieben. Er war sich zwar dessen bewusst, dass dieses Resultat nicht im vollen Umfang erreichbar sei, solange die Gesellschaft ihre Zustimmung zur Übertragung verweigerte. Da er aber immerhin grundsätzlich gewillt war, die Aktien dem Beklagten zu überlassen, darf angenommen werden, er wäre auch mit einer Ausgestaltung des Vertrages einverstanden gewesen, die wenigstens eine teilweise Verwirklichung seiner Absicht bedeutete. Auch sein späteres Verhalten weist in der gleichen Richtung: Am 20. Juli 1957, also mehrere Wochen nach dem bundesgerichtlichen Urteil in seinem Prozess gegen Beglinger, beauftragte er seinen Anwalt, die Aktien dem Beklagten auszuhändigen, und gleichzeitig verpflichtete er sich diesem gegenüber, die Indossierung vorzunehmen. Zwar kannte er damals die Begründung des Urteils noch nicht; aber im Prozess, der drei Jahre gedauert hatte, waren die massgebenden Rechtsfragen einlässlich erörtert worden und mussten daher auch dem Kläger bekannt sein. Erst zwei Jahre später, im November 1959, nahm er dann plötzlich den Standpunkt ein, der Kaufvertrag sei hinfällig; dieser Frontwechsel war aber nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanzen einzig und allein auf das ihm vom Verwaltungsratspräsidenten Hess gemachte Angebot
BGE 90 II 235 S. 247
zurückzuführen, die Aktien zum doppelten Betrag ihres Nennwertes zu übernehmen.
Mit der Vorinstanz ist deshalb der Vertrag in dem Sinne zu ergänzen, dass das Veräusserungsgeschäft auch wirksam bleibe, wenn die Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung der Aktionäreigenschaft nicht erhältlich sein sollte. Diese Lösung ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, auf die es entscheidend ankommt, die einzig vertretbare, weil einerseits der Beklagte zur Erfüllung des Vertrages bereit ist, obwohl er nur einen Teil der angestrebten Gegenleistung erhält, und anderseits der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem heute von ihm behaupteten Dahinfallen des Veräusserungsgeschäftes geltend machen kann. Denn für ihn hat das Fehlen der Zustimmung der Gesellschaft keinerlei nachteilige Folgen; er hat dem Beklagten die Aktienurkunden gegen Entrichtung des vollen Kaufpreises zu übergeben. Dass er die Aktionäreigenschaft beibehält, ist für ihn belanglos. Selbst wenn man annehmen wollte, dass er an sich zur Ausübung der damit verbundenen Rechte, insbesondere des Stimmrechts, befugt bleibe, wäre er auf jeden Fall dazu nicht verpflichtet. | public_law | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a34e3e2f-44a8-4da6-bd7d-1753e216d0a0 | Urteilskopf
138 II 331
25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.X. AG gegen C. AG und Mitb. sowie Einwohnergemeinde Burgdorf und Bau-, Verkehrs- und Energie- direktion des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_237/2011 vom 6. Juni 2012 | Regeste
Art. 11 und 25 USG
,
Art. 7 und Anhang 6 LSV
; Berücksichtigung von nicht ständig auftretenden Lärmspitzen im Baubewilligungsverfahren.
Eintretensvoraussetzungen (E. 1).
Für die Zulässigkeit des von einer Anlage erzeugten Lärms ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob auf die effektive Betriebsdauer der Lärmquelle selbst oder des Gesamtbetriebes abgestellt wird. Eine auch als "Lärmverdünnung" bezeichnete Umrechnung des Lärms kommt namentlich bei Verkehrsanlagen in Frage. Damit sind maschinelle Lärmspitzen nicht vergleichbar. Wenn der während der effektiven Betriebszeit verursachte Lärm den zulässigen Planungswert und sogar den Immissionsgrenzwert übersteigt, steht dies der Erteilung einer Baubewilligung grundsätzlich entgegen (E. 2-4).
Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn die Lärmspitzen von der Dauer und Häufigkeit her zeitlich beschränkt auftreten (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 332
BGE 138 II 331 S. 332
A.
A.a
Am 17. Januar 2008 stellte die A.X. AG bei der Einwohnergemeinde Burgdorf ein Baugesuch für die Errichtung und den Betrieb eines Bauschuttaufbereitungsplatzes im Freien auf der Parzelle Burgdorf Grundbuchblatt Nr. x. Gemäss dem Zonenplan der Einwohnergemeinde Burgdorf liegt das Grundstück in der Arbeitszone 18m mit Lärm-Empfindlichkeitsstufe IV und bildet Teil der Überbauungsordnung Industrie Buchmatt. Auf dem geplanten knapp eine Hektare grossen, teilweise befestigten Bauschuttaufbereitungsplatz sollen pro Jahr rund 25'000 m
3
an mineralischen Bauabfällen angenommen, gelagert und teilweise verarbeitet werden.
A.b
Für den Betrieb des Bauschuttaufbereitungsplatzes ist der Einsatz eines Pneuladers, eines Baggers und eines mobilen Brechers mit Siebanlage vorgesehen. Welche Maschinentypen eingesetzt werden, ist noch offen. Möglich ist auch, dass auf den Bagger verzichtet werden kann, indem das Beschicken des Brechers vom Pneulader aus erfolgt. Der mobile Brecher soll nach Bedarf zugemietet werden, weshalb verschiedene Modelle zum Einsatz gelangen könnten. In den Gesuchsunterlagen reichte die A.X. AG einen Umweltverträglichkeitsbericht der G. AG in Bern vom 20. Dezember 2007 ein. Dieser setzte sich vornehmlich mit der Lärmbelastung auseinander, welche die für den Betrieb vorgesehenen Maschinen verursachen, wobei der Brecher am meisten Lärm erzeugt.
BGE 138 II 331 S. 333
B.
Gegen das Bauprojekt erhoben erstens gemeinsam die C. AG (Mieterin der Nachbarparzelle Nr. xy), die D. AG (Baurechtsinhaberin an der Nachbarparzelle Nr. xy) und die E. AG (Eigentümerin der Nachbarparzellen Nrn. xy und xz) sowie zweitens F. (Eigentümer der Nachbarparzellen Nrn. yy und yz) Einsprache. Im Verlauf des Einspracheverfahrens wurde der Umweltverträglichkeitsbericht zweimal ergänzt. Am 29. April 2010 verweigerte die Bau- und Planungskommission der Einwohnergemeinde Burgdorf die Gesamtbaubewilligung.
C.
Gegen die Verweigerung der Bewilligung reichte die A.X. AG Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern ein. Diese hiess die Beschwerde am 12. Mai 2010 gut, hob die angefochtene Verfügung in der Sache auf und erteilte die Gesamtbewilligung für die Errichtung und den Betrieb eines Bauschuttaufbereitungsplatzes auf der fraglichen Parzelle Nr. x.
D.
Dagegen erhoben die C. AG, die D. AG und die E. AG einerseits und F. andererseits Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses vereinigte die beiden Verfahren. Mit Urteil vom 6. April 2011 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerden gut, hob den Direktionsentscheid vom 12. Mai 2010 auf und verweigerte die Gesamtbewilligung für die Errichtung und den Betrieb des Bauschuttaufbereitungsplatzes auf der Parzelle Burgdorf Grundbuchblatt Nr. x. Zur Begründung stützte sich das Verwaltungsgericht im Wesentlichen darauf, dass der vom mobilen Brecher verursachte Lärm die Immissionsgrenzwerte deutlich übersteige; da dies an mindestens 36 Tagen im Jahr zutreffe, könne auch nicht ausnahmsweise von den Grenzwerten abgesehen werden.
E.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. Mai 2011 an das Bundesgericht beantragt die A.X. AG, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, die fragliche Baubewilligung zu erteilen und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen zur Neuverteilung der Kosten; eventuell sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. (...)
F.
F.a
Die C. AG, die D. AG und die E. AG schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. F. stellt Antrag auf Abweisung. Unter anderem wird dabei von den Gegnern des Projekts neu vorgetragen, die Schwestergesellschaft der A.X. AG, die B.X. AG, habe am 10. Oktober 2008 für das gleiche
BGE 138 II 331 S. 334
Grundstück ein nachträgliches Baugesuch für einen bereits betriebenen Deponieplatz als Zwischenlager für den Gartenbaubetrieb eingereicht; es sei aber ausgeschlossen, gleichzeitig zwei Baugesuche für dieselbe Parzelle zu stellen.
F.b
Die Bau, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Einwohnergemeinde Burgdorf und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ersuchen um Abweisung der Beschwerde. Die Einwohnergemeinde weist ergänzend darauf hin, am 4. Juli 2011 eine Planungszone für die Arbeitszone A 18m erlassen zu haben, die für zwei Jahre Gültigkeit hat und Bauschuttrecyclingplätze, Deponien und ähnliche Anlagen ausschliesst. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hält in seiner Stellungnahme fest, dass nach seiner Einschätzung das Urteil des Verwaltungsgerichts gegen Bundesrecht verstosse, da es den mobilen Brecher allein und nicht als Teilanlage des Bauschuttaufbereitungsplatzes beurteile, in welchem Fall die Anforderungen der lärmschutzrelevanten Bundeserlasse eingehalten wären.
G.
Im weiteren Schriftenwechsel halten die Verfahrensbeteiligten im Wesentlichen an ihren jeweiligen Standpunkten fest. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid über die Erteilung bzw. Verweigerung einer Baubewilligung. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach
Art. 82 ff. BGG
an das Bundesgericht offen.
1.2
Die Beschwerdeführerin ist als Baugesuchstellerin und direkte Adressatin des angefochtenen Entscheids, mit dem ihr die ersuchte Baubewilligung verweigert wurde, grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert (
Art. 89 Abs. 1 BGG
).
1.2.1
Die Beschwerdegegner wenden dagegen freilich ein, die Schwestergesellschaft der Beschwerdeführerin habe inzwischen ebenfalls ein Bewilligungsgesuch für das gleiche Grundstück eingereicht, mit dem die bisherige Nutzung nachträglich legalisiert werden solle. Die Beschwerdegegnerinnen 1-3 schliessen daraus, die Beschwerdeführerin sei nicht mehr zur Beschwerde legitimiert, weil sie an ihrem ersten, hier strittigen Gesuch nicht mehr interessiert sei. Der
BGE 138 II 331 S. 335
Beschwerdegegner 4 leitet daraus die eher inhaltliche Folgerung ab, dem ersten Baugesuch könne aus diesem Grund nicht stattgegeben werden, stellt aber doch den Verfahrensantrag, das Bundesgericht solle die Beschwerdeführerin anfragen, welches Bauprojekt sie nun eigentlich umsetzen wolle.
1.2.2
In materiell-rechtlicher Hinsicht fragt es sich, ob es sich beim Einwand der Beschwerdegegner nicht um ein unzulässiges Novum gemäss
Art. 99 BGG
handelt. Eintretensfragen sind demgegenüber von Amtes wegen zu prüfen (vgl.
Art. 29 Abs. 1 BGG
). Wie es sich damit verhält, kann hier aber offenbleiben. Denn so oder so obliegt es den zuständigen Behörden im zweiten Verfahren, die rechtlichen Folgerungen aus dem Umstand zu ziehen, dass bereits ein Baugesuch für dieselbe Parzelle hängig ist, bzw. zu prüfen, ob sich die beiden Projekte inhaltlich überschneiden und gegenseitig ausschliessen. Im hier strittigen Verfahren des ersten Baugesuchs spielt die Frage der Zulässigkeit eines zweiten Bauprojektes keine massgebliche Rolle. Dass das Grundstück allenfalls ohne die an sich erforderliche Bewilligung bereits genutzt wird, kann zwar unter Umständen mit gewissen rechtlichen Konsequenzen namentlich baupolizeilicher Art, wie sie inzwischen ja auch verfügt wurden, verbunden sein. Solche bilden hier aber nicht Verfahrensgegenstand. Auf die Bedeutung des zweiten Baugesuchs ist mithin unabhängig von der Frage, wieweit es der Beschwerdeführerin anzurechnen ist, nicht weiter einzugehen.
1.2.3
Analoges gilt für die inzwischen erlassene Planungszone. Auch hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine neue Tatsache. Abgesehen davon hat die Planungszone jedoch lediglich eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren. Überdies ist ihre rechtliche Bedeutung für das hier fragliche, vor ihrem Erlass eingereichte Baugesuch offen bzw. wäre allenfalls zu prüfen, wenn das Verfahren fortzusetzen wäre. Der Beschwerdeführerin kann das schutzwürdige Interesse an einem Entscheid über die fragliche Bewilligung daher schon aus diesem Grunde nicht abgesprochen werden.
1.2.4
Die Beschwerdeführerin ist demnach zur Beschwerde legitimiert.
1.3
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht - einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens - gerügt werden (
Art. 95 lit. a BGG
). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht (mit Ausnahme der Grundrechte; dazu
BGE 138 II 331 S. 336
Art. 106 Abs. 2 BGG
sowie
BGE 133 II 249
E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen) von Amtes wegen an (
Art. 106 Abs. 1 BGG
). Es ist daher nicht an die Begründung der Parteien gebunden, sondern kann die Beschwerde auch aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (
BGE 133 II 249
E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweis).
1.4
Nach
Art. 105 Abs. 1 BGG
legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Deren Sachverhaltsfeststellung kann nur auf Rüge hin oder von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer gravierenden Rechtsverletzung (im Sinne von
Art. 95 BGG
) beruht (
Art. 97 Abs. 1 und
Art. 105 Abs. 2 BGG
).
2.
2.1
Nach Art. 25 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) dürfen ortsfeste Anlagen nur errichtet werden, wenn die dadurch erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten. Gemäss
Art. 11 USG
wird unter anderem Lärm durch Massnahmen an der Quelle begrenzt (Abs. 1); unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind sodann Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Abs. 2); die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden (Abs. 3). Nach
Art. 25 Abs. 2 USG
können Erleichterungen nur dann gewährt werden, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anlage besteht und die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt führen würde und wenn die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden.
2.2
Lärmemissionen neuer ortsfester Anlagen müssen nach
Art. 7 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41)
soweit begrenzt werden, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (lit. a), und die von der Anlage allein erzeugten Lärmimmissionen dürfen die Planungswerte nicht überschreiten (lit. b). Für den umstrittenen Bauschuttaufbereitungsplatz in einer Zone mit Empfindlichkeitsstufe IV nach
Art. 43 Abs. 1 lit. d LSV
gelten die Belastungsgrenzwerte für
BGE 138 II 331 S. 337
Industrie- und Gewerbelärm gemäss Anhang 6 zur LSV (vgl. Art. 40 Abs. 1 i.V.m. Anhang 6 Ziff. 1 Abs. 1 LSV). Dabei ist hier auf die voraussichtliche Lärmbelastung am Tag abzustellen, da die geplante Anlage in der Nacht nicht betrieben werden soll (vgl. Anhang 6 Ziff. 2 und 31 Abs. 1 LSV). Nach Anhang 6 Ziff. 2 LSV betragen der massgebliche Planungswert Lr 65 dB(A), der Immissionsgrenzwert Lr 70 dB(A) und der Alarmwert Lr 75 dB(A).
3.
3.1
Gemäss dem Verwaltungsgericht kennzeichnet sich die geplante Anlage durch die Lärmeinwirkungen von drei unterschiedlich lauten Maschinen mit je beschränkter Betriebsdauer, die teilweise einzeln, teilweise aber auch gemeinsam zum Einsatz gelangen. Dabei erzeuge der mobile Brecher mit einer Schallleistung von mindestens 112 dB(A) deutlich stärker wahrnehmbaren Lärm als die beiden anderen Maschinen von jeweils 105 dB(A). Für die Ermittlung des Beurteilungspegels Lr gemäss Anhang 6 Ziff. 31 Abs. 1 LSV erachtete das Verwaltungsgericht als massgebliche Lärmphasen im Sinne von Anhang 6 Ziff. 31 Abs. 3 LSV diejenige Zeit, in denen der mobile Brecher als deutlich lauteste Maschine betrieben wird. Da dieser nicht über das ganze Jahr, sondern lediglich über 285 Betriebsstunden bzw. umgerechnet an 36 Tagen pro Jahr eingesetzt werden soll, stellte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf Anhang 6 Ziff. 32 LSV und das Urteil des Bundesgerichts 1A.39/2004 vom 11. Oktober 2004 E. 3.4 (in URP 2005 S. 40) nicht auf einen jahresdurchschnittlichen Mittelungspegel, sondern auf die durchschnittliche Lärmbelastung während der als massgeblich errechneten beschränkten Anzahl von 36 Tagen ab. Damit ergab sich für das Verwaltungsgericht während der Betriebszeit des mobilen Brechers ein Beurteilungspegel Lr von 71 dB(A), womit sowohl der anwendbare Planungswert von 65 dB(A) als auch der Immissionsgrenzwert von 70 dB(A) überschritten würden. Eine Privilegierung durch ausnahmsweise Zulassung einer zu grossen Lärmbelastung während kurzer Zeit erachtete das Verwaltungsgericht als für höchstens rund 18 Tage zulässig. Die im vorliegenden Fall massgeblichen 36 Tage beurteilte es hingegen als deutlich zu lange.
3.2
Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, der mobile Brecher sei Teil der gesamten Anlage, weshalb der erzeugte Lärm auf das ganze Jahr bzw. für eine Betriebsdauer von 200 Tagen zu berechnen sei. Für die Betroffenen mache es einen wesentlichen Unterschied, ob sie eine Lärmbelastung nur für bestimmte Phasen oder
BGE 138 II 331 S. 338
das ganze Jahr über erdulden müssten; besonders lärmige Aktivitäten könnten so auch auf weniger Zeit beschränkt und der Gewerbe- oder Industriebetrieb für die Nachbarn verträglicher ausgestaltet werden. Überdies sei es willkürlich, die Zahl der festgelegten Jahresstunden des Brechers einfach durch acht zu teilen und damit auf 36 Tage festzusetzen. Es sei nämlich unrealistisch, dass der Brecher an diesen Tagen ununterbrochen während jeweils acht Stunden in Betrieb sei. Schliesslich erachtet die Beschwerdeführerin die von der Bewilligungsbehörde berücksichtigte und vom Verwaltungsgericht nicht in Frage gestellte Dämmwirkung der an- und abschwellenden Materialhaufen als offensichtlich falsch. Sie sei mit 5 dB(A) berücksichtigt worden, könne aber auf 15 dB(A) veranschlagt werden.
4.
4.1
Unter den Verfahrensbeteiligten ist unter anderem die Tragweite der Richtlinien des Bundesamtes zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Vollzugs des Umweltschutzgesetzes und der Lärmschutzverordnung strittig. Als verwaltungsinterne Weisungen binden diese die Gerichte freilich nicht; ihre Anwendung im Einzelfall im Interesse einer einheitlichen und rechtsgleichen Praxis ist immerhin nicht zu beanstanden, soweit dabei das übergeordnete Recht eingehalten wird (vgl.
BGE 119 Ib 33
E. 3c S. 41 f.). Die Richtlinien sind allerdings für die hier zu beurteilende Sachlage nicht eindeutig und helfen insofern nicht weiter. So oder so kommt es aber entscheidend auf die Auslegung der anwendbaren Gesetzesbestimmungen an.
4.2
Gemäss Anhang 6 Ziff. 32 LSV wird die durchschnittliche tägliche Dauer (ti) der Lärmphase i aus ihrer jährlichen Dauer (Ti) und der Anzahl der jährlichen Betriebstage (B) nach der Formel ti = Ti/B berechnet, wobei für neue Anlagen auf eine Prognose über den zu erwartenden Betrieb abzustellen ist. Für die Auslegung der Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes und von dessen Ausführungserlassen kommt es nicht allein auf den Wortlaut an, sondern sie hat sich auch an den Hauptzielen des Gesetzes auszurichten. Dieses bezweckt vorab, Menschen gegen schädliche oder lästige Einwirkungen zu schützen und solche Einwirkungen im Sinne der Vorsorge frühzeitig zu begrenzen (vgl.
Art. 1 USG
). Einem solchen Schutz dienen die Belastungsgrenzwerte. Das gilt es insbesondere bei der Umrechnung von Lärm bzw. der Anrechnung von die Grenzwerte überschreitenden Lärmspitzen auf Zeiten ohne oder mit weniger Lärmbelastung zu beachten. Sodann würde es der Systematik des
BGE 138 II 331 S. 339
Gesetzes widersprechen, das private oder öffentliche Interesse an der Errichtung bzw. am wirtschaftlichen Betrieb einer neuen Anlage bereits im Rahmen von
Art. 25 Abs. 1 USG
zu berücksichtigen (GRIFFEL/RAUSCH, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Ergänzungsband, 2011, N. 14 zu
Art. 25 USG
).
4.3
Die Beschwerdeführerin sowie das Bundesamt für Umwelt sehen den mobilen Brecher als Teil der Gesamtanlage und verteilen den nur zu gewissen Zeiten anfallenden Lärm des Brechers unter Verwendung der verordnungsrechtlichen Berechnungsformel auf das ganze Jahr. Bei der zeitlichen Umrechnung des Lärms handelt es sich jedoch lediglich um eine theoretische Lärmverteilung, die der Realität nicht entspricht, wird die Lärmerzeugung und damit -belastung als solche in den Spitzenzeiten doch nicht reduziert. Es ist daher anhand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wie die verordnungsrechtliche Berechnungsformel anzuwenden ist bzw. ob es sich rechtfertigt, dafür auf die effektive Betriebsdauer der Lärmquelle selbst oder des Gesamtbetriebs abzustellen.
4.4
Eine Umrechnung des Lärms, die auch als "Lärmverdünnung" bezeichnet wird, hat das Bundesgericht dem Prinzip nach namentlich bei der Beurteilung von Lärmspitzen an Verkehrsachsen geschützt (vgl. etwa
BGE 126 II 522
E. 41 und 44-46 S. 573 ff.; Urteil 1C_344/2011 vom 15. März 2012 E. 5.3). Das rechtfertigt sich schon mit Blick auf die Sonderbestimmung von
Art. 25 Abs. 3 USG
für solche Anlagen. Den dabei beurteilten Sachverhalten ist im Übrigen weitgehend gemein, dass es einen dauernden oder regelmässigen Grundgeräuschpegel gibt und dass die Lärmspitzen praktisch täglich und dabei mit einiger Regelmässigkeit auftreten. Beides bringt eine gewisse Gewöhnungswirkung mit sich. Ein solcher Zusammenhang liegt beim Projekt der Beschwerdeführerin mit seiner im Vergleich zu den meisten Verkehrsanlagen geografisch begrenzten Ausdehnung und auch in zeitlicher Hinsicht deutlich anderen Charakteristik indessen nicht vor. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht darlegt, ist die vorliegende Sachlage eher vergleichbar mit Fällen, in denen eine Lärmbelastung von vornherein nur während einer beschränkten Dauer anfällt, wie das etwa bei zeitlich begrenzten Kultur- oder Sportanlässen zutrifft. In solchen Konstellationen erachtet das Bundesgericht unter Verzicht auf eine Umrechnung auf das ganze Jahr die durchschnittliche Lärmbelastung während der eigentlichen Anlassdauer als wesentlich (vgl. Urteil 1A.39/2004 vom 11. Oktober 2004 E. 3.4 in URP 2005 S. 40).
BGE 138 II 331 S. 340
4.5
Das von der Beschwerdeführerin verfolgte Projekt beruht auf ihrem eigenen unternehmerischen Entscheid, die Bauschuttaufbereitung im Freien durchzuführen. Dafür hat sie die umweltschutzrechtlichen Konsequenzen in Kauf zu nehmen und zu tragen. Die hier fraglichen Maschinen lassen sich dabei gar nicht so einsetzen, dass eine mit Verkehrsachsen vergleichbare Situation entstünde. Es ist daher nicht zulässig, den Lärm, den die beiden anderen Maschinen erzeugen, als Grundpegel und die Emissionen des mobilen Brechers lediglich als einzelne Lärmspitzen zu werten und damit rechnerisch auf das ganze Jahr umzuverteilen. Das würde nämlich bedeuten, dass gerade die Lärmbelastung, die sich durch den Einsatz mehrerer Maschinen ergibt, die allenfalls unzulässigen Lärmspitzen des mobilen Brechers zu rechtfertigen vermöchte. Die Beschwerdeführerin würde dadurch besser gestellt als wenn sie nur den Brecher einsetzte. Dies erscheint nicht nur unlogisch, sondern ist auch nicht mit dem Schutzzweck des Umweltschutzgesetzes vereinbar. Der angefochtene Entscheid, der die Lärmbelastung einzig auf die vorgesehenen Betriebstage des mobilen Brechers und nicht auf die Dauer des Gesamtbetriebs verteilt, folgt insofern grundsätzlich einer Gesetzesinterpretation, die sich am gesetzlichen Schutz- und Vorsorgezweck ausrichtet, was nicht zu beanstanden ist.
4.6
Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der vorgesehenen 285 Betriebsstunden errechnet, der mobile Brecher werde während 36 Tagen pro Jahr eingesetzt (285 : 8 = 35,6). Es kann hier offenbleiben, ob es sich dabei um eine tatsächliche Feststellung oder eine rechtliche Würdigung - mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Kognition des Bundesgerichts - handelt. So oder so erscheint es arbeitstechnisch wenig wahrscheinlich, dass der Brecher an allen Einsatztagen ununterbrochen genutzt werden kann. Schon aus wirtschaftlichen Gründen wird die Beschwerdeführerin, die den Brecher ja zumieten will, allerdings bemüht sein, diesen möglichst optimal zu nutzen und die vorgesehenen 285 Betriebsstunden auf so wenige Einsatztage wie möglich zu verlegen. Da eine Umverteilung des durch den Brecher verursachten Lärms auf das ganze Jahr bzw. auf 200 Arbeitstage aus rechtlichen Gründen entfällt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht wesentlich darauf an, ob er nun an 36 Tagen oder ein paar Tagen mehr zum Einsatz gelangt. Die Beschwerdeführerin kann daher nichts zu ihren Gunsten aus der behaupteten fehlerhaften Berechnung der 36 Arbeitstage ableiten.
BGE 138 II 331 S. 341
4.7
Abstellend auf den während der effektiven Betriebszeit des mobilen Brechers erzeugten Lärm ging das Verwaltungsgericht von einem Beurteilungspegel Lr von 71 dB(A) aus, wofür es sich auf die im Verfahren vor den unteren Instanzen erstellten Fachberichte stützen konnte. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die Vorinstanz habe dadurch den Sachverhalt willkürlich erhoben, dass sie gestützt auf die Baueingabe und den Umweltverträglichkeitsbericht die Dämmwirkung der Materialhaufen lediglich mit 5 dB(A) und damit deutlich zu tief angerechnet habe. Richtigerweise müsse diese mit mindestens 15 dB(A) berücksichtigt werden, da die von der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern erteilte Bewilligung mit der Auflage verknüpft worden sei, die Materialhaufen während den kritischen Phasen stets auf voller Höhe zu belassen. Dabei handelt es sich indessen nicht um eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung. Mit gutem Grund konnte das Verwaltungsgericht, obwohl es dies nicht vertieft ausgeführt hat, davon ausgehen, dass es kaum möglich sein werde, die Materialhaufen stets auf voller Höhe mit uneingeschränkter Dämmwirkung zu halten, da der gelagerte Bauschutt gerade zwecks Verarbeitung benötigt wird und die in der Breite mit zunehmender Höhe naturgemäss enger werdenden Materialhaufen kaum rundum eine maximale Dämmwirkung zu entfalten vermöchten. Ganz unberücksichtigt blieb der Schutzeffekt jedoch nicht, brachte die Vorinstanz doch einen solchen von immerhin nicht unbedeutenden 5 dB(A) in Anrechnung, wovon auch der Umweltverträglichkeitsbericht ausgegangen war, was die Beschwerdeführerin selbst zugesteht. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen erscheinen nicht sachfremd bzw. unhaltbar. Der gestützt auf Fachberichte errechnete Beurteilungspegel Lr von 71 dB(A) erweist sich daher für das Bundesgericht als verbindlich.
4.8
Der für die Lärm-Empfindlichkeitsstufe IV am Tag massgebliche Planungswert von 65 dB(A) und selbst der Immissionsgrenzwert von 70 dB(A) gemäss Anhang 6 Ziff. 2 LSV werden demnach durch das hier zu beurteilende Projekt nicht eingehalten. Damit stehen
Art. 25 Abs. 1 USG
und
Art. 7 Abs. 1 LSV
der Erteilung der von der Beschwerdeführerin verlangten Bewilligung entgegen.
5.
5.1
Ist eine Bewilligung dem Grundsatz nach ausgeschlossen, bleibt zu prüfen, ob deren ausnahmsweise Erteilung gestützt auf
Art. 25 Abs. 2 USG
bzw.
Art. 7 Abs. 2 LSV
in Frage käme. Voraussetzung
BGE 138 II 331 S. 342
dafür ist ein überwiegendes öffentliches Interesse sowie dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Massgeblich sind auch hier die konkreten Umstände des Einzelfalles, wobei grundsätzlich mit zu prüfen ist, ob die Einhaltung des Planungswertes zu einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt führen würde (vgl. URSULA BRUNNER UND ANDERE, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl. 2002, N. 67 ff. zu
Art. 25 USG
). Entscheidend muss es aber auch darauf ankommen, wie viele Lärmspitzen über den Grenzwerten den Menschen auf den umliegenden Grundstücken zumutbar sind.
5.2
Im vorliegenden Fall scheitert eine solche Erleichterung schon am Verbot der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes. Wie das Verwaltungsgericht richtig festgehalten hat, werden im Übrigen in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stark lärmige Anlässe mit beschränkter Dauer und Häufigkeit in einem ortsüblichen Umfang allgemein als zumutbar beurteilt. Dabei steht den Behörden ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, sofern es sich um Brauchtums- oder Sportanlässe, Freiluftkonzerte, Umzüge, Festanlässe, Fasnacht und dergleichen mit lokaler Ausprägung oder Tradition handelt (vgl.
BGE 126 II 300
E. 4c/dd S. 309; Urteil 1C_169/2008 vom 5. Dezember 2008 E. 11.4.2 in URP 2009 S. 123; THOMAS WIDMER DREIFUSS, Planung und Realisierung von Sportanlagen, 2002, 356 ff.). Die Verarbeitung von Bauschutt dient zwar auch der Nachhaltigkeit (vgl.
Art. 73 BV
) und steht überdies unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit (
Art. 27 BV
). Das Projekt der Beschwerdeführerin beruht aber weder auf besonderer Tradition und Ortsüblichkeit noch dient es einem ausgeprägten öffentlichen Interesse, sondern verfolgt überwiegend ihre eigenen geschäftlichen Interessen. Es kann hier offenbleiben, bei welcher genauen Anzahl von Tagen die Voraussetzung der beschränkten Dauer oder Häufigkeit der überhöhten Lärmerzeugung noch erfüllt wäre. Mit einer vorgesehenen Betriebstätigkeit des mobilen Brechers an mindestens 36 Tagen übersteigt das Vorhaben der Beschwerdeführerin jedenfalls eindeutig eine Grössenordnung, bei der noch von einer begrenzten Dauer im eher unwahrscheinlichen Fall, dass der Einsatz des Brechers einphasig erfolgen sollte, oder von einer beschränkten Häufigkeit bei einem wahrscheinlicheren wiederholten bzw. mehrphasigen Einsatz des Brechers ausgegangen werden könnte. Eine nur schon den Planungswert übersteigende Lärmbelastung an mindestens 36 Tagen im Jahr
BGE 138 II 331 S. 343
ist den Menschen auf den Nachbarliegenschaften nicht zumutbar. Überdies ist nicht nachgewiesen oder auch nur ersichtlich, dass die Verweigerung einer Erleichterung eine unverhältnismässige Belastung des Projekts der Beschwerdeführerin mit sich brächte.
5.3
Damit verbietet es sich, der Beschwerdeführerin für ihr Baugesuch eine Erleichterung im Sinne von
Art. 25 Abs. 2 USG
bzw.
Art. 7 Abs. 2 LSV
zu gewähren. Der angefochtene Entscheid hält mithin vor Bundesrecht stand. | public_law | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a350c880-8809-47d9-8ecb-bd53d3b1fda3 | Urteilskopf
82 IV 12
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1956 i. S. Birlauf gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 307 Abs. 2 StGB
.
Wann ist die Aussage mit einem Handgelübde bekräftigt? | Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 82 IV 12 S. 12
A.-
Werner Birlauf wurde am 18. Februar 1955 im Scheidungsprozess der Eheleute X. vor Zivilgericht Basel-Stadt als Zeuge einvernommen. Die Einvernahme begann damit, dass der Gerichtspräsident den Zeugen auf die Folgen falschen Zeugnisses aufmerksam machte und gemäss § 123 der baselstädtischen Zivilprozessordnung aufforderte, die an ihn gestellten Fragen nach bestem Wissen und Gewissen, niemand zu Lieb noch zu Leid, zu beantworten, was Birlauf durch Handgelübde versprach. Über seine Beziehungen zu Frau X. befragt, erklärte er hierauf wahrheitswidrig, nie Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt zu haben.
B.-
Am 15. Juli 1955 erklärte das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt Birlauf des falschen Zeugnisses gemäss
Art. 307 Abs. 2 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu acht Monaten Gefängnis. Auf Appellation des Verurteilten bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 28. September 1955 dieses Urteil.
C.-
Birlauf führt gegen das Urteil des Appellationsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei aufzuheben und er sei freizusprechen, eventuell sei die Gefängnisstrafe bedingt vollziehbar zu erklären.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
..... (Prozessuales).
Zu prüfen ist (nur), ob die Vorinstanz zu Unrecht qualifiziertes statt einfaches falsches Zeugnis angenommen hat,
BGE 82 IV 12 S. 13
und ob demgemäss, wie es am Schluss der Beschwerdeschrift verlangt wird, die Strafe herabzusetzen sei.
Nach
Art. 307 Abs. 1 StGB
wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt.
Werden die Aussage, der Befund, das Gutachten oder die Übersetzung mit einem Eid oder einem Handgelübde bekräftigt, so ist die Strafe nach Abs. 2 Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis nicht unter sechs Monaten.
Der Beschwerdeführer kann nicht bestreiten, bei seiner Einvernahme als Zeuge ein Handgelübde abgelegt zu haben. Dabei sind nach den vom Appellationsgericht übernommenen und daher für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen des Strafgerichtes die Bestimmungen des § 123 der Zivilprozessordnung genau eingehalten worden. Infolgedessen ist die Behauptung des Beschwerdeführers, das Handgelübde sei nicht gemäss § 123 "an Eidesstatt" abgenommen worden, nicht zu hören. Wenn
Art. 307 Abs. 2 StGB
das Handgelübde dem Eid gleichstellt, so wird übrigens damit für das Handgelübde nicht, wie der Beschwerdeführer meint, eine besonders feierliche Form vorausgesetzt. Es genügt jedes Handgelübde, durch das die Aussage bekräftigt wird.
Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch auch, und das ist seine Hauptbegründung, die Aussagen im Sinne des
Art. 307 Abs. 2 StGB
mit dem Handgelübde bekräftigt zu haben. In Basel habe der Zeuge, bevor er nur wisse, worüber er aussagen solle, dem Gerichtspräsidenten auf dessen Frage "Wollen Sie mir durch das Handgelübde an Eidesstatt versprechen ...", die Hand zu reichen. Eine solche routinemässige Einleitung der Zeugeneinvernahme sei keine Bekräftigung seiner Aussagen im Sinne des
Art. 307 Abs. 2 StGB
. Das Handgelübde müsse zu einer bestimmten, konkreten Aussage abgelegt worden sein. Im vorliegenden Falle wäre also erforderlich gewesen, dass der Gerichtspräsident,
BGE 82 IV 12 S. 14
als der Beschwerdeführer verneint habe, mit Frau X. Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, ihm zu dieser speziellen Frage das Handgelübde abgenommen hätte. Erst wenn der Beschwerdeführer daraufhin wieder mit "nein" geantwortet hätte, wäre der Tatbestand des
Art. 307 Abs. 2 StGB
erfüllt gewesen.
Diese Auffassung findet im Gesetz keinerlei Stütze. Art. 307 Abs. 2 verlangt nur, dass die Aussage (oder der Befund, das Gutachten, die Übersetzung) durch Eid oder Handgelübde bekräftigt worden sei. Durch Eid oder Handgelübde bekräftigen kann man aber eine Aussage oder eine Gesamtheit von Aussagen nicht bloss nachträglich, sondern auch zum voraus. Im ersten Falle gelobt man das, was man bereits gesagt hat, im zweiten Falle das, was man sagen wird, als der Wahrheit entsprechend. Für Leute, die es mit dem Eid oder dem Gelübde ernst nehmen, kommt beides auf das Gleiche heraus, und darum ist auch in beiden Fällen die Anwendung des
Art. 307 Abs. 2 StGB
in gleicher Weise gerechtfertigt. Dass die Bestimmung so zu verstehen ist, ergibt sich vollends zwingend aus den romanischen Fassungen ("Si le déclarant a prêté serment ou s'il a promis solennellement de dire la vérité ..." bzw. "Se il dichiarante ha prestato giuramento o ha promesso solennemente di dire la verità ...").
Was der Beschwerdeführer daneben noch über §§ 124 und 143 der Zivilprozessordnung sowie über die Regelung des falschen Zeugnisses im Basler Strafgesetzbuch ausführt, ist gegenstandslos;
§ 124 ZPO
bezieht sich nicht auf das Handgelübde, sondern auf den Eid,
§ 143 ZPO
betrifft die Partei-, nicht die Zeugenaussage, und das Basler Strafgesetzbuch ist mit dem Erlass des StGB aufgehoben worden.
Richtig dürfte sein, dass in Basel-Stadt im Zivilprozess jedem Zeugen gemäss
§ 123 ZPO
der Eid oder das Handgelübde abgenommen wird und daher auf falsche Zeugenaussagen in Zivilstreitigkeiten regelmässig nicht Abs. 1, sondern Abs. 2 des
Art. 307 StGB
zutrifft. Das ändert aber nichts. Wenn Art. 307 zwischen einfacher und qualifizierter
BGE 82 IV 12 S. 15
Aussage unterscheidet, so heisst das nicht, dass in den Kantonen, die nur die qualifizierte Form kennen, die falsche Aussage nach Abs. 1 zu bestrafen sei; vielmehr ist dann, wenn der Tatbestand des Abs. 2 zutrifft, eben diese Bestimmung anzuwenden. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a3558c0d-187a-4c91-ad2f-0bb528fd499e | Urteilskopf
109 IV 134
37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. November 1983 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Überholen.
1.
Art. 35 Abs. 2 SVG
: Überholen vor einer unübersichtlichen Strassenbiegung (E. 2).
2.
Art. 35 Abs. 4 SVG
gilt auch für den Bereich unmittelbar vor unübersichtlichen Kurven (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 135
BGE 109 IV 134 S. 135
A.-
Auf der Fahrt von Chur nach Davos überholte der Personenwagenlenker H. in zwei Fällen jeweils unmittelbar vor einer unübersichtlichen Linkskurve ein anderes Motorfahrzeug. Beim zweiten Manöver wurde nur deshalb ein Zusammenstoss vermieden, weil der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeugs zufälligerweise vor der möglichen Kollisionsstelle auf einen Hausvorplatz abbog.
B.-
Der Kreisgerichtsausschuss von Klosters sprach H. mit Urteil vom 13. April 1983 der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 35 Abs. 2 und 4 in Verbindung mit
Art. 90 Ziff. 2 SVG
schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 800.--. Auf Berufung des Angeschuldigten hin bestätigte der Ausschuss des Kantonsgerichts von Graubünden am 25. Mai 1983 das angefochtene Urteil vollumfänglich.
C.-
Gegen diesen Entscheid führt H. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Die Beschwerde wird abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe
Art. 35 Abs. 2 SVG
nicht verletzt.
Nach der in Frage stehenden Gesetzesbestimmung ist das Überholen nur gestattet, wenn der für den gesamten Überholvorgang erforderliche Raum übersichtlich und frei ist und der Gegenverkehr nicht behindert wird. Wer vor einer unübersichtlichen Kurve vorfahren will, muss berücksichtigen, dass bis zum Abschluss seines Unternehmens aus der Biegung heraus ein Fahrzeug auftauchen und sich ihm nähern könnte. Nicht nur die für den Überholvorgang benötigte Strecke muss übersichtlich und frei sein, sondern zusätzlich jene, die ein entgegenkommendes Fahrzeug bis zu jenem Punkt zurücklegt, wo der Überholende die linke Strassenseite
BGE 109 IV 134 S. 136
freigegeben haben wird. Es genügt daher nicht, dass letzterer darnach trachtet, den Überholvorgang kurz vor der unübersichtlichen Kurve abzuschliessen, sondern er muss ihn schon so weit vor der Biegung beendet haben, dass ein während des Überholens auf der Gegenfahrbahn auftauchendes Fahrzeug seinen Weg unter Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit fortsetzen kann, ohne gefährdet zu werden (
BGE 85 IV 37
).
Im vorliegenden Fall kann keinem Zweifel unterliegen, dass die fraglichen Manöver des Beschwerdeführers hätten unterbleiben müssen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurden beide Überholvorgänge erst im Bereich von nachfolgenden unübersichtlichen Linkskurven abgeschlossen. Bei den "Stütz" kam es nur deshalb zu keiner Kollision, weil ein entgegenkommender Fahrzeuglenker zufälligerweise seine Fahrspur verliess und auf einen Hausvorplatz abbog. Geht man von diesem für den Kassationshof verbindlichen Sachverhalt aus, so steht ausser Frage, dass der erforderliche Raum in beiden Fällen nicht zur Verfügung stand, und die Manöver demnach unzulässig waren, weshalb der Schuldspruch nach
Art. 35 Abs. 2 SVG
zu Recht erging. Der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, dass die Strasse jeweils nur durch eine Leitlinie, nicht aber durch eine Sicherheitslinie in zwei Fahrbahnen geteilt wird, ist im konkreten Fall nicht massgebend für die Beantwortung der Frage, ob die Überholmanöver zulässig waren oder nicht.
3.
Vor Bundesgericht vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, eine Verkehrsregelverletzung liege nach dem Wortlaut von
Art. 35 Abs. 4 SVG
nicht vor, weil er nicht in, sondern unmittelbar vor unübersichtlichen Kurven überholt habe.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Aus der Entstehungsgeschichte von
Art. 35 Abs. 4 SVG
ergibt sich, dass der Ausdruck "in unübersichtlichen Kurven" mit "bei" oder "im Bereich von derartigen Kurven" gleichgesetzt werden muss. Dem Protokoll der Tagung der nationalrätlichen Kommission für das Strassenverkehrsgesetz vom 24./26. August 1955 ist zu entnehmen, dass mit der Wendung "in" auch der Bereich unmittelbar vor der Biegung erfasst werden soll (vgl. S. 138: Votum Jezler; S. 139: insbesondere die Voten Bratschi, Jezler und Fischer). Dasselbe ergibt sich aus der Beratung des Nationalrates (Sten.Bull. 1957 S. 171: "... le dépassement est implicitement interdit immédiatement avant le tournant. Il faut qu'un dépassement soit terminé suffisamment tôt avant un tournant qu'un véhicule débouchant en
BGE 109 IV 134 S. 137
sens inverse ne soit pas gêné."). Die Vorinstanz hat
Art. 35 Abs. 4 SVG
somit zutreffend angewandt. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a35974ee-1044-4d8a-bcab-f9a2436b183e | Urteilskopf
111 II 39
8. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1985 i.S. Lapaire gegen Grundbuchverwalter von Bern und Justizdirektion des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Grundbuchführung.
1. Erfährt der Grundbuchführer vor Beendigung des Eintragungsverfahrens, dass der nach dem Grundbuch Verfügungsberechtigte gestorben war, bevor dessen Stellvertreter die Grundbuchanmeldung abgegeben hatte, so muss er die Eintragung verweigern (E. 1).
2.
Art. 37 OR
ist im Verfahren der Grundbucheintragung nicht anwendbar (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 111 II 39 S. 39
Am 1. Juni 1983 beurkundete Notar A. Flückiger in Gümligen einen Abtretungsvertrag, mit welchem Werner Hachen seiner Tochter Rosa Lapaire geb. Hachen die Liegenschaft Muri-Grundbuchblatt Nr. 906 auf Rechnung künftiger Erbschaft abtrat. In den Schlussbestimmungen des Vertrags wurde er ermächtigt, den Vertrag zur grundbuchlichen Behandlung anzumelden. Am 6. Juni 1983 meldete der Notar den Vertrag beim Grundbuchamt Bern zur Eintragung in das Grundbuch an, ohne zu wissen, dass Werner Hachen am 5. Juni 1983 gestorben war. Nachdem er davon Kenntnis erhalten hatte, unterrichtete er unverzüglich den Grundbuchverwalter von dieser Tatsache und ersuchte das Grundbuchamt, das Geschäft vorläufig aufzuschieben. In der Folge gelang es dem Notar nicht, die Zustimmung der Miterben von Rosa Lapaire zu deren Eintragung als neue Eigentümerin des betreffenden Grundstücks zu erlangen. Am 9. Dezember 1983 wies der Grundbuchverwalter die Anmeldung des Abtretungsvertrages zur Eintragung in das Grundbuch ab.
Gegen die Abweisungsverfügung erhob Rosa Lapaire Grundbuchbeschwerde bei der Justizdirektion des Kantons Bern. Sie beantragte, dass der Anmeldung stattgegeben und der Abtretungsvertrag
BGE 111 II 39 S. 40
im Grundbuch eingetragen werde. Mit Entscheid vom 1. November 1984 wies die Justizdirektion die Beschwerde ab.
Rosa Lapaire hat den Entscheid der Justizdirektion mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten. Sie hält in ihrem Antrag daran fest, aufgrund der Anmeldung durch Notar Flückiger als Eigentümerin der in Frage stehenden Parzelle im Grundbuch eingetragen zu werden. Die Justizdirektion und das Grundbuchamt Bern beantragen die Abweisung der Beschwerde, ebenso auch das zur Vernehmlassung aufgeforderte Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
In formeller Hinsicht wird in der Beschwerde geltend gemacht, die Kognition des Grundbuchführers müsse sich im Interesse einer klaren Abgrenzung gegenüber dem Zuständigkeitsbereich des Richters, der auf dem Wege einer Grundbuchberichtigungsklage angerufen werden könne, auf die Prüfung der Frage beschränken, ob die formellen Erfordernisse einer Grundbuchanmeldung vorhanden seien. Der Grundbuchführer habe seine Kognitionsbefugnis überschritten, indem er dem erst nach Eintreffen der Anmeldung bekanntgewordenen Umstand, dass der bisherige Eigentümer der Liegenschaft gestorben sei, Rechnung getragen habe.
Die Rüge ist nicht begründet. Zwar trifft es zu, dass sich der Grundbuchführer grundsätzlich darauf beschränken kann, anhand der massgebenden Unterlagen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Eintragung im Grundbuch erfüllt sind. Erfährt er jedoch vor Beendigung des Eintragungsverfahrens, dass der Verfügungsberechtigte gestorben war, bevor die Grundbuchanmeldung durch dessen Stellvertreter abgegeben wurde, muss er dieser Tatsache Rechnung tragen und die Eintragung verweigern. Mit dem Tod des Verfügungsberechtigten erlischt in der Regel auch die dem Stellvertreter erteilte Vollmacht. Die Frage, ob eine über den Tod erteilte Vollmacht im Verfahren der Grundbuchanmeldung zu beachten wäre, muss hier (wie in
BGE 97 I 274
f. E. 4) nicht entschieden werden, da es an einer solchen Abrede fehlt. Beim Tod einer Person handelt es sich im übrigen um ein Ereignis, dessen Nachweis im Verkehr mit dem Grundbuchamt in aller Regel ohne Schwierigkeiten möglich ist. Der in der Beschwerde angestellte Vergleich mit der Frage der Urteilsfähigkeit einer Person ist daher nicht
BGE 111 II 39 S. 41
schlüssig. Die Befürchtung einer Verwischung der Kompetenzen zwischen dem Grundbuchführer und dem Richter ist im übrigen nicht begründet. Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage materieller Natur lässt sich im Rahmen der den Grundbuchbehörden eingeräumten Prüfungsbefugnis umfassend abklären. Eine Klage auf Berichtigung des Grundbuches ist aber überall dort überflüssig, wo sich bereits im Verfahren der Grundbuchanmeldung mit genügender Zuverlässigkeit feststellen lässt, dass es an einer Voraussetzung für die Eintragung eines Rechts im Grundbuch fehlt, und die Anmeldung deshalb abgewiesen wird.
2.
In materieller Hinsicht wird in der Beschwerde geltend gemacht, nach
Art. 37 OR
verpflichte das Handeln des Bevollmächtigten den Vollmachtgeber oder dessen Rechtsnachfolger trotz des Erlöschens der Vollmacht, solange das Erlöschen der Vollmacht dem Bevollmächtigten nicht bekannt gewesen sei. Aufgrund dieser Spezialnorm, welche die Tragweite von
Art. 35 Abs. 1 OR
einschränke, habe der Notar, der als Bevollmächtigter des Eigentümers in Unkenntnis von dessen Tod die Grundbuchanmeldung abgegeben habe, die Erben des Vollmachtgebers wirksam vertreten können.
Art. 37 OR
kann jedoch im Verfahren der Grundbucheintragung, wie in der Vernehmlassung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements zutreffend ausgeführt wird, keine Anwendung finden. Dies ergibt sich sinngemäss aus
Art. 965 ZGB
. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung dürfen grundbuchliche Verfügungen wie insbesondere Eintragungen in allen Fällen nur auf Grund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden. Nach Absatz 2 liegt der Ausweis über das Verfügungsrecht im Nachweis, dass der Gesuchsteller die nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigte Person ist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat. Erfährt der Grundbuchführer nach Eingang einer Anmeldung zur Grundbucheintragung, dass der nach Grundbuch Verfügungsberechtigte vor Abgabe der Anmeldung durch seinen Stellvertreter gestorben ist, so weiss er, dass das Grundbuch mit der wirklichen Rechtslage nicht mehr übereinstimmt und dass der Vollmachtinhaber nicht die heute verfügungsberechtigten Personen vertritt. Der nach
Art. 965 Abs. 2 ZGB
massgebende Ausweis über das Verfügungsrecht kann nur dadurch erbracht werden, dass die Erben des verstorbenen Eigentümers als dessen Rechtsnachfolger im Grundbuch eingetragen werden (
BGE 109 II 101
E. 3). Vorher kann im Grundbuch nicht über
BGE 111 II 39 S. 42
das Grundstück verfügt werden, wie dies
Art. 656 Abs. 2 ZGB
ausdrücklich vorschreibt. Diese sich aus dem Sachenrecht ergebende Ordnung schliesst die Anwendung von
Art. 37 OR
im Verkehr mit dem Grundbuchamt aus. Diese Auffassung liegt denn auch der herrschenden Rechtsprechung und Lehre zugrunde (
BGE 55 I 346
Nr. 57; Entscheid des Bundesrats vom 20. Mai 1920, in SJZ 17. Jahrg., 1920/1921, S. 236; DESCHENAUX, Le registre foncier, S. 231; HOMBERGER, N. 8, 15 und 18 zu
Art. 963 ZGB
). | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a35a773c-b464-4164-ad0d-66747e657e48 | Urteilskopf
123 V 113
19. Arrêt du 18 juin 1997 dans la cause Commune de V. contre Caisse de compensation du canton de Fribourg et Tribunal administratif du canton de Fribourg | Regeste
Art. 103 lit. a,
Art. 98a Abs. 3 OG
,
Art. 84 Abs. 1 AHVG
: Beschwerdebefugnis einer Gemeinde.
Eine Gemeinde ist befugt, gegen eine den Erlass der Beitragspflicht betreffende Kassenverfügung einer Ausgleichskasse Beschwerde zu führen, sofern sie aufgrund des kantonalen Rechts zur vollständigen Bezahlung der Minimalbeiträge für den betroffenen Versicherten verpflichtet ist. | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 123 V 113 S. 113
A.-
Les 26 avril et 14 juin 1996, la Caisse de compensation du canton de Fribourg a notifié à la Commune de V. plusieurs décisions par lesquelles elle accordait la remise des cotisations à divers assurés et imposait parallèlement le paiement de la cotisation minimum à la commune.
BGE 123 V 113 S. 114
B.-
La Commune de V. a recouru auprès du Tribunal administratif du canton de Fribourg.
Par décision présidentielle du 4 octobre 1996, les recours ont été joints et déclarés irrecevables, au motif que la commune n'avait pas qualité pour recourir.
C.-
La Commune de V. interjette un recours de droit administratif en concluant à l'annulation du jugement cantonal et au renvoi de la cause au Tribunal administratif pour qu'il entre en matière sur les recours.
La caisse de compensation s'en remet à justice, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales renonce à se déterminer.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'
art. 11 al. 2 LAVS
, le paiement de la cotisation minimum qui mettrait une personne obligatoirement assurée dans une situation intolérable peut être remis, sur demande motivée, après consultation d'une autorité désignée par le canton de domicile. Le canton de domicile versera la cotisation minimum pour ces assurés. Les cantons peuvent faire participer les communes de domicile au paiement de ces cotisations.
Dans sa loi d'application de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants et de la loi fédérale sur l'assurance-invalidité du 9 février 1994 (RSF 841.1.1), le canton de Fribourg a désigné le conseil communal comme autorité habilitée à donner un préavis et il a fixé que le paiement de la cotisation minimum est à la charge de la commune de domicile de l'assuré (art. 15).
2.
Dans une jurisprudence ancienne, non remise en question à ce jour, le Tribunal fédéral des assurances a jugé que la commune de domicile de l'assuré, mis au bénéfice d'une remise de cotisations selon l'
art. 11 al. 2 LAVS
, n'est pas recevable à former recours contre la décision de remise (arrêt M. du 29 décembre 1956, publié dans la RCC 1957, p. 226). Dans cet arrêt, le tribunal avait nié à la commune la qualité de partie intéressée en se fondant d'une part sur le texte des
art. 84 LAVS
et 32 RAVS et d'autre part sur le fait que la commune ne pouvait être atteinte par la décision que par ricochet.
Le jugement attaqué se fonde précisément sur cette jurisprudence.
3.
Les principes relatifs à la qualité pour recourir devant le Tribunal fédéral déterminent également la recevabilité du recours devant l'autorité de première instance. En effet, en vertu de la force dérogatoire du droit fédéral et conformément au principe de l'unité de la procédure, la qualité
BGE 123 V 113 S. 115
pour agir devant les autorités administratives et juridictionnelles cantonales dont les décisions sont sujettes au recours de droit administratif ne peut être subordonnée à des conditions plus strictes que celles qui régissent la qualité pour recourir au sens de l'
art. 103 let. a OJ
et de l'
art. 48 let. a PA
, de même contenu (
ATF 114 V 95
sv. consid. 2a,
ATF 111 V 350
consid. 2b,
ATF 110 V 150
consid. 2c et les références; DTA 1983 no 9 p. 41 consid. 2b; GRISEL, Traité de droit administratif, p. 901 ch. 2; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd., p. 151 ch. 2.2). Cette jurisprudence a été codifiée à l'
art. 98a al. 3 OJ
, entré en vigueur le 15 février 1992.
Il en résulte que la qualité de la Commune de V. pour recourir devant le Tribunal administratif du canton de Fribourg devra être examinée selon les principes découlant de l'
art. 103 OJ
et non au regard des dispositions cantonales de procédure dans la mesure où celles-ci admettraient moins largement cette qualité.
4.
Selon l'
art. 103 let
. c OJ, a qualité pour recourir au Tribunal fédéral par la voie du recours de droit administratif toute autre personne, organisation ou autorité à laquelle la législation fédérale accorde le droit de recours.
En règle ordinaire, une copie de la décision de remise de cotisations sociales, notamment en matière d'AVS, prise par la caisse de compensation, est notifiée au canton de domicile de l'assuré; le canton peut attaquer la décision conformément à la procédure prévue à l'
art. 84 LAVS
(
art. 32 al. 3 RAVS
). Dès lors que la loi n'étend pas à la commune de domicile le droit de recours accordé au canton, celle-ci ne peut justifier de sa qualité pour recourir en invoquant l'article 103 let. c OJ.
5.
a) Aux termes de l'
art. 103 let. a OJ
, a qualité pour recourir quiconque est atteint par la décision attaquée et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée. La jurisprudence considère comme intérêt digne de protection, au sens de cette disposition, tout intérêt pratique ou juridique à demander la modification ou l'annulation de la décision attaquée que peut faire valoir une personne atteinte par cette dernière. L'intérêt digne de protection consiste ainsi en l'utilité pratique que l'admission du recours apporterait au recourant ou, en d'autres termes, dans le fait d'éviter un préjudice de nature économique, idéale, matérielle ou autre que la décision attaquée lui occasionnerait (
ATF 120 V 39
consid. 2b,
ATF 119 V 87
consid. 5b et les références; cf. aussi
ATF 121 II 174
consid. 2b,
ATF 119 Ib 183
sv. consid. 1c). L'intérêt doit être direct et concret; en particulier, la personne
BGE 123 V 113 S. 116
doit se trouver dans un rapport suffisamment étroit avec la décision; tel n'est pas le cas de celui qui n'est atteint que de manière indirecte ou médiate (
ATF 122 II 132
consid. 2b et la jurisprudence citée).
Les collectivités publiques peuvent se prévaloir de l'
art. 103 let. a OJ
si elles sont atteintes de la même manière que des administrés. A ces conditions, une commune est dès lors recevable à agir en justice pour sauvegarder son patrimoine administratif et financier, en particulier si la décision lui impose une prestation pécuniaire, par exemple le paiement d'une indemnité d'expropriation (
ATF 118 Ib 616
consid. 1b; GRISEL, op.cit., p. 905). En revanche, l'intérêt public à une application correcte et uniforme du droit ne suffit pas (
ATF 112 Ia 62
consid. 1b,
ATF 110 V 129
consid. 1).
Conformément à ces principes, le Tribunal fédéral des assurances, dans un arrêt rendu ce même jour, a nié la qualité pour recourir d'une autorité communale d'assistance dans un litige en matière d'assurance-chômage relatif à l'aptitude au placement d'un requérant d'asile obligé de quitter la Suisse. Dans un tel cas, l'autorité communale, bien qu'elle ait fourni des prestations d'assistance à l'assuré, n'a pas un intérêt digne de protection direct et concret à l'annulation de la décision prise par l'assurance-chômage: elle n'a pas un droit (indépendant) aux prestations d'assurance litigieuses; en outre, l'avantage financier qu'elle pourrait retirer à l'issue du litige dépendait en l'occurrence de conditions - pratiquement irréalisables - liées à une cession de créance valable de l'assuré ou à un versement en mains de tiers selon l'
art. 124a OACI
(arrêt en la cause Fürsorgebehörde de la commune de Z.).
b) En l'espèce, la situation est différente. La commune a pour tâche de défendre ou de sauvegarder son patrimoine administratif et financier. Par conséquent, il y a, pour elle, un intérêt de fait à demander la modification ou l'annulation de la décision de la caisse de compensation qui lui a été notifiée parce qu'elle l'oblige à des prestations. La recourante ne défend pas en l'espèce uniquement un intérêt public à l'application correcte du droit fédéral, mais aussi ses intérêts financiers, dans la même mesure que le ferait un privé atteint par cette décision. Dès lors, il s'agit sans conteste d'un intérêt de nature pécuniaire au sens de la jurisprudence puisque, en vertu de la législation cantonale, la commune de domicile est tenue de prendre totalement à sa charge le paiement de la cotisation minimum des assurés qui en sont dispensés, charge que le droit fédéral permet expressément aux cantons de reporter sur les communes. Par ailleurs, cet intérêt financier est
BGE 123 V 113 S. 117
immédiat, dès lors que la commune est débitrice d'une obligation qui découle pour elle directement des décisions litigieuses.
Au regard de l'article 103 let. a OJ, la qualité pour recourir de la commune est donnée dès lors que les conditions permettant de retenir l'existence d'un intérêt digne de protection sont réalisées. Ces considérations amènent à retenir que la recourante est également légitimée à recourir devant l'autorité cantonale (
art. 98a al. 3 OJ
).
c) Le changement de la jurisprudence rendue en 1956 auquel conduit cette solution découle en réalité de la modification du texte de l'
art. 103 OJ
par la loi fédérale du 20 décembre 1968 (RO 1969 787, 793) et de la jurisprudence y relative. Jusqu'alors, seul avait qualité pour recourir celui qui invoquait une atteinte à des intérêts juridiquement protégés, soit la violation d'une norme ayant pour but la protection des droits subjectifs. La version nouvelle de l'OJ pose la condition de l'intérêt digne de protection. La prise en compte d'effets-réflexes a pour conséquence que l'accès légitime à la protection judiciaire est donné lorsque le recourant établit que l'acte qu'il conteste lui fait supporter un préjudice ou le prive d'un avantage dans sa situation propre et qu'il prétend que cet acte est irrégulier (MOOR, Droit administratif, t. II p. 409 ss). Elle a conduit à une extension de la qualité pour recourir, ce qu'il y a lieu de prendre en considération dans le cas particulier.
d) Il suit de là que le recours est bien fondé. La cause doit dès lors être renvoyée au Tribunal administratif pour qu'il entre en matière sur les recours de la commune, pour autant que - outre la qualité pour recourir - les autres conditions de recevabilité de ces recours soient remplies.
6.
(Frais) | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a35e85b1-1eed-4d01-9b15-ad8c4ecaa736 | Urteilskopf
93 I 382
49. Arrêt du 26 mai 1967 dans la cause Confédération suisse contre Epoux X. | Regeste
Milchstatut, Art. 43 Abs. 2: Rückerstattung von Vermögensvorteilen, die infolge vorschriftswidrigen Verhaltens erlangt wurden.
1. Natur und Umfang der Rückerstattungspflicht; abziehbare Kosten (Erw. 1).
2. Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse der zur Rückerstattung verpflichteten Personen (Erw. 2).
3. Verzugszinsen sind von der Mahnung an geschuldet (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 383
BGE 93 I 382 S. 383
A.-
Au cours des années 1957 à 1962, les époux X. ont, contrairement aux prescriptions en vigueur, dépouillé de leurs emballages d'origine 34 804 kg de beurre frais de cuisine à prix réduit; ils ont moulé ce beurre en plaques de 90 g., l'ont muni de nouveaux emballages et l'ont revendu à un prix supérieur à ceux qu'avait fixés le Conseil fédéral pour le beurre frais de cuisine à prix réduit, c'est-à-dire au prix imposé par la Butyra aux grossistes pour la revente du beurre de fromagerie. Ils éveillèrent chez les consommateurs l'impression qu'il s'agissait de beurre de table. Ils réalisèrent ainsi, par kilo, un bénéfice brut de 1 fr. 62 à 2 fr. 30, soit 1 fr. 95 en moyenne.
Statuant, le 2 juillet 1964, sur une action pénale intentée en raison de ces faits, le Tribunal cantonal du canton du Valais a condamné chacun des époux X. à trois mois d'emprisonnement avec sursis pendant trois ans et à une amende de 1000 fr. pour violation de l'art. 4 al. 1 et 4 de l'ACF, du 28 octobre 1960, réglant le versement d'allocations pour réduire le prix du beurre et fixant les prix commerciaux du beurre, de l'art. 2 al. 1 de l'ACF du 31 octobre 1961 (même titre que le précédent), ainsi que pour falsification de marchandises, commise par métier, et pour mise en circulation de marchandises falsifiées, commise par métier; l'épouse a, de plus, été condamnée pour faux dans les titres. Le jugement pénal a été publié.
B.-
Le 21 septembre 1966, la Confédération suisse a ouvert action, devant le Tribunal fédéral, contre les époux X. Se fondant sur l'art. 43 de l'AF du 29 septembre 1953 (arrêté sur le statut du lait), elle concluait à ce que les défendeurs fussent
BGE 93 I 382 S. 384
condamnés à lui verser la somme de 67 552 fr. avec 5% d'intérêts à compter au 1er janvier 1967 à titre de restitution des avantages pécuniaires illicitement acquis par les actes décrits ci-dessus. La demanderesse argumente en bref comme il suit:
Selon un principe posé par la section pour l'agriculture, d'accord avec la Butyra et le contrôle des finances de la Confédération, on ne compte comme avantage pécuniaire illicite que la différence entre le bénéfice brut et la marge normale, considérant que le bénéfice normal réalisé par le commerçant n'est pas illicite. Mais on ne saurait limiter ainsi la demande en restitution que dans la mesure où il est constant que les défendeurs auraient pu vendre autant de beurre frais de cuisine, même s'ils ne s'étaient pas livrés à leurs manoeuvres frauduleuses. Autrement, la somme réclamée à titre de restitution devrait être augmentée, surtout si les fraudes commises avaient permis d'accroître le chiffre d'affaires, si les défendeurs se trouvaient en état de récidive ou avaient agi d'une façon particulièrement astucieuse. Mais on recherchera, de plus, si les défendeurs ont livré à des consommateurs ou à des entreprises artisanales. En l'espèce, les défendeurs ne sont entrés en contact avec leurs clients que parce qu'ils leur offraient comme beurre de table à un prix avantageux ce qui était en réalité du beurre frais de cuisine qui aurait dû se vendre à prix réduit. Ils savaient qu'ils violaient les dispositions en vigueur sur les allocations versées pour réduire le prix du beurre et sur les prix imposés. Le mari, de plus, a été déjà deux fois puni d'amendes: en 1958 (100 fr.) pour avoir vendu, sans indications de provenance, du fromage de Gruyère importé, puis en 1962 (500 fr.) pour falsification de marchandises et mise en circulation de marchandises falsifiées. Constitue aussi une circonstance aggravante la confection de faux bulletins de livraison par l'épouse. C'est pourquoi les défendeurs ne sauraient conserver la marge de bénéfice normale; ils doivent restituer comme avantage pécuniaire illicite la totalité du bénéfice brut. On ne peut pas davantage les autoriser à déduire les frais d'exploitation extraordinaires pour l'achat et l'emploi d'une machine à mouler, qui n'a été acquise qu'aux fins d'accomplir les manipulations interdites. De même, les défendeurs n'ont accordé de rabais que pour pouvoir conclure leurs ventes. Enfin la situation de fortune des époux Blanc ne justifie pas non plus une réduction. Chacun des actes illicites a donné naissance à une créance en restitution échue et portant intérêt à 5%. La
BGE 93 I 382 S. 385
demanderesse a adopté, pour le calcul de cet intérêt, une échéance moyenne au 1er janvier 1961.
C.-
Les défendeurs concluent au rejet de la demande dans la mesure où elle porte sur une somme supérieure à 17 000 fr. Leur argumentation se résume comme il suit:
Du bénéfice brut, il faut déduire la marge normale, à savoir 26 789 fr., soit 0 fr. 74 pour chacun des 26 187 kg. vendus avant le 1er novembre 1961 et 0 fr. 86 pour chacun des 8617 kg. vendus après cette date. On déduira en outre les frais spéciaux, afférents à l'opération visée, non pas 11 500 fr., selon le calcul de Butyra, mais bien 15 000 fr. Il reste ainsi une somme de 25 763 fr. Cependant, la situation financière des défendeurs s'est considérablement détériorée. De 1963 à 1965, le chiffre d'affaires est tombé jusqu'au tiers de ce qu'il était précédemment. C'est dès lors à 17 000 fr. que l'on fixera, ex aequo et bono, la somme à restituer.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les défendeurs ne contestent ni l'un ni l'autre le principe de leur obligation, mais seulement son montant. Selon l'art. 43 al. 2 de l'arrêté sur le statut du lait, la restitution a pour objet les "avantages pécuniaires" acquis par les actes illicites que vise le premier alinéa de cette disposition. Cette notion ne se confond pas avec celle de l'enrichissement illégitime au sens de l'art. 62 CO. Selon cette règle, lorsque, sans cause légitime, une personne a été appauvrie et une autre enrichie, le transfert de biens d'une personne à l'autre doit en principe être annulé par une restitution. Dans le cas de la restitution, visée par l'art. 43 précité, il n'y a pas un tel transfert d'éléments patrimoniaux. La comparaison se justifierait plutôt avec la dévolution à l'Etat de dons et autres avantages qui ont servi ou devaient servir à décider ou à récompenser l'auteur d'une infraction (art. 59 CP). La prestation à fournir, dans ce cas, c'est en principe, la totalité de l'avantage patrimonial que l'auteur a acquis, peu importe qu'il en ait consommé la valeur, qu'il en soit encore détenteur ou qu'il l'ait perdu par une cause quelconque. Le droit prend naissance à l'occasion de chacun des actes punissables, au moment où l'avantage patrimonial est réalisé. En principe (cf. cependant consid. 2), on ne tiendra pas compte de l'évolution ultérieure de la situation financière du débiteur.
BGE 93 I 382 S. 386
Si le débiteur doit débourser la totalité de l'avantage pécuniaire qu'il s'est procuré, sa prestation, cependant, ne doit pas aller au-delà. Elle ne constitue nullement une peine, de sorte que la limite ainsi fixée ne saurait être dépassée en raison de la gravité des fautes commises ou de condamnations subies précédemment.
L'avantage pécuniaire acquis lors de chacune des transactions interdites est inférieur au bénéfice brut (1 fr. 94 par kilo en moyenne), c'est-à-dire à la différence entre le prix d'achat et le prix de vente. Car les défendeurs ne pouvaient réaliser leurs opérations sans prendre des frais à leur charge. Ils ont droit, en principe, à la déduction de ces frais.
Contrairement à ce que croient les défendeurs, on ne saurait, dans le calcul de l'avantage pécuniaire dont ils ont bénéficié, déduire du prix de vente la marge normale fixée pour la vente de beurre de cuisine frais aux consommateurs. Car s'ils ont pu vendre comme ils l'ont fait, c'est uniquement à cause du prix particulièrement bas qu'ils demandaient pour la catégorie de beurre qu'ils prétendaient livrer. S'ils avaient effectivement livré la qualité que l'acheteur croyait recevoir et réclamé la marge normale, ils n'auraient sans doute pas obtenu les commandes. Celles-ci provenaient pour la plupart de clients éloignés de Sion et qui, à prix égal, auraient eu avantage à se servir chez des fournisseurs plus proches de leur exploitation. On ne saurait du reste déduire à la fois la marge qu'aurait laissée une vente normale et les frais de l'opération, car la première est précisément aussi destinée à couvrir les seconds.
Pour le calcul du bénéfice net laissé par une opération, on impute en général sur le prix de vente, en plus des frais spéciaux, afférents à l'affaire, une part proportionnelle des frais généraux de l'entreprise. Cependant, pour déterminer l'avantage pécuniaire obtenu par une opération illicite et qui doit être "restitué" (art. 43 al. 2 de l'arrêté sur le statut du lait), il n'est en général pas possible ni nécessaire de déterminer cette part. Les frais généraux auraient été les mêmes si l'auteur n'avait point conclu d'affaires illicites. C'est pourquoi on ne tiendra compte que des frais spéciaux, c'est-à-dire de ceux qu'ont occasionnés ces affaires et qui n'auraient pas existé sans elles.
Sont déductibles à titre de frais spéciaux les frais de transport et les frais effectifs de moulage.
a) Frais de transport: Les défendeurs ont affirmé à Butyra
BGE 93 I 382 S. 387
que pour la livraison de 6000 kg de beurre par an, ils comptaient 1200 fr. de frais d'expédition, soit 20 ct. par kilogramme. Butyra estime que ce chiffre n'est pas excessif. Au titre du transport, ce sont donc 6961 fr. qu'il faut déduire des 67 552 fr. de bénéfice brut réalisé sur la vente de 34 804 kg de beurre frais de cuisine dépouillé des emballages d'origine et moulé à nouveau.
b) Frais de moulage et d'emballage: Il s'agit manifestement de frais nécessaires, c'est-à-dire de frais sans lesquels les défendeurs n'auraient pu se procurer les avantages pécuniaires qu'on leur demande aujourd'hui de débourser. Dans ses rapports annuels, Butyra compte 15 ct. par kilogramme comme frais de moulage, mais ce montant n'a pas été augmenté depuis longtemps; les centrales intéressées l'estiment insuffisant. Les feuilles d'aluminium déjà, achetées en gros, coûtent 10 à 12 ct. par kilogramme de beurre emballé en plaques de 100 et 200 g, alors que les défendeurs n'ont emballé, disent-ils, que des plaques de 90 g. Ils ont présenté à Butyra, qui a renoncé à faire une estimation, le compte suivant pour les frais d'emballage:
Main-d'oeuvre: 2 jours par mois à 60 fr. par jour,
soit par an 1200.--
Feuilles d'emballage 15 ct. x 6000 kg. 900.--
Amortissement machine 1000.--
Electricité, 15 fr. par mois 180.--
Réparations 100.--
Total pour 6000 kg par année 3380.--
soit 56,3 ct. par kilogramme et 19 595 fr. pour 34 804 kg. L'amortissement concerne une machine payée 13 000 fr. et revendue 8000 fr. après cinq ans. Le compte ainsi présenté comporte une somme relativement très élevée pour la maind'oeuvre: 24 jours entiers de travail pour mouler 6000 kg, ce qui fait, pour un ouvrier travaillant à l'aide d'une machine entièrement automatique, 250 kg par jour. On peut cependant l'admettre du fait que, d'une part, la main-d'oeuvre doit être payée non seulement pour le service de la machine, mais encore pour la préparation des envois et pour leur expédition, que d'autre part, la vente entraîne d'autres frais encore, par exemple pour des communications téléphoniques, frais qui n'ont pas été comptés. Enfin, on tiendra compte du fait que Butyra a
BGE 93 I 382 S. 388
renoncé à présenter une estimation précise sur le point dont il s'agit.
On aboutit ainsi au calcul suivant:
Bénéfice brut 67 552.--
Frais de transport 6 961.--
Moulage et emballage 19 595.-- 26 556.--
- Avantage pécuniaire 40 996.--
ou, en chiffre rond, 41 000 fr.
2.
L'art 43 al. 2 de l'AF sur le statut du lait prescrit que, pour la restitution des avantages pécuniaires, "on prendra en considération la situation financière de celui qui est tenu à restitution". Les défendeurs estiment que, dans leur cas, ce texte justifie une sensible réduction de la somme qui est due en principe.
Appliquant l'art. 59 al. 1 CP, le Tribunal fédéral a jugé que l'obligation de se dessaisir des avantages que l'on s'est procurés par un acte punissable était un impératif tout à fait général de l'ordre public et de la morale, mais que l'obligation cessait, de par sa nature même, lorsque l'auteur ne possédait plus de fortune qui lui permît de débourser la somme correspondant à l'avantage acquis délictueusement (RO 79 IV 114). Point n'est besoin de rechercher, en l'espèce, si l'art. 43 al. 2 précité doit recevoir la même interprétation ou s'il ne tempère pas davantage l'obligation de se dessaisir de l'avantage pécuniaire acquis par une violation du statut du lait en ce sens qu'il obligerait soit le juge, soit même l'autorité d'exécution à tenir compte, dans tous les cas, de la situation financière du débiteur, fût-il solvable, afin d'atténuer les rigueurs excessives du principe, éventuellement selon la faute commise par lui-même ou par son auteur.
Car, en l'espèce, les défendeurs, non seulement sont solvables, mais encore possèdent une fortune, qui, même réduite de 41 000 fr., demeurera néanmoins notable.
Selon un rapport de la fiduciaire des défendeurs eux-mêmes, pendant la durée des infractions, c'est-à-dire de 1958 à 1965/1966, la fortune imposable du mari a passé de 10 000 à 49 000 fr. et, le 31 décembre 1965, la fortune totale des époux se montait à 76 431 fr. Rien ne permet de croire - et les défendeurs ne prétendent pas eux-mêmes - qu'elle ait sensiblement diminué depuis lors. Il ne saurait dès lors être question que l'application
BGE 93 I 382 S. 389
de la loi puisse être, en l'espèce, d'une rigueur excessive. Il est même probable qu'après le paiement de 41 000 fr., les défendeurs disposeront encore d'une fortune supérieure à celle qu'ils possédaient avant de commettre leurs infractions.
Sans doute leurs biens sont-ils, par leur nature, difficilement réalisables, mais cette circonstance est indifférente du point de vue de la solution de principe. Rien ne permet de croire, en tout cas, qu'elle soit propre à entraîner une faillite en cas d'exécution. Il appartiendra à l'autorité chargée du recouvrement d'en tenir compte au besoin.
3.
La demanderesse réclame, outre le paiement de la somme due en vertu de l'art. 43 al. 2 du statut du lait, 5% d'intérêts annuels à compter du 1er janvier 1961 par le motif que chaque acte illicite faisait naître et échoir une dette à la charge des défendeurs.
S'agissant de créances issues du droit public, le Tribunal fédéral a jugé que seule la mise en demeure par interpellation du débiteur faisait courir les intérêts (RO 85 I 185
;
87 I 420
).
Dans la présente espèce, la division de l'agriculture a dénoncé les défendeurs au juge pénal le 12 juin 1963, mais c'est seulement le 6 avril 1965 qu'elle a élevé une prétention chiffrée au paiement des avantages pécuniaires illicitement perçus par les époux Blanc, réclamant le paiement de 67 552 fr. 97 pour le 1er mai 1965. Cette réclamation constitue la mise en demeure. C'est donc à partir du 1er mai 1965 seulement que l'intérêt moratoire a commencé à courir.
Quant au taux, le Tribunal fédéral a dit que celui de 5%, fixé par l'art. 104 al. 1 CO pour les intérêts moratoires, ne s'appliquait pas nécessairement en matière de créances issues du droit public, mais qu'il fallait adopter celui qui correspondait au marché de l'argent et à l'avantage dont aurait bénéficié la demanderesse si elle avait été payée à temps (RO 78 I 90
;
85 I 185
;
87 I 420
). Vu les circonstances actuelles, un taux de 5% se justifie, alors que précédemment il avait été fixé à 3%.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet partiellement la demande et condamne les défendeurs solidairement à payer à la demanderesse la somme de 41 000 fr. avec intérêts à 5% à compter du 1er mai 1965. | public_law | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a35fdc69-8cac-4fa5-bbf4-b2b2fe41315c | Urteilskopf
87 II 234
33. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Dezember 1961 i.S. Esteve Hermanos SA de C.V. gegen Bank Hofmann AG | Regeste
Art. 43, 63 Abs. 2 OG
. Es ist eine Rechtsfrage, welchen Sinn die zum Vertragsinhalt erklärten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive" der Internationalen Handelskammer haben. Sie untersteht dem schweizerischen Recht, wenn die Akkreditivbank ihren Sitz in der Schweiz hat.
Art. 1 OR
. Auslegung der Bedingung eines den erwähnten "Richtlinien" unterstellten Akkreditivs, wonach die Verschiffung "ungefähr Mitte September" stattgefunden haben müsse. | Sachverhalt
ab Seite 234
BGE 87 II 234 S. 234
A.-
Die Gesellschaft Boden & Haac in Bremen kaufte der Firma Esteve Hermanos SA de C.V. in Matamoros (Mexiko) Baumwolle ab und wies die Bank Hofmann AG in Zürich an, die Verkäuferin zur Deckung des Kaufpreises von 600 Ballen zu akkreditieren. Die Bank Hofmann AG liess der Firma Esteve Hermanos das bis 15. Oktober 1958 gültige unwiderrufliche Akkreditiv für ungefähr US-Dollar 90'000 am 19. August 1958 durch die Bank of America anzeigen. Die Urkunden, gegen deren Übergabe
BGE 87 II 234 S. 235
die Bank Hofmann AG leisten sollte, wurden von dieser wie folgt umschrieben (aus dem Englischen übersetzt):
"1.- Unterzeichnete Handelsrechnung in 3 Kopien.
2.- Bestätigung von Wilkens & Company, Inc., Memphis/Tenn., wonach festgestellt wird, dass die Verschiffung ungefähr Mitte September 1958 in Übereinstimmung mit den Ihnen durch Herrn Carl Eduard Albrecht von Wilkens & Company, Inc., Memphis/Tenn., zu gebenden Anordnungen stattgefunden hat.
3.- Voller Satz umsetzbarer an Order ausgestellter blanko indossierter reiner Bordkonnossemente. Alte Konnossemente annehmbar."
Die Mitteilung der Bank of America enthielt die vorgedruckte Bemerkung
(übersetzt):
"Wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt wird, ist dieser Kredit den vom dreizehnten Kongress der Internationalen Handelskammer aufgestellten'Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive'unterworfen."
Die Firma Esteve Hermanos SA de C.V. liess der Bank Hofmann AG nach der Verschiffung von zwei Posten zu je 300 Ballen Baumwolle die folgenden Urkunden vorlegen:
1.- die unterzeichneten Rechnungen Nr. 434 und 435 vom 22. September 1958, lautend auf US-Dollar 48'780.56 bzw. 48'813.48 in je drei Exemplaren;
2.- für jeden Posten eine Erklärung von Wilkens & Company, Inc., vom 5. September 1958, wonach die Baumwolle nach den Instruktionen des Carl Eduard Albrecht von dieser Gesellschaft mit dem Dampfer "Ernst Blumenfeld" ungefähr zweite Hälfte September von Brownsville nach Bremen zu verschiffen sei und die Klägerin bei Einhaltung dieser Anordnungen die Akkreditivbedingungen erfüllt habe;
3.- zwei volle Sätze Konnossemente vom 22. September 1958 über die Verladung von je 300 Ballen Baumwolle auf dem Dampfer "Ernst Blumenfeld" unter Charterpartie.
Die Bank Hofmann AG wies diese Urkunden als mit den Bedingungen des Akkreditivs nicht übereinstimmend zurück und lehnte die Zahlung der Rechnungen ab.
BGE 87 II 234 S. 236
Über das Vermögen der Gesellschaft Boden & Haac war inzwischen der Konkurs eröffnet worden. Die Firma Esteve Hermanos SA de C.V. verkaufte die in Bremen eingetroffene Ware anderweitig. Sie behauptet, der Erlös liege um US-Dollar 25'341.05 unter der Summe ihrer Rechnungen, der Zinsen, Fracht-, Entlade-, Transport- und Lagergebühren.
B.-
Die Firma Esteve Hermanos SA de C.V. klagte beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Bank Hofmann AG auf Verurteilung zur Zahlung von US-Dollar 25'341.05 nebst Zins zu 6% seit 8. Oktober 1958, eventuell entsprechender DM- oder Fr.-Beträge, subeventuell auf Annahme entsprechender Wechsel.
Das Handelsgericht wies am 10. April 1961 die Klage gemäss dem Antrage der Beklagten ab. Es kam zum Schluss, die Urkunden, welche die Klägerin der Beklagten habe einreichen lassen, entsprächen hinsichtlich des Tages der Verschiffung der Ware den Bedingungen des Akkreditives nicht, weshalb offen bleiben könne, ob die Beklagte die Urkunden auch wegen anderer Unstimmigkeiten habe zurückweisen dürfen.
C.-
Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr US-Dollar 25'341.05 nebst Zins zu 5% seit 21. Januar 1959 zu zahlen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, sie eventuell abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beklagte meint, das Bundesgericht sei an die Auffassung des Handelsgerichts gebunden, wonach die Verschiffung der Baumwolle am 22. September 1958 nicht im Sinne der Bedingungen des Akkreditivs "ungefähr Mitte September 1958", sondern zu spät erfolgte. Sie macht geltend, in der vorinstanzlichen Auffassung liege eine tatsächliche
BGE 87 II 234 S. 237
Feststellung; weder die vom dreizehnten Kongress der Internationalen Handelskammer aufgestellten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive", noch der gewöhnliche Sprachgebrauch, auf den das Handelsgericht sich berufe, berührten irgendwie Bundesrecht. Auf die Berufung könne daher nicht eingetreten werden.
Das Handelsgericht hält die am 22. September 1958 erfolgte Verschiffung der Ware deshalb für verspätet, weil es unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Sprachgebrauches und der erwähnten "Richtlinien" der Meinung ist, die Wendung "ungefähr Mitte September" sei nicht dahin zu verstehen, dass der 22. noch innerhalb der Frist liege. Damit stellt es nicht einen übereinstimmenden tatsächlichen Parteiwillen fest, sondern legt es den Vertrag aus. Ob es diesen richtig verstehe, ist eine Rechtsfrage (
BGE 69 II 319
, ff.,
BGE 73 II 175
,
BGE 83 II 307
,
BGE 85 II 454
). Dass es sie unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs entschied, ändert nichts. Es ist nicht eine Tatfrage, wie eine Erklärung im Hinblick auf den üblichen Sinn der Worte vom Empfänger verstanden werden durfte. Auch die Ermittlung des Sinnes der "Richtlinien" gehört nicht dem Gebiete des Tatsächlichen an. Diese Bestimmungen wurden kraft der Verweisung in der Erklärung der Bank of America vom 19. August 1958 zum Vertragsinhalt, wie wenn sie in der Erklärung wörtlich wiedergegeben worden wären (
BGE 34 II 639
f.,
BGE 77 II 155
f.,
BGE 86 II 257
). Auslegung der "Richtlinien" bedeutet daher Auslegung des Vertrages. Eine Tatfrage wäre es nur, wie die "Richtlinien" lauten. Deren Wortlaut ist aber nicht streitig.
Die Rechtsfrage nach dem Sinn der Wendung "ungefähr Mitte September" ist nicht nach ausländischem, sondern nach schweizerischem Recht zu beurteilen. Die Beklagte, die das streitige Akkreditiv ausstellte, hat ihren Sitz in der Schweiz. Akkreditive unterstehen dem Recht am Sitz der Akkreditivbank (Angewiesene) (SCHÖNENBERGER/JÄGGI Allg. Einl. N. 309 und dort zitierte Rechtsprechung).
BGE 87 II 234 S. 238
Vertragliche Wahl eines anderen Rechts durch die Parteien ist nicht behauptet (
BGE 87 II 199
f.); vielmehr sind beide Parteien vor der Vorinstanz von der bereits gegebenen Massgeblichkeit des schweizerischen Rechtes ausgegangen.
Wenn die Auffassung der Klägerin, der 22. September 1958 als Verschiffungstag habe den Bedingungen des Akkreditivs entsprochen, richtig ist, verletzt das angefochtene Urteil somit Bundesrecht. Auf die Berufung ist daher einzutreten (
Art. 43 OG
).
2.
Die Klägerin macht geltend, sie habe daraus, dass das Akkreditiv die Anordnungen Albrechts über die Verschiffung vorbehielt, schliessen dürfen, dieser werde auch die Zeit der Verschiffung näher bestimmen. Die Anordnungen Albrechts hätten sich denn auch tatsächlich unter anderem auf diese Zeit bezogen.
Diese Auffassung hält nicht stand. Die unter Ziffer 2 der Akkreditivbedingungen genannte Bestätigung von Wilkens & Company, Inc. hatte festzustellen, "dass die Verschiffung ungefähr Mitte September 1958 in Übereinstimmung mit den Ihnen durch Herrn Carl Eduard Albrecht ... zu gebenden Anordnungen stattgefunden hat" ("that shipment has been arranged about middle of September 1958 in accordance with instructions to be given to you by Mr. Carl Eduard Albrecht. .."). Die Worte "in Übereinstimmung mit den. Ihnen durch Herrn Carl Eduard Albrecht ... zu gebenden Anordnungen" geben nur Antwort auf die Frage, wie, nicht auch wann die Verschiffung stattzufinden habe. Die Beklagte bestimmte den Zeitpunkt der Verladung abschliessend selber "auf ungefähr Mitte September 1958" und verwies nur bezüglich der anderen Umstände der Verschiffung auf die Anordnungen Albrechts.
3.
Das Formular, auf dem die Bank of America der Klägerin am 19. August 1958 vom Akkreditiv Kenntnis gab, enthielt am Fusse die gedruckte Bemerkung, wenn nicht ausdrücklich anders bestimmt werde ("unless otherwise
BGE 87 II 234 S. 239
expressly stated"), sei dieser Kredit den vom dreizehnten Kongress der Internationalen Handelskammer aufgestellten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumenten-Akkreditive" unterworfen. Eine ausdrückliche Bestimmung darüber, was die Beklagte unter "Mitte September" verstehe, enthielt die Mitteilung nicht. Der Inhalt dieses Begriffes ist daher dem Art. 47 der "Richtlinien" zu entnehmen, der lautet: "Die Ausdrücke ,Anfang', ,Mitte', oder ,Ende' eines Monats sind auszulegen als vom 1. bis 10., vom 11. bis 20. und vom 21. bis zum letzten Tage eines jeden Monats, immer einschliesslich gemeint." Darnach war unter "Mitte September" eine vom 11. bis und mit 20. September reichende Frist zu verstehen, nicht der 15. September, wie es nach
Art. 76 Abs. 2 OR
zuträfe, wenn die Vertragschliessenden sich nicht auf die Anwendung der "Richtlinien" geeinigt hätten.
Die Beklagte machte ihre Verpflichtung aus dem Akkreditiv nicht von der Verschiffung "Mitte September 1958" abhängig, sondern ergänzte diese Wendung durch "ungefähr" ("about"). Über dieses Wort darf nicht hinweggesehen werden. Die Klägerin durfte voraussetzen, dass die Beklagte als Akkreditivbank nicht Ausdrücke ohne Sinn verwende.
"Ungefähr Mitte September" ist nicht dahin zu verstehen, dass die Beklagte den Begriff "Mitte" wie Art. 47 der "Richtlinien" ihn umschreibt, abgelehnt habe, so dass sein Sinn dem
Art. 76 Abs. 2 OR
oder dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen wäre. Auf
Art. 76 Abs. 2 OR
oder den allgemeinen Sprachgebrauch könnte die Beklagte sich nur berufen, wenn sie die "Richtlinien" in diesem Punkte ausdrücklich als nicht massgebend erklärt hätte. Sie hat ja selber der Klägerin durch die Bank of America erklären lassen, die "Richtlinien" seien massgebend, "wenn nicht ausdrücklich (expressly) anders bestimmt werde". Die Wendung "ungefähr Mitte September 1958" enthält nicht eine ausdrückliche Ablehnung des Begriffs "Mitte", wie ihn Art. 47 der "Richtlinien" versteht,
BGE 87 II 234 S. 240
sondern bedeutet nur, dass es der Beklagten auf die strenge Einhaltung der sich aus dieser Bestimmung ergebenden Frist vom 11. bis 20. September 1958 nicht ankomme, sie vielmehr ihre Verpflichtung aus dem Akkreditiv schon erfüllen werde, wenn diese Frist "ungefähr" beachtet werde.
Dass eine bestimmte Frist nur ungefähr eingehalten zu werden brauche, heisst vernünftigerweise nicht, dass sie kürzer, sondern dass sie etwas länger bemessen werde, d.h. dass die Handlung schon ein wenig vor dem Anfangs- und auch noch ein wenig nach dem Endtermin vorgenommen werden könne. Denn um etwas später als am Anfang oder etwas früher als am Ende des vereinbarten Zeitraumes handeln zu dürfen, braucht der Verpflichtete keiner besonderen Erlaubnis. "Ungefähr Mitte September" bedeutet deshalb, dass die Verschiffung schon vor dem 11. und auch nach dem 20. September zulässig sei, wobei sie allerdings weder viel früher noch viel später stattfinden solle.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Beklagte habe sich damit pleonastisch ausgedrückt, weil sich schon aus Art. 47 der "Richtlinien" ergebe, dass die Verschiffung nicht genau in der Mitte des Monats zu erfolgen brauchte. Wer so überlegt, geht unzutreffenderweise davon aus, dass unter "Mitte" wie nach
Art. 76 Abs. 2 OR
oder nach allgemeinem Sprachgebrauch ein bestimmter Kalendertag zu verstehen sei. Im vorliegenden Falle bedeutet "Mitte" einen Zeitraum von zehn Kalendertagen, nämlich den 11. bis 20. des Monats. Indem die Beklagte von "ungefähr Mitte" sprach, dehnte sie diese Frist aus, nicht den in
Art. 76 Abs. 2 OR
umschriebenen oder den im allgemeinen Sprachgebrauch massgebenden Zeitbegriff.
Die Beklagte geht fehl, wenn sie einwendet, gemäss Art. 35 Abs. 1 der "Richtlinien" bewirkten Ausdrücke wie "etwa" oder "circa" nur Abweichungen vom Akkreditivbetrag, von der Warenmenge oder vom Stückpreis; für die Zeitbestimmungen gemäss Art. 46-48 der "Richtlinien" seien sie unbeachtlich. Art. 35 Abs. 1 lautet: "Die Ausdrücke
BGE 87 II 234 S. 241
"etwa", "circa" oder ähnliche sind dahin auszulegen, dass eine Abweichung von 10% nach oben oder nach unten vom Akkreditivbetrag, von der Warenmenge oder vom Stückpreis der Ware je nach dem, wo die Ausdrücke in den Anweisungen verwendet werden, statthaft ist." Das ist nur eine Regel für die Auslegung von Ausdrücken. Sie bedeutet nicht, dass Worte wie "etwa", "circa", "ungefähr" als nicht geschrieben zu gelten haben, wenn sie bei Zeitangaben stehen.
Über den Ausdruck "ungefähr" kann auch nicht mit der Begründung hinweggesehen werden, die Bedingungen eines Akkreditivs seien streng auszulegen. Eine solche Auslegung setzt Strenge in der Fassung der Erklärungen voraus. Wer unbestimmte, verschwommene, vieldeutige Ausdrücke verwendet, gibt zu erkennen, dass es ihm auf Genauigkeit nicht ankommt. Daran ändert es nichts, dass die einleitenden "Allgemeinen Bemerkungen" der "Richtlinien" in Abs. 2 sagen: "In Dokumenten-Akkreditiven enthaltene Weisungen müssen in jeder Hinsicht vollständig und genau sein; technische Ausdrücke oder überflüssige Einzelheiten sind zu vermeiden, damit Irrtümern und Missverständnissen vorgebeugt wird." Das ist eine blosse Empfehlung. Sie mag dafür sprechen, dass die Beteiligten im einzelnen Falle auf genaue Befolgung der Weisungen tatsächlich Wert legten. Sie bedeutet aber nicht, dass der Spielraum, den ein verschwommener Ausdruck offen lässt, als nicht vereinbart oder möglichst eng zu gelten habe.
Wenn eine Handlung schon ein wenig vor dem 11. und noch ein wenig nach dem 20. des Monats vorgenommen werden darf, ist sie innerhalb von Zeiträumen zulässig, die nach Art. 47 der "Richtlinien" mit "Anfang" bzw. "Ende" des Monats bezeichnet werden können. Das ist jedoch kein Grund, "ungefähr Mitte" nicht im erwähnten Sinne auszulegen. Die Beklagte gab damit zu erkennen, dass ihr auch noch ein gewisser Teil vom "Anfang" und ein gewisser Teil vom "Ende" des Monats für die Verschiffung
BGE 87 II 234 S. 242
passe. Da ihr weder der ganze "Anfang" noch das ganze "Ende" genehm war, konnte sie weder "Anfang oder Mitte" noch "Mitte oder Ende" noch "im September" sagen. Die Parteien waren zudem nicht verpflichtet, die in Art. 47 der "Richtlinien" vorgesehenen Ausdrücke zu verwenden. Sie konnten irgendwie ausdrücken, innerhalb welcher Zeit die Verschiffung stattzufinden habe. Sie hätten z.B. sagen können, "frühestens am 9. und spätestens am 22. September" oder "zwischen dem 8. und dem 23. September". Dass die Beklagte die Wendung "ungefähr Mitte September" vorzog, ist kein Grund, sie nicht dabei zu behaften, dass die Verschiffung an einem nicht zu weit vor dem 11. bzw. nicht zu weit nach dem 20. September liegenden Tag erfolgen könne.
Diese Behaftung entspricht den für die Auslegung von Verträgen massgebenden Grundsätzen. Nach der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtes anerkannten Vertrauenstheorie sind Willenserklärungen Vertragschliessender so auszulegen, wie sie nach Treu und Glauben von der Gegenpartei verstanden werden durften (
BGE 69 II 322
,
BGE 80 II 31
f.). Unklarheiten im Ausdruck gehen zu Lasten jener Partei, welche die Erklärung verfasst hat (
BGE 48 II 246
,
BGE 50 II 543
,
BGE 81 II 159
). Das ist im vorliegenden Falle die Beklagte. Die Klägerin durfte sich darauf verlassen, dass die Gegnerin sich anders ausgedrückt hätte, wenn sie die Verschiffung streng innerhalb des Zeitraumes vom 11. bis 20. September hätte vorschreiben wollen. Die Umstände lassen denn auch Gründe für einen etwas weiteren Spielraum erkennen. Als das Akkreditiv eröffnet wurde, wussten die Beteiligten noch nicht, welche Gelegenheit zur Verschiffung der Ware sich bieten werde, sonst hätten sie nicht die Anordnungen Albrechts für die Verladung als massgebend erklärt und wären sie nicht noch heute uneins, ob die Verladung auf ein Charterschiff habe zugelassen werden wollen. Die Klägerin durfte um so mehr annehmen, das Wort "ungefähr" räume ihr eine gewisse über den Begriff "Mitte September" hinausgehende Freiheit
BGE 87 II 234 S. 243
in der Wahl des Verladetages ein, als ein kurzer Aufschub dem nicht leicht verderblichen Frachtgut nicht schaden konnte.
4.
Die Beklagte macht geltend, der Begriff "ungefähr" erstrecke die Frist vom 11. bis 20. September jedenfalls nicht um mehr als 10%, also nach rückwärts und nach vorne höchstens um je einen halben, allenfalls um je einen einzigen Tag, weshalb die Verladung am 22. September unter allen Umständen verspätet erfolgt sei. Sie beruft sich auf Art. 35 Abs. 1 der "Richtlinien".
Diese Bestimmung ist jedoch nach ihrem Wortlaut, wie die Beklagte in erster Linie selber geltend macht, nur auf Abweichungen vom Akkreditivbetrag, von der Warenmenge und vom Stückpreis anwendbar. Wie die Zeitbestimmungen auszulegen seien, führen die "Richtlinien" in den Art. 46-48 aus. Hier hätte es gesagt werden müssen, wie die Ausdrücke "ungefähr", "etwa" und dgl. in Verbindung mit Zeitangaben zu verstehen seien. Es ist denn auch nicht üblich, im Geschäftsverkehr die Zeit in Prozenten einer Einheit zu bezeichnen, wie das bei Geldbeträgen, Warenmengen und Stückpreisen vorkommt.
Da die "Richtlinien" über die Bedeutung von "ungefähr" in Verbindung mit Zeitangaben schweigen, ist der Sinn des Ausdruckes dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmen. Darnach kann nicht zweifelhaft sein, dass eine Frist von "ungefähr" zehn Tagen mit einer Überschreitung von nur zwei Tagen unter Umständen, wie sie hier vorliegen, nicht verpasst ist. Hätte die Beklagte eine strengere Auffassung dem Vertrag zugrunde legen wollen, so hätte sie sich nach Treu und Glauben deutlicher ausdrücken müssen, zumal sie in kaufmännischen Belangen ebenso erfahren ist wie die Klägerin und die in Abs. 2 der "Allgemeinen Bemerkungen" der "Richtlinien" enthaltene Empfehlung kannte.
5.
Da die Beklagte schon im kantonalen Verfahren geltend machte, die Klägerin habe auch andere Bedingungen des Akkreditives nicht erfüllt, und da das Handelsgericht
BGE 87 II 234 S. 244
sich auch über den Umfang der allfälligen Verpflichtung der Beklagten noch nicht ausgesprochen hat, muss die Sache zu neuer Beurteilung zurückgewiesen werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. April 1961 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a35fee12-5091-4af0-ab2e-2d5e5ce9032b | Urteilskopf
100 II 319
47. Arrêt de la IIe Cour civile du 19 décembre 1974 dans la cause Banque Populaire Suisse contre Masse en faillite de la succession répudiée de feu René Morard | Regeste
1. Zulässigkeit der Errichtung einer Hypothekarobligation auf den Inhaber (E. 1, Bestätigung der Rechtsprechung). Wirkungen hinsichtlich der Parteien (E. 4) und Dritter (E. 5). Die Errichtung einer Hypothekarobligation bewirkt keine Novation (E. 5).
2. Der Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961 (Fassung vom 30. September 1965) lässt fiduziarischen Erwerb nicht zu (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 319
BGE 100 II 319 S. 319
A.-
René Morard, entrepreneur à Sion, et Michel Rose, domicilié en Belgique, se sont associés dans le dessein de réaliser des opérations immobilières, en particulier dans la région d'Anzère (Valais). Cherchant des financements étrangers, ils sont entrés en relations avec les époux Kukiela, domiciliés en Belgique.
Par convention du 28 mai 1967 passée avec Morard, ceux-ci se sont déclarés disposés à financer des opérations immobilières à Anzère, moyennant participations aux bénéfices à déterminer ultérieurement et contre garanties hypothécaires à constituer sur les immeubles achetés.
Cet acte a été suivi d'une convention, passée le 29 juin 1967 entre MM. Morard/Rose et les époux Kukiela, selon laquelle ces derniers chargeaient Morard d'acheter pour eux "à titre fiduciaire" 1500 m2 environ de terrain, à détacher de la parcelle
BGE 100 II 319 S. 320
no 195 d'Anzère, au prix de 45 fr. le m2. Ce bien-fonds devait être inscrit au registre foncier au nom de Morard, qui s'engageait à constituer sur la parcelle une obligation hypothécaire au porteur destinée à être remise à titre de garanties aux époux Kukiela. En cas de réalisation, le bénéfice devait être partagé par moitiés.
La convention prévoyait aussi l'achat par les époux Kukiela, en leur nom, d'un terrain de 900 m2 et la construction d'un chalet.
Les époux Kukiela s'engageaient à verser au compte du notaire Mariéthod à Sion, par l'intermédiaire de la Banque Populaire Suisse à Sion, une somme de 400 000 fr. à utiliser comme suit:
- 40 500 fr., paiement du terrain de 900 m2,
- 67 500 fr., paiement du terrain de 1500 m2,
- 42 000 fr., acompte sur la construction du chalet,
- 250 000 fr., pour achat d'autres terrains à Anzère.
La convention stipulait que ces terrains "seront mis au nom de Morard qui agira à titre fiduciaire et possédera pour le compte des époux Kukiela". Le bénéfice de la réalisation de ces terrains devait être partagé et des obligations hypothécaires au porteur constituées en garantie et remises aux époux Kukiela.
En application de cette convention, Morard a procédé à divers achats et ventes de terrains.
Le 24 juin 1968, il a passé un acte avec les époux Kukiela, dans lequel les parties déclaraient que les parcelles 348 (de 2051 m2), 196 (de 946 m2) et, pour 177/281, les parcelles 82, 85 et 121, inscrites au cadastre au nom de Morard, étaient propriété exclusive des époux Kukiela, Morard "possédant" ces immeubles à titre fiduciaire. Les cocontractants prévoyaient en outre de constituer en garantie, à concurrence des fonds investis, des obligations hypothécaires au porteur, qui ne devaient pas pouvoir être mises en circulation. Le 20 juillet 1968, Morard a certifié avoir encore acquis la parcelle 356 pour le compte des époux Kukiela.
Le 24 septembre 1968, Morard a constitué deux obligations hypothécaires au porteur devant le notaire Mariéthod:
- l'une, de 250 000 fr., grève la parcelle 196;
- la seconde, de 177 000 fr., grève les parcelles 82, 85 et 121.
BGE 100 II 319 S. 321
Inscrites au registre foncier le 7 octobre 1968, ces obligations sont demeurées en main du notaire Mariéthod, qui les conservait pour le compte des époux Kukiela.
B.-
En juin 1969, Morard et Rose d'une part, les époux Kukiela d'autre part, ont envisagé une nouvelle opération: l'achat de la parcelle 1708 à Anzère.
Les époux Kukiela n'ont fait aucune mise de fonds; mais selon déclaration du 26 juin 1969, ils ont autorisé le notaire Mariéthod à remettre les deux obligations hypothécaires au porteur, de 250 000 fr. et 177000 fr., à Morard et Rose, pour leur permettre d'obtenir, de la Banque Populaire Suisse à Sion, un crédit garanti par le nantissement de ces deux titres.
Le même jour, Morard et Rose ont reconnu que le crédit bancaire était destiné à l'achat, pour 200 000 fr., de la parcelle 1708, dont ils devaient être propriétaires à titre fiduciaire pour le compte des époux Kukiela. Ils se sont engagés à faire établir une troisième obligation hypothécaire au porteur, à déposer chez le notaire Mariéthod.
La banque a accordé à Morard un crédit de 250 000 fr.
Le 4 août 1969, celui-ci a remis les obligations hypothécaires à la banque et a signé, le même jour, deux actes de nantissement portant la clause usuelle: "ces gages garantissent à la banque toutes ses créances, actuelles ou futures, contre le débiteur".
En exécution de la convention du 26 juin, Morard a constitué, le 9 octobre 1969, devant le notaire Praplan à Sion, une obligation hypothécaire de 210 000 fr., dans laquelle il est mentionné comme premier porteur. Mais contrairement à ce qui avait été convenu, il a conservé ce titre par-devers lui.
Au début de 1970, Morard a sollicité la Banque Populaire Suisse de lui accorder un nouveau prêt de 100 000 fr. Celui-ci lui a été octroyé moyennant nantissement de l'obligation hypothécaire de 210 000 fr., constituée sur la parcelle 1708.
La Banque Populaire Suisse a présenté les obligations au registre foncier, qui a annoté sur les titres, le 13 août 1969 pour les deux premiers, le 24 avril 1970 pour le troisième, sa qualité de "porteur à ce jour".
C.-
Morard est décédé au cours de l'été 1970. Sa succession a été déclarée en faillite.
La Banque Populaire Suisse à Sion est intervenue dans la faillite, produisant quatre créances représentant au total
BGE 100 II 319 S. 322
404281 fr., garanties par les trois obligations hypothécaires au porteur remises en nantissement.
L'administration de la masse a admis cette production en 5e classe, contestant la validité du gage et soutenant en substance que les hypothèques constituées par Morard étaient nulles en tant qu'accessoires de créances nulles en vertu des dispositions de l'arrêté fédéral du 23 mars 1961 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger.
La Banque Populaire Suisse a ouvert action le 18 mai 1972, en contestation de l'état de collocation, devant le juge du for de la faillite. Après un échange d'écritures, les parties sont convenues de porter directement leur cause devant le Tribunal fédéral.
D.-
Dans sa demande, la Banque Populaire Suisse a conclu avec suite de frais et dépens à ce qu'il soit constaté que ses créances de 283 937 fr., 12 376 fr., 104 861 fr. et 3107 fr., produites le 15 janvier 1971, sont au bénéfice des gages constitués par les deux actes de nantissement d'obligations hypothécaires au porteur du 4 août 1969 et du 6 février 1970. Elle a demandé que, la validité de ces actes de nantissement et des obligations hypothécaires nanties étant constatée, les créances produites soient colloquées à l'état des charges sous la rubrique des créances garanties par gage, au rang qui convenait.
Dans sa réponse du 4 décembre 1972, l'administration de la masse a conclu au rejet des conclusions prises contre elle, avec suite de frais.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Sanctionnant une pratique répandue, une jurisprudence constante admet que le propriétaire d'un immeuble peut incorporer dans un titre au porteur une créance garantie par une hypothèque. Si le titre est rédigé de telle sorte qu'il réponde aux exigences de l'
art. 965 CO
, il revêt la qualité de papier-valeur (RO 49 II 21;
77 II 364
;
84 II 256
, 353;
93 II 85
; JÄGGI, Komm., n. 285 ad art. 965; A. BONNARD, L'obligation hypothécaire au porteur, thèse Lausanne 1955, p. 31 ss.).
Ainsi, sous la seule réserve des moyens soulevés par la masse défenderesse, le porteur des titres créés par Morard a un droit de gage sur les créances garanties par hypothèque et incorporées dans ces titres.
BGE 100 II 319 S. 323
2.
La masse défenderesse invoque la nullité du contrat de fiducie passé entre Morard et les époux Kukiela, pour en déduire qu'il n'a pu faire naître une créance quelconque et qu'ainsi, accessoires de créances nulles, des hypothèques n'ont pu être valablement constituées.
a) Selon l'arrêté fédéral du 23 mars 1961 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger, dans sa teneur du 30 septembre 1965, applicable aux conventions litigieuses, l'acquisition d'immeubles en Suisse par des personnes domiciliées à l'étranger est soumise à une autorisation administrative. Aux termes de l'art. 12 de l'arrêté, les acquisitions d'immeubles non autorisées sont nulles. Il en est de même des actes juridiques destinés à éluder le régime de l'autorisation. Toutefois, l'
art. 66 CO
, qui exclut la répétition de ce qui a été donné en vue d'atteindre un but illicite, n'est pas applicable entre les parties.
b) En application des accords passés avec les époux Kukiela, Morard a acheté des terrains en son nom, mais à titre fiduciaire. Ses engagements envers ses bailleurs de fonds étaient garantis par des titres hypothécaires au porteur. L'adoption de ce système compliqué s'expliquait manifestement par la nécessité de contourner l'obstacle que représentait l'arrêté fédéral. Ne pouvant acquérir en leur nom, les époux Kukiela, qui désiraient réaliser des opérations immobilières spéculatives, ont acheté des terrains par l'entremise d'un homme de paille. La demanderesse ne le conteste d'ailleurs pas, tout en faisant valoir que les prescriptions de l'arrêté contiennent une énumération limitative des opérations prohibées et ne mentionnent pas l'acquisition fiduciaire.
c) L'arrêté de 1961 vise à combattre l'accaparement du sol par les personnes domiciliées à l'étranger (FF 1964 II 1293;
1972 II 1946
). Mais bien qu'il n'ait pas un but de politique économique, on doit y soumettre les opérations de spéculations dans lesquelles un étranger prend une part. L'arrêté ne fait pas la distinction selon le but que se propose l'acquéreur et une acquisition en vue de la revente tombe sous le coup de ses dispositions.
La novelle du 21 mars 1973 (FF 1973 I p. 956) a introduit, dans la liste des opérations assimilées à une acquisition, les "droits résultant notamment d'actes fiduciaires". Il ressort du Message du Conseil fédéral (FF 1972 II p. 1251) que le législateur
BGE 100 II 319 S. 324
a entendu sanctionner les opérations conclues par des hommes de paille exerçant apparemment des droits pour leur compte, alors qu'en réalité ils agissent pour autrui, le véritable intéressé ne se faisant pas connaître des tiers.
On ne saurait cependant déduire a contrario que de telles opérations, qui correspondent exactement au cas d'espèce, eussent été licites sous l'empire du droit antérieur à la novelle de 1973. La novelle introduit une précision, destinée à couper court à toute discussion, et non pas une innovation. Le Message du Conseil fédéral, qui relève que ces opérations rentrent "typiquement dans la catégorie de celles qui éludent la loi", l'admet implicitement.
Les contrats de fiducie passés entre les époux Kukiela et Morard, ou Morard et Rose, sont ainsi nuls en vertu de l'art. 12 de l'arrêté.
3.
L'hypothèque est un gage immobilier constitué en faveur d'une créance personnelle. Dans la mesure où la créance est nulle, la garantie, qui en est l'accessoire, est également dépourvue de tout effet juridique; dans cette hypothèse, les époux Kukiela n'auraient pas pu produire leurs créances dans la faillite et faire valoir leurs droits à l'hypothèque. Il en serait de même, toujours dans ce cas, si les époux Kukiela avaient cédé leur créance garantie par hypothèque à la demanderesse, en garantie du prêt qu'elle accordait à Morard: la banque se verrait opposer, en application de l'
art. 169 CO
, le moyen tiré de la nullité de la créance et de l'hypothèque.
4.
En l'espèce cependant, Morard n'a pas créé d'hypothèques. Il a souscrit des obligations hypothécaires, aux termes desquelles "il reconnaît devoir et vouloir payer au porteur la somme de ...". C'est un engagement nouveau, distinct, ayant un autre objet que ceux qu'il avait pris dans les contrats de fiducie. La dette reconnue par les obligations hypothécaires au porteur ne se confond pas avec les engagements assumés dans les contrats de fiducie.
Néanmoins, en raison de la nullité du contrat de fiducie et du caractère accessoire de la garantie hypothécaire, il est douteux que les époux Kukiela eussent pu, faute de cause juridique valable, se prévaloir du gage dans une poursuite en réalisation de gage ou en produisant dans la faillite. En admettant même, d'ailleurs, que la nullité des engagements de fiducie n'ait pas affecté, à l'égard des parties, la validité des
BGE 100 II 319 S. 325
obligations assumées dans les titres hypothécaires, les époux Kukiela, en autorisant le notaire Mariéthod à remettre les obligations de 177 000 fr. et 250 000 fr. à un tiers, ont cessé d'avoir un droit de gage, si jamais ils en ont eu un; quant à l'obligation hypothécaire de 210 000 fr., créée le 9 octobre 1969, ils ne l'ont jamais eue en mains et n'ont pas acquis de gage.
5.
La situation est cependant différente, car ce ne sont pas les époux Kukiela qui invoquent un droit de gage sur les obligations hypothécaires, mais un tiers.
Le droit de gage des époux Kukiela est éteint par renonciation, ou n'a jamais existé. En revanche, un nouveau droit de gage a été constitué en faveur de la demanderesse, en garantie d'une créance que la masse défenderesse ne conteste pas en soi. Les obligations hypothécaires litigieuses sont dans cette mesure les accessoires d'un contrat de prêt qui n'est pas entaché de nullité. Le droit de gage dont le tiers acquéreur se prévaut doit ainsi être reconnu si l'on admet la validité des obligations hypothécaires prises en soi.
Selon l'article 855 CC, la constitution d'une cédule hypothécaire ou d'une lettre de rente éteint par novation la dette dont elle résulte. C'est là une règle destinée à faciliter la circulation de ces titres, en leur conférant une valeur interne propre, qui fait totale abstraction des relations juridiques dont ils résultent, avec cet effet de leur conférer une sécurité quasi absolue.
La jurisprudence reconnaît à l'obligation hypothécaire au porteur la qualité de papier-valeur (RO 77 II 364). Mais, en ce qui concerne la créance, ce papier-valeur ne jouit pas de la foi publique du registre foncier (TUOR, 8e éd., p. 622). Dans la pratique, en outre, l'obligation hypothécaire au porteur ne circule en principe pas, alors que la cédule hypothécaire et la lettre de rente sont destinées à circuler.
Eu égard à ces différences, il n'y a pas lieu d'admettre que la constitution de l'obligation hypothécaire opère novation. Elle laisse ainsi subsister les engagements qu'elle doit garantir. Le titre constate une dette abstraite, garantie par hypothèque, qui se juxtapose à la première dette. Toutefois, le concours de ces deux obligations, distinctes l'une de l'autre, n'implique pas par lui-même que la validité de la seconde soit conditionnée par celle de la première. Elles peuvent n'avoir, comme en
BGE 100 II 319 S. 326
l'espèce d'ailleurs, ni le même objet, ni le même montant. Elles ne sont pas seulement distinctes, mais différentes. Le seul lien qui existe entre elles est que l'obligation abstraite a été remise en gage pour garantir la première. La nullité de celle-ci reste sans influence sur la validité de l'obligation abstraite comme telle.
Ainsi, rien ne s'oppose au droit de gage de la banque demanderesse sur les obligations hypothécaires créées par Morard. Peu importe que la banque ait connu, comme le soutient la masse défenderesse, les tractations intervenues entre les époux Kukiela et Morard, et l'affectation antérieure des titres, dès lors que la validité intrinsèque de ces titres est constante.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet la demande. | public_law | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a3682468-c22a-48a8-bb5b-07261cd7ea56 | Urteilskopf
117 Ib 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Februar 1991 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen G. B., Kantonales Steueramt und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
(Begriff des Ersatzeinkommens).
Eine Ersatzleistung des Schädigers für die Beeinträchtigung in der Haushaltführung (sog. Haushaltentschädigung) ist keine Ersatzleistung nach
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
und damit steuerfrei (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 117 Ib 1 S. 1
Frau E. B. erlitt im Jahre 1978 einen Verkehrsunfall. Sie blieb invalid. Im Jahre 1986 zahlte ihr die Haftpflichtversicherung des Schädigers nebst einer Erwerbsausfallentschädigung, einer Genugtuung inkl. Zins und einer Entschädigung für Kosten für künftige Operationen eine sog. Haushaltentschädigung aus.
BGE 117 Ib 1 S. 2
Bei der Steuerveranlagung 1987/88 ihres Ehemannes G. B. unterwarf der Steuerkommissär den "Haushaltschaden" von Fr. ... der direkten Bundessteuer.
Die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich sah auf Beschwerde von G. B. hin von der Besteuerung der Haushaltentschädigung ab (Urteil vom 5. September 1989).
Dagegen führt die Eidgenössische Steuerverwaltung Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie macht geltend, die Haushaltentschädigung sei zu besteuern, und beantragt, G. B. sei mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. ... zum Satze von Fr. ... zu veranlagen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
a) Vor Bundesgericht ist einzig noch streitig, ob die Haushaltentschädigung von Fr. ... nach
Art. 21 BdBSt
steuerbares Einkommen darstellt. Die Vorinstanz verneinte dies, im wesentlichen mit der Begründung, die Haushaltentschädigung sei kein Ersatzeinkommen im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
; denn sie diene nicht dazu, wegfallende ordentliche Arbeitseinkünfte zu ersetzen, da bei der Führung des eigenen Haushalts keine Besteuerung von Einkommen erfolge.
b) Nach
Art. 21 Abs. 1 BdBSt
fällt das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen Einnahmequellen in die Steuerberechnung. Die nachfolgende Aufzählung in Absatz 1 lit. a bis f wird durch das Wort "insbesondere" eingeleitet und ist daher bloss beispielhaft und nicht abschliessend. Als Einkommen gilt nach der Rechtsprechung die Gesamtheit derjenigen Wirtschaftsgüter, die einem Individuum während eines bestimmten Zeitabschnitts zufliessen, und die es ohne Schmälerung seines Vermögens zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse und für seine laufende Wirtschaft verwenden kann (ASA 56, 63 E. 1b, mit Hinweisen).
Für den Bereich der natürlichen Personen ohne buchführungspflichtige Unternehmung ist das für die Besteuerung massgebende Einkommen nicht nach einer generell verbindlich vorausgesetzten Einkommenstheorie, sondern im konkreten Einzelfall anhand der in
Art. 21 BdBSt
positiv (Abs. 1) und negativ (Abs. 3) aufgezählten Beispiele, d.h. pragmatisch zu ermitteln; die beispielhafte Aufzählung von der Einkommenssteuer unterliegenden Vermögenszugängen kann durch die getroffene Auswahl und Umschreibung der
BGE 117 Ib 1 S. 3
Beispiele auch dazu dienen, die Besteuerung gewisser anderer Wertzuflüsse auszuschliessen (ASA 56, 64 E. 1c).
c) Nach
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
ist jedes Einkommen aus einer Tätigkeit mit Einschluss der Nebenbezüge und der Ersatzeinkommen (wie Lohn- und Verdienstersatz, Bezüge aus Arbeitslosenversicherung, Taggelder aus Kranken- und Unfallversicherung, Ruhegehälter, Pensionen, Alters- und Invalidenrenten, Kapitalabfindungen aus Dienstverhältnis, insbesondere für Ruhegehälter, Renten und Pensionen, Ersatzleistungen für bleibende Nachteile, Entschädigungen, die für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gewährt werden, usw.) steuerbar.
Ersatzeinkommen sind Bezüge, die dem Steuerpflichtigen, der seine Erwerbstätigkeit dauernd oder vorübergehend, freiwillig oder unfreiwillig, ganz oder teilweise einstellt, die dadurch wegfallenden ordentlichen Arbeitseinkünfte ersetzen (ASA 56, 65 E. 2b; KÄNZIG, Kommentar Wehrsteuer, 2. Aufl. 1982,
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
N 58). Als Ersatzeinkommen bezeichnet
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
unter anderem "Ersatzleistungen für bleibende Nachteile". Solche Ersatzleistungen stellen nur Einkommen im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
dar, wenn sie tatsächlich an die Stelle von Arbeitseinkommen treten, d.h. diese Einkommensquelle ganz oder teilweise ersetzen (ASA 56, 65 E. 2b).
d) Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz diente die der Ehefrau des Beschwerdegegners unter dem Titel "Haushaltschaden" ausbezahlte Entschädigung von Fr. ... dazu, den durch ihren Unfall verursachten Schaden aus Beeinträchtigung in der Haushaltführung abzugelten. Als Folge der Beeinträchtigung in der Haushaltführung entsteht der verletzten Ehefrau (
BGE 99 II 222
f. E. 2, mit Hinweisen) ein Schaden, der nach Haftpflichtrecht vom Schädiger oder dessen Versicherung zu ersetzen ist. Zu ersetzen ist der wirtschaftliche Wert der von der Ehefrau im Haushalt geleisteten Arbeit. Dieser bemisst sich abstrakt nach den kapitalisierten Aufwendungen für eine nach üblichen Ansätzen zu entschädigende Haushalthilfe (
BGE 113 II 350
ff. E. 2, mit Hinweisen). Die Entschädigung für Beeinträchtigung in der Haushaltführung ist Ersatz für einen Vermögensschaden (damnum emergens), auch wenn sie nicht konkret zur Haushaltführung eingesetzt wird.
e) Als Ersatzleistungen steuerbar sind nur Entschädigungen, die dazu bestimmt sind, eine Quelle nach
Art. 21 BdBSt
steuerbaren Einkommens zu ersetzen (ASA 56, 66 E. 2d). Die fragliche
BGE 117 Ib 1 S. 4
Entschädigung für die Beeinträchtigung in der Haushaltführung ersetzt jedoch nicht steuerbares Einkommen; denn der Wert der Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen bzw. seiner Ehefrau im Haushalt ist nicht steuerbar. Die Entschädigung für die Beeinträchtigung in der Haushaltführung ist zudem nicht Ersatz für entgangenen Gewinn (lucrum cessans), sondern für einen Vermögensschaden (damnum emergens), nämlich für das Wegfallen von Naturalleistungen. Ersatzleistungen für einen eingetretenen oder künftigen Vermögensschaden sind steuerfrei (Urteil vom 4. März 1988 i.S. O., E. 1b, StR 44, 176).
Die Vorinstanz hat damit zu Recht entschieden, dass die der Ehefrau des Beschwerdeführers ausbezahlte Entschädigung für die Beeinträchtigung in der Haushaltführung nicht steuerbar ist.
f) Was die Beschwerdeführerin zur Begründung ihrer Beschwerde vorbringt, überzeugt nicht. Namentlich ist nicht einsichtig, was aus den - abwegigen - Vergleichen mit den Naturaleinkünften eines Landwirteehepaares und mit der Steuerfreiheit für Löhne von Beamten einer internationalen Organisation für ihre Auffassung abgeleitet werden kann. Es erübrigt sich, darauf weiter einzugehen. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a36ceaaa-3104-4393-b4bb-3b17dcc60a56 | Urteilskopf
137 II 233
18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Sicherheitsdirektion und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 | Regeste
Art. 10 und 11 ANAG
,
Art. 70 VZAE
,
Art. 5 Anhang I FZA
, aArt. 43 StGB sowie
Art. 56 ff. StGB
; Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen; Ausweisung eines Unionsbürgers.
Es verstösst nicht gegen Landes- sowie gegen Staatsvertragsrecht, möglichst früh bzw. vor dem Ende des Straf- oder Massnahmenvollzugs über eine Ausweisung zu entscheiden (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 233
BGE 137 II 233 S. 233
A.
Der deutsche Staatsangehörige X., geboren 7. Oktober 1962, reiste 1986 in die Schweiz ein, wo er eine Niederlassungsbewilligung erhielt. Mit Urteil vom 14. August 1996 sprach ihn das Strafgericht Basel-Stadt der mehrfachen sexuellen Handlung mit Kindern
BGE 137 II 233 S. 234
schuldig, verurteilte ihn zu 14 Monaten Gefängnis bedingt und wies ihn an, sich auf eigene Kosten einer ambulanten psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Am 27. Januar 2006 wurde er vom Strafgericht Basel-Landschaft der mehrfachen sexuellen Handlung mit Kindern, der mehrfachen sexuellen Nötigung sowie der einfachen Körperverletzung für schuldig gesprochen und zu drei Jahren und neun Monaten Zuchthaus verurteilt unter Anrechnung einer Untersuchungshaft von 980 Tagen. Der Strafvollzug wurde aufgeschoben und X. gemäss aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- oder Pflegeanstalt eingewiesen. Seit 10. Februar 2004 befindet er sich im vorzeitig angetretenen Massnahmenvollzug.
B.
Mit Verfügung vom 13. Dezember 2006 wies die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion des Kantons Basel-Landschaft (JPMD; heute: Sicherheitsdirektion; nachfolgend: Direktion) X. gestützt auf
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
für 5 Jahre aus der Schweiz aus. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 27. Oktober 2009 ab. Dagegen erhob X. Beschwerde an das Kantonsgericht, welches diese mit Urteil vom 25. August 2010 ebenfalls abwies.
C.
X. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts (...) aufzuheben. (...)
D.
Die Sicherheitsdirektion (sinngemäss) und das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
E.
Mit Verfügung vom 26. November 2010 erteilte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
5.1
Der Beschwerdeführer bestreitet im Grundsatz nicht ernsthaft, dass er aktuell eine Gefährdung darstellt und dass die Voraussetzungen für eine Ausweisung gemäss
Art. 10 und 11 ANAG
[BS 1 121] bzw.
Art. 5 Anhang I FZA
[SR 0.142.112.681] zur Zeit erfüllt sind. Er macht aber geltend, die Voraussetzungen einer gegenwärtigen Gefährdung müssten in dem Zeitpunkt erfüllt sein, in dem die Ausweisung vollzogen werde. Die stationäre Massnahme, in der er sich
BGE 137 II 233 S. 235
befinde, könne noch Jahre dauern, so dass die im Zeitpunkt des Vollzugs der Ausweisung entscheidrelevanten Umstände heute noch gar nicht bekannt seien. Die Ausweisung sei daher erst nach Beendigung der gerichtlich angeordneten Sanktionen und gestützt auf die in jenem Zeitpunkt vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen. Im Verlauf der Therapie könne sich die Legalprognose ändern. Gemäss
Art. 62 StGB
dürfe die Entlassung aus dem Strafvollzug erst angeordnet werden, wenn dem Betroffenen eine günstige Prognose gestellt werden könne. Solange dies nicht zutreffe, dürfe er nicht entlassen werden, so dass eine ausländerrechtliche Ausweisung obsolet sei. Werde er aber dereinst entlassen, so nur deshalb, weil ihm eine günstige Prognose gestellt werden könne, was eine Ausweisung ausschliesse. Die heute bereits ausgesprochene Ausweisung sei daher überflüssig und damit rechtswidrig. Dieses Vorbringen ist im Folgenden zu prüfen, und zwar zunächst unter dem Gesichtspunkt des Landesrechts (E. 5.2), dann unter demjenigen des Staatsvertragsrechts (E. 5.3).
5.2
5.2.1
Auf Vollzug und Beendigung der nach aArt. 43 StGB angeordneten Massnahmen sind heute die
Art. 56-65 StGB
anwendbar (Ziff. 2 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung des StGB vom 13. Dezember 2002). Gemäss
Art. 59 Abs. 4 StGB
beträgt der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen. Die Verlängerung über die fünf Jahre hinaus setzt somit einerseits voraus, dass eine Gefährdung weiterhin besteht, mithin die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach
Art. 62 StGB
noch nicht erfüllt sind (
BGE 135 IV 139
E. 2.2.1). Andererseits wird vorausgesetzt, dass dieser Gefahr durch die Massnahme begegnet werden kann, mithin dass der Täter überhaupt behandlungsfähig ist (
BGE 134 IV 315
E. 3.4.1;
BGE 109 IV 73
E. 3; MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Niggli/Wiprächtiger [Hrsg.], Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 63 zu
Art. 59 StGB
); gemeint ist damit eine therapeutische dynamische Einflussnahme, die zu einer Verbesserung der Legalprognose führt
BGE 137 II 233 S. 236
(
BGE 134 IV 315
E. 3.6). Eine Verlängerung über die fünf Jahre hinaus kann deshalb nur in Betracht gezogen werden, wenn sich davon eine therapeutische Wirkung in diesem Sinne erwarten lässt (BBl 1999 2078 f.;
BGE 135 IV 139
E. 2.3.2). Zudem hat die Verlängerung der Massnahme im Grunde Ausnahmecharakter und rechtfertigt sich deshalb nur bei Gefahr relativ schwerwiegender Delikte (
BGE 135 IV 139
E. 2.1 S. 141 und E. 2.4 S. 144). Sodann wird die stationäre Massnahme nach
Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB
aufgehoben, wenn ihre Durch- oder Fortführung als aussichtslos erscheint, also namentlich wenn eine therapeutische Behandlung erfolglos ist (ANDREA BAECHTOLD, Strafvollzug, 2. Aufl. 2009, S. 281; HEER, a.a.O., N. 17 ff. zu
Art. 62c StGB
).
Es ist also nicht so, dass die stationäre Massnahme in jedem Fall erst beendet wird, wenn dem Täter eine günstige Prognose gestellt werden kann. Sie kann gerade auch dann und deshalb beendet werden, weil eine therapeutische Besserung nicht mehr zu erwarten ist. Zwar könnte in diesem Fall gemäss
Art. 62c Abs. 3 StGB
eine andere Massnahme angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen. Da in solchen Fällen auch eine ambulante therapeutische Behandlung nicht zielführend wäre, käme nur die Verwahrung in Frage (
Art. 64 Abs. 1 StGB
; vgl. BBl 1999 2079;
BGE 134 IV 121
E. 3.4.2 S. 130,
BGE 134 IV 315
E. 3.2 S. 320 und E. 3.7 S. 324), die indessen strengeren Voraussetzungen unterliegt und als ultima ratio nur bei qualifizierter Wahrscheinlichkeit einer erneuten schweren Delinquenz in Frage kommt (
BGE 137 IV 59
E. 6.3 S. 70;
BGE 134 IV 121
E. 3.4.4 S. 132). Dabei ist zu beachten, dass eine Verwahrung ein bedeutend schwererer Eingriff in die Rechtsstellung des Betroffenen ist als eine ausländerrechtliche Ausweisung und deshalb im Lichte des Verhältnismässigkeitsprinzips zurückhaltender angeordnet werden darf. Eine Gefährdung, die ausreicht, um eine Ausweisung zu rechtfertigen, genügt deshalb nicht unbedingt für eine Verwahrung. Es ist also denkbar, dass zwar eine stationäre therapeutische Massnahme mangels Therapierbarkeit des Beschwerdeführers nicht mehr weitergeführt und eine Verwahrung mangels qualifizierter Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung nicht angeordnet wird, aber weiterhin eine Gefährdung besteht.
5.2.2
Aber selbst wenn der Beschwerdeführer dereinst wegen verbesserter Legalprognose aus dem Massnahmenvollzug entlassen werden sollte, schliesst dies eine Ausweisung nicht aus. Strafrecht und
BGE 137 II 233 S. 237
Ausländerrecht verfolgen unterschiedliche Ziele und sind unabhängig voneinander anzuwenden. Der Straf- und Massnahmenvollzug hat nebst der Sicherheitsfunktion eine resozialisierende bzw. therapeutische Zielsetzung; für die Fremdenpolizeibehörden steht demgegenüber das Interesse der öffentliche Ordnung und Sicherheit im Vordergrund, woraus sich ein im Vergleich mit den Straf- und Strafvollzugsbehörden strengerer Beurteilungsmassstab ergibt (
BGE 120 Ib 129
E. 5b S. 132; Urteil 2A.103/2005 vom 4. August 2005 E. 4.2.2; NÄGELI/SCHOCH, Ausländische Personen als Straftäterinnen und Straftäter, in: Ausländerrecht, Uebersax und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2009, S. 1163). So kann aus dem Umstand, dass ein Straftäter bedingt aus dem Strafvollzug entlassen wurde, nicht bereits geschlossen werden, es gehe keine Gefahr (im fremdenpolizeilichen Sinne) mehr von ihm aus (
BGE 130 II 176
E. 4.3.3 S. 188). Auch eine aus der Sicht des Massnahmenvollzugs positive Entwicklung oder ein klagloses Verhalten im Strafvollzug schliessen eine Rückfallgefahr und eine fremdenpolizeiliche Ausweisung nicht aus (
BGE 125 II 521
E. 4a/bb S. 528; Urteile 2A.688/2005 vom 4. April 2006 E. 3.1.3 und 2C_832/2009 vom 29. Juni 2010 E. 4.3). Die Argumentation des Beschwerdeführers, wonach er nach seiner allfälligen Entlassung aus dem Massnahmenvollzug keine Gefahr im ausländerrechtlichen Sinne mehr darstellen werde, geht deshalb fehl.
5.2.3
Die Frage kann höchstens sein, ob eine Koordination zwischen den Strafvollzugsbehörden und den Fremdenpolizeibehörden stattzufinden habe in dem Sinne, dass diese eine Ausweisung bzw. einen Bewilligungswiderruf erst dann anordnen, wenn sich jene zur Fortführung einer stationären Massnahme bzw. zur Anordnung einer Verwahrung geäussert haben.
Gemäss
Art. 70 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201)
bleibt im Falle eines Straf- oder Massnahmenvollzugs die bisherige ausländerrechtliche Bewilligung bis zur Entlassung aus dem Straf- oder Massnahmenvollzug gültig. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung ist das Anwesenheitsverhältnis spätestens auf den Zeitpunkt der bedingten oder unbedingten Entlassung neu zu regeln. Besteht die Möglichkeit, die betroffene Person zum Vollzug eines Strafurteils in den Heimatstaat zu überstellen, ist sofort über das Anwesenheitsverhältnis zu entscheiden. Diese Bestimmung entspricht ungefähr der früheren Regelung von
Art. 14 Abs. 8 ANAV
(AS 1949 228).
BGE 137 II 233 S. 238
Dazu hatte das Bundesgericht erkannt, dass
Art. 14 Abs. 8 ANAV
den Zeitpunkt der Verfügung nicht näher regle, dass aber jedenfalls vor der Entlassung verfügt werden soll, damit der Ausländer sein Leben in Freiheit vorbereiten könne. Es sollte auf eine vernünftige zeitliche Distanz zwischen der Verfügung und der Entlassung geachtet werden, wobei die Zeitspanne zwischen der Regelung des künftigen Aufenthalts und der Entlassung aus dem Vollzug die voraussichtliche Dauer eines Rechtsmittelverfahrens nicht übertreffen sollte (
BGE 131 II 329
E. 2.3 und 2.4). Als zulässig erachtet wurde auch eine Ausweisung, die rund sechs Jahre vor der frühestmöglichen bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug angeordnet worden war, da keine erkennbaren Anzeichen dafür vorhanden waren, dass sich die für die Anordnung der Ausweisung massgebenden Verhältnisse bis zu deren Vollzug entscheidend verändern würden (Urteil 2C_201/2007 vom 3. September 2007 E. 5). Auch brauchte eine während des Strafvollzugs durchgeführte psychotherapeutische Behandlung nicht abgewartet zu werden, um die Ausweisung zu verfügen. Einerseits erschienen nämlich die Erfolgsaussichten der Behandlung als ungewiss und könne ein Rückfallrisiko selbst nach einer psychiatrischen Behandlung nicht ausgeschlossen werden und andererseits habe der frühzeitige, noch vor der Haftentlassung getroffene Entscheid über die Ausweisung auch Vorteile, indem Klarheit darüber geschaffen werde, wo der Straftäter nach der Entlassung aus dem Vollzug leben würde. Das ermögliche den Strafvollzugsbehörden und auch dem Betroffenen selber, sich im Hinblick auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft rechtzeitig darauf einzurichten. Im Geltungsbereich des Übereinkommens vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (SR 0.343) kommt hinzu, dass der Verurteilte bei geklärter fremdenpolizeilicher Ausgangslage daran interessiert sein könnte, für den weiteren Vollzug der Sanktion in seinen Heimatstaat überstellt zu werden (Urteil 2A.153/1999 vom 3. September 1999 E. 4b).
5.2.4
Diese Rechtsprechung ist auch unter der Geltung von
Art. 70 VZAE
massgebend, denn nach dieser Rechtslage kann eine Ausweisung selbst dann erfolgen, wenn sich der Verurteilte gegebenenfalls im Straf- oder Massnahmenvollzug gebessert hat, so dass ein Zuwarten mit der Verfügung bis zum Ende des Vollzugs keinen Sinn macht.
Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass Pädosexualität kaum heilbar, sondern lediglich kontrollierbar ist. Es erscheint in solchen
BGE 137 II 233 S. 239
Fällen daher fraglich, ob eine Therapierung so weit zu gedeihen vermag, dass eine ausländerrechtlich relevante Gefahr entfällt. Jedenfalls gibt es hier keine Anhaltspunkte dafür, dass sich vorliegend eine andere Schlussfolgerung aufdrängen würde.
5.3
5.3.1
Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, dass nach dem Freizügigkeitsabkommen die Ausweisung erst nach Beendigung der strafrechtlichen Sanktion und gestützt auf die dannzumal vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen sei. Er stützt sich dabei auf das Urteil des EuGH vom 29. April 2004 C-482/01 und C-493/01
Orfanopoulos und Oliveri
, Slg. 2004 I-5257 Randnrn. 77-79. In diesem Urteil hat der EuGH erkannt, dass Artikel 3 der Richtlinie 64/221/EWG (ABl. L 56 vom 4. April 1964 S. 850) einer innerstaatlichen Praxis entgegensteht, wonach die nationalen Gerichte nicht verpflichtet sind, bei der Prüfung der Rechtmässigkeit einer Ausweisung einen Sachvortrag zu berücksichtigen, der nach der letzten Behördenentscheidung erfolgt ist und der den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen kann, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein längerer Zeitraum zwischen der Entscheidung über die Ausweisung und der Beurteilung dieser Entscheidung durch das zuständige Gericht liegt.
5.3.2
Dieses Urteil bejaht somit nur die novenrechtliche Frage, ob ein Verwaltungsgericht verpflichtet ist, neue Sachverhalte zu berücksichtigen, die seit dem Verwaltungsentscheid ergangen sind. Das hat aber die Vorinstanz bereits so getan. Zwar stammt die ursprüngliche Verfügung der Direktion vom 13. Dezember 2006. Indessen hat der Regierungsrat in seinem Beschwerdeentscheid vom 27. Oktober 2009 die Entwicklung des Beschwerdeführers während des Massnahmenvollzugs (Bericht der Sicherheitsdirektion vom 28. Juli 2009) berücksichtigt. Das Kantonsgericht seinerseits stützte sich zusätzlich auf die seither erfolgte Entwicklung, nämlich den Verlaufsbericht vom 12. Juli 2010 und die Parteiverhandlung vom 25. August 2010, an welcher der Beschwerdeführer und der für ihn zuständige Oberarzt der Massnahmenvollzugsanstalt befragt wurden. Das Kantonsgericht hat also die aktuelle Entwicklung bis zum Urteilstag berücksichtigt.
5.3.3
Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Gefährdung der öffentlichen Ordnung "gegenwärtig" sein muss (Urteil des EuGH vom
BGE 137 II 233 S. 240
19. Januar 1999 C-348/96
Calfa
, Randnr. 24;
BGE 131 II 329
E. 3.2). Weder das Freizügigkeitsabkommen noch die Rechtsprechung äussern sich dazu, in welchem Zeitpunkt die Gefahr gegenwärtig sein muss. Die Interpretation des Beschwerdeführers, wonach die Gefährdung im Zeitpunkt der Entlassung aus dem Straf- oder Massnahmenvollzug vorliegen müsse, ist zwar vertretbar, aber andere Interpretationen sind ebenfalls denkbar. Ein Zuwarten bis zum Ende des Vollzugs würde nur Sinn machen, wenn die seitherige Entwicklung für den Entscheid massgeblich sein kann. Dem kann das Interesse an einem sofortigen oder frühzeitigen Entscheid über die Entfernungsmassnahme entgegenstehen (E. 5.2).
5.3.4
In diesem Sinne steht die Interpretation des Beschwerdeführers in einem gewissen Widerspruch zum Zusatzprotokoll vom 18. Dezember 1997 zum Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen (SR 0.343.1), das für die Schweiz am 1. Oktober 2004 und für Deutschland am 1. August 2007 in Kraft getreten ist und damit im Verhältnis zwischen diesen beiden Staaten als jüngerer Vertrag dem Freizügigkeitsabkommen vorgeht, welches nicht nur mit der EG, sondern auch mit den einzelnen Mitgliedstaaten abgeschlossen wurde (Art. 30 Abs. 3 und Abs. 4 lit. a des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111]). Gemäss Art. 3 Abs. 1 dieses Zusatzprotokolls kann eine verurteilte Person auch ohne ihre Zustimmung zum Vollzug in ihren Heimatstaat überstellt werden. Darin liegt der Unterschied zum ursprünglichen Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen (SR 0.343; vgl.
Art. 101 Abs. 2 IRSG
[SR 351.1] in der Fassung vom 19. Dezember 2003; Botschaft vom 1. Mai 2002 zu diesem Zusatzübereinkommen, BBl 2002 4341, 4348 f. zu Art. 3; BAECHTOLD, a.a.O., S. 96 f.). Voraussetzung für die Überstellung ist, dass die verhängte Sanktion oder eine infolge dieser Sanktion getroffene Verwaltungsentscheidung eine Ausweisungsanordnung enthält, auf Grund deren es der betroffenen Person nicht gestattet sein wird, nach der Entlassung aus der Haft im Hoheitsgebiet des Urteilsstaats zu bleiben. Diese völkerrechtliche Regelung lässt somit ausdrücklich zu bzw. setzt sogar voraus, dass eine allfällige Ausweisungsverfügung möglichst frühzeitig ergeht (BAECHTOLD, a.a.O., S. 97; vgl. auch NAEGELI/SCHOCH, a.a.O., S. 1155 f.), wenn möglich gleich zu Beginn des Vollzugs. Dies wird denn auch in
Art. 70 Abs. 2 Satz 2 VZAE
umgesetzt, wonach sofort über das Anwesenheitsverhältnis zu entscheiden ist, wenn die Möglichkeit
BGE 137 II 233 S. 241
besteht, die verurteilte Person zum Vollzug in den Heimatstaat zu überstellen.
5.4
Insgesamt entspricht es jedenfalls vorliegend sowohl dem Landesrecht als auch dem Staatsvertragsrecht, dass möglichst früh und jedenfalls vor dem Ende des Straf- oder Massnahmenvollzugs über die Ausweisung entschieden wird. Der angefochtene Entscheid ist auch in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden. | public_law | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a36fbc08-533f-4149-bf27-5f0f625a61c7 | Urteilskopf
114 II 253
43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. November 1988 i.S. A. gegen B. (Berufung) | Regeste
1. Art. 48 Abs. 1 und 51 Abs. 1 lit. a OG. Berufung gegen einen kantonalen Endentscheid über die Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Fehlende Angaben über den Streitwert (E. 1).
2. Eine Feststellungsklage nach Bundesrecht setzt insbesondere voraus, dass der Klüger an der sofortigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses ein schutzwürdiges Interesse hat (E. 2a). Umstände, unter denen dies zu verneinen ist (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 114 II 253 S. 253
A.-
Der Knabe A. wurde am 22. März 1985, als er acht Jahre alt war, auf einem Spielplatz in Rheinfelden von einem Kunststoffpfeil, der mit einer Metallspitze versehen war, ins linke Auge getroffen. Er hat die Sehkraft dieses Auges daraufhin verloren; dessen Entfernung kann sich zudem als notwendig erweisen, wenn es weiter schrumpfen sollte. Auch ist eine Entzündung des rechten Auges durch das linke nicht ausgeschlossen.
BGE 114 II 253 S. 254
A. befand sich zur Zeit des Unfalls hinter einer Bretterwand, die als Zielscheibe diente, und schaute durch ein Loch dem Spielgeschehen zu. Der Pfeil wurde vom damals elfjährigen B. abgeschossen, der den Verletzten vor dem Unfall zusammen mit andern Kameraden gewarnt und weggeschickt haben will und deshalb ein Mitverschulden bestreitet.
B.-
Am 14. März 1986 klagte A. gegen B. auf Feststellung, dass der Beklagte für die ihm zugefügte Körperverletzung vollumfänglich hafte. Der Beklagte widersetzte sich diesem Begehren und beantragte, das Verfahren vorerst auf die Frage zu beschränken, ob eine blosse Feststellungsklage überhaupt zulässig sei.
Mit Urteil vom 26. November 1987 verneinte das Bezirksgericht Rheinfelden diese Frage und erkannte, dass auf die Klage nicht einzutreten sei. Der Kläger appellierte an das Obergericht des Kantons Aargau, das am 14. April 1988 im gleichen Sinne entschied.
C.-
Der Kläger hat Berufung eingelegt mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen oder sein Feststellungsbegehren gutzuheissen.
Der Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten oder sie jedenfalls abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Urteil enthält entgegen der Vorschrift von
Art. 51 Abs. 1 lit. a OG
keine Angaben über den Streitwert. Beide Parteien sind sich indes darüber einig, dass dieser Wert den Betrag von Fr. 15'000.-- jedenfalls übersteigt, nach Auffassung des Beklagten sogar bei weitem, was übrigens schon nach den schweren Unfallfolgen auf der Hand liegt.
Dass das Obergericht bloss über die Zulässigkeit einer Feststellungsklage zu entscheiden hatte, steht der Berufung entgegen der Auffassung, die in der Berufungsantwort vertreten wird, nicht im Wege. Der Beklagte übersieht, dass die Berufung sich gegen einen kantonalen Endentscheid über die Frage richtet, ob vorliegend eine Feststellungsklage nach Bundesrecht zuzulassen sei, oder ob das Obergericht dies zu Unrecht verneint habe. Es lässt sich im Ernst auch nicht sagen, es gehe bloss um die Feststellung einer Tatsache, wie die Berufungsantwort anzunehmen scheint, will der Kläger doch festgestellt wissen, dass der Beklagte den Unfall
BGE 114 II 253 S. 255
verschuldet habe und daher dafür hafte (vgl. die nicht veröffentlichte Erwägung 1 des in
BGE 99 II 172
ff. wiedergegebenen Urteils).
2.
Der Kläger machte bereits in der Klageschrift vom 14. März 1986 geltend, dass er mit seinem Feststellungsbegehren zuzulassen sei, weil sich weder die medizinischen noch die wirtschaftlichen Folgen seiner Körperverletzung überblicken liessen, eine Leistungsklage folglich noch gar nicht möglich sei; um unlösbaren Beweisproblemen vorbeugen zu können und sich gegen die drohende Verjährung zu schützen, habe er zudem ein rechtlich erhebliches Interesse an der Feststellung der Haftung. Der Kläger hält daran auch vor Bundesgericht fest; er wirft dem Obergericht insbesondere vor, dass es die bundesrechtlichen Voraussetzungen eines Feststellungsbegehrens, das unabhängig von der Möglichkeit einer Leistungsklage bestehe, verkenne und von einer "Sachverhaltsfeststellung" ausgehe, die aktenwidrig sei und auf offensichtlichen Versehen beruhe. Jedenfalls sei es ihm zur Zeit der Klage noch nicht möglich gewesen, seine Ansprüche abzuschätzen oder gar zu beziffern und damit auf abschliessende Leistungen zu klagen. Das angefochtene Urteil laufe auf eine absolute Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage hinaus.
a) Das Obergericht hat die Zulässigkeit der Feststellungsklage ausschliesslich nach Bundesrecht beurteilt und die Frage, ob ein weitergehender Anspruch auf eine solche Klage nach kantonalem Recht mit Bundesrecht vereinbar wäre, offengelassen. Eine Klage auf Feststellung eines dem eidgenössischen Recht unterstehenden Rechtsverhältnisses ist zuzulassen, wenn der Kläger an der sofortigen Feststellung ein schutzwürdiges Interesse hat, das rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein kann, aber erheblich sein muss. Ein solches Interesse fehlt in der Regel, wenn der Kläger in der Lage ist, über eine blosse Feststellung hinaus eine vollstreckbare Leistung zu verlangen (
BGE 97 II 375
E. 2 und
BGE 99 II 173
E. 2 mit Hinweisen). Zu bejahen ist es dagegen insbesondere, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind und die Ungewissheit durch die richterliche Feststellung über den Bestand und den Inhalt des Rechtsverhältnisses beseitigt werden kann (
BGE 110 II 357
E. 2). Vorbehalten bleibt ferner der Fall, wo die Verletzung andauert und der Schaden noch wächst, der Geschädigte aber an der sofortigen Feststellung der Verletzung interessiert ist und die Leistungsklage vorläufig auf einen Teil des Schadens beschränken muss (
BGE 99 II 174
).
BGE 114 II 253 S. 256
Das heisst nicht, dass jede abstrakte Ungewissheit genüge; erforderlich ist vielmehr, dass ihre Fortdauer dem Kläger nicht mehr zugemutet werden kann, weil sie ihn in seinen Entschlüssen behindert (
BGE 110 II 357
E. 2). Gewiss hat ein Geschädigter vom Schaden nicht schon dann im Sinne von
Art. 60 Abs. 1 OR
Kenntnis, wenn er weiss, dass die unerlaubte Handlung sein Vermögen vermindert hat oder vermindern wird, sondern erst, wenn er ihre schädlichen Auswirkungen soweit kennt, dass er in der Lage ist, für alle Schadensposten auf dem Prozesswege Ersatz zu verlangen (
BGE 93 II 502
E. 2,
BGE 92 II 4
,
BGE 89 II 404
und 417). Dagegen braucht er nicht zu wissen, wie hoch ziffernmässig der Schaden ist. Es ist auch nicht nötig, dass sich dieser im Vermögen des Ersatzberechtigten schon ausgewirkt habe. Der Betroffene kann auf Ersatz künftigen Schadens klagen, selbst wenn dessen Umfang sich noch nicht sicher ermitteln lässt, weil künftige Ereignisse ihn noch erhöhen oder vermindern können. Der Satz, wonach der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden nach Ermessen des Richters mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen abgeschätzt werden soll (
Art. 42 Abs. 2 OR
), ist nicht nur auf den bereits eingetretenen, aber schwer nachweisbaren Schaden zugeschnitten, sondern auch auf Nachteile, die der Betroffene wegen der schädigenden Handlung voraussichtlich noch erleiden wird (
BGE 86 II 45
,
BGE 84 II 576
/77,
BGE 60 II 130
f.).
Das gilt namentlich auch für Schäden aus Körperverletzung. Dafür ist selbst dann Ersatz zuzusprechen, wenn die körperlichen Folgen der Verletzung noch unsicher sind; denn
Art. 46 Abs. 2 OR
ermächtigt den Richter, bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an gerechnet, dessen Abänderung vorzubehalten, wenn die Folgen der Verletzung im Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt sind. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Schadenersatzklage sogar dann geschützt werden muss, wenn der künftige Grad der körperlichen Behinderung noch nicht einmal "hinreichend" sicher ist und auch noch ungewiss bleibt, ob er binnen zwei Jahren nach der Ausfällung des Urteils genügend zuverlässig wird festgestellt werden können. Das Gesetz findet sich damit ab, dass ein Urteil gefällt werde und in Kraft bleibe, das der späteren gesundheitlichen Entwicklung des Verletzten nicht in allen Teilen entspricht (
BGE 86 II 47
).
b) Nach dem angefochtenen Urteil waren die medizinischen Folgen des verhängnisvollen Schusses schon im März 1986, als die
BGE 114 II 253 S. 257
Klage eingereicht wurde, abzusehen und mit grosser Wahrscheinlichkeit zu bestimmen; im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens sei sogar mit Sicherheit festgestanden, dass der Kläger sein linkes Auge vollständig verlieren werde. Das Obergericht stützt sich dabei vorweg auf je einen Bericht der Augen-Poliklinik Basel vom 22. Mai 1985 und der Augenklinik des Kantonsspitals Luzern vom 17. Mai 1985, in denen bereits davon die Rede gewesen sei, dass das verletzte Auge schrumpfe und eventuell entfernt werden müsse. Die vom Bezirksgericht eingeholte Expertise sodann habe bestätigt, dass der medizinische Zustand des Klägers vom 6. April 1987 den vorbekannten Umständen entsprochen habe und sein Auge, wie im Mai 1985 befürchtet, weiter schrumpfe, später entfernt und durch eine Prothese ersetzt werden müsse und damit zu einer dauernden Einäugigkeit führe.
Diese Feststellungen des Obergerichts betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden das Bundesgericht, da von offensichtlichen Versehen im Sinne von
Art. 63 Abs. 2 OG
entgegen den. Einwänden des Klägers keine Rede sein kann. Die Vorinstanz hat die medizinischen Berichte nicht übersehen, sie vielmehr gewürdigt, aber nicht in dem vom Kläger gewünschten Sinne. Was in der Berufung dagegen vorgebracht wird, ist daher als blosse Kritik an der Beweiswürdigung des Obergerichts nicht zu hören. Dass der medizinische Zustand zur Zeit der Klage stabil gewesen sei, wie der Kläger dem Obergericht unterstellt, ist dem angefochtenen Urteil übrigens nicht zu entnehmen; es heisst darin vielmehr, dass die medizinische Entwicklung des Zustandes damals, d.h. als der Kläger beim Bezirksgericht Klage einleitete, klar absehbar und die Folgen davon bestimmbar gewesen seien. Diesen Zeitpunkt auf das Datum des Sühnebegehrens vom 9. Dezember 1985 oder des Sühneversuchs vom 7. Januar 1986 beziehen und als Versehen ausgeben zu wollen, ist zudem kühn und kaum ernst gemeint.
Ist mit dem angefochtenen Urteil aber davon auszugehen, dass die Unfallfolgen schon zur Zeit der Klage mit grosser Wahrscheinlichkeit bestimmbar waren, so ist die Auffassung des Obergerichts, eine Leistungsklage sei schon damals möglich gewesen, dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Feststellungsklage folglich abzusprechen, bundesrechtlich nicht zu beanstanden; sie deckt sich vielmehr mit der hiervor angeführten Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen Voraussetzungen einer Feststellungsklage, zum ziffernmässig nicht nachweisbaren Schaden (
Art. 42 Abs. 2 OR
), zum Rektifikationsvorbehalt (
Art. 46 Abs. 2 OR
) und zum Beginn
BGE 114 II 253 S. 258
der Verjährung (
Art. 60 Abs. 1 OR
). Der Kläger war damals übrigens nicht anderer Meinung, erklärte er doch in der Klageschrift vom 14. März 1986, dass er auf dem linken Auge "für immer erblindet" sei. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob das Obergericht mit seinem Vorhalt, im erstinstanzlichen Verfahren sei sogar mit Sicherheit festgestanden, dass der Kläger sein linkes Auge vollständig verlieren werde, sagen wollte, der Kläger hätte noch vor Bezirksgericht von der Feststellungsklage auf eine Leistungsklage übergehen oder jene mit dieser ergänzen dürfen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 14. April 1988 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a374957a-f7b4-4098-8334-6fd3f1c9513c | Urteilskopf
116 II 471
88. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1990 i.S. AB Volvo gegen Fritz Herren AG (Berufung) | Regeste
Unlauterer Wettbewerb durch Nachahmung fremder Erzeugnisse.
- Soweit nicht patent-, urheber- oder modellrechtliche Schutzansprüche entgegenstehen, ist die Nachahmung fremder Erzeugnisse grundsätzlich erlaubt. Ein Wettbewerbsverstoss liegt nur vor, wenn der Verbraucher vermeidbarerweise über den Hersteller eines nachgemachten Produktes irregeführt wird oder wenn der Nachahmer in schmarotzerischer Manier den guten Ruf der Erzeugnisse eines Mitbewerbers ausbeutet (E. 3a/aa).
- Anwendung dieser Grundsätze auf das Ersatzteilgeschäft (E. 3a/bb), insbesondere in der Automobilbranche (E. 3b und c). | Sachverhalt
ab Seite 471
BGE 116 II 471 S. 471
A.-
Die AB Volvo ist Inhaberin des am 3. Dezember 1974 hinterlegten Modells Nr. 107 439 für einen Kotflügel, der ab 1975
BGE 116 II 471 S. 472
in die Volvo-Automobile der 200er-Serie eingebaut wurde. Die Fritz Herren AG, die mit Autozubehör und -ersatzteilen handelt, bietet seit spätestens 1986 dem hinterlegten Modell entsprechende Kotflügel unter den Typennummern 804171/172 und 804271/272 auf dem Markt an.
B.-
Mit Klage vom 16. März 1988 belangte die AB Volvo die Fritz Herren AG aus Modell und Wettbewerbsrecht. Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 27. Februar 1990 ab.
C.-
Das Bundesgericht weist die von der Klägerin eingelegte Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
(Schutzfähigkeit des hinterlegten Kotflügels als Modell verneint.)
3.
Die Klägerin rügt ferner, dass das Handelsgericht in Verletzung von
Art. 3 lit. d UWG
bzw.
Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG
einen Wettbewerbsverstoss der Beklagten verneine und die Sanktionen gemäss
Art. 9 Abs. 1 lit. c, Abs. 2 und Abs. 3 UWG
bzw. Art. 2 Abs. 1 lit. a, b und d sowie
Art. 6 aUWG
nicht ausspreche. Sie macht geltend, die Beklagte handle unlauter, wenn sie die klägerischen Kotflügel sklavisch nachahme und damit deren guten Ruf in schmarotzerischer Weise ausbeute.
a) aa) Nach altem wie nach neuem Wettbewerbsrecht handelt unlauter, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit den Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen (
Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG
;
Art. 3 lit. d UWG
). Ein generelles Verbot, fremde Erzeugnisse nachzuahmen, lässt sich aus dieser Vorschrift indessen nicht ableiten. Die Nachahmung ist vielmehr grundsätzlich erlaubt, soweit nicht patent-, urheber- oder modellrechtliche Schutzansprüche entgegenstehen. Es ginge nicht an, auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht als widerrechtlich zu bezeichnen, was nach den Spezialgesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes erlaubt ist (
BGE 108 II 75
E. c;
BGE 105 II 301
E. 4a;
BGE 104 II 332
E. 5a). Daraus, dass die Rechtsordnung für bestimmte Kategorien geistiger Schöpfungen besondere - an die Erfüllung formeller Voraussetzungen geknüpfte und zeitlich beschränkte - Ausschliessungsrechte anerkennt, folgt zwingend, dass die wirtschaftliche Betätigung des
BGE 116 II 471 S. 473
einzelnen ausserhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl. 1983, N. 388 zu § 1 dUWG).
Das Verwenden einer fremden Konstruktions- oder Gestaltungsidee verstösst demnach für sich allein nicht gegen das Gebot des lauteren Wettbewerbes; von einem solchen Verstoss kann vielmehr erst die Rede sein, wenn ein Wettbewerbsteilnehmer eine fremde geistige Leistung in einer Art und Weise verwendet, die mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbaren ist (
BGE 108 II 73
E. b;
BGE 103 II 215
E. 3). Zur Tatsache der Nachahmung müssen daher weitere Umstände hinzutreten, um das Verhalten des Nachahmers als unlauter erscheinen zu lassen (
BGE 92 II 206
E. 6). Ausser Betracht haben dabei Momente zu bleiben, welche zwar sonst die Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung begründen, die aber die notwendige Folge jeder Nachahmung sind; denn würde man auf sie abstellen, wäre dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit die Substanz entzogen. So genügt es nicht, dass infolge der Nachahmung die Waren miteinander verwechselt werden können (BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 388 f. zu § 1 dUWG). Durch die Nachahmungsfreiheit nicht mehr rechtfertigen lässt es sich hingegen, wenn der Konsument vermeidbarerweise über die betriebliche Herkunft irregeführt wird (
BGE 95 II 477
E. 2;
BGE 92 II 207
E. 7a je mit Hinweisen; vgl. ferner
BGE 113 II 85
), oder wenn der Nachahmer in schmarotzerischer Manier den guten Ruf der Erzeugnisse eines Mitbewerbers ausbeutet (
BGE 113 II 201
f. mit Hinweisen; vgl. ferner VON BÜREN, Kommentar zum aUWG, N. 28 f. zu Art. 1 Abs. 1).
Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch Irreführung über die betriebliche Herkunft einer Ware und durch Ausbeutung des guten Rufes von Konkurrenzprodukten kommt allerdings nur dort in Betracht, wo sich der Konsument überhaupt für den Hersteller interessiert. Das ist beispielsweise bei billigen Artikeln des täglichen Gebrauchs oft nicht der Fall (
BGE 83 II 161
). Anders verhält es sich dagegen insbesondere bei aufwendigeren technischen Geräten, deren Funktionstüchtigkeit, Sicherheit und Lebensdauer naturgemäss stark von der Qualität ihrer Bestandteile abhängt; hier verbindet der Konsument mit der betrieblichen Herkunft eines Erzeugnisses bestimmte Qualitätsvorstellungen, spielt für seine Wahl zwischen verschiedenen Konkurrenzprodukten der Hersteller mithin in der Regel eine wesentliche Rolle.
BGE 116 II 471 S. 474
Dennoch ist auch in diesen Bereichen die Nachahmung grundsätzlich erlaubt; der Vorwurf unlauteren Verhaltens kann dem Nachahmer erst gemacht werden, wenn er es unterlässt, im Rahmen des Zumutbaren geeignete Massnahmen zu treffen, um die Gefahr der Irreführung des Publikums über die Herkunft der Erzeugnisse zu beseitigen oder zu verringern (REIMER/VON GAMM, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht Bd. II, 4. Aufl. 1972, S. 163 Rz. 19; BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 399b zu § 1 dUWG; MALZER, zum Vertrieb von Ersatzteilen, Zubehörstücken und Zusatzgeräten zu fremden Erzeugnissen, in GRUR 79/1977, S. 643). Das kann dadurch geschehen, dass die äussere Form des Erzeugnisses, soweit dessen Verwendungszweck dies zulässt, vom Vorbild abweichend gestaltet (
BGE 108 II 75
f.) oder sonstwie hinreichend deutlich auf den Hersteller hingewiesen wird (vgl. z.B.
BGE 105 II 301
E. 4a). Bei der Frage, ob der Nachahmer die zumutbaren Massnahmen zur Vermeidung von Verwechslungen getroffen hat, sind aber immer auch die berechtigten Interessen der Mitbewerber am freien Zugang zum allgemeinen Stand der Technik und zum allgemeinen Formenschatz zu berücksichtigen; dem Nachahmer kann grundsätzlich nicht verwehrt werden, den bekannten Stand der Technik zugrunde zu legen, Formen zu benutzen, die die Verbraucher für den Gebrauchszweck der Ware als wesentlich ansehen, oder naheliegende, dem Zeitgeschmack entsprechende Formgestaltungen zu wählen (REIMER/VON GAMM, a.a.O., S. 163). Die Pflicht, auf den Hersteller besonders hinzuweisen, entfällt zudem dort, wo eine Ware Fachkreisen angeboten wird, die sich in der Regel zu vergewissern pflegen oder darüber unterrichtet sind, woher die Ware stammt (BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 399a zu § 1 dUWG; BGH in GRUR 79/1977, D. 667).
Wo genau die erlaubte Verwendung fremder geistiger Leistungen aufhört und die unlautere Irreführung des Konsumenten oder die schmarotzerische Ausbeutung des Mitbewerbers beginnt, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern ist in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles und aufgrund einer Interessenabwägung zu entscheiden. Abzuwägen sind dabei das Interesse des Erstherstellers an der Erhaltung seines wettbewerblichen Vorsprungs, das Interesse des Nachahmers an freier Benützung einer nicht geschützten Konstruktion oder Form sowie das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung, aber auch vor ungerechtfertigter Monopolisierung einer Leistung,
BGE 116 II 471 S. 475
geschützt zu sein (BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 399b zu § 1 dUWG).
bb) Diese Grundsätze gelten auch für das Ersatzteilgeschäft. Ersatzteile, d.h. Teile, die an die Stelle unbrauchbar gewordener oder abhanden gekommener Bestandteile eines Gesamterzeugnisses treten, müssen in aller Regel schon von ihrer Zweckbestimmung her den entsprechenden Bestandteilen des Ausgangserzeugnisses genau nachgebaut sein; die Verwechslungsgefahr ist ihnen daher gewissermassen immanent. Dennoch wird aber in Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass die Herstellung und das Inverkehrbringen von Ersatzteilen für fremde Erzeugnisse grundsätzlich erlaubt sind, wenn für das betreffende Teil kein Sonderrechtsschutz besteht (ZR 45/1946 Nr. 201; BGH in GRUR 70/1968, S. 700 f. E. IV/2; VON BÜREN, a.a.O., N. 22 zu Art. 1 Abs. 1; BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 248 zu § 1 dUWG; HEISKE, Grenzfälle von Schutzrechtsverletzungen und unlauterem Wettbewerb, in WPR 1969, S. 53; MALZER, a.a.O., S. 643 f.). Hersteller oder Händler dürfen den Abnehmer allerdings nicht über die betriebliche Herkunft des Ersatzteiles täuschen, d.h. ihn nicht glauben machen, das Ersatzteil stamme vom Hersteller der Ausgangsware; auch hier besteht daher die Pflicht, im Rahmen des Zumutbaren das Erforderliche vorzukehren, um die Täuschungsgefahr zu beseitigen oder zu verringern (VON BÜREN, a.a.O., N. 23 zu Art. 1 Abs. 1; MALZER, a.a.O., S. 644).
Zulässig ist es ferner, in der Werbung auf den Namen der Hauptware hinzuweisen, zu welcher das Ersatzteil passt; sind Herstellung und Vertrieb von Ersatzteilen erlaubt, so muss der Hersteller oder Händler auch sagen können, was er anbietet. Der Hinweis auf die fremde Zweckbestimmung der Ware ist immerhin auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken; er darf nicht seinerseits den Eindruck erwecken, der Hersteller des Ersatzteiles decke sich mit demjenigen der Hauptware (VON BÜREN, a.a.O., N. 22 zu Art. 1 Abs. 1; BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 482 zu § 1 dUWG; vgl. ferner DAVID, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 1988, S. 94 Rz. 256; REIMER/TRÜSTEDT, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht Bd. I, 4. Aufl. 1966, S. 511 ff.; MALZER, a.a.O., S. 645). Unzulässig ist daher beispielsweise ein Hinweis auf die Bestellnummern des Herstellers der Hauptware, wenn dadurch der unrichtige Eindruck hervorgerufen wird, es handle sich um Originalersatzteile, die nur vom Hersteller der Hauptware vertrieben werden und für deren Qualität dieser mit
BGE 116 II 471 S. 476
seinem Ruf einsteht (BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 482 zu § 1 dUWG).
Geringere Anforderungen an die Klarstellung der unterschiedlichen Herkunft sind dort zu stellen, wo ein Hersteller oder Händler Ersatzteile für eine Vielzahl von Hauptgegenständen verschiedener Fabrikanten verkauft, so dass der Kunde ohne weiteres sehen muss, dass die Herkunftsstätten der Hauptgegenstände und der Ersatzteile nicht dieselben sein können (REIMER/TRÜSTEDT, a.a.O., S. 514).
b) Das Handelsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht und damit für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlich (
Art. 63 Abs. 2 OG
) festgestellt, die Beklagte führe in ihrem Sortiment Ersatzteile der verschiedensten Automarken. Die einzelnen Ersatzteile seien in ihrem Katalog aufgelistet und abgebildet. Den Abbildungen sei dabei jeweils eine Zeichnung des Fahrzeuges zugeordnet, für welches die betreffenden Ersatzteile bestimmt seien; ebenso werde jeweils die Modellreihe angegeben.
aa) Dass Garagisten und Karosseriewerkstätten als unmittelbare Kunden der Beklagten über die Herkunft der Kotflügel getäuscht werden könnten, kann unter diesen Umständen als ausgeschlossen gelten. Die Auffassung des Handelsgerichts, die Beklagte bringe in ihrem Katalog lediglich in sachlich-neutraler Form zum Ausdruck, dass die Ersatzteile zu einem bestimmten Wagen passten, und halte sich damit im Rahmen der erlaubten Angabe der Zweckbestimmung ihrer Ware, ist nicht zu beanstanden; die Klägerin bringt denn in ihrer Berufung auch nichts vor, was gegen die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen würde. Im übrigen verwendet die Beklagte auch nicht etwa die Bestellnummern der Klägerin, sondern sie vertreibt die Kotflügel unter ihren eigenen Typenbezeichnungen. Wenn die Beklagte in ihrem Katalog nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei den von ihr angebotenen Ersatzteilen um nachgemachte Teile handelt, so schadet ihr das entgegen der Meinung der Klägerin nicht. Die Tatsache, dass im Automobilersatzteilgeschäft nachgemachte Teile weit verbreitet sind (vgl. dazu die Veröffentlichungen der schweizerischen Kartellkommission 13/1978, S. 77 ff., insbes. S. 99 f., 111, 115; ferner auch FRIGNANI in GRUR int. 1984, S. 19 ff.), ist in Fachkreisen zweifellos bekannt; ein Garagist oder Karossier wird daher nur bei Teilen, die ausdrücklich als solche bezeichnet sind, davon ausgehen, dass es sich um Originalersatzteile handelt, die entweder vom Automobilfabrikanten selbst hergestellt worden sind oder aus der
BGE 116 II 471 S. 477
regelmässigen Qualitätskontrollen des Automobilfabrikanten unterliegenden Produktion von Zulieferfirmen stammen. Der Schluss, dass ihm nicht Original-, sondern nachgemachte Teile angeboten werden, muss sich dem Fachmann schliesslich auch angesichts des breiten Sortiments von Ersatzteilen für die verschiedensten Automarken, das die Beklagte führt, aufdrängen.
bb) Zu prüfen bleibt die Frage, ob die Beklagte mit dem Vertrieb der zu den klägerischen Automobilen passenden Kotflügel in unlauterer Art und Weise die Gefahr herbeiführt, dass der Endabnehmer, d.h. der Automobilist, der in einer Garage oder Karosseriewerkstatt an seinem Wagen einen Kotflügel auswechseln lässt, über dessen Herkunft getäuscht wird. Dass die von der Beklagten verkauften Kotflügel mit den von der Klägerin hergestellten Originalkotflügeln verwechselt werden können, lässt sich nicht von der Hand weisen, sind sie diesen doch genau nachgebildet. Ausser Frage steht ferner, dass dem Wagenbesitzer in der Regel nicht gleichgültig ist, ob in seinen Wagen Original- oder nachgemachte Teile eingebaut werden, pflegt doch der Konsument gerade im Automobilsektor mit der betrieblichen Herkunft einer Ware bestimmte Qualitätsvorstellungen zu verbinden (BGH in GRUR 64/1962, S. 540).
Da für die klägerischen Kotflügel kein Sonderrechtsschutz besteht (E. 2 hievor), ist auf der anderen Seite den Mitbewerbern deren Nachahmung grundsätzlich erlaubt. Gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs verstösst die Beklagte nur, wenn sie mit dem Vertrieb der nachgeahmten Kotflügel auf eine Art und Weise, die sich durch die Nachahmungsfreiheit nicht mehr rechtfertigen lässt, eine Täuschungsgefahr herbeiführt oder den Ruf der Klägerin ausnützt. Ob dem so sei, ist aufgrund der gesamten Umstände zu entscheiden.
Autokotflügel erwirbt der Konsument in der Regel durch Vermittlung des Garagisten oder Karossiers, den er mit der Reparatur seines Wagens betraut. Das Handelsgericht hält dafür, die grundsätzlich bestehende Verwechslungsgefahr könne der Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil sie sich darauf verlassen dürfe, dass der Garagist seinen Kunden über die Verwendung anderer als Originalteile aufklären werde. Ob davon ohne weiteres ausgegangen werden kann, erscheint allerdings fraglich. Der Einwand der Klägerin, dem Garagisten müsse daran gelegen sein, den Kunden nicht durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Verwendung von nachgemachten Teilen von der Erteilung des Reparaturauftrages
BGE 116 II 471 S. 478
abzuhalten, hat einiges für sich. Es mag durchaus zutreffen, dass aus diesem Grunde zuweilen nachgemachte Teile verwendet werden, ohne dass der Kunde davon erfährt. Das ändert indessen nichts daran, dass den Garagisten die Pflicht trifft, seinen Kunden, der in der Regel mit den sich stellenden technischen Fragen nicht vertraut ist und sich gerade deshalb auf das Wissen und Können des Fachmannes verlässt, auf wesentliche Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeitsausführung oder des bei der Reparatur zu verwendenden Materials aufmerksam zu machen. Wird der Konsument in Verletzung dieser Aufklärungspflicht über die betriebliche Herkunft eines Ersatzteils irregeführt, so ist dafür in erster Linie der Garagist verantwortlich. Gewiss wird im vorliegenden Fall die Täuschung von Kunden erst dadurch möglich, dass die Kotflügel hergestellt und auf den Markt gebracht worden sind. Die Gefahr, dass Dritte den Endabnehmer täuschen, rechtfertigt es jedoch für sich allein nicht, der Beklagten den Vertrieb nachgeahmter Kotflügel zu verbieten, deren Vorbild durch keinerlei Sonderrechte geschützt ist. Dies umso weniger, als auf der anderen Seite auch das Interesse der Allgemeinheit - und namentlich der Konsumenten - an der Vermeidung ungerechtfertigter Monopolisierungen ins Gewicht fällt. Ein solches Interesse an der Erhaltung des Wettbewerbs besteht gerade auch im Automobilersatzteilgeschäft; die Kartellkommission hat in einer einlässlichen Untersuchung dieses Marktbereiches festgestellt, dass der Wettbewerbsdruck hier eine erhebliche preissenkende Wirkung zeitigt (Veröffentlichungen der schweizerischen Kartellkommission, a.a.O., insbes. S. 99 f., 173, 174 f., 180).
Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, was die Beklagte hätte vorkehren können, um die Möglichkeit einer Irreführung des Konsumenten auszuschliessen. Die Form der Kotflügel zu verändern, um sie von den Originalkotflügeln der Klägerin unterscheidbar zu machen, wäre der Beklagten jedenfalls nicht zuzumuten. Für den durchschnittlichen Konsumenten ist für die Brauchbarkeit eines Kotflügels als Ersatzteil wesentlich, dass er gleich aussieht wie der ursprüngliche Kotflügel; ein abweichend gestalteter Kotflügel hätte daher auf dem Markt von vornherein keine Aussicht auf Erfolg, was auch die Klägerin zugibt. Dem Nachahmer kann aber nicht verwehrt werden, seinen Erzeugnissen diejenige Form zu geben, die sie in den Augen der Verbraucher aufweisen müssen, um ihrem Gebrauchszweck zu entsprechen (E. a/aa hievor). Der Beklagten kann deshalb auch nicht vorgeworfen werden, sie beute damit,
BGE 116 II 471 S. 479
dass sie Kotflügel vertreibe, die den von der Klägerin hergestellten genau nachgemacht seien, in unlauterer Art und Weise den Ruf der Klägerin aus.
c) Die Klägerin rügt schliesslich noch, die Vorinstanz gehe in Verletzung von
Art. 8 ZGB
und offensichtlich versehentlich (
Art. 63 Abs. 2 OG
) davon aus, dass die Beklagte nur an Garagisten und Karossiers liefere und nicht auch direkt an die Endabnehmer.
Wie die Beklagte mit Recht geltend macht, wird jedoch ein durchschnittlicher Automobilbesitzer, der an seinem Wagen einen Kotflügel auswechseln muss, dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung immer durch eine Werkstatt ausführen lassen. Als direkte Kunden der Beklagten kämen daher von vorneherein nur Automobilbesitzer mit überdurchschnittlichen Sachkenntnissen in Frage. Bei solchen Käufern wäre aber - gleich wie bei Garagisten und Karossiers (E. b/aa hievor) - davon auszugehen, dass sie über die Verhältnisse im Automobilersatzteilhandel unterrichtet sind und deshalb nur bei ausdrücklich als solche bezeichneten Ersatzteilen annehmen würden, es handle sich um Originalteile. Im übrigen müssten auch sie bereits daraus, dass die Beklagte in ihrem Katalog eine Vielzahl von Ersatzteilen für die verschiedensten Automarken auflistet, die sie zudem mit ihren eigenen Typennummern bezeichnet, schliessen, dass ihnen nicht Original-, sondern nachgemachte Teile angeboten werden.
Der angefochtene Entscheid wäre demnach auch unter der Annahme, dass die Beklagte ebenfalls Direktkunden beliefert, nicht zu beanstanden. Die Rügen einer Verletzung von
Art. 8 ZGB
und eines offensichtlichen Versehens im Sinne von
Art. 63 Abs. 2 OG
stossen ins Leere, soweit sie überhaupt ausreichend begründet worden sind. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a37606a2-af23-4993-9e49-82ba13998c17 | Urteilskopf
92 IV 75
19. Arrêt de la Cour de cassation penale du 17 juin 1966 dans la cause Föllmi contre Popper et consorts. | Regeste
Art. 29 StGB
.
Der Strafantrag gegen Unbekannt ist durchaus gültig; sein Urheber braucht ihn nicht in einen namentlichen Antrag umzuwandeln, wenn der Täter bekannt wird. | Sachverhalt
ab Seite 75
BGE 92 IV 75 S. 75
A.-
Le 24 mai 1963, Föllmi, titulaire de la marque horlogère "Le Duc", adressa au Procureur général, à Genève, une plainte pénale contre inconnu pour concurrence déloyale et contrefaçon de marque. Au cours de l'enquête, Popper, Héritier et Miserez furent inculpés de ces délits.
B.-
Le 31 janvier 1966, le Tribunal de police du canton de Genève a déclaré nulle l'action pénale dirigée contre les prénommés, à défaut notamment d'une plainte valable formée dans le délai de l'art. 29 CP.
C.-
La Cour de justice a déclaré irrecevable, le 4 avril 1966, l'appel interjeté par le Procureur général. Elle estime que, pour éviter la forclusion prévue par l'art. 29 CP, Föllmi aurait dû, dans le délai de trois mois à compter dujour où il a eu connaissance de l'identité des contrefacteurs, diriger sa plainte contre eux en les désignant nommément.
D.-
Contre cet arrêt, Föllmi se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à ce que les juridictions genevoises soient invitées à donner suite à la procédure.
Erwägungen
Extrait des motifs:
Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, l'art. 29 CP détermine uniquement le jour où le droit de porter plainte s'éteint et non celui où il prend naissance; or il naît dès la lésion; il s'ensuit qu'une plainte contre inconnu est pleinement valable et que son auteur n'a pas à la convertir en plainte nominale après que le délinquant a été découvert (RO 68 IV 101;
73 IV 73
;
BGE 92 IV 75 S. 76
arrêt de la Cour pénale fédérale du 18 mars 1966 dans la cause Boillat et consorts, non publié).
La Cour de cassation pénale genevoise, qui a rendu en 1946 un arrêt auquel se réfèrent les premiers juges (Sem. jud. 1947 p. 284 ss.), objecte que, selon le texte même de l'art. 29 CP, le délai de plainte court (en allemand "beginnt", donc: commence à courir) du jour où l'ayant droit a connu l'auteur de l'infraction; qu'on ne peut porter plainte contre cet auteur avant de le connaître. Mais la cour de céans n'a pas méconnu ces évidences. Certes le délai de trois mois institué par l'art. 29 CP ne part que le jour où le lésé apprend qui est l'auteur de l'infraction. Toutefois il serait faux d'en déduire que le droit de porter plainte ne saurait exister plus tôt. Il prend naissance dès la lésion, mais ne commence à se prescrire que le jour où l'ayant droit connaît le délinquant.
La cour de cassation genevoise admet que le droit fédéral ne s'oppose pas à la plainte contre inconnu; cependant il s'agirait, d'après elle, du droit qu'a toute personne lésée de signaler une infraction - poursuivie ou non d'office en vue de la découverte du délinquant. En réalité ce droit n'est pas visé par les art. 28 ss. CP, qui ne concernent pas les infractions poursuivies d'office. Quand des auteurs comme HAFTER (Allg. Teil, p. 138 ch. 2) et GERMANN (Das Verbrechen, n. 6/4 ad art. 28-31) relèvent qu'une plainte contre inconnu n'est pas exclue, ils entendent nécessairement la plainte au sens technique du mot. Sans doute pourrait-il arriver que l'auteur d'une telle plainte soit empêché par suite de force majeure de la retirer à temps et qu'une condamnation intervienne contre son gré. Mais s'il devait, après l'identification du délinquant, transformer sa plainte primitive ou la renouveler, il pourrait aussi être empêché de le faire dans les trois mois, ce qui, contre sa volonté, assurerait l'impunité au prévenu. Ce risque n'est pas moins grand que l'autre. Il n'y a donc aucune raison de modifier la jurisprudence. | null | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a37d0335-220e-4958-bcd6-32cbebdf6b9a | Urteilskopf
120 Ib 120
17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Januar 1994 i.S. B. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Auslieferung an die Republik Slowenien.
Anwendbarkeit des zwischen der Schweiz und Serbien am 28. November 1887 abgeschlossenen Auslieferungsvertrages in bezug auf die Republik Slowenien (E. 1).
Das landesinterne Recht darf die Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsvoraussetzungen gegenüber vorrangigem Vertragsrecht nicht erschweren, wohl aber erleichtern (E. 1a).
Da beidseitige Strafbarkeit jedenfalls nach
Art. 35 IRSG
zu bejahen ist, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob die Gegenstand des Ersuchens bildenden Straftaten auch von Art. I des Vertrages erfasst werden (E. 3b).
Die vom Verfolgten geltend gemachten familiären und beruflichen Gründe stehen der verlangten Auslieferung nicht entgegen, ebensowenig der von ihm angerufene Grundsatz der Verhältnismässigkeit (E. 3c und d). | Sachverhalt
ab Seite 121
BGE 120 Ib 120 S. 121
Gestützt auf den zwischen der Schweiz und Serbien am 28. November 1887 abgeschlossenen Auslieferungsvertrag verlangte das Generalkonsulat der Republik Slowenien in Genf mit Note vom 28. Mai 1993 die Auslieferung des slowenischen Staatsangehörigen B. zur Vollstreckung der Strafe gemäss Urteil des Gerichts von Celje vom 18. April bzw. 9. Juli 1990, die zunächst auf ein Jahr und einen Monat festgesetzt und hernach - gestützt auf einen Amnestiebeschluss - um drei Monate und sieben Tage reduziert wurde. Laut den Angaben im Ersuchen ist dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen. B. wird zur Last gelegt, dass er nach Alkoholgenuss (mit einem Blutalkoholgehalt von 1,52 Gew.%o) und infolge überhöhter Geschwindigkeit bei nasser Fahrbahn mit seinem Auto einen Verkehrsunfall verursachte, dass dabei eine Person tödlich und zwei Personen schwer verletzt wurden und dass er den Unfallort vorschriftswidrig verliess. Deswegen wurde er in Anwendung von Art. 255 Abs. 4 (schwere strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs) in Verbindung mit Art. 251 Abs. 1 und 3 (Gefährdung des öffentlichen Verkehrs, fahrlässig begangen) und in Anwendung von Art. 254 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches (Verlassen eines hilflosen Verletzten nach Verkehrsunfall) zur genannten Strafe verurteilt. - Dem Ersuchen sind die in Art. IV des Vertrages verlangten Dokumente beigelegt worden. Sodann hat der Justizminister der Republik Slowenien zugesichert, den in Art. IX des Abkommens vorgesehenen Grundsatz der Spezialität einzuhalten.
Am 27. August 1993 wurde der Verfolgte zum Auslieferungsbegehren angehört. Er erklärte, mit der Auslieferung nicht einverstanden zu sein, bestritt dabei aber die ihm zur Last gelegten Tathandlungen nicht.
BGE 120 Ib 120 S. 122
Mit Eingabe vom 27. August 1993 hat ebenfalls der Anwalt des Verfolgten beantragt, von einer Auslieferung sei abzusehen. Dabei ging er - wie der ersuchende Staat und auch das BAP gemäss dessen Schreiben vom 21. Juni 1993 an die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau - von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Auslieferungsübereinkommens aus, doch machte er geltend, der Verfolgte sei lediglich wegen fahrlässiger Tatbegehung und nicht wegen eines Vorsatzdeliktes verurteilt worden; das Auslieferungsübereinkommen zähle indes in Art. I nur Vorsatzdelikte auf, weshalb die Auslieferung zu verweigern sei.
Mit Entscheid vom 24. September 1993 bewilligte das BAP die Auslieferung zur Vollstreckung der genannten Strafe. Dabei erwog es, dass das Ersuchen den formellen Voraussetzungen entspreche und die diesem zugrundeliegende Straftat auch nach schweizerischem Recht strafbar sei und als Delikt gelte, für das nach
Art. 35 IRSG
die Auslieferung zulässig sei. Entsprechend könne offenbleiben, ob das dem Verfolgten angelastete Verhalten überhaupt unter Art. I Ziff. 12 des Vertrages ("Bedrohung von Personen ...") subsumiert werden könnte.
B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, der Entscheid vom 24. September 1993 sei aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Auslieferungsfragen sind in erster Linie aufgrund der massgebenden Staatsverträge zu entscheiden. Im vorliegenden Fall stützt sich das Auslieferungsersuchen der Republik Slowenien auf den zwischen der Schweiz und Serbien am 28. November 1887 abgeschlossenen Auslieferungsvertrag (SR 0.353.981.8). Auch das BAP und der Beschwerdeführer gehen von der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieses Abkommens aus, wobei das BAP im angefochtenen Entscheid offengelassen hat, ob sich die Gegenstand des Ersuchens bildenden Delikte unter Art. I Ziff. 12 des Übereinkommens subsumieren lassen (während es dies in der im bundesgerichtlichen Verfahren erstatteten Vernehmlassung bejaht), da es die Auslieferungsfähigkeit ohnehin im Lichte der Voraussetzungen von
Art. 35 IRSG
als erfüllt erachtet hat. Soweit eine staatsvertragliche Regelung fehlt oder soweit sie die Voraussetzungen und Bedingungen der Auslieferung nicht abschliessend
BGE 120 Ib 120 S. 123
ordnet, gelangen die Vorschriften des internen schweizerischen Rechtes zur Anwendung (
BGE 116 Ib 89
E. 1a S. 91), also diejenigen des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1; s.
Art. 1 Abs. 1 IRSG
) und der diesbezüglichen Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11). Dabei darf das landesinterne Recht die Rechtshilfe- bzw. Auslieferungsvoraussetzungen gegenüber vorrangigem Vertragsrecht nicht erschweren, wohl aber erleichtern (s.
BGE 117 Ib 53
E. 3 S. 62 mit Hinweisen), d.h. es ist - wenn eine anderslautende vertragliche Abmachung fehlt - nicht ausgeschlossen, einem Vertragsstaat über ein im Verhältnis zu diesem Staat geltendes Abkommen hinausgehend die nach dem IRSG mögliche Rechtshilfe zu gewähren, sei es mit oder ohne Gegenrechtserklärung nach
Art. 8 IRSG
(s.
BGE 109 Ib 165
ff. und dazu HANS SCHULTZ, ZBJV 121/1985 S. 58; HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 134 ff.; CURT MARKEES, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SJK 421, S. 33; vgl. auch
BGE 106 Ib 341
ff. und dazu JEAN-FRANÇOIS EGLI, Votum zuhanden des Schweizerischen Juristenvereins, ZSR 1981 II S. 576).
b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat angenommen, dass der schweizerisch-serbische Auslieferungsvertrag auf die Föderative Volksrepublik Jugoslawien überging, die an die Stelle des ursprünglichen Unterzeichnerstaates trat (
BGE 111 Ib 52
ff.). Inzwischen ist auch das frühere Jugoslawien in Auflösung begriffen; einzelne Landesteile haben sich verselbständigt und sind seither als unabhängige Staaten anerkannt worden. Dies trifft namentlich für den im vorliegenden Fall ersuchenden Staat, Slowenien, zu; dieses Land ist im Januar 1992 insbesondere auch von der Schweiz als unabhängiger Staat anerkannt worden und unterhält seither Beziehungen mit der Schweiz (s. etwa Notenaustausch vom 3./5. August 1992 zwischen der Schweiz und Slowenien über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht, in Kraft getreten am 4. September 1992, AS 1992 S. 2006 ff., SR 0.142.116.912). Gemäss den Ausführungen im Ersuchen ist das erwähnte Abkommen nach Art. 3 des Grundgesetzes über die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit der Republik Slowenien auf dieses Land übergegangen, das sich nunmehr darauf bezogen, als einer von mehreren Nachfolgestaaten der bisherigen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, zum Vertragspartner der Schweiz erklärt hat. Nachdem auch das BAP als für den Auslieferungsverkehr zuständige schweizerische Vollzugsbehörde und - wie erwähnt - ebenfalls der Beschwerdeführer die grundsätzliche Anwendbarkeit
BGE 120 Ib 120 S. 124
des Abkommens anerkannt haben, besteht kein Anlass, hieran zu zweifeln. Die Frage braucht aber letztlich auch deshalb nicht weiter erörtert zu werden, weil - wie nachfolgend (E. 3) aufzuzeigen ist und denn auch das BAP zutreffend festgestellt hat - unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des Staatsvertrages und der vom Beschwerdeführer bestrittenen Subsumtionsfähigkeit der Gegenstand des Ersuchens bildenden Tathandlungen unter Art. I des Abkommens jedenfalls schon gemäss IRSG die Auslieferungsvoraussetzungen zu bejahen sind. Zudem steht im vorliegenden Fall nichts entgegen, über die vertraglichen Bestimmungen hinausgehendes internes Recht zu Gunsten des ersuchenden Staates gelten zu lassen (oben lit. a, mit Hinweisen).
3.
a) Dass das vorliegende Auslieferungsersuchen den massgebenden Formerfordernissen - sei es denjenigen nach Art. IV des Abkommens oder denjenigen nach Art. 28 in Verbindung mit
Art. 41 IRSG
- genügt, ist offenkundig und denn auch unbestritten; Erörterungen hiezu erübrigen sich daher.
Ein allgemeiner Verweigerungsgrund (sei es nach Art. VI des Vertrages bzw. nach
Art. 2 ff. oder 53 IRSG
) liegt nicht vor.
b) aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nur wegen fahrlässiger Tatbegehung und nicht wegen eines Vorsatzdeliktes verurteilt worden; das Übereinkommen zähle indes in Art. I nur Vorsatzdelikte auf, weshalb die Auslieferung im Lichte des Vertragsrechtes nicht zu bewilligen sei. Zudem seien auch die Auslieferungsvoraussetzungen des IRSG nicht erfüllt.
Das BAP hält dafür, das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten gelte jedenfalls als Delikt, für das nach
Art. 35 IRSG
die Auslieferung zulässig sei. Entsprechend könne offenbleiben, ob dieses Verhalten überhaupt unter Art. I Ziff. 12 des Vertrages ("Bedrohung von Personen ...") subsumiert werden könnte.
bb) Zutreffend ist, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich des ihm zur Last gelegten Verkehrsunfalls wegen fahrlässiger Begehung verurteilt worden ist (Art. 255 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 251 Abs. 1 und 3 des slowenischen Strafgesetzbuches), wogegen in bezug auf den Vorwurf des Verlassens hilfloser Verletzten nach Verkehrsunfall (Art. 254 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches) selbst nach der rechtsgültigen Darstellung im Ersuchen ohne weiteres von vorsätzlicher Tatbegehung auszugehen ist. Anderseits trifft auch zu, dass die Deliktsliste im Übereinkommen praktisch ausschliesslich Vorsatzdelikte enthält (s. Art. I); wird das Auslieferungsdelikt so bezeichnet, dass es vorsätzlich oder fahrlässig begangen
BGE 120 Ib 120 S. 125
werden kann, ist regelmässig, ohne ausdrückliche anderslautende Regelung, nur die vorsätzliche Begehung als Auslieferungsdelikt gemeint (SCHULTZ, a.a.O. [Auslieferungsrecht], S. 266).
Im weiteren ist festzustellen, dass das BAP zu Recht davon ausgegangen ist, dass - anders als der Beschwerdeführer anzunehmen scheint - nicht in erster Linie anhand der im ersuchenden Staat angewandten Strafbestimmungen, sondern anhand der dem Verfolgten zur Last gelegten Tathandlungen zu beurteilen ist, ob das (sowohl vertraglich als auch gesetzlich vorgesehene) Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit erfüllt ist (s. MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 422 S. 32). Entsprechend ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unerheblich, dass dem Abkommen Strassenverkehrsdelikte, wie sie hier in Frage stehen, noch nicht bekannt waren; denn massgebend zur Beurteilung eines Ersuchens ist nicht das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern das im Zeitpunkt des Ersuchens geltende Strafrecht (s. SCHULTZ, [Auslieferungsrecht], S. 135).
Verhält es sich so, so kann man sich in der Tat fragen, ob das dem Beschwerdeführer im Lichte des erwähnten Art. 254 Abs. 1 des slowenischen Strafgesetzbuches angelastete Verhalten als Bedrohung der Gesundheit der durch den Verkehrsunfall betroffenen Personen und damit als Bedrohung dieser Personen selber aufzufassen ist, wovon das BAP ausgeht. Die bundesrätliche Botschaft (BBl 1888 I S. 33 ff.) äussert sich allerdings nicht zu diesem Tatbestand, während aus der Literatur hervorgeht, dass damit das in andern Staatsverträgen und im früheren Auslieferungsgesetz enthaltene Auslieferungsdelikt der "Androhung gewaltsamer Handlungen gegen die Person oder gegen das Eigentum" gemeint sein dürfte (s. SCHULTZ, a.a.O. [Auslieferungsrecht], S. 301). SCHULTZ weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nur die Androhung besonders schwerer Angriffe gegen eine Person, so Tötungsverbrechen, einfache und schwere Körperverletzung, Brandstiftung, Raub, Einbruchdiebstahl, Sachbeschädigung, Auslieferungsdelikt sein soll (a.a.O., S. 301 f.). Ob dies in bezug auf den vorliegenden Fall zutrifft, in dem der Beschwerdeführer den durch den Verkehrsunfall betroffenen Personen zwar nicht vorsätzlich unmittelbare Nachteile angedroht, sie aber durch die (laut Ersuchen vorsätzlich begangene) Führerflucht einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt hat, kann indes letztlich offenbleiben, da nichts entgegensteht, mit dem BAP im Sinne des angefochtenen Entscheides jedenfalls beidseitige Strafbarkeit gemäss
Art. 35 Abs. 1 IRSG
zu bejahen (nachf. lit. cc).
BGE 120 Ib 120 S. 126
cc) Nach
Art. 35 Abs. 1 IRSG
ist die Auslieferung zulässig, wenn nach den Unterlagen des Ersuchens die Tat (a) nach dem Recht sowohl der Schweiz als auch des ersuchenden Staates mit einer freiheitsbeschränkenden Sanktion im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Sanktion bedroht ist und (b) nicht der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliegt. Bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht werden dessen besondere Schuldformen und Strafbarkeitsbedingungen nicht berücksichtigt (
Art. 35 Abs. 2 IRSG
).
Die Gegenstand des Auslieferungsbegehrens bildenden Straftaten erfüllen diese Voraussetzungen ohne weiteres. Sie wurden zwar schon im Jahre 1986 begangen, also noch vor der Unabhängigkeit des ersuchenden Staates. Dabei ist aber nach dem Begehren und dem ihm zugrundeliegenden - ebenfalls noch vor der Unabhängigkeit ergangenen - Urteil des Gerichts von Celje davon auszugehen, dass das Strafrecht in Jugoslawien nicht vereinheitlicht war und Slowenien schon damals, innerhalb der Föderation, ein eigenes Strafgesetzbuch hatte, das nun weiterhin zur Anwendung gelangt. Nach den erwähnten slowenischen Strafbestimmungen sind die fraglichen Delikte mit Haftstrafen bis zu fünf Jahren zu ahnden; eine schweizerische Gerichtsbarkeit entfällt. Nach dem Ausgeführten ist somit nach dem slowenischen Recht Strafbarkeit im Sinne von
Art. 35 Abs. 1 IRSG
erstellt; bei den gegebenen Verhältnissen erübrigt es sich, auf das massgebende ausländische Strafrecht weiter einzugehen. Nach schweizerischem Recht lässt sich das in Frage stehende Verhalten ohne weiteres jedenfalls unter die Tatbestände der fahrlässigen Tötung (
Art. 117 StGB
), der fahrlässigen schweren Körperverletzung
Art. 125 StGB
), des Fahrens in angetrunkenem Zustand (
Art. 91 SVG
) sowie der Führerflucht (
Art. 92 Abs. 2 SVG
) subsumieren, so dass auch hier die Voraussetzungen von
Art. 35 IRSG
erfüllt sind (Strafandrohung in allen Fällen Gefängnis, also Strafrahmen bis zu drei Jahren Freiheitsentzug [
Art. 36 StGB
]). Dabei bedarf es keiner weiteren Erörterungen, dass gemäss
Art. 32 ff. IRSG
- wie übrigens auch nach dem Abkommen (s. Art. IV) - nicht nur die Auslieferung zur Strafverfolgung, sondern auch die Auslieferung zur Strafvollstreckung vorgesehen ist (s. etwa
Art. 37 IRSG
; MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 422, S. 22 ff.), auch wenn eine mit Art. 2 Ziff. 1 Satz 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EAÜ, SR 0.353.1) vergleichbare Regelung in bezug auf die ausgesprochene Mindestdauer der Strafe fehlt. Gemäss dieser - für nahezu alle Länder Europas massgebenden -
BGE 120 Ib 120 S. 127
Regelung ist indes bereits für eine ausgesprochene Freiheitsstrafe von einer Dauer von vier Monaten die Auslieferung vorgesehen. Im vorliegenden Fall ist die noch zu vollstreckende Strafe rund doppelt so hoch.
Demgemäss ist nicht zu beanstanden, dass das BAP beidseitige Strafbarkeit und damit Auslieferungsfähigkeit jedenfalls nach
Art. 35 IRSG
bejaht hat.
c) Nach
Art. 37 Abs. 1 IRSG
kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn die Schweiz die Verfolgung der Tat oder die Vollstreckung eines ausländischen Strafentscheides übernehmen kann und dies im Hinblick auf die soziale Wiedereingliederung des Verfolgten als angezeigt erscheint. Der Beschwerdeführer macht derartige familiäre und berufliche Gründe geltend, aus denen er nicht ausgeliefert werden, sondern die Strafe lieber in der Schweiz verbüssen möchte. Doch ist festzustellen, dass die Schweiz die Verfolgung wegen einer im Ausland begangenen Tat oder die Strafvollstreckung nur dann übernehmen kann, wenn der Tatortstaat sie ausdrücklich darum ersucht, an seiner Stelle die Strafgewalt auszuüben (
BGE 117 Ib 210
). Im hier zu beurteilenden Fall hat Slowenien jedenfalls bis anhin kein Ersuchen um Übernahme der Strafvollstreckung durch die Schweiz gestellt, sondern ausdrücklich die Auslieferung des Beschwerdeführers verlangt. Dieses Begehren ist bis jetzt nicht zurückgezogen worden.
d) Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, der Auslieferungsbewilligung stehe
Art. 4 IRSG
entgegen, wonach ein Ersuchen abgelehnt wird, wenn die Bedeutung der Tat die Durchführung des Verfahrens nicht rechtfertigt. Damit rügt er der Sache nach eine Verletzung des auch im Rechtshilfeverkehr zu berücksichtigenden Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Die Vorschrift hat einerseits blosse Bagatellfälle im Auge; daneben sind aber auch die Härten des Verfahrens für den Betroffenen und unangemessene administrative Umtriebe für die Behörden - beispielsweise im Falle einer Auslieferung zu einem nur sehr kurzen Strafvollzug - zu berücksichtigen (MARKEES, a.a.O., SJK Nr. 421a, S. 9, wo angemerkt wird, dass im Falle einer Auslieferung zum Vollzug einer Strafe von weniger als drei Monaten an Unverhältnismässigkeit zu denken wäre). Auf den vorliegenden Fall bezogen ist zwar festzustellen, dass die dem Beschwerdeführer angelasteten Vorfälle sich Ende 1986 ereigneten und damit schon einige Zeit zurückliegen und dass die Auslieferung für ihn eine gewisse Einschränkung der von ihm geltend gemachten familiären und beruflichen Bindungen zur Schweiz zur Folge hätte.
BGE 120 Ib 120 S. 128
Anderseits ist aber - wie bereits erwähnt - festzustellen, dass jedenfalls im heutigen Zeitpunkt von einem Strafvollzug in der Schweiz nicht die Rede sein kann (oben lit. c). Dass mit der Auslieferung das Familien- und Berufsleben eingeschränkt wird, kann sowenig wie in jedem andern Straffall vermieden werden, in dem eine freiheitsentziehende Sanktion zu verhängen ist. Dies stellt aber keine unzulässige Einschränkung dar. In Auslieferungsfällen, in denen
Art. 8 EMRK
angerufen wurde, hat sich die Europäische Kommission für Menschenrechte bisher auf Ziff. 2 dieser Bestimmung berufen und befunden, dass der Eingriff in das Recht auf Schutz der Familie gerechtfertigt sei (s.
BGE 117 Ib 210
mit Hinweisen). Abgesehen davon handelt es sich bei den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tathandlungen nicht etwa um Bagatellfälle, gilt es doch zu berücksichtigen, dass er nach erheblichem Alkoholgenuss (mit einem Blutalkoholgehalt von 1,52 Gew.%o) und infolge übersetzter Geschwindigkeit einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem eine Person getötet und zwei Personen schwer verletzt wurden, und zusätzlich beging er Führerflucht. Inwiefern dieses verwerfliche Verhalten noch als Bagatelle eingestuft werden soll, ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass auch die vom Beschwerdeführer noch zu verbüssende Freiheitsstrafe von rund acht Monaten mehr als das Doppelte dessen beträgt, das in der Literatur noch als geringfügig bezeichnet wird (s. den vorstehenden Hinweis auf MARKEES). Insgesamt ergibt sich somit, dass von einer blossen Bagatelle, welche die Rechtshilfeleistung nicht zu rechtfertigen vermöchte, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht die Rede sein kann. Geht dessen Berufung auf
Art. 4 IRSG
somit fehl, so kann offenbleiben, inwieweit dieser Bestimmung im vorliegenden Fall, in dem eine analoge Vorschrift im erwähnten Staatsvertrag fehlt, überhaupt selbständige Bedeutung zukommen kann. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a3811e85-b3a2-4efb-9d13-b51451d06bbd | Urteilskopf
140 V 8
2. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen D. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_33/2013 vom 13. Dezember 2013 | Regeste
Lit. a Abs. 1 der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket); Anwendbarkeit.
Die in lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG vorgesehene Rentenherabsetzung bzw. -aufhebung ist nicht auf vor dem 1. Januar 2008 zugesprochene Renten beschränkt. Erging die fragliche Rentenzusprache aber bereits in Beachtung der jeweils relevanten Rechtsprechung zu pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage, bleibt kein Raum für ein Rückkommen unter dem Titel der Schlussbestimmung (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 140 V 8 S. 9
A.
A.a
Der 1957 geborene, zuletzt als Hilfsarbeiter tätige D. bezog vom 1. Juni 1996 bis 31. August 1997 infolge unfallbedingter Meniskus- und Kreuzbandverletzungen eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich [nachfolgend: IV-Stelle] vom 6. November 1998).
A.b
Auf erneute Anmeldung anfangs September 2000 hin zog die IV-Stelle erneut medizinische Berichte bei und sprach D. gestützt darauf am 12. April 2002 verfügungsweise rückwirkend ab 1. Mai 2000 eine ganze Rente zu.
Anlässlich des im Oktober 2004 von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens veranlasste die Verwaltung weitere Abklärungen. Mit Verfügung vom 15. Juni 2006 wurden die Rentenleistungen auf das Ende des der Zustellung folgenden Monats aufgehoben, woran die IV-Stelle festhielt (Einspracheentscheid vom 19. September 2006). Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen eingereichte Beschwerde mit in Rechtskraft erwachsenem Entscheid vom 21. November 2007 ab, soweit es darauf eintrat.
A.c
Basierend auf einem Schreiben des Psychiatrie-Zentrums X. vom 27. November 2007 und einer Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 6. Dezember 2007 sprach die IV-Stelle D. mit Verfügung vom 14. Februar 2008 ab 1. April 2007 wiederum eine ganze Rente zu. Diese wurde am 25. Januar 2011 revisionsweise bestätigt.
Unter Hinweis auf lit. a Abs. 1 der per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659; BBl 2011 2723 und 2010 1817]; nachfolgend: SchlBest. IVG) wurde die
BGE 140 V 8 S. 10
bisherige Rente nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sowie der Einholung von Stellungnahmen des RAD vom 3. Februar und 17. Juli 2012 mit Verfügung vom 19. Juli 2012 auf den 1. September 2012 eingestellt.
B.
Das in der Folge angerufene Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde gut und hob die angefochtene Verfügung mit der Feststellung auf, dass D. weiterhin Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe (Entscheid vom 14. November 2012).
C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids; eventualiter sei die Angelegenheit zur Vornahme weiterer Abklärungen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Zudem sei dem Rechtsmittel die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitgegenstand bildet die Frage der Weiterausrichtung der bisherigen ganzen Rente des Beschwerdegegners.
2.1
Vorab zu beurteilen ist, ob, wie im angefochtenen Entscheid erwogen, eine Aufhebung der Rente unter Bezugnahme auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG bereits zufolge des Umstandes entfällt, dass die Rentenzusprache am 14. Februar 2008 und damit nach dem 1. Januar 2008 verfügt worden ist.
2.1.1
Das kantonale Gericht begründet seine Auffassung damit, dass die Schlussbestimmung bezwecke, vor dem 1. Januar 2008 - und folglich vor Inkrafttreten des im Rahmen der 5. IV-Revision aufgenommenen Abs. 2 Satz 2 von
Art. 7 ATSG
(SR 830.1), wonach eine Erwerbsunfähigkeit nur vorliegt, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist - gestützt auf eine Diagnose von organisch nicht erklärbaren Schmerzzuständen zugesprochene Invalidenrenten einer Überprüfung zu unterziehen. Es fielen mithin nur jene Renten unter diese Beurteilung, welche auf der Basis einer derartigen Diagnose zuerkannt worden seien, ohne dass die Verwaltung geprüft habe, ob die Erwerbsunfähigkeit nicht im Sinne von
Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ATSG
objektiv überwindbar sei. Bei Erlass der Verfügung vom 14. Februar 2008 sei die entsprechende Prüfung, so die Vorinstanz im Weiteren, bereits vorzunehmen gewesen, was auf der Grundlage
BGE 140 V 8 S. 11
des Berichts des Psychiatrie-Zentrums X. vom 27. November 2007, welcher einige der rechtsprechungsgemäss für die Unüberwindbarkeit sprechenden (Komorbiditäts-)Kriterien (nicht publ. E. 4.2.1) als erfüllt eingestuft habe, denn auch geschehen sei.
2.1.2
Dem wird in der Beschwerde entgegengehalten, aus den Materialien ergebe sich klar, dass eine Rentenüberprüfung nach lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG nicht auf Invalidenrenten habe beschränkt werden wollen, die vor dem 1. Januar 2008 auf Grund einer Diagnose von organisch unerklärbaren Schmerzzuständen zugesprochen worden seien. Eine Überprüfung der Rente unter dem Titel der Schlussbestimmung falle in casu somit nicht allein schon deshalb ausser Betracht, weil die rentenzusprechende Verfügung nach dem 1. Januar 2008 ergangen sei.
2.2
Gemäss lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG, gültig seit 1. Januar 2012, werden Renten, die bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach
Art. 7 ATSG
nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn die Voraussetzungen von
Art. 17 Abs. 1 ATSG
nicht erfüllt sind.
2.2.1
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Gericht damit weiterhelfen (
BGE 138 III 694
E. 2.4 S. 698;
BGE 137 IV 249
E. 3.2 S. 251;
BGE 137 V 369
E. 4.4.3.2 S. 371;
BGE 134 II 308
E. 5.2 S. 311).
2.2.1.1
Weder die deutsch- noch die französisch- noch die italienischsprachige Fassung von lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG sehen eine
BGE 140 V 8 S. 12
zeitliche Limitierung der Überprüfbarkeit von bei pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage zugesprochenen Renten in dem Sinne vor, als nur vor dem 1. Januar 2008 verfügte Renten einer Überprüfung zugänglich wären.
2.2.1.2
Dem historischen Auslegungselement kommt im vorliegenden Kontext, da die betreffende Norm erst mit der 6. IV-Revision per 1. Januar 2012 in das IVG gelangte, erhöhter Stellenwert zu und ist gleichzusetzen mit einer geltungszeitlichen Herangehensweise (vgl. E. 2.2.1 hievor;
BGE 139 V 442
E. 4.2.2.1 S. 447;
BGE 136 V 216
E. 5.3.1 S. 218 f.; je mit Hinweisen). Diesbezüglich ist der bundesrätlichen Botschaft vom 24. Februar 2010 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket; BBl 2010 1817 ff.) unter dem Titel "Überprüfung der Renten, die vor dem 1. Januar 2008 gestützt auf die Diagnose von organisch nicht erklärbaren Schmerzzuständen gesprochen wurden" zu entnehmen (BBl 2010 1911 f.), dass mit der Schlussbestimmung die rechtliche Grundlage zur Anpassung der laufenden Renten, die vor dem 1. Januar 2008 wegen somatoformer Schmerzstörungen, Fibromyalgie und ähnlicher Sachverhalte zugesprochen worden waren, geschaffen werden sollte. Ergebe die Überprüfung durch die IV-Stelle, dass eine somatoforme Schmerzstörung, eine Fibromyalgie oder ein ähnlicher Sachverhalt in Anwendung von
Art. 7 Abs. 2 ATSG
mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar sei, müsse die Rente innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung entsprechend adaptiert werden - dies in Abweichung von
Art. 17 Abs. 1 ATSG
auch dann, wenn weder eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes noch der erwerblichen Verhältnisse vorliege. Eine Herabsetzung oder Aufhebung der Rente erfolge nur nach eingehender Prüfung des Sachverhalts. In jedem Fall seien für die Beurteilung der Zumutbarkeit die in
BGE 130 V 352
formulierten Kriterien (Foerster-Kriterien) zu prüfen. Zudem seien dem bisher berechtigterweise erfolgten Rentenbezug und der dadurch entstandenen Situation angemessen Rechnung zu tragen. So sei in jedem einzelnen Fall eine Güterabwägung vorzunehmen und auf dieser Basis zu entscheiden, ob eine Anpassung jeweils als verhältnismässig erscheine (vgl. auch
BGE 139 V 442
E. 4.2.2.1 S. 447 f.; Urteil 9C_228/2010 vom 26. April 2011 E. 3.4, in: SVR 2011 IV Nr. 73 S. 220). Von der bundesrätlich beantragten zeitlichen Einschränkung der Überprüfung wurde im Laufe der Debatte in den Räten, insbesondere mit
BGE 140 V 8 S. 13
Blick auf den am 30. August 2010 entschiedenen
BGE 136 V 279
(sinngemässe Anwendbarkeit der Rechtsprechung zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen nach
BGE 130 V 352
auch auf spezifische und unfalladäquate Verletzungen der Halswirbelsäule [HWS; Schleudertrauma] ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle), schliesslich jedoch abgesehen. Dies mit der Begründung, dass, um nicht neue Ungerechtigkeiten zu schaffen bzw. um alle entsprechenden Renten im Sinne einer Gleichbehandlung überprüfen zu können, auch später zugesprochene Renten, auf die gemäss der nach dem 1. Januar 2008 ergangenen Rechtsprechung zu den unklaren Beschwerdebildern kein Anspruch bestanden hätte, korrigierbar sein sollten (Antrag der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit [SGK-N] vom 13. Oktober 2010, Protokoll der SGK-N vom 4. und 5. November 2010, S. 68 ff., Protokoll der SGK-S vom 31. Januar und 1. Februar 2011, S. 17 ff.; ferner AB 2010 N 2116 ff. und 2011 S 36 ff.).
2.2.1.3
In Bezug auf Sinn und Zweck der Schlussbestimmung - und damit das teleologische Element des Auslegungsprozesses - kann weitgehend auf das hievor Gesagte verwiesen werden. Zu ergänzen ist, dass lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG im Nachgang zu
BGE 135 V 201
und 215 (Urteile 8C_502/2007 vom 26. März 2009 und 9C_1009/2008 vom 1. Mai 2009), wonach weder die mit
BGE 130 V 352
zur somatoformen Schmerzstörung begründete Rechtsprechung noch der mit der 5. IV-Revision eingefügte
Art. 7 Abs. 2 ATSG
allein eine Herabsetzung oder Aufhebung einer laufenden Rente unter dem Titel der Anpassung an geänderte Rechtsgrundlagen rechtfertigen, ins Gesetz aufgenommen wurde. Damit ermöglicht der Gesetzgeber die Überprüfung von gestützt auf unklare Beschwerdebilder zugesprochenen Renten nach Massgabe von
Art. 7 Abs. 2 ATSG
für den Fall, dass die Rückkommensgründe der materiellen Revision im Sinne von
Art. 17 ATSG
oder der Wiedererwägung gemäss
Art. 53 Abs. 2 ATSG
nicht erfüllt sind. Wenn die Rentenzusprache bereits auf der Grundlage der massgebenden Überwindbarkeitsrechtsprechung erfolgt ist (bislang: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung:
BGE 130 V 352
[Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 683/03 vom 12. März 2004],
BGE 130 V 396
[Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 457/02 vom 18. Mai 2004] und
BGE 131 V 49
[Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 770/03 vom 16. Dezember 2004]; Fibromyalgie:
BGE 132 V 65
E. 4 S. 70 ff. [Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 336/04 vom 8. Februar 2006]; dissoziative
BGE 140 V 8 S. 14
Sensibilitäts- und Empfindungsstörung: Urteil I 9/07 vom 9. Februar 2007 E. 4 in fine, in: SVR 2007 IV Nr. 45 S. 149; dissoziative Bewegungsstörung: Urteil 9C_903/2007 vom 30. April 2008 E. 3.4; Chronic Fatigue Syndrome [CFS; chronisches Müdigkeitssyndrom] und Neurasthenie: Urteile I 70/07 vom 14. April 2008 E. 5; 9C_98/2010 vom 28. April 2010 E. 2.2.2, in: SVR 2011 IV Nr. 17 S. 44, und 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 2.3, in: SVR 2011 IV Nr. 26 S. 73; spezifische und unfalladäquate HWS-Verletzungen [Schleudertrauma] ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle:
BGE 136 V 279
[Urteil 9C_510/2009 vom 30. August 2010]; nichtorganische Hypersomnie:
BGE 137 V 64
E. 4 S. 67 ff. [Urteil 9C_871/2010 vom 25. Februar 2011]; leichte Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom: Urteil 8C_167/2012 vom 15. Juni 2012 E. 5.2 und 6.1; vgl. ferner Rz. 1002 des Kreisschreibens des BSV über die Schlussbestimmungen der Änderung vom 18. März 2011 des IVG [KSSB], gültig ab 1. März 2013
http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/3976/lang:deu/category:34
), soll die Schlussbestimmung indessen nicht Hand bieten für eine nochmalige Überprüfung unter denselben Vorzeichen. Eine solche ist einer allfälligen Wiedererwägung mit den Voraussetzungen der zweifellosen Unrichtigkeit und der erheblichen Bedeutung der Berichtigung vorbehalten.
2.2.1.4
Der Gesichtspunkt einer systematischen Auslegung führt zu keinen von den bisherigen Schlussfolgerungen abweichenden Erkenntnissen.
2.2.2
Zusammenfassend ist die Überprüfung nach lit. a Abs. 1 SchlBest. IVG nicht auf vor dem 1. Januar 2008 zugesprochene Renten beschränkt. Erging die fragliche Rentenzusprache aber schon in Beachtung der jeweils relevanten Rechtsprechung zu pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne nachweisbare organische Grundlage, bleibt kein Raum mehr für ein Rückkommen unter dem Titel der Schlussbestimmung.
2.3
Die IV-Stelle hat die am 14. Februar 2008 verfügte ganze Rente in Kenntnis der Praxis zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen zuerkannt (vgl. E. 2.1.1 hievor). Ob dies in rechtskonformer Weise geschehen ist, muss, aus den hievor dargelegten Gründen, nicht im Verfahren gemäss SchlBest. IVG entschieden werden. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a38e231c-720f-49de-8098-dcac59434494 | Urteilskopf
135 II 224
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG/SSR gegen Tele Bärn und Mitb. sowie Bundesamt für Kommunikation (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_727/2008 vom 18. März 2009 | Regeste
Art. 26, 27 und 93 BV
; Art. 72 RTVG 2006; Art. 68 ff. RTVV 2007; Kurzberichterstattungsrecht von Lokalsender bei Fussball- und Eishockeyspielen, an denen die SRG über Erst- bzw. Exklusivverwertungsrechte verfügt.
Der "Physical Access" nach Art. 72 Abs. 3 lit. a RTVG 2006 umfasst die Befugnis, im Rahmen der technischen und räumlichen Möglichkeiten vor Ort auch eigene Spielbilder drehen zu dürfen (E. 2 bzw. E. 3.1 und 3.2).
Die "angemessenen Bedingungen", unter denen der "Signal Access" nach Art. 72 Abs. 3 lit. b RTVG 2006 zu gewähren ist, schliessen eine Abgeltung der Exklusivrechte aus, lassen im Rahmen einer angemessenen Pauschalisierung jedoch die Abdeckung von mit technischen und administrativen Vorleistungen verbundenen Kosten des Erstveranstalters zu (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 225
BGE 135 II 224 S. 225
Die SRG/SSR und die verschiedenen regionalen Fernsehsender regelten bis zur Fussball- und Eishockeysaison 2006/07 das Kurzberichterstattungsrecht in Sportlizenzverträgen. Am 18. Juli 2006 teilte die SRG/SSR ihren Partnern mit, dass sie "trotz neuer Konstellation (komplementäres System mit SRG SSR als kostenfreier und Cinetrade/Teleclub als kostenpflichtiger Verwerter)" den regionalen Anbietern "die News-Access-Rechte im bisherigen Rahmen liefern" könne; sie wies jedoch darauf hin, dass "Drehgenehmigungen (eigene Spielbilder) [...] grundsätzlich nicht mehr" möglich seien, da "praktisch alle Spiele live und mit einem hohen Kamerastandard" produziert würden. Sie schlug zudem folgende Abgeltungsmodalitäten vor:
"Kurzberichterstattung mit Verwendung von SRG SSR-Sportbildern (ohne Kamerazugang) bis 3 Minuten Fr. 300.- pro Sportveranstaltung, bis 30 Sekunden Fr. 100.- pro Sportveranstaltung. Kamera-Zugang in der Mixed Zone ohne Kurzberichterstattung (u.a. Interviews nach dem Spiel bei Live-Produktionen) Fr. 100.- pro Sportveranstaltung (Akkreditierungsgebühr). Bei einem Mitschnitt auf Bestellung (pauschal Fr. 300.-) werden zudem technische Kosten verrechnet."
Mit Schreiben vom 21. Juli 2006 gelangten acht regionale Privat-Fernsehveranstalter (Tele Bärn, Tele Basel, Tele M1, Tele Ostschweiz, Tele Südostschweiz, Tele Tell, Tele Top, Tele Züri; im Folgenden auch: Regionalsender) mit dem Ersuchen an das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), den Umfang und Inhalt des Kurzberichterstattungsrechts zu präzisieren. Dieses verfügte hierauf am 25. Oktober 2007 wie folgt:
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"
1. Physical Access
1.1 Spiele bis zum 1. April 2007
Es wird festgestellt, dass die SRG SSR verpflichtet war, den Regionalsendern Tele Bärn, Tele Basel, Tele M1, Tele Ostschweiz, Tele Südostschweiz, Tele Tell, Tele Top und Tele Züri im Rahmen ihres Kurzberichterstattungsrechts physischen Zugang zu Fussball- und Eishockeyspielen mit eigenen Bild- und Tonaufnahmegeräten, inklusive Drehgenehmigungen für eigene Spielbilder, zu gewähren. Diese Duldungspflicht bezog sich auf die Spiele der Saison 2006/2007, soweit die SRG SSR über Exklusivrechte verfügte.
Diese Verpflichtung galt unter dem Vorbehalt, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen für einen Physical Access gegeben waren.
1.2 Spiele ab dem 1. April 2007
Es wird festgestellt, dass die SRG SSR verpflichtet ist, den Regionalsendern Tele Bärn, Tele Basel, Tele M1, Tele Ostschweiz, Tele Südostschweiz, Tele Tell, Tele Top und Tele Züri im Rahmen ihres Kurzberichterstattungsrechts physischen Zugang zu Fussball- und Eishockeyspielen mit eigenen Bild- und Tonaufnahmegeräten, inklusive Drehgenehmigungen für eigene Spielbilder, zu gewähren. Diese Duldungspflicht bezieht sich auf die Spiele der Saison 2006/2007, und sie gilt für künftige Spielsaisons, soweit die SRG SSR über Exklusivrechte verfügt.
Diese Verpflichtung gilt unter dem Vorbehalt, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen für einen Physical Access gegeben sind. Bei beschränkten Kapazitäten ist eine Priorisierung wie folgt vorzunehmen:
- Zunächst ist der Zugang an Veranstalter zu gewähren, welche aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit der SRG SSR bzw. des Ereignisveranstalters einen Anspruch darauf haben.
- Im Falle weiterer Kapazitäten ist auch Veranstaltern, die eine möglichst umfassende Versorgung in der Schweiz gewährleisten, Zugang zu gewähren, sowie Regionalveranstaltern mit Leistungsauftrag, falls Heim- oder Auswärtsspiele von Mannschaften aus dem konzessionierten Verbreitungsgebiet dieser Veranstalter betroffen sind.
- Im Falle weiterer Kapazitäten sind auch die übrigen Veranstalter zu berücksichtigen.
1.3 Akkreditierungsgebühr
Es wird festgestellt, dass die Erhebung einer pauschalen "Akkreditierungsgebühr" für Kamerazugang in der "Mixed Zone", wie sie im Schreiben der SRG SSR vom 18. Juli 2006 bzw. 4. August 2006 für die Spielsaison 2006/2007 ff. angekündigt wurde, unzulässig ist.
2. Signal Access
2.1 Es wird festgestellt, dass die SRG SSR nur die aus ihrer Signalüberlassungspflicht direkt entstehenden effektiven Mehrkosten auf die
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Regionalsender überwälzen darf. Es wird festgestellt, dass die SRG SSR eine Pauschalgebühr erheben kann. Diese muss sich auf überprüfbare Technik- und Personalkosten und allfällige weitere mit der Einräumung des Rechts auf Kurzberichterstattung notwendigerweise verbundenen Kosten beziehen und darf keine Überwälzung der eigenen Rechtekosten durch die SRG SSR beinhalten.
2.2 Es wird festgestellt, dass die pauschale "Kurzberichterstattungsgebühr" von Fr. 300.-/Fr. 100.- gemäss Schreiben der SRG SSR vom 18. Juli 2006 bzw. 4. August 2006 unzulässig ist.
2.3 Es wird festgestellt, dass die Pauschale von Fr. 300.- für technische Kosten für die Abgabe eines Spiel-Mitschnitts zulässig ist.
3. Die SRG SSR wird aufgefordert, das BAKOM innert 30 Tagen ab Rechtskraft dieser Verfügung über die Massnahmen zu informieren, welche sie zur Sicherstellung des Kurzberichterstattungsrechts der in Ziff. 1 genannten Regionalsender trifft. Sollte die SRG SSR dieser Pflicht nicht nachkommen, werden weitere administrative Massnahmen im Sinne von Art. 89 f. des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG, SR 784.40) ergriffen."
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diesen Entscheid am 28. August 2008. Das Bundesgericht weist die hiergegen gerichtete Beschwerde der SRG/SSR im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Bundesverwaltungsgericht ist zum Schluss gekommen, dass die Herstellung eigener Spielbilder im Rahmen des Kurzberichterstattungsrechts bzw. des "Physical Access" gemäss
Art. 72 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG 2006; SR 784.40)
erlaubt und die von der Vorinstanz verfügte Prioritätenordnung nicht zu beanstanden sei. Entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin ist diese Auslegung nicht bundesrechtswidrig:
2.1
Wird die Berichterstattung über ein öffentliches Ereignis in der Schweiz durch Exklusivabreden eingeschränkt, so hat jeder interessierte Programmveranstalter das "Recht auf aktuelle mediengerechte Kurzberichterstattung" (Art. 72 Abs. 1 RTVG 2006). Der Organisator und der Programmveranstalter, die über Erstverwertungs- oder Exklusivrechte verfügen, sind verpflichtet, die entsprechende Möglichkeit zu gewähren (Art. 72 Abs. 2 RTVG 2006), was durch den Zugang zum Ereignis selber geschieht, "soweit es die technischen und räumlichen Gegebenheiten erlauben" (Art. 72 Abs. 3
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lit. a RTVG 2006; "Physical Access"), und/oder durch die Überlassung der "gewünschten Teile des Übertragungssignals zu angemessenen Bedingungen" (Art. 72 Abs. 3 lit. b RTVG 2006; "Signal Access"). Das Bundesamt kann geeignete Massnahmen zur Sicherstellung des entsprechenden Rechts ergreifen (Art. 72 Abs. 4 RTVG 2006). Das Kurzberichterstattungsrecht wird in Art. 68 ff. der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 2007 (RTVV 2007; SR 784.401) weiter konkretisiert: Es umfasst einen Beitrag von höchstens drei Minuten, wobei die Dauer jeweils dem Ereignis angepasst sein muss (Art. 68 Abs. 1 RTVV 2007); zudem kann der Bericht erst "nach Beendigung des öffentlichen Ereignisses oder des in sich abgeschlossenen Teils des Ereignisses ausgestrahlt werden" (Art. 68 Abs. 3 RTVV 2007). Der direkte Zugang von Drittveranstaltern darf im Rahmen des "Physical Access" die Durchführung des Ereignisses und die Ausübung der Exklusiv- und Erstverwertungsrechte nicht beeinträchtigen (Art. 69 Abs. 2 RTVV 2007); zudem hat der Drittveranstalter beim "Signal Access" "die für den Zugang zum Signal entstehenden Kosten abzugelten". Diese umfassen den technischen und personellen Aufwand sowie eine "Entschädigung für zusätzliche Kosten, die mit der Einräumung des Rechts verbunden sind" (Art. 70 Abs. 2 RTVV 2007).
2.2
2.2.1
Die Radio- und Fernsehgesetzgebung dient im öffentlichen Interesse der möglichst optimalen Verwirklichung der Meinungs- und Informationsfreiheit. Der freie Zugang des Publikums zu Informationen über wichtige Ereignisse ist von grundlegender Bedeutung für die kommunikative Chancengleichheit und -gerechtigkeit; er bildet Voraussetzung dafür, dass Radio und Fernsehen in ihrer Gesamtheit die ihnen von Verfassungs wegen übertragenen Funktionen wahrnehmen können (vgl. JEAN-FRANÇOIS AUBERT, in: Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, Aubert/Mahon [Hrsg.], 2003, N. 11 ff. zu
Art. 93 BV
; GIOVANNI BIAGGINI, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, N. 9 ff. zu
Art. 93 BV
; HERBERT BURKERT, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 4 ff. zu
Art. 17 BV
, N. 5 ff. zu
Art. 93 BV
). Die Tendenz der einzelnen Programmveranstalter, sich für die Berichterstattung über wichtige Ereignisse von grossem Publikumsinteresse Exklusivrechte zu sichern und Konkurrenten dadurch vom Zugang zu diesen auszuschliessen, kann
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dazu führen, dass nicht mehr alle Zuschauer oder Zuhörer zu solchen Anlässen bzw. Informationen Zugang haben, weil das Programm, in dem exklusiv berichtet wird, technisch nicht überall empfangbar ist oder nur Abonnenten offensteht (Pay-TV). Das Kurzberichterstattungsrecht soll deshalb allen interessierten Programmveranstaltern ermöglichen, Kurzberichte über öffentliche Ereignisse zu erstellen und auszustrahlen, selbst wenn der Organisator diese an sich vertraglich einem Dritten zur exklusiven Berichterstattung überlassen hat (vgl. BERND HOLZNAGEL, Der Zugang zu Premium-Inhalten: Grenzen einer Exklusivvermarktung nach Europäischem Recht, in: Zugang zu Premium Content, Weber/Osterwalder [Hrsg.], 2006, S. 51 ff., dort S. 57 f.). Das Kurzberichterstattungsrecht dient - wie sich auch aus der bundesrätlichen Botschaft zu Art. 72 RTVG 2006 ergibt - zwei Zielen: Einerseits soll die Bevölkerung trotz Exklusivrechten zumindest in den Grundzügen über alle öffentlichen Ereignisse nachrichtenmässig informiert werden können; andererseits soll dadurch die Meinungsvielfalt gefördert werden, indem Zweitveranstalter über ein Ereignis (auch) aus einer anderen Perspektive berichten können als der Primärveranstalter (BBl 2003 1644 Ziff. 1.3.10.6.1; vgl. ROLF H. WEBER, Rundfunkrecht, 2008, N. 1 und N. 16 zu Art. 72 RTVG 2006; NOBEL/WEBER, Medienrecht, 2007, Rz. 88-90 S. 525; SANDRO MACCIACCHINI, Die Euro 08 als juristische Spielwiese: Müssen die Privaten draussen bleiben?, Medialex 2008 S. 3 ff., dort S. 4).
2.2.2
Die Botschaft zu Art. 7 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen (RTVG 1991; AS 1992 601 ff.) hielt (noch) ausdrücklich fest, dass der "Physical Access" nur zur Berichterstattung "ohne Bild- oder Tonwiedergabe" berechtige (BBl 1987 III 731 Ziff. 221.1), womit für das Kurzberichterstattungsrecht, soweit sich die Veranstalter nicht vertraglich einigen konnten, der "Signal Access" im Vordergrund stand, der denn auch in Art. 20 der Radio- und Fernsehverordnung vom 6. Oktober 1997 (RTVV 1997; AS 1997 2910) allein eine weitergehende Regelung erfuhr. Anders verhält es sich seit der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes im Jahre 2006; diese brachte generell eine Öffnung des Medienmarktes und eine Stärkung der Rolle der lokalen Veranstalter mit sich (vgl. zum bisherigen und zum neuen Recht: WEBER, a.a.O., N. 5 zu Art. 72 RTVG 2006; MACCIACCHINI, a.a.O., S. 3): Der Bundesrat hielt fest, dass bei öffentlichen Ereignissen der Zugang zum Ort des Geschehens durch den Organisator und den
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Primärveranstalter zu gewähren sei, soweit die technischen und räumlichen Verhältnisse dies erlaubten. Der vertraglich berechtigte Exklusivveranstalter habe beim "Physical Access" im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die Anwesenheit eines oder mehrerer Drittveranstalter vor Ort zu dulden; das ermögliche diesen, "die Herstellung eigener Stimmungsbilder, Interviews usw.", "was [...] lokal-regionalen Veranstaltern eine bessere Orientierung ihres Publikums" gestatte als die blosse Signalübernahme (BBl 2003 1729 Ziff. 2.1.5.1). Die entsprechenden Ausführungen blieben in den parlamentarischen Beratungen unbestritten (vgl. WEBER, a.a.O., N. 4 zu Art. 72 RTVG 2006), weshalb davon ausgegangen werden darf, dass der Gesetzgeber sich ihnen angeschlossen hat. Im Übrigen wäre es nicht einzusehen, warum der "Physical Access" jeweils von den konkreten technischen und räumlichen Verhältnissen hätte abhängig gemacht werden sollen, würde er nur den Zugang zur Veranstaltung als solchen, nicht jedoch auch den Einsatz eigener Aufnahmegeräte zur Berichterstattung umfassen.
2.3
2.3.1
Anders als teilweise noch in den vorinstanzlichen Verfahren geht inzwischen denn auch die Beschwerdeführerin davon aus, dass das Kurzberichterstattungsrecht - im Rahmen der technischen und räumlichen Möglichkeiten - das Herstellen eigener Bilder durch die Sekundärveranstalter erlaubt; sie will das entsprechende Recht indessen auf reine Stimmungsbilder und allfällige Interviews bzw. "Sideline Stories" unter Ausschluss von Spielbildern beschränkt wissen. Hierzu besteht kein Anlass: Ziel des Kurzberichterstattungsrechts ist es, die nachrichtenmässige Aufarbeitung eines öffentlichen Ereignisses derart zu gestatten, dass die verfassungsmässigen Vorgaben an das elektronische Mediensystem möglichst optimal umgesetzt werden (sachgerechte und vielfältige Berichterstattung). Eine eigenständige nachrichtenmässige Information bedingt im Rahmen der Programm- und Medienfreiheit die Möglichkeit, eigene Akzente setzen zu können und sich für die journalistische Aufarbeitung nicht mit der Auswahl und dem Schnitt der von der SRG/SSR gelieferten Bilder und gewisser Hintergrund- bzw. "Sideline-Geschichten" begnügen zu müssen, sondern auch einzelne Spielbilder für den lokalen Bezug produzieren zu dürfen, zumal "Sideline Stories" teilweise gar nicht sinnvoll vom Spielgeschehen abgetrennt werden können.
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2.3.2
Der mit solchen Aufnahmen verbundene Eingriff in die (Exklusiv-)Rechte der Beschwerdeführerin ist nicht unverhältnismässig: Der "Physical Access" muss bloss so weit gewährt werden, als die technischen und räumlichen Umstände dies zulassen; die Bedürfnisse des Organisators bezüglich der optimalen Abwicklung des Ereignisses und des exklusivberechtigten Erstverwerters haben Priorität (Art. 69 Abs. 2 RTVV 2007). Der erläuternde Bericht des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) vom 9. März 2007 zur revidierten Radio- und Fernsehverordnung unterstreicht dies, wenn er festhält, dass die Sekundärveranstalter bei ihrer Kurzberichterstattung besonderen Schranken unterworfen sind: Die Ordnung, Sicherheit und der reibungslose technische Ablauf des Ereignisses dürfen nicht beeinträchtigt werden; produziert der Exklusiv- oder Erstveranstalter das internationale Signal, so muss er seine Übertragung unbeeinträchtigt von Störungen durch Drittveranstalter durchführen können; er hat insbesondere bei der Positionierung von Kameras und Mikrofonen Priorität; die Drittveranstalter sind nur unter dieser Vorgabe befugt, eigene Stimmungsbilder, Interviews etc. anzufertigen, was "der vielfältigen Information des Publikums aus anderen (z.B. lokalen oder nicht rein sportlichen) Blickwinkeln" dient (S. 36). Der Kurzbericht darf erst nach Beendigung des öffentlichen Ereignisses oder des in sich abgeschlossenen Teils ausgestrahlt werden (Art. 68 Abs. 3 RTVV 2007). Die Beschwerdeführerin ist schliesslich selber bereit, den Lokalveranstaltern jeweils das ganze von ihr hergestellte Rohmaterial zur Verfügung zu stellen, weshalb nicht ersichtlich ist, warum sie bei der Aufnahme einzelner Spielbilder durch die lokalen Sekundärveranstalter bei Sportanlässen mit Beteiligung aus deren Einzugsgebiet im Rahmen der Vorgaben des BAKOM zusätzlich in namhafter Weise belastet wird.
2.3.3
Ihr Einwand könnte bloss insofern eine gewisse Berechtigung haben, als das Kurzberichterstattungsrecht nicht dazu dienen darf, durch eine Aufzeichnung des ganzen Spiels (unter Umständen mit mehreren Kameras) die Exklusivrechte des Primärveranstalters zu unterlaufen und diese ihres Sinnes zu entleeren; hierzu müsste die Beschwerdeführerin nicht Hand bieten. Eine solche Gefahr dürfte zurzeit jedoch nicht bestehen: Wie in der Doktrin unterstrichen wird, steht die Länge der Kurzberichterstattung (Beschränkung auf die notwendige Zeit, um den Informationsgehalt des bedeutenden Ereignisses zu übermitteln) in den meisten Fällen in
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keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Produktionskosten; eigene Aufnahmen in grösserem Umfang stellen für konkurrierende Rundfunkveranstalter deshalb keine echte publikumsattraktive Alternative dar; schon aus ökonomischen Gründen wird der kurzberichterstattungswillige Fernsehveranstalter deshalb jeweils versuchen, sich mit dem Rechteinhaber vertraglich zu einigen (so WEBER, a.a.O., N. 16 zu Art. 72 RTVG 2006; NOBEL/WEBER, a.a.O., S. 525 Rz. 90). Dabei kann die "Empfehlung Nr. R (91) 5 des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten des Europarats zum Recht auf Kurzberichterstattung über bedeutende Ereignisse, wenn Exklusivrechte für deren Fernsehübertragung in einem grenzüberschreitenden Zusammenhang erworben worden sind" (veröffentlicht in: HÖFLING/MÖWES/PECHSTEIN, Europäisches Medienrecht, München 1991, S. 248 ff.), als Richtlinie dienen. Das Kurzberichterstattungsrecht nach dem Radio- und Fernsehgesetz setzt zwischenstaatlich (auch) die Vorgaben des Europäischen Übereinkommens vom 5. Mai 1989 über das grenzüberschreitende Fernsehen (EÜGF; SR 0.784.405) um, weshalb die dazu entwickelten Grundsätze bei der Auslegung von Art. 72 RTVG 2006 ergänzend berücksichtigt werden können (so auch SIMON OSTERWALDER, Übertragungsrechte an Sportveranstaltungen, 2004, S. 299): Danach soll der Kurzbericht nur vom Sekundärveranstalter in planmässigen (Sport-)Nachrichtensendungen verwendet (Grundsatz 3a) und nicht ausgestrahlt werden, "ehe der Primärveranstalter Gelegenheit gehabt hat, die Hauptübertragung des bedeutenden Ereignisses durchzuführen" (Grundsatz 3b); wird der Kurzbericht unter Verwendung des Signals des Primärveranstalters angefertigt, ist - andere Abreden vorbehalten - der Name und/oder das Emblem des Primärveranstalters zu erwähnen oder einzublenden (Grundsatz 3c); der Kurzbericht darf später nicht wiederverwendet werden, es sei denn, es bestehe eine unmittelbare Verbindung zwischen dessen Inhalt und einem anderen aktuellen Ereignis (Grundsatz 3d); schliesslich soll "das gesamte für die Herstellung des Kurzberichts verwendete Originalmaterial von Sendungen im Besitz des Sekundärveranstalters nach Herstellung des Kurzberichtes vernichtet werden" (Grundsatz 3e), worüber der Primärveranstalter zu informieren ist. Das muss auch gelten, falls eigene Spielbilder hergestellt worden sind. Wird diesen Vorgaben Rechnung getragen, bleibt der Kerngehalt der Exklusivrechte gewahrt und wird durch das Kurzberichterstattungsrecht nur in einer untergeordneten, durch das öffentliche Interesse gebotenen Weise in die Rechtspositionen der Exklusivberechtigten eingegriffen.
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3.
3.1
Die Beschwerdeführerin rügt, die durch die Vorinstanz geschützte Konkretisierung des Kurzberichterstattungsrechts durch das BAKOM sei verfassungswidrig. Die Möglichkeit der Produktion eigener Spielbilder im Rahmen des Kurzberichterstattungsrechts verletze die Eigentumsgarantie (
Art. 26 BV
) sowie die Wirtschaftsfreiheit (
Art. 27 und 94 BV
); Art. 72 RTVG 2006 fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit und hinreichenden Klarheit; die Gewährung eigener Spielbilder im Rahmen des "Physical Access" diene nicht dem Schutz von Polizeigütern, sondern - wettbewerbsverzerrend - jenem der Interessen der Regionalveranstalter; es werde damit Strukturpolitik betrieben; zudem sei der entsprechende Eingriff unverhältnismässig; das angestrebte Ziel könne mit einer milderen Massnahme erreicht werden (Gewährung des "Physical Access" ohne eigene Spielbilder, aber mit der Möglichkeit, "Sideline Stories" aufzunehmen).
3.2
Die Rügen erweisen sich - vorbehältlich der Entschädigungsfrage (vgl. E. 3.3) - als unbegründet (vgl. zur Verfassungsmässigkeit des Kurzberichterstattungsrechts: OLIVER SIDLER, Exklusivberichterstattung über Sportveranstaltungen im Rundfunk, 1995, S. 218 ff.):
3.2.1
Die Eigentumsgarantie und die Wirtschaftsfreiheit gelten nicht absolut. Sie können gestützt auf
Art. 36 BV
eingeschränkt werden, sofern der Eingriff auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und ihren Kerngehalt respektiert. Das Kurzberichterstattungsrecht beruht mit Art. 72 RTVG 2006 und den entsprechenden Verordnungsbestimmungen auf einer klaren gesetzlichen Basis. Es bezweckt, in Konkretisierung der Informationsfreiheit (
Art. 10 EMRK
; vgl. auch die Urteile des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2006, Ziffer 1.2, in: Causa Sport [CaS] 2007 S. 55 ff., sowie des deutschen Bundesverfassungsgerichts [BVerfG], 1 BvF 1/91, Urteil vom 17. Februar 1998 ["Kurzberichterstattungsurteil"], Rz. 105 ff.) zum Schutz der Meinungsvielfalt und Förderung der Programmqualität die Abschottung von öffentlichen Ereignissen über Exklusivrechte zu verhindern. Die ausreichende und möglichst umfassende Information über solche Veranstaltungen liegt im öffentlichen Interesse; es ist verfassungsrechtlich deshalb zulässig, zu dessen Schutz die in den Exklusiv- oder Erstverwertungsrechten
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liegenden immateriellen Vermögenswerte zu beschränken und unter einen entsprechenden Vorbehalt zu stellen.
3.2.2
Dies ist auch auf europäischer Ebene anerkannt: Der Grundsatz 1 der Empfehlung des Europarats zur Kurzberichterstattung sieht in Konkretisierung von
Art. 9 EÜGF
vor, dass das Eigentumsrecht des Primärveranstalters Einschränkungen im Rahmen eines fairen Interessenausgleichs unterliegen soll, "um die Öffentlichkeit in einem bestimmten Land in die Lage zu versetzen, ihr Recht auf Information auszuüben". Das Recht der Europäischen Union hält die Mitgliedstaaten an, dafür zu sorgen, "dass jeder Fernsehveranstalter, der in der Gemeinschaft niedergelassen ist, zum Zwecke der Kurzberichterstattung einen fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Zugang zu Ereignissen hat, die von grossem öffentlichen Interesse sind und die von einem der Rechtshoheit der Mitgliedstaaten unterworfenen Fernsehveranstalter exklusiv übertragen werden" (Art. 3k Abs. 1 der Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit [ABl. L 332 vom 18. Dezember 2007 S. 27]).
3.2.3
Bei der Sicherung der Meinungsvielfalt geht es nicht um eine wirtschaftspolitische Massnahme zugunsten der regionalen Veranstalter, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, sondern um einen verfassungsrechtlichen Grundentscheid (vgl.
Art. 93 Abs. 2 BV
): Das rundfunkrechtliche Mediensystem ist auf eine pluralistische Informationsvermittlung ausgerichtet, "weil medial vermittelte Informationen nicht lediglich Abbild der Wirklichkeit, sondern stets Ergebnis eines Auswahl-, Deutungs- und Aufbereitungsprozesses" sind, die "nur durch konkurrierende Auswahl-, Deutungs- und Aufbereitungsmuster relativiert werden" können (BVerfG, 1 BvF 1/91, Urteil vom 17. Februar 1998 ["Kurzberichterstattungsurteil"]). Es ist verfassungsrechtlich deshalb zulässig, Zweitveranstaltern im Rahmen der örtlichen und technischen Möglichkeiten unter Einhaltung der Vorgaben des BAKOM bzw. der entsprechenden Empfehlungen des Europarats auch die Aufnahme von einzelnen Spielszenen und nicht nur von "Sideline Stories" zu ermöglichen. Die entsprechende Massnahme ist geeignet und erforderlich, um die Medienvielfalt zu fördern und Monopolbestrebungen entgegenzuwirken. Die exklusive Rechtsposition der Beschwerdeführerin wird
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- wie bereits dargelegt (vgl. oben E. 2.3.2 und 2.3.3) - dadurch nicht in ihrer Substanz berührt: Das Kurzberichterstattungsrecht beschränkt sich auf einen Beitrag von maximal drei Minuten, der erst nach Beendigung des Ereignisses ausgestrahlt werden darf, während die Beschwerdeführerin live und zeitlich unbeschränkt berichten kann, wobei ihr am Übertragungsort bezüglich ihrer Einrichtungen und Bedürfnisse Priorität zukommt. Der Kurzbericht darf nicht weitergegeben werden und die gedrehten oder vom Primärveranstalter erhaltenen Spielbilder sind nach dessen Herstellung zu vernichten. Es liegt deshalb kein unverhältnismässiger Grundrechtseingriff vor und Art. 72 RTVG 2006 muss nicht (verfassungskonform) dahin verstanden werden, dass im Rahmen des "Physical Access" keine Spielbilder produziert werden dürften.
3.3
3.3.1
Umstritten ist auch die Frage der Abgeltung des Kurzberichterstattungsrechts; diesbezüglich sind die Ausführungen der Vorinstanzen etwas zu relativieren: Nach Art. 72 Abs. 3 lit. b RTVG 2006 muss der Erstveranstalter die gewünschten Teile des Übertragungssignals dem interessierten Sekundärveranstalter zu "angemessenen" Bedingungen zur Verfügung stellen. Nach Art. 70 Abs. 2 RTVV 2007 hat der Drittveranstalter bloss "die für den Zugang zum Signal entstehenden Kosten abzugelten"; diese beinhalten den technischen und personellen Aufwand sowie eine Entschädigung für "zusätzliche Kosten, die mit der Einräumung des Rechts auf Kurzberichterstattung verbunden sind". Das BAKOM und das Bundesverwaltungsgericht sind davon ausgegangen, dass dabei allfällige Lizenzkosten nicht überwälzt werden dürfen, hingegen pauschale Gebühren für Personal- und Technikkosten, die in direktem Zusammenhang mit der Einräumung des "Signal Access" entstehen, zulässig seien, soweit sie auf überprüfbaren Angaben basierten, was beim vorgesehenen Ansatz von Fr. 300.- pro Sportveranstaltung nicht der Fall sei.
3.3.2
Richtig erscheint, dass die Kosten für das Exklusivrecht nicht auf den Zweitveranstalter abgewälzt werden dürfen. Der Bundesrat hat in seiner Botschaft zum RTVG 2006 ausdrücklich festgehalten, dass "einzig die zusätzlichen Unkosten für die Überlassung des Signals (beispielsweise bezüglich Material und Personal), nicht hingegen eine Entschädigung für allfällige Exklusivrechte" geschuldet seien. Dies entspricht der Empfehlung Nr. R (91) 5 des Europarats, wonach "jedenfalls [...] vom Sekundärveranstalter keine
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finanzielle Beteiligung an den Kosten der Fernsehrechte" soll verlangt werden können (Grundsatz 4 "Finanzielle Bedingungen"). Gemäss der EU-Richtlinie 2007/65/EG (vgl. oben E. 3.2.2) sorgen die Mitgliedstaaten nach Massgabe ihres Rechtssystems und im Einklang mit ihren Gepflogenheiten dafür, dass die Modalitäten und Bedingungen für die Bereitstellung der Ausschnitte näher festgelegt werden; ist eine Kostenerstattung vorgesehen, "so darf sie die unmittelbar mit der Gewährung des Zugangs verbundenen zusätzlichen Kosten nicht übersteigen" (Art. 3k Abs. 6).
3.3.3
Mit Blick auf die Eigentumsgarantie (
Art. 26 BV
), welche auch Exklusivrechte als immaterielle Werte schützt (vgl. BIAGGINI, a.a.O., Rz. 12 zu
Art. 26 BV
), und die Wirtschaftsfreiheit (
Art. 27 und 94 BV
) darf der in Art. 72 Abs. 3 lit. b RTVG 2006 ("Signal Access") verwendete Begriff der "angemessenen Bedingungen" bzw. jener der "zusätzlichen Kosten, die mit der Einräumung des Rechts auf Kurzberichterstattung verbunden sind" (Art. 70 Abs. 2 RTVV 2007), indessen nicht allzu eng verstanden werden: Das Kurzberichterstattungsrecht dient neben dem Zugang zur Information im Interesse des Publikums auch der publizistischen Vielfalt, die wirtschaftlich möglichst wettbewerbsneutral erreicht werden soll. Vor diesem Hintergrund erscheint es problematisch und mit der Programmfreiheit bzw. deren wirtschaftlichen Wahrnehmung durch den Kauf von Exklusivrechten durch die Beschwerdeführerin nicht vereinbar, sie zu verpflichten, den Zweitveranstaltern den Zugang zu ihren Signalen praktisch gratis zu gewähren, zumal wenn jene kumulativ - abgesehen von den unmittelbar damit verbundenen Kosten für spezielle Dienstleistungen des Organisators oder Erstveranstalters (vgl. den Grundsatz 4 der Empfehlung Nr. R (91) 5 zur Kurzberichterstattung) - zudem gleichzeitig unentgeltlich vom "Direct Access" profitieren können, der - wie dargelegt - (auch) die Aufnahme von Spielbildern erfasst. Soweit der Verordnungsgeber von "zusätzlichen Kosten", die aus der Überlassung der Aufzeichnungen entstehen, spricht, ist der Begriff deshalb verfassungskonform in dem Sinn zu verstehen, dass er zwar kein Abgelt für die Exklusivrechte, jedoch auch nicht nur die im Einzelfall jeweils detailliert auszuweisenden
unmittelbar
mit der Überlassung des Signals verbundenen Aufwendungen, sondern im Rahmen einer Pauschalisierung auch die mit der Gewährung des Kurzberichterstattungsrechts verbundenen allgemeinen Kosten erfassen darf. Hierzu gehört auch, dass die Vorleistungen des Erstveranstalters durch die Kurzberichterstattung eine gewisse Entwertung erfahren. Ziel der
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Kostenregelung beim "Signal Access" ist es nämlich, im Rahmen eines fairen Interessenausgleichs (vgl. Ziff. 6 und 7 des erläuternden Memorandums in der Empfehlung Nr. R [91] 5 zur Kurzberichterstattung) zu verhindern, dass über die Höhe der Abgabe (neue) tarifarische Zugangsbeschränkungen geschaffen werden, nicht Zweitveranstalter allenfalls (praktisch) unentgeltlich und damit wettbewerbsverzerrend von wirtschaftlichen Vorleistungen des Exklusivberechtigten profitieren zu lassen (vgl. auch das deutsche BVerfG, 1 BvF 1/91, Urteil vom 17. Februar 1998 ["Kurzberichterstattungsurteil"], Rz. 128-129).
3.3.4
Ob sich der von der SRG/SSR vorgesehene Ansatz von Fr. 300.- bis zu 3 Minuten (bzw. Fr. 100.- bis 30 Sekunden) pro Ereignis unter diesen Umständen tatsächlich als unangemessen erweist, wie die Vorinstanzen angenommen haben, erscheint zweifelhaft: Nach einer bei den Akten liegenden Aufstellung entsteht der Beschwerdeführerin - offenbar ohne Abgeltung von Exklusivrechten - durch den "News Access" der Regionalsender ein jährlicher Aufwand von rund Fr. 85'000.-; diesem soll ein durchschnittlicher Ertrag in den Jahren 2003 bis 2006 in ungefähr der gleichen Höhe gegenüberstehen. Die Richtigkeit dieser Angaben kann hier nicht geprüft werden, da die Problematik der Höhe des geschuldeten Entgelts nur dem Grundsatz nach Gegenstand der bisherigen Verfahren gebildet hat. Bei einem Vergleich mit den in anderen europäischen Staaten diskutierten Ansätzen (vgl. etwa das Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2006, Ziffer 2.4, in: CaS 2007 S. 55 ff.), erscheint der Betrag prima vista jedenfalls nicht offensichtlich unverhältnismässig oder prohibitiv. Sowohl das BAKOM wie das Bundesverwaltungsgericht überliessen die Festsetzung der definitiven Höhe der "angemessenen" Entschädigungen indessen ausdrücklich den weiteren Verhandlungen der Parteien. Sollten sich diese nicht einigen können, wird das BAKOM als Aufsichtsbehörde - unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen - hierüber erneut separat zu entscheiden haben, womit der Rechtsweg wiederum offenstünde. Mit Blick auf die Vertragsfreiheit der Parteien rechtfertigt es sich deshalb nicht, das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid bezüglich der Entschädigungsfrage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es genügt, die vorliegende Beschwerde "im Sinne der Erwägungen" abzuweisen und dem faktischen teilweisen Unterliegen der Beschwerdegegner im Rahmen der bundesgerichtlichen Kostenregelung Rechnung zu tragen. | public_law | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a38ff345-aea3-477c-b0a1-4c9c352c00ca | Urteilskopf
87 IV 126
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. November 1961 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen X. | Regeste
Art. 203, 205 StGB
.
Die beiden Bestimmungen stehen zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz. | Erwägungen
ab Seite 126
BGE 87 IV 126 S. 126
Aus den Erwägungen:
Der Angeklagte machte sich, nachdem er sein Auto am rechten Rand der Kantonsstrasse abgestellt hatte, in unzüchtiger Absicht an seine Mitfahrerin heran, ohne dass
BGE 87 IV 126 S. 127
diese ihm dazu Anlass gegeben hätte, indem er zunächst ihre Aufmerksamkeit auf seine geschlechtliche Erregung lenkte und hierauf, als sie nicht darauf einging, ihre Hand nahm, sie in Richtung seines Geschlechtsteils führte und gleichzeitig Brust, Bauch und Beine seiner Begleiterin betastete und schliesslich, seinen Penis entblössend, immer zudringlicher wurde, so dass seine Partnerin fluchtartig den Wagen verliess.
Wie die Vorinstanz zu Recht angenommen hat, erfüllt das Verhalten des Angeklagten objektiv sowohl den Tatbestand der öffentlichen unzüchtigen Handlung gemäss
Art. 203 StGB
als auch denjenigen der öffentlichen unzüchtigen Belästigung im Sinne von
Art. 205 StGB
, sofern sich der Vorfall in der Öffentlichkeit, worunter in beiden Tatbeständen dasselbe zu verstehen ist, abgespielt hat. Trifft diese Voraussetzung zu, so ist Art. 205 neben Art. 203 anwendbar, da keine der beiden Bestimmungen die Tat nach allen Seiten umfasst. Wer öffentlich eine unzüchtige Handlung begeht, belästigt nicht notwendig andere; die unzüchtige Handlung kann vor oder mit einer Person begangen werden, die damit einverstanden ist, so dass keine Belästigung vorliegt. Umgekehrt führt nicht jede Belästigung im Sinne von Art. 205 zu einer unzüchtigen Handlung; der Täter kann jemand in unzüchtiger Absicht belästigen, es aber bei der Absicht bewenden lassen und von einer unzüchtigen Handlung absehen. Anderseits geht die Belästigung, wenn es zu einer öffentlichen unzüchtigen Handlung kommt, nicht im Tatbestand des Art. 203 auf. Der Täter wird nach dieser Bestimmung nur bestraft, weil er das Interesse der Allgemeinheit an der öffentlichen Sittlichkeit verletzt, nicht aber auch wegen des Angriffes gegen die individuellen Interessen desjenigen, der belästigt wird; der Unrechtsgehalt der Tat, den Art. 205 missbilligt, wird durch Art. 203 nicht abgegolten. | null | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a39047f2-ad72-424e-8bf4-578c7df6ef5e | Urteilskopf
117 III 15
6. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 7 mai 1991 dans la cause G. O. (recours LP) | Regeste
Art. 31 und 32 Ziff. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961.
Der diplomatische Vertreter, der Immunität im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit geniesst, kann einen Zivilprozess einleiten und das erstrittene Urteil anschliessend mit einer Betreibung durchsetzen (E. 1). | Sachverhalt
ab Seite 16
BGE 117 III 15 S. 16
A.-
A la réquisition de P.-R. et C. A., à Montevideo, l'Office des poursuites de Genève notifia le 7 février 1991 à G. O. un commandement de payer 5'895 fr. 15, plus accessoires. Cet acte de poursuite indiquait un jugement du Tribunal des baux du 13 février 1990 comme titre de la créance ou cause de l'obligation. Le poursuivi forma opposition à cette poursuite.
B.-
Il porta ensuite plainte auprès de l'autorité cantonale de surveillance et requit l'annulation de ce commandement de payer, en faisant valoir que le poursuivant ne pouvait, en qualité de diplomate brésilien, agir en justice tant que son immunité n'était pas levée et que le jugement invoqué en poursuite n'était pas exécutoire. Il invoquait aussi sa situation personnelle.
Par décision du 17 avril 1991, l'autorité de surveillance rejeta cette plainte.
C.-
G. O. interjette recours au Tribunal fédéral contre cette décision et requiert l'annulation de la poursuite.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le recourant soutient principalement que, vu le statut d'agent diplomatique du créancier, celui-ci ne pouvait engager des poursuites contre lui.
Le poursuivant était rattaché à la Mission permanente du Brésil auprès des Nations Unies à Genève. Conformément à l'art. IV, section 9, let. g, de l'Accord sur les privilèges et immunités de l'Organisation des Nations Unies conclu entre le Conseil fédéral suisse et le Secrétaire général de l'Organisation des Nations Unies les 11 juin/1er juillet 1946 (RS 0.192.120.1), il jouissait des privilèges, immunités et facilités reconnus aux agents diplomatiques. Ces droits et usages, en particulier l'immunité de juridiction, sont codifiés par la Convention de Vienne sur les relations diplomatiques du 18 avril 1961 (RS 0.191.01), ratifiée, sans réserves, le 30 octobre 1963 par la Suisse et le 25 mars 1965 par le Brésil.
Cette convention pose, en faveur de l'agent diplomatique et sous réserve d'exceptions précises, le principe de l'immunité de la juridiction civile et administrative de l'Etat accréditaire (art. 31). Mais le bénéfice de cette immunité n'a pas pour conséquence de priver l'agent diplomatique de la possibilité d'agir en justice, car la Convention de Vienne prévoit que l'agent diplomatique qui engage une procédure n'est plus recevable à invoquer l'immunité de juridiction à l'égard des prétentions reconventionnelles liées à sa demande principale
BGE 117 III 15 S. 17
(art. 32 ch. 3). Cette règle, qui régit les conséquences, quant à l'immunité, de l'ouverture d'une procédure par un agent diplomatique, suppose qu'une telle action est possible. Malgré son statut diplomatique, le créancier pouvait donc engager une action judiciaire et les mesures d'exécution qui en découlent.
Il faut au surplus remarquer que, au moment de l'introduction des poursuites, le créancier n'était plus agent diplomatique en poste en Suisse. | null | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a39b574b-7021-4268-877e-508490ae1840 | Urteilskopf
138 I 123
10. Estratto della sentenza della II Corte di diritto pubblico nella causa A.A. e B.A. contro Dipartimento dell'educazione, della cultura e dello sport e Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso in materia di diritto pubblico)
2C_449/2011 del 26 aprile 2012 | Regeste
Art. 18 und 70 BV
; Sprachenfreiheit; Territorialitätsprinzip; Ausnahme von der Pflicht, die Grundschule an einem privaten Institut in italienischer Sprache zu absolvieren.
Die Rechtsprechung führt auch die Befugnis der Kantone, für Privatschulen den Unterricht in der Amtssprache obligatorisch zu erklären, auf das Territorialitätsprinzip zurück. Die Möglichkeit der Kantone, unter Einschränkung der Sprachenfreiheit in diesem Sinne zu legiferieren, beruht auf dem Prinzip der Einheit des Sprachgebiets als ein Teilgehalt des Territorialprinzips (E. 5-7).
Die Normen des Tessiner Schulgesetzes, die den Gebrauch der italienischen Sprache in den öffentlichen und, unter gewissen Bedingungen, auch in den privaten Schulen als obligatorisch erklären, stellen zugleich eine Massnahme zur Erhaltung der Identität der italienischsprachigen Schweiz dar. An diesen Normen besteht daher ein erhebliches öffentliches Interesse (E. 8.1-8.3).
Die Beschwerdeführer - die für sich offenbar ein selbständiges Recht auf Gebrauch einer beliebigen anderen Sprache in Anspruch nehmen - stellen dem erwähnten öffentlichen Interesse keine privaten Interessen gegenüber, welche die vom Tessiner Gesetzgeber im Schulbereich getroffenen Massnahmen als nachrangig erscheinen lassen (E. 8.4 und 8.5). | Sachverhalt
ab Seite 124
BGE 138 I 123 S. 124
A.
Il 19 maggio 2010 i coniugi A., cittadini svizzeri e italiani residenti nel Cantone Ticino, hanno chiesto di autorizzare la loro figlia a frequentare la 1
a
classe elementare nella sezione di lingua inglese presso una scuola privata con sede in Ticino, in deroga a quanto stabilito dall'ordinamento scolastico ticinese. La domanda è stata respinta prima dal Dipartimento dell'educazione, della cultura e dello sport, poi dal Consiglio di Stato e, infine, dal Tribunale cantonale amministrativo.
B.
I coniugi A., in rappresentanza della figlia, sono insorti davanti al Tribunale federale con ricorso in materia di diritto pubblico del 27 maggio 2011. Prevalendosi della violazione della libertà di lingua (
art. 18 Cost.
), hanno chiesto che la sentenza cantonale fosse riformata e che la figlia fosse autorizzata a frequentare la menzionata scuola in lingua inglese durante il periodo dell'obbligo scolastico.
Il Tribunale federale ha respinto il ricorso.
(riassunto)
BGE 138 I 123 S. 125
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
La materia litigiosa è retta dalla legge ticinese della scuola del 1° febbraio 1990 (RL 5.1.1.1) e dal relativo regolamento del Consiglio di Stato del 19 maggio 1992 (RL 5.1.1.1.1).
L'art. 1 cpv. 3 della legge della scuola stabilisce che nelle scuole pubbliche l'insegnamento è impartito in lingua italiana. L'art. 80 ha il tenore seguente:
1. L'insegnamento privato è libero nei limiti della Costituzione federale.
2. Agli allievi in età d'obbligo scolastico l'insegnamento dev'essere impartito in lingua italiana; deroghe possono essere concesse eccezionalmente dal Consiglio di Stato per sopperire ai bisogni di famiglie residenti temporaneamente nel Cantone; la lingua italiana deve essere comunque insegnata.
In esecuzione della competenza attribuitagli dall'art. 8 della legge della scuola, il Consiglio di Stato ha adottato il citato regolamento del 19 maggio 1992. Il testo dell'art. 73 è questo:
1. La deroga prevista dall'art. 80 cpv. 2 della legge della scuola è concessa dal Dipartimento solo nel caso di famiglie che risiedono temporaneamente e per un massimo di sei anni nel Cantone.
2. Durante tale periodo agli allievi in età d'obbligo scolastico l'insegnamento deve essere impartito, almeno nella misura di 1/5 dell'orario settimanale, in lingua italiana.
3. Dopo i sei anni la famiglia deve iscrivere i propri figli in età d'obbligo scolastico in una scuola pubblica o privata in cui l'insegnamento sia impartito interamente in lingua italiana.
4. (...)
(...)
5.
La controversia riguarda la competenza concessa ai Cantoni d'istituire un ordinamento giuridico che assicuri l'uso della lingua ufficiale sul proprio territorio e limiti di conseguenza la libertà di lingua. La sentenza impugnata espone correttamente le basi legali.
5.1
L'
art. 18 Cost.
istituisce la libertà di lingua, garantendo al cittadino, tra l'altro, l'uso della lingua di sua scelta, sia essa quella materna o no (
DTF 122 I 236
consid. 2b pag. 328). La libertà di lingua, come tutti i diritti fondamentali, non è assoluta; può essere limitata, prim'ancora che alle condizioni generali dell'
art. 36 Cost.
, in forza dell'
art. 70 cpv. 2 Cost.
, che impone ai Cantoni il rispetto della
BGE 138 I 123 S. 126
composizione linguistica tradizionale delle regioni e delle minoranze linguistiche autoctone.
Questa norma codifica in sostanza il principio della territorialità della lingua, che ha due componenti. D'un canto, il principio di territorialità vuole che ogni Cantone, Distretto o Comune abbia la sua lingua tradizionale e la possa conservare nonostante l'immigrazione di persone di lingua straniera. Esso permette perciò ai Cantoni di adottare sul proprio territorio i provvedimenti atti a preservare l'omogeneità e i limiti tradizionali delle regioni linguistiche; tali misure, che possono limitare il diritto del cittadino di usare la propria lingua materna, devono rispettare il principio di proporzionalità. D'altro canto, il principio di territorialità si propone di assicurare, in armonia con la libertà di lingua, la coesistenza pacifica delle lingue nazionali e la protezione delle lingue di minoranza (
DTF 136 I 149
consid. 4.1 e 4.2 pag. 152 seg.;
DTF 122 I 236
consid. 2b e c pag. 238 seg. e riferimenti).
5.2
I Cantoni sono competenti per definire la lingua ufficiale (art. 70 cpv. 2 prima frase Cost.) e per regolarne l'uso sul proprio territorio, nel rispetto del diritto costituzionale federale. Nei rapporti con l'autorità la libertà di lingua è perciò limitata anche dal principio della lingua ufficiale (
DTF 136 I 149
consid. 4.3 e 5 pag. 153 seg. e riferimenti). L'insegnamento nelle scuole pubbliche appartiene al campo di queste relazioni. La giurisprudenza riconduce tuttavia al principio della territorialità anche la facoltà dei Cantoni d'imporre l'insegnamento nella lingua ufficiale nelle scuole private. Il fondamento di tale limitazione della libertà di lingua non è da ricercare tanto nella volontà di promuovere un insegnamento attuabile e di contenerne i costi, com'è il caso per la scuola pubblica, né di tutelare le lingue minoritarie minacciate, quanto piuttosto nell'esigenza di preservare la pace e l'omogeneità linguistica e quindi di favorire la coesione sociale (
DTF 122 I 236
consid. 2d e e pag. 239 segg.;
DTF 91 I 480
consid. 2 e 3b pag. 486 segg.).
6.
Nel Cantone Ticino, l'
art. 1 cpv. 1 Cost./TI
(RS 131.229) stabilisce che la lingua ufficiale è l'italiano. La legge della scuola ne regola l'uso nel campo scolastico rendendolo obbligatorio per l'insegnamento nella scuola pubblica (art. 1 cpv. 3) e, a certe condizioni, in quelle private (art. 80 cpv. 2). Come detto, il Tribunale federale ha riconosciuto tali facoltà ai Cantoni, individuandone il fondamento nella componente del principio di territorialità, ancorato nell'
art. 70
BGE 138 I 123 S. 127
cpv. 2 Cost.
, che promuove l'omogeneità linguistica. La norma costituzionale - per riprendere un'espressione usata dai ricorrenti - non obbliga le persone a integrarsi nella comunità in cui vivono ma, quanto meno, a seguire l'insegnamento dell'obbligo nella lingua ufficiale di tale comunità, se il legislatore cantonale lo vuole.
La censura secondo la quale la Corte cantonale avrebbe attribuito all'
art. 70 cpv. 2 Cost.
una portata superiore a quanto concesso finora dalla giurisprudenza è pertanto infondata.
7.
I ricorrenti obiettano che la giurisprudenza è criticata dalla dottrina e non è più attuale, essendo stata "principalmente la conseguenza della massiccia immigrazione (allora soprattutto di italiani) che il nostro Paese ha conosciuto negli anni '60, ciò che aveva posto in modo molto importante la necessità di garantire una corretta integrazione degli stranieri".
Le sentenze che hanno avuto per oggetto la libertà di lingua nell'insegnamento sono relativamente poche e riguardano più che altro i rapporti tra le lingue nazionali. Abbondano invece i pareri dottrinali, a volte effettivamente molto critici verso la giurisprudenza. Essi non sono tuttavia così unanimi come espongono i ricorrenti.
In breve, tra coloro che hanno valutato anche l'influenza delle lingue d'immigrazione, non solo i rapporti tra le lingue nazionali, v'è d'un canto chi mette in dubbio la necessità di promuovere l'assimilazione nelle relazioni tra privati, arrivando quindi a negare l'esistenza di un interesse pubblico a sostegno delle minoranze linguistiche nell'insegnamento privato (CHARLES-ALBERT MORAND, Liberté de la langue et principe de territorialité. Variations sur un thème encore méconnu, ZSR 112/1993 I pag. 11 segg., in particolare 23-24); e chi dissente dall'applicazione rigida del principio di territorialità o s'interroga sull'opportunità di contrapporre tale principio alla libertà di lingua (MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4
a
ed. 2008, pag. 292 segg., in particolare 296 segg.; MARCO BORGHI, La liberté de la langue et ses limites, in: Verfassungsrecht der Schweiz, Thürer/Aubert/Müller [ed.],2001, pag. 607 segg., in particolare 613- 615; GIORGIO MALINVERNI, in: Commentaire de la Constitution fédérale, Aubert e altri [ed.], 1995, n. 23 segg. ad
art. 116 vCost.
). Dall'altro v'è chi condivide invece la preoccupazione che il moltiplicarsi di scuole private di lingue straniere possa ostacolare l'assimilazione e giustificare perciò in forza del principio di territorialità misure atte a proteggere una comunità linguistica indigena dalle conseguenze
BGE 138 I 123 S. 128
negative dell'immigrazione esterna o interna (AUGUSTIN MACHERET, Le droit des langues, in: La nouvelle constitution fribourgoise, Revue fribourgeoise de jurisprudence [RFJ], numero speciale 2005, pag. 101 segg., in particolare 112 segg.).
8.
La particolarità del caso in esame, per rispetto alle fattispecie considerate finora dalla giurisprudenza, sta nel fatto ch'esso non è originato da una situazione conflittuale in un territorio bilingue né dall'uso di una lingua nazionale diversa da quella ufficiale. I ricorrenti ritengono che la loro bambina debba poter seguire l'insegnamento elementare in una lingua straniera, l'inglese, in un Cantone in cui la lingua ufficiale è solo l'italiano. Dal momento che, come si dirà, essi non rivendicano l'appartenenza a una minoranza linguistica nazionale o straniera, e neppure un'identità culturale specifica, le considerazioni in parte controverse sulla necessità o l'opportunità di assimilare le minoranze straniere per il tramite della lingua e sull'efficacia dei provvedimenti che i Cantoni possono adottare in tale senso passano in secondo piano. La soluzione va invece cercata nel raffronto tra l'interesse pubblico del Cantone Ticino alla scolarizzazione in lingua italiana e quello privato dei ricorrenti.
8.1
L'italiano, in Svizzera, non è una lingua in pericolo d'estinzione. È però assai minoritaria: lo parla come lingua principale solo il 6,46 % della popolazione residente. La lingua italiana, in Ticino, è tuttavia minacciata da un forte inforestierimento: basti pensare che il 16,9 % della popolazione residente nel Cantone usa un'altra lingua principale. Circa la metà (49,33 %) dei residenti di lingua straniera è germanofona. Riferita al totale della popolazione ticinese, la percentuale dei residenti che usa il tedesco come lingua principale è dell'8,3 % (fonte dei dati: Ufficio federale di statistica, censimento della popolazione 2000).
Il Tribunale cantonale amministrativo ha rilevato con ragione che il legislatore federale, consapevole di questa situazione, ha predisposto degli aiuti finanziari specifici a salvaguardia e promozione della lingua e della cultura italiane, in esecuzione del mandato costituzionale conferitogli dagli
art. 4, 18 e 70 Cost.
(art. 22 della legge federale sulle lingue del 5 ottobre 2007 e art. 22 segg. della relativa ordinanza [RS 441.1, risp. 441.11]).
8.2
La necessità di proteggere la lingua italiana sul territorio svizzero dal diffondersi del tedesco è stata percepita, a livello federale, fin dalla prima metà del secolo scorso, allorquando un progetto
BGE 138 I 123 S. 129
costituzionale, poi abbandonato, prevedeva una sorta di statuto speciale per il Ticino, vietando in particolare la creazione di scuole di lingua tedesca (BARBARA WILSON, La liberté de la langue des minorités dans l'enseignement, 1999, pag. 382).
La legislazione ticinese attuale sulla scuola recepisce quelle preoccupazioni. Ha fondamento nell'
art. 1 Cost./TI
, che fa del Cantone Ticino una "repubblica democratica di cultura e lingua italiane" e ancora quindi alla Costituzione il principio di territorialità della lingua. Gli art. 80 della legge della scuola e 73 del regolamento perseguono perciò due obiettivi: oltre a promuovere l'integrazione delle persone di lingua materna diversa da quella ufficiale, l'imposizione dell'insegnamento in italiano nella scuola dell'obbligo è una misura di salvaguardia dell'italianità, uno strumento di difesa da contrapporre al grande numero di residenti di lingua straniera, in particolare di germanofoni (WILSON, op. cit., pag. 385-387).
8.3
Nel contesto demografico suddetto, le norme scolastiche ticinesi sono pertanto sorrette da un interesse pubblico intenso, anche se in parte diverso da quello individuato dal Tribunale cantonale amministrativo. La scuola dell'obbligo è indubbiamente un vettore importante dell'identità culturale e linguistica di un territorio (a tal riguardo, cfr. peraltro anche la già citata
DTF 91 I 480
consid. 2 pag. 486 segg.).
8.4
I ricorrenti affermano di avere la nazionalità italiana e svizzera e di essere di lingua madre italiana e inglese. Precisano di conoscere perfettamente l'italiano e spiegano che la figlia "in considerazione delle relazioni sociali proprie e della sua famiglia e delle possibilità di un trasferimento all'estero, ha la necessità di padroneggiare la lingua inglese"; lingua che è d'altronde "sempre più importante e fondamentale nel contesto internazionale globale", come attesterebbe anche il ruolo attribuitole nel concordato HarmoS.
I ricorrenti, quindi, non rivendicano un'identità culturale specifica diversa da quella italiana, né spiegano in altro modo le origini del loro bilinguismo, in particolare dell'uso dell'inglese in famiglia. Sui motivi per i quali hanno deciso che la loro bambina debba essere istruita in questa lingua le loro argomentazioni sono generiche; alludono infatti, ma senza indicazioni concrete, alle relazioni sociali della famiglia e all'ipotesi di un trasferimento all'estero, oltre che all'importanza dell'inglese nella comunicazione internazionale. I ricorrenti sembrano in definitiva prevalersi del diritto in sé di usare
BGE 138 I 123 S. 130
una lingua diversa dall'italiano; considerano infatti che la loro decisione concernente la scolarizzazione della figlia proceda da una "precisa e libera scelta che non può essere sindacata dal Tribunale cantonale amministrativo".
8.5
La motivazione surriferita, che sta alla base della scelta dei ricorrenti di privilegiare l'inglese nell'educazione della figlia, non attesta l'esistenza di interessi privati tali da mettere in secondo piano le misure predisposte dal legislatore ticinese nell'ambito scolastico a difesa della lingua italiana. Se ne deve concludere che, nelle circostanze del caso specifico, l'interesse pubblico teso alla difesa dell'italianità prevale su quello privato dei ricorrenti. L'italianità nel Cantone Ticino non è messa in pericolo dai residenti che parlano inglese ma, posta la necessità di contenere l'inforestierimento linguistico del quale s'è detto, la lingua ufficiale del territorio va protetta nei confronti di tutti gli idiomi stranieri. Sarebbe del resto discutibile, sotto il profilo della parità di trattamento, permettere l'insegnamento scolastico obbligatorio in talune lingue e non in altre, a seconda dell'importanza numerica dei residenti che le parlano. | public_law | nan | it | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a39b8be7-ce6e-4c30-8838-a0ce529e82b3 | Urteilskopf
125 IV 58
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. März 1999 i. S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und B. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
und
Art. 189 Abs. 1 StGB
; sexuelle Handlungen mit Kindern und sexuelle Nötigung; Küsse.
Bei der inhaltlichen Bestimmung der sexuellen Handlungen mit Kindern ist grundsätzlich von der Rechtsprechung zu Art. 191 Ziff. 2 aStGB auszugehen und diese nach den Zielen der Revision neu zu gewichten (E. 3a).
Übliche Küsse und Umarmungen stellen in der Regel keine sexuellen Handlungen dar, wohl aber Zungenküsse von Erwachsenen an Kindern (E. 3b).
Eine aufgezwungene Küsserei eines Kindes in einer minutenlangen, unfreiwilligen, pressenden Umarmung bzw. Umfassung des Gesässes ist eine sexuelle Handlung und erfüllt zugleich den Tatbestand der sexuellen Nötigung (E. 2c und 3c). | Sachverhalt
ab Seite 59
BGE 125 IV 58 S. 59
A. (Jahrgang 1963) arbeitete am 6. Januar 1996 in einem Kebab-Stand in Zürich. Daran ging um 16.15 Uhr die ihm unbekannte B. (Jahrgang 1985) vorbei. Er winkte das Mädchen herbei, forderte es auf, in die von der Strasse kaum einsehbaren hinteren Geschäftsräumlichkeiten zu kommen, und gab ihm Schokolade. Als es ihm zum Dank die Hand reichte, ergriff er das Mädchen, zog es an sich, umschlang dessen Oberkörper mit den Armen und presste es längere Zeit an sich, ergriff mit beiden Händen sein Gesicht, hob es zu sich hoch und küsste es mehrmals auf den Mund. Dann lockerte er den Griff, worauf das Mädchen etwas Abstand nehmen konnte. Als es ihm zum Abschied die Hand reichte, zog er es wieder an sich, küsste es mehrmals auf den Mund, wobei ein Zungenkuss an den aufeinander gepressten Lippen des Mädchens scheiterte, umfasste es mit beiden Händen über den Kleidern am Gesäss und drückte es immer wieder fest an sich. Er forderte das Mädchen auf, ihn zu umfassen und fest an sich zu drücken. Dieses war jeweilen wie gelähmt. Schliesslich liess er es gehen, nachdem es immer wieder gesagt hatte, es müsse nach Hause.
Im Berufungsverfahren bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 3. Juli 1997 das Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Januar 1997 und verurteilte A. wegen sexueller Handlungen mit Kindern (
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
) und sexueller Nötigung (
Art. 189 Abs. 1 StGB
) zu 5 Monaten Gefängnis bedingt (abzüglich 10 Tage Untersuchungshaft) und zur Zahlung von Fr. 1'000.-- Genugtuung an B.
A. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
BGE 125 IV 58 S. 60
Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Vorinstanz kam in eingehender Würdigung zum Ergebnis, der Anklagesachverhalt sei erstellt und für ein Glaubwürdigkeitsgutachten bestehe kein Anlass; die rechtliche Würdigung durch die Bezirksanwaltschaft und die Erstinstanz sei zutreffend und im Berufungsverfahren unangefochten geblieben; es sei auf die überzeugenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil zu verweisen.
b) Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht geltend, die Qualifizierung seines Verhaltens als sexuelle Handlung im Sinne von
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 und
Art. 189 Abs. 1 StGB
verletze Bundesrecht. Sexuelle Handlungen beträfen nur Verhaltensweisen, die sich äusserlich eindeutig als geschlechtsbezogen darstellten und die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes gefährdeten. Die Handlung an sich müsse den Bezug zur Sexualität aufweisen. Die vorgeworfenen Handlungen dürften eher unter die Kategorie der allenfalls deplatzierten, aber leichteren Entgleisungen ohne sexuellen Hintergrund fallen und nach dem äusseren Erscheinungsbild keinen sexuellen Bezug aufweisen.
c) Damit bestreitet der Beschwerdeführer den sexuellen Charakter des angeklagten Verhaltens, nicht hingegen ein nötigendes Verhalten. Dies zu Recht nicht: Presst nämlich ein Erwachsener ein zehnjähriges Mädchen stark an sich, so kann es sich angesichts des ungleichen Kräfteverhältnisses nicht entziehen und muss das Handeln dulden. Deshalb käme jedenfalls ein Schuldspruch wegen Nötigung im Sinne von
Art. 181 StGB
in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer sexuellen Nötigung verneint werden müssten.
Wie sich nachfolgend ergibt, ist die Beschwerde indessen abzuweisen. Bei diesem Ausgang kann offen bleiben, inwieweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht die rechtliche Qualifikation seines Verhaltens in Frage stellen kann, nachdem er diese vorinstanzlich nicht angefochten hat.
d) Die Erstinstanz begründete den Schuldspruch der sexuellen Handlungen mit Kindern damit, die Handlungen hätten sich auf erogene Körperteile wie Lippen und Gesäss bezogen. Es könne auch nicht von einem blossen «Betätscheln» des Gesässes oder einer bloss flüchtigen Berührung anderer erogener Zonen gesprochen werden; denn der Beschwerdeführer habe das Kind immer wieder fest an sich
BGE 125 IV 58 S. 61
gezogen und dabei dessen Gesäss über längere Zeit fest gehalten. Zudem habe er es mehrmals auf den Mund geküsst und sogar versucht, ihm einen Zungenkuss zu geben. Verhalte sich eine erwachsene Person gegenüber einem Kind in dieser Weise, so geschehe dies ohne Zweifel aus sexuellen Motiven. Ein solches Verhalten gehe weit über den Ausdruck von Freude und Zuneigung einem Kind gegenüber hinaus, um so mehr, als es sich um ein völlig fremdes Kind gehandelt habe. Die Handlungen, die klar auf die Erregung oder Befriedigung geschlechtlicher Lust gezielt hätten, seien als sexuelle Handlungen zu qualifizieren. Sie seien überdies geeignet gewesen, die sexuelle Entwicklung eines zehnjährigen Mädchens zu gefährden. Die Reaktion des Mädchens auf das Erlebte - es sei ihm schlecht geworden, es habe weiche Knie gehabt und nicht einschlafen können - zeige, dass der Vorfall das Mädchen stark getroffen habe.
3.
Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft (
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
).
a) Die Revision des Sexualstrafrechts strebte eine behutsame Liberalisierung an. Sexuelles Verhalten soll danach nur strafbar sein, wenn es einen andern schädigt oder schädigen könnte, wenn ein Partner in ein solches Verhalten nicht in verantwortlicher Weise einwilligen kann oder wenn jemand davor bewahrt werden soll, sexuelle Handlungen gegen seinen Willen wahrzunehmen (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes vom 26. Juni 1985, BBl 1985 II 1009 ff., 1012, 1064).
Art. 187 StGB
trat in der Revision an die Stelle des Art. 191 aStGB und ersetzte den altrechtlichen Ausdruck unzüchtige Handlung durch den Begriff der sexuellen Handlung. Als unzüchtig galt ein Verhalten, das das durchschnittliche sittliche Empfinden in nicht leicht zu nehmender Weise verletzt. Wann das der Fall war, entschied sich nach den Umständen des Einzelfalls und hing insbesondere von den persönlichen Beziehungen der Beteiligten ab (
BGE 104 IV 88
E. 3 und 4;
BGE 78 IV 161
E. 1). Das neue Recht bestraft nicht mehr Handlungen gegen die Sittlichkeit, sondern gegen die sexuelle Integrität. Bei
Art. 187 StGB
tritt zusätzlich der Jugendschutz in den Vordergrund (
BGE 120 IV 6
E. 2c/aa).
Bei der inhaltlichen Bestimmung der sexuellen Handlungen mit Kindern ist grundsätzlich von der Rechtsprechung zu Art. 191 Ziff. 2 aStGB auszugehen und diese unter dem Gesichtspunkt der
BGE 125 IV 58 S. 62
Revisionsziele neu zu gewichten, nämlich des Schutzes der Jugend und der sexuellen Selbstbestimmung vor dem Hintergrund des Persönlichkeitsrechts auf sexuelle Integrität.
b) Sexuelle Handlungen lassen sich nach der Eindeutigkeit ihres Sexualbezugs abgrenzen. Keine sexuellen Handlungen sind Verhaltensweisen, die nach ihrem äusseren Erscheinungsbild keinen unmittelbaren sexuellen Bezug aufweisen. Als sexuelle Handlungen im Sinne von
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
gelten hingegen Verhaltensweisen, die für den Aussenstehenden nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen sind. Bei dieser objektiven Betrachtungsweise bleiben das subjektive Empfinden, die Motive oder die Bedeutung, die das Verhalten für den Täter oder das Opfer hat, ausser Betracht. Eindeutig sexualbezogene Handlungen erfüllen stets den objektiven Tatbestand. Auf die Motive des Täters kommt es nicht an (vgl. JENNY, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Bern 1997, Art. 187 N. 12 ff.; REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 7. Auflage, S. 380 f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage, Bern 1995, § 7 N. 10, 11; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 187 N. 5; HANGARTNER, Selbstbestimmung im Sexualbereich - Art. 188 bis 193 StGB, Diss. St. Gallen 1997, S. 52; PHILIPP MAIER, Die Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, Diss. Zürich 1994, S. 276; zum deutschen Recht SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, Strafgesetzbuch, 25. Auflage, § 184c N. 6, 8, sowie HORN, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, 6. Auflage, § 184c N. 2).
Schwierigkeiten bietet dagegen die dritte Gruppe der sogenannten ambivalenten Handlungen, die weder äusserlich neutral noch eindeutig sexualbezogen erscheinen. Nach HANGARTNER verzichtet die herrschende Lehre auch bei dieser Gruppe auf ein subjektives Element, während eine Minderheit in Zweifelsfällen auf die Motivation des Täters zurückgreife (a.a.O., S. 54 mit Nachweisen). Während HANGARTNER (a.a.O., S. 56) und HORN (a.a.O.) bei ambivalenten Handlungen mangels eindeutiger äusserer Erkennbarkeit eine sexuelle Handlung verneinen und JENNY (a.a.O., N. 14) zum Ergebnis gelangt, dass die verbleibenden Zweifelsfälle an der Grenze des Strafbedürftigen liegend als unerheblich ausscheiden sollten, nimmt STRATENWERTH (a.a.O., N. 12) an, am Rückgriff auf die Motivation des Täters scheine gelegentlich kein Weg vorbei zu führen.
Nach den Revisionszielen kann sich der Begriff der sexuellen Handlung nur auf Verhaltensweisen erstrecken, die im Hinblick auf
BGE 125 IV 58 S. 63
das geschützte Rechtsgut erheblich sind (JENNY, a.a.O., N. 16; STRATENWERTH, a.a.O., N. 12 [das Unerhebliche solle ausscheiden]; TRECHSEL, a.a.O., N. 6). Wie JENNY (a.a.O.) ausführt, können geringfügige Entgleisungen die sexuelle Entwicklung schwerlich gefährden und bietet bei aufgedrängten Annäherungen der Tatbestand der sexuellen Belästigung (
Art. 198 StGB
) einen weitergehenden Schutz. Das bloss Unanständige, Unangebrachte, Anstössige, Geschmacklose, Unschamhafte, Widerwärtige soll aus dem Strafbaren ausscheiden (HORN, a.a.O., N. 12). In Zweifelsfällen wird man indessen nach den Umständen des Einzelfalls die Erheblichkeit auch relativ bestimmen müssen, so etwa nach dem Alter des Opfers oder dem Altersunterschied zum Täter (JENNY, a.a.O.).
Dies gilt insbesondere bei der Beurteilung des sexuellen Charakters von Küssen. Während das Küssen auf Mund, Wangen usw. in der Regel keine sexuelle Handlung darstellt, werden Zungenküsse von Erwachsenen an Kindern als sexuelle Handlung qualifiziert (vgl.
BGE 76 IV 275
;
BGE 91 IV 70
;
BGE 92 IV 7
;
BGE 99 IV 156
; HANGARTNER, a.a.O., S. 57, und MAIER, a.a.O., S. 284; ferner BGH 18, S. 169 und NStZ 1998, S. 357, HORN, a.a.O., N. 6 [regelmässig nicht «übliche Küsse und Umarmungen»], SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, a.a.O., N. 16; a.A. JENNY, a.a.O., N. 16 unter Vorbehalt von Zweifelsfällen und mit weiteren Hinweisen, sowie REHBERG/SCHMID, a.a.O., S. 381).
c) Vorliegend rief der knapp 33-jährige Beschwerdeführer das gut 10-jährige, ihm völlig unbekannte Mädchen in die hinteren Geschäftsräumlichkeiten, gab ihm Schokolade, umschlang es dann mit seinen Armen, hob es hoch, presste es längere Zeit und immer wieder fest an sich, wobei er es auch mit beiden Händen am Gesäss fasste, es wiederholt mehrmals auf den Mund küsste und dabei auch den Zungenkuss versuchte. Es kann daher weder von flüchtigen Berührungen oder geringfügigen Entgleisungen gesprochen werden noch von «üblichen Küssen und Umarmungen», wie sie in Familien- und Freundschaftskreisen gepflegt werden mögen. Wie das Bezirksgericht ausführte, geht das angeklagte Verhalten gerade auch angesichts der Tatsache, dass das Mädchen dem Beschwerdeführer völlig unbekannt war, weit über den Ausdruck von Freude und Zuneigung einem Kind gegenüber hinaus. Vielmehr handelte es sich um eine aufgezwungene Küsserei in einer minutenlangen, unfreiwilligen, pressenden Umarmung bzw. Umfassung des Gesässes. In diesem Zusammenhang schliesst der am Widerstand des Mädchens letztlich gescheiterte Zungenkuss jede Einordnung unter die Gruppe der ambivalenten Verhaltensweisen aus und lässt sie für den Aussenstehenden
BGE 125 IV 58 S. 64
nach ihrem äusseren Erscheinungsbild eindeutig sexualbezogen erscheinen. Dieses Erscheinungsbild wird zudem geprägt durch das Kindesalter des Mädchens und die Altersdifferenz zum Täter, die Dauer und Intensität des Vorgehens und den Rückzug in die hinteren Räumlichkeiten.
Solche Handlungen greifen eindeutig in die sexuelle Integrität eines Mädchens ein. Die mit der Revision des Sexualstrafrechts angestrebte behutsame Liberalisierung strebte in keiner Weise an, den strafrechtlichen Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung durch Erwachsene zu relativieren (
BGE 120 IV 6
E. 2c/bb). Der Beschwerdeführer wurde deshalb zu Recht der sexuellen Handlungen mit Kindern (
Art. 187 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
) und der sexuellen Nötigung (
Art. 189 Abs. 1 StGB
) schuldig gesprochen. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a3a153a9-80eb-484f-880f-4fcc204989fe | Urteilskopf
94 I 74
13. Arrêt de la Ie Cour civile du 2 février 1968 dans la cause Bozic contre Bureau fédéral de la propriété intellectuelle. | Regeste
Markenrecht.
Schutzverweigerung gegenüber internationaler Marke wegen Fehlens jeder Unterscheidungskraft.
Art. 5 Abs. 1 Madrider Abkommen (Fassung von Nizza, 1957; Art. 6 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon, 1958);
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
. | Sachverhalt
ab Seite 75
BGE 94 I 74 S. 75
A.-
Ljubisca Bozic est titulaire de la marque "Ecole internationale d'Esthéticiennes-Visagistes" enregistrée en Belgique sous numéro 109978 pour les produits suivants: "Livres, périodiques, cours, brochures et autres imprimés; articles de papeterie et matériel didactique; articles pour les soins du corps, les soins de beauté, le massage et la culture physique; produits de parfumerie, de toilette et d'hygiène; tous articles concernant l'esthétique et la cosmétologie". Conformément à l'Arrangement de Madrid concernant l'enregistrement international des marques de fabrique et de commerce, il l'a déposée au Bureau international pour la protection de la propriété industrielle qui l'a enregistrée le 14 décembre 1966 sous numéro 330813.
Par décision du 20 octobre 1967, le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle a refusé la protection de cette marque en Suisse. A son avis, elle est dépourvue de tout caractère distinctif.
B.-
Le Bureau international a transmis cette décision à Bozic le 8 novembre 1967. Par lettre du 18 novembre 1967, rédigée à Bruxelles, celui-ci a introduit contre elle un recours de droit administratif. Adressée au "Tribunal de et à Lausanne", sa lettre a été remise à la poste en Suisse le 8 décembre à l'adresse du Tribunal fédéral.
Dans son recours, Bozic conclut à ce que la protection de sa marque lui soit accordée.
Le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'Arrangement de Madrid concernant l'enregistrement international des marques de fabrique ou de commerce, tel qu'il fut revisé à Nice le 15 juin 1957, est entré en vigueur pour
BGE 94 I 74 S. 76
la Belgique et la Suisse le 15 décembre 1966 (La Propriété industrielle, 1968, p. 10). En vertu de l'art. 5 al. 1 dudit Arrangement, le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle ne peut refuser l'enregistrement d'une marque belge enregistrée au Bureau international que dans les conditions qui s'appliqueraient, en vertu de la Convention de Paris pour la protection de la propriété industrielle, à une marque déposée à l'enregistrement national. Le nouveau texte de cette convention, adopté à Lisbonne le 31 octobre 1958, a été ratifié par la Suisse avec effet au 17 février 1963 et par la Belgique avec effet au 21 août 1965 (La Propriété industrielle, 1966, p. 5 sv.). Il prévoit à l'art. 6 al. 1 que les conditions de dépôt et d'enregistrement des marques de fabrique ou de commerce sont déterminées dans chaque pays de l'Union par sa législation nationale.
2.
Aux termes de l'art. 14 al. 1 ch. 2 LMF, l'enregistrement d'une marque doit être refusé lorsqu'elle comprend comme élément essentiel un signe devant être considéré comme étant du domaine public. Tel est le cas du signe purement descriptif. Revêt ce caractère le signe qui indique par lui-même, notamment, la nature ou l'une des qualités de la marchandise à laquelle il se rapporte (RO 83 II 218, 84 II 225 et 431).
Le recourant admet que sa marque est composée de termes usuels. Mais il soutient que, pris dans leur ensemble, ils présentent une originalité incontestable. Cet argument n'est pas fondé. L'expression "Ecole internationale d'esthéticiennes-visagistes" comprend des mots qui se suivent dans leur ordre logique. On ne saurait discerner aucune originalité dans leur groupement. Elle désigne simplement un établissement international pour la formation d'esthéticiennes-visagistes. Appliquée aux divers objets dont le recourant a présenté la liste, elle éveille par elle-même l'idée de la nature des produits ou du contenu des imprimés relatifs à l'esthétique ou à la cosmétique. Elle constitue dès lors un signe purement descriptif, dépourvu de tout caractère distinctif.
Le recourant allègue encore que sa marque est connue en Belgique et à l'étranger et qu'elle a acquis, par un usage de plusieurs années, une réputation incontestable qui en accentue le caractère distinctif. La marque du recourant, on l'a vu, est un signe purement descriptif. Cependant, selon la jurisprudence, un usage étendu et de longue durée est de nature à conférer à un tel signe un caractère distinctif, à moins qu'il ne s'agisse
BGE 94 I 74 S. 77
de notions dont le commerce ne peut se passer (RO 84 II 226). Cette question toutefois n'a pas à être résolue en l'espèce. Le recourant en effet ne fournit aucun élément qui puisse étayer ses dires.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral,
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a3a253a8-f1ae-489e-8989-df3f96bf2f5c | Urteilskopf
120 V 134
18. Auszug aus dem Urteil vom 2. Mai 1994 i.S. C. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 84 Abs. 2 Satz 2 UVG
, Art. 86 Abs. 1 lit. a,
Art. 87 Abs. 1 und 2 VUV
: Verhältnis zwischen Übergangsentschädigung und Invalidenrente.
Der Bezüger einer Teilinvalidenrente kann im Rahmen der ihm verbliebenen Resterwerbsfähigkeit zufolge einer gegen ihn gerichteten Nichteignungsverfügung in seinem beruflichen Fortkommen auf dem Arbeitsmarkt erheblich beeinträchtigt sein und somit - vorbehältlich der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - einen zusätzlichen Anspruch auf Übergangsentschädigung begründen. | Sachverhalt
ab Seite 134
BGE 120 V 134 S. 134
A.-
Nach Durchführung lungenärztlicher, arbeitsmedizinischer und erwerblicher Abklärungen sprach die SUVA C. mit Verfügung vom 23. September 1991, unter Ablösung der bisherigen 15%igen Invalidenrente, ab 1. September 1991 neu eine solche auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 35% zu. Überdies verneinte sie mit Verfügung vom 1. Oktober 1991 einen über Ende August 1991 hinausreichenden Anspruch des Versicherten auf Übergangsleistungen. Die gegen beide letztgenannten Verfügungen erhobene Einsprache wies die Anstalt ab (Einspracheentscheid vom 21. Februar 1992).
B.-
In teilweiser Gutheissung der dagegen eingereichten Beschwerde stellte das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 23. November
BGE 120 V 134 S. 135
1992 fest, dass C. ab 1. September 1991 Anspruch auf eine 40%ige Invalidenrente hat; soweit mit der Beschwerde eine höhere Rente, die Weiterausrichtung der Übergangsentschädigung über den 31. August 1991 hinaus, eine Integritätsentschädigung sowie die Zusprechung von Leistungen wegen Rückenbeschwerden unter dem Titel einer Berufskrankheit geltend gemacht worden war, wurde sie abgewiesen.
C.-
C. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, die SUVA sei zu verpflichten, ihm zusätzlich zur Invalidenrente eine Übergangsentschädigung auszurichten; eventuell sei ihm eine höhere Rente zuzusprechen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Führt ein versichertes Ereignis, namentlich ein Berufsunfall und/oder eine Berufskrankheit (
Art. 6 Abs. 1 UVG
), zu einer Invalidität im Sinne von
Art. 18 Abs. 2 UVG
, so hat der Versicherte Anspruch auf eine Invalidenrente (
Art. 18 Abs. 1 UVG
). Dabei handelt es sich offensichtlich um eine Versicherungsleistung (vgl. die systematische Einordnung der Art. 18 ff. über die Invalidenrente unter dem Dritten Titel des Gesetzes ["Versicherungsleistungen";
Art. 10-52 UVG
]). Der Invalidenrentenanspruch entsteht, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr erwartet werden kann und allfällige Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind. Mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und die Taggeldleistungen dahin (Art. 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UVG).
b) Gemäss
Art. 84 Abs. 1 UVG
können die Durchführungsorgane nach Anhören des Arbeitgebers und der unmittelbar betroffenen Versicherten bestimmte Massnahmen zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten anordnen (Satz 1). In diesem Rahmen können die Durchführungsorgane Versicherte, die hinsichtlich Berufsunfällen oder Berufskrankheiten durch bestimmte Arbeiten besonders gefährdet sind, von diesen Arbeiten ausschliessen (
Art. 84 Abs. 2 Satz 1 UVG
). Gemäss Satz 2 dieser Bestimmung ordnet der Bundesrat die Entschädigung für Versicherte, die durch den Ausschluss von ihrer
BGE 120 V 134 S. 136
bisherigen Arbeit im Fortkommen erheblich beeinträchtigt sind und keinen Anspruch auf andere Versicherungsleistungen haben.
Gestützt auf diese Bestimmungen hat der Bundesrat in den Art. 82 ff. der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV) vom 19. Dezember 1983 die Ansprüche des Arbeitnehmers geordnet, welcher von einer befristeten oder dauernden (definitiven) Nichteignungsverfügung betroffen ist. Zu dessen Ansprüchen gehören die persönliche Beratung (
Art. 82 VUV
), das Übergangstaggeld (
Art. 83-85 VUV
), welches, betraglich dem vollen gewöhnlichen Taggeld des
Art. 17 Abs. 1 UVG
entsprechend, während höchstens vier Monaten entrichtet wird (
Art. 84 VUV
), und schliesslich die Übergangsentschädigung gemäss den
Art. 86-88 VUV
. Diese kann, unter den in
Art. 86 VUV
normierten Voraussetzungen, welche hier nicht zur Diskussion stehen, während höchstens vier Jahren ausgerichtet werden (
Art. 87 Abs. 3 VUV
). Dabei beträgt die Übergangsentschädigung 80% der Lohneinbusse, die der Arbeitnehmer wegen des befristeten oder dauernden Ausschlusses von der ihn gefährdenden Arbeit oder infolge der Verfügung auf bedingte Eignung auf dem Arbeitsmarkt erleidet; als Lohn gilt der versicherte Verdienst nach
Art. 15 UVG
(
Art. 87 Abs. 1 VUV
). Erhält ein Arbeitnehmer, dem eine Übergangsentschädigung zugesprochen wurde, später Taggelder oder eine Rente für die Folgen eines Berufsunfalls oder einer Berufskrankheit, die mit der in der Verfügung bezeichneten Arbeit zusammenhängt, so kann die Übergangsentschädigung laut
Art. 87 Abs. 2 VUV
an diese Leistungen ganz oder teilweise angerechnet werden.
Trifft das Übergangstaggeld oder die Übergangsentschädigung mit anderen (d.h. nicht vom zuständigen Unfallversicherer erbrachten) Sozialversicherungsleistungen zusammen, so kommt die Kürzungsregelung gemäss
Art. 40 UVG
zum Zuge (
Art. 89 Abs. 1 VUV
), ferner, bei Erfüllung der in
Art. 89 Abs. 2 lit. a-c VUV
normierten Voraussetzungen, welche hier ebenfalls sachlich nicht von Bedeutung sind, die Kürzungsregelung gemäss
Art. 37 Abs. 1 und 2 UVG
.
4.
a) Im Lichte dieser gesetzlichen Bestimmungen ist vorliegend einzig zu prüfen, ob die SUVA dem Beschwerdeführer den Anspruch auf weitergehende Übergangsentschädigung über den 31. August 1991 hinaus deshalb ablehnen durfte, weil sie ihm mit Wirkung ab 1. September 1991 eine neu 35%ige Invalidenrente zusprach. Ist dies zu bejahen, so erweist sich die
BGE 120 V 134 S. 137
entsprechende vorinstanzlich bestätigte Ablehnung als Rechtens. Ist diese Frage jedoch zu verneinen, so müsste die Sache diesbezüglich unter Aufhebung von vorinstanzlichem und Einspracheentscheid an die SUVA zurückgewiesen werden, damit diese die materiellen Voraussetzungen auf Übergangsentschädigung in der Zeit ab 1. September 1991 prüfe, gegebenenfalls die Übergangsentschädigung bemesse und sie, unter Berücksichtigung der dargelegten Kürzungsvorschriften, verfügungsweise festlege.
b) Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid erwogen, gegen die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Kumulation von Übergangsentschädigung und Invalidenrente aufgrund einer Berufskrankheit spreche bereits der Wortlaut von
Art. 84 Abs. 2 Satz 2 UVG
. Danach sei die Übergangsentschädigung nur für Versicherte bestimmt, die keinen Anspruch auf andere Versicherungsleistungen hätten. Dasselbe ergebe sich aus Sinn und Zweck der beiden Leistungsarten. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in EVGE 1967 S. 206 f. festgehalten habe, solle dem Versicherten mit der Übergangsentschädigung der Wechsel von der ihn gefährdenden Arbeit auf eine neue geeignete Tätigkeit und die Erlangung der für die Wiedereingliederung erforderlichen Fertigkeiten erleichtert werden. Demnach sei die Übergangsentschädigung vergleichbar mit den von der Invalidenversicherung während der Eingliederung ausgerichteten Taggeldleistungen nach
Art. 22 IVG
. Im Unterschied zu diesen setze sie aber - auch nach der Lehrmeinung von MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 594 FN 1517a - weder Arbeitsunfähigkeit noch Invalidität voraus. Dadurch unterscheide sich die Übergangsentschädigung auch von der Invalidenrente gemäss den
Art. 18 ff. UVG
. Die Zusprechung einer Invalidenrente setze praxisgemäss (
BGE 115 V 133
Erw. 2 mit Hinweisen) stets eine unfall- oder berufskrankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit voraus. Mit einer Invalidenrente würden die dauernden oder voraussichtlich für längere Zeit bestehenden erwerblichen Nachteile entschädigt, die der Versicherte zufolge seiner Arbeitsunfähigkeit auf dem gesamten für ihn in Betracht fallenden Arbeitsmarkt erleide. Demgegenüber werde mit der Übergangsentschädigung bloss eine vorübergehende Lohneinbusse ausgeglichen, die der Versicherte durch die erzwungene Aufgabe einer konkreten, gesundheitsgefährdenden Arbeit erleide. Die völlig verschiedene Zwecksetzung der beiden Leistungsarten und die unterschiedliche Art des damit abgegoltenen Schadens verbiete grundsätzlich eine Kumulation von Übergangsentschädigung und Invalidenrente sowohl in sachlicher wie in
BGE 120 V 134 S. 138
zeitlicher Hinsicht. Gerade eine solche Kumulation wolle die Koordinationsbestimmung von
Art. 87 Abs. 2 VUV
vermeiden, falls hinsichtlich einer Zeitspanne, für welche bereits eine Übergangsentschädigung zugesprochen worden sei, später auch noch eine Rente für eine berufskrankheitsbedingte Invalidität gewährt werde. Mit der genannten Verordnungsbestimmung solle eine Überversicherung verhindert werden für den Fall, dass ex post eine berufskrankheitsbedingte (dauernde) Invalidität auch für einen Zeitraum festgestellt werde, für den dies ex ante betrachtet nicht angenommen, sondern mit Bezug auf welchen vielmehr vorerst nur von einer vorübergehenden - durch eine Übergangsentschädigung zu entgeltenden - erwerblichen Beeinträchtigung des Versicherten zufolge Ausschlusses von einer ihn gefährdenden Arbeit ausgegangen worden sei.
Die beschwerdebeklagte SUVA schliesst sich in ihrer Vernehmlassung im wesentlichen der vom kantonalen Gericht vertretenen Auffassung an.
c) Das Herausstellen der unterschiedlichen Zwecke der beiden in Frage stehenden Leistungsarten und die Argumentation mit dem Wortlaut von
Art. 84 Abs. 2 Satz 2 UVG
vermögen indessen vorliegend nicht zu überzeugen.
aa) Unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer weder aufgrund der Folgen des versicherten Unfalles vom 10. August 1981 (operativ sanierter Abriss der Bizepssehne) noch zufolge der chronischen asthmoiden Bronchitis, welche die SUVA als versicherte Berufskrankheit anerkannt hat, eine Teilinvalidenrente beanspruchen könnte, stünde ihm in dem durch
Art. 87 Abs. 3 VUV
eröffneten vierjährigen Leistungsbezugsrahmen unbestrittenermassen so lange eine Übergangsentschädigung zu, als die Folgen der definitiven Nichteignungsverfügung - die erhebliche Beeinträchtigung im beruflichen Fortkommen auf dem Arbeitsmarkt - andauern. Das bedeutete, dass ihm während einer Dauer von bis zu vier Jahren nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 VUV 80% der auf die Nichteignungsverfügung zurückzuführenden Lohneinbusse vergütet würde. Da laut Satz 2 der letztgenannten Verordnungsbestimmung als Lohn der versicherte Verdienst nach
Art. 15 UVG
gilt, entspräche die Übergangsentschädigung im Maximalfall dem Betrag der vollen Unfallinvalidenrente (80% des versicherten Verdienstes bei Vollinvalidität;
Art. 20 Abs. 1 UVG
).
bb) Indem nun die SUVA den Fall per 1. September 1991 abgeschlossen hat und in der Weise zur Berentung übergegangen ist, dass sie dem Versicherten ab
BGE 120 V 134 S. 139
diesem Zeitpunkt eine 35%ige Invalidenrente für die erwerblichen Folgen der versicherten Ereignisse zugesprochen hat, ist dies gleichbedeutend mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht über eine beträchtliche Resterwerbsfähigkeit im Umfange von 65% verfügt. Die Vorinstanz hat diese - mit der Anerkennung des Anspruchs auf eine 40%ige Invalidenrente, was zu bestätigen ist - im angefochtenen Entscheid auf 60% veranschlagt. Sowohl das kantonale Gericht als auch die SUVA übersehen, dass der Versicherte im Rahmen dieser ihm verbliebenen Erwerbsfähigkeit nach wie vor zufolge der definitiven Nichteignungsverfügung in seinem beruflichen Fortkommen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt sein kann. Das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument, die unterschiedlichen Ziele, welche mit der Übergangsentschädigung einerseits und der Ausrichtung einer Invalidenrente anderseits verfolgt würden, stünden einer Kumulation der beiden Leistungsarten entgegen, erweist sich als nicht stichhaltig. Gerade weil der Gegenstand von Unfallinvalidenrente und von unfallversicherungsrechtlicher Übergangsentschädigung verschieden ist, kann nicht angenommen werden, dass eine Teilinvalidenrente den Anspruch auf Übergangsentschädigung konsumiere. Denn bei richtiger Betrachtungsweise geht es - entgegen den Ausführungen von Vorinstanz und SUVA - nicht um eine Kumulation beider Leistungsarten. Es verhält sich nämlich nicht so, dass dem Beschwerdeführer für den gleichen Schaden Invalidenrente und (kumulativ) Übergangsentschädigung zuzusprechen wäre. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht eingewendet wird, stellt sich vielmehr die Frage nach einer sachgerechten Koordination der beiden Leistungsarten, welchen unterschiedliche leistungsbegründende Tatbestände, d.h. verschiedenartige Risiken, zugrunde liegen. Wenn und soweit ein Versicherter über eine ganze oder teilweise Erwerbsfähigkeit verfügt, steht ihm keine Invalidenrente zu Lasten des Unfallversicherers zu. In diesem Umfange bezieht er keine anderen Versicherungsleistungen im Sinne von
Art. 84 Abs. 2 Satz 2 UVG
. Damit verbietet es das UVG nicht, im Rahmen der verbliebenen Resterwerbsfähigkeit eine Übergangsentschädigung auszurichten. Angesichts des von der Vorinstanz zutreffenderweise auf 40% erhöhten Invalidenrentenanspruches kommt folglich die Zusprechung einer nach
Art. 87 Abs. 1 VUV
berechneten Übergangsentschädigung von maximal 60% des Betrages einer vollen Invalidenrente in Betracht (vgl. Erw. 4c/aa in fine hievor), dies ab 1. September 1991 während höchstens drei weiteren Jahren und unter
BGE 120 V 134 S. 140
der Voraussetzung, dass die Anspruchserfordernisse gemäss
Art. 86 VUV
weiterhin erfüllt sind. Zur Durchführung der notwendigen Abklärungen ist die Sache an die SUVA zurückzuweisen. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a3a43f36-1750-48ae-ac5b-c66eec450967 | Urteilskopf
104 II 249
41. Extrait de l'arrêt de la chambre de droit public du 27 septembre 1978 en la cause Dame X. et consorts contre Justice de paix du canton de Genève | Regeste
Art. 4 BV
;
Art. 576 und
Art. 580 ZGB
; Wiederherstellung der Frist für Begehren auf Erstellung eines öffentlichen Inventars.
Ist die Weigerung einer analogen Anwendung der Fristverlängerung und Wiederherstellung gemäss
Art. 576 ZGB
auf die Frist des
Art. 580 ZGB
willkürlich? Frage offen gelassen, da die kant. Instanz im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der Anwendung von
Art. 576 ZGB
ohne Willkür als nicht gegeben betrachten konnte. | Sachverhalt
ab Seite 249
BGE 104 II 249 S. 249
X., banquier, est décédé à Genève en 1974. Il a laissé pour héritières son épouse et ses filles. Un certificat d'hérédité a été délivré aux héritières par la Justice de paix de Genève le 19 novembre 1974. La succession consistait en divers avoirs bancaires, en un immeuble et des avoirs mobiliers.
Par requête du 19 août 1977, les héritières, en invoquant par analogie l'
art. 576 CC
, ont invité la Justice de paix de Genève à leur accorder un nouveau délai pour requérir le bénéfice d'inventaire.
BGE 104 II 249 S. 250
Elles ont exposé que le défunt était associé indéfiniment responsable d'une société en nom collectif exploitant une banque actuellement en liquidation et en sursis concordataire, et qu'à l'époque du décès elles n'avaient aucune raison de penser qu'elles pourraient ultérieurement encourir les conséquences d'une éventuelle responsabilité du défunt pour les dettes de la banque, de sorte qu'elles n'avaient pas jugé utile de requérir le bénéfice d'inventaire. Etant donné la situation actuelle de la banque, les créanciers de celle-ci pourraient les rechercher pour des dettes dont le défunt aurait pu être rendu responsable, circonstance qu'elles ne pouvaient prévoir lors de l'ouverture de la succession; elles seraient ainsi placées dans une situation infiniment plus dure que les héritiers d'associés récemment décédés qui ont pu solliciter un bénéfice d'inventaire en connaissance de cause.
Par ordonnance du 30 septembre 1977, le juge de paix a rejeté la demande.
Agissant par la voie du recours de droit public, les héritières requièrent l'annulation de la décision de la Justice de paix et demandent que cette autorité soit invitée à leur accorder un nouveau délai pour requérir le bénéfice d'inventaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
Aux termes de l'
art. 580 CC
, l'héritier qui a la faculté de répudier peut réclamer le bénéfice d'inventaire; il doit présenter sa demande à l'autorité compétente dans le délai d'un mois, les formes à observer étant celles de la répudiation. Cette disposition ne prévoit pas la possibilité pour l'autorité compétente de prolonger le délai précité ni de fixer à l'héritier un nouveau délai. En revanche, une fois l'inventaire clos, l'autorité compétente peut, dans certains cas, proroger le délai d'un mois imparti à chaque héritier pour prendre parti, si cette prorogation est justifiée par les circonstances (
art. 587 CC
). Par ailleurs, si la loi permet aux héritiers de répudier la succession dans un délai de trois mois (
art. 567 CC
), l'autorité compétente peut, pour de justes motifs, leur accorder une prolongation de délai ou leur fixer un nouveau délai pour déclarer leur répudiation (
art. 576 CC
).
a) Se fondant sur l'
art. 576 CC
, les recourantes ont demandé au juge de paix de leur fixer un nouveau délai pour requérir le bénéfice d'inventaire. Tout en étant conscientes du fait que le
BGE 104 II 249 S. 251
législateur, à l'
art. 580 CC
, n'a pas expressément prévu la faculté pour l'autorité compétente de prolonger le délai d'un mois ni, le cas échéant, de fixer un nouveau délai, elles ont soutenu, en invoquant à l'appui de leur thèse diverses opinions de doctrine et décisions de jurisprudence, que la faculté prévue par l'art. 576 valait aussi pour l'application de l'
art. 580 CC
, la première des dispositions citées devant être appliquée par analogie, ou, tout au moins, la règle prévue par cette disposition devant trouver application en matière de demande de bénéfice d'inventaire par le comblement d'une lacune de la loi.
Le juge de paix a écarté la requête en se fondant sur le texte clair de la loi, qui ne prévoit ni prolongation ni restitution du délai, au contraire des
art. 576 et 587 CC
. Il a admis que ce problème était controversé, mais a relevé que la Justice de paix de Genève, dans une pratique constante, s'est toujours refusée à accorder une prolongation ou une restitution du délai; or le Tribunal fédéral n'a pas considéré cette pratique comme étant arbitraire.
b) Les recourantes soutiennent qu'en refusant de faire droit à leur requête, le juge de paix a violé l'
art. 4 Cst.
; se fondant uniquement sur la lettre de l'
art. 580 CC
, cette autorité en aurait méconnu l'esprit et n'aurait pas tenu compte des conséquences choquantes auxquelles aboutit, en l'espèce, l'application pure et simple du texte légal.
Il est bien exact que, comme le relèvent les recourantes, l'opinion dominante admet actuellement qu'il convient d'appliquer par analogie au délai de l'
art. 580 la
faculté de prorogation et de restitution prévue à l'
art. 576 CC
en matière de répudiation. Telle est notamment l'opinion de TUOR et de PICENONI (Erbrecht, ad art. 580, 1re et 2e éd., n. 11), de SCHNYDER (TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9e éd., p. 414), de BECK (FJS no 780, p. 1) et de PAUL GYSIN (Die Rechtswohltat des öffentlichen Inventars im schweizerischen Zivilgesetzbuch, thèse Zurich 1911, p. 28/29). Certains tribunaux cantonaux se sont prononcés dans le même sens (Obwald, arrêt du 27 décembre 1932, RSJ 36/1939-40, p. 48; Thurgovie, 3 mai 1943, RSJ 41/1945, p. 27; Zurich, 30 août 1967, RSJ 64/1968, p. 10). Sont en revanche d'un avis opposé Arnold ESCHER (Erbrecht, 3e éd., ad art. 580, n. 8; voir déjà A. ESCHER, 2e éd., ad art. 580, n. 5) et PIOTET (Droit successoral, p. 717). Le problème a déjà été examiné par le Tribunal fédéral dans l'arrêt
BGE 104 II 249 S. 252
du 16 mai 1973 en la cause Moreillon c. juge de paix de Genève, où il était certes question non d'une restitution du délai, mais d'une prolongation du délai pour requérir le bénéfice d'inventaire. Dans cet arrêt, le Tribunal fédéral a relevé que le fait que l'opinion dominante admet l'application par analogie au délai de l'
art. 580 CC
de la disposition de l'
art. 576 CC
ne suffit pas pour que la solution contraire soit considérée comme arbitraire. Saisi d'un recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst
, le Tribunal fédéral n'a pas à rechercher quelle est la meilleure interprétation possible, mais à s'assurer que l'interprétation admise dans la décision attaquée peut s'appuyer sur des motifs objectifs. Pour qu'une décision soit annulée, il ne suffit pas qu'elle soit erronée; il faut encore qu'elle soit insoutenable, en contradiction manifeste avec la situation effective, adoptée sans motifs objectifs ou qu'elle contredise d'une manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité.
Il est vrai que, dans l'arrêt Moreillon, le Tribunal fédéral, n'ayant à se prononcer que sur une demande de prolongation de délai, a pu dire que le rejet d'une telle requête ne pouvait entraîner que quelques inconvénients pratiques que le demandeur était parfaitement à même de supporter. C'est aussi pour le même motif que l'un des auteurs précités considère qu'il n'y a pas lieu d'admettre, en présence du fait que l'
art. 580 CC
ne se prononce pas sur une prolongation du délai, l'existence d'une lacune de la loi, car la prolongation du délai ne paraît jamais nécessaire (PIOTET, loc. cit.).
En l'espèce, le délai de l'
art. 580 CC
est déjà échu, et les héritières n'ont donc pas la faculté, sauf restitution de ce délai, de demander le bénéfice d'inventaire. Il n'est cependant pas nécessaire d'examiner s'il conviendrait de revoir la position prise par le Tribunal fédéral dans l'arrêt Moreillon, compte tenu des circonstances du présent cas. Dans l'ordonnance attaquée, le juge de paix a en effet déclaré qu'il renonçait à procéder à un nouvel examen de ce problème, les conditions d'application de l'art. 576 n'étant de toute manière pas réalisées in casu. Il s'est fondé sur ce motif pour refuser la restitution du délai, laissant ainsi partiellement ouverte en principe la question de l'application par analogie de l'
art. 576 CC
.
4.
a) Le juge de paix rappelle en premier lieu que, selon l'
art. 576 CC
, la restitution du délai ne peut être accordée qu'en présence de "justes motifs". Il considère que ces justes motifs
BGE 104 II 249 S. 253
ne peuvent être constitués que par des faits qui ont empêché l'héritier de se déterminer dans le délai légal, et non pas par des circonstances qui, à posteriori, permettraient de conclure que les héritiers se sont trompés dans leurs espérances: notamment, une simple négligence de la part des héritiers ne peut pas être corrigée par une restitution de délai. Il convient également de prendre en considération l'intérêt des créanciers, qui doivent être renseignés suffisamment rapidement sur le sort de la succession. Le juge de paix en conclut que l'admission d'une restitution de délai 4 ans après l'échéance du délai primitif irait à l'encontre de la sécurité juridique et des intérêts des créanciers.
L'autorité cantonale relève en outre que les requérantes ont pendant près de 4 ans joui et disposé des biens de la succession comme des leurs propres et qu'une partie en tout cas des avoirs bancaires a été soumise à partage, de sorte qu'elles ont été déchues de leur droit de se prévaloir de l'
art. 576 CC
, ayant accepté la succession au sens de l'
art. 571 al. 2 CC
.
b) Les recourantes soutiennent que les considérations ainsi exposées par le premier juge sont absolument insoutenables, car en acceptant tacitement la succession en 1974, les héritières de X. se sont déterminées sur la base d'une appréciation objective, à l'époque, de l'état de la succession, de sorte que leur acceptation est viciée par suite d'erreur essentielle (
art. 24 ch. 4 CO
) et est nulle au sens de l'
art. 23 CO
.
c) Il faut accorder aux recourantes que c'est à tort que le juge cantonal leur a reproché d'avoir fait preuve de négligence en ne demandant pas, dans le délai légal, le bénéfice d'inventaire. Il n'est pas contesté que lors du décès de X., rien ne permettait de penser que l'établissement bancaire dont il était l'un des associés se trouvait dans une situation obérée. TUOR/PICENONI, cité par le juge de paix, admet notamment comme juste motif la découverte ultérieure d'un délit entraînant la responsabilité du défunt (ad art. 576, n. 3; voir aussi les arrêts de la Cour d'appel de Bâle-Ville, BJM 1955, p. 114, 1957, p. 39). On doit admettre que la situation dans laquelle se sont trouvées les recourantes lors de la découverte des faits qui ont donné lieu à l'ouverture du sursis concordataire devait, en principe, pouvoir être invoquée par elles comme un "juste motif" au sens de l'
art. 576 CC
.
d) Mais il faut encore, pour que le juste motif puisse être pris en considération, que l'autorité compétente tienne compte
BGE 104 II 249 S. 254
des intérêts des créanciers (TUOR/PICENONI, ad art. 576, n. 4; ESCHER, ad art. 576, n. 4). Or les recourantes n'ont pas contesté la valeur des considérants du juge cantonal dans la mesure où celui-ci a précisément fait état de la protection nécessaire de ces intérêts. C'est sans arbitraire que le juge de paix, devant peser les intérêts respectifs des deux parties, a pu considérer que l'impératif de la sécurité juridique des créanciers l'empêchait, quatre ans après le décès de X., d'accorder un nouveau délai à ses héritières. De toute façon, l'autorité compétente a en la matière un large pouvoir d'appréciation, décrit par l'
art. 4 CC
(cf. ESCHER, loc. cit., n. 5), et les recourantes ne tentent même pas de prouver que l'autorité cantonale a abusé de ce pouvoir.
5.
Le motif tiré par le premier juge de la déchéance du droit de répudier résultant de l'acceptation de la succession par les recourantes ne saurait être considéré comme arbitraire. Les recourantes admettent expressément avoir accepté tacitement la succession et ne contestent pas avoir procédé en tout cas partiellement à son partage. Le juge de paix pouvait donc considérer qu'elles se sont immiscées dans les affaires de la succession au sens de l'
art. 571 al. 2 CC
. Les recourantes ne contestent pas que cette disposition soit en principe applicable; il n'y a donc pas lieu d'examiner ce problème. Mais elles opposent à l'argumentation du juge le fait que l'acceptation tacite de la succession serait viciée par suite d'erreur essentielle et par conséquent nulle au sens de l'
art. 23 CO
.
Il n'est toutefois pas nécessaire de rechercher si c'est à bon droit que les recourantes pourraient se prévaloir d'une erreur essentielle et de la nullité de leur acceptation, car il s'agit là d'un moyen qu'elles n'ont pas invoqué devant l'autorité cantonale et qu'elles n'ont fait valoir que dans leur recours de droit public. Or, dans les recours de droit public fondés sur l'
art. 4 Cst.
, il ne peut être fait état de moyens nouveaux, même si la juridiction attaquée jouissait d'un plein pouvoir de cognition et devait appliquer le droit d'office (
ATF 102 Ia 9
).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours en tant qu'il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a3a58c67-1c82-449d-a1ac-73ea8509d42f | Urteilskopf
106 II 329
63. Estratto della sentenza della II Corte civile del 18 settembre 1980 nella causa AX e BX c. CX (ricorso per riforma). | Regeste
Wohnrecht;
Art. 776 ZGB
.
Ein durch die Wiederverheiratung der Berechtigten auflösend bedingtes Wohnrecht kann zusammen mit dieser Bedingung ins Grundbuch eingetragen werden (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 329
BGE 106 II 329 S. 329
In una convenzione di divorzio il marito costituiva un diritto d'abitazione a favore della moglie e della figlia sulla casa in cui vivevano. Una clausola della convenzione prevedeva che il diritto d'abitazione a favore della moglie sarebbe venuto meno in caso di nuove nozze della stessa. La Corte cantonale, chiamata in seguito a statuire su controversie insorte tra le parti, stabiliva che il diritto d'abitazione a favore della moglie non poteva essere iscritto nel registro fondiario perché vincolato dalla condizione risolutiva. L'interessata ha chiesto al Tribunale federale d'ordinare l'iscrizione litigiosa. Il Tribunale federale ha accolto questa sua conclusione.
Erwägungen
Dai considerandi di diritto:
3.
In secondo luogo è fatto valere con il ricorso che la Corte cantonale ha a torto negato che l'ex-moglie possa ottenere l'iscrizione nel registro fondiario del diritto d'abitazione stipulato a suo favore nella convenzione di divorzio; la Corte cantonale avrebbe dovuto accogliere anche su questo punto la petizione riconvenzionale, e ciò malgrado la clausola della
BGE 106 II 329 S. 330
convenzione, secondo cui il diritto d'abitazione si estinguerà in caso di nuove nozze dell'ex-moglie. La Corte cantonale ha respinto la conclusione riconvenzionale tendente all'iscrizione, osservando che, secondo la giurisprudenza del Tribunale federale, non è, in linea di principio, possibile un'iscrizione nel registro fondiario di una servitù soggetta a condizione risolutiva: a suo avviso, la questione non ha comunque nella fattispecie rilevanza pratica, fintantoché non vi sia discordia tra la madre e la figlia, dato che quest'ultima ha il diritto, ai sensi dell'
art. 777 cpv. 2 CC
, di tenere presso di sé la madre. L'attore sostiene che il Tribunale federale ha deciso definitivamente detta questione con la propria sentenza del 29 giugno 1978, di guisa che essa non può più essere nuovamente sollevata nella presente procedura.
a) Il Tribunale federale doveva decidere, durante la prima causa, se il diritto d'abitazione accordato all'ex-moglie e alla figlia dell'attore in virtù della convenzione di divorzio fosse una prestazione soggetta a riduzione ai sensi dell'
art. 153 cpv. 2 CC
. A tal fine esso ha ritenuto determinante il carattere di tale diritto. Per i motivi esposti nel considerando 3 della sua sentenza, il Tribunale federale ha ritenuto che il diritto di abitazione concesso abbia carattere reale. Trattando di tale problema, il Tribunale federale ha esaminato brevemente se il diritto d'abitazione accordato all'ex-moglie potesse essere iscritto nel registro fondiario, benché fosse stato stabilito nella convenzione che esso sarebbe venuto meno in caso di nuove nozze della beneficiaria. La questione era stata peraltro lasciata aperta, dato che il diritto d'abitazione convenuto a favore della figlia è comunque incondizionato, sicché nulla si sarebbe opposto alla sua iscrizione. Al proposito il Tribunale federale aveva rilevato che, secondo l'
art. 777 cpv. 2 CC
, la figlia ha il diritto di accogliere la madre presso di sé, di modo che, facendo salvo il caso di discordia tra madre e figlia, il problema se potesse essere iscritto un diritto d'abitazione indipendente della madre era privo di rilevanza pratica.
Con l'accenno all'
art. 777 cpv. 2 CC
il Tribunale federale ha nondimeno soltanto voluto illustrare che per l'accertamento della natura giuridica del diritto d'abitazione stabilito nella convenzione di divorzio e, di conseguenza, per la possibilità di modificarlo, non era determinante la questione se tale diritto potesse essere iscritto nel registro fondiario
BGE 106 II 329 S. 331
anche a favore dell'ex-moglie. Il Tribunale federale non ha tuttavia inteso con ciò pronunciarsi definitivamente su questo ultimo punto.
Contrariamente a quanto ritenuto dall'attore, risulta pertanto che il Tribunale federale non si è pronunciato definitivamente sulla questione se il diritto d'abitazione accordato all'ex-moglie possa essere iscritto nel registro fondiario, ma l'ha lasciata espressamente aperta. Su di essa va quindi deciso nella presente procedura, dovendosi statuire sulla corrispondente conclusione delle convenute.
b) È d'uopo osservare preliminarmente che non può negarsi all'ex-moglie dell'attore un interesse degno di protezione a far iscrivere nel registro fondiario il diritto d'abitazione stabilito a suo favore in occasione del divorzio, sempreché una tale iscrizione sia conforme alla legge. La possibilità, fondata sull'
art. 777 cpv. 2 CC
, di abitare presso la figlia non rende irrilevante un diritto d'abitazione proprio. Già nella prima sentenza del Tribunale federale s'è accennato al rischio che possa insorgere una discordia tra madre e figlia. Pensabile è anche il caso che la figlia deceda prima della madre o che rinunci all'esercizio del diritto di abitazione. Tenuto conto di tutto ciò, non è senza importanza per l'ex-moglie d'ottenere l'iscrizione nel registro fondiario di un diritto d'abitazione stabilito a suo favore.
c) L'iscrizione nel registro fondiario di una servitù vincolata ad una condizione risolutiva contraddirebbe, secondo l'opinione espressa da ultimo in modo circonstanziato dal Tribunale federale in
DTF 87 I 315
segg. consid. 2, al principio della chiarezza e della compiutezza del registro fondiario. Da tale principio sgorga l'esigenza che risultino dallo stesso registro fondiario i diritti reali relativi ad un fondo. Nel caso di una servitù vincolata a condizione risolutiva, tale esigenza non sarebbe adempiuta integralmente, dato che non apparirebbe dal registro fondiario se la condizione risolutiva si sia nel frattempo verificata e se la servitù sia quindi venuta meno. Soltanto ulteriori indagini consentirebbero di accertare se il diritto iscritto esista tuttora. Secondo la giurisprudenza del Tribunale federale e secondo una parte della dottrina, non si può pretendere che i terzi, i quali devono potersi basare su quanto iscritto nel registro fondiario, effettuino queste ulteriori indagini. È stato peraltro rilevato che i vantaggi dell'attuale prassi non superano i relativi inconvenienti in misura tale da escludere che
BGE 106 II 329 S. 332
l'opinione opposta possa essere sostenuta con seri motivi (LIVER, N. 71/72 ad
art. 730 CC
, ove sono richiamati i principali punti di vista espressi dalla dottrina sulla questione di cui trattasi).
Almeno in un caso come quello in esame, l'iscrizione di una servitù nel registro fondiario non può essere negata in base al principio della chiarezza del registro fondiario. La servitù di cui trattasi termina con la morte dell'avente diritto, ossia in un momento che non può essere determinato a priori. Un terzo non potrebbe, di conseguenza, accertare sulla scorta del solo registro fondiario se il diritto di abitazione tuttora sussista. Egli deve comunque indagare se l'usuario sia ancora in vita. La menzione nell'iscrizione nel registro fondiario della condizione risolutiva del diritto d'abitazione, costituita dalle nuove nozze dell'usuaria, non modificherebbe sostanzialmente la situazione. Il terzo che volesse sapere con certezza se il diritto d'abitazione gravi tuttora il fondo, dovrebbe accertare soltanto se l'usuaria, oltre ad essere ancora in vita, non abbia contratto un nuovo matrimonio. Quest'ultimo accertamento non è di regola (fatti salvi casi particolari, quale un matrimonio contratto all'estero e non trascritto in Svizzera, o ipotesi similari) più complicato di quello relativo alla sopravvivenza, e può normalmente essere effettuato mediante una domanda presso l'ufficio di stato civile. In tali circostanze può ragionevolmente pretendersi dal terzo che s'informi sullo stato civile dell'usuaria. Qualsiasi acquirente di un diritto reale concernente il fondo gravato dal diritto d'abitazione potrebbe agevolmente chiedere al suo dante causa di provargli mediante un documento appropriato se il diritto d'abitazione si sia estinto in seguito a decesso o a nuovo matrimonio dell'usuaria. Nella fattispecie non sono quindi riscontrabili inconvenienti tanto rilevanti da giustificare il rifiuto d'iscrivere nel registro fondiario la condizione risolutiva. Ne segue che il diritto d'abitazione stabilito a favore dell'ex-moglie va iscritto insieme con la condizione risolutiva nel registro fondiario. Tale soluzione nel caso in esame non significa peraltro che il Tribunale federale intenda abbandonare in modo generale il principio seguito sin qui, secondo il quale non sono soggette ad iscrizione le servitù sottoposte a condizione.
d) Poiché, per le ragioni anzidette, deve farsi luogo all'iscrizione del diritto d'abitazione disposto a favore dell'ex-moglie, includendovi la condizione risolutiva, è superfluo esaminare se, ammesso che il diritto
BGE 106 II 329 S. 333
d'abitazione soggetto a condizione non sia come tale suscettibile d'essere iscritto, esso vada iscritto senza la condizione risolutiva ma riconoscendo a questa effetti obbligatori, nel senso che la condizione conferirebbe al suo avverarsi all'onerato il diritto di pretendere che l'usuaria disponga presso il registro fondiario l'estinzione del diritto stesso (sulla possibilità d'iscrivere nel registro fondiario senza condizione una servitù soggetta a condizione risolutiva e di riconoscere a quest'ultima effetti obbligatori, ove tale disciplina corrisponda alla volontà delle parti o al senso da attribuire ragionevolmente e secondo la buona fede alla loro pattuizione, cfr. LIVER, N. 73 segg., in particolare 76 e 77 ad
art. 730 CC
; PIOTET, Schweiz. Privatrecht, vol. V/1, pag. 555 in alto). | public_law | nan | it | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a3aaefdc-87fb-460c-be7f-67043a4d60b2 | Urteilskopf
107 Ia 9
4. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 18 mars 1981 dans la cause B. contre L. (recours de droit public) | Regeste
Berufungslegitimation im Walliser Strafverfahren.
Es ist nicht willkürlich, dem Antragsteller die Legitimation zuzuerkennen, Berufung zu führen mit dem Antrag auf Straferhöhung, wenn er allein, ohne Beteiligung des Staatsanwalts in einem nur auf Antrag des Verletzten verfolgten Falle handelt. | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 107 Ia 9 S. 9
Le 7 mars 1977, lors de la campagne précédant le second tour de l'élection au Conseil d'Etat du Valais, B., qui sollicitait alors le renouvellement de son mandat au Conseil d'Etat, a prononcé devant l'assemblée extraordinaire des délégués du Parti radical démocratique un discours dans lequel il s'en est pris à L. Ce dernier ayant déposé plainte, une enquête a été instruite au terme de laquelle le juge-instructeur du district de Martigny et Saint-Maurice a rendu un jugement, le 28 juin 1979,
BGE 107 Ia 9 S. 10
selon le dispositif duquel "B. n'encourt aucune peine. Les droits civils de L. sont renvoyés au for civil. Les frais de justice mis à la charge du fisc". Le juge-instructeur a considéré que l'accusé avait certes porté atteinte à l'honneur du plaignant en l'accusant de bassesse, mais qu'il avait des raisons sérieuses de tenir cette accusation de bonne foi pour vraie. La preuve libératoire de l'
art. 173 ch. 2 CP
ayant ainsi été rapportée, l'accusé devait être libéré de toute peine. Il ne tombait pas non plus sous le coup de l'
art. 177 CP
, la forme d'expression excessive qu'il avait choisie correspondant au ton des polémiques valaisannes en période électorale et trouvant une explication dans les attaques dont l'accusé avait lui-même fait l'objet de la part du plaignant.
L. ayant fait appel, B. a fait valoir qui celui-ci était irrecevable au regard de la procédure valaisanne. Le Tribunal cantonal valaisan a toutefois écarté cette argumentation puis, statuant sur le fond, il a réformé le jugement attaqué en ce sens qu'il a reconnu B. coupable d'injure et l'a dès lors condamné à 100.- francs d'amende, avec un délai d'épreuve et de radiation d'un an, ainsi qu'au versement à L. d'une indemnité de 200.- francs.
Outre un pourvoi en nullité sur lequel il sera statué le cas échéant séparément, B. forme un recours de droit public. Il conclut à l'annulation du jugement attaqué et au renvoi de la cause au Tribunal cantonal pour que celui-ci déclare irrecevable ou rejette le recours de L.
Tant l'intimé L. que le Tribunal cantonal valaisan concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
a) Le Code de procédure pénale valaisan règle la qualité pour recourir en appel de la manière suivante:
"Art. 178.
Ont qualité pour appeler les parties qui sont intervenues dans la procédure de première instance, sous les réserves énoncées dans les dispositions suivantes.
Art. 179.
La partie civile ne peut faire appel au pénal qu'en cas d'acquittement, sauf en se joignant à l'appel du ministère public."
BGE 107 Ia 9 S. 11
Aucune disposition ne règle expressément la qualité pour recourir du plaignant. Toutefois, aux termes de l'
art. 48 ch. 1 al. 3 CPP
val., le plaignant est de plein droit partie civile. Quant au Ministère public, l'
art. 47 CPP
val. dispose qu'il exerce l'action publique dans les procès pour crimes et délits qui se poursuivent d'office. Il est alors partie au procès. Le Ministère public n'est en revanche pas partie au procès ayant pour objet une infraction poursuivie sur plainte seulement comme la présente espèce.
b) Fondé sur cette réglementation de la qualité pour recourir, B. a fait valoir devant le Tribunal cantonal valaisan que le recours de L. était irrecevable. Il a soutenu que la constatation du premier juge selon laquelle il n'encourait aucune peine comportait implicitement la déclaration de culpabilité au regard de l'
art. 173 CP
, de telle sorte qu'on ne se trouvait pas en présence d'un acquittement au sens de l'
art. 179 CPP
val., ce qui excluait la possibilité pour la partie civile d'exercer un recours indépendant de celui du Ministère public.
c) Le Tribunal cantonal valaisan n'a pas retenu cette interprétation de l'
art. 179 CPP
val. Il a considéré que cette disposition légale est applicable dans le cas seulement où l'on a affaire à une infraction qui se poursuit d'office. Se référant à un arrêt de principe (Zurbriggen, du 11.12.1979), il a considéré que l'
art. 179 CPP
constitue une exception au principe posé par l'
art. 178 CPP
et que si on l'applique aux infractions poursuivies sur plainte uniquement, on prive le plaignant de tout droit de recours lorsqu'une peine a été prononcée. En effet, le plaignant-partie civile ne peut alors se joindre à un appel du Ministère public, car le Ministère public, en vertu de l'
art. 47 ch. 2 CPP
n'est pas partie aux procès ayant pour objet une infraction poursuivie sur plainte uniquement, de sorte qu'il ne peut exercer un appel auquel le plaignant pourrait se joindre. Dès lors, conclut le Tribunal cantonal, en matière d'infraction poursuivie sur plainte uniquement, l'exception à l'
art. 178 CPP
que constitue l'
art. 179 CPP
n'est pas opposable au plaignant: il a qualité pour appeler dès l'instant qu'il est intervenu comme plaignant-partie civile dans la procédure de première instance. Il peut donc appeler non seulement en cas d'acquittement, mais encore s'il y a eu condamnation de l'accusé, par exemple pour exiger une peine plus sévère.
d) Le recourant ne saurait, dans le cadre d'un recours de
BGE 107 Ia 9 S. 12
droit public, critiquer cette interprétation de la loi cantonale qui si les juges cantonaux, en la soutenant, avaient fait preuve d'arbitraire. C'est dans ce sens seulement donc que son grief doit être interprété (
ATF 99 Ia 335
consid. 1). Le Tribunal fédéral ne peut en effet s'écarter de la solution adoptée par l'autorité cantonale que si elle apparaît insoutenable, en contradiction manifeste avec la situation effective, évidemment injuste, adoptée sans motifs objectifs et en violation d'un droit certain (
ATF 96 I 627
et les références,
ATF 97 I 352
,
ATF 100 Ia 468
).
3.
Le recourant fait valoir que le système des appels est traité de façon complète aux
art. 177 ss CPP
val., de sorte qu'une interprétation de ces textes serait inutile. Il doit toutefois remarquer avec le Tribunal cantonal que, au regard de l'
art. 179 CPP
, la situation du plaignant-partie civile est nécessairement différente selon que l'infraction est poursuivie d'office ou non. Dans tous les cas, le plaignant-partie civile peut faire appel au pénal en cas d'acquittement de sa partie adverse. Mais si celle-ci n'a pas été acquittée, la partie civile peut se joindre à l'appel du Ministère public pour demander l'aggravation de la sanction pénale. En revanche, dans les mêmes conditions, la partie civile qui poursuit la sanction d'une infraction poursuivie sur plainte uniquement ne peut demander l'aggravation de la sanction pénale. En effet, le Ministère public n'est pas partie en matière d'infractions poursuivies sur plainte uniquement, de sorte qu'il ne peut pas interjeter appel. Le recourant considère il est vrai qu'une telle situation est acceptable, le plaignant devant alors se contenter le cas échéant du principe de la condamnation prononcée contre sa partie adverse, sans pouvoir influer sur la quotité de la sanction, voire sur son principe même. Un tel système est sans doute concevable, mais il importe peu: ce que le recourant aurait dû démontrer, c'est que le système contraire, adopté par le Tribunal cantonal, est insoutenable, évidemment injuste, dépourvu de motifs objectifs et qu'il viole un droit certain. Rien de tel dans le recours. Au contraire, il saute aux yeux que si celui qui a été condamné en première instance pour une infraction poursuivie d'office risque de voir aggraver sa peine en seconde instance, sur recours du Ministère public, il n'est pas choquant qu'il coure le même risque lorsqu'il doit répondre d'une infraction poursuivie sur plainte, même si le rôle du Ministère public est alors assumé par le plaignant. Ce rôle du plaignant est d'autant moins singulier
BGE 107 Ia 9 S. 13
en procédure valaisanne qu'il peut incontestablement être rempli en dernière instance, et même en seconde instance, lorsque le plaignant se joint à l'appel du Ministère public. On peut donc soutenir sans arbitraire que si le plaignant-partie civile peut se joindre à l'appel du Ministère public lorsque la poursuite est exercée principalement par cette autorité, en vertu de l'
art. 47 CPP
val., à plus forte raison doit-il pouvoir soutenir l'accusation devant les deux instances cantonales lorsque ce rôle ne peut pas être rempli par le Ministère public.
4.
Le recourant démontre ensuite l'identité qui existe entre le plaignant et la partie civile. Cette démarche est toutefois superflue, puisque cette identité, qui n'est pas douteuse, est clairement exprimée par l'
art. 48 ch. 1 al. 3 CPP
val. Contrairement à ce que soutient le recourant, il en découle que le plaignant-partie civile peut faire appel au pénal en cas d'acquittement d'une infraction poursuivie d'office, même à défaut d'appel du Ministère public, en vertu de l'
art. 179 CPP
. Mais ce point est sans pertinence en l'espèce au regard du jugement critiqué.
5.
Le recourant dénie par ailleurs toute pertinence au fait que le Ministère public n'est pas partie à l'action pénale fondée sur un délit poursuivi sur plainte uniquement. Il affirme à ce sujet que la partie civile ne peut appeler, dans les poursuites d'office, si le Ministère public ne le fait pas. Cette affirmation est manifestement contraire au texte même de l'
art. 179 CPP
selon lequel la partie civile, au pénal, possède toujours la qualité pour faire appel en cas d'acquittement de l'accusé, sans égard au fait que la poursuite a eu lieu d'office ou sur plainte. Si la poursuite a lieu d'office, la partie civile peut en outre, en cas de condamnation, se joindre à l'appel du Ministère public pour demander l'augmentation de la peine. Seule cette seconde faculté lui serait refusée lorsque la poursuite a lieu sur plainte, si l'on interprétait littéralement l'
art. 179 CPP
, puisque le Ministère public n'est pas partie à une telle procédure. La pertinence de cette circonstance est donc évidente, contrairement à ce que soutient le recourant.
Le recourant ne montre pas en quoi serait choquante et insoutenable l'interprétation du Tribunal cantonal qui a pour objet de donner au plaignant-partie civile des droits aussi étendus, voire plus étendus dans les cas où il soutient seul l'accusation que dans ceux où il intervient à côté du Ministère public.
BGE 107 Ia 9 S. 14
Le recourant cite il est vrai une opinion exprimée par le législateur lors de l'adoption de la loi et selon laquelle la partie civile "n'a pas un intérêt essentiel à ce que la peine prononcée soit celle qu'elle recherchait ou que la condamnation soit moins sévère qu'elle ne le désirait; elle ne peut donc appeler si une peine a été prononcée". Mais cette opinion n'a pas été reprise dans le texte légal, puisque la partie civile qui se joint à l'appel du Ministère public - quand il est possible - peut demander par ce moyen que la peine prononcée soit celle qu'elle recherchait ou que la condamnation soit aussi sévère qu'elle le désirait.
Le recourant ne montre pas non plus comment le système de répression des infractions serait bouleversé par l'interprétation qu'il critique. Selon ce système, la poursuite d'infractions punissables sur plainte uniquement est retirée au Ministère public (
art. 47 ch. 2 CPP
), pour être abandonnée au seul plaignant. On ne voit pas comment le fait de donner au plaignant agissant seul autant de droits qu'au Ministère public constitue un bouleversement du système. On ne voit pas non plus comment le fait de ne pas donner moins de droits au plaignant agissant seul qu'au plaignant agissant à côté du Ministère public serait choquant ou bouleverserait le système de la répression.
6.
Le recourant fait enfin valoir que le sens de l'
art. 179 CPP
est clair, qu'il ne souffre aucune interprétation et ne pourrait partant être modifié le cas échéant que par le législateur.
Cet argument n'est guère convaincant mais surtout il ne saurait suffire à démontrer que l'interprétation du Tribunal cantonal valaisan est arbitraire.
En effet, l'
art. 179 CPP
val. se réfère expressément à l'appel du Ministère public. En cas d'infraction poursuivie sur plainte, l'appel du Ministère public est exclu, on l'a vu. Appliquer l'
art. 179 CPP
aux infractions poursuivies sur plainte comporte donc une interprétation extensive de ce texte à des cas où il ne peut s'appliquer directement. Le Tribunal cantonal valaisan refuse cette interprétation extensive en considérant que l'
art. 179 CPP
est une exception à la règle générale posée par l'
art. 178 CPP
. L'interprétation restrictive d'exceptions n'a rien d'arbitraire. Au surplus, l'interprétation adoptée par le Tribunal cantonal a le mérite de ne pas restreindre le droit de recourir du plaignant d'une manière encore plus rigoureuse que le droit fédéral (art. 270 deuxième
BGE 107 Ia 9 S. 15
phrase PPF) dans le cadre d'un pourvoi en nullité (cf. item, par analogie avec le recours de droit administratif
ATF 103 Ib 147
consid. 3 lettre a).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a3ad982d-e37b-419a-b4ee-7631d5f11d60 | Urteilskopf
108 Ib 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Februar 1982 i.S. Renz Cornelis van de Gruiter gegen Staatsrat des Kantons Wallis (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3,
Art. 8 Abs. 3 BewB
(SR 211.412.41);
Art. 12a Abs. 1 BewV
(SR 211.412.411).
1. Bei der Frage, ob die einer Person im Ausland erteilte Erwerbsbewilligung für ein Grundstück in der Schweiz wegen der Verletzung einer in der Bewilligung gestellten Auflage widerrufen werden soll, besitzt die zuständige Behörde einen gewissen Ermessensspielraum: Begrenzung dieses Ermessensspielraumes (E. 3).
2. Umfang des Wohn- und Grundeigentums, das eine Person im Ausland gestützt auf
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
in der Schweiz erwerben darf (E. 4b).
3. Anwendung der Grundsätze im konkreten Fall (E. 5). Direkte Rückweisung der Sache an die erste kantonale Instanz (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 108 Ib 1 S. 2
Renz Cornelis van de Gruiter, ein in den Niederlanden wohnender holländischer Staatsangehöriger, kaufte von Anton Arnold mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 30. August 1977 eine in der Walliser Gemeinde Ernen gelegene Landparzelle von 600 m2. Mit Schreiben vom 30. September 1977 stellte van de Gruiter beim kantonalen Grundbuchinspektorat, welches im Wallis erstinstanzliche Bewilligungsbehörde für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland ist, das Gesuch um Bewilligung des Kaufes. Aus den dem Begehren beigelegten Plänen ergab sich, dass das Land für den Bau eines Einfamilienhauses bestimmt war; es sollte aus einem Untergeschoss (Garage, Bastel- und Abstellraum, WC, Keller, Waschküche, Heizung und Öltank) und einem Obergeschoss (Eltern- und 2 Kinderzimmer, WC, Bad, Wohn- und Kochraum) bestehen. Das Grundbuchinspektorat hat das Gesuch gestützt auf Art. 6 Abs. 2 lit. a Ziff. 3 des BB über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961/21. März 1973 (BewB; SR 211.412.41) am 25. November 1977 gutgeheissen und die verlangte Bewilligung erteilt. In Dispositiv Ziffer 2 lit. c wurde festgehalten:
"Verpflichtung, die Erbauung innert einem Jahr vorzunehmen und laut den im Dossier enthaltenen Plänen zu vollenden."
Am 5. Januar 1978 erteilte die kantonale Baukommission van de Gruiter die Bewilligung für die Erstellung eines Ferienhauses auf dem erworbenen Landstück. Die Baubewilligung enthielt in Ziffer 11 die folgende Auflage:
"Gemeindebed. vom 5.12.77. Die Fenster sind wie ortsüblich mit Sprossen zu versehen. Dach mit schwarzem Eternit, Farbe dunkelbraun, Mauerwerk weiss, Stockwerke 1 1/2, das heisst, es ist zusätzlich eine Dachwohnung zu erstellen und der Anschluss für einen Wasserzähler vorzusehen."
In der Folge wurden die ursprünglichen Baupläne abgeändert und von der Gemeinde Ernen aus folgenden Gründen bewilligt:
"1. Wir sind aus proportionalen Gründen bestrebt, dass die Ferienchalets 1 1/2 Stockwerke aufweisen und haben deshalb der Erhöhung zugestimmt beziehungsweise verlangt.
2. (...)
3. Sind wir bestrebt, dass in den Chalets, aus wirtschaftlichen Gründen, 2 Wohnungen erstellt werden."
BGE 108 Ib 1 S. 3
Das Ferienchalet wurde daraufhin aufgrund der abgeänderten Pläne erstellt, ohne dass diese vorgängig dem Grundbuchinspektorat unterbreitet worden wären. Es wurde jedoch nicht eine zusätzliche Dachwohnung erstellt, sondern es wurde das Untergeschoss des Hauses ausgebaut.
Das Grundbuchinspektorat hielt van de Gruiter diesen Tatbestand mit Schreiben vom 28. September 1979 vor; er habe durch sein Vorgehen eine Auflage der Bewilligung zum Erwerb des Baulandes verletzt. Gleichzeitig erläuterte ihm die Amtsstelle die möglichen Rechtsfolgen der Auflageverletzung und setzte ihm eine Frist zur Vernehmlassung. Mit Entscheid vom 6. November 1979 verfügte daraufhin der Grundbuchinspektor:
"1. Der Entscheid vom 25.11.1977, durch den Herr van de Gruiter Cornelis Renz ermächtigt wurde, den Bauplatz von 600 m2 auf Gebiet der Gemeinde Ernen zu erwerben, wird widerrufen.
2. Sobald vorliegender Entscheid rechtskräftig geworden ist, wird das Dossier an die beschwerdeberechtigte kantonale Behörde übergeben, damit sie Zivilklage erheben kann, laut Art. 22 BB.
3. Die mit Entscheid vom 25.11.1977 (unter Beleg Nr. 825-77 angemerkt) vorgeschriebenen Auflagen bleiben im Grundbuchamt von Brig bis zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung, in der Folge der Zivilklage der Ziffer 2 eintretend, angemerkt."
Am 20. Februar 1980 bestätigte der Staatsrat des Kantons Wallis, an welchen die Sache weitergezogen wurde, den erstinstanzlichen Entscheid.
Mit fristgerechter Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt van de Gruiter dem Bundesgericht die nachfolgenden Anträge:
"1. Die Verfügung des kantonalen Grundbuchinspektorates vom 6. November 1979 sei unter Kostenfolge für den Staat Wallis aufzuheben.
2. (...)"
Auf die einzelnen Vorbringen des Beschwerdeführers wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
In ihren Vernehmlassungen vom 2. und 15. Mai 1980 beantragen das Grundbuchinspektorat und der Staatsrat des Kantons Wallis die kostenfällige Abweisung der Beschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement verzichtet dagegen auf Antragsstellung.
Eine Instruktionskommission des Bundesgerichtes hat am 11. Januar 1982 einen Augenschein mit vorgängiger Partei- und Zeugenbefragung durchgeführt. Für die Ergebnisse dieses Beweisverfahrens wird auf die Erwägungen verwiesen.
BGE 108 Ib 1 S. 4
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer ist ein im Ausland wohnhafter Ausländer. Nach
Art. 1 BewB
bedarf eine Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland für den Erwerb von Grundstücken in der Schweiz der Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass das Ferienchalet des Beschwerdeführers entgegen der klaren Auflage in der Bewilligung zum Erwerb des Grundstückes nicht nach den Plänen gebaut wurde, die dem Gesuch ursprünglich zugrunde lagen; gebaut wurde aufgrund von abgeänderten Plänen, welche den für die Bewilligung des Landerwerbs zuständigen Behörden nicht zur Genehmigung unterbreitet wurden.
Zu prüfen ist, welche Rechtsfolgen die Verletzung der in Frage stehenden Auflage nach sich zieht.
Art. 8 Abs. 3 BewB
bestimmt:
"Der Widerruf der Bewilligung bleibt vorbehalten, falls der Erwerber (...) eine Auflage nicht einhält."
Diese Bestimmung erlaubt an sich den Widerruf der Erwerbsbewilligung bei jeder Auflageverletzung. Der Widerruf wird aber nicht zwingend vorgeschrieben. Die zuständige Behörde besitzt in dieser Frage also einen gewissen Ermessensspielraum.
Steht die Behörde vor dem Entscheid, ob eine Grundstückerwerbsbewilligung widerrufen werden müsse, weil die Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland von den der Bewilligung zugrunde liegenden Bauplänen in Verletzung einer Auflage abgewichen ist, so hat sie zunächst zu prüfen, ob der Kauf der Parzelle auch dann gewährt worden wäre, wenn sie das Gesuch auf der Grundlage der neuen Pläne gestellt hätte. Muss die Frage verneint werden, so hat die zuständige Behörde wenn nicht die Pflicht, so doch das Recht, die Bewilligung zu widerrufen. Dagegen muss in der Regel eine Überschreitung des behördlichen Ermessens angenommen werden, wenn die Bewilligung widerrufen wird, obwohl dem Ausländer auch die Erstellung der von den ursprünglichen Plänen abweichenden Baute bewilligt worden wäre, hätte er die Abänderung ordnungsgemäss beantragt. In solchen Fällen stellen die in
Art. 25 BewB
vorgesehenen strafrechtlichen Konsequenzen in der Regel eine genügende Sanktion dar.
4.
a) Die Vorinstanz macht im angefochtenen Entscheid geltend, aus
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
ergebe sich, dass eine der
BGE 108 Ib 1 S. 5
Bewilligungspflicht unterstehende Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland nur ein Haus mit einer Wohnung bauen dürfe. Diese Praxis rechtfertige sich, weil sie die Respektierung der behördlichen Bedingungen und Auflagen und damit die Sicherstellung der vom Erwerber geltend gemachten Zweckbestimmung des Grundstückes sowie die "Vermeidung der Spekulation" gewährleiste.
Im vorliegenden Fall sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer in Verletzung der ihm gestellten Auflagen zwei Wohnungen errichtet habe. Damit sei sein "berechtigtes Interesse", welches zur Erteilung der Erwerbsbewilligung führte, entfallen, weshalb sie zu widerrufen sei. Sinngemäss macht die Vorinstanz damit auch geltend, dass dem Beschwerdeführer die Bewilligung zum Erwerb des strittigen Grundstückes nicht hätte gewährt werden können, wenn das Gesuch aufgrund des nunmehr realisierten Ferienchalets gestellt worden wäre.
b) Die Bewilligung zum Erwerb eines Grundstückes in der Schweiz ist einer Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland nur zu erteilen, wenn sie "ein berechtigtes Interesse am Erwerb" nachzuweisen vermag (
Art. 6 Abs. 1 BewB
). Ein berechtigtes Interesse ist nach
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
anzunehmen,
"wenn das zu erwerbende Grundstück in erster Linie dem Aufenthalt des Erwerbers oder seiner Familie dient, der Erwerber es auf seinen persönlichen Namen erwirbt und er, sein Ehegatte oder seine minderjährigen Kinder kein anderes diesem Zweck dienendes Grundstück in der Schweiz erworben haben (...)" und ausserdem eine der weiteren in der genannten Bestimmung aufgezählten aber hier nicht interessierenden Voraussetzungen erfüllt ist.
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
liegt nicht der Grundstücksbegriff im Rechtssinne (
Art. 655 ZGB
) zugrunde; der BewB geht vielmehr von einem wirtschaftlichen oder praktischen Grundstücksbegriff aus: Das Gesetz will damit den Umfang des Wohn- und Grundeigentums umschreiben, den Personen im Ausland gestützt auf
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
in der Schweiz erwerben dürfen. Dieser Sinn ergibt sich zunächst aus
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
, wonach "das zu erwerbende Grundstück in erster Linie dem Aufenthalt des Erwerbers und seiner Familie" zu dienen hat und sodann aus
Art. 12a Abs. 1 BewV
, wonach "die Fläche eines Grundstücks, das dem persönlichen Aufenthalt des Erwerbers dient, insgesamt den für diesen Zweck und nach der Art des Grundstücks angemessenen Umfang nicht übersteigen" darf.
BGE 108 Ib 1 S. 6
Massgebend ist also letztlich, welchen konkreten Raumbedarf der Erwerber für sich und seine Familie nachzuweisen vermag. Dabei ist im Sinne von
Art. 12a Abs. 1 BewV
in erster Linie auf die besonderen Bedürfnisse des Erwerbers und der Personen abzustellen, die tatsächlich und regelmässig mit ersterem das Grundstück benützen. Unter den Begriff der Familie im Sinne von
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
können demnach nicht nur der Ehegatte sowie die minderjährigen Kinder des Erwerbers fallen, wie dies aus der Bestimmung selbst geschlossen werden könnte (Familie im engen Sinne), sondern auch etwa volljährige Kinder (gegebenenfalls mit deren eigenen Familien), die Eltern des Erwerbers und eventuell sogar Freunde und Hausangestellte. Der Erwerber hat indessen für die Personen, für welche er ein Wohnraumbedürfnis geltend macht, nachzuweisen, dass sie tatsächlich und regelmässig mit ihm zusammen das Grundstück benützen; ein berechtigtes Interesse des Erwerbers ist nur im Rahmen des nachgewiesenen Bedürfnisses anzunehmen.
Das ganze zu erwerbende "Grundstück" darf sodann in der Regel nur eine Wohneinheit (eine "unité de logement") darstellen. Hat aber der Erwerber etwa ein erwachsenes Kind, welches seinerseits verheiratet ist und Kinder hat, so ist es verständlich, wenn er im gleichen Wohnhaus zwei Badezimmer und eventuell auch eine weitere Kochgelegenheit einrichtet; ein solcher Ausbau steht der Bewilligungserteilung beim Nachweis eines entsprechenden Bedürfnisses nicht grundsätzlich entgegen. Die Praxis des Kantons Wallis zu
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
, wonach der Erwerber in jedem Fall nur am Kauf einer Wohnung mit einer Kücheneinrichtung ein berechtigtes Interesse haben kann, ist beim Nachweis eines grösseren Bedürfnisses zu eng und muss daher im Sinne der vorstehenden Ausführungen präzisiert werden.
Bei Erteilung der Erwerbsbewilligung ist jedoch gerade in Fällen, in welchen ein umfangreiches Bedürfnis an Wohnraum geltend gemacht wird, durch geeignete Bedingungen und Auflagen sicherzustellen, dass es auch künftig bei der vom Erwerber geltend gemachten Zweckbestimmung des Grundstückes bleibt (
Art. 8 Abs. 1 BewB
). Macht etwa eine Person im Ausland ein Bedürfnis an Wohn- und Grundeigentum geltend, das über den Bedarf seiner Familie im engen Sinne hinausgeht, indem er z.B. erklärt, auch sein Bruder und dessen Familie würden das Grundstück regelmässig mit ihm benützen, so ist es mit dem Bundesrecht vereinbar, nur auf Gesuch von beiden, jedem eine eigene Erwerbsbewilligung unter
BGE 108 Ib 1 S. 7
der Bedingung zu erteilen, dass sie das Grundstück entweder in einer Form des gemeinschaftlichen Eigentums erwerben oder dass jeder von ihnen bloss einen Teil desselben zu Alleineigentum erwirbt.
5.
a) Anlässlich des vom Bundesgericht im Ferienchalet des Beschwerdeführers durchgeführten Augenscheines konnte festgestellt werden, dass der Estrich des Hauses, der durch eine Ausziehtreppe erreicht wird, nur ca. 1,30 m hoch und somit nicht bewohnbar ist. Im Obergeschoss befinden sich neben einer Küche und einem Badezimmer ein Wohn- und Essraum sowie drei Schlafzimmer. Im Untergeschoss stehen neben einem Wohnraum mit einer Kochnische zwei weitere Schlafzimmer und ein Raum mit Dusche und WC zur Verfügung. Im ganzen Haus gibt es nur einen Zähler für die Elektrizität, eine Heizung und einen Wasserzähler. Die beiden Geschosse sind durch je eine unabhängige Haustüre zugänglich und durch eine steile Treppe verbunden.
b) Der Beschwerdeführer hat den Beweis erbracht, dass er das Chalet in Ernen nicht nur mit seiner Ehegattin und den beiden Kindern benützt, sondern dass ausserdem zwei weitere Familien (diejenigen seines Bruders und seiner Schwester) regelmässig mit ihm das Haus benützen; im ganzen halten sich jeweils 13 Personen im Chalet auf. Unter diesen Umständen versteht man den Beschwerdeführer, dass er im Untergeschoss des Hauses eine weitere Kochnische sowie eine Dusche mit WC eingerichtet hat. Ferner ist festzuhalten, dass das Unter- und das Obergeschoss mit dem heutigen Ausbau doch eine gewisse Einheit bilden. Hätte der Beschwerdeführer die dem tatsächlich vorgenommenen Ausbau des Chalets entsprechenden Baupläne dem Grundbuchinspektorat korrekt vorgelegt und hätte er die Behörde über sein tatsächliches (eher aussergewöhnliches) Bedürfnis an Wohnraum informiert, so hätte die Erwerbsbewilligung erteilt werden können. Der Beschwerdeführer hat zwar sein besonders umfangreiches Bedürfnis an Wohnraum erst im bundesgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, doch kann diese neue Tatsache auch heute noch berücksichtigt werden. Schliesslich hat auch der Walliser Grundbuchinspektor im Rahmen des bundesgerichtlichen Beweisverfahrens erklärt, dass der vom Beschwerdeführer realisierte Ausbau des Chalets einer Bewilligungserteilung nicht grundsätzlich entgegengestanden wäre, wenn die Abänderungspläne verfahrenskonform vorgelegt worden wären. Der von den kantonalen Behörden ausgesprochene Widerruf der Erwerbsbewilligung ist somit nicht
BGE 108 Ib 1 S. 8
gerechtfertigt. Dagegen bleibt es der zuständigen Behörde unbenommen, wegen der festgestellten Verletzung der ursprünglich gestellten Auflagen die in
Art. 25 BewB
vorgesehenen strafrechtlichen Sanktionen gegen den Beschwerdeführer einleiten zu lassen.
c) Es ist nicht zu verkennen, dass das Chalet des Beschwerdeführers mit seiner heutigen Einrichtung mit verhältnismässig geringem Aufwand in zwei völlig selbständige und voneinander unabhängige Wohneinheiten ausgebaut werden könnte. Dadurch entstünde die Gefahr, dass der Beschwerdeführer das Grundstück später einer anderen Verwendung zuführen würde, als er heute geltend macht. Dies wäre der Fall, wenn der Beschwerdeführer in späteren Jahren das Chalet etwa nur noch mit seiner Ehegattin benützen und daher das Untergeschoss dauernd vermieten würde. In einem solchen Falle müsste eine unzulässige Vermögenslage im Sinne von
Art. 6 Abs. 3 BewB
angenommen werden. Dieser Gefahr wird die Bewilligungsbehörde bei der Neubeurteilung der Sache mit geeigneten Auflagen begegnen; die Wahl der zusätzlichen Auflagen ist der Bewilligungsbehörde zu überlassen. Immerhin fallen dabei etwa folgende Vorschriften in Betracht:
- das Gebot, das Chalet nur als Ganzes zu vermieten;
- das Gebot, das Chalet höchstens während einer gewissen Dauer des Jahres zu vermieten;
- das Verbot, die die beiden Stockwerke verbindende Treppe zu beseitigen;
- das Verbot, je zwei von einander unabhängigen Zähler für Wasser und Elektrizität einzurichten;
- das Verbot, bloss einen Teil des Chalets z.B. nur das Untergeschoss zu veräussern.
6.
In Anwendung von
Art. 114 Abs. 2 OG
ist die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen direkt an das kantonale Grundbuchinspektorat zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Widerruf der Bewilligung aufgehoben und das Grundbuchinspektorat des Kantons Wallis wird im Sinne der Erwägungen ermächtigt, weitere Auflagen in die Bewilligung aufzunehmen. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a3ae8557-49c5-41e9-8827-1a392511f878 | Urteilskopf
106 Ib 231
35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1980 i.S. Hüsler, Nydegger und Ruf gegen Staat Bern und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 6 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 5 EntG
; Enteignung von Nachbarrechten, Entzug von Licht und Sonnenschein.
Voraussetzungen zur Eröffnung eines bundesrechtlichen Enteignungsverfahrens (E. 2).
Neben den Abwehransprüchen gemäss
Art. 684 ZGB
können auch die Abwehrrechte des Nachbarn, die diesem aufgrund der nach
Art. 686 ZGB
den Kantonen vorbehaltenen privatrechtlichen Bestimmungen zustehen, Enteignungsobjekt im Sinne von
Art. 5 EntG
bilden (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3).
Die sog. negativen Immissionen stellen nach ständiger Rechtsprechung keine Einwirkungen im Sinne von
Art. 684 ZGB
dar. Frage offengelassen, ob diese Rechtsprechung, der Kritik folgend, zu ändern sei (E. 3 b-aa).
Art. 130 der bernischen Bauverordnung ist eine gemischt-rechtliche Bestimmung; die sich aus ihr ergebenden Abwehr- und Entschädigungsansprüche sind im Hinblick auf
Art. 5 EntG
den Nachbarrechten gleichzustellen, die den Grundeigentümern gestützt auf
Art. 686 ZGB
im kantonalen Privatrecht eingeräumt werden (E. 3 b-cc). | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 106 Ib 231 S. 232
Die Nationalstrasse N 1 überquert im Norden der Stadt Bern auf einem 40-50 m hohen Viadukt, der Felsenaubrücke, das Aaretal. Die Brücke wurde am 4. September 1975 dem Verkehr übergeben.
Unter bzw. unmittelbar nördlich der Felsenaubrücke liegen am Aareabhang die je mit einem Einfamilienhaus überbauten Parzellen Nr. 1692, 1755 und 2132 von Ruth Hüsler (Engerain Nr. 12), Erwin Nydegger (Engerain Nr. 14) und Johanna Ruf (Engerain Nr. 46). Die Eigentümer dieser Grundstücke wandten sich am 30. Juli 1976 an die Schätzungskommission,
BGE 106 Ib 231 S. 233
Kreis 6, mit dem Begehren, der Staat Bern sei zu verpflichten, ihnen den durch die Brücke entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Staat Bern widersetzte sich diesem Antrag an sich nicht und anerkannte, dass das Autobahnamt seit September 1974 mit den Grundeigentümern verhandelt habe und es daher dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche, Verwirkung der Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Er erklärte sich auch mit der Beurteilung der Begehren durch die Schätzungskommission ausdrücklich einverstanden und stellte die Festsetzung der Entschädigung für die durch Schattenwurf entstandenen Nachteile in deren Ermessen.
Die Schätzungskommission sprach den drei Grundeigentümern am 3. November 1977 für den Minderwert ihrer Liegenschaften eine Entschädigung von Fr. 15'000.-- (Ruth Hüsler) bzw. Fr. 17'000.-- (Erwin Nydegger und Johanna Ruf) und für Inkonvenienzen (Störung des Fernsehempfanges) je Fr. 2'000.-- zu. In ihrem Entscheid führt die Kommission im wesentlichen aus, dass den Gesuchstellern für die Beeinträchtigung der Aussicht kein Entschädigungsanspruch zustehe und der von der Autobahn ausgehende Lärm zu bescheiden sei, als dass er eine Entwertung der Liegenschaften bewirken könnte. Dagegen entstünde durch den Schattenwurf eine Beeinträchtigung, die gesamthaft als schwer und übermässig zu bezeichnen sei. Zudem wirke die Felsenaubrücke wie ein Betonkoloss, der völlig aus dem Rahmen der bestehenden Überbauung falle, was für die Bewohner des Engerains zu weiteren schwerwiegenden Nachteilen führe.
Die drei Grundeigentümer haben gegen den Entscheid der Schätzungskommission Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und volle Entschädigung verlangt. Das Bundesgericht erhöht die Minderwertsentschädigungen auf einen Drittel des Verkehrswertes der einzelnen Liegenschaften.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Da das Bundesgericht in bundesrechtlichen Enteignungsverfahren das Recht von Amtes wegen anzuwenden und zudem seine Aufsichtspflichten wahrzunehmen hat (
Art. 63 EntG
), ist im vorliegenden Fall zunächst zu prüfen, ob die formellen Voraussetzungen zur Eröffnung eines Enteignungsverfahrens überhaupt erfüllt waren, ob die Entschädigungsansprüche
BGE 106 Ib 231 S. 234
der Enteigneten nicht bereits verwirkt waren sowie ob und inwieweit die Schätzungskommission in der Sache selbst zum Entscheid zuständig war (
BGE 101 Ib 281
E. 1 und 3a,
BGE 99 Ib 485
E. 2a,
BGE 96 I 192
E. 3; vgl. auch
BGE 105 Ib 12
E. 3a,
BGE 101 Ib 350
).
2.
a) In der Regel kann einzig das Unternehmen, das mit dem Enteignungsrecht ausgestattet oder welchem dieses noch zu verleihen ist, den Präsidenten der Schätzungskommission um Einleitung eines Enteignungsverfahrens ersuchen. Die Privaten können ihre Entschädigungsforderungen erst dann bei der Schätzungskommission anmelden, wenn das formelle Verfahren bereits eröffnet worden ist, d.h. wenn eine öffentliche Planauflage im Sinne von
Art. 30 EntG
stattgefunden hat oder ihnen im abgekürzten Verfahren nach Art. 33 f. EntG eine persönliche Anzeige zugestellt worden ist (
BGE 102 Ib 58
E. 3a,
BGE 101 Ib 284
E. 3a mit Verweisungen). Dass der Private auf anderem Wege - durch ein entsprechendes Begehren an den Werkeigentümer selbst oder an die zur Erteilung des Enteignungsrechtes zuständige Behörde - allenfalls eine Verfahrenseröffnung bewirken kann, ändert an dieser Regelung nichts und berechtigt die Schätzungskommission jedenfalls nicht, dem Antrag eines Privaten auf Einleitung eines Enteignungsverfahrens stattzugeben. Eine Ausnahme gilt nur für die Fälle materieller Enteignung, in denen das Gesetz den Privaten ausdrücklich ermächtigt, seine Ersatzansprüche direkt der Schätzungskommission zu unterbreiten (
BGE 102 Ib 59
E. 3b,
BGE 101 Ib 284
E. 3b, nicht publ. Entscheide vom 21. Februar 1979 i.S. Berger und i.S. Koch; s.a.
BGE 105 Ib 11
E. 2b).
b) Aus den Akten ergibt sich nicht, ob seinerzeit die für den Bau der Felsenaubrücke benötigten Rechte in einem formellen Enteignungsverfahren mit öffentlicher Planauflage erworben worden sind. Dieser Punkt bedarf jedoch keiner weiteren Abklärung, da er unter den hier gegebenen Umständen weder für die Frage nach den Voraussetzungen zur Verfahrenseinleitung noch für jene der Verwirkung der Entschädigungsansprüche ausschlaggebend sein kann:
Ist bisher kein Verfahren mit öffentlicher Planauflage durchgeführt worden, so hätte zwar der Kanton als Werkeigentümer selbst die Schätzungskommission um Eröffnung eines Verfahrens zur Beurteilung der angemeldeten Entschädigungsansprüche ersuchen müssen. Der Staat Bern hat jedoch in seiner
BGE 106 Ib 231 S. 235
Vernehmlassung zur Forderungseingabe der Grundeigentümer der Verfahrenseinleitung ausdrücklich zugestimmt und sie damit sinngemäss selbst verlangt; der ursprüngliche Mangel darf als geheilt gelten (in gleichem Sinne zit. Entscheide i.S. Berger E. 4c, i.S. Koch E. 4c). Hat keine Planauflage nach
Art. 30 EntG
stattgefunden und sind die Beschwerdeführer nicht in ein abgekürztes Enteignungsverfahren gemäss Art. 33 f. EntG einbezogen worden - was offensichtlich nur der Fall gewesen wäre, wenn von ihnen Land für den Bau der Brücke verlangt worden wäre -, so fällt auch eine Verwirkung der Entschädigungsansprüche ausser Betracht, da die in
Art. 41 EntG
vorgesehene Verwirkungsfrist für die Betroffenen nur dann läuft, wenn diese im Rahmen eines vorangegangenen Enteignungsverfahrens ausdrücklich auf die Verwirkungsfolgen hingewiesen worden sind (vgl.
Art. 30 Abs. 1 lit. c und Abs. 2,
Art. 34 lit. f EntG
;
BGE 105 Ib 10
f. E. 2b,
BGE 100 Ib 202
,
BGE 92 I 178
,
BGE 88 I 198
).
Ist demgegenüber eine öffentliche Planauflage durchgeführt worden, so durften die Beschwerdeführer ihre Entschädigungsforderungen direkt bei der Schätzungskommission einreichen und hätte die in
Art. 41 Abs. 2 EntG
umschriebene Verwirkungsfrist grundsätzlich beachtet werden müssen. Der Anwendung von
Art. 41 EntG
stünde aber in diesem Falle die Erklärung des Staates Bern entgegen, wonach er durch sein eigenes Verhalten die Grundeigentümer von einer rechtzeitigen Forderungsanmeldung abgehalten habe. Die Verwirkungseinrede müsste daher als rechtsmissbräuchlich (
BGE 83 II 98
) und die Anwendung von
Art. 41 EntG
als Verstoss gegen Treu und Glauben betrachtet werden.
c) Waren demnach die Voraussetzungen zur Eröffnung des Enteignungsverfahrens gegeben und durfte die Verwirkung der Entschädigungsbegehren verneint werden, so stand der Durchführung des Einigungs- und Schätzungsverfahrens unter diesen Gesichtspunkten nichts entgegen. Zu prüfen bleibt, ob die Schätzungskommission zur Beurteilung der einzelnen Entschädigungsansprüche zuständig war.
3.
Die sachliche Zuständigkeit der eidgenössischen Schätzungskommission ist dann gegeben, wenn durch ein mit dem Enteignungsrecht ausgestattetes oder noch auszustattendes Unternehmen Rechte entzogen oder beschränkt werden, die nach Bundesrecht Enteignungsobjekte bilden. Gemäss
Art. 5 EntG
BGE 106 Ib 231 S. 236
können neben anderen dinglichen Rechten, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, auch die aus dem Grundeigentum hervorgehenden Nachbarrechte Gegenstand der Enteignung sein. Darunter sind nicht nur die sich aus
Art. 684 ZGB
ergebenden Ansprüche des Grundeigentümers auf Unterlassung übermässiger Immissionen zu verstehen, sondern auch die Abwehrrechte des Nachbarn, die ihm aufgrund der nach
Art. 686 ZGB
den Kantonen vorbehaltenen privatrechtlichen Bauvorschriften zustehen (
BGE 102 Ib 352
mit Verweisungen,
BGE 101 Ib 61
f. E. 3bb; MEIER-HAYOZ, N. 147 zu Art. 685/6 ZGB).
a) Der Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführer stützt sich, soweit die Nachteile der Lärmeinwirkungen und weiterer positiver Immissionen abgegolten werden sollen, auf
Art. 684 ZGB
. Die Schätzungskommission war daher kompetent, in dieser Hinsicht über die Entschädigungsbegehren zu entscheiden, und zwar nicht nur über die Höhe der Entschädigung, sondern auch darüber, ob überhaupt eine Verletzung von Nachbarrechten vorlag, da in solchen Fällen
Art. 69 Abs. 1 EntG
keine Anwendung findet (
BGE 102 Ib 351
mit Verweisungen).
b) Heikler ist dagegen die Frage, ob die Schätzungskommission zur Behandlung der Begehren der Grundeigentümer auch zuständig war, soweit diese eine Entschädigung für den Entzug von Licht und Sonnenschein und für die Beeinträchtigung der Aussicht verlangten.
aa) Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung erzeugt die blosse Existenz einer Baute oder baulichen Anlage keine Einwirkungen im Sinne von
Art. 684 ZGB
; solche können sich nur aus dem Bau und aus der Art der Benutzung oder des Betriebes der Anlage ergeben (
BGE 102 Ib 351
,
BGE 100 Ib 195
E. 7b,
BGE 97 I 357
E. 1c,
BGE 91 II 341
E. 3;
BGE 88 II 264
, 334 f.,
BGE 40 II 344
ff.). Wird durch eine Baute dem Nachbargrundstück Licht und Sonnenschein entzogen oder die Aussicht beeinträchtigt, so kann sich der Betroffene nicht auf
Art. 684 ZGB
berufen. Die sogenannten negativen Immissionen unterstehen nach der zitierten Rechtsprechung ausschliesslich dem in
Art. 686 ZGB
vorbehaltenen Privatrecht sowie dem öffentlichen Baurecht der Kantone. In der Lehre findet diese Auffassung vorwiegend Zustimmung (HAAB, N. 12 zu
Art. 684 ZGB
, LIVER, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1 S. 227 ff., KOLB, Die Haftung des Grundeigentümers, ZSR 71 II/1952 S. 143 f.,
BGE 106 Ib 231 S. 237
STARK, N. 22 zu
Art. 928 ZGB
, ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, § 160/1 N. 4 S. 463), vereinzelt wird sie auch - vor allem im älteren Schrifttum - kritisiert (vgl. BACHMANN, Die nachbarliche Überschreitung des Grundeigentums, Diss. Bern 1937, S. 89 ff. und die in N. 4 S. 91 zit. Literatur; SCHLEGEL, Die Immissionen des
Art. 684 ZGB
, Diss. Zürich 1949 S. 55 ff.). MEIER-HAYOZ hält ihr entgegen, es ergebe sich sowohl aus dem Text wie auch aus dem Sinn und Zweck von
Art. 684 ZGB
, dass der Nachbar gegen alle Arten von Immissionen geschützt werden soll. Positive und negative Immissionen seien oft kaum trennbar miteinander verbunden und daher den gleichen Normen zu unterstellen. Nur so werde gesamtschweizerisch ein minimaler Schutz des Menschen auch vor negativen Immissionen gewährleistet. Allerdings würde auch nach Ansicht von MEIER-HAYOZ die uneingeschränkte Subsumtion der durch die Existenz von Bauten hervorgerufenen Immissionen unter
Art. 684 ZGB
zu unbefriedigenden Resultaten führen. Er stellt wie die bereits genannten Autoren BACHMANN und SCHLEGEL fest, dass es für den Grundeigentümer, der sein Gebäude im Vertrauen auf das kantonale Baurecht erstellt hat, unzumutbar wäre und zu Rechtsunsicherheit führen würde, wenn die Beseitigung der Baute verlangt werden könnte; bei negativen Immissionen wäre daher aufgrund von
Art. 684 ZGB
nur eine Präventivklage oder, falls die Baute schon erstellt ist, ein Ausgleichsanspruch in Geld zu gewähren (N. 61 zu
Art. 684 ZGB
).
Im vorliegenden Fall kann jedoch von einer näheren Prüfung dieser Frage abgesehen werden, da ein Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführer - jedenfalls für den Entzug von Licht und Sonnenschein - auch dann zu bejahen ist, wenn in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre davon ausgegangen wird, dass negative Immissionen von der Regelung von
Art. 684 ZGB
nicht erfasst werden und ausschliesslich dem kantonalen Recht unterstehen.
bb) Wie bereits erwähnt, können auch die Abwehrrechte, die das in
Art. 686 ZGB
vorbehaltene kantonale Privatrecht dem Nachbarn verleiht, Enteignungsobjekte im Sinne von
Art. 5 EntG
darstellen. Werden derartige Rechte durch ein öffentliches Werk (
Art. 1 Abs. 1 EntG
) verletzt oder unterdrückt, so ist über die Entschädigung in einem bundesrechtlichen Enteignungsverfahren zu befinden. Im Entscheid Bläsi hat das Bundesgericht die weitere Frage aufgeworfen, ob ein
BGE 106 Ib 231 S. 238
formelles Enteignungsverfahren auch dann durchzuführen sei, wenn für die Errichtung eines Werkes von öffentlichrechtlichen Bestimmungen abgewichen werden muss, welche von Kantonen und Gemeinden aufgrund des - unechten - Vorbehaltes von
Art. 702 ZGB
(
BGE 71 I 438
E. 4;
BGE 96 I 137
E. 6) erlassen worden sind. Ohne sich festzulegen, hat das Bundesgericht immerhin die Möglichkeit in Betracht gezogen, solche öffentlichrechtlichen Bestimmungen, soweit sie nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch den Privatinteressen der Nachbarn dienen, den gestützt auf
Art. 686 ZGB
erlassenen Bauvorschriften des kantonalen Zivilrechtes gleichzustellen (
BGE 102 Ib 352
). Diese Möglichkeit ist hier, wie im folgenden dargestellt, zu bejahen.
cc) Im bernischen Baurecht findet sich eine besondere Bestimmung über die Zumutbarkeit von Licht- und Sonnenentzug durch Bauten, die aufgrund von Sonderbauvorschriften erstellt werden. Art. 130 der Bauverordnung vom 26. November 1970 (Vollziehungsverordnung zum Baugesetz vom 7. Juni 1970/BauV) sieht für den Schattenwurf folgende Regelung vor:
"Höhere Häuser, Hochhäuser und Sonderbauformen dürfen bestehende oder nach den geltenden Vorschriften mögliche Wohnbauten nicht durch Schattenwurf übermässig beeinträchtigen.
Die zulässige Beschattungsdauer beträgt:
a) bei Tag- und Nachtgleiche (21. März) zwischen 7.30 und 17.30 Uhr 2 Stunden;
b) bei mittlerem Wintertag (8. Februar) zwischen 8.30 und 16.30 Uhr 2 Stunden.
Ist die Besonnung einer Liegenschaft infolge topographischer Gegebenheiten oder durch bestehende Bauten bereits erheblich eingeschränkt, so sind die Beschattungstoleranzen angemessen zu reduzieren.
Diese Regeln gelten auch für die Besonnung innerhalb einer Gesamtüberbauung."
Wird ein Grundstück ungewöhnlich stark durch Schattenwurf beeinträchtigt, so kann der betroffene Grundeigentümer im sogenannten Lastenausgleichsverfahren nach Art. 51 f. des Berner Baugesetzes (BauG) eine Entschädigung fordern. Die Entschädigung dient als Ausgleich dafür, dass der eine der Grundeigentümer aus der Bewilligung zur zonenfremden Nutzung seines Grundstückes einen Sondervorteil ziehen kann, während der andere durch eben diese Bauweise benachteiligt wird (vgl. ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz, N. 1 zu Art. 51, LUDWIG, Der Lastenausgleich nach Art. 51 f. Baugesetz,
BGE 106 Ib 231 S. 239
BVR/JAB 1977 S. 314 ff., GYGI, Expropriation, materielle Enteignung und Lastenausgleich, in: Rechtliche Probleme des Bauens, S. 104; Urteil des Berner Verwaltungsgerichts vom 23. August 1976 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Deuber und Schild, publ. in BVR/JAB 1977 S. 74 ff.). Wie das Entschädigungsverfahren ausgestaltet ist, ist hier nicht von Bedeutung. Massgebend ist, dass im bernischen Recht ausdrücklich festgelegt wird, bis zu welcher Höchstdauer der Grundeigentümer eine Beschattung durch Nachbarbauten zu dulden hat.
Nun ist zwar diese Bestimmung, die den Grundeigentümer vor übermässigem Schattenwurf schützt, nicht ins Einführungsgesetz zum ZGB, sondern ins kantonale Baugesetz aufgenommen worden. Es scheint daher zunächst, sie sei aufgrund des Vorbehaltes von Art. 702 und nicht von
Art. 686 ZGB
erlassen worden. In welchem Erlass eine Rechtsnorm aufgeführt wird, kann indessen nicht entscheidend sein für ihre - privat- oder öffentlichrechtliche - Natur (
BGE 56 II 22
; MEIER-HAYOZ, N. 30 zu
Art. 680 ZGB
, HAAB, N. 6 zu
Art. 680 ZGB
); diese ergibt sich vielmehr aus dem positiven Recht, insbesondere aus der betreffenden Rechtsnorm selbst. Aus der Bestimmung von Art. 130 BauV geht klar hervor, dass sie nicht nur dem Interesse der Öffentlichkeit an der Wohnhygiene dient, sondern vorwiegend zum Schutze der besonderen Interessen der Nachbarn erlassen worden ist. Dies ergibt sich denn auch daraus, dass die Feststellung, eine Baute verursache übermässigen Schattenwurf, nicht etwa deren Abbruch oder ein Verbot zur Folge hat, das beeinträchtigte Gebäude weiterhin zu bewohnen; sie löst einzig eine Entschädigungspflicht aus. Der kantonale Gesetzgeber hat somit die gleiche Regelung getroffen, wie sie im Zivilgesetzbuch in analoger Anwendung der Bestimmungen über den Überbau (
Art. 674 ZGB
) für Bauten vorgesehen ist, die den Vorschriften des privaten nachbarlichen Baurechts des Bundes oder der Kantone zuwiderlaufen (Art. 685 in Verbindung mit
Art. 686 ZGB
): dem Bauenden kann, wenn es die Umstände rechtfertigen, gegen angemessene Entschädigung eine Duldungsdienstbarkeit zu Gunsten seines Grundstückes und zu Lasten der Nachbarparzelle eingeräumt werden (vgl.
BGE 101 II 364
E. 3b, 82 II 399,
BGE 41 II 219
f.; MEIER-HAYOZ, N. 123 zu Art. 685/686 ZGB). Art. 130 BauV stellt demnach nicht eine rein öffentlichrechtliche, sondern eine sogenannte gemischt-rechtliche oder Doppelnorm dar
BGE 106 Ib 231 S. 240
(vgl.
BGE 91 I 415
,
BGE 90 I 208
; s. etwa ZWAHLEN, Du droit des voisins à l'observation des règles de police des constructions, in: Mélanges François Guisan, S. 325 ff., insbesondere S. 336 ff., MEIER-HAYOZ, N. 34 ff. zu
Art. 680 ZGB
; kritisch: KUTTLER, Zur Problematik der gemischt-rechtlichen Normen in Baurecht, ZBl 67/1966 S. 265 ff., BÄUMLIN, Privatrechtlicher und Öffentlichrechtlicher Immissionenschutz, in: Rechtliche Probleme des Bauens, S. 128).
Insofern die in Art. 130 BauV enthaltene Vorschrift über den Schattenwurf auch privatrechtlichen Charakter aufweist, darf sie bei der Anwendung von
Art. 5 EntG
jenen kantonalen Vorschriften gleichgestellt werden, die ausschliesslich aufgrund des Vorbehaltes von
Art. 686 ZGB
erlassen worden sind. Diese Gleichstellung rechtfertigt sich aus verschiedenen Gründen: Einerseits wird damit der bestehenden Tendenz Rechnung getragen, das öffentliche Recht auf alle Bereiche des Bauens, insbesondere auf das ganze Gebiet des Immissionsschutzes auszudehnen und ihm auch die Aufgaben zu übertragen, die ursprünglich vom Zivilrecht wahrgenommen worden sind. Andererseits trifft es, wie MEIER-HAYOZ hervorhebt (N. 6 zu
Art. 684 ZGB
) und sich im vorliegenden Falle bestätigt hat, tatsächlich zu, dass positive und negative Immissionen oft eng miteinander verbunden sind und nur eine Gesamtbetrachtung ein Urteil über die Auswirkungen auf den Betroffenen zulässt. Und schliesslich liesse es sich aus prozessökonomischen Gründen kaum vertreten, den Grundeigentümer im formellen Enteignungsverfahren nur für die positiven Einwirkungen zu entschädigen und ihn für die negativen Immissionen auf ein Verfahren wegen materieller Enteignung zu verweisen. Übrigens hat auch der Bundesrat schon im Jahre 1944 entschieden, dass öffentlichrechtliche Bestimmungen kantonaler Baugesetze gleichzeitig privatrechtliche Bauvorschriften im Sinne von
Art. 686 ZGB
bilden können und die durch diese Vorschriften geschaffenen Abwehrrechte auf dem Wege einer formellen Enteignung, durch zwangsweise Auferlegung einer Dienstbarkeit, aufgehoben oder unterdrückt werden können (VEB 17 Nr. 143).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die aus Art. 130 BauV ergebenden Abwehr- und Entschädigungsansprüche den Nachbarrechten, die den Grundeigentümern in den kraft des Vorbehaltes von
Art. 686 ZGB
erlassenen privatrechtlichen
BGE 106 Ib 231 S. 241
Vorschriften eingeräumt werden, gleichzustellen sind; sie können Enteignungsobjekte im Sinne von
Art. 5 EntG
bilden. Die Schätzungskommission hat sich daher zu Recht für zuständig erachtet, über die Entschädigungsbegehren der Beschwerdeführer für den Entzug von Licht und Sonnenschein zu befinden.
Der Klarheit halber ist beizufügen, dass sich der Anspruch auf Durchführung eines formellen Enteignungsverfahrens nur aufgrund der hier herangezogenen, besonderen Bestimmungen des kantonal-bernischen Rechts ergibt und nicht schon in jedem Fall entsteht, in welchem beim Bau eines Werkes von einer Vorschrift des kantonalen Baugesetzes abgewichen werden muss. Nicht zu prüfen ist die Frage, wie hier zu entscheiden wäre, wenn die Bestimmung von Art. 130 BauV nicht existierte.
dd) Im Gegensatz zu den Bestimmungen über den Entzug von Licht und Sonne enthält das private Baurecht des Kantons Bern offenbar keine speziellen Vorschriften über den Schutz der Aussicht; jedenfalls wird in der Beschwerde keine derartige Bestimmung erwähnt. Die Schätzungskommission hätte daher auf das Gesuch um Entschädigung für die Beeinträchtigung der Aussicht, welches sie als unbegründet bezeichnet hat, überhaupt nicht eintreten sollen.
Für die Frage der Minderwerts-Bemessung fällt dieser Punkt jedoch ohnehin kaum ins Gewicht.
4.
(Bemessung der Entschädigung.) | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a3afbe58-6db4-4b31-b286-2de45ab96cd3 | Urteilskopf
85 IV 121
31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. September 1959 i.S. Kolb gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
.
Die Täuschung des richterlichen Vertrauens setzt nicht voraus, dass die neue Verfehlung und die strafbare Handlung, für welche der bedingte Strafvollzug gewährt worden ist, von gleicher Art seien, auch nicht, dass die Schwere der neuen Verfehlung zu derjenigen der früheren Straftat in einem angemessenen Verhältnis stehe. | Erwägungen
ab Seite 121
BGE 85 IV 121 S. 121
Das Gesetz verlangt in
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
nicht bloss, dass der unter Bewährungsprobe stehende Verurteilte vorsätzlich weder ein Verbrechen noch ein Vergehen verübe, sondern es fordert darüber hinaus, dass er sich allgemein des bedingten Strafvollzuges würdig erweise, d.h. dass er das in ihn gesetzte Vertrauen, er werde sich wohlverhalten, auch durch leichtere Verfehlungen, namentlich durch Übertretungen und fahrlässig begangene Delikte, nicht täusche. Das Wohlverhalten, das erwartet wird, muss sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auf sämtliche Lebensgebiete erstrecken. Getäuscht ist das richterliche Vertrauen auch dann, wenn die während der Probezeit begangene Verfehlung zu einem andern Lebensbereich gehört als die strafbare Handlung, für die der bedingte Strafvollzug gewährt worden ist. So
BGE 85 IV 121 S. 122
wird beim Dieb oder Betrüger nicht nur vorausgesetzt, dass er sich an fremdem Eigentum nicht mehr verfehle, sondern ebensosehr, dass er auch auf sittlichem und anderen Gebieten nicht mehr strafbar werde. Dementsprechend muss nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 schon bei der Gewährung des bedingten Strafvollzuges die Erwartung gerechtfertigt sein, der Täter werde durch die Warnungsstrafe von weiteren Verbrechen und Vergehen schlechthin abgehalten, nicht bloss von Strafhandlungen, für welche die Massnahme zugebilligt wird. Und ebenso müssen bei der Beurteilung dieser Voraussage ausser den Tatumständen das gesamte frühere Verhalten und der Charakter des Täters als Ganzes berücksichtigt werden, nicht nur diejenigen Charaktereigenschaften und früheren Handlungen, die mit der zu beurteilenden Tat sachlich im Zusammenhange stehen.
Ebensowenig kann dem Beschwerdeführer darin zugestimmt werden, dass eine Täuschung des richterlichen Vertrauens nur vorliege, wenn die Schwere des neuen Fehltrittes zu derjenigen der früheren Straftat in Relation stehe. Ein solches Erfordernis würde auf eine nicht gerechtfertigte Privilegierung derjenigen Verurteilten hinauslaufen, die sich besonders schwer vergangen haben. Je schwerer die Tat war, für die der bedingte Strafvollzug gewährt wurde, umsomehr ist dem Täter zuzumuten, dass er sich künftig auch vor weniger schweren Verfehlungen hüte. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a3b15c78-fc1f-45c8-9e16-d935076c8371 | Urteilskopf
140 III 456
66. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre B. (recours en matière civile)
5A_10/2014 du 22 août 2014 | Regeste
Art. 82 und 84 SchKG
;
Art. 16 IPRG
; Rechtsöffnungsverfahren; Feststellung ausländischen Rechts.
Es obliegt dem Betreibenden, soweit dies von ihm zumutbarerweise verlangt werden kann, den Inhalt ausländischen Rechts zu ermitteln, vorliegend hinsichtlich der Fälligkeit der Forderung (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 456
BGE 140 III 456 S. 456
A.
Le 3 décembre 2012, B. (poursuivant) a fait notifier à A. (poursuivi) un commandement de payer la somme de 299'624 fr. avec intérêts à 10 % dès le 27 novembre 2007 (contre-valeur de GBP 200'000) (...), en invoquant comme titre de la créance: "IOU Loan note du 5 juin 2008 signée tant par le débiteur que par le créancier" (...). Le poursuivi a formé opposition totale.
B.
Statuant le 19 mars 2013 sur la requête formée le 29 janvier 2013 par le poursuivant, le Juge de paix du district de la Riviera - Pays-d'Enhaut a prononcé la mainlevée provisoire de l'opposition à concurrence de 299'624 fr. plus intérêts à 10 % l'an dès le 27 novembre 2007. Par arrêt du 27 novembre 2013, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours du poursuivi et confirmé cette décision. (...)
BGE 140 III 456 S. 457
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile du poursuivi et rejeté la requête de mainlevée.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants :
2.
2.1
L'autorité précédente est partie du principe que la cause revêt un caractère international en raison du domicile à l'étranger du poursuivant (art. 1
er
al. 1 let. b LDIP; RS 291). Contrairement au premier juge, l'invocation du droit suisse par le poursuivant (i.e.
art. 318 CO
) ainsi que l'absence de contestation du poursuivi à cet égard ne permettent pas de conclure à une élection de ce droit (cf.
art. 116 LDIP
); après avoir qualifié de prêt de consommation l'accord liant les parties, elle a retenu que celui-ci est soumis à la législation anglaise, en tant que droit du domicile du prêteur (poursuivant) à l'époque de la conclusion du contrat (
art. 117 al. 2 et 3 let. b LDIP
).
Quant au droit applicable, la cour cantonale a considéré qu'il incombe à la partie qui s'en prévaut "d'établir le contenu d'un droit étranger peu connu et dont l'accès aux sources n'est pas aisé", faute que quoi, "soit que la partie n'entreprenne pas cette preuve, soit qu'elle échoue dans celle-ci, le juge applique le droit suisse, en vertu de l'
art. 16 al. 2 LDIP
"; en effet, le juge de la mainlevée ne dispose ni du temps ni des moyens nécessaires pour établir d'office la législation étrangère, car il ne peut recourir aux mécanismes de la Convention européenne du 7 juin 1968 dans le domaine de l'information sur le droit étranger (RS 0.274.161) ni ordonner une expertise sur le droit étranger. En l'espèce, "aucune des parties n'a cherché à établir le contenu du droit anglais", que ce soit en première ou en seconde instance. Cela étant, vu les principes précités, "découlant notamment du caractère simple et rapide de la procédure sommaire applicable", il n'y a pas d'obligation "de suspendre la cause en vue de faire établir le droit anglais, ni d'annuler le prononcé aux fins que le premier juge établisse le droit étranger"; aussi, le présent litige appelle-t-il l'application du droit suisse (
art. 16 al. 2 LDIP
).
2.2
2.2.1
Les conditions d'octroi de la mainlevée provisoire de l'opposition, qui est un pur incident de la poursuite (
ATF 139 III 444
consid. 4.1.1 et les références), spécialement l'exigence d'une reconnaissance de dette ainsi que les éléments d'un tel acte, ressortissent à la lex fori suisse; en revanche, les questions de droit matériel - notamment l'exigibilité de la réclamation (cf. pour le séquestre: arrêts
BGE 140 III 456 S. 458
5P.355/2006 du 8 novembre 2006 consid. 4.1, in Pra 2007 n° 47; 5A_268/2011 du 31 octobre 2011 consid. 3.1) - qui touchent à l'engagement du poursuivi sont résolues par la loi que désignent les règles de conflit du droit international privé suisse (STAEHELIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2
e
éd. 2010, n° 174 ad
art. 82 LP
, et VOCK, in SchKG, Kurzkommentar, 2
e
éd. 2014, n° 42 ad
art. 82 LP
; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, p. 338 ss; cf. par exemple, pour la prescription: arrêt de l'Obergericht du canton de Bâle-Campagne du 21 avril 1988, in BJM 1989 p. 258 ss).
Sous réserve de l'exigibilité de la prétention de son adversaire (cf. infra, consid. 2.4), le recourant ne conteste pas l'existence d'un engagement de nature obligatoire - à savoir un contrat de prêt de consommation (cf. STAEHELIN, op. cit., n
os
119 ss ad
art. 82 LP
) -, comportant sa signature, par lequel il a promis de payer au poursuivant, sans réserve ni condition, une somme d'argent déterminée (cf.
ATF 139 III 297
consid. 2.3.1).
2.2.2
L'intimé conteste l'application du droit anglais; en bref, il expose que la reconnaissance de dette a été souscrite à "X." et qu'elle ne mentionne pas le domicile du prêteur, qui est au surplus de "nationalité zimbabwéienne".
Ce moyen - que la partie intimée est admise à soulever (cf.
ATF 134 III 332
consid. 2.3;
ATF 136 III 502
consid. 6.2;
ATF 137 I 257
consid. 5.4) - doit être écarté. D'une part, l'intéressé ne réfute pas les motifs de l'autorité précédente (
art. 42 al. 2 LTF
;
ATF 134 II 244
consid. 2.1), de sorte que son argumentation est irrecevable (
ATF 140 III 86
consid. 2). D'autre part, en matière contractuelle - sauf volonté contraire des contractants (
art. 116 al. 1 LDIP
), qui n'est pas démontrée en l'espèce -, le critère de rattachement pertinent n'est pas le lieu de la conclusion du contrat, mais, en principe, la résidence habituelle de la partie qui doit fournir la prestation caractéristique (
art. 117 al. 2 LDIP
; BONOMI, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 4 ad
art. 117 LDIP
), en l'occurrence celle du prêteur (
art. 117 al. 3 let. b LDIP
;
ATF 128 III 295
consid. 2a; BONOMI, op. cit., n° 34 ad
art. 117 LDIP
et les références; cf. déjà avant l'entrée en vigueur de la LDIP:
ATF 78 II 190
consid. 1). La nationalité de celui-ci n'est pas davantage décisive.
2.3
Aux termes de l'
art. 16 LDIP
, le contenu du droit étranger est établi d'office; à cet effet, la collaboration des parties peut être
BGE 140 III 456 S. 459
requise; en matière patrimoniale, la preuve peut être mise à la charge des parties (al. 1). Le droit suisse s'applique si le contenu du droit étranger ne peut pas être établi (al. 2).
L'
art. 16 al. 1 LDIP
consacre l'obligation pour le juge cantonal d'établir d'office le droit étranger (
ATF 118 II 83
consid. 2a), sans s'en remettre au bon vouloir des parties, auxquelles il doit toutefois donner la possibilité de s'exprimer quant au droit applicable à un stade de la procédure qui précède l'application de ce droit (
ATF 121 III 436
consid. 5a). Le juge cantonal doit ainsi déterminer le contenu du droit étranger en s'inspirant des sources de celui-ci, c'est-à-dire la législation, la jurisprudence et éventuellement la doctrine; ce devoir vaut aussi lorsqu'il s'agit d'établir le droit d'un pays non voisin, en recourant à l'assistance que peuvent fournir les instituts et services spécialisés compétents, tel que l'Institut suisse de droit comparé (
ATF 121 III 436
consid. 5b). Le juge cantonal doit d'abord chercher à établir lui-même le droit étranger (
art. 16 al. 1, 1
re
phrase, LDIP). Il a plusieurs possibilités pour associer les parties à l'établissement du droit applicable. Il peut, dans tous les cas, exiger que celles-ci collaborent à l'établissement de ce droit (art. 16 al. 1, 2
e
phrase, LDIP), par exemple en invitant une partie qui est proche d'un ordre juridique étranger à lui apporter, en raison de cette proximité, des informations sur le droit applicable. Il peut également, dans les affaires patrimoniales, mettre la preuve du droit étranger à la charge des parties (art. 16 al. 1, 3
e
phrase, LDIP). Même si les parties n'établissent pas le contenu du droit étranger, le juge doit, en vertu du principe "iura novit curia", chercher à déterminer ce droit, dans la mesure où cela n'est ni intolérable ni disproportionné. Ce n'est que lorsque les efforts entrepris n'aboutissent pas à un résultat fiable, ou qu'il existe de sérieux doutes quant au résultat obtenu (
ATF 128 III 346
consid. 3.2.1), que le droit suisse peut être appliqué en lieu et place du droit étranger normalement applicable (
art. 16 al. 2 LDIP
).
L'application de la disposition précitée aux litiges soumis à la procédure sommaire (
art. 248 ss CPC
), en particulier aux mesures provisionnelles (
art. 261 ss CPC
), fait l'objet de controverses (cf. notamment: KNOEPFLER ET AL., Droit international privé suisse, 3
e
éd. 2005, n. 468; MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, in Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3
e
éd. 2013, n
os
16 et 20 ad
art. 16 LDIP
). En matière de séquestre (
art. 271 ss LP
), à savoir dans un domaine où le juge procède à un examen sommaire du bien-fondé de la créance alléguée (
ATF 138 III 232
consid. 4.1.1), le Tribunal fédéral a jugé
BGE 140 III 456 S. 460
qu'il n'est pas arbitraire (
art. 9 Cst.
), vu l'urgence qu'une telle mesure implique (
ATF 107 III 29
consid. 3), "de renoncer à établir le contenu du droit étranger et d'appliquer directement le droit suisse" (arrêt 5A_60/2013 du 27 mai 2013 consid. 3.2.1.2). Pour la mainlevée d'opposition, une ancienne jurisprudence vaudoise affirme que, lorsque le droit étranger est applicable, le juge peut "exiger des parties qu'elles établissent l'existence des règles légales invoquées et, à ce défaut, s'en tenir au droit suisse" (arrêt du 12 janvier 1937, in PANCHAUD/CAPREZ, La mainlevée d'opposition, 1939, § 151).
2.4
L'opinion de la juridiction précédente d'après laquelle le juge de la mainlevée, qui statue en procédure sommaire (
art. 251 let. a CPC
), n'a pas l'obligation de rechercher d'office le contenu du droit étranger - en d'autres termes l'inapplication de l'
art. 16 al. 1,
1
re
phrase
, LDIP - reflète l'avis dominant (STAEHELIN, op. cit., n° 174 ad
art. 82 LDIP
et les citations); en effet, si elle ne présente certes pas le degré d'urgence consubstantiel au séquestre, la procédure de mainlevée ne postule pas moins une certaine célérité, ce que confirme l'
art. 84 al. 2 LP
(
ATF 138 III 483
consid. 3.2.4).
Toutefois, s'il n'incombe pas au juge de la mainlevée de constater de son propre chef le contenu du droit étranger, cela ne dispense pas pour autant le
poursuivant
d'établir ce droit, dans la mesure où l'on peut raisonnablement l'exiger de lui (art. 16 al. 1,
3
e
phrase
, LDIP; cf. pour le séquestre: arrêt 5P.422/1999 du 13 mars 2000 consid. 3b; BREITSCHMID, Übersicht zur Arrestbewilligungspraxis nach revidiertem SchKG, PJA 1999 p. 1009 ch. 1.3 let. b; MEIER-DIETERLE, Formelles Arrestrecht - eine Checkliste, PJA 2002 p. 1227 ch. 9), même sans y avoir été invité par le juge (arrêt de la Camera d'esecuzione e fallimenti del Tribunale d'appello du canton du Tessin du 24 février 2000, in Rep 133/2000 p. 230). De manière générale, le juge ne peut d'ailleurs s'en remettre au bon vouloir des parties de prouver ou non le contenu du droit étranger et, si elles ne le font pas, se référer au droit suisse (
ATF 121 III 436
consid. 5a, qui s'appuie sur le Message du 10 novembre 1982 concernant une loi de DIP, FF 1983 I 302 ch. 214.4).
En l'occurrence, on ne saurait soutenir que le poursuivant a entrepris des "efforts" pour établir le contenu du droit anglais, lesquels n'ont pas été couronnés de succès, justifiant dès lors l'application du droit suisse (
art. 16 al. 2 LDIP
). Au contraire, il ressort de l'arrêt attaqué (
art. 105 al. 1 LTF
; cf.
ATF 140 III 16
consid. 1.3.1), complété par la
BGE 140 III 456 S. 461
requête de mainlevée provisoire (
art. 105 al. 2 LTF
), qu'il n'a pas voué la moindre attention au droit applicable, alors qu'une telle problématique se posait inévitablement vu son domicile à l'étranger (
ATF 131 III 76
consid. 2.3;
ATF 137 III 481
consid. 2.1) - cet élément étant renforcé par la langue de la reconnaissance de dette (i.e. anglais) et la monnaie stipulée (i.e. livres sterling) -, et s'est prévalu du délai de dénonciation de "l'art. 318 [CO]", sans expliquer en quoi le droit suisse aurait vocation à s'appliquer. Le seul point litigieux ici étant l'
exigibilité
de la créance - condition dont le poursuivant doit démontrer la réalisation (VOCK, op. cit., n° 16 ad
art. 82 LP
; STAEHELIN, op. cit., n° 79 ad
art. 82 LP
avec les arrêts cités) -, il appartenait à l'intimé d'établir le contenu du droit anglais à cet égard; pareille incombance n'était pas insupportable (cf. pour le séquestre: MEIER-DIETERLE, loc. cit.; cf. pour les mesures provisionnelles en général: MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, op. cit., n° 20 ad
art. 16 LDIP
; KREN KOSTKIEWICZ, Vorsorgliche Massnahmen im schweizerischen IPRG: direkte Zuständigkeit, anwendbares Recht sowie Anerkennung und Vollstreckung, in Mélanges Schüpbach, 2000, p. 300-301; SCHWANDER, RSDIE 1991 p. 281 ch. 2), puisqu'il est domicilié en Angleterre et, dès lors, se trouve le mieux placé pour apporter tous les éléments nécessaires. En définitive, faute d'être documentée quant à l'exigibilité de la créance, la requête de mainlevée doit être rejetée (cf. arrêt de l'Obergericht du canton de Soleure du 8 janvier 1996, in BlSchK 1999 p. 30 ss).
2.5
De jurisprudence constante, le prononcé qui rejette une requête de mainlevée n'a pas l'autorité de la chose jugée quant à l'existence de la prétention litigieuse (
ATF 136 III 583
consid. 2.3) et, partant, n'empêche pas le poursuivant de requérir derechef la mainlevée, y compris dans la même poursuite (arrêt 5A_696/2012 du 23 janvier 2013 consid. 4.1.2 avec les citations), en produisant les documents idoines (dispositions légales, pratique des tribunaux, avis de droit, etc.). | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a3bf16dc-ebd5-491b-ab0c-575828237431 | Urteilskopf
126 V 163
30. Arrêt du 26 juin 2000 dans la cause Fondation d'assurances et de prestations sociales en faveur des métiers groupés par la Fédération romande des métiers du bâtiment, Lausanne, contre P. et Tribunal administratif du canton de Genève | Regeste
Art. 2 und 17 FZG
;
Art. 331a und 331b OR
(in der bis 31. Dezember 1994 gültig gewesenen Fassung): Berechnung einer Austrittsleistung.
Im konkreten Fall ist der Mindestbetrag der Austrittsleistung geringer als die nach Massgabe des Reglements geschuldete Leistung, weshalb die reglementarischen Bestimmungen zur Anwendung gelangen.
Anwendung eines nach dem Austritt des Versicherten (26. Juli 1995) angenommenen Reglements, dessen Inkrafttreten indessen rückwirkend auf den 1. Januar 1995 festgelegt worden ist.
Im Zeitpunkt des Austritts aus der Vorsorgeeinrichtung bestand die Austrittsleistung aus dem Betrag des Deckungskapitals am 31. Dezember 1994, erhöht um die Zinsen und Spargutschriften ab 1. Januar 1995 bis 26. Juli 1995.
Bestimmung des Deckungskapitals.
Diesbezügliche Uneinigkeit des gerichtlichen und des von der Vorsorgeeinrichtung gewählten Experten. | Sachverhalt
ab Seite 164
BGE 126 V 163 S. 164
A.-
P. a travaillé pour l'entreprise M. SA de 1970 à fin juillet 1995. En matière de prévoyance professionnelle, il était alors affilié à la Fondation d'assurances et de prestations sociales en faveur des métiers groupés par la Fédération romande de métiers du bâtiment (la fondation). Celle-ci a conclu à son tour un contrat d'assurance collective auprès d'un pool d'assurances, dont l'ELVIA-vie, société suisse d'assurance sur la vie (ELVIA), assure la gérance.
La fondation a communiqué à P., par lettre du 20 octobre 1995, que sa prestation de sortie s'élevait au 31 juillet 1995 à 108'022 francs, montant qu'elle lui a versé le 1er novembre avec intérêt à cinq pour cent l'an dès le 25 juillet 1995.
B.-
Après un échange de correspondance infructueux, P. a ouvert action contre la fondation devant le Tribunal administratif du canton de Genève qui a ordonné une expertise. Celle-ci a été confiée à H., docteur en sciences actuarielles et expert diplômé fédéral en assurances de pension.
Au terme de la procédure, P. a précisé ses conclusions, demandant la condamnation de la fondation à lui verser le montant déterminé par l'expert avec intérêt moratoire et sous suite de dépens. La fondation a pour sa part produit un rapport de son expert agréé, B., et a conclu au rejet de la demande.
Par jugement du 6 juillet 1999, le Tribunal administratif a condamné la fondation à verser à P., en plus de la somme déjà payée, le montant de 59'788 francs avec intérêt à cinq pour cent l'an dès le 26 juillet 1995. Il a mis à la charge de la fondation les frais d'expertise, ainsi qu'une indemnité de dépens de 2'500 francs.
C.-
La fondation interjette recours de droit administratif contre ce jugement dont elle demande l'annulation, subsidiairement le renvoi à la juridiction cantonale pour instruction complémentaire et nouveau jugement.
BGE 126 V 163 S. 165
P. conclut au rejet du recours avec suite de dépens. Pour sa part, l'Office fédéral des assurances sociales propose de l'admettre.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le procès concernant le montant d'une prestation de sortie est un litige en matière de prestations d'assurance, de sorte que le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral des assurances est déterminé par l'
art. 132 OJ
. Il n'est ainsi pas limité à la violation du droit fédéral - y compris par l'excès ou l'abus du pouvoir d'appréciation - mais il s'étend également à l'opportunité de la décision attaquée. Le Tribunal n'est alors pas lié par l'état de fait constaté par la juridiction inférieure et il peut s'écarter des conclusions des parties, à l'avantage ou au détriment de celles-ci.
2.
Selon l'
art. 27 LFLP
, les prestations d'entrée et de sortie sont déterminées selon le droit en vigueur au moment de l'entrée dans une institution, respectivement de la sortie d'une institution. La prétention de l'intimé doit être examinée à la lumière de la LFLP, entrée en vigueur le 1er janvier 1995, dès l'instant où la sortie de l'institution de prévoyance (26 juillet 1995) est postérieure à cette date.
3.
a) En vertu de l'
art. 2 LFLP
, si l'assuré quitte l'institution de prévoyance avant la survenance d'un cas de prévoyance (cas de libre passage), il a droit à une prestation de sortie (al. 1). L'institution de prévoyance fixe le montant de la prestation de sortie dans son règlement; cette prestation de sortie doit être au moins égale à la prestation de sortie calculée selon les dispositions de la section 4 de la loi (al. 2). La prestation de sortie est exigible lorsque l'assuré quitte l'institution de prévoyance. Elle est affectée d'intérêts moratoires à partir de ce moment-là (al. 3).
b) Le montant minimum de la prestation versée lors de la sortie d'une institution de prévoyance est fixé selon la disposition de l'
art. 17 LFLP
. Selon la jurisprudence, ce montant est comparé au montant déterminé en vertu du règlement, la somme la plus élevée étant allouée à l'assuré (RSAS 1998 p. 117 consid. 4).
Dans le cas particulier, l'expert judiciaire a confirmé que la prestation de sortie calculée conformément à l'
art. 17 LFLP
s'élevait à 83'719 francs. Il n'est à juste titre pas contesté par les parties que ce montant est, en toutes hypothèses, inférieur à celui qui peut être déterminé sur la base réglementaire, si bien que le litige doit être tranché par application du règlement de la fondation.
4.
a) Avant l'entrée en vigueur de la LPP, la prévoyance professionnelle de l'intimé était régie par le règlement de 1971 de
BGE 126 V 163 S. 166
l'Assurance professionnelle complémentaire à l'AVS concernant le métier de serrurier et constructeur dans le canton de Genève puis, dès le 1er janvier 1973, par le règlement de 1973 de l'assurance professionnelle complémentaire à l'AVS et AI concernant différents métiers.
Depuis le 1er janvier 1985, s'est appliqué le règlement LPP de 1985 de la Caisse de pension de la Fondation romande de métiers du bâtiment. Ce règlement a été abrogé et remplacé dès le 1er juillet 1990 par le règlement de la Fondation d'assurances et de prestations sociales en faveur des métiers groupés par la Fédération romande de métiers du bâtiment (FRMB), concernant la métallurgie du bâtiment de Genève et Neuchâtel; ce texte a été complété par l'avenant du 15 novembre 1990, entré en vigueur le 1er janvier 1991.
Le conseil paritaire de la fondation a approuvé le 6 décembre 1995 un nouveau règlement concernant les métiers de ferblantiers, installateurs sanitaires, installateurs électriciens, installateurs de chauffages centraux et couvreurs du canton de Vaud, daté du 18 octobre 1995. Selon son art. 93, ce règlement entre en vigueur avec effet rétroactif au 1er janvier 1995 et remplace le règlement entré en vigueur le 1er juillet 1990, qu'il abroge.
b) Après avoir constaté que l'intimé était sorti de l'institution de prévoyance avant l'adoption du règlement de 1995, les premiers juges ont d'abord considéré que ce règlement n'avait pas d'effet rétroactif; puis, dès lors que la fondation avait manifesté son intention de l'appliquer depuis le 1er janvier 1995, l'assuré pouvait néanmoins s'en prévaloir selon le principe de l'égalité dans l'illégalité.
Selon les principes généraux, l'on applique, en cas de changement de règles de droit, les dispositions en vigueur lors de la réalisation de l'état de fait qui doit être apprécié juridiquement ou qui a des conséquences juridiques. Ces principes valent également en cas de changement de dispositions réglementaires ou statutaires des institutions de prévoyance. Leur application ne soulève pas de difficultés en présence d'un événement unique, qui peut être facilement isolé dans le temps. S'agissant par exemple des prestations de survivants, l'on applique les règles en vigueur au moment du décès de l'assuré, c'est-à-dire la date à laquelle naît le droit aux prestations du bénéficiaire (
ATF 121 V 100
consid. 1a et les références).
En matière de prévoyance professionnelle, si par suite de l'entrée en vigueur rétroactive d'un règlement, la rétroactivité peut, à certaines conditions, être admise quant aux personnes affiliées à la date de l'adoption du règlement, elle ne saurait être envisagée pour un
BGE 126 V 163 S. 167
assuré qui a quitté l'institution, à moins que les modifications apportées n'améliorent la situation du bénéficiaire (GRISEL, Traité de droit administratif, vol. I, p. 148; cf.
ATF 115 V 100
consid. 4b).
L'intimé ayant quitté l'institution de prévoyance avant l'adoption du règlement de 1995, sa prestation de sortie doit être fixée en principe selon le règlement de 1990. Toutefois, si le règlement de 1995, dont l'entrée en vigueur a été fixée rétroactivement au 1er janvier 1995, devait lui être plus favorable, celui-ci serait applicable.
c) Le règlement de 1995 adopte un régime de prévoyance fondé sur la primauté des cotisations sous la forme d'un capital-épargne et d'assurances complémentaires. Selon l'art. 63 du règlement, le montant de la prestation de libre passage est égal au montant du compte d'épargne de l'assuré constitué au jour de la fin des rapports de service. Au 1er janvier 1995, ce compte correspond à la réserve mathématique déterminée au 31 décembre 1994 selon les dispositions réglementaires et les bases techniques en vigueur à cette date (art. 84 du règlement de 1995, dispositions transitoires).
A la date de sortie de l'assuré, la prestation de libre passage comprend donc le montant du capital-épargne au 31 décembre 1994 (égal à la réserve mathématique), augmenté des intérêts et de la bonification d'épargne (selon l'art. 24 du règlement) du 1er janvier 1995 au 26 juillet 1995. Tant l'expert judiciaire que l'expert agréé retiennent ainsi qu'au capital-épargne au 1er janvier 1995 s'ajoutent les intérêts à 4 pour cent l'an sur ce montant pendant 206 jours ainsi que la bonification de vieillesse portant sur la même période et représentant un montant de 3'678 francs. Sur la base de ces avis d'experts, les premiers juges sont justement arrivés à la conclusion que le règlement de 1995, plus favorable pour ce motif dans son résultat, était applicable.
5.
Le litige porte en définitive uniquement sur le montant de la réserve mathématique au 31 décembre 1994. Alors que l'expert judiciaire a retenu le montant de 160'459 francs, l'expert agréé, sur les conclusions duquel s'appuie la recourante, ne retient qu'un montant de 101'311 francs. Cette question doit être examinée à la lumière des dispositions légales et réglementaires en vigueur jusqu'au 31 décembre 1994, du moment qu'il s'agit d'établir à cette date le montant de la réserve mathématique (cf. au demeurant l'art. 84 des dispositions transitoires du règlement de 1995).
La LFLP du 17 décembre 1993, entrée en vigueur le 1er janvier 1995, n'est donc pas directement applicable dans le cas de cette question particulière. S'appliquent en revanche les dispositions des anciens
BGE 126 V 163 S. 168
art. 28 et 29 LPP
(en vigueur jusqu'au 31 décembre 1994) ainsi que les dispositions du code des obligations relatives à la prévoyance en faveur du personnel (anciens art. 331a et ss CO dans leur teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 1994). En outre s'appliquent le règlement de 1990 de la fondation recourante et son avenant.
6.
a) Selon l'ancien
art. 28 al. 1 LPP
(abrogé par l'annexe à la LFLP), le montant de la prestation de libre passage équivaut à l'avoir de vieillesse acquis par l'assuré au moment du transfert. L'avoir de vieillesse, selon l'ancien
art. 15 al. 1 LPP
(dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 1994) comprend les bonifications de vieillesse afférentes à la période durant laquelle l'assuré a appartenu à l'institution de prévoyance, avec les intérêts, et les prestations de libre passage portées au crédit de l'assuré, conformément à l'ancien
art. 29 al. 1 LPP
, avec les intérêts.
En ce qui concerne la prévoyance plus étendue, qui est ici en cause, la créance du travailleur est réglée différemment selon qu'il s'agit d'un fonds d'épargne (ancien
art. 331a CO
) ou d'une institution d'assurance (ancien
art. 331b CO
). Dans le premier cas, le travailleur dispose d'un compte particulier dans le fonds d'épargne pour le capital qu'il a constitué; dans le second, les institutions d'assurance réunissent les cotisations qui sont versées en un fonds unique. Contrairement à ce qui se passe dans le fonds d'épargne, la protection contre les risques assurés intervient au moyen de prestations définies selon un plan d'assurance préétabli. Les deux systèmes peuvent être combinés: en particulier, l'ancien
art. 331a al. 4 CO
prévoit une variante selon laquelle le fonds d'épargne est combiné avec une assurance de risque. Il est également possible pour une institution de prévoyance d'assurer ou de réassurer certains risques élevés auprès d'assurances de groupe (FRANK VISCHER, Le contrat de travail, in: Traité de droit privé suisse, volume VII, tome I,2, p. 132 sv.; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, Berne 1985, p. 53 sv.)
b) Contrairement à ce qu'elle soutient dans son recours, la fondation doit être qualifiée d'institution d'assurance au regard de sa réglementation propre. D'une part, le travailleur ne bénéficie pas d'un compte individuel pour le capital d'épargne constitué, les cotisations étant, selon l'art. 17 du règlement de 1990, affectées globalement, au moyen d'un fonds unique, au financement des prestations assurées (cf. par comparaison l'art. 23 du règlement de 1995 relatif à la constitution d'un fonds d'épargne). D'autre part, celles-ci ne sont pas en rapport direct avec la seule épargne constituée dès lors
BGE 126 V 163 S. 169
que le règlement fait appel à d'autres critères. En particulier, la prestation de retraite est fixée par un barème dépendant du montant du salaire selon l'âge. Enfin la référence à la réserve mathématique de la fondation parle également en faveur de cette interprétation.
c) Dans le cas d'une institution d'assurance, comme en l'espèce, la créance du travailleur correspond au moins aux contributions de ce dernier, déduction faite des prestations versées en couverture d'un risque pour la durée des rapports de travail (ancien
art. 331b al. 1 CO
). Si les cotisations du travailleur et de l'employeur ou, en vertu d'un accord, de l'employeur seulement, ont porté sur cinq années ou davantage, la créance du travailleur comprend une part équitable, eu égard aux années de cotisations, de la réserve mathématique calculée au moment de la fin du contrat (ancien
art. 331b al. 2 CO
). La réserve mathématique doit être calculée de manière telle que la contre-valeur des contributions futures du travailleur et de l'employeur fixées par règlement vienne en déduction de la contre-valeur des prestations futures, compte tenu d'un éventuel déficit technique (ancien
art. 331b al. 4 CO
). L'ancien
art. 331b al. 5 CO
permet toutefois à l'institution de prévoyance d'instaurer une réglementation différente pour déterminer la créance du travailleur à condition qu'elle soit au moins équivalente pour lui.
7.
a) Selon l'art. 51 du règlement de 1990, le montant de la créance de libre passage est déterminé en pour-cent de la réserve mathématique calculée au jour de la sortie de la fondation, selon les bases techniques de cette dernière, compte tenu du nombre d'années révolues depuis le jour de l'affiliation à la fondation, et conformément au barème ci-après:
Années
Créance de libre-passage
d'affiliation
en % de la
révolues
réserve mathématique
1
60
2
63
3
66
4
70
5
74
6
78
7
82
8
88
9
94
10
100
BGE 126 V 163 S. 170
Une fraction d'année d'affiliation est prise en compte pro rata temporis.
Le règlement de la fondation n'indique cependant pas les bases techniques qui permettent à la fondation de déterminer la réserve mathématique si bien que, comme on l'a vu, l'expert judiciaire et l'expert privé ont donné des appréciations divergentes quant au calcul de cette réserve.
b) Les institutions de prévoyance disposent d'une certaine marge d'appréciation en ce qui concerne le choix de leurs bases techniques de calcul (WILLI HUMMEL-PUERTA, Die Freizügigkeit in der freiwilligen Beruflichen Vorsorge, thèse St-Gall 1983, p. 184 sv.; GERHARD GERHARDS, Grundriss Zweite Säule, Berne/Stuttgart 1990, p. 102; RSAS 1998 p. 461 consid. 4b; SVR 1995 BVG no 39 p. 116 consid. 4e). Ce choix a une incidence sur le montant des prestations de libre passage, car le montant de la réserve mathématique varie en raison inverse du taux technique: la prestation de libre passage sera d'autant plus élevée que les bases techniques retenues par l'institution seront prudentes (HUMMEL-PUERTA, op. cit., p. 185). Sous l'empire de l'ancien droit, la liberté ainsi reconnue aux institutions de prévoyance ne devait cependant pas vider de leur contenu les dispositions sur le libre passage ou conduire à des manipulations actuarielles en raison de l'application de bases de calcul insolites ou contraires aux règles actuarielles largement reconnues (HUMMEL-PUERTA, op. cit., p. 185 sv.). De manière plus générale, une institution de prévoyance doit aussi veiller à assurer l'égalité de traitement entre les assurés sortants.
Dans le cas d'espèce, la fondation a choisi de faire couvrir le risque invalidité-décès par le biais d'une assurance collective. La prime de risque prélevée sur la cotisation permet d'en couvrir le coût. La fondation n'a constitué une réserve mathématique que pour assurer la retraite de ses affiliés. Elle n'en a en revanche pas constitué pour les prestations en cas de décès ou d'invalidité avant que le risque ne soit réalisé.
Ce mode de procéder n'apparaît pas critiquable dès lors que, comme on l'a vu, il est loisible de combiner le système de prévoyance avec une assurance collective de certains risques. D'autre part, n'apparaît pas davantage comme contraire à la loi le fait de ne pas constituer de réserve pour ces risques spécifiques, même si c'est souvent le cas (cf. dans ce sens le message du Conseil fédéral concernant le projet de loi fédérale sur le libre passage dans la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité, du 26 février
BGE 126 V 163 S. 171
1992, FF 1992 III 585). En réalité, usant de la marge d'appréciation dont elle dispose, la fondation a choisi des bases techniques conformes au cadre légal et sur lesquelles il y a lieu de se fonder pour calculer la réserve mathématique.
Dans son rapport, l'expert judiciaire a présenté une variante de calcul dont on ne voit pas la relation directe avec le règlement de la fondation. Au terme de cet examen, il a proposé de prendre en compte la réserve mathématique constituée par l'assurance collective pour les risques décès et invalidité qu'il a ajoutée au capital constitué pour la retraite. Repris par les premiers juges, ce mode de calcul apparaît erroné à un double titre: d'une part, on ne voit pas comment on pourrait ajouter à la réserve mathématique de la fondation celle de l'assurance collective dès lors que l'intimé n'y a aucun droit direct. D'autre part, comme le plan d'assurance choisi n'est en soi pas critiquable, il n'y a pas lieu de se fonder sur un état de fait et des bases techniques différents de ceux choisis réellement par la fondation.
Le jugement doit en conséquence être annulé et la cause renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle procède à un complément d'instruction. Le dossier ne permet en effet pas de fixer de manière certaine la réserve mathématique au 31 décembre 1994 en raison d'une part des divergences entre les deux experts et du choix, parfois erroné, des bases légales et réglementaires. Ce n'est qu'une fois ce calcul effectué que la prestation de sortie pourra être définitivement établie.
8.
(Frais et dépens) | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a3bf638f-cbbc-408b-854c-2a9ac361db4b | Urteilskopf
113 IV 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. März 1987 i.S. O. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 13 StGB
.
Bei Vorliegen einer vom Beschuldigten selbst beigebrachten Privatexpertise können die zuständigen Behörden auf die Anordnung einer weiteren Begutachtung verzichten, sofern der privat bestellte Sachverständige sein Gutachten aufgrund weitgehend vollständiger Informationen erstellte und die durchgeführte Untersuchung als umfassend erscheint. | Erwägungen
ab Seite 1
BGE 113 IV 1 S. 1
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Verteidiger des Beschwerdeführers reichte im vorinstanzlichen Verfahren ein Privatgutachten von Dr. med. S. vom 23. Juni 1986 ein. Der Psychiater kam aufgrund seiner Untersuchungen, welche sowohl die "Vorgeschichte", insbesondere den Zeitraum der Straftaten, als auch den "heutigen Zustand" umfassten, zum Schluss, dass O. hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Taten als in erheblichem Masse vermindert zurechnungsfähig zu gelten habe. Ausgehend von dieser Privatexpertise und einem eine Seite umfassenden Kurzbericht eines Militärpsychiaters aus dem Jahre 1982, welcher sich mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit im Sinne vom
Art. 11 StGB
nicht zu befassen hatte, hielt die
BGE 113 IV 1 S. 2
Vorinstanz für erstellt, der Beschwerdeführer leide an depressiven Zuständen, welche er durch Idealisierung der ihm wichtigen Objekte abwehre; mit einher gehe eine pathologische Einschränkung der Realitätswahrnehmung; der Drogenkonsum sei teilweise als Depressionsabwehr zu verstehen. Das Obergericht folgte Dr. S. jedoch bei dessen Beurteilung des Grades der verminderten Zurechnungsfähigkeit nicht und erachtete den Beschwerdeführer aufgrund der Akten und des anlässlich der Hauptverhandlung gewonnenen Eindruckes bloss als in leichtem Masse vermindert zurechnungsfähig.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Verletzung von
Art. 13 StGB
vor. Er macht geltend, bei dem von ihm eingelegten Bericht von Dr. S. handle es sich nicht um ein Sachverständigengutachten im Sinne dieser Bestimmung; als solches könne nur ein amtlich angeordnetes gelten, bei dem der Experte auf die strafrechtlichen Folgen einer wissentlich falschen Begutachtung aufmerksam gemacht worden sei; durch die Annahme einer leicht verminderten Zurechnungsfähigkeit habe das Obergericht das Bestehen rechtlich relevanter Zweifel im Sinne von
Art. 13 StGB
anerkannt; hinsichtlich des Grades der Herabsetzung hätte es deshalb entsprechend der bundesgerichtlichen Praxis (
BGE 106 IV 242
) eine psychiatrische Expertise anordnen müssen.
2.
Art. 13 Abs. 1 StGB
verpflichtet die Untersuchungs- oder urteilenden Behörde bei Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten eine Untersuchung anzuordnen; Abs. 2 legt fest, dass ein Sachverständiger mit der Untersuchung zu beauftragen ist. Der Begriff "Gutachten" kommt im Gesetzestext nicht vor. Wenn das Bundesgericht in
BGE 106 IV 242
von Begutachtung bzw. vom Einholen eines Gutachtens spricht, wird damit bloss zum Ausdruck gebracht, dass der Sachverständigenbericht zumeist in der Form einer Expertise erstattet wird. Indessen ist es dem Richter nicht verwehrt, auf andere Weise als mittels eines Gutachtens die Zurechnungsfähigkeit abzuklären (vgl.
BGE 81 IV 7
/8). Die Argumentation des Beschwerdeführers verkennt, dass das Bundesrecht den Begriff "Gutachten" nicht definiert und die Verletzung kantonaler Verfahrensbestimmungen zum Sachverständigenbeweis nicht mit eidg. Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden können (
Art. 269 Abs. 1 BStP
).
Auf den ersten Blick scheint der Gesetzestext ("Die Untersuchungs- oder die urteilende Behörde ordnet eine Untersuchung des Beschuldigten an ...") dafür zu sprechen, dass
Art. 13 StGB
den
BGE 113 IV 1 S. 3
Richter bei Zweifeln über die Zurechnungsfähigkeit zum Beizug eines amtlich bestimmten Sachverständigen verpflichte. Eine solche Interpretation erweist sich jedoch aufgrund eines Vergleichs mit der vor 1971 gültigen Fassung von
Art. 13 Abs. 1 StGB
als zu eng. Die in diesem Punkt nur redaktionell, nicht aber inhaltlich geänderte Vorschrift lautete vor der Revision, der Richter lasse bei Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten dessen Geisteszustand untersuchen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verfolgt
Art. 13 StGB
denn auch nur den Zweck, zu verhindern, dass der Richter seine Zweifel hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit selber beseitigt; weil Sachverhaltsfeststellungen zum Geisteszustand des Beschuldigten besonderer Kenntnisse bedürfen, soll das Gericht über die Anwendung von
Art. 10 und 11 StGB
nur nach Anhörung eines Sachverständigen entscheiden (
BGE 98 IV 157
, 96 IV 88). Dies setzt aber nicht zwingend voraus, dass der Richter den Sachverständigen selbst bestimmt (vgl. VITAL SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 1965, S. 105 Nr. 213). Inwieweit es nach Sinn und Zweck von
Art. 13 StGB
sinnvoll erscheinen mag, nur amtlich veranlasste Gutachten zuzulassen, braucht nicht erörtert zu werden; der Erlass solcher, nicht dem materiellen Recht, sondern dem Strafprozessrecht zuzurechnender Beweisvorschriften ist Sache der Kantone. Eine bundesrechtliche Regelung könnte nur bei Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung angenommen werden; eine solche fehlt jedoch.
Mit der Feststellung, das Bundesrecht verbiete dem Richter grundsätzlich nicht, auf den Untersuchungsbericht eines nicht von ihm bestellten Sachverständigen abzustellen, ist die Frage noch nicht beantwortet, welche Anforderungen an einen Sachverständigenbericht hinsichtlich der Abklärungspflicht im Sinne von
Art. 13 StGB
zu stellen sind. Das Bundesgericht entschied in einem Fall, wo der Beschuldigte im Entmündigungsverfahren bereits psychiatrisch begutachtet worden war, es liege im Ermessen der kantonalen Behörden, auf die bestehende - auf Zurechnungsunfähigkeit erkennende - Expertise abzustellen oder einen neuen Sachverständigen zu bestimmen (
BGE 71 IV 63
). Der Richter wird vor der Heranziehung eines in einem andern Verfahren erstellten Gutachtens immerhin prüfen müssen, inwieweit die Feststellungen zum Geisteszustand des Exploranden für die Zeit der Tatbegehung zutreffen (
BGE 106 IV 238
/39 E. 2b) bzw. ob die Abklärungen des Experten die deliktische Tätigkeit und nötigenfalls den körperlichen
BGE 113 IV 1 S. 4
und geistigen Zustand des Täters miterfassten. Auf einen nicht gerichtlich angeordneten Bericht darf er zudem nur abstellen, wenn der Sachverständige seine Expertise aufgrund weitgehend vollständiger Informationen (insbesondere hinsichtlich der konkreten Straftaten) erstattet hat und die durchgeführte Begutachtung umfassend erscheint (vgl. SCHWANDER, a.a.O.). Bestehen diesbezügliche Zweifel, gebietet die in
Art. 13 StGB
vorgesehene Abklärungspflicht dem Richter, eine neue Untersuchung durch einen Sachverständigen anzuordnen.
3.
Der Beschwerdeführer macht nichts geltend, was einem Abstellen auf die von ihm selbst eingereichte Privatexpertise von Dr. S. entgegenstünde. Der Arzt berücksichtigte im Rahmen der umfangreichen Darstellung der "Vorgeschichte" die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten. Die gestützt darauf erfolgte Beurteilung des Geisteszustandes erachtete die Vorinstanz als vollständig. In welchem Ausmass die Zurechnungsfähigkeit infolge der vom Gutachter festgestellten Störungen im Sinne von
Art. 11 StGB
vermindert sei, ist jedoch eine Rechtsfrage, bei deren Beantwortung der Richter nicht an die diesbezüglichen Schlussfolgerungen des Experten gebunden ist. Wenn die Vorinstanz aufgrund aller Umstände, nicht nur gestützt auf das Gutachten, sondern auch aufgrund der Akten und des an der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks bloss eine leichte Verminderung annahm, war dies zumindest vertretbar.
Die Beschwerde ist somit als in allen Teilen unbegründet abzuweisen. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
a3bff04d-dc84-4a48-ac49-8c3b41811b25 | Urteilskopf
88 II 139
21. Arrêt de la IIe Cour civile du 19 juin 1962 dans la cause W. contre M. | Regeste
Art. 151 ZGB
.
Begriff des schuldlosen Ehegatten. | Sachverhalt
ab Seite 139
BGE 88 II 139 S. 139
A.-
Les époux W.-M. se sont mariés à Lausanne le 26 avril 1940. Ils ont eu deux filles, nées en 1942 et 1948.
Le 3 juillet 1953, le Tribunal du district de Lausanne admit une action introduite par la femme en vertu de l'art. 137 CC (adultère du mari) et prononça la séparation de corps pour une durée indéterminée. Dans le même jugement, il rejeta une action en divorce intentée par le mari sur la base de l'art. 142 CC en considérant que ce dernier était principalement responsable de la désunion.
Le 28 octobre 1960, sieur W., invoquant l'art. 148 CC, ouvrit action en divorce. La défenderesse prit des conclusions reconventionnelles tendant notamment au divorce et au paiement d'une rente mensuelle (art. 151/152 CC). Le Tribunal du district de Lausanne prononça le divorce, mais refusa d'allouer une pension à la défenderesse, celle-ci n'étant pas l'épouse innocente au sens des art. 151 et 152 CC.
Le 17 janvier 1962, le Tribunal cantonal vaudois, saisi d'un recours de dame M., réforma ce jugement et condamna le demandeur, en vertu de l'art. 151 CC, à verser à son ex-femme une pension mensuelle de 100 fr. jusqu'au jour où il serait libéré de l'obligation de contribuer à l'entretien de sa fille cadette, et de 200 fr. depuis lors. Selon la juridiction vaudoise, dame M. est innocente au sens de l'art. 151 CC.
B.-
Contre cet arrêt, sieur W. a interjeté un recours en réforme. Il requiert le Tribunal fédéral de refuser toute pension à dame M.
L'intimée conclut au rejet du recours et à la confirmation de l'arrêt attaqué.
BGE 88 II 139 S. 140
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le présent recours a pour seul objet la rente allouée à l'intimée en vertu de l'art. 151 CC. Son sort dépend en premier lieu de la notion d'époux innocent au sens de cette disposition.
Selon une ancienne jurisprudence (RO 60 II 392), un conjoint était innocent dès l'instant qu'aucune cause de divorce ne pouvait lui être imputée à faute.
Dans un arrêt subséquent (RO 71 II 52/53; cf. aussi RO 79 II 134), le Tribunal fédéral a observé que cette première définition était trop étroite au regard de l'art. 142 CC. C'est pourquoi il a décidé que seule entraînerait la déchéance du droit à l'indemnité prévue par l'art. 151 CC une faute d'une certaine gravité, savoir un manquement constituant une cause déterminée de divorce ou objectivement propre à entraîner la rupture du lien conjugal. Point n'est besoin, a-t-il ajouté, que la faute ait constitué l'une ou l'autre des causes du divorce prononcé in casu. Enfin, selon la jurisprudence récente (RO 85 II 11, 87 II 212), la faute, qui fait perdre à un conjoint sa qualité d'époux innocent, ne doit pas nécessairement être dans tous les cas d'une certaine gravité. Il importe au contraire de distinguer suivant qu'elle est ou non en relation de causalité avec la rupture du lien conjugal et le divorce.
Lorsque le rapport de causalité existe, le juge doit en principe refuser la qualité d'époux innocent au conjoint qui réclame l'indemnité. Cependant, quand les fautes entrant en ligne de compte sont d'une importance tout à fait secondaire par rapport aux autres causes de désunion ou qu'elles constituent de simples réactions à de graves provocations, le juge admettra la qualité d'époux innocent et se bornera, s'il l'estime opportun, à réduire l'indemnité demandée. A cet égard, la jurisprudence part de l'idée que l'art. 151 CC n'est qu'un cas d'application des règles générales valables en matière de dommages-intérêts (RO 87 II 212). Elle s'inspire en conséquence de l'art. 44 CO,
BGE 88 II 139 S. 141
d'après lequel le juge peut soit refuser entièrement, soit se borner à réduire l'indemnité sollicitée dans les cas où, par son propre fait, le lésé a contribué à créer le dommage.
S'il n'y a pas de rapport de causalité entre la faute d'une part, la rupture du lien conjugal et le divorce d'autre part, le juge admettra en principe la qualité d'époux innocent. Il ne refusera de la reconnaître qu'à l'époux dont la faute est grave. Le principe de la bonne foi interdit en effet qu'un conjoint qui a lourdement enfreint les devoirs du mariage invoque la faute de l'autre pour obtenir de lui une indemnité. Il en va ainsi même lorsque le comportement de celui qui réclame l'indemnité n'a pas causé la rupture du lien conjugal ni le divorce (RO 87 II 212).
Conforme aux principes généraux régissant les dommagesintérêts et la bonne foi, cette jurisprudence ne peut être que maintenue.
2.
En l'espèce et selon les constatations souveraines des premiers juges, la désunion est imputable essentiellement au recourant, mais pour partie aussi à l'intimée. Il suffit dès lors d'examiner si les faits retenus à la charge de cette dernière par le jugement de séparation de corps et celui de divorce constituent des fautes trop minimes pour la priver de la qualité d'épouse innocente au sens de l'art. 151 CC.
Ces deux jugements exposent que l'intimée avait des exigences excessives sur le plan sexuel. Ils ne donnent toutefois sur ce point aucune indication de fait dont on pourrait conclure à l'existence d'une faute grave de dame M. Ils relèvent aussi les nombreuses scènes qui se sont déroulées entre conjoints. Cependant, la façon, certes critiquable, dont l'intimée s'est comportée en ces occasions, se laissant aller à des voies de fait sur la personne de son mari, ne s'explique que par la brutalité dont ce dernier a fait preuve. Il est vrai aussi qu'à plusieurs reprises, le recourant a dû lui-même préparer ses repas et laver son linge personnel. Mais la procédure cantonale n'a permis d'établir ni la fréquence de ces faits ni les circonstances dans lesquelles ils
BGE 88 II 139 S. 142
s'étaient produits. On ne saurait dès lors y attacher une importance réelle. Le recourant est en tout cas mal fondé à soutenir que le comportement de sa femme est la cause de l'adultère qu'il a lui-même commis. Assurément, même après le début de cette liaison, l'intimée n'a pas eu un comportement irréprochable. Ainsi, elle a parfois verrouillé de l'intérieur la porte de l'appartement dans lequel W. ne pouvait plus entrer sans sonner. Il lui est arrivé aussi d'accrocher à l'extérieur de la porte du domicile conjugal les pantalons de son époux. On ne peut néanmoins guère voir dans ces faits que les réactions, maladroites sans doute, mais excusables d'une femme trompée.
Dès lors, les fautes qui peuvent être retenues à la charge de l'intimée sont en partie d'une importance tout à fait secondaire par rapport à l'adultère du recourant, et pour l'autre partie, de simples réactions aux graves provocations constituées par les violences de ce dernier et sa liaison. C'est par conséquent à bon droit que le Tribunal cantonal a reconnu à l'intimée la qualité d'épouse innocente. Quant au montant de la rente, le recourant ne le critique pas, de sorte qu'il n'y a pas de raison de le modifier.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué. | public_law | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a3c0fa88-e374-4c4f-974c-5831148d5574 | Urteilskopf
118 V 316
41. Auszug aus dem Urteil vom 7. September 1992 i.S. U. gegen Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Zweigstelle Zürich, und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 5 VwVG
,
Art. 97 und 128 OG
;
Art. 73 Abs. 2 BVG
.
Die Möglichkeit zur Kostenauflage im kantonalen Verfahren wegen mutwilliger oder leichtsinniger Prozessführung entspricht einem allgemeinen Grundsatz des Bundessozialversicherungsrechts.
Solche - auf Bundesrecht beruhenden - Kostenentscheide sind demnach mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar.
Das Eidg. Versicherungsgericht prüft dabei die grundsätzliche Frage, ob im konkreten Fall zu Recht Mutwilligkeit oder Leichtsinnigkeit angenommen worden ist, mit umfassender Kognition, hingegen die dem kantonalen Recht vorbehaltene Kostenbemessung im Ergebnis nur auf Willkür. | Erwägungen
ab Seite 317
BGE 118 V 316 S. 317
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer wendet sich im weiteren sinngemäss auch gegen die erfolgte Kostenauferlegung. Bevor über deren Rechtmässigkeit zu befinden ist, stellt sich die grundsätzliche Frage, ob auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem Punkt überhaupt eingetreten werden kann.
a) Gemäss
Art. 128 OG
in der hier massgeblichen, bis 14. Februar 1992 gültig gewesenen Fassung (vgl. Übergangsbestimmungen zur Gesetzesänderung vom 4. Oktober 1991) beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von
Art. 97 und 98 lit. b-h OG
auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist
Art. 97 OG
auf
Art. 5 VwVG
. Nach
Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen).
b) Nach
Art. 73 Abs. 2 BVG
sehen die Kantone ein einfaches, rasches und in der Regel kostenloses Verfahren vor; der Richter stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Weitere Verfahrensgrundsätze, namentlich über das Abgehen von der Regel eines kostenfreien kantonalen Prozesses im Bereich der beruflichen Vorsorge, enthält das geschriebene Bundesrecht nicht. - Das kantonale Gericht hat seinen Kostenentscheid - unter Berufung auf SCHWARZENBACH-HANHART (Die Rechtspflege nach dem BVG, in: SZS 27/1983 S. 187) - damit begründet, es sei von der bundesrechtlichen Regel der Kostenlosigkeit des Verfahrens abzuweichen, wenn sich eine Partei, wie vorliegendenfalls, leichtsinnig und mutwillig verhalte.
Diese mit Bezug auf
Art. 73 Abs. 2 BVG
vertretene Sichtweise entspricht der vom Gesetzgeber in anderen Bereichen der Sozialversicherung ausdrücklich verankerten Möglichkeit der Kostenauflage, sei es wegen mutwilliger (
Art. 103 Abs. 4 AVIG
), sei es wegen mutwilliger oder leichtsinniger Beschwerdeführung (
Art. 85 Abs. 2
BGE 118 V 316 S. 318
lit. a AHVG
und die Verweisungen darauf in
Art. 69 IVG
,
Art. 7 Abs. 2 ELG
sowie
Art. 22 Abs. 3 FLG
;
Art. 30bis Abs. 3 lit. a KUVG
,
Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG
; vgl. sodann den Sonderfall gemäss
Art. 56 Abs. 1 lit. f MVG
). Im Hinblick auf die Überprüfung solcher Kostenentscheide hat sich das Eidg. Versicherungsgericht, ausgehend von
Art. 103 Abs. 4 AVIG
, seinerseits veranlasst gesehen, den Tatbestand der mutwilligen Beschwerdeführung als Begriff des Bundesrechts zu qualifizieren. Ob und unter welchen Voraussetzungen in einem kantonalen ALV-rechtlichen Beschwerdeverfahren von der Regel der Kostenfreiheit abzuweichen ist, beurteilt sich somit allein nach Bundesrecht. Nach dieser Rechtsprechung kann selbst eine in Anwendung kantonalen Prozessrechts wegen Mutwilligkeit auferlegte Trölbusse mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, da der kantonalen Bestimmung im Vergleich zur bundesrechtlichen Basisnorm (vgl. Erw. 3a) des
Art. 103 Abs. 4 AVIG
keine selbständige Bedeutung zukommt (unveröffentlichtes Urteil F. vom 2. Juli 1988 mit Hinweisen).
c) In Anbetracht des Umstandes, dass die geltende Fassung von
Art. 73 Abs. 2 BVG
die Abweichungen von der Regel des kostenfreien Prozesses nicht näher umschreibt, scheint fraglich, ob sich die dargelegte Rechtsprechung auf den Bereich der beruflichen Vorsorge übertragen lässt. Immerhin könnte die Konkretisierung dem kantonalen Recht anheimgestellt werden, dem insoweit selbständige Bedeutung zukäme mit der Folge, dass auf entsprechende Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Kostenauferlegungen von vornherein nicht einzutreten wäre (
BGE 112 V 111
; vgl. ferner
BGE 116 Ib 28
,
BGE 115 Ib 461
, 115 IV 133). Indes liesse sich eine solche Zuständigkeitsordnung mit dem aus den Gesetzesmaterialien ersichtlichen Bestreben, ganz allgemein die Rechtspflegegrundsätze zwischen der ersten und der zweiten Säule zu parallelisieren, kaum vereinbaren (Botschaft des Bundesrates zum BVG vom 19. Dezember 1975, in: BBl 1976 I 149ff., Ziff. 424 S. 210). Entscheidend kommt hinzu, dass damit sowohl Logik als auch Tragweite der betreffenden Bestimmung verkannt würden. Denn wenn das Bundesrecht die Regel des kostenfreien Prozesses vorgibt, setzt deren einheitliche Anwendung zwingend voraus, dass auch ihre Ausnahmen bundesrechtlich umschrieben werden. Andernfalls erhielte die in
Art. 73 Abs. 2 BVG
verankerte Kostenfreiheit - je nach kantonaler Praxis - einen unterschiedlichen Gehalt, was dem bundesrechtlichen Charakter dieser Bestimmung wesensgemäss zuwiderliefe.
BGE 118 V 316 S. 319
Aus diesem Grund rechtfertigt es sich, die - in andern Erlassen ausdrücklich verankerte - Einschränkung der Kostenfreiheit im Falle mutwilliger oder leichtsinniger Prozessführung als allgemeinen prozessualen Grundsatz des Bundessozialversicherungsrechts zu anerkennen. Diese im Ergebnis nicht nur im Schrifttum vertretene (SPIRA, Le contentieux des assurances sociales fédérales et la procédure cantonale, in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1984, S. 25 f.; LEUZINGER-NAEF, Bundesrechtliche Verfahrensanforderungen betreffend Verfahrenskosten, Parteientschädigung und unentgeltlichen Rechtsbeistand, in: SZS 35/1991 S. 178), sondern auch allgemeinen Reformbestrebungen entsprechende Sichtweise (vgl. Art. 67 Abs. 2 lit. a des Entwurfs zu einem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil der Sozialversicherung, BBl 1991 II 203) ist um so begründeter, als sich der auf diese Weise umschriebene bundesrechtliche Grundsatz mit den einschlägigen Vorschriften zahlreicher Kantone deckt (vgl. etwa: § 14 Abs. 2 der Luzerner Verordnung über die berufliche Vorsorge vom 25. November 1983 [SRL Nr. 875] in Verbindung mit § 12 Abs. 1 der Kostenverordnung für das Verwaltungsgericht und die seiner Aufsicht unterstellten Instanzen vom 14. September 1976 [SRL Nr. 46]; § 20 Abs. 2 der Zürcher Verordnung über die berufliche Vorsorge vom 17. August 1983 [GS 831.4]; Art. 2 der Tessiner Verordnung über die Einführung des BVG vom 11. Juli 1984 [RL No. 88a] in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 des kantonalen Sozialversicherungsrechtspflegegesetzes vom 6. April 1961 [RL No 88]; vgl. ferner im Kanton Neuenburg den generellen Vorbehalt zugunsten des Bundesrechts in Art. 47 Abs. 1 LPJA vom 27. Juni 1979 [RSN 152.130]).
d) Nach dem Gesagten unterliegen demnach Abweichungen von der Regel der Kostenfreiheit wegen mutwilliger oder leichtsinniger Prozessführung der Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht. Dabei ist die bundesrechtliche Frage, ob das kantonale Gericht zu Recht auf Mutwilligkeit oder Leichtsinnigkeit erkannt hat, mit umfassender Kognition zu überprüfen. Soweit hingegen die dem kantonalen Recht vorbehaltene Kostenbemessung angefochten wird, ist diese nur daraufhin zu hinterfragen, ob die Anwendung der betreffenden kantonalen Bestimmungen oder - bei Fehlen solcher Vorschriften - die Ermessensausübung durch das kantonale Gericht zu einer Verletzung von Bundesrecht (
Art. 104 lit. a OG
) geführt hat, wobei in diesem Bereich als Beschwerdegrund praktisch nur das Willkürverbot des Art. 4 Abs. 1 verbleibt (unveröffentlichtes Urteil M. vom 16. Oktober 1986; vgl. ferner zur analogen Rechtslage beim
BGE 118 V 316 S. 320
Parteientschädigungsanspruch gemäss
Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG
:
BGE 114 V 86
Erw. 4a mit Hinweisen).
In diesem Sinne ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch im Kostenpunkt einzutreten. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a3c129b3-05bd-4457-81a4-c7177b40987f | Urteilskopf
117 III 57
17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Dezember 1991 i.S. G. gegen Seehotel Schwert AG (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 81 Abs. 1 SchKG
; Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279); Prüfungsbefugnis des Rechtsöffnungsrichters.
1. Während der die Vollstreckbarkeit bescheinigende Richter zur Prüfung befugt ist, ob ein Schiedsspruch die Voraussetzungen eines Schiedsgerichtsentscheides erfülle oder ob es sich nicht lediglich um ein vom Konkordat nicht erfasstes Schiedsgutachten handle, steht eine solche Prüfungsbefugnis dem Rechtsöffnungsrichter nicht zu (E. 4a).
2. Im Rahmen des Konkordatsrechts bleibt für eine Auslegung insoweit Raum, als aus der Bezeichnung einer juristischen Person als Schiedsrichter auf bestimmte natürliche Personen geschlossen werden kann (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 117 III 57 S. 58
A.-
Mit einer Vereinbarung hatten die Vermieterin Seehotel Schwert AG und der Mieter G. den zwischen ihnen abgeschlossenen Mietvertrag als aufgelöst erklärt, die Modalitäten der Rückgabe des Mietobjektes geregelt und die Schätzungsabteilung der Treuhandstelle des Schweizer Wirteverbandes (SWV) mit der Inventarisierung und Schätzung des Gross- und Kleininventars sowie des Warenlagers beauftragt.
Am 22. März 1990 fällte die Schätzungsabteilung der Treuhandstelle SWV einen als Schiedsspruch bezeichneten Entscheid, wodurch die Seehotel Schwert AG verpflichtet wurde, für das Inventar und das Warenlager den Betrag von Fr. 410'574.70 zu bezahlen. Ausdrücklich nicht erfasst wurden vom Schiedsspruch die "möglichen Verrechnungen" der Seehotel Schwert AG, inbegriffen "die bestrittenen Forderungen bezüglich der Bauabnahme".
Für diesen Entscheid bescheinigte der Gerichtspräsident des Bezirks Gersau, in Anwendung von Art. 3, 5 und 44 Abs. 1 lit. a des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit (vom 27. März 1969; SR 279), am 30. Juni 1990 die Vollstreckbarkeit.
B.-
Gestützt auf den erwähnten Schiedsspruch, betrieb G. am 27. Juni 1990 die Seehotel Schwert AG für eine Forderung von Fr. 284'750.70 nebst Zins zu 5% seit 23. April 1990. Vom ursprünglichen Betrag von Fr. 410'574.70 hatte er verschiedene zur Verrechnung gestellte Forderungen der Seehotel Schwert AG und weiter vereinbarte Beträge abgezogen.
Mit Verfügung vom 31. Oktober 1990 erteilte der Gerichtspräsident des Bezirks Gersau dem betreibenden Gläubiger definitive Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 198'123.70 zuzüglich Zins, Betreibungskosten, Gerichtskosten und Parteientschädigung für das Rechtsöffnungsverfahren. Demgegenüber hiess das
BGE 117 III 57 S. 59
Kantonsgericht des Kantons Schwyz am 20. März 1991 einen Rekurs der Seehotel Schwert AG gut und wies das Rechtsöffnungsbegehren ab.
C.-
Das Bundesgericht hiess die gegen den Entscheid des Kantonsgerichts gerichtete staatsrechtliche Beschwerde des Gläubigers G. gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz hat im angefochtenen Entscheid die Tragweite von
Art. 81 Abs. 1 SchKG
verkannt.
a) Handelt es sich - wie im vorliegenden Fall - um einen Schiedsgerichtsentscheid, der im gleichen Kanton ergangen ist, in welchem die Betreibung angehoben worden ist, so kann der Betriebene lediglich die Vollstreckbarkeit bestreiten oder geltend machen und durch Urkunden beweisen, die Schuld sei seit Erlass des Entscheides getilgt oder gestundet worden, oder den Eintritt der Verjährung geltend machen (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 19 Rz. 19 f.; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988,
§ 19 N 26
f.; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. Auflage Lausanne 1988, S. 148 oben; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage Zürich 1982, Anhang nach
§ 258 N 2
).
Der vom Beschwerdeführer angerufene Schiedsspruch ist vom Gerichtspräsidenten des Bezirks Gersau, in Anwendung der Bestimmungen des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit, als vollstreckbar erklärt worden. Wenngleich diese Bescheinigung nur feststellenden und nicht konstitutiven Charakter hat, liefert sie den Beweis dafür, dass der Schiedsgerichtsentscheid nach dem Recht des Kantons, in dem er ergangen ist, rechtskräftig und vollstreckbar ist; und diesbezüglich ist der innerkantonale Vollstreckungsrichter gebunden (
BGE 107 Ia 320
E. 4; STRÄULI/MESSMER,
§ 257 N 2
). Der die Vollstreckbarkeit bescheinigende Richter ist zur Prüfung befugt gewesen, ob der Schiedsspruch die Voraussetzungen eines Schiedsgerichtsentscheides erfülle oder ob es sich nicht lediglich um ein Schiedsgutachten handle, das vom Konkordat nicht erfasst wird (
BGE 107 Ia 324
E. 6 am Ende).
Solche Prüfung stand indessen dem mit dem Rechtsöffnungsentscheid befassten Kantonsgericht nicht mehr zu. Dieses hat auch
BGE 117 III 57 S. 60
keine anderen Gründe namhaft gemacht, deretwegen die Vollstreckbarkeit zu verneinen wäre, wie etwa nicht ordnungsgemässe Zustellung (Art. 35 des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit).
b) Hingegen hat das Kantonsgericht des Kantons Schwyz daran Anstoss genommen, dass im Schiedsspruch vom 22. März 1990 keine natürlichen Personen als Schiedsrichter bezeichnet worden sind.
In der Tat kann als Schiedsrichter grundsätzlich nur eine natürliche Person in Erscheinung treten. Das gilt indessen im System des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit nicht absolut (JOLIDON, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, Bern 1984, S. 201). Für eine Auslegung bleibt insoweit noch Raum, als aus der Bezeichnung einer juristischen Person auf bestimmte natürliche Personen geschlossen werden kann (
BGE 107 Ia 322
oben).
Im vorliegenden Fall haben denn auch zwei Mitglieder der Schätzungsabteilung der Treuhandstelle SWV mit Unterstützung durch einen Experten das Schiedsverfahren durchgeführt und den Schiedsspruch unterzeichnet. Ein Nichtigkeitsgrund wäre daraus nicht abzuleiten.
c) Die Frage der Tragweite der Schiedsabrede hätte die Beschwerdegegnerin zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde machen können; und mit diesem Rechtsmittel hätte sie auch vorbringen können, dass die Vereinbarung vom 19. April 1989 keine taugliche Grundlage für den Erlass eines Schiedsgerichtsentscheides bilde. Sie hat jedoch auf die Nichtigkeitsbeschwerde verzichtet. Der Rechtsöffnungsrichter, konfrontiert mit einem Schiedsspruch, dessen Vollstreckbarkeit bescheinigt war, durfte auf solche Einwände nicht zurückkommen.
d) Steht somit fest, dass das Kantonsgericht des Kantons Schwyz auf Einreden der Schuldnerin eingegangen ist, welche die von
Art. 81 Abs. 1 SchKG
gesetzten Grenzen ganz offensichtlich sprengen, so erweist sich der angefochtene Entscheid als unhaltbar und ist demzufolge aufzuheben. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a3c7cbc0-1f25-496e-9b90-915592af23fb | Urteilskopf
121 III 93
24. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 2 mars 1995 dans la cause P. SA (recours LP) | Regeste
Konkurrierende Ausübung eines Retentionsrechts und einer Eigentumsansprache an zur Konkursmasse gehörenden Gegenständen (
Art. 53 KOV
). Sofortige Herausgabe der Gegenstände an den Drittansprecher gegen Leistung einer Kaution (
Art. 51 KOV
). Prosequierung des Retentionsrechts (Betreibung auf Pfandverwertung) des Vermieters mit Bezug auf die Kaution (
Art. 283 Abs. 3 SchKG
).
Die Kaution, die der Drittansprecher gestützt auf
Art. 51 KOV
zwecks sofortiger Herausgabe der angesprochenen Gegenstände geleistet hat, kann nicht Gegenstand einer Betreibung auf Pfandverwertung während der Dauer des Konkursverfahrens bilden: diese Betreibung bezieht sich nicht auf einen Gegenstand, der einem Dritten gehört; eine Ausnahme von
Art. 206 SchKG
rechtfertigt sich nicht. Diesfalls muss der Vermieter darauf verwiesen werden, seine Forderung und sein Retentionsrecht im Konkurs einzugeben. | Sachverhalt
ab Seite 94
BGE 121 III 93 S. 94
A.-
N. SA est en faillite depuis le 11 avril 1994.
Invoquant une réserve de propriété, L. & Cie AG a demandé la remise de trois machines qu'elle avait livrées à la faillie et qui étaient entreposées dans les locaux loués par celle-ci à P. SA. Cette dernière a fait valoir de son côté un droit de rétention sur les biens garnissant les locaux loués, en garantie d'une créance de loyers échus et courants s'élevant à 125'667 fr. A sa requête, une prise d'inventaire (
art. 283 LP
) a été effectuée le 23 juin 1994.
Le 30 juin 1994, P. SA a requis l'administrateur de la faillite, sur la base d'une convention qu'elle avait passée avec L. & Cie AG, d'autoriser cette dernière à reprendre les trois machines en question après qu'elle aurait déposé la somme de 125'667 fr. sur le compte de l'office des poursuites. Le même jour, L. & Cie a confirmé au mandataire de P. SA qu'elle s'exécutait, mais avec cette précision: "Die Hinterlegung des Betrages von Fr. 125'667.00 bedeutet jedoch keine Anerkennung der Ansprüche Ihrer Klientin". L. & Cie a dès lors enlevé les machines après avoir versé la somme convenue en mains de l'office.
Sur requête de P. SA, l'administrateur de la faillite a dressé, le 23 août 1994, un nouvel inventaire mentionnant la somme consignée par L. & Cie en lieu et place des trois machines.
B.-
P. SA a ensuite requis l'office d'ouvrir une poursuite en réalisation de gage, en validation d'inventaire selon l'
art. 283 al. 3 LP
. L'office ayant refusé, elle a porté plainte à l'autorité cantonale de surveillance en faisant valoir que les biens appartenant à des tiers ne tombaient pas dans la masse en faillite et qu'afin de sauvegarder les effets de la prise d'inventaire, il fallait donner suite à la réquisition de poursuite sans attendre la décision de la masse concernant la revendication de propriété de L. & Cie AG.
L'autorité cantonale de surveillance a rejeté la plainte.
C.-
P. SA a recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral, en lui demandant d'annuler l'arrêt cantonal et d'enjoindre à l'office de donner suite à sa réquisition de poursuite en réalisation de gage.
La Chambre des poursuites et des faillites a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
La recourante invoque une violation de l'
art. 206 LP
: on lui dénierait à tort le droit de se prévaloir de l'exception au principe de l'exclusion des poursuites contre le débiteur durant la liquidation de la faillite,
BGE 121 III 93 S. 95
lorsque ces poursuites tendent à la réalisation d'un gage appartenant à un tiers (
ATF 100 III 51
consid. 1 52/53;
ATF 93 III 55
consid. 1 p. 57). Se référant aux
ATF 90 III 53
ss et
ATF 59 III 128
ss, ainsi qu'à la doctrine (Droit suisse du bail à loyer, Commentaire USPI, Genève 1992, n. 16 ad
art. 268-268b CO
; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. II, 3e éd., Zurich 1993, § 63 n. 24), elle soutient que le dépôt d'argent de 125'667 fr. constitue un nouveau gage créé à son profit entre les mains d'un tiers détenteur, savoir l'administration de la faillite.
La jurisprudence et la doctrine sur lesquelles la recourante se fonde traitent du cas - non expressément réglé par une disposition légale - du locataire qui, pour éviter que le bailleur n'exerce son droit de rétention, consigne une somme d'argent suffisante à titre de sûreté. La somme d'argent ainsi consignée prend, dans l'inventaire, la place des objets soumis au droit de rétention et le bailleur acquiert sur ladite somme un droit de gage soumis aux mêmes conditions et causes d'extinction que son droit de rétention.
En l'espèce, il s'agit d'une autre situation, pour laquelle les références de jurisprudence et de doctrine de la recourante ne lui sont d'aucun secours. Le cas de concurrence d'un droit de gage ou de rétention avec une revendication est spécialement réglé par l'art. 53 OOF (RS 281.32), lequel prescrit la procédure suivante: si la masse reconnaît le bien-fondé de la revendication de propriété, le litige entre le revendiquant et le créancier gagiste est liquidé en dehors de la faillite; si, au contraire, un procès a lieu sur le droit de propriété réclamé, l'administration statue sur le droit de gage, au moyen d'un état de collocation complémentaire, après le rejet définitif de la revendication (cf.
ATF 107 III 84
). L'autorité cantonale de surveillance constate, de manière à lier la Chambre de céans (art. 63 al. 2 par renvoi de l'
art. 81 OJ
), que les créanciers de la faillie - la masse - ne se sont pas encore prononcés sur la revendication et que l'administration spéciale de la faillite a simplement décidé pour l'instant de restituer les machines en cause au tiers revendiquant en vertu de l'art. 51 OOF. Cette disposition permet la remise immédiate de l'objet revendiqué notamment dans le cas où le tiers revendiquant fournit une caution. Versée à ce seul titre, afin de garantir la représentation de biens qui étaient en la possession exclusive de la masse (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 332 s.), la somme litigieuse ne saurait avoir été constituée en gage au profit de la seule recourante.
BGE 121 III 93 S. 96
La poursuite en réalisation de gage que cette dernière entend exercer durant la liquidation de la faillite ne portant pas sur un objet appartenant à un tiers, une exception à l'
art. 206 LP
ne se justifie pas. C'est dès lors à bon droit que l'autorité cantonale de surveillance a confirmé le refus de l'office de donner suite à la réquisition de poursuite de la recourante et renvoyé celle-ci à produire dans la faillite sa créance et son droit de rétention. | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a3d587f7-a6bf-4cca-8b14-b615294ee1ac | Urteilskopf
141 II 280
21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Commission de la concurrence Comco et X. contre Cour suprême du canton de Berne (recours en matière de droit public)
2C_701/2014 / 2C_713/2014 du 13 avril 2015 | Regeste
Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO
;
Art. 1-3 BGBM
;
Art. 27 BV
; Befugnis von Rechtsagenten zur gewerbsmässigen Vertretung vor Gericht in einem anderen Kanton als sie zugelassen sind; Verhältnis zwischen BGBM und
Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO
; Wirtschaftsfreiheit.
Tragweite des BGBM und die Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf die Ausübung eines kantonal anerkannten Berufs anhand des Beispiels der Rechtsagenten nach dem Recht des Kantons Waadt (E. 5).
Auslegung von
Art. 68 Abs. 2 lit. b und d ZPO
i.V.m.
Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO
. Diese bundesrechtlichen Bestimmungen gehen denjenigen des BGBM vor (E. 6-8).
Gewerbsmässige Vertretung von Parteien vor Gericht. Vereinbarkeit mit der Wirtschaftsfreiheit (E. 9). | Sachverhalt
ab Seite 281
BGE 141 II 280 S. 281
A.
X. est titulaire d'un brevet d'agent d'affaires délivré par le Tribunal cantonal du canton de Vaud et a été autorisé à pratiquer cette profession depuis 1995. Le 30 janvier 2012, il a également obtenu l'autorisation de la Chambre vaudoise immobilière d'assister et de représenter professionnellement la partie bailleresse dans les procédures relatives au bail à loyer.
B.
Le 3 mai 2013, X. a déposé auprès de la Cour suprême du canton de Berne (ci-après: la Cour suprême) une requête tendant à obtenir l'autorisation d'exercer la représentation des parties en justice à titre professionnel devant les autorités de justice bernoises dans les mêmes procédures que celles dans lesquelles il avait été autorisé à exercer sa profession dans le canton de Vaud.
Par décision du 30 août 2013, la Cour suprême a rejeté la demande, mettant les frais de la procédure à la charge de X.
A l'encontre de cette décision, tant X. (ci-après: le recourant 2) que la Commission de la concurrence (ci-après: la Comco) ont interjeté recours auprès du Tribunal administratif du canton de Berne (ci-après: le Tribunal administratif). Les deux procédures ont été jointes.
BGE 141 II 280 S. 282
Par jugement du 11 juin 2014, le Tribunal administratif a partiellement admis les recours, annulant la décision attaquée dans la mesure où elle mettait les frais de la procédure à la charge de X. Pour le surplus, il a rejeté les recours.
C.
C.a
Contre le jugement du 11 juin 2014, X. forme un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral (cause 2C_713/2014). Il conclut à l'annulation de la décision attaquée et à ce qu'il lui soit accordé l'autorisation de représenter les parties à titre professionnel:
- dans les affaires patrimoniales soumises à la procédure simplifiée selon l'
art. 243 al. 1 CPC
;
- dans le prononcé de séparation de biens et de rétablissement du régime antérieur (
art. 185, 187 al. 2 et 191 CC
);
- en procédure de conciliation, à l'exception des procès en nullité du mariage, en séparation de corps, en constatation et contestation de filiation et en interdiction;
- dans les affaires soumises à la procédure sommaire en vertu de l'
art. 248 CPC
;
- dans les affaires relevant du droit du bail (conformément aux art. 1 et 2 de la loi vaudoise sur la juridiction en matière de bail [RS/VD 173.655]);
- dans les affaires relevant du droit du travail (conformément aux art. 1 et 2 de la loi vaudoise sur la juridiction du travail [RS/VD 173.61]).
C.b
La Comco interjette également un recours en matière de droit public auprès du Tribunal fédéral à l'encontre du jugement du 11 juin 2014 (cause 2C_701/2014). Elle conclut à la constatation que le refus d'octroyer au requérant l'autorisation en question restreint indûment l'accès au marché.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
4.1
A l'appui de son refus, le Tribunal administratif a considéré en substance que l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, qui permettait aux cantons, dans certains domaines et procédures, d'admettre une représentation professionnelle des parties en justice par des chargés d'affaires et des mandataires professionnellement qualifiés non avocats, avait une portée limitée au canton qui avait opté pour cet élargissement. L'art. 68 al. 2 let. b et d CPC faisait en effet primer le
BGE 141 II 280 S. 283
fédéralisme sur le marché intérieur. Partant la loi fédérale du 6 octobre 1995 sur le marché intérieur (LMI; RS 943.02) ne s'appliquait ni à titre principal ni à titre subsidiaire, car l'
art. 68 al. 2 CPC
, en tant que disposition spéciale plus récente, devait l'emporter en tous les cas dans les cantons, comme Berne, n'ayant pas mis en place les types de représentation prévus. Le jugement entrepris a également retenu que l'interdiction faite au recourant 2 de pratiquer la représentation en justice devant les autorités bernoises reposait sur une base légale relevant du droit fédéral (cf. art. 68 al. 2 let. b et d CPC) et, au demeurant, remplissait les conditions de l'
art. 36 Cst.
4.2
La Comco soutient principalement que la représentation à titre professionnel entre dans le champ d'application matériel de la LMI. De son point de vue, il n'y a pas de conflit entre la LMI et l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, qui prévoit une pure délégation de compétence en faveur des cantons, mais sans régler la libre circulation des représentants autorisés. Selon la Comco, il n'a jamais été question de limiter territorialement la possibilité d'exercer l'activité des représentants professionnels visés par cette disposition. La libre circulation est régie par la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61) pour les avocats (
art. 68 al. 2 let. a CPC
), par la LP dans les procédures visées à l'
art 68 al. 2 let
. c CPC et, à défaut de règles spéciales, par la LMI dans les cas prévus à l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC. En l'occurrence, le droit d'accès au marché des agents d'affaires brevetés vaudois est donc soumis à la LMI, plus précisément à l'
art. 2 LMI
, l'
art. 4 al. 1 LMI
ne s'appliquant pas, car Berne ne connaît pas l'institution des agents d'affaires brevetés. Sur cette base, l'activité déployée à Berne est régie par les dispositions légales du lieu de provenance, soit le canton de Vaud et, selon l'
art. 2 al. 5 LMI
, l'équivalence des réglementations du lieu de provenance et de destination est présumée. Dans la mesure où cette présomption est renversée, la restriction de l'accès au marché en cause ne peut se justifier qu'aux conditions de l'
art. 3 LMI
, qui ne sont pas réalisées en l'espèce.
4.3
Le recourant 2 abonde dans le sens de la Comco, soutenant également que l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC ne règle pas la libre circulation et ne peut donc entrer en conflit avec la LMI, qui demeure applicable, contrairement à la position soutenue dans le jugement attaqué. Le droit cantonal pour sa part ne règle pas non plus la libre circulation et, s'il le faisait, il ne pourrait, sous peine de violer la
BGE 141 II 280 S. 284
primauté du droit fédéral, aller à l'encontre de la LMI qui pose des exigences minimales qui en l'occurrence ne sont pas respectées. Ainsi, les conditions qui permettraient de restreindre l'accès au marché figurant à l'
art. 3 LMI
ne sont pas remplies. Le recourant 2 invoque aussi une violation de l'
art. 27 Cst.
, reprochant aux juges cantonaux d'avoir admis que les conditions d'une restriction à sa liberté économique étaient réunies.
5.
Avant de se demander si l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC contient des règles spéciales en matière de libre circulation qui l'emporteraient sur la LMI, il est nécessaire de rappeler, dans un premier temps, la portée de cette dernière législation et ses conséquences générales sur l'exercice d'une profession reconnue sur le plan cantonal, telle que celle d'agent d'affaires au sens du droit vaudois.
5.1
L'
art. 1 al. 1 LMI
garantit à toute personne ayant son siège ou son établissement en Suisse l'accès libre et non discriminatoire au marché, afin qu'elle puisse exercer une activité lucrative sur tout le territoire suisse. Par activité lucrative au sens de cette loi, on entend toute activité non régalienne ayant pour but un gain (
art. 1 al. 3 LMI
). Selon l'
art. 2 al. 1 LMI
, toute personne a le droit d'offrir des marchandises, des services et des prestations de travail sur tout le territoire suisse pour autant que l'exercice de l'activité lucrative en question soit licite dans le canton ou la commune où elle a son siège ou son établissement. Des restrictions sont possibles aux conditions de l'
art. 3 LMI
. Toutefois, l'équivalence des réglementations cantonales et communales sur l'accès au marché est présumée (cf.
ATF 135 II 12
consid. 2.1 p. 17; arrêt 2C_57/2011 du 3 mai 2011 consid. 3.1, in RDAF 2012 I p. 570). Précisons que la question de l'application de l'
art. 4 LMI
(que la Comco réfute en se fondant sur l'
ATF 125 I 276
consid. 5c p. 284 ss), n'a pas à être développée plus avant dès lors que, sous réserve d'avantages procéduraux, cette disposition ne confère pas un droit supplémentaire par rapport à l'
art. 2 LMI
(MANUEL BIANCHI DELLA PORTA, in Commentaire romand, Droit de la concurrence, 2
e
éd. 2013, n° 21 ad
art. 4 LMI
p. 1923).
La LMI vise ainsi à éliminer les restrictions à l'accès au marché mises en place par les cantons et les communes (
ATF 135 I 106
consid. 2.2 p. 108). Elle pose le principe du libre accès au marché selon les prescriptions du lieu de provenance, qui est qualifié par la doctrine de "pierre angulaire" de la LMI (MARTENET/TERCIER, in Commentaire romand, Droit de la concurrence, 2
e
éd. 2013, n° 66 ad
BGE 141 II 280 S. 285
Intro. LMI p. 1830 et les références citées; cf. aussi OESCH/ZWALD, in Wettbewerbsrecht, Kommentar, vol. II, 3
e
éd. 2011, n° 1 ad
art. 1 LMI
p. 456). Cette volonté de garantir le libre accès au marché a été renforcée par la modification de la LMI du 16 décembre 2005, au travers de laquelle le législateur a tendu, en supprimant les entraves cantonales et communales à l'accès au marché, à consacrer la primauté du marché intérieur sur le fédéralisme (
ATF 134 II 329
consid. 5.2 p. 333 s. et 5.4 p. 335).
5.2
Cela ne signifie pas pour autant que toutes les limitations cantonales au libre accès au marché sont désormais prohibées.
5.2.1
Tout d'abord de telles limitations peuvent résulter du droit fédéral. La LMI ne s'applique en effet pas aux actes fondés sur une loi fédérale autorisant la Confédération à exclure du marché une activité donnée (BIANCHI DELLA PORTA, op. cit., n° 44 ad
art. 1 LMI
p. 1844 et n° 65 ad
art. 1 LMI
p. 1847). Même si les restrictions de droit fédéral au marché intérieur sont rares, il n'en demeure pas moins que, si une loi fédérale traite différemment les acteurs économiques selon leur siège ou leur établissement, elle l'emporte sur la LMI en application du principe de la lex specialis (BIANCHI DELLA PORTA, op. cit., n° 49 ad
art. 1 LMI
p. 1844 s.). La jurisprudence a toutefois précisé, dans une situation d'enchevêtrement temporel de deux législations, que même en présence d'une loi fédérale restreignant l'accès au marché, il fallait avoir une approche nuancée et examiner, en respectant au mieux la volonté du législateur fédéral, si, selon les matières, la LMI ne demeurait pas applicable parallèlement (cf.
ATF 134 II 329
consid. 5.2 p. 333 s.).
La LLCA (qui faisait l'objet de l'arrêt précité), constitue du reste une illustration révélatrice du lien entre LMI et autres lois fédérales. Comme son nom l'indique, la LLCA contient des règles spéciales réglant la libre circulation des avocats (cf. art. 1) qui l'emportent sur la LMI. Toutefois, cela ne signifie pas que la LMI ne trouve jamais application. La jurisprudence a ainsi considéré que, si l'
art. 3 al. 1 LLCA
permettait aux cantons de fixer des dispositions concernant la formation des stagiaires, une réglementation cantonale qui dépassait l'objectif de formation poursuivi et restreignait la liberté des avocats d'organiser leur travail, tombait sous le coup de la LMI (cf.
ATF 134 II 329
consid. 5.3 p. 334 s.). En d'autres termes, si une loi fédérale contient une disposition fédéraliste (en l'occurrence l'
art. 3 LLCA
), par essence contraire à la LMI, elle ne saurait être mise en oeuvre de
BGE 141 II 280 S. 286
manière extensive par les cantons; si la réglementation cantonale adoptée sur cette base dépasse le cadre fixé par la loi fédérale, alors la LMI continue à s'appliquer (cf.
ATF 134 II 329
consid. 5.4 p. 335).
L'
art. 27 LP
constitue aussi une règle de droit fédéral qui l'emporte sur la LMI, dans la mesure où il permet aux cantons de fixer un cadre plus précis que cette dernière, afin de déterminer les exigences pour représenter les parties à la procédure d'exécution forcée (
ATF 135 I 106
consid. 2.5 p. 110 s.). Sur cette base, le Tribunal fédéral a considéré que le refus du canton de Genève de reconnaître, en vertu de son droit cantonal, à une société de recouvrement zurichoise la qualité pour représenter un créancier, bien que celle-ci ait été autorisée dans son canton de provenance était admissible, car conforme à l'
art. 27 LP
(
ATF 135 I 106
consid. 2.6 p. 111). Un arrêt récent, qui ne se prononce toutefois pas sur la problématique de la LMI, tend aussi à préserver les spécificités cantonales, tant que le droit fédéral n'impose pas une harmonisation. Il considère que si les représentants professionnels au sens de l'
art. 27 LP
s'imposent aux cantons par le renvoi de l'
art. 68 al. 2 let
. c CPC dans la procédure sommaire de l'
art. 251 CPC
, ceux-ci demeurent libres de ne pas prévoir de réglementation spécifique pour les autres procédures visées par l'
art. 27 LP
(cf.
ATF 138 III 396
consid. 3.4 p. 399 s.).
5.2.2
En matière d'exercice d'activités économiques lucratives privées, les cantons ont également des compétences autonomes, tant que la Confédération n'a pas légiféré (cf.
art. 95 al. 1 Cst.
). Dans ces domaines, le droit cantonal doit respecter la LMI, en vertu de la primauté du droit fédéral. Les restrictions à la liberté d'accès au marché qui figurent dans le droit cantonal et qui ne trouvent pas leur base dans une délégation de compétences figurant dans une loi fédérale de nature fédéraliste (cf. supra consid. 5.2.1), tombent donc sous le coup de la LMI; elles ne sont donc admissibles qu'aux conditions de l'
art. 3 LMI
et bénéficient de la présomption de l'
art. 2 al. 5 LMI
. Partant, par rapport au droit cantonal autonome, la LMI fixe des exigences minimales qui doivent en tout cas être respectées (cf.
ATF 136 II 470
consid. 3.3 in fine p. 481).
5.3
En l'espèce, la profession d'agent d'affaires répond à la définition d'activité lucrative privée au sens de l'
art. 1 al. 1 LMI
(
ATF 135 I 106
consid. 2.2 p. 108). Elle n'est pas réglementée sur le plan fédéral, mais est prévue par certains cantons (cf.
ATF 113 Ia 384
consid. 2b p. 385 s.), dont le canton de Vaud (loi cantonale du 20 mai 1957 sur
BGE 141 II 280 S. 287
la profession d'agent d'affaires breveté [LPAg; RSV 179.11]) et le canton de Genève (loi cantonale du 2 novembre 1927 réglementant la profession d'agent d'affaires [LPAA; rs/GE E 6 20]), qui définissent les compétences des agents d'affaires et les conditions pour exercer cette profession (FRANÇOIS BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 18 ad
art. 68 CPC
p. 224), avec toutefois une approche très différente. Sous réserve de dispositions de droit fédéral spécifiques l'emportant sur la LMI, les chargés d'affaires au sens du droit cantonal peuvent, en principe, se prévaloir de l'accès libre et non discriminatoire au marché sur tout le territoire suisse, afin de pouvoir exercer leurs activités dans la mesure où ils y sont autorisés dans le canton où ils sont établis. Un canton ne peut donc poser des restrictions empêchant un chargé d'affaires d'effectuer les activités ordinaires qu'il exécute dans son canton de provenance qu'aux conditions de l'
art. 3 LMI
en lien avec l'
art. 2 al. 5 LMI
.
5.4
Même si le litige ne concerne pas la possibilité pour les agents d'affaires brevetés vaudois d'accéder au marché de manière générale mais seulement de représenter à titre professionnel les parties en justice dans les domaines et procédures visés par l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, il n'est pas inutile de souligner les conséquences induites par la LMI pour ce genre de professions. Avant l'entrée en vigueur de cette législation, il était en effet exclu que les agents d'affaires puissent prétendre à pouvoir exercer leur profession sur tout le territoire de la Confédération (cf.
ATF 113 Ia 384
consid. 2 p. 385 ss).
6.
Cela étant posé, il convient de se demander si l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC est une disposition de droit fédéral qui, pour la représentation professionnelle des parties en justice par les chargés d'affaires dans les procédures et domaines décrits, l'emporte sur la LMI.
6.1
La réponse à cette question suppose d'interpréter l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC. La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge doit rechercher la véritable portée de la norme au regard notamment de la volonté du législateur telle qu'elle ressort, entre autres, des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique;
BGE 141 II 280 S. 288
ATF 141 III 53
consid. 5.4.1 p. 59;
ATF 138 III 166
consid. 3.2 p. 168). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant ces différentes interprétations, sans les soumettre à un ordre de priorité (
ATF 140 II 202
consid. 5.1 p. 204;
ATF 139 IV 270
consid. 2.2 p. 273;
ATF 137 III 344
consid. 5.1 p. 348).
6.2
L'
art. 68 al. 2 CPC
, qui règle la représentation à titre professionnel des parties, est rédigé comme suit:
Sont autorisés à représenter les parties à titre professionnel:
a. dans toutes les procédures, les avocats autorisés à pratiquer la représentation en justice devant les tribunaux suisses en vertu de la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats;
b. devant l'autorité de conciliation, dans les affaires patrimoniales soumises à la procédure simplifiée et dans les affaires soumises à la procédure sommaire, les agents d'affaires et les agents juridiques brevetés, si le droit cantonal le prévoit;
c. dans les affaires soumises à la procédure sommaire en vertu de l'art. 251, les représentants professionnels au sens de l'
art. 27 LP
;
d. devant les juridictions spéciales en matière de contrat de bail et de contrat de travail, les mandataires professionnellement qualifiés, si le droit cantonal le prévoit.
6.3
Sur le plan littéral, la let. b de l'
art. 68 al. 2 CPC
permet aux cantons d'adopter des règles autorisant en particulier des agents d'affaires à représenter à titre professionnel les parties en justice dans des domaines déterminés (cf. MARKUS AFFENTRANGER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, n° 8 ad
art. 68 CPC
p. 303). L'
art. 68 al. 2 let
. d CPC, qui vise la représentation professionnelle devant les juridictions spéciales en matière de contrat de bail et de contrat de travail, mentionne seulement les mandataires professionnellement qualifiés et non les chargés d'affaires. Cependant, cette disposition comporte textuellement la même réserve au droit cantonal que la let. b. Comme la portée de cette réserve est discutée en l'espèce, il convient d'interpréter ces deux dispositions de la même manière, ce d'autant que le canton de Vaud a permis aux chargés d'affaires de représenter professionnellement les parties en justice également devant les juridictions mentionnées à l'
art. 68 al. 2 let
. d CPC et que le litige porte aussi sur la possibilité d'exercer cette compétence dans le canton de Berne.
En mentionnant expressément "si le droit cantonal le prévoit", l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC autorise les cantons à aller moins loin et par exemple à limiter la représentation par des agents d'affaires à une
BGE 141 II 280 S. 289
seule catégorie de procédures ou de prévoir la représentation par des mandataires professionnellement qualifiés uniquement devant les juridictions spéciales en matière de bail et non de travail. En revanche, les cantons ne peuvent pas aller au-delà des procédures et domaines décrits à l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC (GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2
e
éd. 2014, n° 6 ad
art. 68 CPC
p. 64; HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2
e
éd. 2015, p. 81). S'ils le faisaient, ils contreviendraient à l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
.
Le texte de l'
art. 68 al. 2 CPC
ne contient cependant pas d'indication sur la portée intercantonale d'une autorisation décernée par un canton déterminé à un agent d'affaires breveté de représenter professionnellement les parties en justice dans les domaines et procédures visés par l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, contrairement à ce que prévoit, par exemple, l'
art. 27 al. 2 LP
. Malgré ce qu'affirment les recourants, on ne peut d'emblée tirer de cette absence d'indication que la LMI s'applique. Il faut seulement admettre que le texte n'est pas absolument clair et implique d'être confronté aux méthodes d'interprétation reconnues.
6.4
Sur le plan systématique, il ressort de l'
art. 68 al. 2 CPC
que la règle générale est de réserver la représentation à titre professionnel en justice dans les procédures civiles régies par le CPC aux avocats autorisés à pratiquer celle-ci devant les tribunaux suisses en vertu de la LLCA; la possibilité pour les agents d'affaires de fonctionner aussi à ce titre apparaît ainsi comme une exception que le CPC a réservée aux cantons qui le souhaitent dans des domaines particuliers (cf. AFFENTRANGER, op. cit., n° 5 ad
art. 68 CPC
p. 302). Dans son principe, l'
art. 68 al. 2 CPC
restreint donc, dans le domaine désormais unifié de la procédure civile, le libre accès au marché de la représentation professionnelle des parties en justice, en le limitant aux avocats autorisés en vertu de la LLCA (let. a), sauf cas particuliers limitativement énumérés aux let. b-d (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2
e
éd. 2013, p. 185). Les cantons qui ont fait usage de la possibilité prévue aux let. b et d dérogent donc au système général qui réserve, sur tout le territoire suisse, la représentation professionnelle dans les domaines couverts par le CPC, aux seuls avocats. Par conséquent, on peut déduire de la systématique de l'
art. 68 al. 2 CPC
qu'un canton qui n'a pas adopté de législation spécifique ou qui a été moins loin que l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC le lui autorise (cf. supra consid. 6.3), est soumis au système harmonisé
BGE 141 II 280 S. 290
prévu par le droit fédéral à l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
aussi dans les domaines visés aux lettres b et d. En d'autres termes, tant que le droit cantonal ne prévoit pas de règle spécifique, seuls peuvent représenter les parties en justice à titre professionnel sur le territoire du canton les avocats autorisés en vertu de la LLCA, conformément au CPC.
6.5
Sur le plan historique et téléologique, il ressort des travaux préparatoires qu'initialement, le CPC ne prévoyait pas la possibilité pour les cantons d'étendre aux agents d'affaires brevetés la représentation professionnelle en justice hormis la situation visée à l'
art. 27 LP
(Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6841, 6894 ad art. 66). Cette faculté a été introduite dans le projet du 19 décembre 2008 (FF 2009 21, 35), à l'initiative de la commission d'experts, en réponse au projet du Conseil des Etats, qui voulait limiter la compétence des agents d'affaires aux seuls actes relatifs au droit des poursuites. Le législateur a cherché à ne pas restreindre l'autonomie des cantons, en particulier le canton de Vaud, qui avait permis jusqu'alors aux agents d'affaires d'agir dans l'ensemble des procédures sommaires (BO 2008 CN 648 s.). En réservant la compétence des cantons, il apparaît ainsi que le législateur fédéral a cherché, au nom du fédéralisme, à préserver des spécificités cantonales en s'adaptant à la pratique vaudoise (HOFMANN/LÜSCHER, op. cit., p. 81), mais n'a pas voulu les étendre à l'ensemble du territoire suisse.
6.6
Si le texte de l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC n'est pas absolument clair, les approches systématique, historique et téléologique penchent en faveur d'une interprétation excluant l'application de la LMI. Les let. b et d de l'
art. 68 al. 2 CPC
apparaissent comme des réserves de type fédéraliste en faveur des cantons s'agissant de la représentation professionnelle des parties en justice qui, en matière de procédure civile, est depuis 2011 régie par le droit fédéral. Or, il ne faut pas perdre de vue qu'en ce domaine, le marché de la représentation professionnelle des parties en justice n'est pas libre, mais est limité par la règle générale de l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
qui le réserve aux avocats autorisés à pratiquer la représentation en justice devant les tribunaux suisses en vertu de la LLCA. Les travaux préparatoires démontrent que le législateur a accepté de faire une entorse à l'harmonisation de la représentation à titre professionnel en justice, afin de maintenir certaines spécificités cantonales. Dans cette mesure, l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC apparaît comme une règle de droit fédéral comportant
BGE 141 II 280 S. 291
une dérogation au marché pour permettre le maintien de particularismes cantonaux dont les effets ne sauraient par définition être imposés à l'ensemble de la Suisse. Les cantons n'ayant pas légiféré doivent respecter l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
. En cela, l'
art. 68 al. 2 CPC
contient une dérogation à la LMI qui l'emporte sur l'application de cette dernière.
6.7
On pourrait à la rigueur se demander si la LMI, en tant que loi subsidiaire, ne pourrait pas s'appliquer entre les cantons qui ont fait usage de la faculté offerte par l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC (cf. en ce sens, LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, p. 82). Cette option doit être rejetée, car elle n'est pas conforme au système mis en place à l'
art. 68 al. 2 CPC
. En effet, comme indiqué, la faculté offerte aux cantons par la réserve figurant à l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC leur permet d'aller moins loin que ne le prévoit le droit fédéral, mais pas au-delà. Or, si la LMI était applicable, il suffirait qu'un seul canton ait utilisé toutes les possibilités offertes par l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, pour que les autres cantons ayant certes fait usage de cette disposition, mais de manière plus restrictive, se voient imposer une extension de la représentation en justice, alors que le droit fédéral est censé leur laisser le choix. En outre, il serait difficilement justifiable, sous l'angle de l'égalité de traitement, d'imposer à un canton qui n'a fait qu'un usage limité des possibilités offertes par l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC d'accepter, en vertu de la LMI, qu'un agent d'affaires vaudois vienne représenter les parties à titre professionnel dans des domaines qu'il a choisi d'exclure, alors qu'un canton n'ayant prévu aucune dérogation pourrait refuser en application de l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
. L'idée du législateur ayant cherché à respecter le particularisme cantonal serait vidée de sa substance par l'application de la LMI entre les cantons ayant précisément voulu sauvegarder certaines de leurs spécificités.
6.8
En résumé, l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC contient une réserve de type fédéraliste qui, dans les domaines et procédures visés, permet aux cantons d'adopter des dispositions particulières qui ne s'appliquent que sur leur propre territoire. Les cantons qui n'ont rien prévu ou qui n'ont adopté que des règles allant moins loin que l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, sont, pour le surplus, tenus de respecter l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
. Comme l'a retenu à juste titre le Tribunal administratif, ces règles de droit fédéral l'emportent sur la LMI, en tant que dispositions spéciales plus récentes.
BGE 141 II 280 S. 292
6.9
La doctrine, dans sa majorité, partage du reste ce point de vue et considère que, lorsqu'un canton fait usage de la possibilité offerte par l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, celle-ci a une portée limitée au seul canton qui a décerné l'autorisation (MARTIN H. STERCHI, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. I, 2012, n
os
9a et 9d ad
art. 68 CPC
p. 757 s.; LUCA TENCHIO, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2
e
éd. 2013, n
os
10 et 13 ad
art. 68 CPC
p. 420 et 422; STAEHELIN/SCHWEIZER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2
e
éd. 2013, n
os
15 ss ad
art. 68 CPC
p. 565 s.; ROGER MORF, in ZPO Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, n° 4 in fine ad
art. 68 CPC
p. 162; STEPHANIE HRUBESCH-MILLAUER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, 2011, n° 7 ad
art. 68 CPC
p. 440; RÜETSCHI/VETTER, Vertretung vor den aargauischen Zivilgerichten [...], in Festschrift 75 Jahre Aargauischer Juristenverein, Beiträgezur Umsetzung der schweizerischen Zivilprozess-, Strafprozess- und Jugendstrafprozessordnung im Kanton Aargau, 2011, p. 75 s.; pour une position plus nuancée, réservant la LMI aux cantons ayant appliqué l'
art. 68 al. 2 let. b CPC
: LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, op. cit., p. 82; contra en faveur de l'application de la LMI: GASSER/RICKLI, op. cit., n° 6 ad
art. 68 CPC
p. 64; BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, p. 88 s. qui n'envisagent toutefois pas la problématique du CPC qui n'était pas encore en vigueur; HOFMANN/LÜSCHER, op. cit., p. 81, réservent la future décision du Tribunal fédéral dans la seconde édition de leur ouvrage).
7.
D'ailleurs, appliquer la LMI aux situations visées à l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC conduirait à des incohérences par rapport au système prévu par la LLCA et à une atteinte à la souveraineté cantonale.
7.1
La LLCA réserve, à son article 3, le droit cantonal, étant précisé que les cantons peuvent délivrer des brevets d'avocat à des conditions plus favorables que celles prévues à l'
art. 7 LLCA
et autoriser les titulaires de tels brevets à représenter les parties "devant leurs propres autorités judiciaires" (cf.
art. 3 al. 2 LLCA
), bien que ceux-ci ne puissent bénéficier de la libre circulation (cf. STAEHELIN/SCHWEIZER, op. cit., n° 12 ad
art. 68 CPC
p. 564; BOHNET/OTHENIN-GIRARD/SCHWEIZER, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, 2010, n
os
5 et 7 ad
art. 3 LLCA
p. 27 et n° 18 ad
art. 3 LLCA
p. 29; MEIER/REISER, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, 2010, n° 3 ad
art. 7 LLCA
p. 44; HANS NATER, in Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2
e
éd. 2011, n° 10 ad
art. 2 LLCA
p. 14; RÜETSCHI/VETTER, op. cit.,
BGE 141 II 280 S. 293
p. 75; KASPAR SCHILLER, Schweizerisches Anwaltsrecht, 2009, n. 301 p. 68; WALTER FELLMANN, Anwaltsrecht, 2010, n. 60 p. 21). Un avocat titulaire d'un brevet cantonal et autorisé à représenter les parties en justice à titre professionnel dans son canton ne peut donc aller plaider dans un autre canton. Partant, on voit mal que ce qui est exclu pour le titulaire d'un brevet d'avocat cantonal soit admissible pour un chargé d'affaires titulaire d'un brevet vaudois. En outre, permettre à celui-ci de se prévaloir de la LMI, afin de pouvoir représenter les parties en justice sur tout le territoire suisse de la même façon que dans son canton de provenance, alors que des titulaires d'un brevet d'avocat cantonal ne remplissant pas les exigences de la LLCA ne pourraient bénéficier de cette possibilité reviendrait à créer une inégalité de traitement entre concurrents directs s'agissant des domaines et procédures visés à l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, contraire à l'
art. 27 Cst.
(cf.
ATF 140 I 218
consid. 6.3 p. 229 s.).
7.2
Imposer aux cantons d'admettre à titre de représentants en justice des professionnels qui ne sont pas des avocats autorisés au sens de l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
au motif qu'ils sont habilités dans un autre canton ne peut se réduire, comme le voudrait la Comco, à la suppression d'une atteinte au libre accès à un marché. Déterminer qui, hormis les avocats, peut représenter les parties à titre professionnel en justice, touche non seulement à la procédure civile, mais aussi à l'organisation judiciaire cantonale. Or, l'
art. 122 Cst.
, tout en posant à son alinéa 1 que la législation en matière de droit civil et de procédure civile relève de la compétence de la Confédération, réserve expressément, à son alinéa 2, la compétence des cantons dans le domaine de l'organisation judiciaire et de l'administration de la justice en matière de droit civil sauf disposition contraire de la loi. Cette réserve implique que l'on ne peut parler d'une véritable autonomie des cantons, mais plutôt de compétences parallèles; les cantons demeurent souverains tant que le droit fédéral n'a pas réglé la question de manière exhaustive (cf.
ATF 140 III 155
consid. 4.3 p. 157 s.; cf. également arrêt 4C_1/2013 du 25 juin 2013 consid. 4.1, in PJA 2014 p. 404). Il n'en demeure pas moins que, lorsque le droit fédéral comporte des règles qui portent atteinte à la compétence cantonale en matière d'organisation judiciaire, il doit être interprété restrictivement et se limiter à ce qui est nécessaire, en particulier s'agissant de l'application du droit de procédure civile (CHRISTOPH LEUENBERGER, in Die Schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3
e
éd. 2014, n
os
26 s. ad
art. 122 Cst.
p. 2220).
BGE 141 II 280 S. 294
L'
art. 68 al. 2 CPC
n'est pas qu'une règle de procédure, mais empiète aussi dans l'organisation judiciaire cantonale, puisqu'il impose aux cantons de reconnaître à titre de représentants à titre professionnel dans toutes les procédures civiles les avocats autorisés à pratiquer la représentation en justice devant les tribunaux suisses en vertu de la LLCA. Les let. b et d permettent toutefois aux cantons de maintenir certaines spécificités, reconnaissant dans cette mesure leur autonomie. Or, si la LMI prime sur le fédéralisme s'agissant d'entraves au commerce liées à l'activité économique, elle ne saurait l'emporter sur le CPC et justifier une atteinte à la compétence des cantons sur un aspect qui relève notamment de l'organisation de la justice, alors que le CPC contient une réserve expresse au droit cantonal, afin d'en garantir les spécificités.
Il ne faut enfin pas perdre de vue qu'il n'y a pas que la procédure civile et qu'en matière administrative, la procédure n'est pas unifiée; les règles cantonales concernant la représentation à titre professionnel des parties en justice dans ce domaine sont disparates. Partant, considérer la problématique uniquement sous l'angle du libre accès à un marché reviendrait à imposer à un canton d'appliquer les exigences procédurales d'un autre canton et d'accepter dans les litiges administratifs des représentants, même si sa propre organisation judiciaire les exclut, ce qui porterait atteinte à sa souveraineté.
8.
Dès lors que la LMI n'est pas applicable, il n'y a pas lieu d'examiner si le refus des autorités bernoises d'autoriser le recourant 2 à représenter les parties en justice dans la même mesure que le prévoit le canton de Vaud sur la base de l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC remplit les conditions de l'
art. 3 LMI
, voire si la présomption de l'
art. 2 al. 5 LMI
a été renversée. Il ne sera donc pas entré en matière sur l'argumentation des recourants en lien avec l'application de la LMI.
9.
Le recourant 2 se plaint également d'une atteinte à l'
art. 27 Cst.
9.1
Déjà sous l'empire de l'
art. 31 aCst.
, la jurisprudence a admis que la représentation des parties en justice n'est pas une activité soustraite au domaine de la liberté économique (
ATF 105 Ia 67
consid. 4a p. 71, confirmé in
ATF 114 Ia 34
consid. 2b p. 37, lui-même rappelé in
ATF 125 I 161
consid. 3e p. 165 s.). Le recourant, qui se voit limité dans sa capacité de représenter professionnellement les parties en justice dans certains domaines, est donc atteint dans sa liberté économique. Conformément à l'
art. 36 Cst.
, toute restriction d'un
BGE 141 II 280 S. 295
droit fondamental doit reposer sur une base légale qui doit être de rang législatif en cas de restriction grave (al. 1); elle doit en outre être justifiée par un intérêt public ou par la protection d'un droit fondamental d'autrui (al. 2) et, selon le principe de la proportionnalité, se limiter à ce qui est nécessaire et adéquat à la réalisation des buts d'intérêt public poursuivis (al. 3), sans violer l'essence du droit en question (al. 4).
9.2
En l'occurrence, le canton de Berne n'ayant pas fait usage de la dérogation prévue à l'art. 68 al. 2 let. b et d CPC, le principe figurant à l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
s'applique. Dès lors que le recourant n'est pas un avocat autorisé à pratiquer la représentation en justice en vertu de la LLCA, le refus de donner suite à sa demande d'autorisation repose sur le système mis en place par le droit fédéral, qui limite le droit de représenter à titre professionnel les parties en justice dans les procédures civiles aux avocats au sens de l'
art. 68 al. 2 let. a CPC
. Le fondement de la restriction trouve donc sa source non pas dans le droit cantonal, mais dans le droit fédéral.
L'
art. 190 Cst.
impose au Tribunal fédéral d'appliquer le droit fédéral. Même si cette disposition n'interdit pas à la Cour de céans, lorsqu'elle le juge opportun, de vérifier la conformité du droit fédéral à la Constitution et, au besoin, de donner une impulsion au législateur (cf.
ATF 139 I 180
consid. 2.2 p. 185), il ne se justifie pas de procéder à cet examen détaillé en l'espèce ni d'examiner plus avant les autres conditions de l'
art. 36 Cst.
En effet, il suffit de renvoyer à la jurisprudence dans laquelle la conformité de dispositions cantonales instituant un monopole des avocats devant des autorités judiciaires a été considérée comme constituant une restriction admissible sous l'angle de l'intérêt public et de la proportionnalité à la liberté économique (à l'époque la liberté du commerce et de l'industrie; cf.
ATF 114 Ia 34
consid. 2 p. 36 ss).
Le grief tiré de la violation de l'
art. 27 Cst.
formé par le recourant 2 doit donc être rejeté. | public_law | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
a3dece3f-97c3-4a0e-85c5-9233c8977dac | Urteilskopf
85 I 217
35. Urteil vom 21. Oktober 1959 i.S. X. und Y. gegen Basel-Landschaft, Kanton und Steuerrekurskommission. | Regeste
Kantonales Steuerrecht. Willkür.
Besteuerung des auf Wertschriften des Privatvermögens erzielten Kapitalgewinnes. Bestimmung des Gestehungswertes der bei einer Erbteilung übernommenen Wertpapiere (Erwerbspreis des Erblassers oder Anrechnungswert bei der Erbteilung). | Sachverhalt
ab Seite 217
BGE 85 I 217 S. 217
A.-
Das Steuergesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 7. Juli 1952 (StG) enthält u.a. folgende Bestimmungen:
BGE 85 I 217 S. 218
a) im Abschnitt über die Einkommenssteuer: § 20.
1Der Einkommenssteuer unterliegt das gesamte Einkommen, soweit es davon nicht durch dieses Gesetz ausdrücklich ausgenommen ist.
2Was eine Person als Erbschaft, Schenkung und dgl. ... empfängt, gilt nicht als Einkommen.
3Soweit Grundstückgewinne durch die Grundstückgewinnsteuer erfasst werden, unterliegen sie der Einkommenssteuer nicht. § 21.
Zum Einkommen gehören insbesondere
.....
5. Gewinne, die aus beweglichem Vermögen entstehen, mit Einschluss der Liquidationsgewinne. § 22.
IAIs Vermögensgewinne gemäss § 21 Ziffer 5 gilt bei buchführenden Unternehmungen .....
2Bei nicht buchführenden natürlichen und juristischen Personen entspricht die Höhe des Vermögensgewinnes der Differenz zwischen Gestehungswert und Erlös. Lässt sich der Gestehungswert nicht nachweisen, so gilt der durchschnittliche Marktwert des Erwerbsjahres oder eine entsprechende Schätzung als Grundlage. Im übrigen sind für die Bestimmung des Gestehungswertes und des Erlöses die Vorschriften über die Grundstückgewinnst euer (§ 58) sinngemäss anwendbar.
b) im Abschnitt über die Grundstückgewinnsteuer: § 56.
1Wird ein Grundstück mit Gewinn veräussert, so hat der Veräusserer eine Grundstückgewinnsteuer zu bezahlen.
2Die Grundstückgewinnsteuer ist auch von Erbengemeinschaften im Zeitpunkt der Erbteilung zu entrichten. § 58.
1Als steuerbarer Gewinn gilt der den Gestehungswert übersteigende Erlös.
2Als Gestehungswert gilt allgemein der Preis, der für das Grundstück bei der letzten entgeltlichen Handänderung vergütet werden musste, unter Hinzurechnung der seitherigen wertvermehrenden Aufwendungen sowie der Erwerbs- und der Verkaufsunkosten.
.....
4Ist ein Grundstück bei einer Erbteilung übernommen worden oder an den Steuerpflichtigen durch Schenkung übergegangen, die Gegenstand einer Ausgleichung bildet, so gilt als letzte entgeltliche Handänderung die Erbteilung.
B.-
Der im Jahre 1956 im Kanton Baselland verstorbene X. hinterliess seinen Erben neben andern Wertpapieren auch Aktien Royal Dutch, die er zum Durchschnittspreis von Fr. 67.60 je Stück erworben hatte. Von
BGE 85 I 217 S. 219
diesen Aktien, die im amtlichen Nachlassinventar mit dem Kurswert des Todestages von Fr. 183.-- eingesetzt sind, wurden bei der Erbteilung eine Anzahl von der Witwe und von der Tochter Frau Y., beide im Kanton Baselland wohnhaft, und der Rest von den übrigen, ausserhalb dieses Kantons wohnenden Erben zum Inventarwert von Fr. 183.-- übernommen.
Im Dezember 1956 verkaufte Witwe X. und im Jahre 1957 auch Frau Y. einen Teil der übernommenen Aktien zum Preise von Fr. 180.39 bzw. Fr. 184.17 je Stück. Die Steuerverwaltung Baselland stellte diese Erlöse dem vom Erblasser bezahlten Erwerbspreis von Fr. 67.60 gegenüber und rechnete die Mehrbeträge als steuerbare Kapitalgewinne zum übrigen Einkommen von Frau X. für 1956 bzw. des Ehemanns der Frau Y. für 1957 hinzu. Die Steuerpflichtigen erhoben hiegegen Einsprachen und nach deren Abweisung Beschwerden, mit denen sie geltend machten, dass der Übernahmewert von Fr. 183.-- als Gestehungswert zu betrachten sei und demgemäss Frau X. keinen Kapitalgewinn und Frau Y. nur einen solchen von Fr. ..... erzielt habe.
Die Steuerrekurskommission Baselland wies beide Beschwerden am 24. Juni 1959 ab. Zur Begründung führte sie aus: Nach
§ 22 Abs. 2 StG
habe als steuerbarer Kapitalgewinn die Differenz zwischen Gestehungswert und Erlös zu gelten. In einer Weisung zu dieser Vorschrift habe die Finanzdirektion ausgeführt, dass bei der Erbteilung beweglichen Vermögens (im Gegensatz zum unbeweglichen) keine Gewinnberechnung vorgenommen werde und dass daher bei der späteren Veräusserung solchen Vermögens für die Gewinnberechnung nicht der bei der Erbteilung angerechnete Wert, sondern der vom Rechtsvorgänger bezahlte Preis als Gestehungswert zugrundezulegen sei. Die angefochtenen Veranlagungen entsprächen dieser Weisung und dem
§ 22 StG
. Die dort vorgeschriebene "sinngemässe" Anwendung von § 58 erheische vorab die Verwirklichung des Grundsatzes, dass als Gestehungswert der
BGE 85 I 217 S. 220
Preis der letzten entgeltlichen Handänderung gelte (§ 58 Abs. 2). Erbgang und Erbteilung seien an sich keine entgeltlichen Handänderungen, wiewohl § 58 Abs. 4 die Erbteilung durch Sondervorschrift zur entgeltlichen Handänderung erkläre. Dies sei aber nur so, weil die Erbteilung nach § 56 Abs. 2 die Grundstückgewinnsteuer auslöse. § 58 Abs. 4 könne somit nur für Grundstückgewinne gelten. Eine sinngemässe Anwendung von § 58 auf Wertschriften könne nur darin bestehen, dass steuerbar die Differenz zwischen dem Gestehungswert der letzten entgeltlichen Handänderung und dem Verkaufserlös sei. Die Besteuerung des gesamten, unter dem Erblasser und nach der Erbteilung entstandenen Gewinnes beim Veräusserer entspreche auch der Grundkonzeption des StG, das ohne Zweifel eine lückenlose Besteuerung der Vermögensgewinne anstrebe, wie ja auch der Einkommensbegriff in § 20 und 21 äusserst weit gefasst sei. § 22 Abs. 2 spreche ausdrücklich von der Besteuerung der Differenz zwischen Gestehungswert und Erlös, woraus folge, dass es keine steuerfreie Quote gebe, sondern der gesamte Vermögensgewinn zu versteuern sei. Da das StG beim beweglichen Vermögen die Erbteilung nicht als Realisierungsvorgang ansehe - eine entsprechende Bestimmung in der Vollziehungsverordnung sei vom Landrat abgelehnt worden -, müsse auf die letzte entgeltliche Handänderung zurückgegangen werden, um der Grundkonzeption des StG zu entsprechen. Die Richtigkeit dieses Vorgehens erweise sich auch am Beispiel des Alleinerben. Da dieser mangels einer Erbteilung die gesamte Differenz zwischen dem Gestehungswert des Erblassers und dem Erlös zu versteuern habe, müsse auch bei mehreren Erben auf diesen Gestehungswert zurückgegangen werden. Diese Regelung sei nicht willkürlich; willkürlich wäre vielmehr die gegenteilige Lösung, weil sie den Alleinerben ohne Grund benachteiligen würde.
§ 22 Abs. 2 StG
sei derart eindeutig, dass die Konstruktionen der Beschwerdeführer dagegen nicht aufzukommen vermöchten. Einzig die Lösung, wonach der Veräusserer den unter dem Erblasser
BGE 85 I 217 S. 221
angewachsenen Gewinn zu versteuern habe, sei unter dem Gesichtspunkt des Gesetzes sinnvoll.
C.-
Gegen diesen Entscheid der Steuerrekurskommission Baselland haben Witwe X. und der Ehemann der Frau Y. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie berufen sich auf
Art. 4 BV
und werfen der Steuerrekurskommissìon vor, sie habe den klaren und unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes nicht beachtet und eine Regelung getroffen, die mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes schlechterdings nicht vereinbar sei.
D.-
Die Steuerrekurskommission Baselland beantragt, auch im Namen des Regierungsrates, die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
.....
2.
Nach
§ 21 Ziff. 5 StG
gehören zum steuerbaren Einkommen auch "Gewinne, die aus beweglichem Vermögen entstehen". Was darunter zu verstehen ist und als steuerbarer Vermögensgewinn im Sinne
§ 21 Ziff. 5 StG
zu gelten hat, wird in § 22 für buchführende Unternehmungen einerseits und für andere Steuerpflichtige anderseits näher ausgeführt. Die Beschwerdeführer sind nichtbuchführende Steuerpflichtige. Bei solchen gilt nach
§ 22 Abs. 2 StG
als steuerbarer Vermögensgewinn die "Differenz zwischen Gestehungswert und Erlös". Ferner enthält § 22 Abs. 2 eine Vorschrift für den Fall, dass sich der Gestehungswert nicht nachweisen lässt. Dagegen ist
§ 22 Abs. 2 StG
selber nicht zu entnehmen, ob in dem hier vorliegenden Fall der Veräusserung von Vermögenswerten, die bei einer Erbteilung übernommen worden sind, der dabei vereinbarte Anrechnungswert oder der seinerzeit vom Erblasser erlegte Erwerbspreis den massgebenden Gestehungswert bildet.
§ 22 Abs. 2 StG
enthält indessen keine abschliessende Regelung, sondern schreibt in Satz 3 vor, dass "im übrigen für die Bestimmung des Gestehungswertes
BGE 85 I 217 S. 222
und des Erlöses die Vorschriften über die Grundstückgewinnsteuer (§ 58) sinngemäss anwendbar" sind. Das kann nichts anderes heissen, als dass alle in § 58 Abs. 1-8 enthaltenen Vorschriften anzuwenden sind, soweit sie sich ihrem Inhalt nach auf Gewinne aus beweglichem Vermögen (nachfolgend kurz Wertschriftengewinne genannt) anwenden lassen und diese Anwendung zu einem vernünftigen, mit den übrigen Bestimmungen des StG vereinbaren Ergebnis führt.
3.
§ 58 StG
bezeichnet in Abs. 2 den bei der letzten entgeltlichen Handänderung entrichteten Preis als Gestehungswert und bestimmt in Abs. 4, dass dann, wenn ein Grundstück bei einer Erbteilung übernommen worden ist, die Erbteilung als letzte entgeltliche Handänderung gelte. Diese Vorschriften sind klar und eindeutig und lassen sich nach ihrem Inhalt zwanglos auf Wertschriftengewinne anwenden. Ihre Anwendung auf diese führt auch zu einem durchaus vernünftigen Ergebnis. Die Übernahme eines Vermögensgegenstandes bei der Erbteilung ist insofern entgeltlich, als dafür ein bestimmter Anrechnungswert festgesetzt wird und der übernehmende Erbe bis zu diesem Betrage auf die Zuteilung anderer Nachlassgegenstände zu verzichten hat. Diese Funktion des Anrechnungswertes lässt es als gerechtfertigt erscheinen, ihn im Falle einer späteren Veräusserung des Vermögensgegenstandes durch den Erben als den für die Berechnung des steuerbaren Vermögensgewinnes massgebenden Gestehungswert zu betrachten. Entspricht demnach die Anwendung von
§ 58 Abs. 4 StG
auf Wertschriftengewinne dem klaren Wortlaut von
§ 22 Abs. 2 StG
und ist sie auch vernünftig, so würde der Standpunkt der Steuerrekurskommission, die Anwendung verbiete sich gleichwohl, dem Vorwurfe der Willkür nur standhalten, wenn sie mit andern Vorschriften des StG unvereinbar wäre, wie im angefochtenen Entscheid behauptet wird.
a) Die Steuerrekurskommission lehnt die Anwendung von
§ 58 Abs. 4 StG
auf Wertschriftengewinne vor allem
BGE 85 I 217 S. 223
deshalb ab, weil das StG für diese Gewinne keine dem
§ 56 Abs. 2 StG
entsprechende Regel enthalte, durch welche die vom StG zweifellos angestrebte lückenlose Besteuerung auch dieser Gewinne seit dem Erwerb durch den Erblasser sichergestellt würde. Dieser Betrachtungsweise kann indessen nicht gefolgt werden.
§ 56 Abs. 2 StG
, wonach die Grundstückgewinnsteuer auch von Erbengemeinschaften im Zeitpunkt der Erbteilung zu entrichten ist, hat in Verbindung mit
§ 58 Abs. 4 StG
zur Folge, dass der gesamte, zwischen dem Erwerb durch den Erblasser und der Veräusserung durch den übernehmenden Erben eingetretene Wertzuwachs auf Liegenschaften besteuert werden kann. Dass der Gesetzgeber auch eine solche lückenlose Erfassung der Wertschriftengewinne angestrebt und angeordnet habe, ist jedoch nicht dargetan.
§ 22 Abs. 2 StG
erklärt nur § 58, nicht auch
§ 56 Abs. 2 StG
als sinngemäss anwendbar, und der Landrat hat es, wie im angefochtenen Entscheid erwähnt wird, ausdrücklich abgelehnt, für Wertschriftengewinne eine dem
§ 56 Abs. 2 StG
entsprechende Bestimmung in die Vollziehungsverordnung aufzunehmen. Die Steuerrekurskommission schliesst daraus nicht nur, dass
§ 56 Abs. 2 StG
auf Wertschriftengewinne nicht analog anwendbar sei, sondern überdies, dass
§ 58 Abs. 4 StG
für solche Gewinne nicht gelte. Diese weitere Folgerung ist indessen unhaltbar und verletzt klares Recht, denn
§ 22 Abs. 2 StG
verweist ausdrücklich auf
§ 58 StG
und verlangt damit die sinngemässe Anwendung aller dort enthaltenen Vorschriften, also namentlich auch des Abs. 4, der sich, wie bereits ausgeführt, zwanglos und mit einem vernünftigen Ergebnis auf Wertschriftengewinne anwenden lässt und daher nicht einfach als unbeachtlich beiseite gestellt werden darf.
Das dem StG angeblich zugrundeliegende Prinzip der lückenlosen Besteuerung aller Vermögensgewinne ist, wie die in der Beschwerde angeführten Regelungen anderer Kantone zeigen, keineswegs selbstverständlich. Es lässt sich insbesondere weder aus der weiten Fassung des Einkommensbegriffs
BGE 85 I 217 S. 224
in den
§
§ 20 und 21 StG
noch aus der für die Grundstückgewinnsteuer geltenden Regelung ableiten, zumal die Grundstückgewinne nicht wie die Wertschriftengewinne durch die allgemeine Einkommenssteuer, sondern durch eine besondere Steuer erfasst werden. Davon abgesehen enthält das StG für den vorliegenden Fall eine Regel, der gegenüber die Berufung auf ein dem StG angeblich zugrundeliegendes allgemeines Prinzip nicht aufzukommen vermag. Hat der Gesetzgeber (was die kantonalen Behörden annehmen und das Bundesgericht nicht zu prüfen hat) die analoge Anwendung von
§ 56 Abs. 2 StG
auf Wertschriftengewinne ausgeschlossen, so hat er eben dadurch jenes Prinzip durchbrochen und eine Ausnahme im Sinne von
§ 20 Abs. 1 StG
geschaffen.
b) Die Steuerrekurskommission lehnt die Anwendung von
§ 58 Abs. 4 StG
auf Wertschriftengewinne auch im Hinblick auf die Besteuerung des Alleinerben ab; da dieser - mangels einer Erbteilung - wie bei Grundstücken, so auch bei Wertschriften die volle Differenz zwischen dem Gestehungswert des Erblassers und dem Erlös als Gewinn zu versteuern habe, müsse auch bei mehreren Erben auf den Gestehungswert des Erblassers zurückgegangen werden, ansonst der Alleinerbe ohne Grund schlechter als eine Mehrzahl von Erben und damit in unzulässiger Weise rechtsungleich behandelt werde.
Auch dieser Schluss ist verfehlt. Die Steuerrekurskommission ist zwar mit Recht der Meinung, dass zur Vermeidung einer rechtsungleichen Behandlung eine Ordnung zu suchen sei, die den Alleinerben nicht anders und stärker belastet als eine Mehrzahl von Erben. Dagegen schliesst sie zu Unrecht von der Regel, die sie im Falle des Alleinerben für richtig hält, auf die Unanwendbarkeit von
§ 58 Abs. 4 StG
beim Vorhandensein mehrerer Erben. Wenn das StG für den Fall, dass mehrere Erben vorhanden sind und eine Erbteilung stattzufinden hat, eine ausdrückliche Vorschrift aufstellt, den Fall des Alleinerben aber nicht ordnet, so haben die Steuerbehörden diese Vorschrift in Fällen mit
BGE 85 I 217 S. 225
mehreren Erben anzuwenden und in Fällen, wo nur ein einziger Erbe vorhanden ist, eine Lösung zu treffen, die mit derjenigen, die das StG für den Fall einer Mehrzahl von Erben enthält, im Einklang steht. Das gegenteilige Verfahren verstösst gegen klares Recht.
c) Sofern die nach dem StG bestehende Lücke in der Erfassung der Wertschriftengewinne als unbillig und unbefriedigend empfunden werden sollte, wäre es Sache des Gesetzgebers, sie durch Ergänzung der gesetzlichen Ordnung zu schliessen; sie auf dem Wege der Auslegung im Sinne des angefochtenen Entscheids auszufüllen, geht nicht an, sondern ist willkürlich und verletzt
Art. 4 BV
. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
a3dfd667-0719-4f58-ad3e-7229b5ee0ce5 | Urteilskopf
112 Ia 290
45. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 4 juin 1986 dans la cause S. contre Tribunal du IIIe arrondissement pour le district de Monthey (recours de droit public) | Regeste
Art. 58 BV
und 6 Ziff. 1 EMRK; Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter; Personalunion von Untersuchungsrichter und erkennendem Strafrichter; Ablehnung des Richters.
Die Garantie des unbefangenen Richters in der Rechtsprechung des Bundesgerichts (E. 3a) und in der Rechtsprechung der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention (E. 3b) (Zusammenfassung).
Das System der Personalunion von Untersuchungsrichter und erkennendem Strafrichter gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts (E. 3c; Zusammenfassung) und gemäss derjenigen der Organe der EMRK (E. 3e).
Die
Art. 58 BV
und 6 Ziff. 1 EMRK sind inskünftig so auszulegen, dass die untersuchungsrichterlichen und die strafrichterlichen Funktionen im gleichen Verfahren nicht vom gleichen Richter ausgeübt werden dürfen. Beurteilung der Unbefangenheit gemäss objektiven Kriterien, die geeignet sind, schon den blossen Anschein von Voreingenommenheit zu vermeiden (E. 5b und c; Änderung der Rechtsprechung).
Im System der Personalunion stellt einzig der obligatorische Ausstand eine zweckmässige und genügende Garantie für die Unbefangenheit des Sachrichters dar (E. 5e; Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 291
BGE 112 Ia 290 S. 291
Saisi de plusieurs dénonciations successives concernant la même personne, le Juge Instructeur du district de Monthey a ouvert une enquête d'office et procédé aux mesures d'instruction qui lui paraissaient nécessaires: interrogatoire du prévenu, audition de témoins, expertise ... L'instruction close, il a renvoyé la cause devant le Tribunal du IIIe arrondissement pour le district de Monthey, au sein duquel il siège lui-même, de par la loi, en qualité de président.
En son audience du 12 novembre 1984, le Tribunal rejeta d'entrée de cause une exception portant sur sa compétence et fondée sur la présence, en qualité de président, du magistrat qui avait exercé les fonctions de juge d'instruction. Puis il condamna S., pour escroquerie et faux dans les titres, à une peine assortie du sursis.
Agissant directement par la voie d'un recours de droit public fondé sur les
art. 58 Cst.
et 6 par. 1 CEDH, S. a requis, avec succès, l'annulation du jugement du 12 novembre 1984. (Dans la même séance du 4 juin 1986, le Tribunal fédéral a aussi admis, pour des motifs semblables, deux autres recours analogues, dirigés également contre deux jugements valaisans rendus, l'un, le 6 mai 1985 par le Tribunal du IIe arrondissement pour le district de Sierre (arrêt non publié F.), et l'autre, le 5 septembre 1985 par le Juge Instructeur II du district de Viège (arrêt A., publié in EuGRZ 1986, p. 670)).
BGE 112 Ia 290 S. 292
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant fait état d'une violation des
art. 58 Cst.
et 6 par. 1 CEDH. Il soutient que le Tribunal d'arrondissement était présidé par un juge qui ne pouvait être "organiquement impartial", en raison de son activité antérieure dans la même affaire en tant que juge chargé de l'instruction et autorité de renvoi.
a) Lorsque, comme en l'espèce, l'interprétation et l'application du droit cantonal ne sont pas contestées, le Tribunal fédéral examine librement si l'application non arbitraire de ce droit est compatible avec la garantie d'un jugement indépendant et impartial, assurée par les
art. 58 Cst.
et 6 par. 1 CEDH (
ATF 110 Ia 107
,
ATF 108 Ia 50
consid. 2,
ATF 105 Ia 174
consid. 2b et les références, 159/160 consid. 3).
b) Les faits reprochés au recourant relèvent de la "matière pénale", au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
(cf. Cour eur. D.H., arrêt Oeztürk du 21 février 1984, série A, vol. 73, par. 50 ss). Quant à la déclaration interprétative formulée par la Suisse au sujet de cet article (RO 1974, 2149; cf.
ATF 108 Ia 313
ss), elle n'entre pas en ligne de compte dans le cas particulier. En matière pénale, elle a en effet pour seul but d'assurer l'application des
art. 345 ch. 1 al. 2 et 369 CP
qui permettent aux cantons, pour l'un, d'attribuer le jugement des contraventions à une autorité administrative (cf.
ATF 111 Ia 268
consid. 2a) et, pour l'autre, de désigner les autorités compétentes pour le traitement des enfants et des adolescents (Message du Conseil fédéral à l'Assemblée fédérale du 4 mars 1974, FF 1974 I 1031s.).
3.
En matière pénale, l'organisation judiciaire, la procédure et l'administration de la justice appartiennent en principe aux cantons (
art. 64 bis al. 2 Cst.
) et ne sont pas déterminées par des normes précises de la Constitution fédérale. Certaines exigences minimales découlent toutefois de l'
art. 58 al. 1 Cst.
et de l'
art. 6 par. 1 CEDH
, telle la prétention donnée au justiciable d'être jugé par un juge indépendant et impartial (
ATF 105 Ia 159
consid. 3,
ATF 104 Ia 273
consid. 3).
a) Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, qui a exprimé ce principe en 1907 déjà (cf.
ATF 33 I 143
ss; cf. aussi
ATF 38 I 95
), la garantie du juge naturel offerte par l'
art. 58 al. 1 Cst.
fait obstacle à ce que des circonstances extérieures au procès puissent influer sur le jugement d'une manière qui ne serait pas objective, en faveur ou au préjudice d'une partie: celui qui se trouve sous de
BGE 112 Ia 290 S. 293
telles influences ne peut être un "juste médiateur" (
ATF 33 I 146
consid. 2) et ne doit donc pas pouvoir fonctionner comme juge (
ATF 105 Ia 161
/162 consid. 5b). Outre par l'organisation formelle des compétences, insuffisante à elle seule (
ATF 105 Ia 161
consid. 5b), cette garantie est assurée par les dispositions de droit cantonal sur la récusation. Mais, avant même ces dispositions cantonales, c'est le droit fédéral qui garantit à chacun que seuls des juges non prévenus statuent sur son litige, c'est-à-dire des magistrats qui offrent la certitude d'une appréciation indépendante et impartiale. La récusation d'un juge suspect de partialité peut donc être demandée directement sur la base de l'
art. 58 al. 1 Cst.
(
ATF 108 Ia 53
consid. 3,
ATF 92 I 275
consid. 4). Diverses circonstances, dont certaines seulement constituent des motifs légaux de récusation (
ATF 105 Ia 162
consid. 6a), peuvent susciter le doute quant à l'impartialité d'un juge. Il n'est cependant guère possible de définir, d'une façon générale, une limite à partir de laquelle la suspicion devient légitime. De toute façon, l'inobjectivité étant un état intérieur, on ne saurait se montrer trop exigeant quant à la preuve de son existence (
ATF 105 Ia 160
consid. 4b et 165,
ATF 104 Ia 275
consid. 3a); tout indice qui n'apparaît pas d'emblée sans pertinence doit être pris en considération (arrêt non publié N. du 13 avril 1983, cité par JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, p. 276, n. 16). Si la simple affirmation de partialité ne suffit pas, mais doit reposer sur des faits objectifs (
ATF 105 Ia 160
consid. 4a,
ATF 92 I 276
consid. 5), il n'est pas non plus nécessaire que le juge soit effectivement prévenu: la suspicion est légitime même si elle ne se fonde que sur des apparences, pour autant que celles-ci résultent de circonstances examinées objectivement (
ATF 105 Ia 178
consid. 5a,
ATF 97 I 95
consid. 3,
ATF 92 I 277
consid. 5). Au demeurant, il ne faut pas perdre de vue que la récusation a pour effet de soustraire la cause au juge primitivement prévu par la loi et qu'il y a ainsi une certaine contradiction entre le droit à un juge impartial et le droit au juge originairement institué. Selon la jurisprudence, il y a lieu d'en tenir compte lors de l'application de l'
art. 58 al. 1 Cst.
(
ATF 105 Ia 162
consid. 5c), en ce sens que la récusation doit demeurer l'exception (
ATF 105 Ia 163
consid. 6a).
b) Le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de constater que la garantie du juge naturel ainsi offerte par l'
art. 58 Cst.
a une portée tout aussi étendue que celle assurée par l'
art. 6 par. 1 CEDH
(
ATF 105 Ia 180
consid. 6, 166 consid. 7). S'agissant plus
BGE 112 Ia 290 S. 294
particulièrement de l'impératif d'impartialité, cette disposition de la convention prévoit que "toute personne a droit à ce que sa cause soit entendue (...) par un tribunal (...) impartial (...), qui décidera (...) du bien-fondé de toute accusation en matière pénale dirigée contre elle".
Selon la Cour européenne des droits de l'homme, l'impartialité peut s'apprécier selon une démarche subjective, qui conduit à déterminer ce que tel juge pensait dans son for intérieur en telle circonstance, et une démarche objective, qui consiste à rechercher si ce juge offrait des garanties suffisantes pour exclure tout doute légitime à cet égard (arrêt De Cubber du 26 octobre 1984, série A, vol. 86, par. 24; arrêt Piersack du 1er octobre 1982, série A, vol. 53, par. 30; pour une distinction analogue mais autrement définie, cf. STEFAN TRECHSEL, Gericht und Richter nach der EMRK, in Mélanges Peter Noll, Zurich 1984, p. 394 s.). La démarche dite objective implique la prise en compte de "considérations de caractère fonctionnel et organique". A ce propos, la Cour aime à citer l'adage anglais "justice must not only be done: it must also be seen to be done", qui la conduit à mettre l'accent sur l'importance que les apparences mêmes peuvent revêtir. Doit dès lors se récuser tout juge dont on peut légitimement craindre un manque d'impartialité; il y va de la confiance que les tribunaux d'une société démocratique se doivent d'inspirer au justiciable (arrêt De Cubber, par. 26; arrêt Piersack, par. 30; arrêt Sramek du 22 octobre 1984, série A, vol. 84, par. 42; arrêt Delcourt du 17 janvier 1970, série A, vol. 11, par. 31; cf. aussi le rapport de la Commission européenne des droits de l'homme dans l'affaire Ben Yaacoub, du 7 mai 1985, par. 92 ss). Au demeurant, une interprétation restrictive de l'
art. 6 par. 1 CEDH
, notamment quant au principe fondamental de l'impartialité, ne cadrerait pas avec le but et l'objet de cette disposition, compte tenu de l'importance du droit à un procès équitable (arrêt De Cubber, par. 30; arrêt Delcourt, par. 25).
c) Le problème particulier de la compatibilité avec la garantie d'impartialité de systèmes qui autorisent des interventions successives d'un même magistrat à divers titres dans une même cause pénale a déjà été porté plus d'une fois devant le Tribunal fédéral. Il a notamment fait l'objet d'un examen approfondi dans un arrêt rendu le 18 octobre 1978, qui concernait le cumul, dans le canton de Berne, des fonctions de juge d'instruction et de président de tribunal d'arrondissement (
ATF 104 Ia 271
ss). Ce
BGE 112 Ia 290 S. 295
système a été jugé admissible au regard des garanties offertes tant par l'
art. 58 al. 1 Cst.
que par l'
art. 6 par. 1 CEDH
. Procédant à l'appréciation des différentes attributions du juge bernois - chargé de conduire l'instruction, de formuler la requête de renvoi et de juger au fond -, le Tribunal fédéral est parvenu à la conclusion que l'exercice successif de ces compétences par un même magistrat ne mettait pas en cause son indépendance et son impartialité. Il a toutefois précisé que la récusation ne devrait pas être soumise à de trop hautes exigences lorsque certaines circonstances particulières d'une instruction pénale pouvaient créer un risque de prévention, attesté par des indices objectifs. Cette jurisprudence a été jugée applicable "a fortiori" dans une affaire où était mise en doute l'impartialité des juges composant la Chambre d'accusation du canton de Genève, au motif qu'ils étaient intervenus plusieurs fois, en cette qualité, dans le déroulement d'une même procédure (arrêt D. du 10 octobre 1979, partiellement publié in SJ 1980, p. 273 ss); elle a été confirmée dans deux arrêts F. c. Juge Instructeur II du district de Sion, rendus le 16 mai 1979 (consid. 3 et 4 publiés in ASDI 1981, p. 315 ss) et le 4 décembre 1980 (publié in RVJ 1981, p. 405 ss); elle a enfin été rappelée, incidemment, dans une affaire concernant le canton de Fribourg, mais où la question du cumul des fonctions n'avait pas à être examinée (arrêt non publié B. du 30 août 1985).
d) Cette position du Tribunal fédéral n'est toutefois pas unanimement partagée par la doctrine. Elle l'est par certains auteurs, qui réservent néanmoins, dans une plus ou moins large mesure, la possibilité d'obtenir la récusation (FRANÇOIS CLERC, Chronique helvétique trimestrielle, in RPS 101/1984 p. 94 s., 100/1983, p. 431 ss, 93/1977 p. 97; HANS SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1978, in RJB 115/1979 p. 561; HANS SCHULTZ, Zur Revision des bernischen Strafverfahrens, in RJB 107/1971 p. 339 s.). D'autres auteurs, en revanche, considèrent le système de l'union personnelle comme contraire à la constitution et à la convention (J.P. MÜLLER/S. MÜLLER, op.cit., p. 275 s.; D. PONCET, La protection de l'accusé par la Convention européenne des droits de l'homme, Genève 1977, p. 42 n. 118; G. PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, No 216, p. 167 s.; Roland WINIGER, Das solothurnische Strafprozess- und Gerichtsorganisationsrecht im Lichte der EMRK, in Festschrift 500 Jahre Solothurn im Bund, Soleure 1981, p. 440 ss; PETER
BGE 112 Ia 290 S. 296
NOLL, Strafprozessrecht - Vorlesungsskriptum, Zurich 1977, p. 16; PETER NOLL, Gewaltenteilung und Unabhängigkeit des Richters im Strafrecht, in Mélanges Germann, RPS 75/1959, p. 308 ss; MARTIN SCHUBARTH, Die Artikel 5 und 6 der Konvention, insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, in RDS 94/1975 I, p. 500; voir aussi, à propos de la révision de la loi soleuroise sur l'organisation des tribunaux,
ATF 104 Ia 275
consid. 3a et HUGO ODERMATT, Die Trennung der Personalunion Untersuchungsrichter/Amtsgerichtspräsident, in Festschrift 500 Jahre Solothurn im Bund, p. 385 ss).
e) Selon J.A. FROWEIN et W. PEUKERT (EMRK-Kommentar, Kehl, Strasbourg, Arlington 1985, No 96 ad art. 6, n. 26), la jurisprudence du Tribunal fédéral, telle que publiée in
ATF 104 Ia 271
ss, ne serait plus compatible avec celle de la Cour européenne des droits de l'homme, tout au moins depuis l'arrêt De Cubber précité, où la Cour a vu une violation de l'
art. 6 par. 1 CEDH
dans la présence, au sein d'un tribunal correctionnel belge, d'un magistrat ayant rempli auparavant les fonctions de juge d'instruction dans la même affaire.
Après avoir tout d'abord observé que le juge d'instruction belge figure parmi les officiers de police judiciaire, qu'il est soumis à la surveillance du procureur général et qu'il peut, dans les cas de flagrant délit, faire directement et en personne les actes attribués au procureur du Roi, la Cour a relevé les pouvoirs très étendus qui appartiennent à ce magistrat en sa qualité de juge instructeur: décerner un mandat de comparution, de dépôt, d'amener ou d'arrêt; procéder à l'interrogatoire du prévenu, à l'audition de témoins, à des descentes sur les lieux, à des perquisitions et visites domiciliaires, etc. Au surplus, l'instruction, de type inquisitorial, a un caractère secret et non contradictoire. "On comprend dès lors", écrit la Cour, "qu'un inculpé puisse éprouver de l'inquiétude s'il retrouve, au sein du tribunal appelé à statuer sur le bien-fondé de l'accusation, le magistrat qui l'avait mis en détention préventive et l'avait souvent interrogé pendant l'instruction préparatoire, ses questions fussent-elles dictées par le souci de découvrir la vérité". Elle a encore relevé le rôle prépondérant que ce juge peut jouer, en raison de sa connaissance du dossier, au moment de la décision du tribunal dans lequel il siège, tribunal qui peut enfin avoir à connaître de la légalité des mesures accomplies par le juge d'instruction (arrêt De Cubber, par. 29). Le gouvernement belge faisait pourtant valoir que le juge d'instruction jouit d'une entière
BGE 112 Ia 290 S. 297
indépendance dans l'accomplissement de sa tâche, qu'il n'est pas lié par les réquisitions du parquet, qu'il n'a pas qualité de partie à l'action publique mais doit instruire tant à charge qu'à décharge, et, enfin, qu'il ne décide pas du renvoi en jugement. Tout en reconnaissant la force de ces arguments, la Cour ne les a toutefois pas jugés décisifs (arrêt De Cubber, par. 28, 29 in principio et 30 in fine). Mettant l'accent sur des critères organiques et fonctionnels, conformément à la "démarche objective" décrite ci-dessus (consid. 3b), elle a retenu l'importance du rôle assigné par la loi belge au juge d'instruction, des pouvoirs qui lui sont conférés et des conséquences qui en découlent, sous l'angle des apparences, quant à son impartialité comme juge du fond.
4.
Dans le cas particulier, le recourant se réfère à cet arrêt De Cubber pour prétendre qu'il n'a pas eu droit à un juge impartial au sens des
art. 58 Cst.
et 6 par. 1 CEDH. Il soutient que son juge, parce qu'il a déjà instruit sa cause, ne saurait également en connaître au fond sans encourir le reproche de prévention ou, tout au moins, d'apparence de prévention. En ce qu'elle prévoit l'union personnelle du juge d'instruction et du juge du fond, la législation valaisanne ne serait pas en accord avec la garantie d'impartialité, telle que définie par la Cour européenne; quant à la jurisprudence du Tribunal fédéral (cf. en particulier
ATF 104 Ia 271
), elle serait maintenant obsolète.
a) Le poids de cette argumentation ne saurait être ignoré, compte tenu des critiques formulées par la doctrine (cf. consid. 3d ci-dessus) et des récentes décisions rendues par les organes de la Convention européenne des droits de l'homme (arrêts précités Piersack et, surtout, De Cubber). La jurisprudence du Tribunal fédéral doit donc être soumise à un nouvel examen.
b) Il y a lieu de remarquer, préliminairement, que la Cour européenne n'a pas entendu condamner le principe même du cumul des fonctions, quelles que soient les modalités selon lesquelles ce système est organisé. Elle s'est attachée, comme l'avait fait la Commission (cf. rapport du 5 juillet 1983 publié en annexe à l'arrêt De Cubber, série A, vol. 86, par. 65), à déterminer si, au vu des circonstances propres de l'affaire, le tribunal qui avait condamné le requérant répondait aux exigences de l'
art. 6 par. 1 CEDH
. De la même manière, la question de savoir si les critères retenus dans l'arrêt De Cubber permettent ou non de maintenir la jurisprudence définissant la portée de l'
art. 58 Cst.
ne doit pas être examinée abstraitement. Il convient, bien plutôt, de rechercher si
BGE 112 Ia 290 S. 298
le droit valaisan a assuré au recourant un juge satisfaisant aux exigences qui découlent de la garantie d'impartialité.
c) Au vu de la controverse suscitée par ces questions, il sied en outre de préciser qu'il serait vain de mettre en balance les avantages et les inconvénients présentés par le système de l'union personnelle, d'une part, et ceux qui sont inhérents à un système de séparation, d'autre part. Des arguments de cette nature relèvent de l'opportunité et sont étrangers à la question de savoir si tel système est compatible ou non avec les exigences de l'
art. 6 par. 1 CEDH
. De même, une comparaison des procédures pénales belge et valaisanne, qui présentent certes des analogies mais ne sont pas identiques, est superflue. Seule est décisive la référence aux critères posés dans l'arrêt De Cubber, dans la mesure où ils ne permettraient plus de maintenir la jurisprudence actuellement rendue en application de l'
art. 58 Cst.
5.
a) Dans le canton du Valais, la composition et la compétence des tribunaux sont déterminées par la loi (
art. 63 al. 1 Cst.
val.). Les ch. 2 à 4 de l'
art. 12 CPP
val. donnent au juge instructeur la compétence d'instruire et de juger, comme juge unique, les infractions qui y sont énumérées. En vertu du ch. 5 de la même disposition, il instruit les causes pénales dont le jugement relève du tribunal d'arrondissement. Ce tribunal est formé du juge instructeur du for de l'infraction, qui préside, et de deux autres juges instructeurs de l'arrondissement (art. 6 al. 2 de la loi d'organisation judiciaire du 13 mai 1960: OJ val.).
Le juge instructeur ouvre une instruction lorsqu'une infraction poursuivie d'office parvient à sa connaissance par une dénonciation ou de toute autre manière et lorsqu'une infraction qui ne se poursuit pas d'office lui est déférée par voie de plainte (
art. 42 CPP
val.). Sa décision sur l'ouverture de l'instruction doit être motivée (art. 46 ch. 2 et 3). Au cours de la procédure d'instruction, le juge instructeur accomplit d'office toutes les recherches et ordonne toutes les opérations propres à constater l'infraction et à en découvrir l'auteur (art. 51 ch. 1). Il rassemble les preuves, à charge et à décharge, en vue des débats (ch. 2). L'instruction est, en principe, secrète (art. 53), quand bien même les parties peuvent en tout temps requérir le juge de procéder à des opérations d'instruction (art. 54 ch. 1). Le secret de l'instruction connaît toutefois des exceptions lorsque la bonne marche de celle-ci ne s'y oppose pas. Ainsi en va-t-il de la consultation du dossier avant la fin de l'enquête (art. 56 et 58 ch. 2) et de la présence
BGE 112 Ia 290 S. 299
des parties à l'administration des preuves, encore que les parties ne peuvent poser des questions qu'avec l'assentiment du juge (art. 57). Lorsqu'il estime l'enquête suffisante, le juge instructeur fixe aux parties un délai pour requérir un complément d'instruction. Dès ce moment, les parties ont le droit de prendre connaissance du dossier complet. Le juge statue sur les réquisitions et, s'il y a lieu, complète l'instruction (art. 58). Il est aussi compétent pour interroger le prévenu (art. 61), pour décerner un mandat d'arrêt (art. 66) ou faire arrêter sans mandat l'individu pris en flagrant délit (art. 68), pour ordonner la détention provisoire (art. 72) et la mise au secret (art. 73), pour entendre des témoins (art. 88 ss), pour procéder à des inspections locales, à des visites domiciliaires, à des séquestres, à des perquisitions dans des papiers et à des expertises (art. 95 ss). Pour l'accomplissement de ces opérations, les agents de la police judiciaire lui sont subordonnés et il peut leur déléguer le pouvoir d'exécuter certaines mesures (art. 38 et 40). Le juge conduit l'instruction de manière indépendante; il n'appartient pas à la police judiciaire ni n'est soumis à la surveillance du ministère public (cf. art. 113 ch. 3).
Sitôt l'instruction terminée, le juge instructeur en prononce la clôture (art. 111). Lorsqu'il s'agit d'un délit poursuivi sur plainte ou d'une contravention de sa compétence, il rend une ordonnance appointant la cause à jugement (ordonnance de renvoi) s'il estime que l'instruction fournit les preuves suffisantes pour constater l'existence de l'infraction, ordonnance qui n'est pas susceptible de recours; si tel n'est pas le cas, il rend une ordonnance de non-lieu (art. 112 ch. 1). L'ordonnance de renvoi désigne le prévenu, énonce les faits retenus contre lui et leur qualification juridique, ainsi que les dispositions de la loi pénale qui paraissent applicables (art. 112 ch. 1 lettre a). Lorsqu'il s'agit d'un crime ou d'un délit poursuivi d'office, le juge instructeur rendra soit un arrêt de renvoi, soit un arrêt de non-lieu; dans la première hypothèse, il transmet le dossier au ministère public pour la rédaction de l'acte d'accusation; il cite ensuite les parties aux débats si la cause est de sa compétence ou procède conformément aux art. 116 ss si elle est de la compétence du tribunal d'arrondissement (art. 113 ch. 1). Il faut encore préciser que, dans les causes instruites et jugées par le juge instructeur, il n'y a pas de nouvelle administration de preuves aux débats (art. 121 ch. 2). Devant le tribunal, les parties peuvent faire administrer les preuves dans les limites fixées par l'art. 116 ch. 2.
BGE 112 Ia 290 S. 300
b) Le recourant ne met pas en cause l'impartialité personnelle du juge instructeur, laquelle se présume (arrêt De Cubber, par. 25; arrêt Piersack, par. 30). Se réclamant de critères objectifs, tels que définis dans l'arrêt De Cubber, il soutient qu'un même magistrat ne pouvait, sans violation de la garantie d'impartialité, successivement instruire sa cause, ordonner son renvoi et le juger.
A elle seule, l'ouverture de l'instruction par le juge instructeur n'est guère de nature à faire douter de son impartialité. Il lui appartient certes d'apprécier s'il est en présence d'une infraction poursuivie d'office ou si une plainte répond aux conditions légales (
art. 42 CPP
val.), et il doit déterminer si les faits incriminés sont punissables et si les conditions légales de l'action publique sont remplies (
art. 46 ch. 1 CPP
val.). Mais, lorsque tel est le cas, il a l'obligation d'ouvrir l'instruction.
On ne saurait, en revanche, sous-estimer l'importance du fait que le juge dirige lui-même l'instruction et qu'il dispose à cet effet, comme on l'a vu, de prérogatives très étendues, allant notamment jusqu'à la faculté d'ordonner la détention provisoire et la mise au secret (cf. arrêt De Cubber, par. 29). Le Tribunal fédéral a déjà admis que, dans ces conditions, il n'est pas exclu que des tensions puissent survenir entre le juge instructeur et le prévenu et que ce dernier puisse, du point de vue objectif, en concevoir des doutes, même infondés, quant à l'impartialité du magistrat (
ATF 104 Ia 274
consid. 3a). Si ce risque peut en particulier se réaliser lorsque l'inculpé n'a pas avoué ou lors d'enquêtes pénales de longue durée (ibid.), il ne peut pas non plus être exclu en cas de procédures moins importantes, les fonctions et pouvoirs du juge instructeur étant en soi de nature à susciter, selon les cas, de la défiance quant à sa capacité de connaître sans parti pris de la cause au fond. A cet égard, même une entière indépendance du juge vis-à-vis de la police judiciaire et du ministère public (cf.
art. 113 ch. 3 al. 2 CPP
val.), même son devoir d'instruire à charge comme à décharge (
art. 51 ch. 2 CPP
val.) - institutions qui visent à assurer au juge une position juridiquement impartiale (
ATF 104 Ia 274
consid. 2a et les arrêts cités) - ne constituent pas des correctifs suffisants, tant il est vrai que le déroulement de la procédure, inquisitoire et largement secrète, échappe en grande partie au contrôle de l'inculpé (cf. arrêt De Cubber, par. 28 et 29).
Un autre élément d'appréciation important réside dans les compétences qui appartiennent au juge à l'issue de l'instruction. Selon les preuves rassemblées et l'appréciation qu'il porte sur
BGE 112 Ia 290 S. 301
celles-ci, il ordonne soit le non-lieu soit le renvoi pour jugement. L'ordonnance, ou l'arrêt, de renvoi constitue certes le dernier acte de la procédure d'instruction et, en l'établissant, le juge instructeur ne préjuge pas; juridiquement, il ne constate pas l'existence de l'infraction ni ne se prononce sur la culpabilité, et il garde en principe la liberté, à l'issue des débats, de condamner ou d'acquitter. Néanmoins, à la différence du magistrat bernois, il ne fait pas qu'une simple proposition au procureur de district (cf.
ATF 104 Ia 275
/276 consid. 1b), mais il ordonne lui-même le renvoi. Cette distinction n'est pourtant pas déterminante (cf. arrêt précité F. du 16 mai 1979, consid. 4b publié in ASDI 1981, p. 317). Ce qui est significatif, sous l'angle des apparences, c'est que le juge appointe la cause à jugement lorsqu'il "estime que l'instruction fournit des preuves suffisantes pour constater l'existence de l'infraction et pour renseigner sur son auteur" (
art. 112 et 113 CPP
val.). Ainsi que le Tribunal fédéral l'a déjà constaté (arrêt précité F. du 16 mai 1979, consid. 4b, loc.cit.), un tel système recèle le danger que ce magistrat soit, en tant que juge unique ou en tant que président du tribunal, influencé - ou tout au moins donne l'impression de l'être - par sa précédente activité de juge d'instruction. Le justiciable peut alors légitimement nourrir l'appréhension que le juge qui a ordonné son renvoi en jugement ne soit pas à l'abri de toute prévention à son égard (cf., dans ce sens, le rapport précité de la Commission européenne des droits de l'homme dans l'affaire Ben Yaacoub, par. 109; d'une autre opinion: la minorité de cette même Commission, par. 5 de son rapport; FRANÇOIS CLERC, op.cit., RPS 100/1983, p. 432; arrêt précité F. du 16 mai 1979, consid. 4b, loc.cit.; arrêt précité D. du 10 octobre 1979, consid. 5c in SJ 1980, p. 277 ss). Pour le prévenu, il peut sans doute être difficile d'admettre que le juge qui a dirigé l'instruction et ordonné son renvoi puisse ne pas s'être forgé au moins une première idée sur le sort du procès et n'ait aucun parti pris. Cela est particulièrement vrai dans les causes instruites et jugées par le juge instructeur comme juge unique, puisqu'il n'y a pas de nouvelle administration de preuves aux débats (
art. 121 ch. 2 CPP
val.). Ce sentiment sera moins fort dans les causes de la compétence du tribunal, des preuves pouvant être administrées dans les limites posées par l'
art. 116 al. 2 CPP
val. Il ne disparaîtra toutefois pas. En revanche, l'appréhension du prévenu ne pourra qu'être renforcée par le risque que ce magistrat, dès lors qu'il a déjà une connaissance approfondie du dossier, joue un rôle
BGE 112 Ia 290 S. 302
prépondérant et exerce une influence déterminante au sein du tribunal d'arrondissement (cf. arrêt De Cubber, par. 29). A l'inverse, la situation du juge lui-même peut s'avérer délicate, notamment lorsque les déclarations du prévenu ou de témoins aux débats ne correspondent pas à celles faites à l'instruction, et cela qu'il s'agisse par exemple d'un aveu sur lequel le prévenu reviendrait (TRECHSEL, op.cit., p. 396) ou d'un témoin qui varierait dans ses déclarations. Il peut aussi advenir que le juge du fond soit amené à contrôler des preuves ou toute mesure ordonnée au cours de l'instruction (cf.
art. 128 ss CPP
val.): de toute évidence, "le prévenu peut estimer alarmante la perspective d'un concours actif (du juge d'instruction) à pareil contrôle" (arrêt De Cubber, par. 29).
Pour autant qu'elle soit donnée (art. 176 en rapport avec l'
art. 12 CPP
val.), la voie du recours ouverte contre le jugement, même s'il s'agit de l'appel, n'est pas déterminante. La Cour a en effet jugé que l'
art. 6 par. 1 CEDH
concerne d'abord les juridictions de première instance (arrêt De Cubber, par. 32), qu'il y va du renforcement de la protection des justiciables par l'instauration de plusieurs degrés de juridiction (ibid.) et que le vice - organique - affectant la composition d'un tribunal n'est pas corrigé si l'autorité de recours ne met pas le jugement à néant pour ce motif (ibid., par. 33).
c) Il découle de ce qui précède que la procédure pénale valaisanne est susceptible de ne pas offrir en toutes circonstances au prévenu un juge ou un tribunal présentant des apparences d'impartialité suffisantes au sens de l'interprétation donnée à l'
art. 6 CEDH
, sans pour autant que leur impartialité subjective puisse être mise en doute. Ce risque est inhérent en particulier à la position du juge instructeur au cours de l'instruction et aux pouvoirs étendus qui lui sont conférés, d'une part, et à sa qualité d'autorité de renvoi, d'autre part.
d) Comme beaucoup d'autres cantons, celui du Valais connaît l'institution de l'ordonnance pénale (art. 143 à 147 CPP val.), dite aussi ordonnance de condamnation ou mandat de répression (Strafbefehl, Strafmandat, decreto penale), soit ce type particulier de procédure de jugement qui permet au juge instructeur de statuer sur le fond de la cause au moment de la clôture de l'instruction, par une décision qui n'acquiert valeur de jugement qu'en l'absence d'opposition (cf.
ATF 92 IV 161
ss; cf. HAUSER, Kurzlehrbuch, p. 245 ss; PIQUEREZ, op.cit., nos 793 ss, p. 600 ss). Bien que cette
BGE 112 Ia 290 S. 303
procédure, considérée isolément, ne satisfasse sans doute pas aux exigences des
art. 58 Cst.
et 6 par. 1 CEDH, il n'y a pas lieu de déduire des considérants qui précèdent que l'ordonnance pénale, dont la caractéristique est d'être conditionnelle, serait incompatible notamment avec la garantie d'un jugement impartial (cf. TRECHSEL, op.cit., p. 388 s.; WINIGER, op.cit., p. 442 s.; Cour eur. D.H., arrêt Deweer du 27 février 1980, série A, vol. 35, par. 49). Simplement, le Tribunal fédéral n'a pas à trancher ici cette question, qui ne se pose pas en l'espèce.
e) Dans son arrêt, plusieurs fois mentionné, du 18 octobre 1978, le Tribunal fédéral reconnaissait déjà que le cumul des fonctions de juge d'instruction et de juge du fond pouvait, dans certains cas, comporter un risque de prévention, ce qui l'amenait à recommander que la récusation ne soit alors pas soumise à de hautes exigences (
ATF 104 Ia 275
consid. 3a). FRANÇOIS CLERC est d'avis que la récusation facultative, telle qu'elle est ordinairement régie par les codes cantonaux de procédure pénale, offre des garanties suffisantes (op.cit., RPS 101/1984, p. 95). HANS SCHULTZ va plus loin, qui propose d'admettre, dans ce cas, la récusation du juge sans indication de motifs (op.cit., RJB 115/1979, p. 561 et RJB 107/1971, p. 340). En revanche, J.P. MÜLLER/S. MÜLLER contestent que la récusation puisse constituer un correctif adéquat lorsque le risque de partialité résulte déjà de l'organisation des compétences (op.cit., p. 275 s.).
L'importance donnée, dans l'arrêt De Cubber, à l'apparence même d'impartialité (par. 26) et le rappel qu'une interprétation restrictive, quant à cette garantie, de l'art. 6 par. 1 ne cadrerait pas avec l'objet et le but de cette disposition (par. 30 in fine) conduisent également à remettre en question la solution naguère préconisée par le Tribunal fédéral. Si l'on se place, en effet, sur le plan organique et fonctionnel, il apparaît douteux que la récusation facultative, même admise facilement ou sans motif, suffise à assurer la garantie d'un tribunal impartial. Un tel système comporterait le risque de se pervertir en une sorte de régime de libre choix du juge. L'organisation normale des compétences des tribunaux pourrait ainsi devenir illusoire et la garantie du juge naturel - qui comprend aussi le droit à la composition régulière du tribunal (
ATF 108 Ia 53
consid. 3) - serait mise en péril (
ATF 105 Ia 162
consid. 5c et 163 consid. 6a; cf. ci-dessus, consid. 3a in fine). D'autres motifs que celui de s'assurer un magistrat impartial conduiraient souvent le prévenu à demander
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la récusation du juge instructeur, notamment parce qu'il espérerait obtenir un juge présumé plus clément. Au demeurant, les limites seraient difficiles à tracer et il ne serait guère possible d'assurer une pratique cohérente. De nombreuses procédures de récusation prolongeraient la durée des procès et permettraient en outre souvent à la prescription absolue d'intervenir là où elle est de courte durée.
Il apparaît ainsi que, dans un système d'union personnelle du juge chargé de l'instruction et du juge du fond, seule la récusation obligatoire puisse constituer un correctif idoine et suffisant au regard de la garantie d'un tribunal impartial. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a3ebe9db-2ac2-4dbd-b88b-0132f47def0a | Urteilskopf
101 Ia 575
89. Extrait de l'arrêt du 5 novembre 1975 en la cause S. contre Conseil d'Etat du canton de Neuchâtel. | Regeste
Legale Schwangerschaftsunterbrechung: Wohnsitzklausel.
1. Eine kantonale Bestimmung, die von einer um Abbruch der Schwangerschaft ersuchenden Schwangeren verlangt, dass sie seit mindestens zwei Monaten im Kanton Wohnsitz hat, schränkt deren persönliche Freiheit ein. Eine solche Beschränkung bedarf zu ihrer Zulässigkeit einer gesetzlichen Grundlage, die in casu fehlt (E. 3).
2. Die genannte kantonale Bestimmung widerspricht überdies
Art. 120 StGB
(E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 576
BGE 101 Ia 575 S. 576
Le 11 septembre 1968, le département de l'Intérieur du canton de Neuchâtel a adopté, sur la base des art. 120 CP et 94 du code de procédure pénale neuchâtelois (CPPN), un arrêté dont l'art. 2 a la teneur suivante:
"Art 2. - Toute personne enceinte qui demande une interruption de grossesse doit être domiciliée dans le canton depuis deux mois au moins."
Cet arrêté, entré en vigueur le 1er octobre 1968, n'a pas été publié; il a été en revanche communiqué à l'ensemble du corps médical neuchâtelois par circulaire du 17 septembre 1968.
Le 18 juin 1974, le docteur G. a présenté une demande d'interruption de grossesse pour dame S. Le médecin cantonal a refusé de désigner le médecin spécialiste chargé d'examiner le cas de la requérante et de délivrer ou de refuser l'avis conforme prévu à l'art. 120 CP, Dame S. n'étant pas domiciliée dans le canton de Neuchâtel.
Les recours formés contre cette décision auprès du chef du département de l'Intérieur, puis du Conseil d'Etat du canton de Neuchâtel, ont été rejetés.
Dans son recours de droit public, Dame S. soutient notamment que l'art 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 est contraire au droit fédéral et qu'il est dénué de toute base légale.
BGE 101 Ia 575 S. 577
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
a) L'art. 120 CP énonce les conditions auxquelles une interruption de grossesse n'est pas punissable. Il faut que la grossesse soit interrompue par un médecin diplômé, avec le consentement de la personne enceinte et sur avis conforme d'un second médecin diplômé, en vue d'écarter un danger impossible à détourner autrement et menaçant la vie de la mère ou menaçant sérieusement sa santé d'une atteinte grave et permanente. Selon l'alinéa premier, chiffre 2 de cette disposition, l'avis conforme doit être donné par un médecin qualifié comme spécialiste en raison de l'état de la personne enceinte et autorisé d'une façon générale ou dans chaque cas particulier par l'autorité compétente du canton où la personne enceinte a son domicile ou de celui dans lequel l'opération aura lieu.
C'est en application de cette disposition que le département de l'Intérieur du canton de Neuchâtel a pris l'arrêté du 11 septembre 1968. Celui-ci ne se borne toutefois pas à désigner l'autorité compétente au sens de l'art. 120 al. 1 ch. 2 CP; il exige en outre que la personne enceinte qui demande une interruption légale de grossesse soit domiciliée dans le canton depuis deux mois au moins. Cette réglementation a pour effet d'exclure pratiquement, dans la grande majorité des cas, l'interruption de la grossesse de personnes domiciliées hors du canton de Neuchâtel. Elle prive ces personnes de la possibilité de s'adresser, pour de telles opérations, à un médecin pratiquant dans le canton de Neuchâtel et d'y obtenir l'avis conforme sans lequel l'interruption est punissable. C'est la raison pour laquelle la recourante soutient que la décision entreprise viole sa liberté personnelle.
La liberté personnelle garantit le droit de disposer librement de son corps (RO 99 Ia 749). Le droit d'aller et de venir constitue un élément de cette liberté; de celle-ci dérive également le droit à l'intégrité corporelle. Le droit de disposer librement de son corps implique aussi celui de la personne atteinte dans sa santé de choisir librement son médecin; la personne enceinte, qui considère que son état menace sérieusement sa santé d'une atteinte grave et permanente, a donc le droit de s'adresser au médecin de son choix et d'obtenir, le cas échéant, l'avis conforme prévu à l'art. 120 CP. La décision
BGE 101 Ia 575 S. 578
entreprise a dès lors limité la liberté personnelle de la recourante, en mettant obstacle à ce que cette dernière puisse recourir aux services du médecin neuchâtelois auquel elle s'était adressée pour faire interrompre légalement sa grossesse. Pour être admissible, une telle restriction doit se fonder sur une base légale, respecter le principe de la proportionnalité et ne pas aller jusqu'à vider la liberté personnelle de sa substance (RO 99 Ia 749, consid. 2 et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral examine librement l'existence de la base légale de la restriction contestée, lorsque, comme en l'espèce, l'atteinte à la liberté personnelle est grave (RO 97 I 51/52).
b) Selon le Conseil d'Etat, l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 aurait pour base légale les art. 120 CP et 94 du code de procédure pénale neuchâtelois, du 19 avril 1945 (CPPN). Aux termes de cette dernière disposition, il appartient au département de l'Intérieur de pourvoir à la désignation des spécialistes visés par l'art. 120 CP. Cet article ne donne donc pas expressément à ce département la compétence d'exiger de toute personne enceinte qui présente une demande d'interruption légale de grossesse qu'elle soit domiciliée dans le canton depuis deux mois au moins; et l'on ne peut manifestement pas l'interpréter en ce sens qu'il lui conférerait un tel pouvoir.
c) L'autorité cantonale laisse entendre que l'art. 3 de la loi sur la police sanitaire, du 17 novembre 1959, constituerait la base légale de l'arrêté litigieux. Cette loi régit la police et la protection de la santé et de l'hygiène publiques. L'art. 2 donne au Conseil d'Etat le pouvoir d'édicter les règlements relatifs à la sauvegarde et à la protection de la santé et de l'hygiène publiques, à la police sanitaire, à l'exercice des professions médicales auxiliaires et paramédicales, ainsi qu'à la police des pharmacies et des drogueries, alors que l'art. 3 charge le département de l'Intérieur de la direction des affaires sanitaires. Il est dès lors pour le moins douteux que le Conseil d'Etat puisse déléguer au département de l'Intérieur la compétence d'édicter des règlements en matière de police sanitaire. Cette question n'a toutefois pas à être examinée en l'espèce, car il est évident que l'art. 3 de la loi sur la police sanitaire ne peut en aucun cas constituer la base légale de l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968.
d) Le Conseil d'Etat invoque enfin la clause générale de
BGE 101 Ia 575 S. 579
police, qui l'autoriserait à prendre, même en l'absence de toute base légale, les mesures propres à protéger l'ordre public, les biens de l'Etat et ceux des particuliers, contre des atteintes graves, directes et imminentes.
A cet égard, il expose que l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 "constitue une mesure de police sanitaire qui tend à répondre à un état de nécessité en sauvegardant le bon fonctionnement des établissements hospitaliers neuchâtelois auprès desquels les cas d'avortements sont, pour la plupart, acheminés". Dans sa réponse au recours, le Conseil d'Etat relève que cette disposition réglementaire a été proposée par la commission de déontologie de la société neuchâteloise de médecine. L'augmentation massive des avortements en 1967 et en 1968, due à l'afflux de personnes étrangères au canton, a jeté un grand trouble au sein du corps médical. Plusieurs médecins se sont élevés contre la réputation qu'acquérait le canton de Neuchâtel en matière d'avortements et dont ils étaient les victimes, directes ou indirectes. Une comparaison du nombre des avortements autorisés en 1967 dans le canton de Neuchâtel avec celui des interruptions légales de grossesse pratiquées à la même époque dans d'autres cantons démontrait que le seuil de tolérance avait été dépassé de beaucoup. L'introduction de la clause de domiciliation devait éviter la désorganisation des hôpitaux et des cliniques et préserver la considération que mérite le corps médical.
Il appartient certes aux cantons de prendre les mesures propres à assurer le bon fonctionnement des établissements hospitaliers publics et privés. Mais il ne ressort pas des documents produits en l'espèce par le Conseil d'Etat que le fonctionnement du système hospitalier neuchâtelois ait été véritablement mis en péril par l'augmentation du nombre des interruptions de grossesse. Il apparaît plutôt que l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 a été adopté en vue de sauvegarder la bonne réputation du corps médical neuchâtelois, que mettait en cause, à l'avis de certains médecins, la pratique trop libérale de plusieurs de leurs confrères. Quoi qu'il en soit, le Tribunal fédéral peut se dispenser d'examiner si l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 répondait à un état de nécessité lorsqu'il fut adopté et si le maintien de la règle alors établie se justifiait pour les motifs invoqués par le Conseil d'Etat. Si l'on admettait en effet que tel ait été le cas, il faudrait alors constater
BGE 101 Ia 575 S. 580
que, depuis 1968, le législateur cantonal aurait disposé de tout le temps nécessaire pour donner à la réglementation litigieuse la base légale qui lui fait défaut.
La décision attaquée, qui a pour fondement une disposition réglementaire dénuée de toute base légale, restreint de manière inadmissible la liberté personnelle de la recourante et doit être annulée.
4.
a) La recourante considère en outre que l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 est contraire au droit fédéral, en particulier à l'art. 120 CP. Les relations entre le droit public cantonal et le droit pénal fédéral doivent être réglées comme le sont, en vertu de l'art. 6 CC, celles du droit public cantonal et du droit civil fédéral. Dans la mesure où le droit pénal fédéral pose des règles de droit administratif, celles-ci l'emportent sur toute disposition de droit public cantonal contraire. Pour le surplus, le code pénal suisse ne porte pas atteinte au droit public cantonal; il laisse aux cantons la compétence de protéger l'intérêt public en édictant des dispositions de droit administratif, même s'il s'agit de rapports juridiques pour lesquels la Confédération a légiféré sur le plan pénal. Cette compétence n'est cependant pas illimitée. Le droit public cantonal ne doit pas paralyser le droit pénal fédéral ni en contredire l'esprit; il doit être en harmonie avec lui (RO 74 I 143; cf. RO 100 Ia 108, 99 Ia 508).
b) L'art. 120 CP n'a été adopté qu'après de longues discussions; il consacre une solution de compromis qui, d'après la doctrine et la jurisprudence, doit régler exhaustivement la question, en ce qui concerne tant les motifs de droit matériel justifiant la non-punissabilité de l'interruption de grossesse que les mesures d'ordre administratif à prendre en vue d'éviter d'éventuels abus (cf. FF 1974 II 730 ss; HAFTER, Meldepflicht bei strafloser Unterbrechung der Schwangerschaft, in RPS 63/1948, p. 483 et 485/486; DIEM, Die straflose Unterbrechung der Schwangerschaft und ihre Ausgestaltung in der schweizerischen Praxis, thèse Zurich 1952, p. 96; STUCKI-LANZREIN, Die legale Schwangerschaftsunterbrechung, thèse Berne 1971, p. 50; RO 74 I 141). Au nombre des mesures d'ordre administratif se trouve l'avis conforme.
Aux termes de l'art. 120 al. 1 ch. 2 CP, cet avis doit être délivré par un médecin qualifié comme spécialiste en raison de l'état de la personne enceinte et autorisé de façon générale ou
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dans chaque cas particulier par l'autorité compétente du canton où la personne enceinte a son domicile ou de celui dans lequel l'opération aura lieu. Il convient de déterminer en l'espèce quelle place cette disposition de droit fédéral laisse à l'application du droit public cantonal. Il s'agit en particulier de dire si le législateur neuchâtelois a édicté une disposition en harmonie avec le droit pénal fédéral lorsqu'il a exigé des personnes enceintes qui demandent à l'autorité de désigner le médecin chargé de délivrer ou de refuser l'avis conforme qu'elles soient domiciliées dans le canton depuis deux mois au moins.
Il ne résulte ni du texte, ni du sens de la législation fédérale relative à l'interruption légale de la grossesse que le législateur fédéral a voulu laisser aux cantons la compétence d'aggraver les conditions dans lesquelles l'avis conforme doit être délivré, voire de rendre impossible pour un certain nombre de femmes, en introduisant une clause de domiciliation, toute interruption légale de grossesse. Au contraire, l'art. 120 CP parle expressément de l'autorité du canton "où la personne enceinte a son domicile ou de celui dans lequel l'opération aura lieu". Lorsqu'il adopta cette disposition, le législateur fédéral était conscient des divergences qui existaient entre cantons en ce qui concerne l'admissibilité des interruptions de grossesse et qui devaient inciter des personnes enceintes à demander une telle intervention dans un autre canton que celui de leur domicile. Dans son message relatif à une loi fédérale sur la protection de la grossesse, ainsi qu'au nouveau régime de répression de l'interruption de la grossesse, du 30 septembre 1974, le Conseil fédéral a d'ailleurs relevé "que le régime légal, qui ne limite pas uniquement au domicile de la personne enceinte l'interruption autorisée, a préparé les voies de l'interruption pratiquée en d'autres lieux" (FF 1974 II 734). Il a également rappelé que dix cantons suisses ne connaissent pratiquement aucun cas d'interruption de grossesse, alors que, dans d'autres cantons, les interruptions autorisées ne cessent d'augmenter (op.cit., p. 734). En adoptant l'art. 120 CP, le législateur fédéral a également tenu compte du désir légitime de personnes enceintes de s'entourer d'une certaine discrétion. Il ne pouvait pas non plus ignorer que certains cantons ne disposaient pas d'un équipement hospitalier suffisant (LOGOZ, Commentaire, n. 4 e ad art. 120 CP).
BGE 101 Ia 575 S. 582
S'il a ainsi admis que les personnes enceintes puissent faire interrompre leur grossesse dans un autre canton que celui de leur domicile, le législateur fédéral a également pris les mesures utiles en vue d'éviter d'éventuels abus. Il a en particulier posé l'exigence de l'avis conforme délivré par le médecin qualifié de spécialiste en raison de l'état de la personne enceinte et autorisé par l'autorité du canton où l'opération aura lieu (GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, p. 236; THORMANN et VON OVERBECK, Schweiz. Strafgesetzbuch, n. 7 ad. art. 120; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, p. 47/48; SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, 2e éd., p. 312/313). Bien qu'elles aient été envisagées lors de la revision du CP en 1950, d'autres restrictions furent écartées (cf. GRAVEN, l'avortement licite ou la réglementation de l'interruption non punissable de la grossesse, en droit pénal suisse, in RPS 67/1952, p. 182 ss).
Le Conseil d'Etat soutient toutefois que l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 ne fait que garantir le sérieux de chaque examen. La majorité des femmes enceintes invoquant des troubles de nature psychique ou sociale, le bien-fondé de telles allégations ne pourrait être attesté que par le médecin traitant, qui connaît la patiente, le milieu dans lequel elle vit, et qui, de ce fait, se trouve à proximité de son lieu de domicile. L'autorité cantonale considère donc que la clause de domiciliation, qui n'a pour but que d'assurer le respect des dispositions de droit fédéral sur l'interruption de grossesse, est en harmonie avec elles. Cette opinion n'est pas fondée, car elle méconnaît le fait que le législateur fédéral a pris en compte cet intérêt public au respect de la loi et qu'il a posé les règles propres à le sauvegarder.
Il convient dès lors d'admettre que l'art. 2 de l'arrêté du 11 septembre 1968 viole le droit fédéral. Le Tribunal fédéral était d'ailleurs arrivé à cette même conclusion dans son arrêt non publié en la cause de Kalbermatten et consorts, du 1er juillet 1975, et dans lequel il a relevé que les prescriptions posées par les chiffres 1 et 2 de l'art. 120 al. 1 CP sont des dispositions de droit matériel instituant une clause d'exclusion de la peine, que cette réglementation est complète et que les cantons ne peuvent ni en restreindre ni en étendre la portée.
La décision entreprise, qui a ainsi pour fondement une disposition de droit cantonal contraire au droit fédéral, doit être annulée pour ce motif également.
BGE 101 Ia 575 S. 583
5.
Le recours devant être admis, il n'y a pas lieu d'examiner les conséquences juridiques découlant du fait que, "pour des raisons de pudeur", l'arrêté du 11 septembre 1968 n'a pas fait l'objet d'une publication.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et annule l'arrêté attaqué. | public_law | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
a3ece6e7-5acf-4ca8-9788-0f7f253fd2b3 | Urteilskopf
111 Ib 73
17. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 9 août 1985 dans la cause M. contre Département fédéral de justice et police (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 100 lit. b Ziff. 2 OG
.
Soweit im Bereiche des Asylrechts die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Sachentscheide ausgeschlossen ist, ist sie dies auch gegen prozessuale, namentlich Nichteintretensentscheide (Grundsatz der Einheit des Prozesses). | Sachverhalt
ab Seite 74
BGE 111 Ib 73 S. 74
M., ressortissant zaïrois, né en 1960, a présenté une demande d'asile dès son arrivée en Suisse en octobre 1983, qui a été rejetée en dernière instance par le Département fédéral de justice et police le 18 janvier 1985.
Les 26 juin et 1er juillet 1985, M. a adressé au Département fédéral de justice et police une demande de revision de la décision du 18 janvier 1985, en se fondant sur le témoignage d'un autre ressortissant zaïrois.
Par décision du 9 juillet 1985, le Département a déclaré irrecevable cette demande de revision et a maintenu son prononcé du 18 janvier 1985. Il a considéré que le témoignage produit ne saurait en aucun cas être considéré comme un nouveau moyen de preuve au sens de l'
art. 66 al. 2 lettre a PA
.
Le recours formé par M. auprès du Tribunal fédéral contre cette décision a été déclaré irrecevable, tant comme recours de droit administratif que comme recours de droit public.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) La loi fédérale sur l'asile du 5 octobre 1979 (LAs; RS 142.31) a modifié l'
art. 100 lettre b ch. 2 OJ
qui, d'une manière générale, excluait le recours de droit administratif contre les "décisions sur le droit d'asile", en précisant que cette exclusion concerne maintenant les "décisions sur l'octroi ou le refus de l'asile". Cela ne signifie cependant pas que, depuis la modification de l'
art. 100 lettre b ch. 2 OJ
, la voie du recours de droit administratif serait ouverte contre toutes les autres décisions en matière d'asile. En particulier, les règles d'irrecevabilité du recours prévues à l'art. 100 lettre b ch. 1 (refus d'entrée) et ch. 4 (renvoi) demeurent toujours en vigueur.
Ainsi, dans les cas où les décisions en matière d'asile ne peuvent pas être attaquées par la voie du recours de droit administratif sur le plan
BGE 111 Ib 73 S. 75
matériel, cette voie de droit n'est pas non plus ouverte pour faire valoir la violation de certaines règles de procédure contenues dans la loi sur l'asile. Contrairement à ce que soutient le recourant, il n'est pas possible d'opérer sur ce point une différence entre les règles de procédure spécifiques du droit d'asile et celles prévues par la loi fédérale de procédure administrative. Cette conséquence découle directement du principe de l'unité de la procédure valable en droit administratif fédéral (
ATF 104 Ib 380
,
ATF 103 Ib 147
,
ATF 96 V 143
; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 1983, p. 106/107), principe qui se trouve expressément confirmé à l'art. 101 lettres a et b OJ pour les décisions incidentes, les décisions sur recours pour déni de justice ou retard injustifié, ainsi que les décisions sur les frais de procédure et les dépens.
Le principe de l'unité de la procédure s'applique à toutes les décisions en matière de police des étrangers contre lesquelles le recours de droit administratif est exclu par la loi fédérale d'organisation judiciaire (art. 100 lettre b). Il en résulte que, dans les cas où un domaine du droit est soustrait à la compétence du Tribunal fédéral, comme l'indique la note marginale de l'
art. 100 OJ
, cette soustraction de compétence s'étend aussi bien sur le plan matériel que sur le plan formel.
La situation est pourtant différente lorsqu'il s'agit d'un recours de droit public formé contre la décision d'une autorité cantonale. La recevabilité du recours dépend alors de la qualité pour recourir au sens de l'
art. 88 OJ
, qualité qui fait en principe défaut dans la mesure où l'étranger ne possède aucun droit à sa présence en Suisse. Par contre, la qualité pour recourir est admise dans l'hypothèse où le recourant se plaint de la violation de règles de procédure qui, en droit cantonal, lui garantissent sa position de partie (
ATF 109 Ib 180
consid. 2, 106 Ib 132 consid. 3).
b) L'exclusion du recours de droit administratif pour violation de règles de procédure dans le cadre d'une décision refusant l'asile implique aussi que la décision de non-entrée en matière dans une telle procédure n'est pas susceptible d'être attaquée par cette voie de droit devant le Tribunal fédéral.
Le même principe a déjà été adopté à propos de l'art. 99 lettre f OJ, selon lequel le recours de droit administratif n'est pas recevable contre des décisions sur le résultat d'examens professionnels, de maîtrise ou d'autres examens professionnels. Le Tribunal fédéral a alors déclaré irrecevable le recours contre une décision de non-entrée en matière du Département fédéral de l'économie publique.
BGE 111 Ib 73 S. 76
Il a en effet retenu que les décisions de non-entrée en matière ne devaient pas être traitées différemment que les décisions par lesquelles l'autorité refuse de statuer ou tarde à se prononcer (
art. 97 al. 2 OJ
) qui, elles, tombent sous le coup de l'exclusion prévue par l'art. 99 lettre f OJ (
ATF 110 Ib 199
consid. 2).
c) Il résulte de ce qui précède que la voie du recours de droit administratif n'est, dans le cas particulier, pas ouverte contre la décision du Département fédéral de justice et police refusant d'entrer en matière sur la demande de revision présentée par le recourant.
3.
Le recourant relève que si son recours n'est pas recevable comme recours de droit administratif, il devrait être traité comme recours de droit public fondé sur l'
art. 4 Cst.
, pour violation du droit d'être entendu et déni de justice. Ce moyen de droit n'est cependant ouvert que contre une décision ou un arrêté cantonal (
art. 84 al. 1 OJ
). Il s'en suit que le présent recours n'est pas recevable en tant que recours de droit public, puisqu'il est dirigé contre une décision prise par le Département fédéral de justice et police. | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a3f68caf-32dc-4035-84e8-5b3e0d8f714e | Urteilskopf
107 Ib 125
25. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 23 septembre 1981 dans la cause SASMA S.A. contre Tribunal administratif du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Gewässerschutz (
Art. 5 Abs. 2 AGSchV
. Art. 8 und 20 VWF, Art. 13 TTV).
1. Richtlinien eines privaten Verbandes; Frage der Rechtsnatur offen gelassen; Verhältnis zur AGSchV (E. 2 a und 2 c).
2. Ausnahmen nach Art. 20 VWF, wonach in der Zone A das Erstellen neuer und das Erweitern bestehender Anlagen für flüssige Brenn- und Treibstoffe untersagt ist; restriktive Auslegung, Sinn dieser Bestimmung (E. 2 b).
3. Wer eine Ausnahmebewilligung erlangen will, kann nicht unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auf ähnliche Werke wie das geplante hinweisen, wenn diese zwar unter dem geltenden Recht ausgeführt wurden, aber noch entsprechend dem alten Recht bewilligt worden waren (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 126
BGE 107 Ib 125 S. 126
L'Etat de Genève est propriétaire de deux parcelles contiguës Nos 2199 et 2201. La parcelle No 2199 est de trois mètres surélevée par rapport à la parcelle No 2201.
En 1962, pour la parcelle No 2201, et en 1966, pour la parcelle No 2199, l'Etat de Genève a accordé à Sasma S.A., Société anonyme de stockage et de manutention de produits pétroliers, deux servitudes personnelles de superficie. Total Suisse S.A. et Cica S.A., partenaires de Sasma S.A., ont aménagé sur ces terrains un dépôt d'hydrocarbures dont Sasma S.A. assure l'exploitation. Cette installation, alimentée par un oléoduc construit en 1972, est divisée en quatre bassins reliés entre eux. Les bassins Nos 1 et 2, sur la parcelle No 2201, comportent chacun dix citernes d'un volume total de 60'400 m3. Les bassins Nos 3 et 4, sur la parcelle No 2199, comportent ensemble onze citernes d'un volume total de 60'900 m3. Toutes ces citernes ont une hauteur de 20 m; le manteau de celles construites sur la parcelle No 2201 est ainsi inférieur de 3 m à celui des citernes construites sur la parcelle No 2199. L'installation sert, notamment, à l'approvisionnement en carburant de l'aéroport de Genève/Cointrin.
Le Conseil d'Etat du canton de Genève a approuvé une carte
BGE 107 Ib 125 S. 127
cantonale des zones de protection des eaux qui est entrée en vigueur le 1er juillet 1976. Ce plan a transféré le secteur de la Renfile où s'élèvent les dépôts de Sasma S.A. en zone A, alors qu'il était antérieurement classé en zone C. L'aéroport de Cointrin est lui-même classé en zone B et C.
Le 15 novembre 1977, Sasma S.A. a requis du Département des travaux publics du canton de Genève l'autorisation de surélever de trois mètres les vingt citernes des bassins sud 1 et 2, afin de les porter au même niveau que les onze citernes des bassins nord 3 et 4 en conformité des directives émises en 1975 par la Carbura. Cette surélévation a pour effet d'augmenter le volume de l'installation de plus de 9000 m3, soit 7,5% de son volume actuel. La commune de Vernier a donné un préavis défavorable à la demande qui a été rejetée par décision du Département des travaux publics du 2 mars 1978.
Sasma S.A. a recouru contre cette décision auprès de la Commission de recours instituée par la loi genevoise du 25 mars 1961 sur les constructions et les installations diverses (Commission de recours).
Le 21 novembre 1978, la Commission de recours, suivant le préavis de l'Office fédéral de la protection de l'environnement, a admis le recours de Sasma S.A. et annulé la décision du Département des travaux publics du 2 mars 1978.
Le Département des travaux publics a formé, auprès du Tribunal administratif du canton de Genève, un recours en réforme dans lequel il soutient que le projet est contraire au droit fédéral et n'est justifié par aucune raison spéciale, les normes de la Carbura sur lesquelles il se fonde n'ont pas un caractère obligatoire et doivent céder le pas aux dispositions contenues dans la législation fédérale. Le Tribunal administratif ayant admis le recours et annulé la décision de la Commission de recours du 21 novembre 1978, Sasma S.A. a formé un recours de droit administratif dans lequel elle conclut à ce que l'arrêt du Tribunal administratif soit annulé et à ce que l'autorisation de construire lui soit accordée.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours pour les motifs suivants.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
a) L'ordonnance du 19 juin 1972 sur la protection des eaux contre leur pollution par des liquides pouvant les altérer (OPEL) a été adoptée par le Conseil fédéral, en application notamment des art. 23, 25 et 26 LPEP. Elle est entrée en vigueur
BGE 107 Ib 125 S. 128
le 1er juillet 1972. Elle s'applique à la construction, à l'équipement, à l'exploitation et à l'entretien d'installations servant à l'entreposage, au transvasement et au transport, ainsi qu'à la fabrication, au traitement, à l'utilisation, à la transformation de liquides qui peuvent altérer les eaux et à l'élimination de leur réseau. Les combustibles et les carburants liquides figurent parmi les matériaux concernés par cette ordonnance (art. 1 al. 1 et 2). Il est constant que les dépôts de la recourante sont assujettis à l'OPEL. Il n'est pas davantage discuté que ce sont d'anciennes installations au sens des
art. 49 à 52
OPEL puisqu'elles ont été édifiées avant l'entrée en vigueur de cette ordonnance, c'est-à-dire, comme l'a constaté le Tribunal administratif, en 1962, pour les citernes des bassins sud et en 1967 et 1970 pour les citernes des bassins nord. Elles doivent donc faire l'objet d'une mise en état afin de satisfaire aux exigences techniques prévues à l'art. 3 OPEL ou d'atteindre un degré de sécurité approchant celui des nouvelles installations (art. 49 al. 2 OPEL). Les prescriptions techniques applicables à l'entreposage des liquides (PEL) adoptées par le Département fédéral de l'intérieur le 27 décembre 1967 en application de l'art. 3 OPEL posent le principe que la construction, l'exécution et l'entretien des réservoirs en acier, tels ceux de la recourante, sont soumis aux directives de la Carbura (art. 13 PEL). Cet organisme, dont le siège est à Zurich et qui réunit les importateurs de carburants et de combustibles liquides en Suisse, est l'un de ceux qui sont appelés, en conformité de l'art. 5 al. 2 OGPEP, à prêter de façon appropriée leur concours lors de l'élaboration des prescriptions et des directives techniques dans le domaine de la protection des eaux. Ses dernières directives ont été adoptées en 1975. Elles prescrivent, notamment, que le niveau supérieur du manteau des réservoirs en acier destiné à l'entreposage des carburants et des combustibles liquides doit être uniforme dans toute l'installation (ch. 2.1.7). Les directives antérieures, soit leur édition de 1953 (citée nommément à l'art. 13 PEL), prévoyaient déjà qu'il était souhaitable de conserver une hauteur uniforme des réservoirs à l'intérieur d'un groupe (No 506). Contrairement à ce que paraît soutenir le Conseil d'Etat dans sa réponse au recours de droit administratif, il est évident que cette règle n'a pas été adoptée dans le but principal de la protection contre l'incendie. Elle tend, bien plutôt, au premier chef, à éviter des infiltrations d'hydrocarbures dans la nappe phréatique du fait de l'écoulement de certains réservoirs dans des réservoirs à capacité plus réduite, selon le principe des vases communicants.
BGE 107 Ib 125 S. 129
On pourrait s'interroger sur la conformité de l'art. 13 PEL avec l'art. 5 al. 2 OGPEP dans la mesure où ce texte paraît donner à des particuliers, ce que soutient le Tribunal administratif, la compétence d'édicter des normes générales et abstraites. D'un autre côté, on pourrait se demander quel est le caractère de telles directives émises par des particuliers: tout en demeurant des prescriptions strictement techniques, sont-elles vraiment des règles de droit qui s'imposent aux administrés, doivent-elles être assimilées à de simples règles de l'art? Ces questions n'ont toutefois pas à être résolues en l'espèce. En effet, si on leur attribue le caractère de règles de droit précisant les dispositions adoptées directement par l'autorité étatique (cf. BLAISE KNAPP, La collaboration des particuliers et de l'Etat à l'exécution des tâches d'intérêt général, dans Mélanges Henri Zwahlen, p. 368, en particulier n. 18), elles ne sont édictées qu'en vertu d'une délégation réglementaire et doivent partant rester dans le cadre de cette délégation. Elles ne sauraient ainsi entrer en contradiction avec le texte légal qui accorde à l'organisme privé la compétence de les édicter. Si, au contraire, on les considère comme de simples règles de l'art (cf. normes SIA), rien n'interdit à l'autorité de s'y référer en vertu de son pouvoir général de police. On peut relever à cet égard qu'en l'espèce le contrat de superficie lui-même (art. 11) fait référence aux directives de la Carbura. Ces règles de l'art ne peuvent naturellement, elles non plus, déroger à des règles édictées dans l'intérêt public par l'autorité étatique.
b) Les mesures nécessaires à la protection des eaux souterraines ont été placées par le législateur fédéral dans la compétence des cantons qui doivent subdiviser leur territoire en secteurs de protection des eaux, conformément aux directives fédérales et en tenant compte des risques courus (art. 29 LPEP). Ces secteurs sont définis par les art. 8 ss. OPEL. Hormis la zone S qui comprend les zones de captage et leurs environs immédiats ainsi que les périmètres de protection des eaux souterraines au sens de l'art. 31 LPEP, c'est dans la zone A que sont classés les secteurs dans lesquels se forment des nappes d'eaux souterraines qui, compte tenu de leur quantité et de leur qualité, se prêtent le mieux à l'approvisionnement en eau. La zone B comprend les régions aquifères d'un intérêt moindre et la zone C englobe le reste du territoire cantonal.
La carte des zones de protection des eaux du canton de Genève, entrée en vigueur le 1er juillet 1976, a classé en zone A la région où se trouvent les installations de la recourante. Celles-ci sont depuis
BGE 107 Ib 125 S. 130
lors soumises aux dispositions de l'art. 20 OPEL qui définit à quelles conditions des combustibles et des carburants liquides peuvent être entreposés dans la zone A. L'alinéa 1 institue l'interdiction de principe de construire dans cette zone de nouveaux réservoirs et d'agrandir les réservoirs qui s'y trouvent lorsque leur capacité utile est supérieure à 250'000 litres. Leur dimension place incontestablement les installations de la recourante dans cette catégorie. Or, sa demande d'autorisation de construire, déposée officiellement afin d'adapter ces anciennes installations aux nouvelles directives de la Carbura, a pour conséquence une augmentation sensible (9 millions de litres) de la capacité actuelle de ses réservoirs. Elle ne pouvait donc être agréée qu'à la condition que l'une des exceptions prévues à l'art. 20 al. 2 OPEL soit remplie. C'est à juste titre que, à part la recourante, personne n'a soutenu que tel ait été le cas en l'espèce. Leur contexte, en particulier l'alinéa 3 qui suit, commande que ces dispositions exceptionnelles soient interprétées restrictivement. Elles ne concernent que deux cas bien précis qui sont éloignés de la situation de la recourante.
1.
Le premier (art. 20 al. 2 a OPEL) se rapporte à la localisation obligatoire de dépôts dans cette zone du fait des nécessités de l'approvisionnement d'une région précise et des régions avoisinantes. Cette hypothèse n'entre pas en ligne de compte. L'espèce ne concerne en effet qu'une augmentation de capacité d'un dépôt, importante certes en chiffres absolus, mais sans signification notable pour l'approvisionnement de la région que ce dépôt dessert; par ailleurs, l'adaptation aux nouvelles directives ne postule nullement, contrairement à ce que pourrait laisser supposer l'autorité administrative cantonale, une interdiction d'exploiter impliquant le déplacement des installations dans une autre zone.
2.
Le second (art. 20 al. 2 b OPEL) se rapporte à la garantie de l'approvisionnement en énergie d'un grand consommateur.
Il convient de relever que le texte allemand de l'art. 20 al. 2 b OPEL n'a pas exactement la même teneur que les versions française et italienne. Celles-ci déclarent en effet qu'une exception à l'interdiction de construire de nouveaux réservoirs dans la zone A s'impose lorsque "l'approvisionnement en énergie d'un grand consommateur installé dans la zone A... ne peut être assuré..." (en italien: "installato nella zona A").
Le texte allemand ne précise pas que l'exception ne s'applique qu'à un grand consommateur installé dans la même zone (zone A) que les réservoirs qui l'approvisionnent.
BGE 107 Ib 125 S. 131
La divergence de textes n'a aucun effet en l'espèce, dès lors que l'approvisionnement du grand consommateur, savoir l'aéroport de Genève-Cointrin, est assuré par les réservoirs existants et n'est pas mis en cause; l'augmentation de la capacité des réservoirs n'aurait donc pas pour but essentiel d'approvisionner ce consommateur; de surcroît, l'arrêt attaqué n'impose nullement une réduction de la capacité actuelle des réservoirs, ni la suppression ou le déplacement du dépôt.
Enfin le motif invoqué par la recourante et fondé sur les besoins d'améliorer le stockage des carburants, eu égard à la pénurie d'énergie, sort, comme on l'a relevé plus haut, du but assigné par le législateur à l'art. 20 OPEL. Pour ces raisons, il n'y a pas lieu en l'espèce de faire bénéficier la recourante de l'exception de l'art. 20 al. 2 b, quel qu'en soit le texte.
c) On constate donc que la réalisation du projet de la recourante visant à adapter ses installations aux prescriptions contenues dans les nouvelles directives de la Carbura conduirait à une violation de l'art. 20 OPEL. Une telle conséquence n'est pas admissible. Le but assigné aux directives de la Carbura est en effet le même que celui poursuivi par l'art. 20 OPEL. Dans les deux cas, il s'agit de dispositions qui tendent à la mise en oeuvre des principes institués par la législation fédérale sur la protection des eaux. Si les moyens sont différents, ils n'en sont pas moins complémentaires. La volonté de se conformer à l'une de ces règles ne peut, partant, servir de prétexte pour l'obtention d'une autorisation de construire exceptionnelle dérogeant à l'autre règle. L'adaptation à des normes techniques édictées pour des raisons de sécurité ne saurait justifier une augmentation de la capacité d'un dépôt, équivalant à la construction d'une installation de 9 millions de litres, dans une zone où, en principe, elle est rigoureusement interdite du fait du danger qu'elle représente pour la nappe phréatique.
Quoi qu'il en soit, une application stricte des directives de la Carbura sur l'unification de la hauteur des manteaux de citerne n'exclut nullement, à priori, que soit respectée l'interdiction d'augmenter la quantité de combustibles et de carburants liquides entreposés dans la zone A. La proposition de l'administration cantonale de réduire la hauteur des citernes les plus élevées à celle des citernes les plus basses, qui a pour conséquence de réduire la capacité d'entreposage et que, pour ce motif, l'Office fédéral de l'environnement a estimé excessivement coûteuse, n'est sans doute pas la seule solution concevable. Il est pour le moins curieux que l'Office fédéral de l'environnement, considérant excessif le sacrifice
BGE 107 Ib 125 S. 132
qui serait ainsi exigé de la recourante, se soit purement et simplement rallié au projet de celle-ci, inadmissible au regard du texte clair de la loi. Si l'autorité administrative estime que les conditions d'exploitation actuelles des installations de la recourante exigent leur adaptation aux nouvelles directives de la Carbura, il lui appartiendra d'examiner une formule qui soit conciliable avec la règle impérative de l'art. 20 OPEL. On ne voit pas pourquoi, par exemple, l'élévation des citernes les plus basses au niveau des citernes les plus élevées ne pourrait pas être assortie de la cancellation parallèle de réservoirs pour une capacité utile équivalente à l'augmentation de volume résultant de cette opération. Il existe sans doute, également, d'autres mesures de sécurité envisageables, propres à réduire dans des proportions raisonnables les risques inhérents à la communication des divers éléments de l'installation.
C'est donc à bon droit que le Tribunal administratif a annulé la décision de la Commission de recours qui autorisait Sasma S.A. à augmenter de plus de 9000 m3 le volume utile de ses réservoirs.
3.
L'argument tiré par la recourante d'une violation de l'intérêt public et du principe de la proportionnalité n'a pas de consistance. On ne saurait contester sérieusement l'intérêt public à la base d'une restriction, fondé au reste sur un texte légal clair, qui vise à éviter l'entreposage de 9 millions de litres supplémentaires d'hydrocarbures dans une zone hautement protégée. Il ne peut davantage être question d'une violation du principe de la proportionnalité sous le prétexte que l'autorité cantonale aurait méconnu que l'approvisionnement du pays en produits pétroliers relève également de l'intérêt public. Cet intérêt public incontestable n'est en effet pas en jeu ici. La demande d'autorisation de construire n'avait pas pour but l'accroissement de la capacité des installations litigieuses, celle-ci n'étant que la résultante d'une mesure d'adaptation à des prescriptions de sécurité. Sous un autre angle, l'arrêt attaqué ne postule nullement une réduction de cette capacité, voire la suppression du dépôt ou son placement. Il laisse la porte ouverte à toutes solutions raisonnables qui respecteraient les exigences légales et se borne à exclure une augmentation de la capacité des installations en dérogation aux impératifs légaux. C'est également en vain que la recourante fait appel tant au principe de l'égalité de traitement qu'à celui de la bonne foi. S'il est vrai que Coop Genève a construit ou transformé ses dépôts dans la zone A de Vernier, après l'entrée en vigueur de la carte des zones de protection des eaux, elle l'a fait sur la base d'une autorisation qui lui avait été délivrée antérieurement, en
BGE 107 Ib 125 S. 133
conformité du droit existant alors. Une interdiction d'exécuter les travaux à la suite de l'entrée en vigueur du nouveau plan n'aurait été possible que si les conditions pour la révocation de l'autorisation antérieurement accordée avaient été remplies, ce que la recourante ne démontre pas. Quant au principe de la bonne foi, il ne peut prévaloir, en principe, sur les modifications législatives. De plus, la recourante n'a pas apporté le moindre indice que des assurances formelles lui auraient été données par l'autorité compétente pour que l'adaptation de son dépôt aux nouvelles prescriptions techniques se fasse dans les formes souhaitées par elle.
Ce qui est déterminant en l'espèce, c'est que ni le Tribunal administratif ni le Département n'ont, pour l'instant, posé l'exigence d'une adaptation aux directives de la Carbura sollicitée spontanément par la recourante. La lettre du Service cantonal des contrôles de la pollution du 25 novembre 1977 ne traite nullement de l'obligation de surélever les citernes lorsqu'elle parle de la remise en état de l'installation. Quant au Département, ni dans son recours au Tribunal administratif, ni dans sa réponse au recours de droit administratif, il n'a posé l'exigence de l'application des directives de la Carbura. | public_law | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
a3faf5cd-2369-4692-b8e5-8765d2b8d0ed | Urteilskopf
91 III 60
13. Entscheid vom 28. Juni 1965 i.S. Mandl. | Regeste
Pfändung einer Forderung, die - neben andern, im Ausland befindlichen Gegenständen - als Pfand für eine Forderung desselben Gläubigers gegen einen Dritten haftet.
1. Bei der Schätzung der pfandbelasteten Forderung fällt nur der für die pfändenden Gläubiger verfügbare Überschuss in Betracht, und es ist entsprechend dem Ergebnis die Pfändung auf anderes Vermögen des Schuldners auszudehnen.
Art. 97 und 126 SchKG
. (E. 1 und 2 a).
2. Die Verwertung wird sich auf die derzeit pfandbelastete Forderung beschränken lassen, wenn diese inzwischen pfandfrei geworden ist und einen genügenden Erlös ergibt. (Erw. 2 b).
3. Die Einrede des Schuldners, der Gläubiger habe sich für seine pfandgesicherte Forderung gegen den Dritten in erster Linie an die andern Pfänder zu halten, hindert den Fortgang der Betreibung nicht. Wie ist sie allenfalls nach durchgeführter Verwertung zu berücksichtigen? (E. 2 c). | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 91 III 60 S. 61
A.-
Laut Schiedsgerichtsurteil vom 16. November 1962 schuldet Josef Mandl, Zürich, der Handelsbank in Zürich Fr. 135'827.-- nebst Zins und Quartalskommission, und die Firma Rubtex Co. Establishment, Vaduz, schuldet der nämlichen Bank laut dem erwähnten Schiedspruch Fr. 722'135.15 nebst Zins und Quartalskommission. Für beide Forderungen haften, wie der Schiedspruch ferner festlegt, folgende Pfänder:
a) ein in Amsterdam und Rotterdam eingelagerter Posten Textilmaschinen mit ca. 30'000 Spindeln und allen dazu gehörenden Vorwerkmaschinen und Bestandteilen;
b) ein in 800 Kisten verpackter, in Antwerpen eingelagerter Posten Glaswaren.
Bloss für die Schuld der Rubtex Co. haften als Pfand ausserdem sämtliche Ansprüche des Josef Mandl gegen die in Nachlassliquidation stehende Löw - Schuhfabriken A. G. in Oberaach.
Josef Mandl und die Rubtex Co. haben ferner der Handelsbank laut dem Schiedsspruch die Prozesskosten von Fr. 64'050.-- zu ersetzen, mit solidarischer Verpflichtung.
B.-
Im Januar 1963 leitete die Handelsbank beim Betreibungsamte Zürich 7 gegen Josef Mandl die ordentliche Betreibung Nr. 216 ein, und zwar für die erwähnte Hauptforderung von Fr. 135'827.-- samt Nebenforderungen wie auch für die Forderung auf Kostenersatz von Fr. 64'050.--, wozu dann noch Rechtsöffnungskosten samt Umtriebsentschädigung kamen.
C.-
Die am 4. Juli 1963 vollzogene Pfändung (der sich die Ehefrau des Schuldners mit einer Forderung gemäss
Art. 111 Abs. 1 SchKG
anschloss; Gruppe 955) umfasst 52 Positionen. Das Betreibungsamt betrachtete die Pfändung als ungenügend und bezeichnete deshalb die Pfändungsurkunde als provisorischen Verlustschein. Unter Nr. 43 ist eine Forderung
BGE 91 III 60 S. 62
des Schuldners von Fr. 936'591.25 gegen die in Nachlassliquidation stehende Löw-Schuhfabriken AG gepfändet. Der Schätzungswert wurde bloss auf Fr. 100.-- bemessen mit Rücksicht auf das der Handelsbank an dieser Forderung zustehende Pfandrecht für ihre Forderung gegen die Rubtex Co.
D.-
Der Schuldner führte Beschwerde wegen zu niedriger Schätzung. In beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, zieht er den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde vom 1. Juni 1965 an das Bundesgericht weiter mit den Anträgen:
"1. Alle mit Pfändungsurkunden des Betreibungsamtes Zürich 7 in den Betreibungen Nrn. 216 und 1973 (Gruppe 955) und Nr. 1227 (Gruppe 956) gepfändeten Forderungen und Sachen, mit Ausnahme der unter Nr. 43 aufgeführten Forderung, seien von der Pfändungsbeschlagnahme zu befreien.
2. Die in den angeführten Pfändungsurkunden unter Position Nr. 43 gepfändete Forderung des Rekurrenten gegenüber der Schweiz. Treuhandgesellschaft AG. in Zürich als Liquidatorin der Löw-Schuhfabriken AG. in Nachlassliquidation sei auf Fr. 753 949.-- zu schätzen.
3. Eventualiter sei der Prozess an die Vorinstanz zurückzuweisen, zur Feststellung des Wertes der der Rekursgegnerin 1 (Handelsbank) verpfändeten Textilmaschinen und Glaswaren und anschliessendem neuen Entscheid."
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 97 Abs. 2 SchKG
soll nicht mehr gepfändet werden, als nötig ist, um die pfändenden Gläubiger für ihre Forderungen samt Zinsen und Kosten zu befriedigen. Somit hat die nach Abs. 1 daselbst vorzunehmende Schätzung denjenigen Betrag anzugeben, der bei der Verwertung des einzelnen Gegenstandes vermutlich für die pfändenden Gläubiger verfügbar sein wird. Bestehen an einem Gegenstand Pfandrechte, die den Rechten der pfändenden Gläubiger vorgehen, so ist daher vom realen Wert der Betrag der aus dem Erlös vorweg zu deckenden Pfandforderungen abzuziehen. Denn für die pfändenden Gläubiger ist nur ein die vorgehenden Ansprüche übersteigender Betrag verfügbar, und nach dem Deckungsprinzip des
Art. 126 SchKG
kann der Gegenstand überhaupt nur bei Erreichung eines solchen Überschusses dem Meistbietenden zugeschlagen werden.
BGE 91 III 60 S. 63
Davon ausgehend, erachtet die Vorinstanz die betreibungsamtliche Schätzung des unter Nr. 43 gepfändeten Guthabens auf den bloss symbolischen Betrag von Fr. 100.-- als gerechtfertigt und das Begehren des Schuldners um Beschränkung der Pfändung auf diesen Gegenstand als unbegründet. Zwar wurde das Guthaben von Fr. 936'591.25 im Kollokationsverfahren anerkannt, und es entfällt darauf in der Nachlassliquidation, wie die Vorinstanz feststellt, ein Nettobetreffnis von Fr. 753'949. -. Das Guthaben hat also an und für sich diesen Wert. Ist aber, was die Vorinstanz aus dem Deckungsprinzip folgert, jenes als Erlös zu betrachtende Betreffnis vorweg auf die pfandgesicherte Forderung der Handelsbank gegen die Rubtex Co. anzuweisen - die sich mit den Nebenforderungen auf etwa Fr. 1'000,000.-- beläuft -, so ist einstweilen mit einem für die pfändenden Gläubiger verfügbaren Überschuss gar nicht zu rechnen, was die Schätzungsweise des Betreibungsamtes als zutreffend und die Pfändung weiterer Gegenstände als begründet erscheinen lässt.
Der Schuldner will dies wegen der für die Forderung gegen die Rubtex Co. bestehenden mehrfachen Pfandsicherheit nicht gelten lassen. Er hält es für unzulässig, nun gerade das eine Pfand, nämlich die in den vorliegenden Betreibungen gegen ihn gepfändete Forderung gegen die Löw-Schuhfabriken AG, ganz für jene noch anderweitig pfandgesicherte Forderung in Anspruch zu nehmen und diesen Gegenstand deshalb als für die in Betreibung stehenden Forderungen gegen ihn selbst sozusagen wertlos zu betrachten. Vielmehr wäre die Handelsbank nach seiner Ansicht verpflichtet, in einem (bisher nicht angehobenen) Pfandverwertungsverfahren in erster Linie auf den Posten Textilmaschinen (oben A lit. a) zu greifen. Denn einmal lasse sich aus diesem einzigen Pfandposten (wie die von ihm beantragte, von der Vorinstanz zu Unrecht abgelehnte Schätzung ergeben werde) jene gegen die Rubtex Co. gerichtete Forderung vollständig tilgen, während die andern Pfänder (auch das in den vorliegenden Betreibungen gepfändete Guthaben gegen die Löw-Schuhfabriken AG) einzeln nicht dazu ausreichen würden. Und sodann verstosse es gegen Treu und Glauben, "wenn der gleiche Gläubiger für eine andere Forderung den gleichen Schuldner auspfänden lässt und in dieser Pfändung alle ihm verpfändeten Vermögenswerte für die Deckung der mehrfach pfandgesicherten, nicht in Betreibung
BGE 91 III 60 S. 64
gesetzten Forderung beansprucht." Die Rubtex Co. habe übrigens nach der Darstellung der Handelsbank eigenes Vermögen, so dass es gar nicht sicher zum Griff auf Pfänder zu kommen brauche. Sollte aber "gegen jede vernünftige Erwartung" der Erlös aus dem Pfändungsgegenstand Nr. 43 in einem so hohen Masse als Ausfalldeckung für die Pfandforderung gegen die Rubtex Co. dienen müssen, dass nicht mehr genug zur völligen Tilgung der hier in Betreibung stehenden Forderungen übrig bliebe, so bestünde immer noch die Möglichkeit einer Nachpfändung.
2.
Die Einwendungen des Schuldners halten einer nähern Prüfung nicht stand.
a) Aus dem Vorhandensein weiterer für die Forderung der Handelsbank gegen die Rubtex Co. haftender Pfänder - die, weil im Ausland liegend, in der Schweiz nicht gepfändet werden konnten - lässt sich gegen die von der Vorinstanz bestätigte Schätzung nichts einwenden. Das Schiedsgerichtsurteil stellt die drei Pfänder auf gleiche Linie. Somit haftet das in den vorliegenden Betreibungen für andere (gegen den Rekurrenten gehende) Forderungen gepfändete Guthaben gegen die Löw-Schuhfabriken AG als Pfand für jene Forderung gegen die Rubtex AG in vollem Umfange neben den andern Pfändern, solange die Pfandforderung besteht. Mit Recht nimmt die Vorinstanz daher an, das auf den Gegenstand Nr. 43 entfallende Liquidationsbetreffnis habe einstweilen als Pfanddeckung für die Forderung gegen die Rubtex Co. unangetastet zu bleiben und sei daher für die pfändenden Gläubiger nur mit einem symbolischen Betrag in Rechnung zu stellen, was die Pfändung anderer Sachen vollauf rechtfertige.
b) Es muss dem Schuldner anheim gestellt bleiben, falls er dazu in der Lage ist, dahin zu wirken, dass es, bevor die vorliegenden Betreibungen in das Verwertungsstadium treten, zur Tilgung jener pfandgesicherten Forderung gegen die Rubtex Co. kommt (und zwar ohne Eintritt eines zahlenden Dritten in die Gläubigerrechte), womit der Pfändungsgegenstand Nr. 43 pfandfrei würde. Sollte dies geschehen, so könnte dieser Gegenstand zu Gunsten der pfändenden Gläubiger verwertet, d.h. das vom Betreibungsamt eingezogene Liquidationsbetreffnis an sie ausgerichtet werden, und es würden sich weitere Verwertungen wohl erübrigen. Mit der Herbeiführung einer solchen Lösung hat sich das Betreibungsamt dagegen nicht zu
BGE 91 III 60 S. 65
befassen, und es steht dem Schuldner auch nicht zu, den Gang der vorliegenden Betreibungen zu hemmen, um allenfalls mit beträchtlichem Zeitaufwande den Gegenstand Nr. 43 aus der Pfandhaftung zu befreien. Vollends geht es nicht an, dieses heute noch ganz ungewisse Erlöschen des am Gegenstand Nr. 43 bestehenden Pfandrechts gewissermassen als bereits erfolgt anzusehen und den realen Wert dieses Gegenstandes, ohne Abzug des Pfandvorganges, zu Gunsten der betreibenden Gläubiger für die gegen den Rekurrenten gerichteten Forderungen in Rechnung zu stellen.
c) Der Schuldner hält freilich dafür, die uneingeschränkte Anwendung des Deckungsprinzips führe im vorliegenden Falle zu einer übermässigen, der Handelsbank nicht zustehenden, ja gegen Treu und Glauben verstossenden Inanspruchnahme des am Pfändungsgegenstand Nr. 43 bestehenden Pfandrechts für die noch anderweitig pfandgesicherte Forderung gegen die Rubtex Co. Dem ist jedoch nicht beizustimmen. Die betreibenden Gläubiger haben Anspruch darauf, die in das Fortsetzungsstadium getretene Betreibung Nr. 216 ihren gesetzlichen Fortgang nehmen zu lassen. Der Schuldner hat diese ordentliche Betreibung nicht im Sinne des
Art. 41 SchKG
angefochten, um die Handelsbank auf die Verwertung der Pfänder (nämlich der auch für die Forderung gegen die Rubtex Co. haftenden Textilmaschinen und Glaswaren) zu verweisen. Das hätte durch Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl geschehen müssen (vgl.
BGE 73 III 14
,
BGE 77 III 2
; für die Entscheidung wäre das Recht der Ortslage der Pfänder, also ausländisches Recht, anwendbar gewesen; vgl.
BGE 65 III 92
ff.). Wenn die Handelsbank nun die Betreibung fortsetzt, so ist sie dabei lediglich an die Vorschriften des SchKG gebunden. Es geht nicht an, den nach
Art. 97 SchKG
gerechtfertigten Umfang der Pfändung zu beschränken aus dem Gesichtspunkt, dass jene Bank die Möglichkeit und allenfalls die zivilrechtliche Pflicht habe, unverzüglich gegen die Rubtex Co. vorzugehen und dabei in erster Linie die im Auslande liegenden Pfänder in Anspruch zu nehmen. Sollte der Schuldner im Verwertungsstadium darauf beharren, dass die Handelsbank nach Zivilrecht (insbesondere nach Treu und Glauben) nicht berechtigt sei, sich aus dem unter Nr. 43 gepfändeten Guthaben für ihre Forderung gegen die Rubtex Co. zu befriedigen, bevor sie versucht hat, sich aus den im Ausland liegenden Pfändern Deckung zu verschaffen,
BGE 91 III 60 S. 66
so könnte dies nur einen Grund bilden, ihr bis zur Austragung dieser Streitfrage die Auszahlung des auf den Gegenstand Nr. 43 entfallenden Verwertungs- bezw. Liquidationsbetreffnisses vorzuenthalten. Das Betreffnis wäre aber gleichwohl zur allfälligen Deckung der durch es pfandgesicherten Forderung einstweilen aufzubehalten und nicht etwa auf Rechnung der in Betreibung stehenden gegen den Rekurrenten auszuzahlen. Es darf dem Zweck, als Pfanddeckung für die Forderung der Handelsbank gegen die Rubtex Co. zu dienen, nicht entfremdet werden, solange das Pfandrecht an diesem Gegenstande nicht erloschen ist.
d) Die blosse Möglichkeit, dass das Pfandrecht an dem unter Nr. 43 gepfändeten Guthaben wegfallen wird, bevor es zur Verwertung anderer Pfändungsgegenstände kommen muss, rechtfertigt es, wie in lit. b) hievor ausgeführt, nicht, von vornherein von der Pfändung weiterer Gegenstände abzusehen. Die betreibenden Gläubiger dürfen bei der gegebenen Sachlage - da der Gegenstand Nr. 43 jedenfalls bis auf weiteres gänzlich als Deckung für die Pfandforderung gegen die Rubtex Co. zu dienen hat - nicht auf eine allenfalls später vorzunehmende Nachpfändung verwiesen werden, sondern haben Anspruch auf eine den heutigen Verhältnissen entsprechende, genügende Pfändung.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
a3fb7af8-0a26-4de7-8d2c-2882e0f1b45e | Urteilskopf
127 V 466
67. Urteil vom 28. Dezember 2001 i. S. F. gegen Ausgleichskasse Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 5 Abs. 2 FLG
;
Art. 4 Abs. 1 und
Art. 6 FLV
;
Art. 22 Abs. 1 lit. d und
Art. 23 BdBSt
;
Art. 33 Abs. 1 lit. a und
Art. 34 lit. d DBG
: Familienzulagen in der Landwirtschaft. Frage offen gelassen, ob und von welchem Zeitpunkt an Baukreditzinsen abzugsfähige Schuldzinsen sind.
Art. 5 Abs. 3 FLG
;
Art. 5 Abs. 4 FLV
. Die Konsolidierung des Baukredits als Zwischenveranlagungsgrund qualifiziert. | Sachverhalt
ab Seite 466
BGE 127 V 466 S. 466
A.-
Der selbstständigerwerbende Landwirt F., Vater vier minderjähriger Kinder, bezog in der Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 Familienzulagen für Kleinbauern in der Höhe von Fr. 14'160.-. Mit Verfügung vom 12. Mai 1997 nahm die Ausgleichskasse Luzern für diese Periode eine Neuberechnung vor und setzte die Höhe der Familienzulagen wegen Überschreitens der Einkommensgrenze auf einen Drittel herab. Ferner ermittelte sie den Anspruch für den Zeitraum vom 1. April 1996 bis 31. März 1997, verrechnete diesen mit den bereits in der früheren Periode ausgerichteten Zahlungen und forderte von F. den Betrag von Fr. 1872.- zurück.
BGE 127 V 466 S. 467
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 31. März 1999 ab.
C.-
F. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei ihm "nach Massgabe der Anspruch auf Kinderzulagen auszuzahlen".
Ausgleichskasse Luzern und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
D.-
Das Eidg. Versicherungsgericht und die II. Öffentlichrechtliche Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts haben einen Meinungsaustausch geführt über die Frage, ob Baukreditzinsen nach Bauvollendung, unabhängig von einer erst späteren Konsolidierung des Baukredites, als abzugsfähige Schuldzinsen zu betrachten sind.
E.-
Am 23. November 2000 hat das Eidg. Versicherungsgericht eine parteiöffentliche Verhandlung durchgeführt. Im Anschluss daran wurde die strittige Rechtsfrage dem Gesamtgericht unterbreitet.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
In zeitlicher Hinsicht sind grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgeblich, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (
BGE 123 V 71
Erw. 2 mit Hinweis). Im vorliegenden Fall ist der Anspruch auf Zulagen für den Zeitraum vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 zu beurteilen. Hiefür ist auf die Steuerveranlagungsperiode 1993/1994 und damit auf das in den Jahren 1991/1992 (Berechnungsperiode) erzielte Reineinkommen abzustellen. Massgebend sind daher die in den Jahren 1993/1994 gültig gewesenen steuerrechtlichen und die in den Jahren 1994 bis 1996 in Kraft gewesenen zulagenrechtlichen Bestimmungen.
2.
a) Gemäss Art. 5 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) haben die haupt- oder nebenberuflich selbstständigerwerbenden Landwirte Anspruch auf Familienzulagen, wenn ihr reines Einkommen Fr. 30'000.- im Jahr nicht übersteigt, wobei sich die Einkommensgrenze um Fr. 5000.- je Kind nach
Art. 9 FLG
erhöht. Bei Übersteigen der Einkommensgrenze werden nach
Art. 3a Abs. 1 FLV
gekürzte Kinderzulagen ausgerichtet, welche zwei Drittel der Zulagen nach
Art. 7 Abs. 1 FLG
betragen, wenn das massgebende Einkommen die Grenze um höchstens Fr. 3500.- übersteigt (Abs. 2 lit. a) oder einen Drittel der Zulagen, wenn das massgebende Einkommen die Grenze um mehr
BGE 127 V 466 S. 468
als Fr. 3500.-, höchstens aber um Fr. 7000.- übersteigt (Abs. 2 lit. b).
Für die Bemessung des Einkommens sind laut
Art. 4 Abs. 1 FLV
die Vorschriften der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer massgebend. Nicht abgezogen werden können jedoch Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge (Art. 22 Abs. 1 Bst. h und i BdBSt).
Das reine Einkommen der Kleinbauern ist nach
Art. 5 Abs. 1 FLV
unter Vorbehalt von
Art. 6 FLV
durch die Ausgleichskasse auf Grund eines vom BSV aufgestellten Fragebogens zu veranlagen, der vom Kleinbauern auszufüllen ist. Die Ausgleichskassen können eigene Fragebogen verwenden, die der Genehmigung des Bundesamtes bedürfen. Nach
Art. 6 Abs. 1 FLV
können die Ausgleichskassen für die Ermittlung des reinen Einkommens der Kleinbauern auf die letzte rechtskräftige Veranlagung oder Zwischenveranlagung der direkten Bundessteuer oder der kantonalen Steuer abstellen, sofern diese nach gleichen oder ähnlichen Grundsätzen erfolgte wie die Veranlagung der direkten Bundessteuer. Das reine Einkommen der Kleinbauern wird auf Grund der rechtskräftigen Steuerveranlagung in der Regel jeweils für die Zeit ermittelt, die in der Alters- und Hinterlassenenversicherung eine Beitragsperiode bildet (
Art. 6 Abs. 2 FLV
). Das steuerlich ausgewiesene Reineinkommen gilt jeweils grundsätzlich für die Beurteilung des Zulagenanspruchs für eine zweijährige Periode, die mit dem 1. April des auf die Steuereinschätzung folgenden Jahres (Landwirtschaftsjahr 1. April bis 31. März) beginnen kann (Rz 75 der Erläuterungen des BSV).
b) Nach der Gerichts- und Verwaltungspraxis wird grundsätzlich in allen Fällen, in denen die Steuerveranlagung eine brauchbare Grundlage darstellt, nach Möglichkeit gestützt auf diese veranlagt. Allerdings ist zu beachten, dass im Gebiete der bäuerlichen Familienzulagen die Angaben der Steuerbehörden - im Gegensatz zur Ordnung im Beitragsrecht der Alters- und Hinterlassenenversicherung (
Art. 23 Abs. 4 AHVV
) - für die Ausgleichskassen nicht verbindlich sind (
BGE 98 V 111
Erw. 2b mit Hinweis).
c) Wer Familienzulagen bezogen hat, auf die ihm ein Anspruch überhaupt nicht oder nur in geringerem Masse zustand, hat laut
Art. 11 Abs. 1 FLG
den zu Unrecht bezogenen Betrag zurückzuerstatten. Die Bestimmungen des AHVG über die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Renten sind sinngemäss anwendbar (Abs. 2).
BGE 127 V 466 S. 469
Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (
BGE 126 V 23
Erw. 4b, 46 Erw. 2b, 400 Erw. 2b/aa, je mit Hinweisen).
Von der Wiedererwägung ist die so genannte prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (
BGE 126 V 24
Erw. 4b, 46 Erw. 2b, je mit Hinweisen).
3.
a) In der Verfügung vom 12. Mai 1997 hat die Ausgleichskasse einerseits den Anspruch des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 unter Zugrundelegung eines Einkommens von Fr. 53'928.- neu berechnet, anderseits gleichzeitig die Zulagen für die Zeit vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 auf Grund eines massgebenden Einkommens von Fr. 34'458.- erstmals festgesetzt. Damit ist sie auf ihre ursprünglich ausgerichteten Leistungen für die Periode vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 zurückgekommen. Es fragt sich daher, ob die für die Wiedererwägung oder die prozessuale Revision erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Erw. 2c hievor). Einer dieser beiden Rückkommenstitel muss auch vorliegen, wenn die Ausgleichskasse eine Geldleistung nicht förmlich, sondern formlos zugesprochen hat, sofern die faktisch verfügte Leistung rechtsbeständig geworden ist, was im vorliegenden Fall auf die dem Versicherten im Zeitraum vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 ausgerichteten Familienzulagen für Kleinbauern ohne weiteres zutrifft (
BGE 122 V 368
f. Erw. 3 mit Hinweisen). Weder in ihrer Rückerstattungsverfügung vom 12. Mai 1997 noch im Laufe des Rechtsmittelverfahrens hat sich die Ausgleichskasse auf einen Revisionstitel berufen. Es ist daher im Folgenden lediglich zu prüfen, ob die ursprüngliche Leistungszusprechung zweifellos unrichtig und damit der Wiedererwägung zugänglich ist.
b) Bei der Ermittlung des reinen Einkommens ist einzig streitig, ob die mit einem Stallneubau zusammenhängenden Baukreditzinsen einen abzugsfähigen Posten darstellen. Für den leistungsberechtigten Zeitraum vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 ist die Steuerveranlagungsperiode 1993/94 und damit das in den Jahren 1991/92
BGE 127 V 466 S. 470
erzielte Reineinkommen massgebend. Ausgleichskasse und Vorinstanz verneinen die Abzugsfähigkeit der Baukreditzinsen, weil die Konsolidierung des Baukredits erst per 31. März 1993 vorgenommen worden ist. Zu diesem Zeitpunkt führte die Luzerner Kantonalbank im Telefax vom 30. Mai 1997 aus, die Schlusskonsolidierung sei auf Grund ausstehender Bauhandwerkerrechnungen erst am 31. März 1993 vorgenommen worden. Eine Teilkonsolidierung per 31. Dezember 1992 oder früher sei möglich gewesen, wobei die Baukreditzinsen im Jahre 1992 total Fr. 29'428.70 betragen hätten. Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, diese Baukreditzinsen seien zum Abzug zuzulassen, weil er ab 25. August 1992 die mit dem Baukredit erstellte neue Scheune benutzt und die alte Scheune abgebrochen habe.
c) Als Baukreditzinsen gelten Zinsen für Darlehen, welche zur Finanzierung eines Neubaus oder Umbaus aufgenommen werden und im Rahmen eines bestimmten Bauprojektes für die Bezahlung der Bauhandwerker und Materiallieferanten verwendet werden. Sie werden in der Regel nicht bezahlt, sondern wie im vorliegenden Fall auf den Baukredit aufgerechnet. Nach Bauvollendung werden Kapital und Zinsen spätestens konsolidiert, d.h. in der Regel durch ein längerfristiges Hypothekardarlehen abgelöst (StR 46 [1991] S. 461 mit Hinweisen; ASA 65 [1996/97] S. 753 f. Erw. 2c). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 22 Abs. 1 lit. d (abzugsfähige Schuldzinsen) und
Art. 23 BdBSt
stellen die Baukreditzinsen bis zum Konsolidierungszeitpunkt als mit dem Bau des Gebäudes zusammenhängende Finanzierungskosten Anlagekosten dar, sind daher steuerlich als Aufwendungen für die Anschaffung oder Verbesserung von Vermögensgegenständen zu qualifizieren und damit nicht als Schuldzinsen zum Abzug zugelassen (ASA 60 [1991/92] S. 195 Erw. 3b, 57 [1988/89] S. 657 Erw. 2a; bestätigt in ASA 66 [1997/98] S. 315 Erw. 4 und 65 [1996/97] S. 754 Erw. 3).
Die Praxis der Kantone zur Abzugsfähigkeit der Baukreditzinsen im Bereich der kantonalen Steuern ist unterschiedlich (vgl. auch MARKUS REICH, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Basel/Frankfurt a.M. 1997, N 34 in fine zu
Art. 9 StHG
). In einigen Kantonen werden Baukreditzinsen als vom Einkommen abziehbare Schuldzinsen, in anderen hingegen als vom Einkommen nicht abzugsfähige, aber im Rahmen der Grundstückgewinnsteuer anrechenbare Aufwendungen oder Anlagekosten behandelt, während eine Gruppe von Kantonen dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht gewährt, indem er auf den Abzug solcher Zinsen beim
BGE 127 V 466 S. 471
Einkommen verzichten und sie bei der Veranlagung der Grundstückgewinnsteuer als Aufwendungen geltend machen kann (vgl. THOMAS STADELMANN, Die steuerliche Behandlung von Baukreditzinsen in der Schweiz, in: StR 47 [1992] S. 118 ff.). So gelten beispielsweise in den Kantonen Aargau und Zürich (nur im Bereich des Privatvermögens) Baukreditzinsen als abziehbare Schuldzinsen (BAUR/KLÖTI-WEBER/KOCH/MEIER/URSPRUNG, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, Bern 1991, S. 365 f. N 219 zu § 24; RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, Kurzkommentar zum Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl., Zürich 1997, S. 245 N 29a zu § 25). Für die Frage des Konsolidierungszeitpunkts stellen verschiedene Kantone auf den tatsächlichen Bezug des Gebäudes oder die Bezugsbereitschaft ab (RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, a.a.O., S. 367 N 63 zu § 45 in Bezug auf Geschäftsliegenschaften; WEIDMANN/GROSSMANN/ZIGERLIG, Wegweiser durch das st.gallische Steuerrecht, 5. Aufl., Bern 1995, S. 136). So hält auch der Kanton Luzern, welcher Baukreditzinsen bis zum Beginn der Nutzung der Liegenschaft als wertvermehrende Aufwendungen oder Anlagekosten und damit als nicht abziehbar betrachtet, den tatsächlichen Bezug des Objekts als für den Konsolidierungszeitpunkt massgebend. Findet eine Konsolidierung des Baukredits erst nach Bezug statt, können die Zinsen ab Bezug als abzugsfähige Schuldzinsen zugelassen werden (Luzerner Steuerbuch, Bd. 1: Weisungen Staats- und Gemeindesteuern, Ausgabe 2001, § 40 Nr. 1 Ziff. 2.2).
Schliesslich wird auch die ausnahmsweise Zulassung von Baukreditzinsen als abzugsfähige Schuldzinsen postuliert (THOMAS STADELMANN, Leitsätze zum Steuergesetz des Kantons Obwalden vom 21. Oktober 1979, Bern 1993, S. 91), weil die geltende Rechtsprechung namentlich im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Liegenschaften unbefriedigend sei. Diese würden in der Regel innerhalb der Familie zum Ertragswert weitergegeben und die geschaffenen Wertvermehrungen blieben bei einem späteren Verkauf meist unbeachtet. Eine Aktivierung der Baukreditzinsen bei landwirtschaftlichen Grundstücken brächte daher in der Regel dem Pflichtigen nur Nachteile, ausgenommen wenn die Liegenschaft später aus dem landwirtschaftlichen Entschuldungsgesetz entlassen oder an einen Aussenstehenden verkauft werde. Es gebe daher keinen Grund, die Baukreditzinsen bei landwirtschaftlichen Liegenschaften nicht ausnahmsweise wie Schuldzinsen zum Abzug zuzulassen, soweit die Schuld auch tatsächlich konsolidiert sei (Hinweis auf einen Entscheid der Steuerrekurskommission Obwalden vom 3. März 1989).
BGE 127 V 466 S. 472
d) Im Lichte dieser steuerrechtlichen Ausgangslage ist die Frage zu prüfen, ob auf die bundessteuerrechtliche Betrachtungsweise, namentlich hinsichtlich des Konsolidierungszeitpunkts, abgestellt werden soll. Hiefür spricht, dass sich die Familienzulagenordnung in
Art. 4 Abs. 1 FLV
grundsätzlich auf die Bemessung des Reineinkommens stützt, wie es sich aus der Veranlagung für die direkte Bundessteuer ergibt. Damit kann die Verwaltung für die Abklärung der finanziellen Voraussetzungen sich die direkte Bundessteuer dienstbar machen, braucht keinen eigenen administrativen Apparat aufzubauen und kann die Hilfe der Steuerbehörden in Anspruch nehmen. Mit dem Abstellen auf die direkte Bundessteuer wird auch die einheitliche Anwendung des Familienzulagenrechts sichergestellt, ungeachtet der Verschiedenheit der kantonalen Steuersysteme und der jeweiligen kantonalen Steuerpraxis.
Anderseits ist die Bindungswirkung der bundessteuerrechtlichen Veranlagung in der Gerichts- und Verwaltungspraxis relativiert worden. Wie bereits erwähnt (vgl. Erw. 2b hievor), soll grundsätzlich in allen Fällen, in denen die Steuerveranlagung eine brauchbare Grundlage darstellt, gestützt auf diese veranlagt werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass im Gebiete der bäuerlichen Familienzulagen die Angaben der Steuerbehörden - im Gegensatz zur Ordnung im Beitragsrecht der Alters- und Hinterlassenenversicherung (
Art. 23 Abs. 4 AHVV
) - für die Ausgleichskassen nicht verbindlich sind (
BGE 98 V 111
Erw. 2b mit Hinweis). Ohnehin bestünde eine Bindungswirkung wie im AHV-Recht lediglich im Masslichen, nicht aber in der Qualifizierung von Einkommens- und Vermögensteilen (vgl.
BGE 121 V 83
Erw. 2c,
BGE 114 V 75
Erw. 2,
BGE 110 V 86
Erw. 4 und 370 Erw. 2a,
BGE 102 V 30
Erw. 3b mit Hinweisen). Mitzuberücksichtigen ist, dass das massgebende Einkommen im Leistungsbereich nach Sinn und Zweck der Ordnung der Familienzulagen in der Landwirtschaft (Existenzsicherung der Kleinbauern;
BGE 106 V 186
oben) zu ermitteln ist, welche mit denjenigen des Steuer- oder Beitragsrechts nicht übereinstimmen müssen. Dem Zweck der Existenzsicherung entsprechend müsste die ökonomische Realität des versicherten Kleinbauern und nicht die fiskalische im Vordergrund stehen. Dies spricht, wie dies in verschiedenen Kantonen steuerrechtliche Praxis ist, für den tatsächlichen Bezug des Gebäudes als Konsolidierungszeitpunkt, zumal die eigentliche Umwandlung des Baukredits in einen Hypothekarkredit oft von Drittpersonen (Rechnungstellung durch Handwerker, Bank) abhängig ist und damit ausserhalb des Einflussbereichs des Landwirts liegt.
BGE 127 V 466 S. 473
Damit wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Gebäudes an dieses genutzt und damit gegebenenfalls Ertrag erwirtschaftet wird. Mit einer solchen Lösung wird die bundessteuerrechtliche Qualifikation der Baukreditzinsen übernommen, hingegen beim Zeitpunkt der Konsolidierung eine abweichende Regelung getroffen, die den tatsächlichen landwirtschaftlichen und den zulagenrechtlichen Gegebenheiten besser Rechnung trägt.
Schliesslich kann man sich auch fragen, ob im Familienzulagenrecht in der Landwirtschaft, das für den Anspruch und dessen Höhe entscheidend auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kleinbauern abstellt, die Baukreditzinsen nicht schon von Anfang an als abzugsfähige Schuldzinsen zu betrachten sind. Für die Deckung der Familienlasten stellen die Baukreditzinsen einen Kostenfaktor dar, der das Budget der bäuerlichen Familie nicht erst ab Inbetriebnahme des Gebäudes belastet.
e) Welcher der verschiedenen Lösungen der Vorzug zu geben ist, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Die ursprüngliche Leistungszusprechung für die Zeit vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1996 ist im Lichte der vorstehenden Ausführungen nicht als zweifellos unrichtig zu qualifizieren. Unter diesen Umständen verfügt die Ausgleichskasse über keinen Rückkommenstitel für die geltend gemachte (und teilweise verrechnete) Rückerstattungsforderung.
4.
a) Selbst wenn mit Ausgleichskasse und kantonalem Gericht auf den 31. März 1993 als Konsolidierungszeitpunkt abgestellt wird, ist der die Rückforderung betreffende Teil der Verwaltungsverfügung aus einem weiteren Grund aufzuheben. Nach
Art. 5 Abs. 4 FLV
hat die Ausgleichskasse bei jeder wesentlichen Änderung des Einkommens entsprechend den neuen Verhältnissen eine Neuveranlagung vorzunehmen, wozu sie von Amtes wegen verpflichtet ist (nicht veröffentlichtes Urteil W. vom 13. Januar 1969, F 5/68). Als wesentlich ist eine Einkommensvermehrung oder -verminderung anzusehen, wenn sie Fr. 5000.- erreicht, von verhältnismässig langer Dauer ist und sich aller Wahrscheinlichkeit nach wenigstens auf den Rest der Veranlagungsperiode erstreckt und klar ausgewiesen ist (EVGE 1963 S. 226, 1958 S. 137; Rz 76 der Erläuterungen des BSV). Dabei sind nicht nur Änderungen des landwirtschaftlichen Einkommens (Kauf und Verkauf von Liegenschaften, wesentliche Vermehrung oder Verminderung des Tierbestandes), sondern auch Änderungen des Einkommens aus andern Quellen, wie aus einer gewerblichen oder unselbstständigerwerbenden
BGE 127 V 466 S. 474
Tätigkeit sowie aus Vermögen zu berücksichtigen (Rz 76 der Erläuterungen des BSV).
b) Die Baukreditzinsen wurden jeweils quartalsweise auf den laufenden Baukredit aufgerechnet. Die Schlusskonsolidierung des Baukredits per 31. März 1993 ergab einen Saldo von Fr. 981'861.60. Vom 1. April 1993 an waren die nach der Konsolidierung zu leistenden Schuldzinsen auch im Rahmen der direkten Bundessteuer abzugsfähig. Angesichts der Höhe der Schulden verminderte sich in der Folge das reine Einkommen des Beschwerdeführers dauernd und erheblich. So verringerte es sich ausgehend von der Veranlagungsperiode 1993/94 von Fr. 53'928.- auf Fr. 34'458.- in derjenigen von 1995/96. Die Ausgleichskasse hat denn auch in der Rückerstattungsverfügung vom 12. Mai 1997 das massgebliche Einkommen in der Bezugsperiode 1. April 1996 bis 31. März 1997 (Basis Steuerperiode 1995/96 mit dem Einkommen 1993/94) auf Fr. 34'458.- festgesetzt und die ungekürzten Zulagen zugesprochen. Unter diesen Umständen hätte nach erfolgter Konsolidierung per 1. April 1993 eine zulagenrechtliche Zwischenveranlagung vorgenommen werden müssen mit der Folge, dass der Beschwerdeführer die im Zeitraum vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 ausgerichteten ungekürzten Zulagen nicht unrechtmässig bezogen hat.
5.
Nach dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1997 Anspruch auf die ungekürzten Familienzulagen hat. Für den Zeitraum vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 beläuft sich der Anspruch auf insgesamt Fr. 7560.-. Diesen Betrag hat die Ausgleichskasse in der Verfügung vom 12. Mai 1997 mit der vermeintlich bestehenden Rückforderung für die Zeit vom 1. April 1994 bis 31. März 1996 verrechnet. Sie ist daher gehalten, dem Beschwerdeführer noch Fr. 7560.- nachzuzahlen. | null | nan | de | 2,001 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
a400c2e3-0697-458c-9dfc-6816332e7307 | Urteilskopf
111 II 149
32. Beschluss der I. Zivilabteilung vom 26. März 1985 i.S. X. gegen Kanton Zürich (Direktprozess) | Regeste
Staatshaftung für spitalärztliche Tätigkeit (
Art. 61 OR
; Haftungsgesetz des Kantons Zürich vom 14. September 1969).
1. Krankenbetreuung in öffentlichen Spitälern, die von Ärzten in amtlicher Eigenschaft ausgeübt wird, gilt als hoheitliche, nicht als gewerbliche Tätigkeit im Sinn von
Art. 61 Abs. 2 OR
; Bestätigung der Rechtsprechung (E. 3a).
2. Anwendbarkeit des kantonalen Haftungsgesetzes auf die amtliche Tätigkeit der Spitalärzte (E. 4).
3. Behandlung von Privatpatienten; Abgrenzung zwischen amtsärztlicher Spitaltätigkeit und privatärztlicher Tätigkeit des Chefarztes (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 149
BGE 111 II 149 S. 149
A.-
X., geb. 1929, dipl. Ingenieur, wohnhaft in Neapel, kam am 16. November 1982 wie schon in den beiden Vorjahren zu
BGE 111 II 149 S. 150
Professor Dr. med. Y., dem Direktor der medizinischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, um sich untersuchen zu lassen. Professor Y. empfahl u.a. in der Sprechstunde eine endoskopische Untersuchung des oberen Verdauungstrakts, welche am 17. November von Dr. med. Z., dem Leiter der Abteilung Endoskopie der Klinik, durchgeführt wurde (sog. diagnostische Endoskopie). Auf Anraten von Dr. Z. und Prof. Y. wurde die Entfernung eines kleinen Polypen im Zwölffingerdarm in Aussicht genommen und am 18. November von Dr. Z. ambulant vorgenommen (sog. therapeutische Endoskopie). Dabei kam es zu Komplikationen mit inneren Blutungen, wobei mehrere Operationen nötig wurden und der Patient 23 Tage, bis 10. Dezember 1982 bewusstlos in der Intensivstation des Universitätsspitals lag. Am 7. Januar 1983 konnte er das Spital verlassen.
X. macht geltend, infolge krasser Verletzung der ärztlichen Kunst durch Dr. Z. sei es zu schweren inneren Verletzungen gekommen; deswegen hätten praktisch die ganze Bauchspeicheldrüse und Teile des Magens entfernt werden müssen. Heute sei er nicht mehr in der Lage, beruflichen Verpflichtungen auch nur im bescheidensten Rahmen nachzukommen.
B.-
Am 9. Dezember 1983 erhob X. gegen den Kanton Zürich Klage auf Zahlung von Fr. 3'075'145.10 zuzüglich 5% Verzugszins ab 18. November 1982 auf Fr. 2'990'775.-- und ab 1. Mai 1983 auf Fr. 84'370.10. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage, weil kein Kunstfehler vorliege und weil allenfalls für einen solchen nicht der Kanton, sondern der privatärztlich tätige Prof. Y haften würde; sodann bestritt er weitgehend den behaupteten Schaden.
Replik und Duplik wurden auf die Frage beschränkt, welches Recht anwendbar sei und inwiefern danach der Beklagte oder nur Prof. Y. haftbar gemacht werden könne.
Im Einvernehmen der Parteien wurde einstweilen auf eine Vorbereitungsverhandlung verzichtet (
Art. 35 Abs. 4 BZP
) und eine Beschränkung der Hauptverhandlung auf die genannten Rechtsfragen in Aussicht genommen (
Art. 66 Abs. 3 BZP
).
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Zuständigkeit des Bundesgerichts als einzige Instanz ist gegeben und unbestritten (
Art. 42 OG
). Das gilt auch insoweit, als die Klage sich auf das kantonale öffentliche Recht stützt (
BGE 107 Ib 157
E. 1 mit Hinweisen).
BGE 111 II 149 S. 151
2.
Der Beklagte stellt die Frage in den Vordergrund, ob überhaupt ein ärztlicher Kunstfehler vorliege; dafür komme nicht darauf an, ob Privatrecht oder öffentliches Haftungsrecht zur Anwendung komme. Weil aber die Frage des Kunstfehlers nicht ohne Beweiserhebung beantwortet werden kann, ist vorerst die massgebliche Rechtsgrundlage zu bestimmen.
3.
Das Universitätsspital Zürich ist eine unselbständige öffentlichrechtliche Anstalt des Kantons Zürich. Als Chefarzt bzw. Oberarzt stehen Prof. Y. wie Dr. Z. in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Beklagten (
BGE 101 II 182
E. 2;
BGE 100 Ia 317
E. 3a; §§ 28 ff. der kantonalen Krankenhausverordnung vom 28. Januar 1981).
a) Öffentliche Beamte und Angestellte haften an sich für von ihnen verursachte Schäden nach Bundeszivilrecht (
Art. 41 ff. OR
). Der kantonale Gesetzgeber kann indes abweichende Regeln festsetzen, soweit der Beamte oder Angestellte den Schaden in Ausübung amtlicher Verrichtungen verursacht hat, nicht dagegen bei gewerblichen Verrichtungen (
Art. 61 OR
). Das Gemeinwesen selbst haftet aber für die Schädigung durch seine Funktionäre nur nach Massgabe des öffentlichen Rechts (
Art. 59 ZGB
), es sei denn, es handle sich um gewerbliche Verrichtungen, welche eine Organ- oder Geschäftsherrenhaftung auszulösen vermögen (
Art. 55 ZGB
, 55 OR;
BGE 108 II 335
E. 1,
BGE 101 II 185
mit Hinweisen). Nach der herrschenden Auffassung gilt die Krankenbetreuung in öffentlichen Spitälern, soweit sie von Ärzten in amtlicher Eigenschaft ausgeübt wird, als hoheitliche, nicht als gewerbliche Tätigkeit (
BGE 102 II 47
,
BGE 101 II 183
mit Hinweisen auch auf abweichende Literaturmeinungen). Diese Rechtsprechung ist in einem unveröffentlichten Urteil vom 10. August 1981 nach grundsätzlicher Überprüfung bestätigt worden (Urteil B. gegen Hôpital de la Gruyère, E. 3). Es besteht kein Anlass, darauf zurückzukommen.
b) Soweit der behauptete Schaden in Ausübung amtlicher Tätigkeit der Spitalärzte verursacht worden ist (dazu nachstehend E. 5), richtet sich demnach die Haftung des Beklagten nach kantonalem öffentlichem Recht.
4.
Gemäss § 6 des kantonalen Gesetzes über die Haftung des Staates und der Gemeinden sowie ihrer Behörden und Beamten vom 14. September 1969 (Haftungsgesetz; HG) haftet der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt (Abs. 1).
BGE 111 II 149 S. 152
Der Beklagte macht geltend, diese Bestimmung erfasse nicht jede dienstliche und amtliche Verrichtung, sondern nur hoheitliche Tätigkeit im engeren Sinn, nämlich Ausübung staatlicher Zwangsgewalt, was auf öffentliche Spitäler nicht zutreffe. Er beruft sich dafür auf die Entstehungsgeschichte und die seitherige Anwendung des Haftungsgesetzes.
a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen, ausgelegt werden (
BGE 103 Ia 290
E. 2c mit Hinweisen). Die Materialien fallen nur dann ins Gewicht, wenn sie angesichts einer unklaren gesetzlichen Bestimmung eine klare Antwort geben; sie sind umso weniger zu beachten, je weiter sie zeitlich zurückliegen (
BGE 108 Ia 37
mit Hinweisen).
Der Wortlaut des Haftungsgesetzes ist umfassend und deckt grundsätzlich auch die Tätigkeit in öffentlichen Spitälern. Die Zürcher Kantonalbank und die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich wurden ausdrücklich von der Unterstellung unter das Gesetz ausgenommen (§ 3 Abs. 2), und zwar mit der Begründung, sie übten grundsätzlich gewerbliche Verrichtungen aus und unterstünden daher primär dem Bundesrecht (Beleuchtender Bericht des Kantonsrats für die Volksabstimmung (verfasst vom Regierungsrat), S. 28); warum für öffentliche Spitäler dasselbe gelten sollte, ohne dass es ausdrücklich gesagt wurde, ist nicht ersichtlich.
b) Dass unter den "hoheitlichen Verrichtungen", welche nach § 6 HG eine Staatshaftung auslösen können, etwas anderes zu verstehen wäre als die "amtlichen Verrichtungen", für die das Gemeinwesen nicht kraft Bundeszivilrecht haftet, belegt der Beklagte nicht. Namentlich geben auch die Gesetzesmaterialien für die behauptete Differenzierung nichts her, war doch vorab im Antrag des Regierungsrats an den Kantonsrat (S. 23-24 und 31), aber auch im Beleuchtenden Bericht des Kantonsrats für die Volksabstimmung (S. 26) von "gewerblichen, d.h. nicht hoheitlichen Verrichtungen" die Rede, wobei letztere ausdrücklich mit amtlichen Verrichtungen gleichgestellt wurden. Auch das Bundesgericht versteht unter beidem dasselbe (vgl.
BGE 102 II 47
, 101 II 183).
Dass der Präsident der vorberatenden Kommission in seinem Eintretensreferat im Kantonsrat auch die Tätigkeit der Ärzte an öffentlichen Spitälern zu den gewerblichen Verrichtungen zählte, ist ebenfalls nicht schlüssig, zumal in der Beratung auch das Gegenteil angenommen und vom Kommissionspräsidenten selber in Betracht gezogen worden ist. Hingegen hiess es in der Tat im Antrag des Regierungsrats an
BGE 111 II 149 S. 153
den Kantonsrat, zu den nicht hoheitlichen Tätigkeiten gehöre unter anderem der Betrieb eines Spitals (S. 31) und im Beleuchtenden Bericht des Kantonsrats wurde entsprechend die Tätigkeit von Ärzten an öffentlichen Spitälern zu den gewerblichen Verrichtungen gezählt (S. 26). Diese Äusserungen über den Ausschluss der Spitäler vom Haftungsgesetz finden ihre Erklärung offenbar in einem Prozess, der kurze Zeit zuvor die Zürcher Gerichte beschäftigt hatte und in welchem Bezirksgericht und Obergericht - noch unter der Herrschaft des alten § 224 EG ZGB - angenommen hatten, die Ärzte kantonaler Krankenhäuser hafteten aus gewerblicher Tätigkeit nach Bundeszivilrecht; das Bundesgericht brauchte damals zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen (ZR 62/1963 Nr. 33; vgl. dazu auch
BGE 101 II 184
E. 2a). Die heute herrschende Auffassung hat jedoch dieser Rechtsprechung und damit auch den genannten Äusserungen des historischen Gesetzgebers die Grundlage entzogen. Seither hat denn auch das Bezirksgericht Hinwil gegenteilig entschieden (ZR 76/1977 Nr. 43).
c) Die vom Beklagten vertretene Auslegung würde ausserdem zu Ergebnissen führen, die auch nicht den Absichten des historischen Gesetzgebers entsprochen haben können. Aufgrund der Auffassung des Beklagten müsste dessen Haftung für seine öffentlichen Spitäler nicht nur nach dem Haftungsgesetz, sondern überhaupt verneint werden, weil nach herrschender Auffassung Spitaltätigkeit hoheitlichen Charakter hat und somit die Haftung nach Bundeszivilrecht ausser Betracht fiele (
Art. 59 ZGB
). Der Geschädigte wäre somit allein auf die persönliche Haftung des Spitalpersonals angewiesen. Diesem würde die Berufung auf amtliche Verrichtung nichts helfen, weil Bundeszivilrecht nach
Art. 61 Abs. 1 OR
subsidiär anwendbar wäre. Die vom Beklagten vertretene Auslegung benachteiligt deshalb nicht nur den Geschädigten, sondern auch das Spitalpersonal. Das sind Ungereimtheiten, die im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze finden und seinem Sinn und Zweck zuwiderlaufen.
Auf die amtliche Tätigkeit der Spitalärzte ist deshalb das Haftungsgesetz anwendbar.
5.
Nach Ansicht des Beklagten bezieht sich die Klage indes gar nicht auf die amtsärztliche Spitaltätigkeit, sondern auf die private ärztliche Tätigkeit des Chefarztes. Der Kläger sei zu diesem als Privatpatient gekommen, und der für die Behandlung beigezogene Dr. Z. habe als Hilfsperson des Chefarztes gehandelt.
BGE 111 II 149 S. 154
Der Kläger bestreitet nicht, dass er als Privatpatient zu Prof. Y. gekommen sei, hält aber für entscheidend, dass er von diesem zur Untersuchung und Behandlung an das Spital verwiesen und dann von Oberarzt Dr. Z. behandelt worden sei. Mit der Verweisung an das Spital sei er zu diesem in ein öffentlichrechtliches Verhältnis getreten, gleich wie wenn er von einem frei praktizierenden Arzt zur Untersuchung und Behandlung überwiesen worden wäre. Er macht denn auch Dr. Z. für die Schädigung anlässlich der therapeutischen Endoskopie vom 18. November 1982 wie für vorangehende ungenügende Information über das bestehende Risiko und unverhältnismässige Indikation verantwortlich. Beiläufig erklärt er allerdings auch, Prof. Y. habe die Operationsempfehlung von Dr. Z. bestätigt; doch macht er ihm daraus keinen Vorwurf und behauptet namentlich nicht, der Beklagte habe auch für dieses Verhalten von Prof. Y. einzustehen. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, wie es sich mit der Verantwortlichkeit von Prof. Y. verhielte.
a) Nach der Krankenhausverordnung vom 28. Januar 1981 unterstehen die Chefärzte kantonaler Krankenhäuser dem kantonalen Personalrecht (§ 28;
BGE 100 Ia 316
E. 3). Der Regierungsrat kann ihnen bewilligen, Privatpatienten auf eigene Rechnung zu untersuchen und zu behandeln, sei es ambulant in der Sprechstunde, sei es stationär in der Privatabteilung des Spitals (§ 30 Abs. 1). Die Rechnungstellung für das Arzthonorar erfolgt über die Spitalverwaltung, wobei der Arzt 10-30% seiner Einnahmen dem Staat abzugeben hat (§ 30 Abs. 3 und 4). Schliesslich wird bestimmt, dass das Verhältnis der Privatpatienten zu den Ärzten dem Privatrecht untersteht (§ 36 Abs. 3). Im übrigen beruhen die Beziehungen des Spitals zu seinen Patienten, wie sich aus Gesundheitsgesetz, Krankenhausverordnung und Taxordnungen ergibt, auf öffentlichem Recht (
BGE 101 II 185
f. E. 3, 98 Ia 521, ebenso das Verwaltungsgericht Zürich in ZR 79/1980 Nr. 23).
Es ist nicht bestritten, dass Prof. Y. vom Regierungsrat die Führung einer Privatpraxis an drei Nachmittagen pro Woche bewilligt worden ist und dass der Kläger ihn in diesem Rahmen aufgesucht hat.
b) Die Privatarztbewilligung gilt ausdrücklich nur "für persönliche Verrichtungen des Bewilligungsinhabers" (§ 30 Abs. 2). Abweichende Anordnungen sind vorbehalten, werden hier aber nicht behauptet. Die Bewilligung kann sodann bei Abwesenheit des Chefarztes auf einen Stellvertreter übertragen werden; dass Dr. Z.
BGE 111 II 149 S. 155
in diesem Sinn in Abwesenheit von Prof. Y. tätig geworden wäre, wird ebenfalls nicht geltend gemacht. Es ist daher nicht zu untersuchen, wie seine Tätigkeit diesfalls haftungsrechtlich zu beurteilen wäre (vgl. dazu
BGE 82 II 328
). An der Beschränkung der Privatarztbewilligung auf persönliche Verrichtungen des Chefarztes vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die moderne Medizin eine weitgehende Arbeitsteilung erfordert, wie der Beklagte hervorhebt. Es liegt auf der Hand, dass damit gerade eine Abgrenzung gegenüber Beanspruchung von Spitalpersonal angestrebt wird, namentlich wo wie hier ein spezialisierter Oberarzt mit weiterem medizinischen Personal keineswegs einfache Verrichtungen übernimmt. Der Beklagte muss sich bei dieser von ihm getroffenen Ordnung behaften lassen.
c) Ob die Chefärzte ihren Oberärzten für medizinische Verrichtungen an Privatpatienten einen Anteil ihres Honorars überlassen, kann demgegenüber nicht entscheidend sein, zumal das nach Darstellung des Beklagten ein freiwilliges Entgegenkommen der Chefärzte ist. Davon abgesehen bestätigt auch die kantonale Taxordnung für ambulante Patienten, dass sich nur die Entschädigung für die "persönlichen Bemühungen" des Bewilligungsinhabers nach privatärztlichen Grundsätzen richtet, während für Leistungen des Spitals die Taxordnung gilt (§ 2 Abs. 1 und Abs. 2). Es besteht kein Grund zur Annahme und ist auch nicht behauptet, dass danach Endoskopien, wie sie hier vorgenommen wurden, nicht dem Patienten vom Spital in Rechnung gestellt werden.
d) Die massgebende Tätigkeit von Dr. Z. beruht demnach nicht auf der privaten Beziehung zwischen Chefarzt und Privatpatient gemäss § 36 Abs. 3 der Krankenhausverordnung. Sie fällt deshalb in den Anwendungsbereich des Haftungsgesetzes, ohne dass zu prüfen ist, wieweit im übrigen die Behandlung der Privatpatienten nach der kantonalen Ordnung als amtliche (vgl.
BGE 102 II 50
f. E. 2 für das Kantonsspital Olten) oder als private (vgl.
BGE 82 II 325
ff. für das Kantonsspital Aarau) ärztliche Tätigkeit einzustufen ist.
Dispositiv
Demnach beschliesst das Bundesgericht:
Auf die Streitsache wird das kantonale Haftungsgesetz angewendet. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
Subsets and Splits
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