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4eebb677-b265-4955-b1ec-9c78f32fd196 | Urteilskopf
97 I 268
39. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Januar 1971 i.S. Marti gegen Konkursmasse Singeisen und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Grundbuchführung.
1. Die Bestimmungen des ZGB über das Grundbuchwesen sind öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 5 VwG. Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Grundbuchsachen sind daher auch nach der Fassung des OG vom 20. Dezember 1968 mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar (Erw. 1).
2. Der vom Verkäufer zur Anmeldung des Eigentumsübergangs im Grundbuch ermächtigte Erwerber ist legitimiert, in eigenem Namen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine seine Anmeldung abweisende Verfügung zu erheben (Erw. 2).
3. Weigert sich der Grundbuchverwalter zunächst, die Anmeldung entgegenzunehmen, weist er diese aber in einem späteren Zeitpunkt ab, so ist nicht die allgemeine Aufsichtsbeschwerde (
Art. 104 GBV
), sondern die spezielle, befristete Grundbuchbeschwerde (
Art. 103 GBV
) gegeben (Erw. 3).
4. Aus der Natur der dem Erwerber erteilten Vollmacht zur Anmeldung der Eigentumsübertragung lässt sich deren Weiterdauer nach dem Tode des Vollmachtgebers nicht ableiten (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 269
BGE 97 I 268 S. 269
Gekürzter Tatbestand:
A.-
Mit Vertrag vom 2. Juli 1965 räumte Fritz Singeisen Dr. W.A. Marti ein zeitlich unbeschränktes Kaufsrecht an seinen im Grundbuchkreis Gelterkinden gelegenen Grundstücken Nr. 1615 und 2533 ein, das für zehn Jahre im Grundbuch vorgemerkt wurde. Der Kaufpreis für die beiden 4738 m2 und 5070 m2 messenden Parzellen wurde auf Fr. 35.- pro m2 oder insgesamt Fr. 343'280.-- festgesetzt. In Ziffer 1 der Vertragsbestimmungen wurde u.a. folgendes vereinbart:
"Der Grundstückeigentümer ermächtigt hiemit den Kaufsberechtigten bzw. die vom Kaufsberechtigten bezeichnete natürliche oder juristische Person unwiderruflich heute schon, anlässlich der Geltendmachung des Rechtes die Eigentumsübertragung beim Grundbuchamt Sissach allein und einseitig zu beantragen."
Am 6. März 1970 sprach der Vertreter des Dr. Marti beim zuständigen Grundbuchamt Sissach vor und versuchte, gestützt auf den Kaufsrechtsvertrag und eine Ausübungserklärung den Eigentumsübergang zur Eintragung im Grundbuch anzumelden. Da jedoch verschiedene hiefür erforderliche Unterlagen fehlten, wie insbesondere die Bewilligung der Landwirtschaftsdirektion
BGE 97 I 268 S. 270
für die Veräusserung der beiden Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist des
Art. 218 OR
, wurde diese Anmeldung an jenem Tag noch nicht entgegengenommen, sondern erst am 12. März 1970, nachdem die betreffenden Unterlagen beim Grundbuchamt eingegangen waren. Am 7. März 1970 war aber F. Singeisen, der Eigentümer der mit dem Kaufsrecht belasteten Liegenschaften, gestorben. Über seinen von den Erben ausgeschlagenen Nachlass wurde am 21. Juli 1970 der Konkurs eröffnet.
B.-
Mit Verfügung vom 29. Juli 1970 wies das Grundbuchamt Sissach die Anmeldung zur Eigentumsübertragung ab mit der Begründung, die Dr. Marti im Kaufsrechtsvertrag erteilte Vollmacht sei mit dem Tod des Eigentümers der Grundstücke erloschen und von dessen Erben sei keine Ermächtigung zur Ammeldung der Eigentumsübertragung erteilt worden.
Hiegegen beschwerte sich Dr. Marti beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft als kantonaler Aufsichtsbehörde über die Grundbuchverwalter. Er machte geltend, die ihm erteilte Ermächtigung zur Vornahme der Grundbuchanmeldung habe über den Tod des Vollmachtgebers hinaus Geltung gehabt; das Grundbuchamt hätte im übrigen bereits am 6. März 1970, also am Tage vor dem Tod des Eigentümers Singeisen, im Tagebuch vorsorglich von der Anmeldung Notiz nehmen sollen, auch wenn die erforderlichen Unterlagen damals noch nicht vorgelegen hätten.
Der Regierungsrat wies die Beschwerde am 25. August 1970 ab.
C.-
Dr. Marti ficht diesen Entscheid mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an und stellt den Antrag, das Grundbuchamt Sissach sei anzuweisen, ihn als Eigentümer der Grundstücke Nr. 1615 und 2533 in das Grundbuch Gelterkinden einzutragen.
D.-
In ihren Vernehmlassungen beantragen der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und das Konkursamt Liestal, dieses für die Konkursmasse des F. Singeisen, die Abweisung der Beschwerde; den gleichen Antrag stellt das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 103 Abs. 1 und 4 der Grundbuchverordnung (GBV) ist gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler
BGE 97 I 268 S. 271
Aufsichtsbehörden in Grundbuchsachen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht möglich, sofern die Anmeldung einer Eintragung abgewiesen wird. Das OG erwähnte diesen Beschwerdefall in seiner Fassung vom 16. Dezember 1943 denn auch ausdrücklich in Art. 99 I lit. c, währenddem es in seiner heutigen, seit dem 1. Oktober 1969 in Kraft stehenden Fassung eine solche Weiterzugsmöglichkeit nicht mehr besonders aufführt.
Art. 97 Abs. 1 OG
bezeichnet als Anfechtungsobjekt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lediglich Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, d.h. Anordnungen von Behörden, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen. Wollte man daraus ableiten, die Entscheide der Aufsichtsbehörden in Registersachen könnten nicht mehr mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden, weil sie sich nicht auf öffentliches, sondern auf privates Recht des Bundes stützten, so würde damit im Vergleich zum früheren Recht eine klare Einschränkung der Verwaltungsrechtspflege durch das Bundesgericht herbeigeführt. Die Gesetzesnovelle vom 20. Dezember 1968 wollte aber grundsätzlich gerade das Gegenteil, nämlich einen Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde, erreichen (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung BBl 1965 Bd. II S. 1265 ff.;
BGE 96 I 410
Erw. 2 d). Zudem kann nicht gesagt werden, die Bestimmungen über das Grundbuchwesen stützten sich auf Bundesprivatrecht. Materiell regeln sie nämlich Bundesverwaltungsrecht, auch wenn sie im ZGB enthalten sind (vgl.
BGE 96 I 409
Erw. 2 c und das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 12. November 1970 i.S. C., S. 4). Das Bundesgericht ist daher auch nach der heutigen Fassung des OG zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig.
2.
Der Beschwerdeführer berief sich bei der Anmeldung der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch auf die ihm hiefür vom Eigentümer Singeisen im Kaufsrechtsvertrag erteilte Ermächtigung. Nachdem die Anmeldung abgewiesen worden war, erachtete er sich als legitimiert, in seinem eigenen Namen und nicht etwa als Vertreter der Eigentümerschaft Beschwerde zu erheben. Obwohl weder die Vorinstanzen noch die Beschwerdegegnerin die Legitimation des Dr. Marti zur Beschwerdeführung verneinten, hat das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen, ob dieser berechtigt war, in seinem Namen eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzureichen.
BGE 97 I 268 S. 272
In einem nicht veröffentlichten Urteil vom 19. Oktober 1967 in Sachen S. und A. gegen Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern hat das Bundesgericht die Legitimation des Grundstückerwerbers zur Beschwerdeführung gegen einen die Abweisung der Grundbuchanmeldung bestätigenden Entscheid verneint. Es hielt dafür, der Erwerber, welcher vom Verkäufer in der öffentlichen Urkunde zur Anmeldung des Eigentumsübergangs beim Grundbuchamt ermächtigt worden war, handle nicht kraft eigenen Rechtes, sondern als Stellvertreter des Verfügungsberechtigten; er könnte sich demzufolge gegen eine abweisende Verfügung nur im Namen und im Auftrag des Vollmachtgebers beschweren.
Nach
Art. 103 Abs. 1 GBV
steht indessen das Recht zur Beschwerdeführung dem Anmeldenden zu. Dieser Wortlaut schliesst nicht aus, auch den sich auf eine Vollmacht des Verfügungsberechtigten stützenden Vertreter als beschwerdelegitimiert zu betrachten.
Art. 103 OG
bezeichnet in lit. a als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Beschwerdelegitimation ist damit recht weit gefasst. Dass der Beschwerdeführer Marti, dessen Anmeldung mangels genügender vollmacht abgewiesen wurde, im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
durch die angefochtene Verfügung berührt ist, lässt sich nicht bestreiten. Er wird durch die Nichtanerkennung der Vollmacht in seiner Stellung als Vertreter getroffen und macht somit in erster Linie eigene Interessen geltend, wenn er sich gegen die Abweisung der von ihm abgegebenen Anmeldung zur Wehr setzt. Sein Interesse an der Anfechtung hat auch als schutzwürdig zu gelten, wenn berücksichtigt wird, was für ihn dabei auf dem Spiel steht. Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten.
3.
Hingegen stellt sich die Frage, ob die Beschwerde, soweit damit geltend gemacht wird, das Grundbuchamt hätte die Anmeldung des Eigentumsübergangs bereits unter dem Datum des 6. März 1970 im Tagebuch eintragen oder wenigstens im Sinne von
Art. 966 Abs. 2 ZGB
vorläufig vormerken sollen, nicht verspätet ist. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren und
Art. 97 Abs. 2 OG
hätte die Weigerung des Grundbuchamtes, auf das Gesuch des Beschwerdeführers hin tätig zu werden, als selbständig anfechtbare
BGE 97 I 268 S. 273
Verfügung zu gelten. Da eine Anfechtung innert Frist nicht erfolgte, wäre die Beschwerde in diesem Punkt grundsätzlich als verspätet zu betrachten.
Nun sieht jedoch
Art. 104 GBV
ausdrücklich vor, gegen die Weigerung des Grundbuchverwalters, eine Anmeldung entgegenzunehmen, könne ohne Einhaltung einer besondern Frist Beschwerde geführt werden. Diese den sonst geltenden Grundsätzen vorgehende Spezialbestimmung beruht auf der in
Art. 24 GBV
enthaltenen Regelung, nach welcher der Anmeldende einen Rechtsanspruch auf förmliche Abweisung seiner Anmeldung besitzt, sofern diese den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht (vgl.
BGE 56 I 199
; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters nach schweizerischem Recht, S. 53; ANDERMATT, Die grundbuchliche Anmeldung nach schweizerischem Recht, S. 206; WESPI, Die Beschwerde in Grundbuchsachen, S. 68/69). Auf die Beschwerde wäre somit unter dem Gesichtspunkt ihrer Rechtzeitigkeit an sich einzutreten, soweit damit gerügt wird, dass das Grundbuchamt die Anmeldung am 6. März 1970 nicht entgegengenommen und keinen förmlichen Entscheid darüber gefällt habe. Nachdem jedoch das Grundbuchamt am 12. März 1970 eine Verfügung über die inzwischen vervollständigte Anmeldung getroffen und diese abgewiesen hat, ist eine Aufsichtsbeschwerde gemäss
Art. 104 GBV
überflüssig geworden; denn der Beschwerdeführer kann nicht auf dem Wege einer unbefristeten Beschwerde im Sinne von
Art. 104 GBV
beantragen, die gewünschte Eintragung sei im Grundbuch auf einen Zeitpunkt hin vorzunehmen oder wenigstens vorläufig vorzumerken, der vor der Entgegennahme seiner - in der Folge abgewiesenen - Anmeldung durch das Grundbuchamt liegt. In diesem Sinne ist an der vom Bundesrat und vom Bundesgericht vertretenen Auffassung festzuhalten, dass die allgemeine Aufsichtsbeschwerde gemäss
Art. 104 GBV
nicht mit der speziellen Beschwerde des
Art. 103 GBV
verbunden werden kann (ZBGR 14 S. 272 f. N. 78 = SJZ 14 S. 176 Ziff. 142;
BGE 85 I 167
; vgl. die von WESPI an dieser Praxis geübte Kritik, a.a.O. S. 64 f.). Wenn der Beschwerdeführer die Nichtanhandnahme der am 6. März 1970 erfolglos versuchten Anmeldung als ungerechtfertigt betrachtet, ist er auf die Möglichkeit einer Verantwortlichkeits- und Schadenersatzklage gegen den zuständigen Grundbuchverwalter zu verweisen, zu deren Behandlung allein die Gerichte zuständig sind (ZBGR
BGE 97 I 268 S. 274
14 S. 273 = SJZ 14 S. 176 Ziff. 142). Auf die Beschwerde ist daher in diesem Punkt nicht einzutreten.
Es mag im übrigen beigefügt werden, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch am 6. März 1970 offensichtlich noch nicht erfüllt waren, nachdem insbesondere die Bewilligung der kantonalen Landwirtschaftsdirektion für die Veräusserung der Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist des
Art. 218 OR
damals noch ausstand; sie datiert erst vom 11. März 1970. Ein genügender Ausweis über den Rechtsgrund für die Eintragung im Sinne von
Art. 965 ZGB
lag somit noch nicht vor.
4.
Was die Abweisung der vom Grundbuchamt am 12. März 1970 entgegengenommenen Anmeldung anbetrifft, ist streitig, ob die dem Beschwerdeführer im Kaufsrechtsvertrag erteilte Ermächtigung zur Grundbuchanmeldung über den - am 7. März 1970 eingetretenen - Tod des Kaufsrechtsgebers hinaus gültig war.
In der Literatur ist vereinzelt die Auffassung vertreten worden, dass eine Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus im Grundbuchverkehr überhaupt als unzulässig zu betrachten sei (NUSSBAUM, Beiträge zum Notariats- und Grundbuchrecht, ZBGR 33 (1952) S. 108 ff.). Das Bundesgericht hat diese Frage bisher noch nie entschieden. Sie kann auch hier offen gelassen werden, wenn mit dem Grundbuchamt Sissach und der kantonalen Aufsichtsbehörde angenommen wird, dass die dem Beschwerdeführer im Kaufsrechtsvertrag erteilte Vollmacht mit dem Tode von F. Singeisen erloschen ist. Sollte nämlich eine Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus im Grundbuchverkehr grundsätzlich zulässig sein, stellte sich hier die weitere Frage, ob eine solche Vollmacht ausdrücklich als vererblich gekennzeichnet sein müsse oder ob sich ihre Weitergeltung über den Tod des Vollmachtgebers hinaus auch aus der Natur des Geschäftes ergeben könne, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf
Art. 35 Abs. 1 OR
behauptet. Die Übertragung dieser obligationenrechtlichen Regel auf das Grundbuchrecht ist deshalb nicht selbstverständlich, weil nicht ohne weiteres ersichtlich ist, wie in einem solchen Fall der gemäss
Art. 965 Abs. 2 ZGB
erforderliche Nachweis geleistet werden soll, dass der Anmeldende von der nach Massgabe des Grundbuches verfügungsberechtigten Person eine (über deren Tod hinaus gültige) Vollmacht erhalten hat. Diese Frage grundsätzlicher
BGE 97 I 268 S. 275
Natur braucht aber ebenfalls nicht entschieden zu werden, wenn mit den kantonalen Instanzen davon auszugehen ist, dass sich die Fortdauer der von F. Singeisen erteilten Vollmacht über dessen Tod hinaus aus der Natur des betreffenden Geschäftes gar nicht ableiten lasse.
Aus der Natur des Geschäftes lässt sich auf den Fortbestand einer Vollmacht schliessen, wenn diese in einem Betrieb oder Gewerbe erteilt ist, welches durch den Tod des Vollmachtgebers keine sofortige Unterbrechung erleidet, oder wenn es sich um Geschäfte handelt, die nach dem Tod des Vollmachtgebers zu einem vorläufigen Abschluss gebracht werden müssen (VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, I. Halbband, S. 321). Das gleiche gilt, wenn eine Unterbrechung der Geschäftsführung dem Vollmachtgeber oder seinen Erben zum Schaden gereichen würde und sie selbst nicht rechtzeitig verfügen können (BECKER, 2. Aufl., N. 5 zu
Art. 35 OR
; MÜLLER, Vererbliche Vollmacht, SJZ 43 (1947) S. 317). Danach sind für die Annahme der Vererblichkeit einer Vollmacht grundsätzlich die Interessen des Vollmachtgebers und seiner Erben massgebend. Diese Betrachtungsweise erscheint als gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass eine Vollmacht einseitig auf dem Willen des Vollmachtgebers beruht (vgl. VON TUHR/SIEGWART, a.a.O., S. 309) und daher gemäss
Art. 34 Abs. 1 OR
jederzeit widerrufen werden kann (und zwar nach
Art. 34 Abs. 2 OR
selbst bei zum voraus erklärtem Verzicht auf dieses Recht). Demnach ist Zurückhaltung am Platz, auf die Vererblichkeit einer Vollmacht zu schliessen, wenn im Interesse des Vertreters Verfügungen getroffen werden sollen, die unwiderruflich in die Rechtsverhältnisse der Erben eingreifen (BÖCKLI, Die vererbliche Vollmacht, SJZ 19 S. 145 f.). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Von der in erster Linie massgebenden Interessenlage des Vollmachtgebers und seiner Erben aus betrachtet ist daher die Vererblichkeit der Vollmacht auf Grund der Natur des Geschäftes zu verneinen.
Selbst wenn man aber vor allem die Interessenlage auf Seiten des Vertreters berücksichtigen wollte, könnte nicht gesagt werden, das der Bevollmächtigung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, d.h. der Kaufsrechtsvertrag, spreche zwingend für die Fortdauer der Vollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus. Das dem Beschwerdeführer eingeräumte Kaufsrecht war zeitlich nicht begrenzt; es dauerte denn auch mehrere
BGE 97 I 268 S. 276
Jahre, bis es ausgeübt wurde. Es handelte sich somit um ein auf längere Sicht eingegangenes Rechtsgeschäft, mit dessen Verwirklichung vor dem Ableben des Kaufsrechtsgebers in keiner Weise zum voraus gerechnet werden konnte. Unter diesen Umständen hätte die Vererblichkeit der Vollmacht ausdrücklich vorgesehen werden müssen, wenn sie von den Vertragspartnern wirklich beabsichtigt gewesen wäre.
Ergibt sich jedoch aus der Natur des Geschäftes nicht eindeutig, dass die Vollmacht den Tod des Vollmachtgebers überdauern sollte, ist die Beschwerde abzuweisen, ohne dass näher geprüft werden müsste, ob es eine vererbliche Vollmacht im Verkehr mit dem Grundbuchamt überhaupt gibt, und wenn ja, ob nicht eine solche Vollmacht die Weitergeltung nach dem Tode des Vollmachtgebers ausdrücklich vorsehen müsste.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft vom 25. August 1970 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4eed2481-e84e-43e0-bfb3-37d80451a107 | Urteilskopf
105 Ib 314
49. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. November 1979 i.S. Knoppers c. Regierungsrat des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland;
Art. 7 Abs. 1 lit. a und b BewB
;
Art. 12a Abs. 1 und 2 BewV
.
1. Sind Ausnahmen vom Verweigerungsgrund des
Art. 7 Abs. 1 lit. b BewB
zulässig, wenn für die Arrondierung einer Parzelle, die sich in einem der Bewilligungssperre unterliegenden Ort befindet, ein hinreichender Grund besteht? Frage offen gelassen (E. 2).
2. Wenn sich nach der Arrondierung eine Grundstücksfläche von mehr als 1000 m2 ergibt, so sind für die Erteilung der Bewilligung "zwingende Gründe" erforderlich. Die Erstellung eines privaten Schwimmbades stellt keinen solchen Grund dar (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 105 Ib 314 S. 314
Der in Monte-Carlo wohnhafte holländische Staatsangehörige Willem Knoppers ist seit 1970 Eigentümer der 1117 m2 haltenden und mit einem Ferienchalet überbauten Parzelle Nr. 5353 in Schönried. Am 10. Oktober 1978 stellte Knoppers beim Regierungsstatthalter von Saanen das Gesuch, es sei ihm zum Zweck der Arrondierung seiner Liegenschaft der Zukauf der angrenzenden Parzelle Nr. 4918 im Halt von 200 m2 zu bewilligen. Dem Gesuch wurde nicht entsprochen. Mit Entscheid vom 20. Februar 1979 wies der Regierungsrat des Kantons
BGE 105 Ib 314 S. 315
Bern die dagegen erhobene Beschwerde ab, im wesentlichen mit der Begründung, dass Schönried der Bewilligungssperre unterliege und dass die nachgesuchte Bewilligung schon aus diesem Grunde verweigert werden müsse.
Das Bundesgericht weist die gegen den Entscheid des Regierungsrates erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. a und b des Bundesbeschlusses über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961 (BewB) ist die Bewilligung ohne Rücksicht auf ein berechtigtes Bedürfnis zu verweigern:
"a. wenn das zu erwerbende Grundstück ausserhalb einer Bauzone im Sinne des Bundesrechts liegt;
b. im Falle des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 3, wenn das zu erwerbende Grundstück an einem Ort liegt, an dem das ausländische Grundeigentum einen erheblichen Umfang erreicht."
Art. 12a Abs. 1 und 2 der Verordnung über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 21. Dezember 1973 (BewV) bestimmt hinsichtlich der zulässigen Fläche eines dem persönlichen Aufenthalt des Erwerbers dienenden Grundstücks folgendes:
"1. Die Fläche eines Grundstücks, das dem persönlichen Aufenthalt des Erwerbers dient (Art. 6 Abs. 2 Bst. a BB), darf insgesamt den für diesen Zweck und nach der Art des Grundstücks angemessenen Umfang nicht übersteigen.
2. Handelt es sich um Bauland, so gelten als angemessener Umfang in der Regel höchstens 1000 m2; dieser Umfang darf ausnahmsweise mehr als 1000 m2 betragen, wenn der Erwerber für den Mehrbedarf zwingende Gründe nachweist und keine öffentlichen Interessen entgegenstehen."
b) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass sich die Zukaufsparzelle in einer Bauzone befindet, dass sie jedoch in einem der Bewilligungssperre unterliegenden Ort - Schönried bildet Teil der Gemeinde Saanen - gelegen ist (Art. 3 Abs. 5 und Anhang 2 der Verordnung über den Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland vom 10. November 1976).
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Regierungsrat nehme zu Unrecht an, dass die nachgesuchte Bewilligung aufgrund von
Art. 7 Abs. 1 lit. b BewB
(Lage des Grundstücks an einem Ort, an dem das ausländische Grundeigentum einen
BGE 105 Ib 314 S. 316
erheblichen Anteil erreicht) zwingend verweigert werden müsse. In der Rechtsprechung sei nämlich in bezug auf
Art. 7 Abs. 1 lit. a BewB
(Lage des Grundstücks ausserhalb der Bauzone) anerkannt worden, dass der Zukauf einer Arrondierungsparzelle unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werden könne, selbst wenn die Arrondierungsparzelle im Gegensatz zum Stammgrundstück nicht im Baugebiet liege. Wenn die Rechtsprechung hinsichtlich des Verweigerungsgrundes von
Art. 7 Abs. 1 lit. a BewB
eine Ausnahme für den Zukauf einer Arrondierungsparzelle zugelassen habe, so könne hinsichtlich des Verweigerungsgrundes von
Art. 7 Abs. 1 lit. b BewB
nicht anders entschieden werden.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Zukauf einer Parzelle zu einer bereits im Eigentum des Käufers stehenden Liegenschaft nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zwar ist gemäss
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
ein berechtigtes Interesse am Erwerb zu verneinen, wenn der Erwerber, sein Ehegatte oder seine minderjährigen Kinder bereits ein anderes dem Aufenthalt der Familie in der Schweiz dienendes Grundstück erworben haben. Wie das Bundesgericht indes mehrfach entschieden hat, steht diese Bestimmung der Arrondierung eines schon im Eigentum des Erwerbers stehenden Grundstücks nicht zwingend entgegen. Die in
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
aufgestellte Vorschrift will verhindern, dass Personen mit Wohnsitz im Ausland mehrere selbständige Liegenschaften in verschiedenen Gegenden oder am gleichen Ort in der Schweiz erwerben. Es ist aber nicht der Sinn dieser Bestimmung, den Zukauf einer Parzelle zur Abrundung eines Grundstücks, das bereits im Eigentum des Erwerbers steht, unter allen Umständen auszuschliessen. Ein solcher Zukauf ist im Lichte von
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
als zulässig zu erachten, wenn ihn besondere Gründe als notwendig erscheinen lassen (Abrundung der Parzelle; Vergrösserung der Parzelle, um das darauf errichtete Haus im Hinblick auf die Bedürfnisse der Familie erweitern zu können; Ausstattung einer kleinen Hausparzelle mit bisher fehlendem Umschwung) und wenn die Gesamtfläche der Liegenschaft das übliche Mass nicht übersteigt (
BGE 101 Ib 141
mit Hinweisen auf die frühere Praxis der Eidg. Rekurskommission; nicht veröffentlichte Urteile Rödler vom 14. Februar 1975, E. 2, und Griffin vom 24. Februar 1977, E. 2c).
BGE 105 Ib 314 S. 317
Am 11. Februar 1976 wurde die Bewilligungsverordnung ergänzt und in Art. 12a näher umschrieben, welches die zulässige Fläche eines dem persönlichen Aufenthalt des Erwerbers dienenden Grundstücks sei. Darauf wird in E. 3 noch näher einzugehen sein.
c) Erweist sich eine Arrondierung im Lichte von
Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB
als zulässig, so ist sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch dann zu bewilligen, wenn die Zukaufsparzelle nicht zum Baugebiet gehört.
Art. 7 Abs. 1 lit. a BewB
, wonach die Bewilligung ohne Rücksicht auf ein berechtigtes Interesse zu verweigern ist, wenn das zu erwerbende Grundstück ausserhalb einer Bauzone des Bundesrechts liegt, findet unter diesen Umständen keine Anwendung. Sinn des in
Art. 7 Abs. 1 lit. a BewB
umschriebenen Verweigerungsgrundes ist nämlich, den Erwerb von Grundstücken zu verunmöglichen, die wegen fehlender Überbaubarkeit zum vornherein ungeeignet sind, die in
Art. 6 BewB
aufgezählten Interessen (Aufenthalt des Erwerbers in der Schweiz; Errichtung einer Betriebsstätte, usw.) zu befriedigen. Handelt es sich beim zu erwerbenden Grundstück indes nicht um eine selbständig nutzbare Liegenschaft, sondern lediglich um eine Arrondierungsparzelle zu einem bereits überbauten Grundstück, so kann
Art. 7 Abs. 1 lit. a BewB
der Erteilung einer Bewilligung nicht entgegenstehen (Urteil Rödler, E. 3b, Griffin, E. 3b). Der Beschwerdeführer macht deshalb zu Recht geltend, der zwingende Verweigerungsgrund von
Art. 7 Abs. 1 lit a BewB
schliesse nicht aus, dass eine Liegenschaft durch den Zukauf von Nichtbauland arrondiert werde.
d) Daraus kann indes nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass in analoger Weise der Verweigerungsgrund von
Art. 7 Abs. 1 lit. b BewB
keine Anwendung finde, wenn der Zukauf einer Parzelle, die an einem Ort liegt, an dem das ausländische Grundeigentum einen erheblichen Umfang erreicht, lediglich zur Arrondierung einer bereits im Eigentum des Erwerbers befindlichen Liegenschaft erfolgen soll.
Art. 7 Abs. 1 lit. b BewB
will verhindern, dass der Anteil des ausländischen Grundeigentums in den fraglichen Orten weiter ansteigt. Diese Zielsetzung wird auch dann durchkreuzt, wenn das bereits bestehende ausländische Grundeigentum durch Arrondierungen zusätzlich vergrössert wird. Es ist freilich einzuräumen, dass in Einzelfällen trotz dieses Umstandes gewichtige Interessen
BGE 105 Ib 314 S. 318
daran bestehen können, eine Arrondierung zuzulassen. So kann es sich namentlich verhalten, wenn eine im Baugebiet gelegene, für sich allein nicht überbaubare Restparzelle sinnvollerweise nur einem Grundstück angegliedert werden kann, dessen Eigentümer seinen Wohnsitz im Ausland hat. Erweist sich eine Arrondierung auch im Hinblick auf die Bedürfnisse dieses Eigentümers als notwendig (vgl. die in E. 2b angeführten Gründe), so lässt sich in der Tat die Auffassung vertreten, dass
Art. 7 Abs. 1 lit. b BewB
einer derartigen Arrondierung nicht entgegenstehe. Wie es sich damit und mit allfälligen weiteren Fällen verhält, braucht hier indes nicht abschliessend erörtert zu werden, da im vorliegenden Fall für eine Arrondierung der Liegenschaft des Beschwerdeführers keine hinreichenden Gründe bestehen.
3.
a)
Art. 12a Abs. 1 BewV
sieht vor, dass die Fläche eines Grundstücks, das dem persönlichen Aufenthalt des Erwerbers dient, insgesamt den für diesen Zweck und nach der Art des Grundstücks "angemessenen" Umfang nicht übersteigen darf. Gemäss
Art. 12a Abs. 2 BewV
gilt für den Fall, dass es sich beim zu erwerbenden Grundstück um Bauland (gemeint ist: unüberbautes Bauland) handelt, als angemessener Umfang in der Regel höchstens 1000 m2. Dieser Umfang darf ausnahmsweise mehr als 1000 m2 betragen, wenn der Erwerber für den Mehrbedarf "zwingende Gründe" nachweist und keine öffentlichen Interessen entgegenstehen.
Art. 12a Abs. 3 lit. a BewV
bestimmt, dass eine einmalige Grenzbereinigung über eine Fläche von höchstens 50 m2 der Bewilligungspflicht nicht unterliegt.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht darzutun, dass "zwingende Gründe" für die Arrondierung seiner Liegenschaft sprächen. Da sein Grundstück bereits überbaut sei, sei für die Zulässigkeit des Zukaufs lediglich erforderlich, dass an der Arrondierung gemäss
Art. 12a Abs. 1 BewV
ein berechtigtes Interesse bestehe und dass die nach Zweck und Art des Grundstücks angemessene Fläche nicht überschritten werde.
b) Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wie in E. 2b dargelegt wurde, ist für jede Arrondierung - ausgenommen sind aufgrund von
Art. 12a Abs. 3 lit. a BewV
nur einmalige Grenzbereinigungen von höchstens 50 m2 - erforderlich, dass sie als "notwendig" erscheine. Ergibt sich unter
BGE 105 Ib 314 S. 319
Zurechnung der Zukaufsparzelle eine Grundstücksfläche von mehr als 1000 m2, so ist die Bewilligung gemäss der in
Art. 12a Abs. 2 BewV
enthaltenen Regel nur zu erteilen, wenn die für die Arrondierung sprechenden Gründe geradezu als "zwingend" erachtet werden können. Die Vorschrift von
Art. 12a Abs. 2 BewV
bezieht sich nach ihrem Wortlaut freilich nicht ausdrücklich auf den Fall, dass eine bereits überbaute Liegenschaft durch Zukauf einer nicht überbauten Parzelle vergrössert werden soll. Sie ist darauf jedoch in analoger Weise anwendbar. Während
Art. 12 Abs. 1 BewV
nämlich diejenigen Bewilligungsfälle regeln will, bei welchen die Fläche der zu erwerbenden Liegenschaft vom Käufer gewöhnlich nicht mehr beeinflusst werden kann (bereits überbaute Grundstücke), soll sich
Art. 12a Abs. 2 BewV
auf diejenigen Fälle beziehen, bei denen der Erwerber die Grösse des Grundstücks noch weitgehend selber bestimmen kann. Das trifft beim Kauf von unüberbautem Bauland zu. Dieser letzteren Konstellation lässt sich der Fall der Arrondierung einer überbauten Liegenschaft durch eine nicht bebaute Parzelle ohne weiteres gleichstellen. Dass die Vorschrift von
Art. 12a Abs. 2 BewV
für derartige Fälle gelten soll, ergibt sich zudem aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Art. 12a wurde in die Bewilligungsverordnung eingefügt, nachdem sich in einem Arrondierungsfall gezeigt hatte, dass das bisherige Recht keinerlei Vorschriften über die zulässige Grundstücksgrösse enthielt (
BGE 101 Ib 138
; vgl. Antrag des EJPD an den Bundesrat zu Änderung der BewV vom 23. Januar 1976, S. 12). Es kann deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass die Vorschrift auch auf den Fall der Arrondierung einer bereits überbauten Liegenschaft Anwendung finden soll (vgl. auch Urteil Griffin, E. 3a am Ende).
c) Die jetzige Liegenschaft des Beschwerdeführers hat eine Fläche von 1117 m2. Diese ist demnach reichlich bemessen, selbst wenn berücksichtigt wird, dass ca. 100-200 m2 von der Hauszufahrt beansprucht werden. In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass das auf der Parzelle Nr. 5353 errichtete Ferienchalet keine genügende Wohnfläche mehr aufweise, da die Kinder des Beschwerdeführers eigene Familien gegründet hätten. Der Beschwerdeführer beabsichtige deshalb, das Haus zu vergrössern. Diesem Umstand kommt für das vorliegende Beschwerdeverfahren keine Bedeutung zu. Es ist nämlich unbestritten, dass eine bauliche Erweiterung des Chalets nach der
BGE 105 Ib 314 S. 320
geltenden Bauordnung auch ohne Zukauf von Land möglich ist, da die höchstzulässige Ausnützung im heutigen Zeitpunkt nicht erreicht wird. Wie sich aus den Akten ergibt, soll der Zukauf der 200 m2 haltenden Parzelle Nr. 4918 in Wirklichkeit erfolgen, um auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers ein privates Schwimmbad errichten zu können. Das kann indes nicht als zwingender Grund für eine Erweiterung der Parzelle erachtet werden. Da die Fläche der Liegenschaft mehr als 1000 m2 beträgt, gilt das gleiche auch für den zusätzlich geltend gemachten Grund, das Grundstück solle mit einer grösseren Gartenanlage versehen werden. Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschwerde als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4eed8585-537d-4456-b8b8-0138c9869800 | Urteilskopf
106 IV 218
59. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 8 février 1980 dans la cause ASLT et Cst. contre S. (pourvoi en nullité) | Regeste
1.
Art. 13 lit. c UWG
: Die Tatsache, dass sich einer als Fabrikant bezeichnet, stellt keine Behauptung eines Titels oder einer Berufsbezeichnung im Sinne dieser Bestimmung dar. Ist diese Behauptung irreführend und begünstigt sie ihren Urheber, muss sie im Lichte von lit. b des
Art. 13 UWG
gewürdigt werden (E. 3).
2.
Art. 13 lit. b UWG
: a) Die gleichzeitige Bezeichnung als Verkäufer und Fabrikant ist geeignet, dem Betreffenden einen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten zu verschaffen (E. 4a), genauso wie die Zusicherung, die Produkte seien auf den eigenen Maschinen hergestellt worden (E. 4b). Wenn solche Angaben unrichtig sind, liegt eine Widerhandlung im Sinne des
Art. 13 lit. b UWG
vor.
b) Unter dem Fabrikationspreis ist jener Preis zu verstehen, den der Hersteller einem Wiederverkäufer (Grossist oder Detaillist) berechnet; wer auf diesen Preis einen den Detailverkaufskosten (Lager, Miete, Verkaufspersonal etc.) entsprechenden Zuschlag erhebt, darf demnach nicht erklären, er verkaufe zum Fabrikationspreis (E. 4c). | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 106 IV 218 S. 219
A.-
S., fondé de pouvoir de la maison P. S.A., est responsable du département des tapis et de la publicité que la maison fait paraître dans ce domaine.
Il a fait insérer dans les journaux "24 Heures", du 11 juin 1975 et "L'Illustré", du 23 juin 1975, des communiqués publicitaires qui contiennent notamment les passages suivants:
24 Heures:
"Qui crie le plus fort est le plus avantageux. Ou bien...? S'il fallait en juger par le bruit qu'ils font, de nombreux marchands de tapis seraient de loin les plus avantageux.
Chez nous, seules les machines qui fabriquent les tapis Mira font du bruit. Car nous sommes vendeurs spécialisés et fabricants. Par exemple le tapis BERBÈRE-MIRA de cette annonce: Nous avons acheté 220 tonnes de laine de tonte, juste au moment où son prix était le plus avantageux sur le marché mondial. Puis nous avons fait filer la laine. Ensuite le tapis fut fabriqué. Et vous pouvez maintenant l'acheter chez nous, au prix de fabrique."
Suivent des considérations sur le fait que P. S.A. peut offrir, à qualité égale, des tapis plus avantageux que les autres.
L'Illustré: "Meilleur et meilleur marché. C'est promettre trop! Ou bien...?
Jugez vous-même: Pour ce tapis de fond BERBÈRE-MIRA, nous avons acheté 220 tonnes de laine de tonte, juste au moment où son prix était le plus avantageux sur le marché mondial. Ensuite nous avons fait filer la laine. Enfin le tapis fut fabriqué. C'est pourquoi nous pouvons vous offrir ce tapis au prix de fabrique. Par qualité égale, infiniment moins cher que partout ailleurs."
B.-
L'Association suisse des marchands de tapis, aujourd'hui Association suisse des Entreprises de linoléum, de sols spéciaux et de tapis (ASLT), ainsi que les maisons H. S.A. et
BGE 106 IV 218 S. 220
M. S.A. ont déposé plainte contre P. S.A. et contre S. pour concurrence déloyale.
Après qu'une première ordonnance de renvoi eut été annulée par le Tribunal d'accusation du canton de Vaud, et après complément d'enquête, le juge informateur de l'arrondissement de Lausanne, par ordonnance du 28 juin 1979, a renvoyé S. devant le Tribunal de police du district de Lausanne, sous l'accusation de concurrence déloyale, au sens de l'art. 13 lettre b et c LCD, pour avoir affirmé que P. S.A. était à la fois vendeur et fabricant et qu'elle vendait sa qualité BERBÈRE-MIRA au prix de fabrique.
Le 28 août 1979, le Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal vaudois a admis le recours de S. et mis ce dernier au bénéfice d'un non-lieu.
C.-
Les trois plaignantes se pourvoient en nullité au Tribunal fédéral. Elles concluent au renvoi de S. en jugement.
S. propose de rejeter le pourvoi dans la mesure où il est recevable.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) L'autorité cantonale a d'abord libéré l'intimé du chef d'accusation d'infraction à l'art. 13 lettre c LCD, à propos de l'affirmation selon laquelle P. S.A. était à la fois "vendeur et fabricant" des moquettes dont il est question dans la publicité incriminée. Elle a considéré que l'art. 13 lettre c LCD n'était pas applicable en l'espèce, le fait de se déclarer "fabricant" ne constituant pas l'affirmation d'une distinction ou d'une capacité particulière. Elle a relevé au surplus que cette allégation s'était d'ailleurs révélée véridique, dès lors qu'il n'est pas abusif de considérer comme fabricant celui qui fait fabriquer; elle s'est référée sur ce point par analogie à l'ACF du 29 juillet 1949 instituant un impôt sur le chiffre d'affaire.
L'autorité cantonale a considéré ensuite que l'
art. 13 lettre b LCD
n'était pas non plus applicable à l'intimé, puisque les indications de prix et de qualité données par P. S.A. s'étaient révélées exactes.
b) Se référant à la publicité incriminée, les recourantes font valoir qu'il est inexact qu'il y ait chez P. S.A. des machines qui fabriquent des tapis, que P. S.A. n'est nullement fabricant et que cette maison ne vend pas au prix de fabrique. A l'appui de leurs affirmations, les recourantes invoquent une série de faits
BGE 106 IV 218 S. 221
dont il ressortirait que les choses se passent de la manière suivante:
Une filiale de P. S.A., X. S.A., qui possède à peu près les mêmes organes, achète le fil de laine destiné à la fabrication des moquettes à Falke-Garne, en Allemagne; c'est elle qui prescrit les couleurs, l'épaisseur, l'emballage et qui fait expédier le fil à des usines allemandes qu'elle désigne (les plaignantes citent trois firmes allemandes, dont Desiterm, Textilveredlung GmbH & Co., à Appelhüsen); elle charge alors l'usine allemande, par exemple Desiterm, de procéder au tufting, c'est-à-dire de tisser le fil de laine livré et teint par Falke-Garne et d'incorporer le produit ainsi tissé à un support synthétique, bref, de mener à chef toutes les opérations qui feront que le tapis sera terminé. P. S.A. recevrait ainsi en fin de compte le tapis fini sans avoir exécuté sur lui le moindre travail de fabrication.
Les recourantes contestent également que P. S.A. vende réellement au prix de fabrique, puisque par l'intermédiaire de X. S.A. sa filiale, elle achète la laine après teinture auprès d'une firme indépendante, Falke-Garne, qui prélève normalement sa marge bénéficiaire au cours de l'opération et que c'est ensuite une autre firme indépendante, Desiterm, à laquelle le fil est livré directement, qui se charge, en prélevant aussi son bénéfice, du tissage et du finissage des tapis, selon les prescriptions de P. S.A. certes, mais au moyen de ses propres machines et de son propre personnel. P. S.A. reçoit ainsi et paie les tapis à Desiterm sur la base des quantités vendues, avant de les vendre dans ses magasins, non pas au prix payé à Falke-Garne et à Desiterm, mais à son propre prix qu'elle calcule en tenant compte de son prix de revient, de ses frais généraux, de sa publicité, de ses impôts, etc., soit en prenant sa propre marge. Il ne s'agirait donc pas d'un prix de fabrique et ce ne serait en tout cas pas ce que le lecteur candidat acheteur comprend par prix de fabrique.
Enfin, les recourantes s'en prennent à l'affirmation selon laquelle P. S.A., à qualité égale, offre des tapis meilleur marché que ses concurrents.
c) L'intimé fait tout d'abord valoir que le dernier grief précité des recourantes est irrecevable, puisqu'il n'est pas repris dans l'ordonnance du juge informateur, laquelle n'a pas été attaquée par les recourantes.
L'intimé estime ensuite que c'est à juste titre que l'art. 13 lettre c LCD a été considéré comme inapplicable en l'espèce.
BGE 106 IV 218 S. 222
Enfin, sur l'application de l'
art. 13 lettre b LCD
, l'intimé affirme en premier lieu qu'il est bien établi que P. S.A. est réellement fabricant et vendeur, puisque X. S.A. achète la marchandise et loue ensuite les usines et le personnel de Desiterm pour faire fabriquer les moquettes dont elle a besoin, prenant elle-même tous les risques de la fabrication et apparaissant dès lors comme le véritable entrepreneur. Selon l'intimé, il ne faudrait pas seulement considérer comme fabricant celui qui fabrique lui-même, mais également celui qui fait fabriquer, lorsqu'il prend les risques de l'opération. Au surplus, même si P. S.A. n'était pas fabricant, il ne serait pas établi que cette indication avantage P. S.A. par rapport à ses concurrents.
Ensuite, à propos de l'affirmation sur le "prix de fabrique", l'intimé fait valoir que, selon l'usage de la branche, il est courant d'indiquer comme vendues au "prix de fabrique" les marchandises vendues par des tiers, l'important du point de vue du consommateur étant qu'un grossiste ne vienne pas s'insérer entre le fabricant et le vendeur au détail en prélevant sa marge.
2.
On doit relever d'emblée que les recourantes ne sont pas recevables à critiquer l'affirmation de P. S.A. selon laquelle celle-ci offre à qualité égale des tapis meilleur marché que ses concurrents. Ce grief n'a en effet pas été retenu par le juge informateur dans son ordonnance, et celle-ci n'a elle-même pas été attaquée par les recourantes devant l'autorité cantonale. Il n'existe donc pas sur ce point de décision prise en dernière instance cantonale, de telle sorte que le moyen ne peut plus être soulevé dans un pourvoi en nullité (cf.
ATF 104 IV 54
consid. 1).
3.
C'est à juste titre que l'autorité cantonale a estimé que l'art. 13 lettre c LCD n'était pas applicable à l'expression "fabricant" employée dans la publicité incriminée. Le fait de se déclarer "fabricant" ne constitue pas l'allégation d'un titre ou d'une dénomination professionnelle au sens de l'art. 13 lettre c LCD. Cette disposition ne vise en effet que l'allégation d'une distinction ou d'une capacité ou spécialité professionnelle particulière, ou encore l'existence de diplômes attestant une telle capacité. Or le terme générique de "fabricant" ne peut être considéré comme une véritable dénomination professionnelle, impliquant des distinctions ou des capacités particulières. Dans la mesure où une telle allégation s'avérerait inexacte ou fallacieuse et serait en mesure d'avantager les offres de son
BGE 106 IV 218 S. 223
auteur par rapport à celles de ses concurrents, c'est sous l'angle de l'art. 13 lettre b et non de l'art. 13 lettre c LCD qu'elle doit être appréciée. Le pourvoi doit donc être rejeté sur ce point.
4.
a) C'est donc à la lumière de l'
art. 13 lettre b LCD
exclusivement que doivent être examinées les allégations contenues dans la publicité incriminée. Tombe en effet sous le coup de cette disposition celui qui, afin d'avantager ses offres par rapport à celles de ses concurrents, donne sur lui-même, ses marchandises, ses oeuvres, son activité ou ses affaires, des indications inexactes ou fallacieuses.
Deux allégations sont incriminées en l'espèce, à savoir d'une part celle par laquelle P. S.A. se qualifie de vendeur et fabricant, et d'autre part celle où elle affirme vendre ses tapis au prix de fabrique. Si l'on interprète ces allégations conformément au sens que doit leur donner le lecteur non prévenu, c'est-à-dire le consommateur auquel elles sont destinées, on doit admettre tout d'abord qu'elles constituent indiscutablement des affirmations destinées à avantager les offres de P. S.A. par rapport à celles de ses concurrents, et qu'elles sont objectivement propres à les avantager. En effet, conformément au sens général et au texte des annonces, la qualité de fabricant apparaît comme liée à la possibilité de vendre à plus bas prix ("... meilleur marché", "... plus avantageux"). Quant au prix de fabrique - qui sera encore défini plus loin - il s'agit à l'évidence d'un prix plus avantageux que le prix de détail ordinaire.
b) Au vu du sens général de l'annonce, il n'est pas besoin de rechercher la définition du mot "fabricant" et de déterminer si celui qui fait fabriquer par autrui, à ses risques et selon ses directives, peut se qualifier de "fabricant". Ce qui importe, c'est qu'ici, pour démontrer le caractère avantageux de ses prestations, P. S.A. se présente comme un fabricant qui travaille avec ses machines ("... chez nous, seules les machines qui fabriquent les tapis MIRA font du bruit..."). Aux yeux du consommateur non prévenu, il ne peut en effet qu'être plus avantageux, quant au prix, de travailler sur ses machines que de s'adresser à un tiers, intermédiaire supplémentaire qui prélève un bénéfice en facturant son travail. Dès lors, s'il est inexact que P. S.A. fabrique les tapis sur ses machines, on devrait admettre que l'allégation incriminée tombe sous le coup de l'
art. 13 lettre b LCD
. On doit préciser cependant que le fabricant qui loue des machines, ou les prend en leasing, a le droit,
BGE 106 IV 218 S. 224
au même titre que le propriétaire de machines, de dire dans une annonce destinée à sa clientèle qu'il fabrique sur ses propres machines; l'existence d'un loyer n'influence en effet pas le prix d'une manière aussi importante que l'exécution de la fabrication par un intermédiaire.
Or l'état de fait de l'arrêt attaqué ne dit absolument rien de la façon dont P. S.A. fabrique ou fait fabriquer les tapis offerts par son annonce. Le Tribunal fédéral se trouve dès lors dans l'impossibilité de dire si l'affirmation déterminante selon laquelle P. S.A. fabrique les tapis sur ses machines est exacte ou non, et si, en conséquence, l'
art. 13 lettre b LCD
a été bien appliqué. L'arrêt attaqué doit donc être annulé et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle complète ou fasse compléter l'état de fait et qu'elle applique ensuite l'
art. 13 lettre b LCD
conformément aux indications données plus haut.
c) Beaucoup plus importante, en raison de son caractère nettement avantageux, est l'affirmation incriminée selon laquelle les tapis sont offerts par P. S.A. "au prix de fabrique". Mais ce prix est une notion commerciale et juridique dont l'interprétation ne peut être contrôlée si l'on ne connaît pas les composantes du prix auquel P. S.A. offre ses tapis. Ce n'est qu'après avoir déterminé si l'on a bien affaire à un prix de fabrique que l'on pourra décider du caractère inexact ou fallacieux de l'allégation incriminée et se prononcer sur l'application de l'
art. 13 lettre b LCD
. Dire simplement, comme l'a fait l'autorité cantonale, que les indications données par P. S.A. sur la qualité et le prix de fabrique des moquettes sont exactes est absolument insuffisant, dès lors qu'une telle affirmation ne contient aucune donnée de fait sur la composition du prix.
L'arrêt doit donc également être annulé sur ce point et la cause renvoyée à la Cour cantonale pour nouvelle décision.
Les éléments de fait que la Cour cantonale devra fixer sont fonction de la notion et de la définition du prix de fabrique. Le Tribunal fédéral n'a pas eu l'occasion de se prononcer sur le contenu de cette notion ni de la définir. La doctrine suisse ne s'en est pas non plus préoccupée. En revanche, la jurisprudence et la doctrine allemande ont examiné cette notion à réitérées reprises et d'une manière approfondie dans le cadre du par. 3 de la loi allemande sur la concurrence déloyale (DUWG), qui pour l'essentiel vise les mêmes comportements illicites que l'
art. 13 lettre b LCD
. On peut adopter leur manière de voir,
BGE 106 IV 218 S. 225
qui se révèle non seulement judicieuse et pertinente, mais qui correspond parfaitement au sens et au but de l'
art. 13 lettre b LCD
, qui tend à faire coïncider les allégations de l'auteur avec ses prestations effectives et à protéger la confiance que le consommateur doit pouvoir accorder auxdites allégations (cf. VON BÜREN, Kommentar zum Wettbewerbgesetz, p. 72).
On doit ainsi considérer que le prix de fabrique est celui que le fabricant facturerait à un revendeur (grossiste ou détaillant). Si le fabricant vend directement au consommateur, il ne peut prétendre le faire au prix de fabrique s'il y inclut une majoration correspondant à ses propres frais de vente au détail (magasins, loyers, personnel de vente, etc.), car il s'agirait alors d'un véritable prix de vente au détail. Par vente au prix de fabrique, le consommateur moyen comprend que le fabricant lui offre la marchandise au prix qu'il demande à ses revendeurs. Le prix ne peut donc dépasser le prix d'achat d'un revendeur. Un tel prix ne doit pas comprendre davantage que les frais de fabrication, y compris le bénéfice de celui qui fabrique effectivement le produit et les frais de publicité et de distribution aux seuls revendeurs. Il ne peut comprendre aucun des frais inhérents à la vente directe au consommateur et dépassant ceux qui résultent de la seule vente à des revendeurs. Ce qui importe, c'est le prix effectif que le fabricant demanderait à des revendeurs, et non pas les prix comparables que pourraient demander ou demanderaient des concurrents. Celui qui ne fabrique pas lui-même le produit offert ne peut prétendre le vendre au prix de fabrique que s'il renonce à tout bénéfice et à la couverture de ses frais de vente au consommateur (cf. BAUMBACH-HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 11e éd., I, n. 300, 301 et 303 ad par. 3 DUWG; REIMER, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, III, Deutschland, p. 429, n. 625; ROSENTHAL, Gesetz gegen den UW, p. 285, n. 86 ad par. 3; et arrêts divers publiés in Wettbewerb in Recht und Praxis: 1957, p. 112; 1972, p. 260/261; 1974, p. 114).
Il incombera donc in casu à l'autorité cantonale de déterminer le processus et les étapes de la fabrication puis de la vente des moquettes en cause et d'analyser les facteurs de composition du prix. Pourront être inclus dans la composition du prix de fabrique le coût des matières premières, de leur préparation,
BGE 106 IV 218 S. 226
le bénéfice du fournisseur ou préparateur de la matière première, les frais de fabrication et de finition des moquettes, le bénéfice du fabricant effectif s'il s'agit d'un tiers autre que P. S.A. ou sa filiale X. S.A., ou si P. S.A. ou sa filiale procèdent elles-mêmes à ce travail, le bénéfice normal et usuel en cas de vente à des grossistes ou détaillants, les frais de publicité et de distribution aux seuls grossistes ou vendeurs au détail. Seront exclus de la composition du prix de fabrique toute part de bénéfice supérieure due à la vente au consommateur, ainsi que tous les frais de vente, d'entreposage, d'exposition ou de distribution liés à la vente au détail. S'il apparaît alors que le prix auquel la moquette est vendue au consommateur correspond au prix de fabrique de ladite moquette, calculé selon les principes susmentionnés, l'intimé devra être libéré; en revanche, si tel n'est pas le cas, il devra être condamné en application de l'
art. 13 lettre b LCD
.
5.
On constate qu'ensuite de l'annulation de l'arrêt attaqué, et en dépit du fait qu'il s'agit d'une annulation prononcée en application de l'
art. 277 PPF
, les recourantes obtiennent gain de cause pour l'essentiel, en l'état actuel de la cause. En raison cependant de l'irrecevabilité ou du rejet de deux moyens, une petite partie des frais doit être mise à la charge des recourantes, et les dépens qui leur sont alloués seront réduits. | null | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4ef120ba-546f-4bbd-a977-6ceba432fb70 | Urteilskopf
111 II 245
51. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Juni 1985 i.S. X. AG gegen A. und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Berufung, Endentscheid.
Art. 48 Abs. 1 OG
.
Zulässigkeit der Berufung gegen ein in Gutheissung eines ausserordentlichen Rechtsmittels gefälltes neues Sachurteil (E. 1).
Arbeitsvertrag, Streikrecht. Fristlose Entlassung infolge Streiks (
Art. 337 OR
).
1. Wieweit ist das Streikrecht verfassungsrechtlich gewährleistet? Frage offengelassen (E. 4a).
2. Dritt- oder Horizontalwirkung der Grundrechte. Im Rahmen grundrechtskonformer Auslegung des
Art. 337 OR
muss sich der Zivilrichter mit den Auswirkungen eines allfälligen verfassungsrechtlich garantierten Streikrechts auf das Arbeitsvertragsrecht auseinandersetzen und gegebenenfalls prüfen, ob ein rechtmässiger Streik den Arbeitsvertrag verletzt (E. 4b).
3. Frage offengelassen, ob ein rechtmässiger Streik den Arbeitsvertrag verletzt, da im konkreten Fall ein unverhältnismässiger und deshalb nicht rechtmässiger Streik vorliegt (E. 4c u. 5). | Sachverhalt
ab Seite 246
BGE 111 II 245 S. 246
A.-
Die Firma X. AG, Zürich, trat 1978 an die Stelle der früheren Einzelfirma gleichen Namens. Sie besass Filialen in der ganzen Schweiz und ein Zentrallager in R., wo sie etwa 30 ihrer insgesamt 270 Arbeitnehmer beschäftigte. Am 26. Mai 1978 schloss noch die Einzelfirma mit dem Christlichen Metallarbeiter-Verband (CMV) vor dem Einigungsamt des Kantons Zürich einen Vergleich, in dem sie sich verpflichtete, Belegschafts- und Gewerkschaftsvertreter in regelmässigen, mindestens halbjährlichen Abständen über die Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Unternehmung zu orientieren. Ausserdem versprach sie, wenn die Belegschaft oder die Gewerkschaft ihrerseits eine solche generelle Orientierung mit plausiblen Gründen verlange,
BGE 111 II 245 S. 247
werde die Geschäftsleitung diese ausserordentlicherweise ansetzen. Sodann erklärten sich die Parteien bereit, Verhandlungen über die Schaffung einer Betriebskommission und den Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrags für die Gesamtunternehmung aufzunehmen, wobei der Gesamtarbeitsvertrag erst nach der für den Herbst 1978 vorgesehenen Gründung der Aktiengesellschaft abgeschlossen werden solle. Geordneten Geschäftsgang vorausgesetzt, verpflichtete sich die Firma schliesslich, spätestens im Dezember 1978 über einen Teuerungsausgleich zu verhandeln mit dem Ziel, auf den 1. Januar 1979 die Saläre zu erhöhen. Dabei sollten die Monatslöhne bis Fr. 2'500.-- um mindestens Fr. 150.-- und die Monatslöhne bis Fr. 2'700.-- um mindestens Fr. 100.-- erhöht werden.
Im Verlaufe des Jahres 1978 kam es zu verschiedenen Besprechungen des geschäftsführenden Direktors der Firma mit Vertretern der inzwischen gebildeten Betriebskommission und des CMV. Ab Dezember 1978 wurden diese Verhandlungen von Rechtsanwalt Y., dem Verwaltungsratspräsidenten der neugebildeten Aktiengesellschaft, geführt. Am 20. Dezember 1978 fand eine solche Besprechung mit Vertretern von Gewerkschaft und Betriebskommission statt. Y. sprach von finanziellen Schwierigkeiten der Firma, von einer Reduktion des Personalbestandes und von einer Umstrukturierung des Zentrallagers. Er legte auch dar, dass und weshalb die Firma unmöglich auf einen Gesamtarbeitsvertrag eintreten könne; sie werde sich jedoch um Gewährung eines Teuerungsausgleiches bemühen. Im Januar 1979 kam es zu einem brieflichen Vorstoss des CMV hinsichtlich Mindestlöhnen und Gesamtarbeitsvertrag sowie zu einer Versammlung der Belegschaft des Zentrallagers, an welcher ein Direktor der Firma beschwichtigende Erklärungen abgab. Mit Brief vom 26. Januar 1979 beanstandete Y. die Durchführung dieser Betriebsversammlung ohne Bewilligung und erklärte weitere Verhandlungen für zwecklos, weil die Firma ausserordentliche Massnahmen ergreifen müsse. Am 31. Januar 1979 bekamen der Präsident der Betriebskommission sowie ein Monteur die Kündigung. Darauf erliess der CMV ein Pressekommuniqué; darin war von 35 Entlassungen für das Gesamtunternehmen die Rede und wurde festgehalten, dass sich die Firma über ihre Pflicht zur Information und zu Gesamtarbeitsvertrags-Verhandlungen hinwegsetze. Nach weiteren Korrespondenzen schrieb der CMV am 8. Mai 1979, man habe erfahren, dass die Schliessung des Zentrallagers angeordnet und 46 Kündigungen ausgesprochen worden seien, ohne mit der Gewerkschaft Fühlung
BGE 111 II 245 S. 248
zu nehmen. Y. wollte in seiner Antwort vom 14. Mai wissen, wer derartige Behauptungen aufstelle und welche Gewerkschaftsmitglieder betroffen seien. Darauf stellte der CMV am 15. Mai 1979 beim kantonalen Einigungsamt ein Vermittlungsgesuch, weil die Firma alle Gespräche über die Durchführung von Entlassungen ablehne. Die Verhandlung wurde auf den 30. Mai festgesetzt, auf Wunsch von Y. dann aber auf den 8. Juni 1979 verschoben.
Am Abend des 29. Mai 1979 beschlossen die Arbeitnehmer des Zentrallagers, ab nächsten Morgen in einen befristeten Ausstand zu treten, was der CMV am 30. Mai dem Einigungsamt mitteilte. Am 31. Mai forderte die Firma die Streikenden unter Androhung der fristlosen Entlassung brieflich auf, die Arbeit am 5. Juni, 7 Uhr, wieder aufzunehmen. Am nämlichen 5. Juni fand eine Sühneverhandlung vor Einigungsamt statt, die erfolglos verlief. Gleichentags 16 Uhr beschlossen die Streikenden, die Arbeit am 6. Juni wieder aufzunehmen. Mit Brief vom 5. Juni hatte die Firma aber bereits die fristlose Entlassung ausgesprochen. Eine weitere Verhandlung mit dem Einigungsamt blieb am 8. Juni ebenfalls erfolglos, indem zwar die Arbeitnehmer, nicht aber die Firma einem Vergleichsvorschlag zustimmten.
B.-
Im Juni 1979 klagten zehn Arbeitnehmer gegen die Firma auf Bezahlung von Beträgen zwischen Fr. 1'022.-- und Fr. 17'245.--. Die Beklagte bestritt die Ansprüche und forderte von allen Klägern mit Widerklage eine Entschädigung von je Fr. 2'000.-- zuzüglich ein Viertel eines Monatslohns; ausserdem verlangte sie einzelne ausbezahlte Beträge zurück.
Das Arbeitsgericht des Bezirks Zürich erklärte am 18. Dezember 1981 die fristlosen Entlassungen der Kläger wegen ihres Streiks für berechtigt. Auf Berufung beider Parteien bejahte demgegenüber das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 8. Dezember 1983 das Streikrecht und erklärte deshalb die fristlosen Entlassungen für unbegründet.
Auf kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten hob das Kassationsgericht des Kantons Zürich das obergerichtliche Urteil am 20. September 1984 für drei Kläger auf, berücksichtigte einen Verrechnungsabzug von je Fr. 125.90 und ersetzte das Urteil insoweit durch seinen eigenen Entscheid.
C.-
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts und gegen den Entscheid des Kassationsgerichts Berufung erhoben, im wesentlichen mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheide aufzuheben und das Urteil des Arbeitsgerichts zu bestätigen.
BGE 111 II 245 S. 249
D.-
Das Bundesgericht erachtet die fristlosen Entlassungen grundsätzlich für begründet und heisst in diesem Sinn die beiden Berufungen gut.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Kassationsgericht hat das Urteil des Obergerichts mit Bezug auf die Kläger 2-4 aufgehoben und durch sein eigenes Urteil ersetzt. Die Änderung liegt freilich nur in der Berücksichtigung eines Verrechnungsabzugs von je Fr. 125.90. Gleichwohl liegt im Entscheid des Kassationsgerichts nunmehr der nach
Art. 48 Abs. 1 OG
berufungsfähige Endentscheid (
BGE 93 II 284
E. 1 in Verbindung mit
§ 291 ZPO
/ZH). Die Beklagte hat daher zu Recht auch diesen Entscheid mit Berufung angefochten. Hinsichtlich dieser drei Kläger wird damit zugleich die erste Berufung gegenstandslos.
Die Berufungen richten sich zwar gegen verschiedene Vorinstanzen, betreffen aber den nämlichen Sachverhalt und sind auf weite Strecke identisch; es rechtfertigt sich daher, sie gemeinsam zu beurteilen.
Die erste Berufung richtet sich zu Unrecht auch gegen den Kläger 5, der schon seine kantonale Berufung zurückgezogen hat und daher, abgesehen von der Kostenfolge, vom angefochtenen Urteil nicht mehr berührt wird. Insoweit ist auf die erste Berufung nicht einzutreten.
Beide Berufungen erfüllen hinsichtlich des Streitwertes die gesetzlichen Anforderungen (
Art. 46 OG
). Bezüglich der sechs Kläger, die von der ersten Berufung betroffen sind, waren am Schluss des obergerichtlichen Verfahrens insgesamt rund Fr. 34'000.-- im Streit, bezüglich der drei Kläger gemäss der zweiten Berufung insgesamt rund Fr. 14'000.-- (
Art. 47 Abs. 1 OG
;
BGE 104 II 126
E. 1,
BGE 103 II 43
E. 1).
3.
Das Obergericht hat die fristlose Entlassung der Kläger für ungerechtfertigt erklärt, weil der Streik rechtmässig gewesen sei. Das Arbeitsgericht hingegen hat die Berufung der Kläger auf das Streikrecht zurückgewiesen und die fristlose Entlassung geschützt. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen der Beklagten.
Als wichtiger Grund, der eine fristlose Entlassung rechtfertigt, gilt namentlich jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (
Art. 337 Abs. 2 OR
). Die Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls
BGE 111 II 245 S. 250
ab, insbesondere von der Stellung und Verantwortung des Arbeitnehmers, der Natur und Dauer des Vertragsverhältnisses sowie von der Art und Schwere der Vorwürfe. Dabei kann eine schwere Pflichtverletzung die fristlose Entlassung ohne Vorwarnung rechtfertigen, während weniger schwere Verstösse nur bei Beharrlichkeit oder erfolgloser Verwarnung genügen (
BGE 108 II 446
mit Hinweisen).
Die Arbeitsverweigerung oder unbegründete Abwesenheit während mehrerer Tage, die gegen eine klare Aufforderung des Arbeitgebers verstösst, ist ein typischer Entlassungsgrund im Sinn dieser Bestimmung (
BGE 108 II 303
mit Hinweisen). Der Streik wurde am 29. Mai 1979 beschlossen, dauerte vom 30. Mai 1979 bis und mit 5. Juni 1979 und umfasste ohne den Pfingstmontag vier Arbeitstage. Die Beklagte forderte die Kläger am 30. Mai 1979 mündlich und sodann am folgenden Tag schriftlich unter Androhung der Entlassung auf, die Arbeit bis spätestens Dienstag, den 5. Juni 1979, wieder aufzunehmen. Dass die Kläger dem nicht Folge leisteten, erlaubte an sich nach dieser Rechtsprechung ihre Entlassung.
Es fragt sich daher einzig, ob auch ein Streik unter dem Gesichtspunkt des
Art. 337 OR
als eine zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führende Arbeitsverweigerung zu betrachten ist.
4.
Nach der älteren Lehre und Rechtsprechung galt jeder Streik ohne vorherige Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer als Verletzung der Arbeitspflicht und damit als Vertragsbruch, welcher den Arbeitgeber zur fristlosen Entlassung berechtigte (vgl. insbesondere
BGE 45 II 557
E. 1 sowie die Übersicht über weitere Entscheide bei THILO, De l'influence de la grève sur le contrat de travail, JdT 1922, S. 514 ff.; zur Doktrin siehe die Hinweise bei VISCHER, Streik und Aussperrung in der Schweiz, Wirtschaft und Recht 1981, Heft 2, S. 16, N. 26). Diese Auffassung geht von einer strengen Trennung zwischen Arbeitskampf und Arbeitsvertrag aus und wird deshalb in der neueren Lehre kritisiert (vgl. die Hinweise bei VISCHER, a.a.O., N. 27 und in der Botschaft zur Europäischen Sozialcharta, BBl 1983 II, S. 1287). Die neuere Lehre beruft sich darauf, dass die Arbeitskampffreiheit zur schweizerischen Wirtschaftsordnung gehöre und auch verfassungsrechtlich - als Ausfluss der Koalitionsfreiheit (
Art. 56 BV
,
Art. 11 EMRK
) oder als notwendige Voraussetzung der Bundeskompetenzen gemäss
Art. 34ter Abs. 1 lit. b und c BV
- verankert sei, und fordert, dass dem bei der Auslegung des Arbeitsvertragsrechts
BGE 111 II 245 S. 251
Rechnung getragen werde. Das wirft nicht nur die Frage auf, wieweit ein Streikrecht verfassungsrechtlich geschützt sei (nachstehend lit. a, sondern ebenfalls die weitere Frage, ob ein solches Recht eine Horizontal- oder Drittwirkung auf das Arbeitsvertragsrecht entfalten könne (nachstehend lit. b).
a) Das schweizerische Recht enthält keine ausdrückliche Anerkennung des Streikrechts. Der gesamtarbeitsvertraglich verankerte und durch die absolute Friedenpflicht gesicherte soziale Frieden bestimmt in weitestem Mass die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Auf dieser Grundlage gedieh auch die Streiterledigung, und der weitgehend herrschende Arbeitsfriede hat bisher kein dringendes Bedürfnis nach einer rechtlichen Erfassung des Streiks geschaffen (Botschaft betreffend die Europäische Sozialcharta, BBl 1983 II, S. 1284 f.; GYGI, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 190; ZANETTI, Gesamtarbeitsvertrag und Friedenspflicht, Wirtschaft und Recht 1981, Heft 2, S. 30 ff.).
Art. 11 EMRK
, der die Koalitionsfreiheit ausdrücklich erwähnt, verlangt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nur, dass die nationale Gesetzgebung den Gewerkschaften erlaube, zum Schutz der Interessen ihrer Mitglieder zu kämpfen, gewährleistet aber nicht bestimmte Formen der kollektiven Interessenwahrnehmung (Urteil vom 27. Oktober 1975 i.S. Syndicat national de la police belge, Serie A Nr. 19, S. 18, § 39; Urteil vom 13. August 1981 i.S. Young, James und Webster, Serie A, Nr. 44, S. 21 f., § 52). Ob das von der Schweiz ratifizierte, am 25. März 1976 in Kraft getretene IAO-Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts von 1948 (SR 0.822.719.7; AS 1976, 689) auch das Streikrecht gewährleistet, ist unklar (VISCHER, N. 59 Vorbemerkungen zu
Art. 356-360 OR
; vgl. dazu auch Conférence internationale du Travail, 69e session 1983, Rapport III, Liberté syndicale et négociation collective, Etude d'ensemble, S. 64, §§ 204 f.; S. 70 f., §§ 222 f. mit den Bedenken der Kommission gegenüber einem generellen Streikverbot). Nach dem Entwurf für eine Totalrevision der Bundesverfassung soll sowohl den Arbeitnehmern wie den Arbeitgebern das Recht zu kollektiven Kampfmassnahmen "im Zusammenhang mit Arbeitsbeziehungen" gewährleistet werden (Art. 28 Abs. 3 des Verfassungsentwurfs), womit einerseits klargestellt werden soll, dass Streik und Aussperrung verfassungsrechtlich garantiert seien, anderseits aber auch, dass diese Garantie namentlich politische Streiks oder Aussperrungen nicht einschliesse
BGE 111 II 245 S. 252
(Bericht der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, S. 67). Eine ausdrückliche Garantie des Streikrechts sieht schliesslich die Europäische Sozialcharta vor, deren Ratifikation gegenwärtig in den eidgenössischen Räten zur Debatte steht und vom Bundesrat vorgeschlagen wird (Botschaft, BBl 1983 II, S. 1269 ff.). Nach Art. 6 Ziff. 4 der Sozialcharta anerkennen die Vertragsstaaten "das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Massnahmen einschliesslich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten, vorbehältlich etwaiger Verpflichtungen aus geltenden Gesamtarbeitsverträgen". Der Bundesrat empfiehlt, diese Bestimmung als bindend anzuerkennen, unter dem Vorbehalt einer auslegenden Erklärung zum Beamtenstreik (Botschaft, BBl 1983 II, S. 1279 ff.).
In der Literatur steht für die rechtliche Begründung einer Arbeitskampffreiheit schon historisch die Vereinsfreiheit des
Art. 56 BV
im Vordergrund, aus welcher die Koalitionsfreiheit abgeleitet wird. Diese legitimiert nach verschiedenen Autoren die Tätigkeit der Koalitionen und damit auch den Arbeitskampf (vgl. aus der älteren Literatur: BERENSTEIN, Le droit de grève dans la législation suisse, Wirtschaft und Recht 1951, S. 35; LAISSUE, La grève et ses effets sur le contrat de travail, S. 2; aus der neueren Literatur: REHBINDER, Die Koalitionsfreiheit als öffentlich-rechtliches Freiheitsrecht, in: Gegenwartsprobleme der Koalitionsfreiheit, Schriften zum Schweizerischen Arbeitsrecht, Heft 7, S. 23 f.; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 7. Auflage, S. 167; BERENSTEIN, Schweizer Beitrag zur International Encyclopaedia for Labour Law and Industrial Relations 1984, N. 597). Eine tragfähigere Grundlage sehen mehrere Autoren in dem mit den Wirtschaftsartikeln von 1947 eingeführten
Art. 34ter BV
, der mit der Verankerung des kollektiven Arbeitsrechts und namentlich der Gesamtarbeitsverträge die Zulässigkeit von Arbeitskämpfen voraussetze (BERENSTEIN, Wirtschaft und Recht 1951, a.a.O., S. 44; TSCHUDI, Die Sicherung des Arbeitsfriedens durch das schweizerische Recht (1952), in: Gesammelte Schriften, Festgabe zum 70. Geburtstag des Verfassers, 1983, S. 237; GYGI, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 179 f. und 183; VISCHER, Zum Gesamtarbeitsvertrag in der schweizerischen Wirtschaftsordnung, in: Festschrift für Meier-Hayoz 1982, S. 415). Allgemein wird anerkannt, dass die Arbeitskampffreiheit Teil der freiheitlichen schweizerischen Wirtschaftsordnung sei; diese schliesse eine staatliche Zwangsschlichtung von kollektiven Arbeitskonflikten aus und müsse daher den Arbeitskampf
BGE 111 II 245 S. 253
als äusserstes Mittel zur Herbeiführung des Arbeitsfriedens zulassen, wenn Patt-Situationen in Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag nicht anders überwunden werden könnten (SCHLUEP, Überbordungsgefahren von Arbeitskonflikten in unserer Zeit, S. 17; REHBINDER, Die Koalitionsfreiheit, a.a.O., S. 23 f.; BOIS, Conflits collectifs de travail et condition du salarié, in: XVIIIe Journée juridique, Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, S. 83 ff.; VISCHER, Der wilde Streik, Wirtschaft und Recht 1981, Heft 2, S. 21; VISCHER, N. 9 ff. Vorbemerkungen zu
Art. 356-360 OR
und N. 25, 27 zu
Art. 357a OR
; TSCHUDI, Neue Probleme im schweizerischen Arbeitsrecht, SJZ 78/1982, S. 94 f.; BRÜHWILER, Kritische Betrachtung der neueren Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, SJZ 79/1983, S. 285).
Auch wenn danach offen ist, wieweit der Einsatz von Streik und Aussperrung in der Schweiz verfassungsrechtlichen Schutz geniesst, ist immerhin klar, dass die Formulierung des Arbeitsgerichts, im schweizerischen Arbeitsrecht habe das Streikrecht, ja das Recht auf kollektive Arbeitskampfmassnahmen, noch keinen Eingang gefunden, offensichtlich zu absolut und zu summarisch ausgefallen ist (vgl. dazu auch die Kritik von BRÜHWILER, SJZ 79/1983, a.a.O., S. 284 f., ferner REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 7. Auflage, S. 167). Umgekehrt kann aber auch als anerkannt gelten, dass das Streikrecht jedenfalls in dem Sinne dem ultima-ratio-Prinzip unterliegt, als der Arbeitskampf nur als äusserstes Mittel zur Herbeiführung des Arbeitsfriedens in Frage kommt. Eine weitergehende Auseinandersetzung über die verfassungsrechtliche Anerkennung des Streikrechts erübrigt sich damit im vorliegenden Fall.
b) Nach der Lehre von der Dritt- und Horizontalwirkung der Grundrechte erstreckt sich die Wirkung der Grundrechte auch auf die Beziehungen unter Privatpersonen. Diese Betrachtungsweise beruht einerseits auf der Einsicht, dass dem Schwachen Gefährdungen seiner Grundrechte nicht nur durch staatliche Übergriffe, sondern auch durch soziale und gesellschaftliche Macht erwachsen; anderseits ist sie Ausdruck eines gewandelten Grundrechtsverständnisses, wonach die Grundrechte elementare Ordnungsprinzipien für die gesamte Rechtsordnung darstellen und daher normierend auch in das Privatrecht eingreifen
BGE 111 II 245 S. 254
(J.P. MÜLLER, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, S. 80; J.P. MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung und der Persönlichkeitsschutz des Privatrechts, Diss. Bern 1964, S. 23 ff., 161 ff.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, S. 307 ff.; SALADIN, Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern als Gegenstand des Verfassungsrechts, in: Familienrecht im Wandel, Festschrift für Hans Hinderling 1976, S. 201 ff.; G. MÜLLER, Die Drittwirkung der Grundrechte, ZBl 79/1978, S. 235 f.; MORAND, Les droits fondamentaux en Suisse, in: Recueil des travaux suisses présentés au IXe Congrès international de droit comparé 1976, S. 212 f.; siehe auch Bericht der Expertenkommission für die Vorbereitung einer Totalrevision der Bundesverfassung, S. 55 zu Art. 25 des Verfassungsentwurfs). Drittwirkung bedeutet danach aber nicht ausnahmslose, gleichmässige Anwendung der Grundrechte im Privatrecht. Weder sind alle Grundrechte gleichermassen geeignet, die Regelungen der Privaten unter sich zu gestalten, noch bedürfen alle privatrechtlichen Verhältnisse gleichermassen der Ausrichtung auf die Grundrechte; bei letzteren ist insbesondere nach der sozialen Machtintensität zu differenzieren (J.P. MÜLLER, Elemente, a.a.O., S. 85; J.P. MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung, a.a.O., S. 167; G. MÜLLER, a.a.O., S. 240 f.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, S. 318 f.; in diese Richtung weist auch Art. 25 des Verfassungsentwurfs für eine Totalrevision der Bundesverfassung, Bericht der Expertenkommission, a.a.O., S. 55). Allgemein wird sodann hervorgehoben, dass es in erster Linie dem Gesetzgeber aufgetragen ist, die privatrechtlichen Beziehungen im Sinn der Grundrechte auszugestalten (J.P. MÜLLER, Elemente, a.a.O., S. 86; J.P. MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung, a.a.O., S. 177; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, S. 318 f.). Über die Art und Weise, wie sich die Grundrechte darüber hinaus im einzelnen auf die privatrechtlichen Verhältnisse auswirken, gehen die Lehrmeinungen auseinander. In Anlehnung an die deutsche Lehre wird insbesondere zwischen direkter und indirekter Drittwirkung unterschieden. Nach den Vertretern der direkten Drittwirkung binden die Grundrechte den Privatrechtsverkehr unmittelbar, während sie nach den Verfechtern der indirekten Drittwirkung nur mittelbar, über Generalklauseln, unbestimmte Rechtsbegriffe und andere Formen offener Normierung auf das Privatrecht ausstrahlen (J.P. MÜLLER, Elemente, a.a.O., S. 84; G. MÜLLER, a.a.O., S. 241 f., je mit einlässlichen Hinweisen). Eine vermittelnde Auffassung geht sodann von der indirekten Drittwirkung aus, will aber dort, wo sich die mittelbare Ausstrahlung der Grundrechte ins Privatrecht als unzulänglich erweist, den direkten Rückgriff auf die Grundrechte zulassen (G. MÜLLER, a.a.O., S. 242 oben mit Hinweisen).
BGE 111 II 245 S. 255
Dabei wird nicht verkannt, dass sowohl die unmittelbare wie die mittelbare Anwendung von Grundrechten auf privatrechtliche Verhältnisse den Richter unter Umständen vor schwierige Probleme stellt: Er muss nicht nur grundrechtlich verbürgte Positionen Privater gegenseitig abgrenzen, sondern zugleich dem Wesen der Privatautonomie Rechnung tragen. Als Besonderheit kommt hinzu, dass das Bedürfnis nach einer möglichst umfassenden, dichten und bestimmten Regelung auf Gesetzesebene im Privatrecht meistens grösser ist als in anderen Rechtsgebieten, weil das Privatrecht die Gestaltung von Rechtsbeziehungen und die richterliche Problemlösung im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich mit Hilfe hinreichend klarer, detaillierter und bestimmter Regelungen ermöglichen soll. Das hat zum Teil in der Lehre die Auffassung bestärkt, es sei grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers und nicht des Richters, diese komplexe Abwägung vorzunehmen (dazu besonders G. MÜLLER, a.a.O., S. 243). Aber selbst nach dieser Auffassung bleibt dem Zivilrichter unbestritten die Aufgabe, zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Gesetzesbegriffe grundrechtskonform auszulegen (G. MÜLLER, a.a.O., S. 243 f.; vgl. dazu auch J.P. MÜLLER, Elemente, a.a.O., S. 85 f.; J.P. MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung, a.a.O., S. 177 f.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, S. 318 f.).
Eine abschliessende Stellungnahme zu diesen umstrittenen Modalitäten der Drittwirkung ist hier nicht nötig. In der schweizerischen Lehre wird heute überwiegend eine Horizontalwirkung der Grundrechte bejaht; zumindest die indirekte Drittwirkung im Sinn des Gebots grundrechtskonformer Auslegung privatrechtlicher Normen ist beinahe durchwegs anerkannt (J.P. MÜLLER, Elemente, a.a.O., S. 81; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Supplément 1967-1982, S. 210 f., Nos 1743-1745; G. MÜLLER, a.a.O., S. 233 ff.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, 3. Auflage, S. 307 ff.; SALADIN, a.a.O., in: Festschrift für Hinderling, S. 201 f.; MORAND, a.a.O., S. 212 f.; aus der früheren Literatur vgl. insbesondere: H. HUBER, Die Bedeutung der Grundrechte für die sozialen Beziehungen unter den Rechtsgenossen, ZSR 1955 I, S. 173 ff.; H. HUBER, Der Schutz der Staatsbürgerrechte des Arbeitnehmers, ZSR 1963 I, S. 131 ff.; GROSSEN, La protection de la personnalité en droit privé, ZSR 79/1960 II, S. 15a ff.; J.P. MÜLLER, Die Grundrechte der Verfassung, a.a.O., S. 160 ff.; generell ablehnend demgegenüber WESPI, Die Drittwirkung der Freiheitsrechte, Diss. Zürich 1968, besonders S. 42 ff., 53 ff., 84 ff., 91 ff.). Auch das Bundesgericht
BGE 111 II 245 S. 256
hat in seiner Rechtsprechung verschiedentlich anerkannt, dass den Grundrechten unter Umständen Wirkung zwischen Privaten zukommt. Bereits in einem frühen Entscheid hat es der Religionsfreiheit Horizontalwirkung auf das Verhältnis zwischen Ehegatten zuerkannt (BGE 4, 435 E. 2). In der vielbesprochenen Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Boykotts vor Erlass des Kartellgesetzes führte es aus, die schweizerische Wirtschaft beruhe auf freiem Wettbewerb, der auch durch private Abmachungen nicht ausgeschaltet werden dürfe (
BGE 82 II 302
,
BGE 85 II 496
f.,
BGE 86 II 376
). Im bekannten Fall Seelig (
BGE 80 II 41
f. E. 6) nahm das Bundesgericht bei der Prüfung der Frage, ob der Eigentümer eines Kinos einem nicht wohlgesinnten Filmkritiker den Besuch einer Filmvorführung untersagen dürfe, auf die Grundsätze Bezug, die in Auslegung der Verfassungsbestimmung über die Pressefreiheit entwickelt worden waren. Die allgemeine Frage, ob die Grundrechte den Bürger nicht bloss gegenüber dem Staat schützen, sondern auch im Verhältnis unter Privaten Beachtung verdienen, hat es in
BGE 91 II 408
E. 3f noch offengelassen, in
BGE 101 IV 172
E. 5 dann aber bejaht, als es zu prüfen hatte, ob das Verhindern eines durch die Universität Bern veranstalteten Vortrags des damaligen Ausbildungschefs der Armee durch organisiertes Brüllen der Studenten eine rechtswidrige Nötigung darstelle. In diesem Entscheid hat das Bundesgericht auch grundsätzlich die Wirkung der Meinungsfreiheit unter Privaten anerkannt (
BGE 101 IV 172
E. 5). Ebenso hat es sich in
BGE 107 Ia 280
f. E. 3 ausdrücklich zur indirekten Drittwirkung der Pressefreiheit bekannt, wobei es dem Stellenwert der Pressefreiheit bei der Konkretisierung des Persönlichkeitsschutzes gemäss Art. 27/28 ZGB seit langem in konstanter Rechtsprechung Rechnung trägt (
BGE 111 II 213
E. 3c;
BGE 107 Ia 280
E. 3a;
BGE 71 II 192
f.). In der Lehre wird schliesslich hervorgehoben, einzelne Urteile liefen im Ergebnis auf eine Drittwirkung von Grundrechten hinaus, ohne dass das in der Begründung angedeutet werde, wie etwa in
BGE 102 II 211
ff., worin die Nichtigkeit von Abreden über den Transfer von Fussballspielern unter anderem damit begründet worden ist, es handle sich dabei um einen unzulässigen Boykott (AUBERT, Supplément 1967-1982, a.a.O., S. 202 oben; G. MÜLLER, a.a.O., S. 239 f.).
In diesen Zusammenhang ist die Forderung der neueren arbeitsrechtlichen Lehre zu stellen, das Arbeitsverhältnis werde durch rechtmässigen Streik oder rechtmässige Aussperrung nicht aufgelöst, sondern lediglich in seinen Hauptpflichten (Arbeits- und Lohnzahlungspflicht)
BGE 111 II 245 S. 257
für die Dauer des Arbeitskampfs suspendiert (Botschaft betreffend die Europäische Sozialcharta, BBl 1983 II, S. 1287 f.; VISCHER, Streik und Aussperrung in der Schweiz, a.a.O., S. 17; ausführlich und mit weiteren Hinweisen: G. AUBERT, L'obligation de paix du travail, Diss. Genf 1981, S. 243 ff.; HOHN, Streikrecht und Aussperrungsrecht, Diss. Bern 1978, S. 39 ff.; FLÜHMANN, Die Auswirkung von Arbeitskämpfen im Arbeitsvertragsrecht, Diss. Zürich 1976, S. 61 ff.). Eine gesetzliche Regelung dieser Streitfrage ist bisher nicht erfolgt und auch bei der Revision des Arbeitsvertragsrechts von 1971, wo verwandte Fragen wie der Schutz der negativen Koalitionsfreiheit (
Art. 356a OR
) oder ein Kündigungsschutz wegen Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft (BBl 1967 II, S. 385; vgl. auch BBl 1984 II, S. 558) ausgiebig zur Sprache kamen, nicht vorgesehen worden. In der Botschaft zur Europäischen Sozialcharta weist der Bundesrat darauf hin, angesichts der Uneinigkeit der Doktrin könne die Frage nach den Wirkungen des Arbeitskampfs auf das Arbeitsverhältnis gemäss schweizerischem Recht nicht klar beantwortet werden; er selber hält dafür, nur die Theorie, wonach der Arbeitskampf zu einer Suspendierung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten führt, sei mit der Sozialcharta vereinbar (Botschaft, a.a.O., S. 1288). Die Frage einer allfälligen Suspendierung der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten ist in der Beratung des Ständerats, der in der Frühjahressession 1984 die Ratifikation der Charta abgelehnt hat, ebenfalls kontrovers geblieben (Amtl. Bull. Ständerat 1984, S. 28 ff.).
Dass diese Streitfrage vom Gesetzgeber nicht geregelt ist, ändert nichts daran, dass sich der Richter bei der Anwendung des
Art. 337 OR
mit den Auswirkungen eines allfälligen verfassungsrechtlich garantierten Streikrechts (oben lit. a auseinandersetzen muss. Die genannte Bestimmung über die fristlose Entlassung aus wichtigen Gründen ist eine typische offene Norm, die nach dem Gesagten grundrechtskonformer Auslegung zugänglich ist. In diesem Rahmen hat der Richter gegebenenfalls zu prüfen, ob ein rechtmässiger Streik den Arbeitsvertrag verletze.
c) Ob ein rechtmässiger Streik den Arbeitsvertrag verletzt, braucht jedoch nicht entschieden zu werden, wenn der Streik der Kläger nicht als rechtmässig erscheint. Das Obergericht nennt aufgrund der neueren Literatur vier Voraussetzungen, die alle erfüllt sein müssen, damit ein Streik rechtmässig ist: er müsse von einer tariffähigen Organisation getragen werden, müsse durch Gesamtarbeitsvertrag
BGE 111 II 245 S. 258
regelbare Ziele verfolgen, dürfe nicht gegen die Friedenspflicht verstossen und dürfe nicht unverhältnismässig sein (REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 7. Auflage, S. 168 ff; VISCHER, Streik und Aussperrung, a.a.O., S. 9 ff.; BRÜHWILER, Der Streik im schweizerischen Arbeitsrecht, Wirtschaft und Recht 1982, S. 273 ff. mit weiteren Hinweisen). Dabei steht das letztgenannte Erfordernis der Verhältnismässigkeit insofern im Vordergrund, als die Lehre den Arbeitskampf als äusserstes Mittel zur Herbeiführung des Arbeitsfriedens betrachtet, falls eine Patt-Situation in Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag nicht anders überwunden werden kann; in diesem Sinn wird von den meisten Autoren der Streik als letztes Mittel (ultima ratio) verstanden (VISCHER, Streik und Aussperrung, a.a.O., S. 15 u. 19; VISCHER, N. 27 zu
Art. 357a OR
; TSCHUDI, Neue Probleme im schweizerischen Arbeitsrecht, SJZ 78/1982, S. 95; BRÜHWILER, a.a.O., S. 279).
5.
Das Obergericht hat den Streik der Kläger als verhältnismässig betrachtet, weil er nur die halbe Belegschaft des Zentrallagers erfasst und daher die Beklagte nicht ins Mark ihrer Existenz getroffen habe. Er sei auch nach dem Vorangegangenen nicht unverhältnismässig gewesen, nämlich nach der unbeugsamen Haltung von Y., der Entlassung des Exponenten der Betriebskommission und von sechs weiteren Arbeitern, der brüsken Gesprächsablehnung durch Direktor Z. am 30. Mai 1979 und der Verschiebung der Einigungsverhandlung auf den 8. Juni 1979. Dass mit der Beklagten auf dem Verhandlungsweg nichts zu erreichen gewesen sei, habe sich dann auch im Verfahren vor dem Einigungsamt gezeigt.
Die Beklagte hält dagegen das Gebot der Verhältnismässigkeit klar für verletzt, weil die Kläger kurz nach Anrufung des Einigungsamtes in den Streik getreten seien, ohne die Verhandlung abzuwarten und ohne zusätzlich auftretende Umstände. Eine Patt-Situation habe nicht bestanden und es seien noch nicht alle Mittel ausgeschöpft gewesen. Dass nach einer Woche widerrechtlichen Streiks das Klima in der Verhandlung vor Einigungsamt nicht mehr dasselbe gewesen sei, sei verständlich.
a) Die Kläger haben am 29. Mai 1979 den Streik beschlossen, nachdem sie am 15. Mai das Einigungsamt um Vermittlung angerufen hatten und die Verhandlung bevorstand. Da es im Mai 1978 vor Einigungsamt zu einer Verständigung mit der Beklagten gekommen war, der die Kläger grosse Bedeutung beimessen, über
BGE 111 II 245 S. 259
deren Vollzug aber Differenzen entstanden, lag in der Tat ein neues Verfahren vor Einigungsamt nahe. Indem die Kläger dieses am 15. Mai 1979 einleiteten, brachten sie selbst zum Ausdruck, dass die bis anhin bestehende Situation noch nicht nach Kampfmassnahmen rief; was sie der Beklagten für die frühere Zeit vorwerfen, fällt deshalb nicht ins Gewicht.
b) Die Kläger erklären diesen plötzlichen Streikbeschluss einerseits mit dem Umstand, dass Direktor Z. am 30. Mai weitere Verhandlungen abgelehnt habe. Indes waren die Kläger damals bereits in den Streik getreten, weshalb die Ablehnung weiterer Verhandlungen durch die Beklagte nicht Ursache des Streikbeschlusses, sondern eine Reaktion darauf war.
Zum andern berufen die Kläger sich auf den Umstand, dass die Verhandlung vor Einigungsamt auf Wunsch von Y. vom 30. Mai auf den 8. Juni verschoben worden war. Das Einigungsamt hat das Verschiebungsgesuch geprüft und gutgeheissen. Dass ein Verzögerungsmanöver der Beklagten gegeben sei, ist weder festgestellt noch behauptet worden. Falls die Kläger mit der Verschiebung nicht einverstanden waren, hätten sie beim Einigungsamt widersprechen müssen; dieses hat denn auch nach der Mitteilung des Streiks eine Sühneverhandlung bereits auf den 5. Juni angesetzt.
c) Das Obergericht folgert aus dem weiteren Verfahren vor dem Einigungsamt, mit der Beklagten sei auf dem Verhandlungsweg nichts mehr zu erreichen gewesen. Es belegt das nicht näher, sondern weist nur darauf hin, am 8. Juni hätten die Kläger einen Vermittlungsvorschlag angenommen, während die Beklagte diesen abgelehnt habe. Selbst wenn die Verständigung am 5. oder 8. Juni 1979 an der Haltung der Beklagten gescheitert sein sollte, ist auch das als Reaktion auf den schon seit einer Woche dauernden Streik erklärlich und erlaubt keinesfalls den Rückschluss, dass weitere Verhandlungsbemühungen vor Streikbeginn an der Haltung der Beklagten gescheitert wären.
d) Es ergibt sich somit, dass der Streikbeschluss übereilt, ohne Erschöpfung des Verhandlungswegs gefasst worden ist. Der Streik der Kläger erweist sich demnach als nicht rechtmässig, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die anderen Voraussetzungen der Rechtmässigkeit erfüllt wären. Damit erscheinen die fristlosen Entlassungen grundsätzlich als begründet. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4ef65cca-36a7-43b8-bb9e-8aed1fe93a7c | Urteilskopf
83 II 180
28. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Mai 1957 i.S. K. gegen H. und Zürich, Direktion der Justiz. | Regeste
Vom Vormund beantragte Unterbringung des Mündels in einer Anstalt (Art. 406/421 Ziff. 13 ZGB).
1. Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 OG
gegen den Entscheid der zweitinstanzlichen kantonalen Aufsichtsbehörde. a) Diese urteilt kraft Bundesrechtes (
Art. 361 ZGB
)als letzte kantonale Instanz (Erw. 1, a). b) Es handelt sich um eine nicht der Berufung nach
Art. 43 ff. OG
unterliegende Zivilsache (Erw. 1, b).
2. Legitimation des Vormundes zur Anfechtung des Entscheides, der die von ihm beantragte Massnahme ablehnt (Erw. 2).
3. Gründe zur Unterbringung eines Bevormundeten in eine Anstalt.
a) Gründe der vormundschaftlichen Fürsorge (
Art. 406 ZGB
);
b) Gründe des öffentlichen Wohls (nach kantonalem öffentlichem Recht).
Ist die Massnahme nach
Art. 406 ZGB
gerechtfertigt, so darf sie nicht deshalb abgelehnt werden, weil nicht ausserdem Gründe des öffentlichen Wohles sie gebieten. Ferner dürfen die Vorschriften kantonaler Versorgungsgesetze nicht als verbindliche Regeln für die Auslegung von
Art. 406 ZGB
erachtet werden (Erw. 3).
4. Der mit der Beschwerde unterliegende Vormund ist nicht kosten- und entschädigungspflichtig. Analoge Anwendung von
Art. 156 Abs. 2 und
Art. 159 Abs. 5 OG
(Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 182
BGE 83 II 180 S. 182
A.-
H., geboren 1914, ist der Sohn eines Rechtsanwalts, der das Leben eines angesehenen und wohlhabenden Mannes führte, aber 1952 schwer überschuldet aus dem Leben schied. Aus dem Nachlasskonkurs konnte für die Witwe nur ein Betrag von rund Fr. 53'000.-- als Frauengutsersatz gerettet werden, der innert zwei Jahren auf Fr. 15'000.-- zusammenschmolz, da die Familie es nicht verstand, sich den plötzlich veränderten Verhältnissen anzupassen. Der Sohn hatte sich auf Verlangen des Vaters dem Rechtsstudium widmen müssen, für das er sich nicht eignete, und dem er während voller dreizehn Jahre oblag, ohne das Doktorexamen bestehen zu können. Er hatte sich dann keine befriedigende Stellung zu erringen vermocht. Nach des Vaters Tode lebte die Familie aus weiterer Belastung der väterlichen Liegenschaft, Pfandbelehnung von Teppichen, Schmuck, Silbergeschirr usw. und geriet schliesslich in missliche Verhältnisse. Die Witwe stellte dann selber das Gesuch um Errichtung einer vom Bezirksrat W. am 11. Februar 1955 beschlossenen Vormundschaft im Sinne von
Art. 372 ZGB
über sie. Der Sohn wollte nach Bekleidung von Stellen mit einem andern zusammen die Fabrikation von Fleischkonserven aufnehmen und gründete die "Neue Konserven G.m.b.H.", für die er, nachdem die Mittel der Mutter aufgebraucht waren, weitere Geldgeber suchte. Indessen griff die Waisenkommission W. ein und stellte beim Bezirksrate den Antrag, H. in Anwendung
BGE 83 II 180 S. 183
von
Art. 370 ZGB
wegen Misswirtschaft und Liederlichkeit zu entmündigen, da er seit Jahren ein denkbar müssiges und arbeitsscheues Leben führe und an der Verschleuderung des mütterlichen Vermögens in erheblichem Masse mitbeteiligt sei. Der Bezirksrat W. beschloss am 16. September 1955 in dem von der Waisenkommission beantragten Sinne. Zum Vormunde war K. ernannt worden. Die Beschlüsse erwuchsen in Rechtskraft.
B.-
Am 24. Mai 1956 beantragte der Vormund beim Waisenamt W. (Vormundschaftsbehörde) die unverzügliche Einweisung seines Mündels für die Dauer von drei Jahren in die Arbeitsanstalt Realta. Die Waisenkommission entsprach dem Antrage mit Beschluss vom 7. Juni 1956, und zwei Tage später wurde H. in die Anstalt verbracht.
C.-
Ein Rekurs H's an den Bezirksrat W. hatte keinen Erfolg. Er zog dessen Entscheid an die kantonale Direktion der Justiz weiter, die eine bedingte Einweisung als ausreichende Massnahme bezeichnete und am 22. Oktober 1956 die Entlassung aus der Anstalt auf den Zeitpunkt verfügte, an dem für H. eine geeignete Anstellung und eine geeignete Unterkunft gefunden sein werde. Am 13. November 1956 wurde H. auf Weisung der Rekursbehörde auf freien Fuss gesetzt. Er arbeitet seither in der Neuen Konserven AG in W. Mit Verfügung vom 23. Februar 1957 entschied die Justizdirektion sodann über den Rekurs selbst, in dem Sinne, dass sie die vom Waisenamt angeordnete und vom Bezirksrat bestätigte Versorgung aufhob. Die Erwägungen stützen sich sowohl auf
Art. 406 ZGB
wie auch auf die Vorschriften des zürcherischen Versorgungsgesetzes vom 24. Mai 1925.
D.-
Gegen die Verfügung der Justizdirektion hat K. als Vormund H's Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
erhoben. Der Antrag geht auf Aufhebung der angefochtenen Verfügung und auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Beurteilung nach eidgenössischem statt nach kantonalem Recht, unter Kosten-
BGE 83 II 180 S. 184
und Entschädigungsfolge. Zur Begründung der Beschwerde wird angebracht, die Justizdirektion habe die Zulässigkeit der Versorgung seines Mündels nicht, wie es richtig gewesen wäre, nur nach
Art. 406 ZGB
, sondern sozusagen ausschliesslich nach dem kantonalen Versorgungsgesetze geprüft; die eigentlichen Erwägungen des kantonalen Entscheides befassten sich mit diesem Gesetze, und der am Schluss beigefügte Satz: "Es fehlt ebenfalls an den Voraussetzungen für die Anwendung von
Art. 406 und 421 Ziff. 13 ZGB
" erscheine als blosse Floskel.
E.-
H. beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventuell sei sie abzuweisen; "unter K.u.E.F. zu lasten des Beschwerdeführers".
Die Direktion der Justiz trägt ihrerseits auf Abweisung der Beschwerde an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nichtigkeitsbeschwerde ist nach
Art. 68 OG
zulässig gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler Behörden in Zivilsachen, die nicht nach
Art. 44-46 OG
der Berufung unterliegen.
a) Nach § 75 des zürcherischen EG zum ZGB ist gegen Direktionsverfügungen allgemein der Rekurs an den Regierungsrat zulässig. Die angefochtene Verfügung der Direktion der Justiz wäre danach nicht als letztinstanzliche, mit keinem ordentlichen Rechtsmittel weiterziehbare (vgl.
Art. 48 OG
) zu betrachten. Indessen entschied die erwähnte Direktion bereits als Aufsichtsbehörde zweiter Instanz nach dem Bezirksrat. Und mehr als zwei Instanzen der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde darf es nach Bundesrecht (
Art. 361 ZGB
) nicht geben, wie das Bundesgericht, anBGE 47 II 17,
BGE 74 II 336
undBGE 67 II 205anknüpfend, in
BGE 82 II 206
entschieden hat. Somit widerspricht die Einführung einer dritten Instanz dem Bundesrecht, ist also unzulässig, und es kann ohne Rücksicht auf eine solche vom kantonalen Recht vorgesehene Erweiterung des Instanzenzuges bereits der Entscheid der zweiten
BGE 83 II 180 S. 185
Instanz (mit Berufung bzw. Nichtigkeitbeschwerde) an das Bundesgericht weitergezogen werden. Freilich gilt dies nur für Angelegenheiten, die kraft Bundesrechtes in die Zuständigkeit der vormundschaftlichen Behörden fallen, was im Fall der zuletzt angeführten Entscheidung nicht zutraf. Im vorliegenden Fall aber waren die vormundschaftlichen Behörden von Bundesrechts wegen zuständig, über die vom Vormund im Sinne von
Art. 406 ZGB
beantragte Massnahme zu entscheiden. Denn dafür war nach
Art. 421 Ziff. 13 ZGB
die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde erforderlich, deren Verfügung der Beschwerde an die Aufsichtsbehörde nach
Art. 420 Abs. 2 ZGB
(mit allfälligem Vorbehalt der Weiterziehung an eine Aufsichtsbehörde zweiter Instanz nach kantonalem Recht gemäss
Art. 361 Abs. 2 ZGB
) unterlag. Mit dem Entscheid der Justizdirektion war somit der bundesrechtlich zulässige Instanzenzug erschöpft.
b) Es handelt sich nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit, d.h. einen Zivilprozess zwischen zwei gleichgestellten Rechtssubjekten. Vielmehr sind Vormund und vormundschaftliche Behörden kraft ihrer Amtsgewalt eingeschritten. Wohl aber gehört die Entscheidung über eine nach
Art. 406 ZGB
zu treffende vormundschaftsrechtliche Massnahme zu den Zivilsachen in dem für die Anwendung von
Art. 68 OG
massgebenden weitern Sinne. Dafür genügt es, dass die Vormundschaft eine Einrichtung des Zivilrechtes ist, und dass sich nach den Vorschriften des Zivilgesetzbuches bestimmt, was für Massnahmen die vormundschaftlichen Organe in bezug auf ein Mündel zu treffen haben (
BGE 72 II 309
Erw. 2 und 334 Erw. 1; BIRCHMEIER, Handbuch, N. 2a zu
Art. 68 OG
; KAUFMANN, N. 41 zu
Art. 420 ZGB
). Es steht nicht entgegen, dass sich das Verfahren vor kantonalen Verwaltungsbehörden abspielt (
BGE 79 II 248
/9).
Andere Zivilsachen als Zivilrechtsstreitigkeiten unterliegen nur in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen dem umfassenden Rechtsmittel der Berufung. Vormundschaftliche
BGE 83 II 180 S. 186
Massnahmen im Sinne von
Art. 405 oder 406 ZGB
gehören nicht zu den in
Art. 44 OG
der Berufung unterstellten Fällen. Somit ist Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 OG
zulässig, womit die Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechtes, wie es in der vorliegenden Beschwerdeschrift geschieht, gerügt werden kann.
2.
Der Beschwerdegegner verneint die Beschwerdelegitimation des Vormundes, die übrigens von Amtes wegen zu prüfen ist. Sie erscheint als zweifelhaft, wenn man die Vormundschaft lediglich als Amt betrachtet, bei dessen Ausübung der Vormund den vormundschaftlichen Behörden untersteht. Denn grundsätzlich ist ein Beamter oder eine Behörde nicht befugt, gegen Entscheidungen übergeordneter Behörden zu rekurrieren (vgl. FLEINER, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 5. Aufl., S. 224). Der Vormund hat jedoch, auch wenn er nicht als gesetzlicher Vertreter des Mündels auftritt, dessen Interessen zu wahren, und insbesondere darf die Unterbringung eines Mündels in einer Anstalt als vormundschaftliche Massnahme nach
Art. 406 ZGB
, im Gegensatz zu einer Versorgung auf behördlichen Befehl aus (armen-, gesundheits- oder sicherheits-) polizeilichen Gründen, nur zu Zwecken der Fürsorge, um des Mündels selbst willen, verfügt werden. Wird eine vom Vormund in diesem Sinn beantragte Massnahme von den vormundschaftlichen Behörden abgelehnt, so liegt es nahe, jenem ein Rekursrecht zur Geltendmachung der Interessen des Mündels zuzugestehen (und zwar auch eines urteilsfähigen Mündels, der selber rekurrieren könnte, jedoch in den meisten Fällen eine noch so sehr in seinem Interesse liegende Unterbringung in einer Anstalt mangels Einsicht oder guten Willens nicht wünscht und es daher bei einem sie ablehnenden Entscheide bewenden lassen möchte). In der Literatur wird denn auch die Beschwerdelegitimation des Vormundes durchwegs bejaht (vgl. EGGER, N. 18, und KAUFMANN, N. 16 zu
Art. 420 ZGB
; HESS, Die Vormundschaft nach Schweizer Recht, S. 114; BENZ in Das Vormundschaftsrecht,
BGE 83 II 180 S. 187
S. 95/96). Auch wenn man dem für die Beschwerde nach
Art. 420 ZGB
beistimmt, folgt daraus allerdings nicht ohne weiteres auch die Befugnis des Vormundes zur Anrufung des Bundesgerichts mit einem ausserordentlichen Rechtsmittel. Indessen mag dahingestellt bleiben, wie es sich mit der in
Art. 88 OG
eng umschriebenen Legitimation zu einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen die hier angefochtene Verfügung verhalten würde. Die Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen (
Art. 68 OG
) lässt sich hinsichtlich der Legitimation der Berufung an die Seite stellen, und zur Ergreifung dieses Rechtsmittels ist in den ihm nach
Art. 44 OG
unterstehenden Zivilsachen auch die Behörde legitimiert, die am kantonalen Verfahren als Gegenpartei des Bürgers beteiligt war (vgl. die Rechtsprechung zur zivilrechtlichen Beschwerde nach Art. 86 des alten OG:
BGE 50 II 95
,
BGE 56 II 345
; ferner die von derselben Betrachtungsweise ausgehenden Entscheidungen zu Art. 44 des neuen OG:
BGE 82 II 205
und 216 oben). Gleichermassen ist nun auch der Vormund als mit der Fürsorge für das Mündel betrautes vormundschaftliches Organ befugt, gegen die auf kantonales Recht gestützte Ablehnung einer von ihm im Sinne von
Art. 406 ZGB
beantragten Versorgung Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
zu erheben.
3.
Als Massnahme der vormundschaftlichen Fürsorge ist die Unterbringung einer mündigen Person in einer Anstalt von
Art. 406 ZGB
, also vom Bundesrecht, beherrscht. Dem kantonalen öffentlichen Recht bleibt aber die Internierung aus Gründen des öffentlichen Wohls, insbesondere der Armen-, der Gesundheits- und der Sicherheitspolizei, vorbehalten (
Art. 6 ZGB
). Es ist nicht Aufgabe des Vormundschaftsrechtes, diese öffentlichen Interesse zu wahren. Auch sind die vormundschaftlichen, um des Mündels willen, zu seinem Schutz und zu seiner Förderung (Nacherziehung usw.) zu treffenden Massnahmen nicht etwa geeignet, ein Einschreiten um der Öffentlichkeit willen von vornherein entbehrlich zu machen.
BGE 83 II 180 S. 188
Bereits in
BGE 46 II 212
und 344 wurde erklärt, eine dauernde Internierung, wie sie unter Umständen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Moral geboten ist, könne nicht kraft Vormundschaftsrechts, sondern nur allenfalls nach kantonalem Verwaltungsrecht angeordnet werden, dem die Sorge für jene öffentlichen Interessen obliege. Ebenso anerkennen spätere Entscheidungen, dass die in mehreren Kantonen erlassenen Versorgungsgesetze gültig bestehen können; sie treten neben die Bestimmungen des ZGB über die Anstaltsversorgung als vormundschaftliche Massnahme. Denn eine Internierung auf Grund jener Gesetze beruht grossenteils auf andern, vom kantonalen Recht beherrschten Voraussetzungen und dient andern Zwecken; demgemäss kann sie auch nach Art und Dauer verschieden ausgestaltet sein (
BGE 73 I 42
).
Es bedeutet daher grundsätzlich keine unzulässige Anwendung kantonalen Rechtes, dass die kantonale Direktion der Justiz die Frage, ob H. in einer Arbeitsanstalt versorgt werden müsse, nicht nur nach eidgenössischem Vormundschaftsrecht, sondern auch nach kantonalem Verwaltungsrecht (nämlich nach dem zürcherischen Gesetz vom 24. Mai 1925 über die Versorgung von Jugendlichen, Verwahrlosten und Gewohnheitstrinkern) beurteilt hat. Ob dies im selben Verfahrensgang geschehen durfte und auch der Instanzenzug der nämliche war, muss als Frage des kantonalen Rechtes dahingestellt bleiben. Freilich läge der vom Vormund geltend gemachte Beschwerdegrund vor, wenn die kantonale Behörde die Voraussetzungen der Anstaltsverbringung nach
Art. 406 ZGB
bejaht, diese Massnahme dann aber dennoch abgelehnt hätte, weil sie nicht auch nach dem kantonalen Versorgungsgesetz geboten sei. Das wäre ein Übergriff des kantonalen Rechtes in das eidgenössische Recht, das die nach
Art. 406 ZGB
zu schützenden Privatinteressen des Mündels gewahrt wissen will, gleichgültig ob überdies öffentliche Interessen ein ähnliches Einschreiten gebieten oder nicht. Der kantonale Entscheid verneint jedoch sowohl die (private) Versorgungsbedürftigkeit
BGE 83 II 180 S. 189
H's ausdrücklich (am Ende von Erw. 1)
wie auch das Vorliegen öffentlichrechtlicher Gründe zu seiner Internierung nach dem kantonalen Gesetz. Dass die Direktion der Justiz den Zweck der in
Art. 406 ZGB
vorgesehenen Massnahmen, einem mündigen Bevormundeten Schutz und Beistand zu gewähren, richtig erkennt, geht aus dem Anfang der Erwägungen hervor, wo es heisst, der Vormund dürfe das Mündel mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde in einer Anstalt unterbringen, wenn diese Massnahme "fürsorgerisch notwendig" sei. Bereits der Bezirksrat hatte die "im Rahmen der vormundschaftlichen Fürsorge" dem Vormunde mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zustehende Versorgung des Mündels "gemäss
Art. 406 und 421 Ziff. 13 ZGB
in Verbindung mit § 14 lit. b des kantonalen Versorgungsgesetzes" erwogen und ausgeführt:
"Erfolgt die Anstaltsunterbringung in erster Linie im Interesse des Bevormundeten und im Interesse Dritter nur insoweit, als dieses sich mit dem eigenen Interesse des Mündels deckt, so ist für die Einweisung
Art. 406 ZGB
massgeblich. Erfordert hingegen das öffentliche Interesse, dass der Bevormundete in einer Anstalt untergebracht wird, so ergeben sich die Voraussetzungen der Einweisung aus dem Versorgungsgesetz, wobei im Falle einer Einweisung in eine Arbeitsanstalt die §§ 5 ff. des Versorgungsgesetzes zur Anwendung gelangen (vgl.
BGE 73 I 45
ff.). Im vorliegenden Fall liegt die Anstaltsversorgung sowohl im Interesse des Bevormundeten selber als auch im öffentlichen Interesse, sodass sowohl die Voraussetzungen des
Art. 406 ZGB
als auch die Voraussetzungen der §§ 5 ff. des Versorgungsgesetzes erfüllt sein müssen."
Schon hier waren somit die beiden in Betracht fallenden Rechtsgrundlagen einer Anstaltsversorgung berücksichtigt worden. Unrichtig ist nur die im letzten Satz ausgesprochene Ansicht, wonach sowohl die vormundschafts- wie auch die öffentlichrechtlichen Voraussetzungen erfüllüllt sein müssten, um eine Versorgung zu rechtfertigen, während, wie bereits dargetan, eine nach dem eidgenössischen Zivilrecht (Vormundschaftsrecht) gebotene Massnahme auch dann zu treffen ist, wenn ihr nicht zugleich ein öffentliches Interesse und eine kantonalrechtliche Grundlage zur Seite steht. Doch ist nicht ersichtlich, dass die Direktion der
BGE 83 II 180 S. 190
Justiz sich darüber geirrt oder den
Art. 406 ZGB
nur als leere Floskel miterwähnt hätte. Beim Beschluss vom 22. Oktober 1956 über die vorläufige Entlassung aus der Anstalt hatte die Justizdirektion übrigens das Vormundschaftsrecht ebenfalls mitberücksichtigt, in folgender Weise: "Die Entlassung aus der Anstalt kann gemäss
Art. 406 ZGB
erst erfolgen, wenn dem Rekurrenten ein geeigneter Arbeitsplatz und eine geeignete Unterkunft beschafft sein werden. In Anwendung von § 46 EG zum ZGB, § 26 des Versorgungsgesetzes und
Art. 406 ZGB
verfügt. .."
Unter diesen Umständen ist die Begründung des angefochtenen Entscheides, was die Vernehmlassung der kantonalen Behörde zur Beschwerde vollends bestätigt, dahin zu verstehen, dass bei Prüfung der Voraussetzungen der vom Vormund beantragten Versorgung die beiden verschiedenen Rechtsgrundlagen jede für sich ins Auge gefasst worden sind, wiewohl sich die Erwägungen hauptsächlich über das kantonale Versorgungsgesetz aussprechen. Die kantonale Behörde war offenbar der Auffassung, mit der Verneinung von Arbeitsscheu und Liederlichkeit im Sinne des Versorgungsgesetzes sei festgestellt, dass es auch an der "Notwendigkeit" einer Versorgung zu Fürsorgezwecken gemäss
Art. 406 ZGB
, d.h. zu den Zwecken der nach
Art. 370 ZGB
errichteten Vormundschaft, fehle. Diese Entscheidung lässt sich unter dem Gesichtspunkt von
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
nicht beanstanden. Sie würdigt die gegebenen tatsächlichen Verhältnisse dahin, im vorliegenden Fall käme als Grund zu einer Versorgung aus Gründen des Vormundschaftsrechtes nur Arbeitsscheu oder Liederlichkeit des Mündels in Frage, und diese Begriffe seien im kantonalen Versorgungsrecht so ausgeprägt worden, wie auch das Vormundschaftsrecht sie verstehe. Somit wurde das kantonale Versorgungsrecht bei Anwendung von
Art. 406 ZGB
nur wie irgendwelche Rechtsliteratur zur Auslegung herangezogen. Wäre dem übrigens anders, hätte also die Justizdirektion ebenso wie der Vertreter des Beschwerdegegners (S. 7 der Beschwerdebeantwortung)
BGE 83 II 180 S. 191
angenommen, das kantonale Versorgungsgesetz könne die nach
Art. 406 ZGB
zu berücksichtigenden Versorgungstatbestände verbindlich festlegen ("Sofern ein kantonales Versorgungsgesetz besteht, hat dieses im administrativen Versorgungsverfahren selbständige Stellung und erfüllt im vormundschaftlichen Verfahren gleichzeitig die Aufgabe der Konkretisierung der Tatbestände, bei denen eine Versorgung überhaupt in Frage kommen kann"), so wäre zwar die Rüge begründet, das kantonale Versorgungsgesetz sei unzulässigerweise als eine die allgemein gefasste Norm des
Art. 406 ZGB
verbindlich "konkretisierende" und daher die vom Bundesrecht gewollte freie Auslegung ausschliessende kantonale Ordnung angewendet worden. Dennoch wäre auch in diesem Falle von einer Aufhebung des angefochtenen Entscheids abzusehen. Die kantonale Behörde stellt fest, nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens lasse sich weder der ernsthafte Charakter der Tätigkeit H's noch seine Bereitschaft zu regelmässiger Arbeitsleistung verneinen; ferner habe er sich nicht, wie ihm vorgeworfen wurde, von seiner Mutter aushalten lassen, sondern sie monatlich mit etwa Fr. 100.-- unterstützt. Der Entscheid sieht auch in H's Widerspenstigkeit und in seinem Trotz gegen behördliche Anordnungen keinen Grund zu einschneidenden Massnahmen, da sich dieses Verhalten daraus erkläre, dass er sich nur schwer mit der Tatsache des verlorenen Familienglanzes abfinden könne. Unter diesen Umständen würde die kantonale Behörde, zur Entscheidung unter dem alleinigen Gesichtspunkt des
Art. 406 ZGB
veranlasst, zweifellos die vom Vormund beantragte Unterbringung des Mündels in einer Anstalt neuerdings ablehnen, und dabei müsste es sein Bewenden haben, da ein ordentliches Rechtsmittel nicht gegeben wäre. Dem Beschwerdeantrag könnte somit selbst dann nicht entsprochen werden, wenn der gerügte Beschwerdegrund vorläge, was nach dem Gesagten nicht zutrifft.
4.
Dem mit der Beschwerde unterliegenden Vormund sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten
BGE 83 II 180 S. 192
aufzuerlegen, und er ist auch zu keiner Prozessentschädigung an den Beschwerdegegner zu verpflichten. Es rechtfertigt sich, Art. 156 Abs. 2 und in Verbindung damit auch
Art. 159 Abs. 5 OG
analog anzuwenden, da der Vormund bei Verfechtung eines von ihm gemäss
Art. 406 ZGB
gestellten Antrages zwar nicht namens oder im unmittelbaren Interesse des Gemeinwesens (Gemeinde oder Kanton), aber doch in Ausübung eines ihm von Gemeinde- oder Kantonsbehörden verliehenen Amtes, also nicht in eigener Sache, handelt. Es kommt auch nicht in Frage, mit Gerichtskosten das Mündel zu belasten, in dessen Interesse die Beschwerde geführt wurde. Denn prozessual erscheint das Mündel als obsiegende Gegenpartei des Vormundes; unter diesen Umständen besteht keine gesetzliche Grundlage zu einer solchen Belastung des Mündelvermögens. In gleicher Weise wurde denn auch die Kostenfrage schon in mehreren Entscheidungen betreffend ungerechtfertigte Verweigerung des Ehekonsenses durch den Vormund (
Art. 99 ZGB
) gelöst (vgl. die nicht veröffentlichten Urteile der II. Zivilabteilung vom 22. September 1920 i.S. Herzog, vom 14. Mai 1924 i.S. Schraner und vom 20. Juni 1940 i.S. Lehmann).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.- Die Gerichtskosten fallen ausser Ansatz, und es wird keine aussergerichtliche Entschädigung zugesprochen. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4ef77c9b-ef43-4f76-8975-b1225e2ff479 | Urteilskopf
110 IV 42
15. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Mai 1984 i.S. A. und H. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 37 Abs. 2 SVG
, Art. 18 Abs. 1 und 36 Abs. 3 VRV,
Art. 100 Ziff. 2 SVG
.
1. Pflichtwidriges Anhalten eines Strassendienstwagens auf der Fahrbahn einer Autostrasse (E. 2).
2. Adäquater Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und dem Tod eines Mitfahrers (E. 3).
3. Sorgfaltspflicht des Vorgesetzten (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 42
BGE 110 IV 42 S. 42
A.-
Am 29. September 1982, um 07.20 Uhr, fuhr eine Arbeitsequipe des bernischen Tiefbauamtes in einem Landrover auf der Autostrasse Biel-Lyss mit dem Auftrag, das Gras der Strassenböschung zu mähen. A. sass am Steuer, der Vorgesetzte H. neben ihm auf dem Beifahrersitz, während drei weitere Angestellte auf dem Rücksitz Platz genommen hatten. Die Autostrasse ist 9 m breit und dreispurig, wobei abwechslungsweise je zwei Spuren während einer bestimmten Strecke dem Verkehr in einer Richtung zur Verfügung stehen. Nachdem H. den Befehl zum Anhalten gegeben hatte, stoppte A. den Landrover auf der rechten der zwei hier dem Verkehr in Richtung Lyss zur Verfügung stehenden Spuren. H. stieg ab und war im Begriff, das Signal "Bauarbeiten" am Strassenrand hinter dem Fahrzeug aufzustellen, als sich ein Kranwagen näherte, dessen Führer das Hindernis im letzten Augenblick durch ein Ausweichen auf die Überholspur gerade noch umfahren konnte. Ein diesem Fahrzeug dicht folgender Car konnte dagegen weder rechtzeitig ausweichen noch anhalten, fuhr frontal gegen den linken Heckteil des Landrovers, den A. kurz zuvor wieder in Bewegung gesetzt hatte, um auf das Gras hinauszufahren, und schob dieses Fahrzeug mit Wucht ca. 42 m weit ins angrenzende
BGE 110 IV 42 S. 43
Feld hinaus. Dabei erlitt M. einen tödlichen Genickbruch, während die zwei anderen Mitfahrer auf dem Rücksitz und A. sowie eine Reiseführerin des Cars leicht verletzt wurden.
B.-
Am 15. Juni 1983 verurteilte der Gerichtspräsident II von Nidau A. und H. wegen fahrlässiger Tötung zu bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafen von 20 bzw. 30 Tagen.
Das Obergericht des Kantons Bern sprach die beiden am 18. November 1983 ausser der fahrlässigen Tötung der groben Verletzung von Verkehrsregeln schuldig, bestätigte aber den erstinstanzlichen Entscheid im Strafpunkt.
C.-
A. und H. führen in gemeinsamer Eingabe Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, sie seien einzeln von der Anschuldigung der fahrlässigen Tötung und der groben Verletzung von Verkehrsregeln freizusprechen, eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Vorinstanz legt A. zur Last, gegen
Art. 37 Abs. 2 SVG
,
Art. 18 Abs. 1 und
Art. 36 Abs. 3 VRV
verstossen und damit den Unfall und den Tod des M. verursacht zu haben.
a) Nach
Art. 37 Abs. 2 SVG
dürfen Fahrzeuge dort nicht angehalten oder aufgestellt werden, wo sie den Verkehr behindern oder gefährden könnten; womöglich sind sie auf Parkplätzen aufzustellen.
Art. 18 Abs. 1 VRV
präzisiert dies dahin, dass Fahrzeugführer nach Möglichkeit ausserhalb der Strasse zu halten haben. Sodann verpflichtet
Art. 36 Abs. 3 VRV
, der als Sonderregel für Autobahnen und Autostrassen erlassen wurde, den Fahrzeugführer, nur auf signalisierten Parkplätzen zu halten und für Nothalte Pannenstreifen und Abstellplätze für Pannenfahrzeuge zu benützen. Diese im vorliegenden Fall anwendbare Bestimmung macht klar, dass das Anhalten auf den Fahrbahnen solcher Strassen wegen der dort gefahrenen hohen Geschwindigkeiten äusserst gefährlich ist, weshalb nur auf von der Fahrbahn klar geschiedenen Parkplätzen und nur im Notfall auf den Pannenstreifen und entsprechenden Abstellplätzen gehalten werden darf.
b) Nach dem angefochtenen Urteil weist die Autostrasse Biel-Lyss jedenfalls auf der Unfallstrecke keine solchen von der Fahrbahn getrennten Verkehrsflächen auf, auf welchen der Beschwerdeführer
BGE 110 IV 42 S. 44
den Landrover hätte anhalten können. Dagegen stellt die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich fest, es wäre für den geländegängigen Landrover kein Problem gewesen, auf das Grasband ausserhalb der Fahrbahn hinauszufahren; auch habe H. erklärt, der "normale Fahrer", d.h. der ordentliche Fahrer der Equipe, wäre von sich aus hinausgefahren. Hätte der Landrover aber nach dem Gesagten ohne weiteres ausserhalb der Autostrasse angehalten werden können, hätte A. dies unbedingt tun müssen, zumal er - wie die Vorinstanz erneut verbindlich feststellt - um die Gefährlichkeit der Autostrasse Biel-Lyss wusste. Indem er es unterliess, verstiess er schuldhaft gegen die vorgenannten Verkehrsregeln.
Demgegenüber beruft er sich vergeblich auf
BGE 90 IV 232
, um die dort für den Fall höherer Gewalt angedeutete Ausnahme von der Regel für sich in Anspruch zu nehmen; denn von höherer Gewalt kann in casu nicht die Rede sein. Aus
BGE 102 II 281
aber kann A. deswegen nichts zu seinen Gunsten ableiten, weil im damals beurteilten Fall der Lastwagen innerorts und zum Auf- und Abladen von Waren angehalten hatte, was hier nicht zutraf. Schliesslich ändert am Gesagten auch nichts, dass Rücklichter und Rundleuchte des Landrovers eingeschaltet waren und das Fahrzeug aus 100 bis 150 m Entfernung gesehen werden konnte. Das entband den Beschwerdeführer nicht der Pflicht, den Wagen dennoch ausserhalb der Fahrbahn anzuhalten. Im übrigen hatte das Bundesgericht in
BGE 94 IV 131
, der einen ebenfalls auf der Autostrasse Biel-Lyss erfolgten Unfall betraf, dem damaligen Beschwerdeführer, der eine Panne gehabt hatte, vorgehalten, er hätte diese auf dem 3-4 m breiten Grasstreifen beheben sollen. Was aber für den Fall einer Panne gilt, muss a fortiori für den vorliegenden Fall Geltung haben, wo es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich gewesen wäre, den fahrtüchtigen Landrover auf das Grasband zu lenken, um ihn daselbst anzuhalten.
3.
Wie die Vorinstanz ausdrücklich und für den Kassationshof verbindlich feststellt (
BGE 101 IV 152
E. 2b mit Zitaten), war die schuldhafte Missachtung der vorgenannten Verkehrsregeln durch A. für den Unfall und damit für den Tod des M. "natürlich kausal". Soweit sich der Beschwerdeführer hiergegen wendet, ist er nicht zu hören. Es ist aber auch die rechtserhebliche Ursachenfolge gegeben; nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge war nämlich das Verhalten des Beschwerdeführers geeignet, zu den tatsächlich eingetretenen Folgen
BGE 110 IV 42 S. 45
zu führen (
BGE 103 IV 291
E. 2). Darüber hilft nicht hinweg, dass im Augenblick des Zusammenstosses sich das Fahrzeug wieder in langsamer Bewegung befand. Das schafft die Tatsache nicht aus der Welt, dass es zuvor unzulässigerweise auf der Fahrbahn angehalten worden war und wegen dieses Halts sich im Zeitpunkt des Unfalls noch in der Fahrbahn befand. Übrigens entschloss sich A. nach dem angefochtenen Urteil deswegen, den Wagen langsam in Bewegung zu setzen und auf das Grasband zu fahren, weil er festgestellt hatte, dass der Führer des überholenden Kranwagens das Hindernis offenbar erst im letzten Moment wahrgenommen hatte und deswegen nur knapp an diesem vorbeigekommen war.
4.
Dem Strasseninspektor-Stellvertreter und Vorgesetzten der Arbeitsequipe H. wirft die Vorinstanz vor, seine Sorgfaltspflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt zu haben. Einmal habe er A. aufgefordert anzuhalten und, als dieser es auf der Fahrbahn tat, ihn nicht angewiesen, aufs Gras hinauszufahren. Zum andern hätte er für die Fahrt an den Arbeitsort einen späteren Zeitpunkt wählen können, als ausgerechnet die Hauptverkehrszeit am Morgen. Und schliesslich hätte er ein Absperren der Fahrbahn, die er für das Aufladen des Grases vorgesehen habe, schon in diesem Zeitpunkt anordnen sollen.
Hiergegen wird in der Beschwerde nichts vorgebracht, was zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müsste. Der Hinweis darauf, dass H. nach dem Aussteigen - eine brennende Stablampe in der Hand und das Gefahrensignal tragend - auf den Landrover aufmerksam machte, entlastet ihn nicht von dem Vorwurf, dass er es überhaupt nicht hätte zulassen dürfen, dass das Fahrzeug auf der Fahrbahn angehalten wurde. Dass er A. gegenüber "keine weiteren Weisungspflichten" gehabt habe, trifft nicht zu. Er war nach dem angefochtenen Urteil der Vorgesetzte der Equipe und als solcher nicht nur für deren Sicherheit, sondern auch dafür verantwortlich, dass sich diese bei Verrichtung ihrer Arbeit an die gesetzlichen Vorschriften und namentlich an die Verkehrsregeln hielt. Zutreffend stellt deshalb die Vorinstanz fest, er hätte A. anweisen müssen, den Landrover aufs Gras hinauszuführen. Dazu war er nicht nur befugt, sondern als Vorgesetzter nach
Art. 100 Ziff. 2 SVG
auch verpflichtet. Indem er es unterliess, hat er gleich A. und aus den bereits für diesen angeführten Gründen für den Tod des M. einzustehen. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4f05de25-0937-4963-a4a1-913bdda56320 | Urteilskopf
87 II 281
40. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Dezember 1961 i.S. Probst gegen Probst. | Regeste
Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit.
Ausschluss der Vaterschaft des Ehemannes auf Grund der Bestimmung des Blutfaktors S. | Sachverhalt
ab Seite 282
BGE 87 II 281 S. 282
A.-
Mit Urteil vom 9. März 1960, das am 14. März 1960 rechtskräftig wurde, wurden die seit dem Jahre 1952 verheirateten Eheleute Probst u.a. wegen beidseitigen Ehebruchs geschieden. Die Ehefrau hatte vor Gericht zugegeben, dass sie ein Kind erwarte, dessen Vater nicht der Ehemann sei. Am 12. April 1960 gebar sie einen Knaben.
B.-
Am 12. Mai 1960 leitete Probst gegen seine geschiedene Frau und das Kind Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit dieses letztern ein. Während die Mutter die Klage nicht beantwortete, erklärte der Beistand des Kindes in seiner Klageantwort u.a., die Mutter gebe zu, dass dieses nicht vom Ehemann gezeugt worden sei und dass sie im Sommer 1959 mehrmals mit R. Geschlechtsverkehr gehabt habe. R. bestätigte dies als Zeuge.
Das Gerichtlich-medizinische Institut der Universität Basel (Dr. med. A. Christe) kam in seinem Gutachten vom 18. November 1960 zum Schluss, der Kläger könne auf Grund der Bestimmung der klassischen Blutgruppen, der M- und N-Faktoren, der Rhesusfaktoren und der Faktoren Kell und Duffya als Vater des Kindes nicht ausgeschlossen werden, fügte aber bei, das von ihm mit einer Paralleluntersuchung beauftragte Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes (SRK) in Bern habe die ihm eingesandten Blutproben auch mit einem Anti-S-Serum geprüft; dabei habe sich ergeben, dass das Blut der Mutter und des Klägers mit diesem Serum negativ reagiere, das Blut des Kindes dagegen positiv; gestützt hierauf wäre der Kläger als Vater auszuschliessen; bevor dieser S-Ausschluss forensisch verwertet werde, sollte er jedoch gemäss Mitteilung von Dr. A. Hässig (Direktor des genannten Laboratoriums) an einer frischen Blutprobe überprüft und durch einen weitern Experten bestätigt werden.
Nachdem die Untersuchung neuer Blutproben durch das Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes des SRK in Bern und durch den über ein Anti-S-Serum anderer Herkunft verfügenden Leiter des Blutspendezentrums des
BGE 87 II 281 S. 283
SRK in Zürich, Dr. M. Metaxas, den frühern Befund bestätigt (und die zusätzlich durchgeführte Bestimmung der Haptoglobingruppen Hp1 und Hp2 kein die Vaterschaft des Klägers ausschliessendes Ergebnis gezeitigt) hatte, erstattete Dr. A. Hässig am 19. Januar 1961 ein Gutachten, worin er mit einlässlicher Begründung erklärte, nach seiner Auffassung werde das (1947 entdeckte) Merkmal S des MNS-Blutgruppensystems mit praktischer Sicherheit entsprechend den Mende l'schen Erbgesetzen dominant von den Eltern auf die Kinder vererbt; die Sicherheit einer forensischen S-Bestimmung sei bei kunstgerecht vorgenommener Untersuchung und bei Bestätigung des Befundes durch einen zweiten Experten derjenigen einer forensischen Bestimmung z.B. der Faktoren M und N oder der Rhesusfaktoren gleichzustellen; nach dem heutigen Stande des Wissens über den Erbgang und die Serologie des Merkmals S sei einem S-Ausschluss unter der Voraussetzung einer kunstgerecht durchgeführten Untersuchung derselbe Beweiswert beizumessen wie einem Rhesus-Ausschluss in den Jahren 1951-1954; da bereits damals einem solchen Ausschluss das Prädikat der "an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" erteilt worden sei (
BGE 79 II 17
ff.,
BGE 80 II 10
ff.), erscheine es dem Sachverständigen als gegeben, dieses Prädikat heute auch einem S-Ausschluss zu erteilen; für den vorliegenden Fall folge hieraus, dass der Kläger auf Grund der Bestimmung des Blutfaktors S unter der Voraussetzung einer sicher erwiesenen Mutterschaft der Erstbeklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater des Zweitbeklagten auszuschliessen sei; seine Vaterschaft stünde im Widerspruch zu den Erbgesetzen des MNS-Blutgruppensystems.
In der Hauptverhandlung vor Amtsgericht erklärte die Mutter, sie anerkenne die Klage, wogegen der Beistand des Kindes auf Abweisung der Klage schloss.
Mit Urteil vom 21. Februar 1961 stellte das Amtsgericht in Gutheissung der Klage fest, dass der Zweitbeklagte ausserehelicher Sohn der Erstbeklagten sei.
BGE 87 II 281 S. 284
C.-
Das Obergericht des Kantons Solothurn, an das der Beistand des Kindes die Sache weiterzog, hat am 29. September 1961 das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
D.-
Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Beistand des Kindes in dessen Namen, die Klage sei abzuweisen. Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Obwohl zwischen Mutter und Kind gemäss
Art. 253 Abs. 2 ZGB
eine notwendige passive Streitgenossenschaft besteht, ist auf die vom Kind allein erklärte Berufung einzutreten. Die Mutter, die schon vor Obergericht nicht mehr am Prozess teilgenommen hat, ist im bundesgerichtlichen Verfahren nicht als Partei zu behandeln, doch wird das Urteil des Bundesgerichts für sie in gleicher Weise wie für den Kläger und das Kind massgebend sein (vgl. zu alledem
BGE 82 II 1
ff.).
2.
Da der Zweitbeklagte innerhalb einer Frist von dreihundert Tagen nach Auflösung der Ehe geboren wurde, ist seine Ehelichkeit gemäss
Art. 252 Abs. 1 ZGB
zu vermuten. Der Kläger vermag seine Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit dieses Kindes, das nicht etwa vor dem hundertachtzigsten Tage nach Abschluss der Ehe, sondern erst mehrere Jahre nach der Heirat zur Welt kam, gemäss
Art. 254 ZGB
nur durch den Nachweis zu begründen, dass er unmöglich dessen Vater sein könne.
Nach der Rechtsprechung, die das Bundesgericht seit 1945 ständig befolgt, kann die Blutprobe zu diesem Nachweis dienen; die Unmöglichkeit der Vaterschaft des Ehemannes ist als erwiesen zu betrachten, wenn das Ergebnis einer fachgerecht durchgeführten Blutuntersuchung seine Vaterschaft mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschliesst und bereits durch andere Beweismittel Tatsachen dargetan sind, die eine aussereheliche Erzeugung des Kindes als möglich erscheinen lassen (
BGE 87 II 15
mit Hinweisen).
BGE 87 II 281 S. 285
Diese letzte Voraussetzung ist im vorliegenden Falle zweifellos erfüllt. Die Vorinstanz hat festgestellt, durch das Zeugnis des R. und das von ihr als glaubwürdig erachtete Zugeständnis der Mutter sei nachgewiesen, dass diese in der Empfängniszeit ausserehelichen Geschlechtsverkehr pflog. Diese Feststellung ist gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich.
Die Blutuntersuchung ist, wie die Vorinstanz ebenfalls in verbindlicher Weise festgestellt hat, von einem ihr (wie übrigens auch dem Bundesgericht) als zuverlässig und fachkundig bekannten Sachverständigen einwandfrei durchgeführt worden. Eine von einem andern Fachmann mit einem Serum anderer Herkunft durchgeführte Kontrolluntersuchung hat den Befund des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt. Indem die Vorinstanz die auf diesen Befund gestützte Schlussfolgerung des Sachverständigen, dass der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater auszuschliessen sei, als überzeugend würdigte, hat sie keine Vorschrift des Bundesrechts verletzt. Es kann keine Rede davon sein, dass der Sachverständige den Begriff der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit und damit die gesetzlichen Anforderungen an den vom Kläger zu leistenden Beweis verkannt habe. Der Beistand des Kindes macht dies denn auch nicht geltend, sondern beschränkt sich darauf, ohne nähere Begründung zu behaupten, das vorliegende Gutachten, das sich auf die Bestimmung des Blutfaktors S stützt, reiche zum Nachweis der Unmöglichkeit der Vaterschaft des Klägers im Sinne von
Art. 254 ZGB
nicht aus. Damit vermag er nicht darzutun, dass die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz bundesrechtswidrig sei.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Solothurn vom 29. September 1961 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f084f6b-8aae-49eb-8e59-924d26e9f88e | Urteilskopf
113 III 82
17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. März 1987 i.S. J. gegen J. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Direkte Auszahlung der Zusatzrente gemäss
Art. 34 IVG
an die Ehefrau; zulässige Einwendung gegen die definitive Rechtsöffnung im Sinne von
Art. 81 Abs. 1 SchKG
.
Es ist nicht willkürlich, davon auszugehen, dass gerichtlich festgelegte Unterhaltsbeiträge durch eine direkt an die unterhaltsberechtigte Ehefrau ausbezahlte Zusatzrente gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 IVG
getilgt werden, und die definitive Rechtsöffnung zu verweigern, soweit der Unterhaltsverpflichtete durch eine Bestätigung der Ausgleichskasse die direkte Auszahlung der Zusatzrente an die unterhaltsberechtigte Ehefrau beweist (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 113 III 82 S. 83
A.-
Gemäss Verfügung vom 11. April 1975 des Gerichtspräsidenten II von Bern hat J. seiner getrennt lebenden Ehefrau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 850.-- zu bezahlen. Seit 1. Januar 1985 bezieht er eine ganze IV-Rente. Die Zusatzrente für die Ehefrau gemäss
Art. 34 IVG
wird dieser direkt ausbezahlt. Der Ehemann hat deswegen seine Unterhaltsleistungen um den gleichen Betrag gekürzt.
B.-
Die Ehefrau leitete in der Folge beim Betreibungsamt Seftigen gegen ihren Ehemann Betreibung im Betrage von Fr. 3'986.-- für nicht bezahlte Unterhaltsbeiträge ein. Das Gesuch um definitive Rechtsöffnung wurde vom Gerichtspräsidenten von Seftigen mit Entscheid vom 13. Oktober 1986 abgewiesen.
Die von der Ehefrau erhobene Appellation wies der Appellationshof des Kantons Bern am 10. November 1986 ab.
C.-
Gegen diesen Entscheid wendet sich die Ehefrau mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. In der Betreibung Nr. 7020 des Betreibungsamtes Seftigen sei für den Betrag von Fr. 3'986.-- nebst Zins zu 5% seit dem 1. April 1986 definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
J. beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Appellationshof des Kantons Bern hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil im Sinne von
Art. 80 SchKG
, das von einer Behörde des Bundes oder des Betreibungskantons gefällt worden ist, so gewährt der Richter gemäss
Art. 81 Abs. 1 SchKG
die Rechtsöffnung,
BGE 113 III 82 S. 84
wenn der Betriebene nicht durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Urteils getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
Zu prüfen bleibt, ob der Rechtsöffnungsrichter in Willkür verfallen ist, indem er die Einwendung des Beschwerdegegners, die durch Verfügung des Eheschutzrichters ausgewiesene Alimentenforderung von monatlich Fr. 850.-- sei teilweise durch die Auszahlung der IV-Zusatzrente getilgt worden, als zulässige Einrede im Sinne dieser Bestimmung berücksichtigt hat. Ebenso ist zu prüfen, ob der Rechtsöffnungsrichter dabei von einem willkürlichen Verständnis von
Art. 34 IVG
ausgegangen ist, wie die Beschwerdeführerin behauptet.
a) Willkür in der Rechtsanwendung liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu
Art. 4 BV
u.a. dann vor, wenn ein Entscheid eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich verletzt oder sonst in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei genügt es jedoch nicht, wenn sich nur die Begründung des angefochtenen Entscheides als unhaltbar erweist. Die Aufhebung des angefochtenen Entscheides rechtfertigt sich nur, wenn dieser im Ergebnis verfassungswidrig ist (
BGE 110 Ia 3
f.;
108 III 42
;
BGE 106 Ia 314
f.).
b) Gemäss
Art. 34 Abs. 1 IVG
haben rentenberechtigte Ehemänner, denen keine Ehepaarrente zusteht, Anspruch auf eine Zusatzrente für die Ehefrau. Sorgt der Ehemann nicht für die Ehefrau, oder leben die Ehegatten getrennt oder sind sie geschieden, so ist die Zusatzrente nach Absatz 3 dieser Gesetzesbestimmung auf Verlangen der Ehefrau auszubezahlen, wobei abweichende zivilrichterliche Anordnungen vorbehalten bleiben.
Dieser klaren gesetzlichen Vorschrift kann entnommen werden, dass es sich bei der fraglichen Zusatzrente für die Ehefrau um einen Anspruch des Ehemannes handelt. Dies gilt auch dann, wenn die Zusatzrente wie im vorliegenden Fall gestützt auf
Art. 34 Abs. 3 IVG
der Ehefrau ausbezahlt wird, weil die Ehegatten getrennt leben. Denn eine solche Unterhaltsrente dient - unabhängig vom Auszahlungsmodus - grundsätzlich der Erleichterung der Unterhaltspflicht des invalid gewordenen Ehemannes, nicht der Bereicherung des Unterhaltsempfängers (
BGE 103 V 98
; BIGLER-EGGENBERGER, Soziale Sicherung der Frau, S. 129, 137 f.; TH. KOLLER, Die eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung im Verhältnis zum schweizerischen Eherecht, Diss. Bern 1983, S. 144a ff., insbesondere 144d f.; derselbe, AHV und Eherecht
BGE 113 III 82 S. 85
- Standortbestimmung und Ausblick, in: ZBJV 121/1985, S. 317 und 319; vgl. auch BBl 1971 II 1090 f., 1025 in Verbindung mit 1137).
In
BGE 103 V 98
ist zwar zu Recht festgehalten worden, diese Rechtsprechung beziehe sich auf Verheiratete und bei geschiedenen Eheleuten seien die Verhältnisse grundlegend anders geregelt. Zunächst entfalle bei diesen die umfassende Unterhaltspflicht des Ehemannes und, sofern eine solche Unterhaltspflicht überhaupt noch bestehe, beschränke sie sich auf einen Beitrag an den Unterhalt, der vom Richter oder durch Konvention genau begrenzt sei. Hieraus vermag die Beschwerdeführerin jedoch nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, nachdem ihre Ehe nicht geschieden, sondern nur getrennt ist. Entgegen ihrer Auffassung entfällt die eheliche Unterhaltspflicht des Ehemannes im Falle einer Trennung nicht. Dessen Unterhaltsleistungen werden im Trennungsurteil einzig genau festgelegt (vgl. TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., S. 175). Dies rechtfertigt jedoch keineswegs, die getrennte Ehe in bezug auf die Unterhaltsleistungen wie eine geschiedene zu behandeln. Entscheidend bleibt vielmehr, dass die eheliche Unterhaltspflicht des Ehemannes weiterhin Bestand hat. Die Rüge einer willkürlichen Anwendung von
Art. 34 Abs. 3 IVG
, welche die Beschwerdeführerin darin erblickt, dass der Rechtsöffnungsrichter den Wegfall der Unterhaltspflicht des Ehemannes bei der getrennten Ehe als fundamentalen Unterschied zur intakten Ehe nicht beachtet habe, erweist sich daher als unbegründet.
Ob im übrigen bei einer freien Prüfung davon auszugehen wäre, dass die von der Ausgleichskasse erbrachten Leistungen auf die privatrechtliche Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdegegners anrechenbar seien, ist hier nicht zu prüfen (verneinend: BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, N. 106 und 121 der Vorbemerkungen zu
Art. 149-157 ZGB
; Extraits FR, 1964 S. 17 ff.; ebenso
BGE 86 I 140
ff. E. 3 in bezug auf Waisenrenten). Entscheidend bleibt einzig, dass es aufgrund des Umstandes, wonach es sich bei der IV-Zusatzrente gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 IVG
um einen Anspruch des Ehemannes handelt, mit dem diesem grundsätzlich die Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau ermöglicht werden soll, nicht als willkürlich erscheint, wenn von einer solchen Anrechenbarkeit ausgegangen wird.
c) Zum Beweis der erfolgten Zahlung, die im übrigen auch unbestritten ist, hat der Beschwerdegegner eine Bestätigung der AHV-Ausgleichskasse über die an die Beschwerdeführerin erfolgte
BGE 113 III 82 S. 86
Ausrichtung der IV-Zusatzrente eingereicht. Es erscheint nicht als willkürlich, wenn der Rechtsöffnungsrichter angenommen hat, der erforderliche Urkundenbeweis im Sinne von
Art. 81 Abs. 1 SchKG
sei damit geleistet. Wie bei einer Tilgung der Forderung durch Verrechnung nur die Gegenforderung des Schuldners durch Urkunden nachgewiesen werden muss, die übrigen Voraussetzungen der Verrechnung aber sonstwie dargetan werden können (vgl. FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, S. 242), muss es jedenfalls unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür haltbar sein, wenn der Schuldner durch Urkunden lediglich die Zahlung durch einen Dritten nachweist, im übrigen aber sonstwie dartut, dass dadurch ein ihm zustehender Anspruch ins Vermögen des Anspruchsberechtigten übergegangen ist. Angesichts der klaren Rechtslage, wonach es sich bei der Zusatzrente gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 IVG
grundsätzlich um einen Anspruch des Ehemannes handelt, kann dem Rechtsöffnungsrichter auch nicht eine offensichtliche Überschreitung seiner Kompetenz vorgeworfen werden, indem er in unzulässiger Weise über eine heikle materiellrechtliche Frage befunden habe. Ebensowenig geht es um eine Frage, bei der verschiedene Umstände zu beurteilen wären und das Ermessen eine erhebliche Rolle spielen würde.
d) Unbehelflich ist schliesslich der Hinweis auf
Art. 285 Abs. 2 ZGB
. Aus dieser Bestimmung des Kindesrechts, wonach Kinderzulagen, Sozialversicherungsrenten und ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen, die dem Unterhaltspflichtigen zustehen, vorbehältlich einer anderen Regelung durch den (ordentlichen) Richter zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu zahlen sind, lässt sich nichts für eine offensichtliche Kompetenzüberschreitung im vorliegenden Fall herleiten. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f0d682c-7d88-4b34-8901-12bd52bc5ab9 | Urteilskopf
84 III 16
5. Arrêt du 13 févrler 1958 dans la cause Werro. | Regeste
Pfändung eines Grundstücks, das im Grundbuch auf einen andern Namen als denjenigen des Schuldners eingetragen ist.
Art. 10 VZG
und 9 der Anleitung der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1920.
1. Das Widerspruchsverfahren ist auch dann einzuleiten, wenn die im Grundbuch eingetragene Person gestorben ist (Erw. 1).
2. Gegen wen hat der Gläubiger zu klagen? (Erw. 2).
3. Was ist mit dieser Klage zu verlangen? (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 16
BGE 84 III 16 S. 16
A.-
Dans une poursuite dirigée contre dame Edith Scherrer, la créancière, dame Adèle Werro, a requis la saisie de deux immeubles inscrits au registre foncier au nom de Joseph Simon. Considérant que la créancière avait rendu vraisemblable que Simon était décédé et que dame Scherrer, sa fille, était devenue propriétaire des immeubles par succession, l'Office des poursuites de Genève a saisi ces biens en vertu de l'art. 10 al. 1 ORI. Puis, se fondant sur l'al. 2 de cette disposition et l'art. 9 des Instructions
BGE 84 III 16 S. 17
du 7 octobre 1920 de la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral au sujet des formulaires et autres pièces concernant la réalisation forcée des immeubles, il a imparti à la créancière un délai de dix jours pour justifier que "les demandes en vue de l'inscription de l'immeuble au nom de la débitrice" avaient été faites, faute de quoi la saisie tomberait et serait radiée du registre foncier.
B.-
Dame Werro a porté plainte contre cette mesure en concluant à l'annulation du délai imparti et au maintien pur et simple de la saisie.
Par décision du 10 janvier 1958, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a annulé la mesure attaquée et invité l'office des poursuites à impartir à la créancière un délai de dix jours "pour ouvrir action devant le juge compétent contre le ou les ayants droit du propriétaire inscrit décédé afin de faire constater la qualité de propriétaire unique de dame Scherrer".
C.-
La créancière recourt au Tribunal fédéral contre cette décision, en demandant derechef que le délai imparti soit annulé et que la saisie soit déclarée valable.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La recourante prétend qu'aucune procédure d'opposition n'est nécessaire en l'espèce. Cette thèse serait fondée si l'on ne devait appliquer que les art. 106 et suiv. LP. Mais, en vertu de l'art. 10 al. 2 ORI, la saisie d'un immeuble qui n'est pas inscrit au registre foncier au nom du débiteur doit toujours être suivie d'une procédure de revendication. Certes, les autorités de poursuite doivent préalablement apprécier si le créancier a rendu vraisemblable que le débiteur avait acquis la propriété sans inscription au registre foncier. Mais, pour qu'un immeuble inscrit au nom d'un tiers puisse être saisi définitivement et réalisé, il faut que le juge ait constaté le droit de propriété du débiteur. Cette règle vaut également en cas
BGE 84 III 16 S. 18
d'acquisition par succession. En effet, l'art. 10 al. 1 ORI mentionne expressément ce mode de transfert; faute de réserve à l'al. 2, la procédure de revendication prescrite par cette dernière disposition s'impose donc aussi lorsqu'il s'agit de savoir si le débiteur a acquis l'immeuble à titre d'héritier ou de légataire.
Cependant, la recourante soutient qu'une telle action est dénuée d'intérêt pratique. Si la débitrice entendait contester son droit de propriété, dit-elle, elle pouvait porter plainte contre la saisie; en outre, la procédure de revendication serait impuissante à protéger les intérêts d'éventuels cohéritiers inconnus. Cette argumentation n'est pas fondée. Au moment de la saisie, les droits du débiteur sont seulement vraisemblables (art. 10 al. 1 ORI). Devant le juge, en revanche, ils doivent être prouvés. Celui-ci ne peut donc se contenter des déclarations des parties. En l'espèce, il devra constater notamment le décès de la personne inscrite au registre foncier comme propriétaire de l'immeuble, les liens familiaux qui l'unissaient à la débitrice et l'absence d'autres héritiers légaux ou de dispositions testamentaires. De cette façon, les intérêts d'éventuels ayants droit inconnus seront mieux sauvegardés que par l'examen sommaire que l'art. 10 al. 1 ORI impose à l'office des poursuites et il y aura moins de risques que la débitrice se libère en admettant la saisie d'immeubles qui ne lui appartiennent pas.
2.
D'après l'art. 9 des Instructions du 7 octobre 1920, l'action du créancier doit être intentée au propriétaire inscrit au registre foncier. Cette règle ne saurait s'appliquer en cas de transfert par succession, puisque la personne inscrite est décédée. Sur ce point, l'art. 9 des Instructions présente une lacune, qu'il faut remplir en ce sens que la demande doit alors être dirigée contre les ayants cause du propriétaire inscrit. On ne saurait cependant exiger que le créancier actionne de façon certaine tous les ayants droit. Lorsque, comme en l'espèce, il a rendu vraisemblable que le débiteur était le seul héritier du
BGE 84 III 16 S. 19
propriétaire inscrit au registre foncier, le délai prévu par l'art. 9 des Instructions doit lui être assigné pour intenter action au débiteur. C'est donc à tort que la juridiction cantonale a, en l'espèce, invité l'office des poursuites à impartir à la créancière un délai pour actionner "le ou les ayants droit".
3.
D'après l'office des poursuites, l'action de la créancière doit tendre à l'inscription de la débitrice au registre foncier comme propriétaire des immeubles saisis. Cette opinion a été rejetée avec raison par l'autorité de surveillance. Si on l'adoptait, le créancier serait souvent dans l'impossibilité d'obtenir la saisie définitive et la réalisation des immeubles, car il ne peut exiger l'inscription du débiteur sans l'accord de ce dernier et, le cas échéant, celui du propriétaire inscrit ou de ses ayants cause. En réalité, il lui incombe simplement de prouver devant le juge ce que, en vertu de l'art. 10 al. 1 ORI, il doit rendre vraisemblable devant l'office des poursuites. L'action doit donc tendre à ce que l'autorité judiciaire constate que le débiteur est le propriétaire des immeubles saisis bien qu'il ne soit pas inscrit en cette qualité au registre foncier (cf. FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung, I, p. 203).
La recourante conteste cependant qu'une telle action soit recevable en droit genevois, attendu qu'il s'agit pour le demandeur de faire constater, non pas ses propres droits, mais ceux de la partie adverse. Cette objection n'est pas fondée. L'action en constatation ressortit au droit fédéral et elle est ouverte dès qu'elle est nécessaire pour sauvegarder un droit accordé par cette législation (cf. RO 77 II 348; LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3e éd., ad art. 174 rem. 1; LEUCH, Ist die allgemeine Feststellungsklage eidgenössischen Rechts im Sinne von
Art. 56 OG
oder kantonalen Rechts? dans RSJ, 36 [1939-40] p. 293 et suiv.). Ce principe s'applique également lorsque, pour protéger ses droits, une personne doit faire constater ceux d'une autre, comme l'art. 10
BGE 84 III 16 S. 20
al. 2 ORI l'impose au créancier qui veut faire saisir et réaliser un immeuble qui n'est pas inscrit au registre foncier au nom de son débiteur.
4.
Ainsi c'est avec raison que la juridiction cantonale a ordonné à l'office des poursuites d'impartir à la créancière un délai de dix jours pour intenter une action tendante à la constatation du droit de propriété de la débitrice. En revanche, il y a lieu de corriger sa décision en ce sens que la demande devra simplement être dirigée contre dame Scherrer. | null | nan | fr | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f0ebb50-c2f9-44ed-bfae-3d69e3a694c2 | Urteilskopf
123 V 269
48. Arrêt du 29 décembre 1997 dans la cause Fondation institution supplétive LPP contre A. et Tribunal cantonal des assurances, Sion | Regeste
Art. 23,
Art. 24 Abs. 1 und
Art. 26 Abs. 1 BVG
: Entstehung des Anspruchs auf eine Invalidenrente.
Der Invalidenrentenanspruch nach BVG entsteht so lange nicht, als noch Eingliederungsmassnahmen durchgeführt werden und der Versicherte deshalb in den Genuss von Taggeldern der Invalidenversicherung gelangt. | Sachverhalt
ab Seite 269
BGE 123 V 269 S. 269
A.-
A., né en 1965, a été victime d'un accident le 16 juillet 1992. Il travaillait alors au service de M., exploitant d'une entreprise de constructions métalliques. Le cas a été pris en charge par la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA). Par la suite,
BGE 123 V 269 S. 270
l'assurance-invalidité a accordé au prénommé des mesures d'ordre professionnel sous la forme de deux stages successifs dans un centre ORIPH, pour les périodes du 1er juin au 30 novembre 1993 et du 14 février au 13 août 1994. Au terme de ces stages, elle lui a alloué des mesures de reclassement consistant en un apprentissage d'employé de bureau, au centre ORIPH de Pomy, à Yverdon, d'une durée de deux ans à partir du 14 août 1994. La CNA a versé à son assuré des indemnités journalières, qui ont été remplacées par des indemnités journalières de l'assurance-invalidité à partir du 1er juin 1993.
B.-
Le 19 janvier 1993, M. a été affilié d'office à la Fondation institution supplétive LPP avec effet rétroactif au 1er janvier 1992.
Le 22 décembre 1995, A. a assigné cette institution en paiement d'une rente mensuelle d'invalidité de 716 fr. 75 dès le 1er juin 1993, avec intérêts à 5 pour cent l'an.
La défenderesse a conclu au rejet de la demande.
Par jugement du 4 novembre 1996, le tribunal des assurances a fait droit, pour l'essentiel, aux conclusions du demandeur. Il a condamné la défenderesse à verser à celui-ci une rente d'invalidité calculée sur la base d'un revenu de 47'164 fr. 50 dès le 1er juillet 1993 et de 48'975 fr. 30 dès le 2 juin 1995, cela dans les limites d'une éventuelle surindemnisation.
C.-
La Fondation institution supplétive LPP interjette un recours de droit administratif dans lequel elle conclut à l'annulation de ce jugement et au rejet de la demande.
A. conclut au rejet du recours. De son côté, l'Office fédéral des assurances sociales propose de l'admettre.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En vertu de l'
art. 23 LPP
, ont droit aux prestations d'invalidité les personnes qui sont invalides à raison de 50 pour cent au moins au sens de l'assurance-invalidité, et qui étaient assurées lorsqu'est survenue l'incapacité de travail dont la cause est à l'origine de l'invalidité. Selon l'
art. 24 al. 1 LPP
, l'assuré a droit à une rente entière d'invalidité s'il est invalide à raison des deux tiers au moins, au sens de l'assurance-invalidité, et à une demi-rente s'il est invalide à raison de 50 pour cent au moins.
2.
La recourante ne conteste pas que l'intimé puisse en principe prétendre de sa part le versement d'une rente d'invalidité en raison de l'incapacité de gain qui résulterait de l'accident du 16 juillet 1992. Mais elle fait valoir qu'un droit éventuel de l'intimé à une telle rente ne saurait
BGE 123 V 269 S. 271
prendre naissance aussi longtemps que ce dernier a droit à des indemnités journalières de l'assurance-invalidité.
a) Comme cela ressort des dispositions précitées, la LPP ne définit pas la notion d'invalidité, mais elle se borne à renvoyer, sur ce point, aux dispositions de la LAI (voir aussi l'
art. 1er al. 1 let
. d et l'
art. 4 OPP 2
). De même, elle ne contient aucune disposition à propos de la naissance du droit à la rente. En effet, l'
art. 26 al. 1 LPP
déclare à ce sujet applicable, par analogie, l'
art. 29 LAI
.
En matière de prévoyance professionnelle obligatoire, il existe donc une relation étroite, voulue par le législateur, entre le droit à une rente d'invalidité en vertu du premier pilier et celui à une rente du même genre du deuxième pilier (Message du Conseil fédéral à l'appui d'un projet de loi sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité, du 19 décembre 1975, FF 1976 I 142 et 200; Viret, L'invalidité dans la prévoyance professionnelle selon la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances, RSA 1997 p. 103; Greber, Les prestations relatives à l'invalidité servies par d'autres régimes que l'AI, in: Cahiers genevois de sécurité sociale 1988, no 3/4, p. 74; Moser, Die Zweite Säule und ihre Tragfähigkeit, thèse Bâle 1992, p. 189). La notion d'invalidité est la même dans les deux cas: elle représente la diminution permanente ou de longue durée, résultant d'une atteinte à la santé assurée, des possibilités de gain sur le marché du travail équilibré qui entre en ligne de compte pour l'intéressé. C'est pourquoi l'institution de prévoyance est en principe liée, lors de la survenance du fait assuré, par l'estimation de l'invalidité par les organes de l'assurance-invalidité (
ATF 120 V 108
sv. consid. 3c,
ATF 118 V 40
consid. 2b/aa,
ATF 115 V 210
consid. 2b et 212 consid. 2c, 218 consid. 4b et 220 sv. consid. 4c). Cette force contraignante vaut aussi quand il s'agit de déterminer le moment de la naissance du droit à la rente (
ATF 118 V 39
sv. consid. 2b/aa,
ATF 115 V 214
; Viret, loc. cit., p. 105 sv. ad ch. 8); autrement dit, la personne à laquelle l'assurance-invalidité a accordé une rente a également droit à une rente de l'institution de prévoyance, avec effet à la même date (RSAS 1997 p. 552 consid. 1).
b) Selon l'
art. 29 al. 1 LAI
, le droit à la rente au sens de l'
art. 28 LAI
prend naissance au plus tôt à la date à partir de laquelle l'assuré présente une incapacité de gain durable de 40 pour cent au moins (let. a) ou à partir de laquelle il a présenté, en moyenne, une incapacité de travail de 40 pour cent au moins pendant une année sans interruption notable (let. b). La réadaptation est toutefois le but premier de l'assurance-invalidité. Ce n'est que lorsque ce but ne peut pas être
BGE 123 V 269 S. 272
atteint que l'assuré peut prétendre une rente. C'est le principe dit de la priorité de la réadaptation sur la rente (
ATF 121 V 191
consid. 4a).
Lorsque, conformément à ce principe, l'assurance-invalidité met en oeuvre des mesures de réadaptation, l'assuré a droit à des indemnités journalières, aux conditions fixées par l'
art. 22 LAI
. S'il est apte à être réadapté, mais que les mesures de réadaptation ne sont pas ordonnées immédiatement, il a droit à des indemnités journalières dites d'attente, conformément à l'
art. 18 RAI
(
ATF 121 V 192
sv. consid. 4c, 116 V 86). Les dispositions de la LAPG qui régissent le montant, le mode, le calcul et les taux maximums des allocations s'appliquent aux indemnités journalières (
art. 24 al. 1 LAI
). L'
art. 24 al. 2 LAI
précise que pour le calcul de l'indemnité journalière revenant à un assuré ayant exercé une activité lucrative, le revenu du travail acquis dans sa dernière activité exercée en plein sera déterminant. Si l'incapacité de travail découle d'un accident et que l'assuré est soumis à la LAA, l'indemnité journalière de l'assurance-accidents n'est pas allouée lorsque l'assuré a droit à une indemnité journalière de l'assurance-invalidité (
art. 16 al. 3 LAA
). Mais le montant total de la seconde correspond au moins à celui de la première (
art. 25bis LAI
).
c) Compte tenu de l'interdépendance - exprimée notamment par l'
art. 26 al. 1 LPP
- qui relie les prestations d'invalidité du deuxième pilier à celles du premier pilier, l'assuré qui n'a pas droit à une rente de l'assurance-invalidité au terme de la période de carence d'une année selon l'
art. 29 al. 1 let. b LAI
, en raison de l'exécution de mesures de réadaptation, ne peut pas non plus prétendre une rente de la prévoyance professionnelle obligatoire. Les termes "par analogie", dont use l'
art. 26 al. 1 LPP
, pourraient certes donner à penser, de prime abord, que l'institution de prévoyance dispose à ce sujet d'un certain pouvoir d'appréciation. Ces termes ne figuraient toutefois pas dans la version initiale de l'
art. 26 al. 1 LPP
(RO 1983 797). Ils y ont été insérés par une modification rédactionnelle apportée dans le cadre de la deuxième révision de la LAI pour des motifs tout à fait étrangers au problème ici en discussion. Il s'est agi, en effet, de tenir compte de l'introduction, dans la LAI, d'un système plus affiné d'échelonnement des rentes (introduction du quart de rente), alors que la LPP connaît un système de rentes à deux échelons seulement (Message concernant la deuxième révision de l'assurance-invalidité du 21 novembre 1984, FF 1985 I 82).
BGE 123 V 269 S. 273
Aussi bien doit-on admettre que le droit à une rente d'invalidité de la prévoyance professionnelle ne prend pas naissance tant que des mesures de réadaptation ne sont pas terminées et que l'assuré est de ce fait au bénéfice d'indemnités journalières de l'assurance-invalidité. Cette solution respecte la volonté de coordination du législateur entre le premier et le deuxième pilier et elle est, au demeurant, en accord avec la doctrine qui s'est exprimée sur le sujet (Moser, op.cit., p. 203 sv.; du même auteur, Eine Gesetzesnorm sorgt für Verunsicherung: Weitere Fragen zu Art. 23 BVG, RSAS 1997, p. 123, note 9; Brühwiler, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, § 22, notes 37 et 40; Peter, Die Koordination von Invalidenrenten, thèse Fribourg 1997, p. 146 ad ch. III). Elle tient compte, en outre, des buts différents qui sont assignés aux indemnités journalières et aux rentes. Les premières sont destinées à fournir aux assurés un revenu de substitution, qui doit remplacer en tout ou partie la perte de salaire occasionnée temporairement; calculées, pour les personnes ayant exercé une activité lucrative, en fonction du salaire antérieur, les indemnités journalières de l'assurance-invalidité remplissent précisément ce but. Les rentes représentent, quant à elles, un revenu de substitution en cas d'invalidité, c'est-à-dire de perte définitive ou du moins de longue durée de la capacité de gain (voir à ce sujet Duc, Les assurances sociales en Suisse, p. 417).
Cette solution s'inscrit enfin dans un système de coordination plus général qui tend à éviter, dans la prévoyance professionnelle, le cumul d'un revenu temporaire de substitution avec une rente qui serait due en vertu de la LPP. C'est ainsi que les institutions de prévoyance sont autorisées, sous certaines conditions et moyennant une base statutaire ou réglementaire, à différer un droit aux prestations d'invalidité - qui a pris naissance selon les
art. 26 al. 1 LPP
et 29 LAI - jusqu'à épuisement des indemnités journalières d'assurance-maladie (
art. 27 OPP 2
en corrélation avec les art. 26 al. 2 et 34 al. 2 LPP; voir
ATF 120 V 58
; RSAS 1994 p. 232).
d) Rien ne s'oppose cependant à ce que les institutions de prévoyance adoptent une réglementation plus favorable aux assurés sur le début du droit à la rente, ce qui peut être le cas, en particulier, lorsque l'institution adopte dans ses statuts une notion de l'invalidité plus large que celle qui résulte de la LAI, conformément à l'autonomie que lui réserve l'
art. 49 al. 2 LPP
(
ATF 120 V 108
consid. 3c, 118 V 40 consid. 2b/aa, 115 V 211 sv. consid. 2b, 219 sv. consid. 4b; cf. aussi Peter, op.cit., p. 292 ch. 3).
BGE 123 V 269 S. 274
3.
En l'espèce, l'intimé a bénéficié d'indemnités journalières de l'assurance-accidents jusqu'au 31 mai 1993, prestations qui ont été remplacées, dès le 1er juin 1993, par des indemnités de même nature de l'assurance-invalidité.
D'autre part, l'institution supplétive de la LPP est une institution de prévoyance (
art. 60 al. 1 LPP
) qui est chargée de mettre en oeuvre la prévoyance professionnelle obligatoire pour diverses catégories de personnes, notamment les travailleurs au service d'employeurs qui ne se conforment pas à l'obligation de s'affilier à une institution de prévoyance (
art. 60 al. 2 let. a LPP
). Elle alloue les prestations légales aux salariés ou à leurs survivants même si l'employeur ne s'est pas encore affilié à une institution de prévoyance (
art. 12 LPP
). Elle applique la LPP et ses dispositions d'exécution et elle ne verse donc pas de prestations qui vont au-delà des exigences minimales prévues par la loi (
art. 6 LPP
). Dans ce cadre, elle était par conséquent en droit, en l'espèce, de refuser d'accorder une rente d'invalidité à l'intimé aussi longtemps que ce dernier bénéficiait des indemnités journalières en cause.
Le recours de droit administratif se révèle ainsi bien fondé.
4.
(Frais et dépens) | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4f312bb0-63d6-4e6a-81f5-7cb73ebc607d | Urteilskopf
110 Ia 131
27. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 15 octobre 1984 dans la cause Komplex contre Fratelli Rossi & S.p.A. (recours de droit public) | Regeste
Art. 36 lit. f des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit.
Die Parteien, selbst wenn sie im Ausland wohnen, können nicht zum voraus auf das ihnen mit dieser Bestimmung eingeräumte Beschwerderecht verzichten. | Sachverhalt
ab Seite 131
BGE 110 Ia 131 S. 131
La société Komplex, à Budapest, et la société italienne Fratelli Rossi & Co. S.p.A. sont convenues de soumettre leurs éventuels litiges à un tribunal arbitral, ayant son siège à Berne et désigné par la Chambre de commerce internationale à Paris.
Les accords passés entre parties prévoyaient que la sentence prononcée par le tribunal arbitral siégeant à Berne serait inattaquable et exécutoire (unanfechtbar und vollstreckbar), et que leur différend serait jugé de manière définitive (risolte in modo definitivo), conformément au règlement de conciliation et d'arbitrage de la Chambre de commerce internationale. Ce règlement stipule à son art. 24:
"Caractère définitif et exécutoire de la sentence.
La sentence arbitrale est définitive.
Par la soumission de leur différend à l'arbitrage de la Chambre de
commerce internationale, les parties s'engagent à exécuter sans délai la
sentence à intervenir et renoncent à toutes voies de recours auxquelles
elles peuvent renoncer."
Dans le cadre d'un procès arbitral entre parties, le tribunal arbitral siégeant à Berne a rendu une sentence partielle en date des 8 novembre 1982/7 mars 1983.
BGE 110 Ia 131 S. 132
Komplex s'est pourvue en nullité contre cette sentence auprès de la Cour d'appel du canton de Berne. Elle a conclu à sa nullité en invoquant des contradictions entre ses considérants et son dispositif et le caractère arbitraire de la décision et de plusieurs de ses considérants.
Par arrêt du 21 mars 1984, la Cour d'appel a déclaré irrecevable le recours en nullité. Elle s'est fondée sur l'accord passé par les parties dans leurs différents contrats et prévoyant sans réserve que les sentences du tribunal arbitral seraient considérées comme définitives. Elle a tenu compte du fait que l'on était en présence d'un arbitrage international, entre des parties non domiciliées en Suisse, et a estimé que dans ce cas la volonté des parties était prépondérante et l'emportait sur les dispositions du concordat sur l'arbitrage conférant un caractère impératif aux règles relatives au recours en nullité.
Erwägungen
Extrait des motifs:
2.
a) L'autorité cantonale a déclaré irrecevable le recours porté devant elle en prétendant se fonder sur l'avis de la majorité de la doctrine, voire de la jurisprudence. Or les auteurs et la jurisprudence invoqués ne font que marquer une tendance ou des desiderata en faveur d'un droit suisse de l'arbitrage international accordant une plus grande importance à la volonté des parties (cf. KLEIN, in Stabilité et jurisprudence du droit dans la jurisprudence du Tribunal fédéral, p. 487 ss, spéc. 497-501). Mais ces avis ne peuvent pas, de lege lata, aller à l'encontre du texte parfaitement clair du concordat. Même l'auteur le plus critique invoqué par l'autorité cantonale s'en prend en réalité au fait que l'art. 1er al. 3 du concordat rend impératif l'entier de l'art. 36 sans exclure la lettre f, qui n'est pas d'ordre public; mais cette critique ne peut avoir de valeur que de lege ferenda (WENGER, in L'arbitrage international privé et la Suisse, Colloque d'avril 1976, Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, No 53, p. 25 et 27; le même auteur in Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, t. 1, 1979, p. 70/71). En présence de l'art. 1er al. 1 et 3 qui dispose, d'une part, que le concordat s'applique à toute procédure dont le siège se trouve sur le territoire de l'un des cantons concordataires et, d'autre part, que l'art. 36 est impératif, il est impossible à un tribunal suisse de nier le caractère impératif - même s'il n'est pas d'ordre public - de l'art. 36 lettre f à propos
BGE 110 Ia 131 S. 133
d'un arbitrage qui, comme en l'espèce, se déroule dans un canton concordataire. Du moment que le concordat ne contient de dispositions dérogatoires ou spécifiques ni à l'égard des parties domiciliées en dehors des cantons concordataires, ni à propos de l'arbitrage international, il n'est pas possible de s'écarter de cette disposition, même s'agissant de parties domiciliées à l'étranger. Celles-ci ne sauraient donc, en l'état, renoncer d'avance à la possibilité de recours qui leur est offerte.
Contrairement à ce que laisse entendre l'arrêt attaqué, la majorité de la doctrine et la jurisprudence ont toujours admis ou confirmé le caractère impératif de l'art. 36 lettre f, quel que soit le domicile des parties (ATF 102 Ia 501; arrêt non publié du 8 juillet 1981 Società Ceramica Italiana Pozzi Richard Ginori, consid. 4 in fine; DUTOIT/KNOEPFLER/LALIVE/MERCIER, Répertoire de droit international privé suisse, 1., p. 256, No 62, p. 335/336, Nos 420 à 423, et la stricte jurisprudence vaudoise citée; POUDRET/REYMOND/WURZBURGER, in JdT 1981 III 70; JOLIDON, Commentaire du concordat suisse sur l'arbitrage, p. 496; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, p. 334/335, et les références citées par ces auteurs).
Quant au projet de loi fédérale sur le droit international privé suisse (cf. FF 1983 I 255 ss, 451), il prévoit à son art. 178 que les parties non domiciliées en Suisse peuvent convenir d'exclure tout recours devant les tribunaux suisses contre les décisions du tribunal arbitral rendues sur le fond. Il s'agit là d'une disposition qui, avec quelques autres, déroge au droit cantonal et notamment au concordat (cf. VOYAME, L'Etat et l'arbitrage commercial international, in Recueil de travaux suisses sur l'arbitrage international, 1984, p. 20; LALIVE, Problèmes spécifiques de l'arbitrage international, in Revue de l'arbitrage, 1980, p. 361/362); c'est donc dire que, dans la situation actuelle, le concordat ne prévoit rien de tel.
Dès lors, c'est à tort que l'autorité cantonale a nié en l'espèce le caractère impératif de l'art. 36 lettre f du concordat et qu'elle n'est pas entrée en matière sur le recours interjeté devant elle. Le présent recours doit, partant, être admis. | public_law | nan | fr | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4f31523e-0766-4eb7-aa63-b5681fffbaa8 | Urteilskopf
84 II 151
22. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. April 1958 i.S. Erbengemeinschaft Roth gegen Fries und Abt. | Regeste
Reugeld,
Art. 158 Abs. 3 OR
.
Begriff (Erw. 2).
Reugeld ist nur geschuldet, wenn der Pflichtige aus freiem Willen vom Vertrag zurücktritt oder dessen Erfüllung schuldhaft vereitelt (Erw. 2).
Anwendung auf das Scheitern des Verkaufs der Liegenschaft einer Erbengemeinschaft an der Nichtzustimmung der Ehemänner von Miterbinnen zur Fertigung (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 84 II 151 S. 151
A.-
Die Erbengemeinschaft Roth-Oeschger besteht aus sechs Erben, worunter die Frauen Johanna Scherl-Roth und Maria Luisa Bochsler-Roth, die mit ihren Ehemännern unter dem Güterstand der Güterverbindung leben.
Die Erbengemeinschaft war Eigentümerin einer Liegenschaft in Dietikon. Mit schriftlicher Vollmacht vom 16. Juni 1956 bevollmächtigte die Erbengemeinschaft den Miterben Walter Roth, "den Verkauf der obgenannten Liegenschaft mit Kauf-Interessenten aufzunehmen und die Handänderung im Grundbuch vorzunehmen". Diese Vollmachtserklärung wurde von sämtlichen Miterben unterzeichnet, nicht dagegen auch von den Ehemännern Scherl und Bochsler.
Am 5. Oktober 1956 wurde auf dem Notariat Schlieren ein Kaufvertrag öffentlich beurkundet, wonach die Erbengemeinschaft
BGE 84 II 151 S. 152
die erwähnte Liegenschaft zum Preise von Fr. 96'840.-- an den Schreinermeister Fries und Rechtsanwalt Dr. Abt zu Gesamteigentum verkaufte. Für die Erbengemeinschaft handelte gestützt auf die oben wiedergegebene Vollmacht der Miterbe Walter Roth, der von seinem Bruder Josef Roth begleitet war. Von der Gegenseite erschien der Käufer Fries, der auch Dr. Abt vertrat.
Die Käufer leisteten bei der Beurkundung eine Anzahlung von Fr. 10'000.--. Im Zusammenhang damit wurde in den Vertrag die folgende Bestimmung aufgenommen:
"Die Parteien vereinbaren, dass diese Anzahlung gleichzeitig als gegenseitiges Reugeld im Falle des Rücktrittes von diesem Vertrag gelten soll. Sollten die Käufer vom Vertrag zurücktreten, so haben sie die geleistete Anzahlung von Fr. 10'000.-- zurückzuerstatten plus Fr. 10'000.-- als Reugeld."
Nach den "Weiteren Bestimmungen" des Vertrages sollte die Eigentumsübertragung (grundbuchliche Fertigung) bis spätestens 15. Dezember 1956 stattfinden (Ziff. 1). Gemäss Ziff. 7 sodann hatte "der Vertreter der Käuferschaft dafür besorgt zu sein, dass das Wohnhaus anlässlich der Eigentumsübertragung leer ist, d.h. dass alle drei Wohnungen zur Verfügung der Käuferschaft stehen".
Die Eintragung dieses Kaufvertrages im Grundbuch unterblieb, weil die Ehemänner Scherl-Roth und Bochsler-Roth ihre Zustimmung dazu verweigerten. Als Grund hiefür wurde angegeben, dass der Ehemann Scherl die Wohnung, die er mit seiner Familie im verkauften Hause bewohnte, auf den 15. Dezember 1956 hätte räumen müssen und befürchtete, bis dahin keine neue Unterkunft zu finden, weil die Räumung nicht auf einen üblichen Kündigungstermin fiel.
Versuche zu einer anderweitigen Regelung scheiterten. Am 13. November 1956 wurde das Wohnhaus auf dem Wege des partiellen Erbteilungsverfahrens um Fr. 45'000.-- der Miterbin Frau Scherl-Roth zugewiesen. Gleichentags wurde der übrige Teil der Liegenschaft für Fr. 63'000.-- an einen Dritten verkauft. Am 26. November 1956 erstatteten
BGE 84 II 151 S. 153
die Erben Roth die beim Vertragsabschluss vom 5. Oktober erhaltene Anzahlung von Fr. 10'000.-- zurück.
B.-
Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger von den Erben Roth solidarisch die Bezahlung des im Kaufvertrag vom 5. Oktober 1956 vereinbarten Reugeldes von Fr. 10'000.-- nebst Zins gefordert. Zur Begründung machten sie geltend, die Ehemänner Scherl und Bochsler hätten der dem Miterben Walter Roth erteilten Vollmacht zum Verkauf der Liegenschaft ausdrücklich oder doch auf jeden Fall stillschweigend zugestimmt. Abgesehen hievon hätten die Miterbinnen Frau Scherl und Frau Bochsler den Kaufvertrag als blosses Verpflichtungsgeschäft auch ohne die Zustimmung der Ehemänner abschliessen können; diese wäre lediglich für das Verfügungsgeschäft, d.h. für die Eintragung im Grundbuch, erforderlich gewesen. Der Kaufvertrag sei somit rechtsgültig zustande gekommen. Da die Beklagten von ihm zurückgetreten seien, hätten sie das vereinbarte Reugeld zu bezahlen.
Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage. Sie bestritten das Vorliegen einer Zustimmung der Ehemänner Scherl und Bochsler und nahmen den Standpunkt ein, mangels einer solchen Zustimmung sei der Kaufvertrag vom 5. Oktober 1956 einschliesslich der darin enthaltenen Reugeldvereinbarung überhaupt nicht zustande gekommen.
C.-
Das Bezirksgericht Zürich und das Obergericht Zürich schützten die Klage mit der Einschränkung, dass die beiden Beklagten Frau Scherl und Frau Bochsler nur mit ihrem Sondergut haftbar seien.
Dem Entscheid beider kantonalen Instanzen liegt die Rechtsauffassung zugrunde, die in Güterverbindung lebende Ehefrau könne auch ohne Zustimmung des Ehemannes rechtsgültig einen Vertrag über den Verkauf einer zum Frauengut gehörenden Liegenschaft abschliessen; denn das Gesetz schränke ihre Verpflichtungsfähigkeit nicht ein, sondern es verlange lediglich für die Verfügung über das eingebrachte Frauengut, d.h. für die Eintragung des Kaufvertrages
BGE 84 II 151 S. 154
im Grundbuch, die Zustimmung des Ehemannes. Der Miterbe Walter Roth habe daher auf Grund der Vollmacht aller übrigen Miterben den Kaufvertrag vom 5. Oktober 1956 samt der darin vorgesehenen Reugeldvereinbarung gültig eingehen können. Da die Beklagten vom Vertrag zurückgetreten seien, indem sie die Liegenschaft anderweitig verkauften, sei das Reugeld zur Zahlung fällig geworden. Die Frage, ob die Ehemänner Scherl und Bochsler gemäss der Behauptung der Kläger der Vollmacht für den Miterben Walter Roth zugestimmt hatten, erachteten die kantonalen Instanzen als unwesentlich.
D.-
Gegen das Urteil des Obergerichts vom 31. Oktober 1957 erklärten die Beklagten die Berufung mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage.
Die Kläger beantragen Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu weiteren Beweiserhebungen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beklagten halten daran fest, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bei Güterverbindung schon der öffentlich beurkundete Vertrag über den Verkauf einer zum eingebrachten Frauengut gehörenden Liegenschaft zu seiner Gültigkeit der Zustimmung des Ehemannes bedürfe. Wie es sich damit verhält, braucht indessen im vorliegenden Fall zunächst nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn der Auffassung der Vorinstanz beizupflichten wäre (die z.B. auch geteilt wird von KNAPP, Le régime matrimonial de l'union des biens, S. 126 Nr. 414, S. 150 Nr. 488/9), so würde dies nicht notwendigerweise zur Gutheissung des von den Klägern eingeklagten Reugeldanspruchs führen. Die gegenteilige Meinung, die im angefochtenen Entscheid zum Ausdruck kommt, beruht auf einer Verkennung des Begriffs des Reugeldes im Sinne von
Art. 158 Abs. 3 OR
.
2.
Was unter einem Reugeld zu verstehen ist, wird
BGE 84 II 151 S. 155
im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt.
Art. 158 Abs. 3 OR
bestimmt lediglich, dass bei Verabredung eines Reugeldes der Geber gegen Zurücklassung des bezahlten und der Empfänger gegen Erstattung des doppelten Betrages vom Vertrag zurücktreten könne.
Der Wortlaut der in Frage stehenden Vertragsbestimmung lässt keinen Zweifel darüber bestehen, dass die Parteien eine Reugeldvereinbarung im Sinne der genannten Gesetzesvorschrift einzugehen beabsichtigten. Sie haben nicht nur festgehalten, dass die von den Klägern geleistete Anzahlung von Fr. 10'000.-- "als gegenseitiges Reugeld im Falle des Rücktritts vom Vertrage" gelten solle, sondern sie haben überdies noch ausdrücklich Inhalt und Rechtsfolgen der getroffenen Abrede in einer dem Wortlaut von
Art. 158 Abs. 3 OR
entsprechenden Weise umschrieben.
Aus den rechtlichen Folgen, die das Gesetz an die Reugeldvereinbarung knüpft, ergibt sich, dass Reugeld eine Vergütung ist, die ein Teil für die Ausübung eines ihm vertragsmässig vorbehaltenen Rücktrittsrechtes dem andern Teil zu entrichten verspricht (KLANG, Kommentar zu österreich. ABGB Bd. II/2 Nr. 1 zu § 909). Es handelt sich somit beim Reugeld um eine Vergütung für ein Rücktrittsrecht, das dem Berechtigten im Sinne einer sogenannten alternativen Ermächtigung (v. TUHR-SIEGWART OR I S. 74 IV) eingeräumt wurde; er hat die Wahl, den Vertrag zu erfüllen oder von ihm gegen die Erlegung des Reugeldes zurückzutreten. Welche der beiden ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten er wählen will, ist in sein freies Belieben gestellt. Insbesondere kann er vom Vertrage auch dort zurücktreten, wo ihm ein gesetzliches Rücktrittsrecht sonst nicht zustehen würde. In diesem freien Belieben des Berechtigten liegt das eigentliche Merkmal der Reugeldvereinbarung. Das gilt auch, wenn man ein Wahlrecht des Berechtigten ablehnen und von einem blossen Reurecht (licentia paenitendi) sprechen wollte (so BECKER OR, 2. Aufl., Art. 158 N. 7). Da es dem Berechtigten
BGE 84 II 151 S. 156
anheimgestellt bleibt, ob er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen will oder nicht, kann er von der Gegenpartei nicht zu dessen Ausübung gezwungen werden. Diese hat auch nicht etwa einen alternativen Anspruch auf Erfüllung des Vertrags oder Bezahlung des Reugeldes nach Wahl des Schuldners, sondern nur einen Erfüllungsanspruch (KLANG, op.cit. § 909, N. 2 am Ende). Der Schuldner kann daher nie auf Geltendmachung des Reurechtes und auf Bezahlung des Reugeldes verurteilt werden, sondern bloss aus der Geltendmachung des Reurechtes (BECKER, OR Art. 158 N. 9).
Ist aber die Ausübung des Reurechtes grundsätzlich in das Belieben des Berechtigten gestellt, so kann das Reugeld in der Regel nicht verfallen sein, wo der Entscheid Dritter eingreift oder andere, ausserhalb des Willensbereichs des Trägers des Reurechts liegende Umstände die Erfüllung des Vertrages hindern; denn in einem solchen Falle fehlt es an einem auf dem blossen Willensentschluss des Schuldners beruhenden Rücktritt vom Vertrag. Dann hat man es vielmehr mit einem gewöhnlichen Fall der Nichterfüllung nach
Art. 97 OR
zu tun, aus welcher der Schuldner schadenersatzpflichtig wird, sofern er nicht zu beweisen vermag, dass ihn kein Verschulden trifft.
Dagegen ist das Reugeld trotz fehlender Rücktrittserklärung auch verfallen, wenn der Träger des Reurechts die Vertragserfüllung schuldhaft vereitelt. Das ist in OR Art. 158 Abs. 3 zwar (im Gegensatz zu § 911 ABGB) nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus den allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen des schweizerischen Rechts. Es wäre in der Tat mit Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn eine Vertragspartei sich der Pflicht zur Entrichtung eines Reugelds durch schuldhafte Vereitelung der Vertragserfüllung entziehen könnte.
3.
Nach diesen Grundsätzen können im vorliegenden Fall die Kläger nur dann Anspruch auf das vereinbarte Reugeld erheben, wenn das Scheitern des Kaufvertrages vom 5. Oktober 1956 auf den freien Willensentschluss der
BGE 84 II 151 S. 157
Beklagten zurückzuführen ist. Diese Voraussetzung wäre erfüllt, falls die Ehemänner Scherl und Bochsler der Vollmachtserteilung durch ihre Ehefrauen an Walter Roth und damit dem Verkauf der Liegenschaft ausdrücklich oder mindestens stillschweigend zugestimmt hätten, wie die Kläger dies schon im kantonalen Verfahren stets behauptet und zum Beweis verstellt haben. Auf Grund eines solchen Einverständnisses wären nämlich die beiden Ehemänner gehalten gewesen, auch ihre Zustimmung zum Eintrag des Kaufvertrages im Grundbuch zu geben, auf deren Vornahme die dem Walter Roth erteilte Vollmacht sich ebenfalls erstreckte. Denn sowohl die Vollmacht zum Abschluss eines Kaufvertrages über eine Liegenschaft als auch die ehemännliche Einwilligung zur Verfügung über eine Liegenschaft des Frauengutes sind formlos gültig und können somit auch mündlich oder sogar stillschweigend, durch schlüssiges Verhalten, erteilt werden (vgl. einerseits
BGE 81 II 231
; OSER/SCHÖNENBERGER OR Art. 216 N. 11; anderseitsBGE 59 II 10,
BGE 52 II 190
; EGGER ZGB, 2. Aufl., Art. 203 N. 5 in Verbindung mit Art. 202 N. 9; KNAPP S. 132 Nr. 430). Wenn die Ehemänner trotz anfänglichen Einverständnisses hinterher ihre Zustimmung zum Eintrag des Kaufvertrages im Grundbuch verweigerten, dann hätten die Beklagten, insbesondere die beiden Ehefrauen Scherl und Bochsler, diese Zustimmung (wenn nötig durch gerichtliches Vorgehen) erzwingen können. Machten in einem solchen Falle die Beklagten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und fanden sie sich mit der Weigerung der Ehemänner Scherl und Bochsler ab, indem sie die Liegenschaft anderweitig verkauften, so beruhte die Nichterfüllung des mit den Klägern geschlossenen Kaufvertrags auf ihrem freien Willensentschluss und zog die Pflicht zur Entrichtung des vereinbarten Reugeldes nach sich.
Sofern jedoch die Ehemänner Scherl und Bochsler gemäss der Darstellung der Beklagten der Vollmacht an Walter Roth nie, weder ausdrücklich noch stillschweigend, zugestimmt hatten, so waren sie auch berechtigt, die Einwilligung
BGE 84 II 151 S. 158
zum Eintrag des Kaufvertrages vom 5. Oktober 1956 zu verweigern. In diesem Falle hätte den Beklagten kein Mittel zu Gebote gestanden, um die erforderliche Zustimmung zu erwirken. Die Nichterfüllung des Vertrags mit den Klägern wäre somit nicht von ihnen zu vertreten gewesen und es stände den Klägern darum kein Reugeldanspruch zu. ..
Ist aber die Frage des Einverständnisses der Ehemänner Scherl und Bochsler mit der Vollmacht entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen von ausschlaggebender Bedeutung, so muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu ihrer Abklärung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f31848f-a9db-4ca0-9c8a-d59a7a7c643a | Urteilskopf
97 I 67
11. Sentenza del 12 febbraio 1971 nella causa Confederazione svizzera contro Consorzio Airolo per la manutenzione delle strade. | Regeste
Verwaltungsrechtliche Klage betreffend die Befreiung von kantonalen Abgaben (
Art. 116 lit. f OG
).
1. Die Vorzugslast, die eine vom Kanton für Aufgaben von öffentlichem Interesse errichtete Korporation mit Beitrittszwang den Beteiligten auferlegt, ist eine kantonale Abgabe im Sinne der zitierten Bestimmung (Erw. 1 a und b).
2. Die Klage ist nicht an eine Frist gebunden. Beklagte Partei ist die Korporation, welche die Abgabe erhebt (Erw. 2).
3. Die in Art. 10 BG über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft vom 26. März 1934 vorgesehene Befreiung von den direkten kantonalen Steuern gilt für die Vorzugslasten nicht (Erw. 4).
4. Recht der PTT-Betriebe, in öffentlichen Strassen ohne Entschädigung Kabel zu legen und die Strassen unentgeltlich zu benützen (
Art. 5 ElG
) (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 97 I 67 S. 68
A.-
Nel 1955 venne costituito ad Airolo un Consorzio per il raggruppamento dei terreni ai sensi del diritto cantonale ticinese. Fu chiamata a parteciparvi, sebbene non possedesse alcun fondo nel comprensorio, anche l'Amministrazione dei telefoni: e ciò in virtù dell'art. 6 cpv. 2 della legge cantonale sul raggruppamento e la permuta dei terreni del 13 dicembre 1949 (LRPT), secondo il quale l'autorità può includere nel consorzio persone od enti "aventi proprietà o interessi fuori del comprensorio, quando dall'opera di raggruppamento derivi loro un vantaggio rilevante". La citata Amministrazione partecipò alle spese di raggruppamento con un contributo di fr. 2500.--. Terminate le opere di raggruppamento, la Delegazione chiese al Consiglio di Stato del cantone Ticino di poter costituire un consorzio per la manutenzione delle strade. L'esecutivo cantonale dichiarò, con decreto del 6 settembre 1968, le opere di manutenzione di pubblica utilità, consentì alla costituzione del consorzio e approvò le planimetrie stradali e il piano di finanziamento. Quest'ultimo prevede, per la manutenzione delle strade consortili che non passano nella proprietà del Comune, una spesa annua dell'ordine di fr. 15 000.--. L'Amministrazione dei telefoni è inclusa nel consorzio di manutenzione, e chiamata a partecipare alla copertura delle spese nella misura del 2%: e ciò in virtù dell'art. 4 della legge ticinese sui consorzi del 21 luglio 1913 (LC) secondo il quale devono far parte del consorzio "tutti i privati e le persone giuridiche, comprese quelle di diritto pubblico, ai quali dalle opere ridondi un utile".
L'Amministrazione dei telefoni contestò la propria inclusione
BGE 97 I 67 S. 69
nel consorzio davanti al Consiglio di Stato del cantone Ticino; questa autorità, con risoluzione del 23 maggio 1969, respinse tuttavia il gravame. Essa rilevò che la ricorrente utilizza le strade consortili, segnatamente per la posa di un cavo, e che il contributo del 2% posto a suo carico è, nella sua modicità, equo e giustificato.
B.-
L'11 novembre 1969 la Confederazione svizzera (Azienda delle PTT) propone davanti al Tribunale federale un'azione di diritto amministrativo ai sensi dello art. 116 lett. f OG. Essa chiede di accertare che l'Amministrazione dei telefoni non deve alcun contributo per l'utilizzazione delle strade del consorzio.
Il Consorzio Airolo per la manutenzione delle strade propone di dichiarare l'azione irricevibile, in via subordinata di respingerla.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Giusta l'art. 116 lett. f OG, il Tribunale federale giudica come istanza unica le azioni fondate sul diritto amministrativo della Confederazione concernenti l'esenzione da contribuzioni cantonali.
a) L'onere imposto dal Consorzio Airolo all'attrice, e da cui quest'ultima domanda l'esenzione, è una "contribuzione" ai sensi della citata norma. Esso è infatti reclamato da un consorzio obbligatorio costituito dallo Stato e chiamato ad adempiere compiti di interesse pubblico e generale (v. art. 829 CO, art. 29 LC; cfr. inoltre RU 95 I 45/46). D'altra parte, si riferisce alla manutenzione delle strade consortili, e viene accollato ai soci che traggono vantaggio dall'opera: si tratta quindi di un contributo di miglioria, cui giurisprudenza e dottrina riconoscono il carattere di contribuzione pubblica (RU 71 I 62, 95 I 507; BLUMENSTEIN, Steuerrecht, I, p. 4; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 458).
b) Perché l'azione sia ricevibile, occorre inoltre che la contribuzione sia "cantonale". La giurisprudenza ha tuttavia assimilato a quest'ultima la contribuzione prelevata dal comune (RU 92 I 166), il termine "cantonale" essendo unicamente da contrapporre al termine "federale". Tra le citate contribuzioni rientrano pure i contributi di miglioria imposti dalle corporazioni di diritto pubblico ai loro consorziati: anch'esse determinano infatti le prestazioni sulla base del loro, seppur sotto
BGE 97 I 67 S. 70
taluni aspetti limitato, potere d'imperio (STADLIN, Die Befreiung des Bundes von der kantonalen Steuerhoheit, p. 54). Il suesposto requisito è quindi soddisfatto nella fattispecie.
c) Infine, il motivo d'esenzione deve poggiare sul diritto federale. Anche questa condizione è adempiuta, l'attrice fondando appunto la propria conclusione su disposizioni esplicite di tale diritto.
d) Nella vertenza ai sensi dell'art. 116 lett. f OG non occorre l'esaurimento delle istanze cantonali; l'azione, d'altra parte, non è vincolata ad un termine, e può anche essere volta alla sola constatazione dello stato giuridico (RU 67 I 49, 87 I 149). É quindi nella fattispecie irrilevante che l'attrice non abbia deferito la decisione governativa al Tribunale cantonale amministrativo.
Il ricorso è di conseguenza ricevibile.
2.
Il consorzio contesta la propria veste passiva, adducendo che la ripartizione delle spese è stata operata dal Consiglio di Stato. Quest'ultima affermazione è esatta, e corrisponde al vero che l'esecutivo cantonale ha approvato il piano di finanziamento elaborato dagli organi del costituendo consorzio. Tuttavia, errata è la conclusione che il convenuto ne intende trarre. Il Cantone non è infatti autorizzato a prelevare i contributi, questo compito e questo diritto spettando solo al consorzio. Ora, nella procedura ai sensi dell'art. 116 lett. f OG, parte convenuta è l'amministrazione che reclama la prestazione (BIRCHMEIER, loc.cit.). A ragione, quindi, l'azione è stata proposta contro il consorzio.
3.
Il convenuto obietta poi che l'imposizione del contributo litigioso è una conseguenza dell'inclusione dell'Amministrazione dei telefoni nel consorzio e adduce che questa avrebbe, semmai, dovuto contestare il suo consorziamento. L'obiezione è infondata. L'azione prevista dall'art. 116 lett. f OG è ammissibile sempre che una persona, rispettivamente un ente, pretenda, in virtù del diritto federale, d'essere esentata da una contribuzione. L'azione è indipendente dai motivi sui quali il Cantone si basa per istituire l'obbligo del contributo. Ciò risulta già dal fatto che l'azione è possibile in ogni tempo, anche quando l'obbligo contributivo non sia stato in precedenza, per un qualsiasi motivo, contestato. L'attore che, in virtù del diritto federale, ha diritto all'esenzione da un contributo, non dev'essere tenuto a rivolgersi innanzitutto alle istanze cantonali.
BGE 97 I 67 S. 71
4.
L'art. 10 della legge federale sulle garanzie politiche e di polizia in favore della Confederazione del 26 marzo 1934 dispone, in linea generale, che la Cassa federale e tutti i fondi amministrati dalla Confederazione sono esenti da ogni imposta diretta cantonale. Questa esenzione, ribadita egualmente dall'art. 6 della legge federale sulle ferrovie federali svizzere del 23 giugno 1944, non si applica tuttavia ai contributi di miglioria (cfr. RU 94 I 276 consid. 2; STADLIN, op.cit., p. 52). Leggi speciali della Confederazione possono comunque estendere la citata esenzione generale, oppure limitarla (RU 64 I 298/299). Occorre pertanto in concreto esaminare se norme speciali esentano l'attrice dal pagamento dei contributi preferenziali litigiosi.
5.
La sovranità sulle strade spetta, di massima, ai cantoni (art. 37, 37 bis, 36 bis cpv. 6 CF). Nell'ambito di tale potere, al cantone incombe pure l'obbligo di provvedere alla loro manutenzione, e di sopportarne le relative spese. Questa circostanza non impedisce tuttavia ai cantoni di addossare l'onere della manutenzione ai comuni, o una parte delle spese ai confinanti nella misura in cui traggono un vantaggio dall'opera (v., per es., KÜTTEL, Das Strassenrecht des Kantons St. Gallen, p. 147 e segg.). Ci si può chiedere a questo punto se sia ammissibile, e conciliabile con l'art. 37 cpv. 2 CF, chiamare alla partecipazione delle spese terzi cui, senza essere confinanti, l'opera arrechi un utile: ma il quesito può rimanere aperto perché, in concreto, all'Amministrazione dei telefoni non possono in ogni caso essere imposti contributi di miglioria.
L'Amministrazione non possiede alcuna proprietà fondiaria nel comprensorio. Il consorzio la chiama alla partecipazione delle spese di manutenzione per il semplice fatto ch'essa utilizza le strade, e vi pone dei cavi. Ma il consorzio medesimo non contesta che le strade sono aperte al libero transito di chicchessia; e il Consiglio di Stato, nel decreto del 6 settembre 1968, dichiara esplicitamente che le strade devono essere adattate alle "esigenze del traffico agricolo e non agricolo". Ora, l'art. 5 LIE dispone che la Confederazione ha il diritto di utilizzare gratuitamente le piazze e le strade pubbliche per stabilire linee telegrafiche e telefoniche aeree e sotterranee, nel rispetto dello scopo cui la proprietà pubblica è destinata, e dietro risarcimento dei danni cagionati dai lavori di costruzione e di mantenimento. Ne consegue che l'Amministrazione dei
BGE 97 I 67 S. 72
telefoni è autorizzata a porre, senza indennizzo, i cavi necessari nelle strade tenute dal consorzio: e a tale riguardo, essa deve evidentemente poterle anche percorrere. Dalla citata disposizione risulta pure che l'Amministrazione dei telefoni ha la facoltà di disporre delle strade pubbliche per le opere di manutenzione delle sue linee e dei suoi impianti. L'Amministrazione deve tuttavia potere percorrere gratuitamente le strade pubbliche anche per la costruzione o la manutenzione di altre opere che non siano direttamente collocate nella strada medesima: sarebbe infatti illogico permetterle la gratuita utilizzazione delle strade per opere che possono incidere in elevata misura sul loro uso, e subordinare invece al pagamento di prestazioni in denaro l'utilizzazione per altri scopi meno incisivi.
Ne consegue che l'Amministrazione dei telefoni non può essere chiamata a contribuire alle spese di manutenzione delle strade di cui si tratta. L'imposizione del contributo litigioso viola l'art. 5 LIE, vale a dire un disposto del diritto federale che stabilisce l'esenzione da contribuzioni cantonali.
Si può prescindere dall'esaminare se, in virtù della citata esenzione, l'Amministrazione dei telefoni non possa nemmeno esser chiamata a partecipare alle spese di costruzione delle strade in sede di raggruppamento, qualora essa non possegga fondi nel comprensorio, ma le ridondi un utile dall'opera. Infatti, nella fattispecie, l'Amministrazione non solo non ha contestato la propria inclusione nel comprensorio, ma ha pagato il contributo fissato a suo carico. Questa circostanza non pregiudica tuttavia per nulla la decisione oggi litigiosa: l'Amministrazione poteva in realtà benissimo avere allora motivi che non sono più dati per quel che concerne l'attuale imposizione dei contributi per la manutenzione stradale.
L'azione dev'essere di conseguenza accolta, ed è accertato che l'attrice non deve versare al convenuto alcun contributo di miglioria per la manutenzione delle strade che gli appartengono.
6.
Date le circostanze riferite, e le conclusioni esposte, si può lasciare aperto il quesito di sapere in quale misural'Amministrazione dei telefoni potrebbe reclamare l'esenzione dal contributo litigioso fondandosi sugli
art. 36, 37 e 37
bis CF, come pure sull'art. 3 LCStr. Non vien sostenuto che la suddetta Amministrazione compia altri viaggi di servizio all'infuori di quelli richiesti per la costruzione e la manutenzione dei suoi impianti. È non risulta in quale misura altri servizi delle PTT
BGE 97 I 67 S. 73
utilizzano le strade in esame. Egualmente si può prescindere in questa sede dall'esaminare la situazione che si presenterebbe qualora l'Amministrazione dei telefoni possedesse immobili nel comprensorio e fosse chiamata alla partecipazione delle spese nella sua veste di proprietaria. Il fatto che le Ferrovie federali avrebbero accettato l'inclusione nel consorzio e l'imposizione dei contributi per la manutenzione delle strade è d'altra parte irrilevante.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
L'azione è accolta, e viene accertato che l'attrice non deve versare al convenuto alcun contributo per la manutenzione delle strade che gli appartengono. | public_law | nan | it | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4f3f2177-f5f8-44c4-bd62-bf44a0f08861 | Urteilskopf
109 III 112
31. Sentenza 7 settembre 1983 della I Corte civile nella causa Weissbank in compulsory liquidation contro Weisscredit, Banca commerciale e d'investimenti, in liquidazione concordataria (ricorso per riforma) | Regeste
Kollisionsnormen.
Art. 43 Abs. 1 OG
.
Schreiben Kollisionsnormen die Anwendbarkeit ausländischen Rechts nicht zwingend vor, so kann das Bundesgericht die Anwendung des an seiner Stelle herangezogenen schweizerischen Rechts auf Berufung hin überprüfen (E. 1).
Grundsatz der Territorialität des Konkurses: Aktivlegitimation einer ausländischen Konkursmasse.
Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 2a). Bejahung der Aktivlegitimation einer bahamischen Konkursmasse für die Kollokationsklage in einem schweizerischen Konkurs, jedenfalls wenn keine Interessenkonflikte bestehen zwischen jener Masse und der ausländischen, in Konkurs gefallenen Gesellschaft sowie deren Gläubiger oder Aktionäre (E. 2b).
Art. 213 SchKG
.
Die Beschränkung der Verrechnungsmöglichkeit gemäss
Art. 213 SchKG
ist im Interesse der Konkursmasse aufgestellt worden und entfaltet deshalb dieser gegenüber keine Wirkung (E. 4a).
Art. 32 Abs. 2 OR
. Fiduziarisches Verhältnis.
Das fiduziarische Verhältnis schliesst direkte Stellvertretung zwischen dem Fiduziar und seinem Auftraggeber aus (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 109 III 112 S. 114
La Weisscredit S.A., banca commerciale e d'investimenti, con sede principale a Chiasso (in seguito: Weisscredit), e la Weissbank international Ltd., con sede a Nassau nelle Bahamas (in seguito: Weissbank), facevano parte di un gruppo di società sparse in tutto il mondo. Il 1o marzo 1977 la Commissione federale delle banche ha ordinato la chiusura degli sportelli della Weisscredit: il 7 marzo successivo è stata concessa la moratoria concordataria e il 13 marzo 1978 è stato omologato il concordato con abbandono dell'attivo da parte del Tribunale di appello ticinese. Questa vicenda si è ripercossa su tutto il gruppo di società: in particolare l'8 dicembre 1977 la Corte suprema delle Bahamas ha ordinato la liquidazione della Weissbank. Le due banche si trovano tutt'ora in fase di liquidazione. Durante la loro attività esse hanno intrattenuto intensi rapporti commerciali: la Weisscredit, quale fiduciaria, effettuava investimenti in nome proprio presso la Weissbank, per conto di suoi clienti. Verso la fine del 1979 detti clienti hanno ceduto alla Weisscredit in liquidazione i propri crediti verso la Weissbank.
I liquidatori della Weisscredit hanno depositato la graduatoria per dieci giorni a partire dal 14 aprile 1980. Due crediti insinuati dalla Weissbank di Fr. 8'624'681.95 e Fr. 8'249'200.- più interessi (quest'ultimo avanzato sotto condizione, essendo oggetto di una causa nel Lussemburgo) non sono stati ammessi nella graduatoria, poiché a mente dei liquidatori essi sarebbero compensati con un credito di Fr. 14'914'956.- che la Weisscredit vantava contro la Weissbank, a dipendenza dei cennati depositi fiduciari.
Il 23 aprile 1980 la Weissbank in compulsory liquidation ha proposto contro la Weisscredit in liquidazione concordataria l'azione di contestazione della graduatoria, tendente all'ammissione dei predetti crediti. La II Camera civile del Tribunale di appello ticinese ha respinto la petizione e ha posto le spese a carico dell'attrice con sentenza del 31 gennaio 1983. L'attrice è insorta al Tribunale federale con ricorso per riforma, del quale la convenuta ha chiesto la reiezione. Il Tribunale federale ha respinto il gravame.
Erwägungen
Considerato in diritto:
1.
Il Tribunale federale esamina d'ufficio se una contestazione debba essere decisa secondo il diritto svizzero o quello straniero
BGE 109 III 112 S. 115
(
DTF 107 II 485
). Tra i vari motivi avanzati dall'autorità cantonale per giustificare l'applicazione del diritto svizzero v'è quello tratto dalla procedura civile ticinese, secondo cui spetta alle parti di provare il contenuto del diritto straniero, in quanto ignoto al giudice (
art. 87 cpv. 2 CPC
): poiché la prova non è stata fornita, i giudici cantonali hanno statuito secondo il diritto svizzero. La giurisprudenza ammette questa soluzione, anche qualora in virtù delle norme svizzere sui conflitti il litigio fosse retto dal diritto straniero, perlomeno nella misura in cui l'applicazione di tale diritto non è prescritta in modo imperativo (
DTF 92 II 116
consid. 2). Il diritto svizzero, applicato quindi dall'autorità cantonale a titolo sussidiario, può essere censurato davanti al Tribunale federale mediante ricorso per riforma (
DTF 92 II 111
, in part. 123/124 e 126;
DTF 95 II 112
,
DTF 94 II 358
).
2.
La capacità civile e la facoltà di stare in giudizio di una massa fallimentare sono rette dallo statuto personale, ossia dalla legge dello Stato in cui è dichiarato il fallimento (
DTF 100 Ia 21
consid. 2 e rif.). Nel caso non è contestato che il diritto delle Bahamas conferisce alla ricorrente la qualità di parte, rappresentata dai liquidatori della banca. Rimane tuttavia da esaminare se, dal profilo materiale, possa essere riconosciuta la legittimazione attiva a un soggetto giuridico creato dal diritto sull'esecuzione forzata di uno Stato straniero, con il quale la Svizzera non ha conchiuso un trattato internazionale. Nel diritto svizzero vige infatti, di massima, il principio della territorialità, secondo il quale un fallimento pronunciato all'estero non esplica alcun effetto in Svizzera.
a) La prassi del Tribunale federale, in assenza di trattati internazionali, è apparsa a volte esitante. In una sentenza del 1911 è stato giudicato che i diritti della massa di una società fallita in Germania non possono essere riconosciuti in Svizzera, perlomeno quando sono in concorrenza con quelli di singoli creditori della fallita, i quali hanno già provveduto al sequestro dei beni siti in Svizzera (
DTF 37 II 594
consid. 4). In una successiva sentenza del 1914 il Tribunale federale, alla fine di un considerando riguardante il fallimento di una succursale svizzera di una società in nome collettivo austriaca (
art. 50 LEF
) ha affermato senza commenti che l'eventuale saldo attivo della liquidazione deve essere consegnato alla massa fallimentare della sede principale in Austria (
DTF 40 III 127
/128). Il medesimo anno si è accennato, in forma ipotetica, alla possibilità per la massa fallimentare straniera di procedere in Svizzera per l'incasso di crediti del fallito (
DTF 40 III 367
:
BGE 109 III 112 S. 116
la traduzione francese in JdT 1915 II 29 è errata). Tale possibilità è però stata negata nel 1928 a una massa danese, alla quale si è rifiutato di consegnare gli averi in Svizzera del debitore, costituiti dal dividendo che questi aveva percepito in un altro fallimento pronunciato in Svizzera (
DTF 54 III 28
/29). In seguito il Tribunale federale sembra essersi attenuto rigidamente al principio della territorialità del fallimento per diverso tempo (cfr. ad es.
DTF 95 III 89
e
DTF 94 III 48
). Negli anni più recenti, a partire dal 1974, esso ha cercato in varie occasioni di mitigare gli effetti di tale principio. Nella sentenza pubblicata in
DTF 100 Ia 18
, statuendo sotto l'angolo dell'arbitrio e facendo ampio riferimento a pareri dottrinali, esso ha ritenuto controverso se una massa fallimentare estera potesse esercitare in Svizzera l'azione pauliana (consid. 5). In
DTF 102 III 71
, ancora con il conforto della dottrina, il Tribunale federale ha auspicato un'attenuazione del principio territoriale, il quale favorisce in modo iniquo i creditori del fallito straniero che hanno l'opportunità di sequestrare beni del debitore siti in Svizzera (consid. 3). Infine, in
DTF 107 II 486
è stata richiamata l'attuale tendenza che affievolisce il principio territoriale a vantaggio di quello universale, senza ulteriori precisazioni.
Questo breve riassunto mostra come la giurisprudenza più recente evolva verso un'attenuazione del principio della territorialità del fallimento, auspicando anche in campo internazionale una certa universalità dell'esecuzione forzata e volendo garantire maggiormente l'uguaglianza di tutti i creditori. Il merito di questa evoluzione è da attribuire in buona parte alla dottrina, la quale critica da tempo la rigida applicazione del principio territoriale da parte del Tribunale federale. Gli aspetti principali delle critiche sono già esposti e commentati in alcune delle sentenze menzionate sopra; basti quindi rammentare, senza entrare nei dettagli delle varie soluzioni proposte, che la territorialità del fallimento è rimessa in questione soprattutto in seguito al forte sviluppo dei traffici commerciali internazionali. Gli autori principali sono HIRSCH, Aspects internationaux du droit suisse de la faillite, Recueil de travaux pubblicato nel 1969 dall'Università di Ginevra in occasione dell'assemblea della Società svizzera dei giuristi, pag. 69; DALLÈVES, Universalité et territorialité de la faillite dans la perspective de l'intégration européenne, BlSchk 1973 pag. 161, e Faillites internationales et
BGE 109 III 112 S. 117
droit suisse, SJ 1978 pag. 337; HANISCH, Deux problèmes de faillites internationales, Mélanges offerti nel 1976 dall'Università di Ginevra alla Società svizzera dei giuristi, pag. 107, e Aktuelle Probleme des internationalen Insolvenzrechts, Annuario svizzero di diritto internazionale XXXVI, 1980 pag. 109; NUSSBAUM, Das internationale Konkursrecht der Schweiz de lege lata et ferenda, tesi Berna 1980, pag. 26 e segg.; SCHAUB, Zur Problematik des internationalen Konkursrechts der Schweiz, RDS 101/1982 I pag. 21, in part. 34 segg.: questo autore fornisce peraltro un riassunto aggiornato della giurisprudenza e della dottrina.
b) Tenendo conto dell'evoluzione giurisprudenziale, appare conseguente di riconoscere a una massa fallimentare straniera la legittimazione attiva per l'azione di contestazione della graduatoria nel fallimento svizzero del debitore principale, perlomeno quando i diritti di tale massa non siano in concorrenza con pretese fatte valere direttamente dal debitore estero fallito o da suoi creditori. La limitazione del principio della territorialità è sorretta, oltre che dai motivi generali già menzionati, da altre ragioni pratiche. Anzitutto nessun interesse legittimo giustifica l'avvio di esecuzioni forzate in Svizzera o di procedure di delibazione se nessuna discordia sembra esistere tra le parti interessate al fallimento pronunciato all'estero; anzi, l'azione di contestazione promossa direttamente dalla massa estera permette un notevole guadagno di tempo e riduce i costi procedurali; inoltre, visto ch'essa deve essere proposta entro il breve termine di dieci giorni dalla pubblicazione della graduatoria (
art. 250 cpv. 1 LEF
), i rappresentanti della massa estera sono sovente meglio in grado di agire con la dovuta sollecitudine. Anche eventuali conflitti, riguardo ai beni situati in Svizzera, tra la massa e il debitore fallito all'estero sono praticamente da escludere, poiché in generale i diritti stranieri tolgono al secondo - o ai suoi organi se si tratta di una società - la facoltà di disporre dei suoi beni.
Nella fattispecie nessuno fa valere che l'azione di contestazione della Weissbank in liquidazione urterebbe interessi della società medesima, di suoi creditori individuali o di azionisti, per cui deve essere riconosciuto alla ricorrente il diritto di agire. Quale sia la soluzione auspicabile nel caso d'un simile conflitto d'interessi non deve essere deciso ora.
3.
Il litigio tra le due banche in liquidazione riguarda esclusivamente la possibilità di compensare i crediti insinuati dalla
BGE 109 III 112 S. 118
Weissbank con i debiti ch'essa ha nei confronti della Weisscredit; le opposte pretese non sono, in quanto tali, contestate. La corte cantonale ha accertato che la Weisscredit effettuava presso la Weissbank investimenti fiduciari per conto di suoi clienti, con i quali essa era pertanto legata da contratti di mandato. I giudici cantonali hanno proseguito rilevando che l'
art. 213 LEF
consente la compensazione litigiosa, che poteva essere impedita soltanto dall'
art. 401 cpv. 1 e 2 CO
; la cessione legale di questa norma esplica però i suoi effetti, sempre secondo l'autorità cantonale, soltanto alle condizioni dell'
art. 167 CO
, ossia a partire dal momento in cui il mandante si è manifestato al terzo debitore, ciò che nella fattispecie non è avvenuto. La sentenza impugnata rammenta poi che la circostanza per la quale i creditori della Weissbank hanno ceduto le loro pretese alla Weisscredit solo dopo la concessione della moratoria concordataria è irrilevante: la possibilità di compensare le reciproche pretese non discende da questa cessione ma dai motivi sopraesposti. Infine l'autorità cantonale ha osservato che, vista l'applicabilità delle norme sul mandato, non v'è spazio per le disposizioni sulla rappresentanza diretta invocate dall'attrice (
art. 32 cpv. 2 CO
) ed ha concluso che gli investimenti presso la Weissbank non costituivano depositi irregolari secondo l'
art. 481 CO
.
Con il ricorso per riforma la ricorrente contesta che la controparte fosse titolare dei crediti posti in compensazione: al momento della concessione della moratoria concordataria - determinante secondo l'
art. 213 LEF
- i crediti appartenevano ai clienti della Weisscredit sia per l'esistenza di un rapporto di rappresentanza diretta secondo l'
art. 32 cpv. 2 CO
, sia in virtù dell'
art. 401 cpv. 1 e 2 CO
, il quale, contrariamente alla tesi dell'autorità cantonale, non presuppone una notifica da parte del mandante. La ricorrente precisa poi che la cessione alla Weisscredit dei diritti che i clienti avevano verso la Weissbank è ininfluente, poiché è stata conclusa dopo il momento determinante per la compensazione.
4.
a) L'
art. 213 LEF
sancisce il diritto del creditore di compensare il suo credito con quello del fallito nei suoi confronti (cpv. 1); la compensazione non ha luogo, tra l'altro, quando egli diviene debitore del fallito o della massa soltanto dopo la dichiarazione del fallimento (cpv. 2 n. 2). Questa norma s'applica anche al concordato con abbandono dell'attivo delle banche, ritenuto che la pubblicazione della moratoria concordataria o della dilazione del fallimento sostituisce la
BGE 109 III 112 S. 119
dichiarazione del fallimento (
art. 32 RCB
, 316m LEF). La limitazione della facoltà di compensare è istituita nell'interesse della massa al fine d'evitare che un creditore danneggi gli altri, creandosi le condizioni di reciprocità necessarie per la compensazione, con negozi posteriori al momento determinante (
DTF 107 III 28
e rif., 144; JÄGER, art. 213 n. 6; AMONN, Grundriss, pag. 302). La ratio della restrizione esclude pertanto ch'essa esplichi effetti anche nei confronti della massa; l'art. 213 è del resto compreso nel capitolo della LEF (art. 208-220) intitolato "degli effetti del fallimento sui diritti dei creditori" (cfr.
DTF 53 III 210
/211). La giurisprudenza - pur non essendosi mai pronunciata sul problema specifico - ammette peraltro da tempo che la massa fallimentare compensi le pretese dei creditori con crediti del fallito o della massa medesima nei loro confronti, precisando soltanto che nel primo caso la compensazione deve essere dichiarata, salvo circostanze eccezionali, al più tardi al momento della pubblicazione della graduatoria (
DTF 83 III 70
/71, 76 III 14/15,
DTF 56 III 149
e 176/177). Non vi sono del resto motivi validi per impedire alla massa fallimentare o concordataria di opporre a un creditore la compensazione con una pretesa acquisita dopo la dichiarazione del fallimento o la pubblicazione della moratoria di concordato; la soluzione contraria costringerebbe la massa a pagare il creditore, per poi procedere successivamente all'incasso del proprio credito.
In concreto il Tribunale di appello ha accertato che sessantanove dei settantuno creditori della Weissbank hanno ceduto le loro pretese alla Weisscredit, la quale risulterebbe comunque creditrice della prima, anche omettendo di considerare le pretese concernenti i due creditori restanti. Al momento di allestire la graduatoria la Weisscredit era pertanto titolare di questi crediti e, in virtù di quanto esposto sopra, i liquidatori potevano opporre la compensazione alle pretese insinuate dalla Weissbank, senza riguardo al fatto che le cessioni sono avvenute dopo la pubblicazione della moratoria concordataria.
b) La reiezione dell'azione di contestazione della graduatoria merita conferma già per tali motivi. In queste circostanze può rimanere indecisa la questione - non del tutto evidente - dell'applicazione dell'
art. 401 cpv. 1 e 2 CO
; è invece opportuno aggiungere, per completezza, che la tesi ricorsuale fondata sul rapporto di rappresentanza diretta esistente tra la Weisscredit e i suoi clienti è errata.
BGE 109 III 112 S. 120
La sentenza cantonale accerta infatti che la Weisscredit effettuava presso la Weissbank investimenti a titolo fiduciario, per clienti che intendevano rimanere anonimi, compiendo operazioni e aprendo conti in nome proprio. Questo accertamento di fatto vincola il Tribunale federale nella procedura di riforma (
art. 63 cpv. 2 OG
). La ricorrente ha del resto ammesso a diverse riprese l'esistenza di rapporti fiduciari tra la Weisscredit e i suoi clienti. La caratteristica dei rapporti fiduciari è appunto quella che il mandatario-fiduciario agisce in nome proprio ma per conto del suo mandante. Questi non è - e non può essere - parte contraente nei confronti del terzo, essendo il fiduciario privo della volontà e del potere di agire come rappresentante. I due requisiti sono però essenziali anche per l'applicazione dell'
art. 32 cpv. 2 CO
(
DTF 100 II 211
e rif.). Nella fattispecie gli accertamenti della sentenza impugnata escludono tale volontà: il rapporto fiduciario, anche se noto alla Weissbank, ha impedito il sorgere di una rappresentanza diretta tra la Weisscredit e i suoi clienti (
DTF 100 II 211
/212 e rif.).
5.
Per i motivi che precedono il ricorso per riforma deve essere respinto. L'argomento tratto dall'
art. 481 CO
non è sostanziato in conformità con l'art. 55 cpv. 1 lett. c OG. Le spese e le ripetibili vanno a carico della parte soccombente (art. 156 cpv. 1 e 159 cpv. 1 OG). | null | nan | it | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f41b75a-17f7-491c-b27d-16dbc805544f | Urteilskopf
103 III 26
6. Entscheid vom 1. September 1977 i.S. Schweizerische Kreditanstalt und Mitbeteiligte | Regeste
Verteilung im Konkurs (
Art. 261 ff. SchKG
).
1. Die Verteilungsliste kann sowohl von einem Pfandgläubiger als auch von einem Bürgen, der diesem neben dem Pfandobjekt haftet, angefochten werden (E. 1).
2. Tragweite einer in die Lastenverzeichnisse verschiedener Grundstücke aufgenommenen Gesamtpfandklausel in einem Fall, da die im Kollokationsplan und in den Lastenverzeichnissen vermerkten Pfandbeträge von Grundstück zu Grundstück verschieden sind (E. 2).
3. Bei der Heranziehung der Überschüsse aus der Verwertung mehrerer Grundstücke zur Deckung eines Ausfalles, der sich bei einem weiteren Grundstück ergeben hat, ist
Art. 219 Abs. 2 SchKG
zu beachten (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 27
BGE 103 III 26 S. 27
Im Konkurs über Ernst Ritschard wurden unter anderem die nachstehenden zehn Grundstücke verwertet:
- Hilterfingen Nr. 275
- Oberhofen Nr. 103
- Oberhofen Nr. 754
- Thun Nrn. 3380, 3381, 3382, 3383, 3385, 3386 und 3387.
Der Kantonalbank von Bern in Thun, bei welcher der Gemeinschuldner als Darlehenssicherheit entsprechende Eigentümerschuldbriefe hinterlegt hatte, stand an jedem dieser Grundstücke ein Pfandrecht zu. Bei den Grundstücken Hilterfingen Nr. 275 und Oberhofen Nr. 103 waren im Nachgang Pfandrechte zu Gunsten der Schweizerischen Kreditanstalt in Bern eingetragen. Für die Schuld, die jenem am Grundstück Hilterfingen Nr. 275 zugrunde lag, waren überdies Josef Stöckli und Josef Stucki eine Solidarbürgschaft eingegangen.
Am 3. Mai 1977 zeigte das Konkursamt Thun den Konkursgläubigern die Auflegung der Verteilungsliste an. Laut dieser wollte es der Kantonalbank den Ausfall von Fr. 41'090.--, der sich nach seiner Auffassung bei der Verwertung des Grundstückes Oberhofen Nr. 754 ergeben hatte, aus den bei den übrigen Grundstücken resultierenden Mehrerlösen zuteilen, und zwar im Verhältnis der bezüglich dieser andern Grundstücke von ihr eingegebenen "effektiven" Forderungen. Gegen die vorgesehene Verteilung, die zu einer namhaften Einbusse für die Nachgangsgläubiger beim Grundstück Hilterfingen Nr. 275 geführt hätte, beschwerten sich die Schweizerische Kreditanstalt sowie die ihr haftenden Josef Stöckli und Josef Stucki bei der Aufsichtsbehörde
BGE 103 III 26 S. 28
in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern, welche die Beschwerde am 22. Juni 1977 abwies.
Die Schweizerische Kreditanstalt und die beiden Bürgen haben diesen Entscheid beim Bundesgericht angefochten mit dem Rechtsbegehren:
"Die Verteilungsliste des Konkursamtes Thun im Konkursverfahren des Herrn Ernst Ritschard vom 3. Mai 1977 sei aufzuheben und der Verteilungsplan so abzuändern, dass die Verteilung der bei der Verwertung der Faustpfänder zugunsten der Kantonalbank von Bern in Thun erzielten Erlöse im Verhältnis ihrer Höhe zur Deckung der Forderung der Kantonalbank vorgenommen wird."
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Zur Beschwerde nach
Art. 17 SchKG
und damit zum Rekurs gemäss den
Art. 19 SchKG
und 78 ff. OG sind legitimiert die Parteien des Vollstreckungsverfahrens und Dritte, die durch die angefochtene Verfügung in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen werden (
BGE 99 III 68
E. 1 mit Hinweisen). Die Rekurrentin Nr. 1 ist als Pfandgläubigerin am Konkurs unmittelbar beteiligt, und es ist ihr an einer Verteilung der Verwertungserlöse gelegen, die den Vorgang beim Grundstück Hilterfingen Nr. 275 so klein wie möglich werden lässt. Wohl haften ihr ausserdem die Rekurrenten Nr. 2 und Nr. 3, doch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie dort ebenfalls zu Verlust käme. Andererseits haben auch jene beiden ein schützenswertes Interesse daran, dass ein möglichst grosser Teil der von ihnen verbürgten Schuld aus dem Erlös der Grundstückverwertung gedeckt werde. Hinsichtlich aller Rekurrenten ist demnach auf den Rekurs einzutreten.
2.
Die Rekurrenten vertreten den Standpunkt, die zehn in Hilterfingen, Oberhofen und Thun gelegenen Grundstücke hätten der Kantonalbank von Bern als Gesamtpfänder für die gleiche Forderung, die Summe der von ihr gewährten Darlehen, gehaftet. Die Erlöse aus deren Verwertung seien deshalb in sinngemässer Anwendung von
Art. 219 Abs. 2 SchKG
zur Tilgung dieser Gesamtforderung heranzuziehen. Demgegenüber hält die kantonale Aufsichtsbehörde fest, die Kantonalbank habe sich lediglich für den Fall eines Verlustes bei einem
BGE 103 III 26 S. 29
der Grundstücke, auf welche die hinterlegten Eigentümerschuldbriefe errichtet worden seien, ein Gesamtpfandrecht (auf den übrigen Grundstücken) einräumen lassen. Die Vorinstanz geht somit davon aus, dass primär Einzelpfandrechte begründet worden seien, d.h. die Pfandhaft sich bei jedem der Grundstücke auf eine besondere Forderung bezogen habe.
a) Die Pfandbeträge, die in den Kollokationsplan und in die vom Konkursamt per Konkurseröffnung und per Steigerungstag erstellten Lastenverzeichnisse aufgenommen wurden, sind von Grundstück zu Grundstück verschieden (Fr. 600'000.-- für Hilterfingen Nr. 275; Fr. 250'000.-- für Oberhofen Nr. 103; Fr. 80'000.-- für Oberhofen Nr. 754; Fr. 11'000.-- bzw. Fr. 12'000.-- für die Grundstücke in Thun). Lag aber den Eigentümerschuldbriefen nach den Einträgen des Konkursamtes nicht ein einheitlicher, der gesamten Kapitalforderung der Kantonalbank entsprechender Pfandbetrag zugrunde, kann der Ansicht der Rekurrenten über die Ausgestaltung des Pfandrechts nicht beigepflichtet werden. Dass auch die Kantonalbank behauptet, die Pfandhaft sei nicht aufgeteilt worden, ist bedeutungslos. Massgebend kann nur sein, was der aussenstehende Gläubiger oder ein Steigerungsinteressent aus dem Kollokationsplan bzw. aus den Lastenverzeichnissen, die nach ungenütztem Ablauf der Klage- bzw. Beschwerdefrist verbindlich geworden waren, schliessen durfte und musste. Sollte (im Einverständnis mit den Nachgangsgläubigern) tatsächlich ein Gesamtpfandrecht zur Sicherung der Summe der von der Kantonalbank gewährten Darlehen begründet worden sein, hätten die Pfandbeträge entsprechend eingetragen sein (vgl.
Art. 42 Abs. 1 GBV
) und hätten die Rekurrenten die in diesem Falle fehlerhaften Lastenverzeichnisse anfechten und berichtigen lassen müssen.
b) Den Einträgen in den auf den Steigerungstag errichteten Lastenverzeichnissen fügte das Konkursamt freilich folgenden Vermerk bei:
"Der vorstehende Schuldbrief haftet nebst andern Pfändern, siehe Ord. Nr. ... als Generalpfand der Kantonalbank von Bern in Thun für eine Forderung per Steigerungstag von Fr. 1'106'687.50 (beim Grundstück Hilterfingen Nr. 275 offensichtlich aus Versehen Fr. 1'109'989.--) laut Kollokationsplan Nr. 78."
Wie die kantonale Aufsichtsbehörde zutreffend annimmt, hat indessen die darin enthaltene Gesamtpfandklausel unter
BGE 103 III 26 S. 30
den gegebenen Umständen nur subsidiären Charakter. Sie kommt erst bei einem Pfandausfall zum Tragen, und zwar in dem Sinne, dass die Grundpfänder, deren Verwertung einen Überschuss ergeben haben, gemeinsam für die Ausfallforderung haften sollen (dazu HAHNLOSER, Die Sicherung einer Forderung durch mehrere Pfänder, Zürcher Diss. 1933, S. 61 unten). Gegen eine derartige Gestaltung eines Gesamtpfandrechtes ist nichts einzuwenden, sofern für die Beteiligten der höchstmögliche Pfandbetrag (der sich naturgemäss der Summe der einzelnen Pfandbeträge annähert) ersichtlich ist. Dies ist hier durch die Vermerke in den Lastenverzeichnissen gewährleistet. Im übrigen ist die für das Gesamtpfand charakteristische Unbestimmtheit bezüglich der Haftung des einzelnen Pfandes (vgl. HAHNLOSER, a.a.O. S. 34) durch die primäre Aufteilung der Pfandhaft geringer. Die Möglichkeit, ein subsidiäres, auf eine allfällige Ausfallforderung beschränktes Gesamtpfandrecht zu vereinbaren, entspricht damit einem praktischen Bedürfnis.
3.
Gemäss
Art. 219 Abs. 2 SchKG
werden dort, wo mehrere Pfänder für die gleiche Forderung haften, die daraus erlösten Beträge im Verhältnis ihrer Höhe zu deren Deckung verwendet. Diese Bestimmung ist im vorliegenden Fall für die Ermittlung der Anteile anzuwenden, mit denen die Mehrerlöse zur Tilgung der Ausfallforderung heranzuziehen sind. Die Bedenken der Rekurrenten, einer direkten Anwendung stehe die Tatsache entgegen, dass der massgebliche Erlös beim Grundstück Oberhofen Nr. 754 null betrage, sind unbegründet.
Berechnungsgrundlage ist bei der in
Art. 219 Abs. 2 SchKG
festgelegten Aufteilung der bei der Verwertung des einzelnen Pfandes gelöste Betrag. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass von dem an der Versteigerung erzielten Zuschlagspreis zunächst selbstverständlich die Verwertungs- und allfälligen Verwaltungskosten (
Art. 262 Abs. 2 SchKG
) sowie die Forderungen in Abzug zu bringen sind, die durch im Range vorgehende Pfandrechte gesichert waren (vgl.
Art. 119 Abs. 3 VZG
; HAHNLOSER, a.a.O. S. 105). Vor Ermittlung der Verhältniszahlen ist aber auch die jeweilige Einzelforderung der Kantonalbank abzuziehen, denn es könnte sein, dass der Erlös, der dieser aus der Verwertung eines Grundstückes zur Verfügung steht, zwar zur Deckung der entsprechenden Einzelforderung
BGE 103 III 26 S. 31
ausreicht, nicht jedoch für einen zusätzlichen Betrag zur Tilgung der Ausfallforderung (vgl. HAHNLOSER, a.a.O. S. 72 oben). Angesichts der Höhe der massgebenden Verwertungserlöse wird die in Anwendung von
Art. 219 Abs. 2 SchKG
vorzunehmende Berechnung der auf die einzelnen Überschüsse entfallenden Anteile am Betrag der Ausfallforderung ergeben, dass der Mehrerlös beim Grundstück Oberhofen Nr. 103 wesentlich stärker zu belasten ist als nach dem von der Vorinstanz bestätigten Verteilungsplan des Konkursamtes und dass sich die Lage für die Rekurrentin Nr. 1 beim Grundstück Hilterfingen Nr. 275 erheblich verbessert.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 22. Juni 1977 aufgehoben. Das Konkursamt Thun wird angewiesen, den Verteilungsplan im Sinne der Erwägungen abzuändern. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f43979d-559a-4400-9674-2ed6faf7f9bd | Urteilskopf
120 II 273
52. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. November 1994 i.S. V. und W. gegen Verlag Z. (Berufung) | Regeste
Art. 28h Abs. 2 und
Art. 2 Abs. 2 ZGB
; Verweigerung der Gegendarstellung wegen offenbaren Rechtsmissbrauchs.
Das Beharren auf einer gerichtlich angeordneten Gegendarstellung kann als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn das beklagte Medienunternehmen dem unmittelbar Betroffenen die Gelegenheit eingeräumt hat, zu sämtlichen beanstandeten Tatsachendarstellungen in einem veröffentlichten Interview Stellung zu nehmen. Voraussetzungen im zu beurteilenden Fall bejaht (E. 4). | Erwägungen
ab Seite 273
BGE 120 II 273 S. 273
Aus den Erwägungen:
4.
Den Antrag des Klägers 2 auf gerichtliche Anordnung einer Gegendarstellung hat das Obergericht abgewiesen, weil ihm jedes Interesse
BGE 120 II 273 S. 274
daran fehle. Der Beklagte habe ihm nach der Publikation des beanstandeten Artikels Raum für ein ausführliches Interview gewährt, das in der Ausgabe vom 12. Januar 1994 abgedruckt worden sei. Dieses habe gegenüber dem inkriminierten Artikel vom 23. Dezember 1993 mehr als den doppelten Raum beansprucht. Der Kläger 2 habe dabei Gelegenheit erhalten, seine Anliegen und Anstrengungen im Zusammenhang mit einer artgerechten Tierhaltung eingehend darzustellen. Er sei vom Fragesteller nachdrücklich aufgefordert worden, sich zu seinen Methoden bei der Verfolgung seiner tierschützerischen Ziele zu äussern, die im beanstandeten Artikel angeprangert worden seien und ihn zum Antrag auf gerichtliche Anordnung einer Gegendarstellung veranlasst hätten. Er habe damit die Möglichkeit gehabt, vor dem gleichen Publikum und über den gleichen Kanal seine eigene Version der Tatsachen darzulegen, und behaupte selber nicht, dass seine im Rahmen des Interviews gemachten Aussagen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben worden seien.
a) In der Tat kann eine Gegendarstellung nicht nur dann verweigert werden, wenn deren Inhalt im Sinne von
Art. 28h Abs. 2 ZGB
unzulässig ist. Nach der bundesrätlichen Botschaft darf dies - obschon im Gesetz nicht ausdrücklich festgehalten - auch bei offenbarer Missbräuchlichkeit des Begehrens geschehen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn eine Person die Gegendarstellung zu reinen Werbezwecken brauchen wollte oder in den Medien eine Auseinandersetzung fortführen möchte, die andernorts hingehört (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Persönlichkeitsschutz:
Art. 28 ZGB
und 49 OR] vom 5. Mai 1982, BBl 1982 II 676). In der herrschenden Lehre wird als weiteres Beispiel angeführt, dass die Gegendarstellung zu verweigern sei, wenn der Betroffene bereits Gelegenheit erhalten habe, seine Sicht der Dinge darzulegen (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, S. 194 N. 1449-1451; HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung, Bern 1987, S. 71; vgl. BUCHER, Personnes physiques et protection de la personnalité, 2.A. Basel 1992, S. 191 N. 716; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4.A. Bern 1993, S. 169/170).
b) Diese aus dem Grundsatz, dass offenbarer Rechtsmissbrauch keinen Schutz finden darf, sich gewissermassen von selbst ergebende Folgerung der Lehre hat das Bundesgericht erst neulich in einem nicht veröffentlichten Urteil wieder für richtig befunden. Die Gegendarstellung hatte sich in jenem Fall
BGE 120 II 273 S. 275
auf einen Artikel bezogen, an dessen Ende deutlich hervorgehoben, vom beanstandeten Text klar abgesetzt und unter Bezugnahme auf die im Artikel "angegriffene" Person ein Interview im hinteren Teil der gleichen Ausgabe angekündigt worden war. Das beklagte Medienunternehmen hatte dem unmittelbar Betroffenen damit die Gelegenheit eingeräumt, zu sämtlichen, im beanstandeten Artikel angeschnittenen Fragen Stellung zu nehmen und der "scharfen" Kritik an seiner Geschäfts- bzw. Personalpolitik zu entgegnen (i.S. D. AG c. R. AG vom 3. August 1994, E. 4).
Das Bundesgericht hat in jenem Urteil lediglich wiederholt, bestätigt und verdeutlicht, was es im Rahmen einer Persönlichkeitsverletzung unter vergleichendem Hinweis auf das Gegendarstellungsrecht nebenbei schon einmal bemerkt hatte. Dass nämlich die Veröffentlichung einer einfachen Stellungnahme auf der Leserbriefseite die gerichtliche Anordnung einer Gegendarstellung nicht zu ersetzen vermöge, weil damit der gleiche Personenkreis im Sinne von
Art. 28k Abs. 1 ZGB
nicht erreicht werde (
BGE 119 II 97
E. 2a S. 99/100).
Dies gilt es zu berücksichtigen: So wenig eine Gegendarstellung derart veröffentlicht werden darf, dass die vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Absicht von vornherein vereitelt wird (z.B. unter der Überschrift "Sachen zum Lachen":
BGE 115 II 4
), so wenig kann die Veröffentlichung einer blossen Entgegnung - in der Form eines Interviews etwa - das Beharren auf der gerichtlichen Anordnung einer Gegendarstellung als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen, wenn sie nicht unter Bedingungen geschehen ist, die den gesetzlichen Mindestanforderungen an eine gerichtlich angeordnete Gegendarstellung vergleichbar sind. Soll eine solche Entgegnung als dazu geeignet betrachtet werden dürfen, muss sie deshalb - in Anlehnung an die erwähnten Bundesgerichtsurteile - innert nützlicher Frist erfolgt und dergestalt in die Zeitung eingerückt worden sein, dass sie mit grösster Wahrscheinlichkeit wiederum auch den Leser des beanstandeten Artikels angesprochen hat. Überdies muss sie in direkter Verbindung mit jenem Artikel gestanden oder diese durch geeignete Mittel hergestellt haben. Dass ihr nicht erneut ein Kommentar des Medienunternehmens gefolgt sein darf, der sie entwertet haben könnte, versteht sich von selbst.
c) Der Kläger 2 stellt heute nicht mehr in Abrede, dass auch der Anspruch auf Gegendarstellung am allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot seine Grenze finde. Was er in der Sache selbst vorträgt, vermag die obergerichtlichen Ausführungen und Überlegungen nicht zu erschüttern. Insbesondere die sich
BGE 120 II 273 S. 276
hier aufgrund des Zeitabstandes stellende Frage, ob die Entgegnung innert nützlicher Frist erfolgt sei, greift er nicht auf und hält gegenteils dafür, dass schon sein im beanstandeten Artikel kritisiertes Flugblatt bzw. dessen Herausgeber "in der Erinnerung eines jeden Lesers haften geblieben" sei, wenn man in Betracht ziehe, "dass die mit diesem Flugblatt an Zuger Prominenz geübte Kritik unüblicherweise an Klarheit und Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig" gelassen habe.
Aber auch die weiteren hiervor gezeigten Bedingungen sind als klar erfüllt zu betrachten. Namentlich ist es dem Beklagten gelungen, durch entsprechende Titelgebung und Fragestellung die Verbindung zu den beanstandeten Ausführungen herzustellen. Zwar behauptet der Kläger 2, in Beantwortung der unterbreiteten Fragen und mit Bezug auf den Umfang des Interviews Einschränkungen unterworfen gewesen zu sein. Ohne damit indes begründete Sachverhaltsrügen vorzutragen, erneuert er bloss, was das Obergericht nicht nur nicht festgestellt, sondern klar verworfen hat (
Art. 63 Abs. 2 OG
;
BGE 117 II 256
E. a S. 257 mit Hinweisen).
Das Beharren auf einer gerichtlich angeordneten Gegendarstellung bei dieser Sachlage als offenbar rechtsmissbräuchlich zu werten und die entsprechenden Begehren demzufolge abzuweisen, verletzt Bundesrecht aus den dargelegten Gründen nicht. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f480534-ee3d-433c-8052-957b74a4abcd | Urteilskopf
108 Ia 1
1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Mai 1982 i.S. Heinrich Schad gegen Gemeinde Arosa und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Formelle Rechtsverweigerung; Nichteintreten auf Rekurs wegen Verspätung.
Die Frist zur Einreichung eines Rekurses wegen Umgehung des kommunalen Finanzreferendums beginnt dann zu laufen, wenn der Stimmberechtigte zuverlässig davon Kenntnis erhalten hat, dass ein formeller Kreditbeschluss für ein ganzes Bauvorhaben oder für Mehraufwendungen gegenüber bewilligten Krediten unterblieben ist (Erw. 2 und 3).
Zuverlässige Kenntnis von einer Kostenüberschreitung gegenüber der Abstimmungsvorlage erhält der Stimmbürger nicht schon mit dem Entscheid über die Baubewilligung (Erw. 4a). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 108 Ia 1 S. 2
Am 2. März 1980 bewilligten die Stimmberechtigten der Gemeinde Arosa einen Kredit für die Erstellung einer öffentlichen Parkgarage mit einer angegliederten Zivilschutzanlage. Nach einer öffentlichen Ausschreibung vergab der Gemeinderat Arosa die Detailprojektierung nicht an den Verfasser des Abstimmungsprojektes, sondern an einen andern Ingenieur. Auf dessen Anregung änderte der Gemeinderat das Abstimmungsprojekt in verschiedenen Punkten ab; unter anderem wurde die Zahl der vorgesehenen Parkplätze von zirka 380 auf rund 460 erhöht.
Heinrich Schad erhob innert der Auflagefrist Einsprache gegen das abgeänderte Bauprojekt. Seine Beschwerde wurde jedoch am 10. Dezember 1980 abgewiesen. Am gleichen Tag erteilte der Gemeinderat Arosa die Baubewilligung.
Mit Beschluss vom 11. Februar 1981 vergab der Gemeinderat die Baumeisterarbeiten gemäss bereinigter Offerte im Betrag von Fr. 6'380'194.50. Aus den Erwägungen zum Vergebungsbeschluss geht hervor, dass gegenüber der Abstimmungsvorlage massive Kostenüberschreitungen eingetreten waren. Der Gemeinderat bezifferte diese (unter Ausklammerung der Teuerung) auf effektiv Fr. 444'000.--. Da die Bundessubventionen wegen der generell verfügten Sparmassnahmen gekürzt worden waren, sind darüber hinaus Fr. 209'000.-- aus Mitteln der Gemeinde aufzubringen.
Gegen diesen Beschluss erhob Heinrich Schad Rekurs beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Er machte im wesentlichen geltend, die vom Gemeinderat in eigener Zuständigkeit vorgenommene Projektänderung bedeute eine Verletzung der Bestimmungen über das Finanzreferendum. Das Verwaltungsgericht trat auf den Rekurs nicht ein, überwies die Sache jedoch zur Behandlung als verfassungsrechtliche Beschwerde an die Regierung. Diese hielt sich ebenfalls für unzuständig. In der Folge sprach sich die für Kompetenzkonflikte vorgesehene Behörde für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts aus.
Mit Entscheid vom 3. November 1981 trat das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden auf den Rekurs (erneut) nicht ein, weil Schad die gesetzliche Rekursfrist von 20 Tagen nicht eingehalten habe. Zur Begründung führte es aus, die Projekterweiterung sei nicht mit der Submission, sondern mit dem Baubescheid vom 10. Dezember 1980 bekannt geworden. Die Rüge der Verletzung der Gemeindeverfassung hätte deshalb innert 20 Tagen nach der Publikation jenes Beschlusses erhoben werden müssen; im Anschluss an spätere Beschlüsse, insbesondere an den Vergebungsbeschluss, sei sie nicht mehr zulässig.
BGE 108 Ia 1 S. 3
Gegen diesen Entscheid hat Heinrich Schad staatsrechtliche Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2.
a) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer als Stimmberechtigter der Gemeinde Arosa befugt war, bei einer kantonalen Instanz zu rügen, die Abänderung eines durch Gemeindeabstimmung genehmigten Bauprojektes und namentlich die dadurch notwendig gewordenen Mehrkosten hätten den Stimmbürgern zum Entscheid unterbreitet werden müssen. Es steht auch fest, dass ein solcher Rekurs innert zwanzig Tagen erhoben werden musste. Streitig ist einzig, wann diese Frist zu laufen begann.
b) Art. 55 des Verwaltungsgerichtsgesetzes des Kantons Graubünden enthält zunächst die allgemein übliche Regel, wonach die Rekursfrist von der Zustellung des angefochtenen Entscheides an läuft. Absatz 2 dieser Bestimmung lautet wie folgt:
"Ist eine Zustellung nicht vorgeschrieben oder nicht üblich, beginnt die Frist mit der Kenntnisnahme."
Dabei dürfte es sich um einen allgemein gültigen Gedanken handeln; ein anderer Zeitpunkt für den Beginn des Fristenlaufes ist jedenfalls nicht denkbar, wenn dem Bürger die Ausübung seiner Rechte gewährleistet werden soll. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, für den Beschwerdeführer sei die behauptete Umgehung des Finanzreferendums mit der Auflage der definitiven Projektpläne erkennbar geworden. Die Rekursfrist habe daher spätestens im Zeitpunkt des Baubescheides, also am 10. Dezember 1980, zu laufen begonnen. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, die Mehrkosten seien aus der Planauflage nicht ersichtlich gewesen, und man könne vom Bürger auch nicht verlangen, in diesem Verfahren Berechnungen hierüber anzustellen. Die Argumentation des Verwaltungsgerichtes beruhe auf einer Verkennung des Unterschiedes zwischen der Tätigkeit des Gemeinderates als Baubehörde einerseits und als kommunaler Exekutive anderseits. Es könne dem Bürger nicht zugemutet werden, sich schon dann gegen eine Umgehung des Finanzreferendums zur Wehr zu setzen, wenn gewisse Mehrkosten nur zu vermuten seien, aber noch in keiner Weise feststünden.
3.
a) Die unbehinderte Ausübung des Stimm- und Wahlrechtes auf der Ebene des Bundes, des Kantons und der Gemeinde bildet eine unabdingbare Grundlage des demokratischen Staatswesens. Es ist daher darauf zu achten, dass auf diesem Gebiete die
BGE 108 Ia 1 S. 4
Rechte der Bürger genau beachtet werden, und es ist im Zweifelsfalle eher zugunsten der weitherzigeren Lösung zu entscheiden (vgl.
BGE 102 Ia 461
E. 3b;
BGE 95 I 218
E. 3).
b) Das Verwaltungsgericht hält den angefochtenen Submissionsentscheid des Gemeinderates von Arosa für ein unter dem Gesichtswinkel des Finanzreferendums ungeeignetes Anfechtungsobjekt. Dies mag rein äusserlich gesehen zutreffen. Mit der Arbeitsvergebung selbst kann der Gemeinderat nicht in das Mitspracherecht des Volkes bei der Bewilligung von Ausgaben eingreifen. Indessen kann es hierauf nicht entscheidend ankommen. Der Gemeinderat darf klarerweise nur Arbeiten vergeben, wenn und soweit ihm dafür der erforderliche Kredit zur Verfügung steht. Trifft dies nicht zu, so überschreitet er seine Zuständigkeit.
c) Dem Verwaltungsgericht kann darin beigepflichtet werden, dass die Anfechtung eines Submissionsentscheides wegen Verletzung der Bestimmungen über das Finanzreferendum nicht mehr möglich ist, wenn der behauptete Mangel früher hätte gerügt werden können. In der Tat stellt die Submission in der Regel einen Teil der Projektausführung dar, während sich das Referendum nur gegen die Kreditgewährung richten kann. Unterbleibt aber ein formeller Kreditbeschluss für ein ganzes Bauvorhaben oder für Mehraufwendungen gegenüber bewilligten Krediten, so muss der Bürger sich in dem Zeitpunkt zur Wehr setzen können, in dem er mit einer gewissen Zuverlässigkeit davon Kenntnis erhält, dass referendumspflichtige Ausgaben ohne Beschluss der Stimmberechtigten getätigt werden sollen; denn anders liesse sich eine mögliche Verfassungs- oder Gesetzesverletzung nicht verhindern.
4.
a) Das Verwaltungsgericht glaubt, der Beschwerdeführer hätte seinen Rekurs wegen Verletzung der Bestimmungen über das kommunale Finanzreferendum an den Beschluss des Gemeinderates über die Baubewilligung anschliessen können und müssen. Dies trifft nicht zu. Im Baubewilligungsverfahren erfolgt regelmässig lediglich eine Auflage der Pläne, gegebenenfalls mit den notwendigen Erläuterungen. Kostenberechnungen sind in diesem Verfahren nicht erforderlich. Die Gemeinde Arosa macht auch nicht geltend, im vorliegenden Falle seien entgegen der Regel solche Kostenberechnungen öffentlich aufgelegt worden. Es lässt sich daher nicht sagen, die stimmberechtigten Einwohner der Gemeinde hätten durch die Planauflage von der Kostenüberschreitung gegenüber der Abstimmungsvorlage Kenntnis erlangt. Sie hatten auch keinen Anlass, die Pläne in dieser Hinsicht genauer zu prüfen.
BGE 108 Ia 1 S. 5
Das Baubewilligungsverfahren hat einzig den Sinn, festzustellen, ob das Bauvorhaben mit den baurechtlichen Vorschriften von Kanton und Gemeinde übereinstimme; hingegen kommt ihm keine Bedeutung zu hinsichtlich der Frage, ob es auch finanzrechtlich in Ordnung sei, d.h. ob der bewilligte Kredit nicht in unzulässiger Weise überschritten worden sei. Erhebt ein Stimmberechtigter der Gemeinde gegen das Bauprojekt keine Einsprache oder wird diese abgewiesen, so ist er demnach für die Zukunft mit Einwendungen ausgeschlossen, welche sich auf die bauliche Gestaltung des Vorhabens beziehen; dagegen kann entsprechend dem Sinn der Bauausschreibung unmöglich dasselbe gelten hinsichtlich allfälliger Rügen, welche das Mitbestimmungsrecht des Volkes bei der Bewilligung von Ausgaben betreffen. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer Baueinsprache erhoben hatte und dass ihm dementsprechend der Baubewilligungsentscheid mitgeteilt worden war, ist somit im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4f4ddc75-d17c-4492-8957-71efd9d4195b | Urteilskopf
121 III 56
16. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 7 mars 1995 dans la cause S. SA contre époux W. (recours en réforme) | Regeste
Das vom kantonalen Recht vorgeschriebene Formular zur Mietzinsfestsetzung beim Abschluss eines Mietvertrages - verspätete Mitteilung (
Art. 270 Abs. 1 und 2 OR
; Art. 94B Abs. 3 des Einführungsgesetzes des Kantons Genf zum ZGB und OR).
Grundsätzlich hat der Vermieter dem Mieter das vorgeschriebene Formular spätestens bei Mietantritt auszuhändigen. Falls der Vermieter innert den dreissig Tagen seit Übernahme der Mietsache handelt, wird die Frist zur Anfechtung des Anfangsmietzinses verlängert und läuft dreissig Tage nach der Mitteilung auf dem amtlichen Formular ab (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 57
BGE 121 III 56 S. 57
A.-
Par contrat du 3 septembre 1992, S. SA a remis à bail aux époux W. un appartement de trois pièces dès le 16 septembre 1992.
Le loyer annuel convenu par les parties était de 14'280 fr., sans les charges. Ce montant figure sur la formule officielle de fixation du loyer initial que la bailleresse a montrée aux locataires lors de la conclusion du contrat; il ressortait en outre de cette pièce que le loyer annuel payé par le locataire précédent s'élevait à 10'500 fr. depuis le 1er mai 1992.
Les locataires sont entrés en possession de l'appartement le 16 septembre 1992. Un exemplaire du contrat et la formule officielle de fixation du loyer leur ont été adressés en date du 9 octobre 1992.
B.-
Par requête du 13 octobre 1992, les époux W. ont contesté le loyer initial devant la Commission de conciliation en matière de baux et loyers du canton de Genève, au motif notamment que la formule officielle ne leur avait pas été remise en temps utile.
A la suite de l'échec de la conciliation, les demandeurs ont saisi le Tribunal des baux et loyers. Ils ont conclu à ce que le loyer soit fixé à 10'500 fr. par an, charges non comprises, et à la répétition des loyers perçus en trop.
Par jugement du 17 décembre 1993, le tribunal a fait droit à la demande des époux W. Statuant le 24 juin 1994 sur appel de S. SA, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a confirmé le jugement de première instance.
C.-
S. SA a interjeté un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle soutient que le loyer a été fixé valablement.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
b) (Le canton de Genève a fait usage de la faculté offerte par l'
art. 270 al. 2 CO
de rendre obligatoire, en cas de pénurie de logements, la formule officielle de fixation du loyer pour la conclusion de tout nouveau bail. L'art. 94B al. 3 de la loi genevoise d'application du Code civil et
BGE 121 III 56 S. 58
du Code des obligations (ci-après: LACC) prévoit que la formule doit être notifiée au plus tard le jour de la remise de la chose louée au locataire. Les effets du non-respect de ce terme relèvent du droit fédéral et peuvent être examinés par le Tribunal fédéral saisi d'un recours en réforme.)
c) La défenderesse n'a pas respecté le terme prévu par l'art. 94B al. 3 LACC puisqu'elle a envoyé l'avis de fixation du loyer environ trois semaines après que les demandeurs étaient entrés en possession de l'appartement. Il importe peu à cet égard que les locataires aient pu prendre connaissance du contenu de la formule officielle lors de la conclusion du contrat; la notification suppose nécessairement la remise du document.
Cela étant, il y a lieu de rechercher les conséquences de cette irrégularité. Dans l'arrêt publié aux
ATF 120 II 341
, le Tribunal fédéral a jugé qu'un vice de forme lors de la notification du loyer initial n'entraînait pas la mise en vigueur entre les parties du loyer payé par le locataire précédent, mais qu'il appartenait au juge de déterminer le loyer adéquat en tenant compte de toutes les circonstances, sans que son examen ne soit limité au caractère abusif ou non du loyer convenu par les parties (consid. 4 à 6). Le vice de forme examiné consistait dans l'absence de motivation de la hausse du loyer initial par rapport au loyer payé par le locataire précédent; la même solution s'impose toutefois en cas d'absence de notification du loyer initial ou d'une notification ne respectant pas la forme officielle (consid. 4a).
En l'espèce, la solution retenue par la cour cantonale se heurte d'emblée à la jurisprudence précitée. En effet, si la reprise automatique de l'ancien loyer est exclue en cas de notification du loyer initial entachée d'un vice de forme, une telle conséquence ne saurait, a fortiori, s'appliquer en cas de notification trois semaines après la remise de la chose. Pour rechercher les effets d'une signification tardive, il convient bien plutôt de cerner le but visé par l'obligation d'user de la formule officielle au début du bail et de se déterminer en fonction de cette finalité (cf.
ATF 107 II 189
consid. 3 p. 194).
L'usage de la formule officielle lors de la conclusion du bail tend essentiellement à assurer au nouveau preneur une information adéquate sur le loyer précédent ainsi que sur les possibilités et la procédure de contestation du loyer initial; en cas d'augmentation du loyer, la mention de l'ancien loyer et la motivation contenue dans la formule officielle doivent permettre au locataire de saisir la portée et la justification de la majoration, de manière à ce qu'il puisse décider, en toute connaissance
BGE 121 III 56 S. 59
de cause, de contester le nouveau loyer ou de s'en accommoder (
ATF 120 II 341
consid. 5a, y compris les références aux travaux préparatoires et consid. 5b). Grâce à la formule officielle, le locataire doit être en mesure d'apprécier si les conditions formelles d'une contestation - en particulier l'existence d'une augmentation sensible du loyer au sens de l'
art. 270 al. 1 let. b CO
- sont réunies et d'engager lui-même la procédure (TRACHSEL, Leitfaden zum Mietrecht, p. 91; ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, p. 47).
Contrairement à la jurisprudence rendue en matière de vice de forme, le but d'information du locataire visé par l'
art. 270 al. 2 CO
et par les dispositions cantonales y relatives ne commande pas de considérer comme nulle la fixation du loyer lorsque la notification a lieu tardivement; la sanction serait en effet disproportionnée par rapport à l'irrégularité commise. En fait, la seule conséquence à envisager dans un tel cas est la prolongation du délai imparti au locataire pour contester le loyer initial (cf. LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2e éd., note de pied 44, p. 197). Puisque la formule officielle a pour fin de renseigner le locataire, notamment en matière de procédure, il apparaît en effet justifié et équitable qu'il puisse contester le loyer initial dans les trente jours suivant la notification de l'avis officiel lorsque celle-ci intervient postérieurement à la remise de la chose, même si le délai de l'
art. 270 al. 1 CO
est alors échu. Cette solution a l'avantage d'assurer la réalisation du but d'information et de protection du locataire garanti par l'
art. 270 al. 2 CO
, sans produire des effets inadaptés au défaut qui entache la notification. Pour des motifs analogues, il est admis du reste en doctrine que le locataire qui découvre après coup que le bailleur lui a menti sur le montant du loyer précédent peut contester le loyer initial même si le délai de l'
art. 270 al. 1 CO
a expiré (USPI, Commentaire du bail à loyer, n. 19 ad
art. 256a CO
, p. 106).
N'importe quel retard dans la notification du loyer initial n'entraîne pas des effets limités à la seule prolongation du délai de contestation. Afin de prévenir les abus, la solution préconisée ne peut s'appliquer en effet qu'à une notification qui, comme en l'espèce, intervient dans les trente jours suivant la remise de la chose. Toute notification tardive au-delà de l'échéance de ce délai équivaut à une absence de notification et conduit à l'application de la jurisprudence consacrée par l'
ATF 120 II 341
, soit la faculté pour le juge de fixer le loyer sans être limité à l'examen du caractère abusif ou non du loyer figurant sur la formule officielle. | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f4e9b8a-0e79-4808-80d8-99f223aa0121 | Urteilskopf
80 II 369
58. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1954 i.S. Kaestlin gegen Uster. | Regeste
Aufhebung von Miteigentum an Grundstücken gemäss Art. 650 Z GB:
a) Ein mangels Genehmigung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde nach
Art. 404 Abs. 3 ZGB
nicht rechtsgültig gewordener Verkauf begründet keinen Vorkaufsfall gemäss Art. 682, steht daher der Teilungsklage nicht entgegen (Art. 650 Abs. 3) (Erw. 2).
b) Bei Aufhebung des Miteigentums durch Veräusserung des Grundstücks als Ganzen nach Art. 650 /51 haben die Miteigentümer kein Vorkaufsrecht nach Art. 682 (Erw. 3).
c) Art der Aufhebung des Miteigentums an Grundstücken (Art. 651): wenn ein Miteigentümer bevormundet ist, hat die Veräusserung immer durch öffentliche Versteigerung zu erfolgen (Art. 404 Abs. 2) (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 370
BGE 80 II 369 S. 370
(Tatbestand, gekürzt):
Frl. Pauline Uster, bevormundet, Miteigentümerin zur Hälfte des "Usterhofes" in Zürich, bzw. für sie die vormundschaftlichen Organe beabsichtigten diesen Vermögenswert zu liquidieren. Zwei bezügliche Verträge wurden jedoch, namentlich mangels Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde gemäss
Art. 404 Abs. 3 ZGB
, nicht rechtsgültig. In der Folge erhob Frl. Uster gegen den Miteigentümer Dr. Kaestlin Klage auf Aufhebung des Miteigentums gemäss Art. 650/651 ZGB. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage, ev. zur Zeit, ev. Anordnung der Versteigerung unter den Parteien. Beide Vorinstanzen schützten die Klage und ordneten die Aufhebung des Miteigentums durch öffentliche Versteigerung der Liegenschaft an.
Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte Sistierung, ev. dann Abweisung der Klage, ev. Anordnung einer privaten Steigerung unter den Miteigentümern, ev. einer öffentlichen unter Wahrung seines Vorkaufsrechtes.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Streitwert).
2.
Der Beklagte begründet auch vor Bundesgericht seine Eventualanträge 1 und 2 damit, dass der von der Klägerin am 2. November 1951 mit der Neuen Warenhaus
BGE 80 II 369 S. 371
AG. geschlossene Kaufvertrag einen Vorkaufsfall gemäss
Art. 682 ZGB
bilde und es daher nicht angehe, dass jene die richterliche Aufhebung des Miteigentums verlange, solange nicht feststehe, ob die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde dem Vertrag die Genehmigung gemäss
Art. 404 Abs. 3 ZGB
nicht doch noch erteilen müsse; die Aufhebungsklage sei mithin gemäss Art. 650 Abs. 3 als zur Unzeit gestellt abzuweisen.
Die Vorinstanz stellt jedoch fest, dass der Vertrag vom 2. November 1951 von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigt worden und somit nicht rechtsgültig geworden ist. Mit Recht führen zudem das Bezirksgericht und die Justizdirektion in ihrem Rekursentscheid aus, dass der Vertrag vom 2. November 1951 schon deshalb keinen Vorkaufsfall begründe, weil es sich dabei nur um einen Vorvertrag auf Abschluss eines künftigen Hauptvertrages handle, der Vorkaufsberechtigte aber keinen dahingehenden Anspruch habe (vgl. VON TUHR/SIEGWART OR S. 255; HAAB, Komm. z. ZGB, Art. 681 /2 N. 33). Übrigens behauptet der Beklagte selber nicht, dass die Klägerin mit jenem Vertrage ihren Anteil an der Liegenschaft veräussert habe, sondern dass in demselben ein Preis von Fr. 2'820,000.-- für die ganze Liegenschaft bestimmt sei und die Klägerin für diesen Preis die ganze Liegenschaft veräussert habe. Auch daraus geht hervor, dass es sich nur um einen Vorvertrag handeln kann; denn einen die ganze Liegenschaft betreffenden Verkauf hätte die Klägerin ja nicht ins Grundbuch eintragen lassen können, weil ihr, als Eigentümerin bloss eines hälftigen Anteils, bezüglich der dem Beklagten gehörenden Hälfte das Verfügungsrecht fehlt (
Art. 965 Abs. 2 ZGB
). Somit kann der Beklagte aus dem Vertrag vom 2. November 1951 so wenig als aus dem ersten vom 6. August 1951 ein Vorkaufsrecht geltend machen. Dann besteht aber auch kein Interesse an dessen Edition, kein Anlass zu einer Sistierung dieses Prozesses, kein Grund für eine Abweisung der Teilungsklage als zur Unzeit gestellt oder für eine Rückweisung an die Vorinstanz aus
BGE 80 II 369 S. 372
diesen Titeln, womit die Berufungsanträge 1 und 2 abzuweisen sind.
3.
Gemäss
Art. 650 ZGB
hat jeder Miteigentümer das Recht, die Aufhebung des Miteigentums zu verlangen (die Ausschlussgründe nach Abs. 1 kommen hier nicht in Betracht). Dieses Begehren hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage gestellt, und die Frage, um die der Prozess hauptsächlich geht, ist die, ob auch dieses Begehren um Aufhebung des Miteigentums durch Veräusserung der ganzen Sache das Vorkaufsrecht der Miteigentümer auslöst, das diesen beim Verkauf eines einzelnen Anteils gemäss
Art. 682 ZGB
zusteht, was der Beklagte behauptet, die Klägerin bestreitet. Beide Vorinstanzen haben die Frage verneint, und es ist ihren Erwägungen auf der ganzen Linie beizupflichten.
a) Vorab ist der Wortlaut des
Art. 682 ZGB
klar und eindeutig: Miteigentümer haben ein gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber jedem Nichtmiteigentümer, "der einen Anteil erwirbt". Hätte das Gesetz jedem Miteigentümer ein allgemeingültiges Vorkaufsrecht, auch für den Fall der Veräusserung der ganzen Sache gemäss Art. 650/1, verleihen wollen, so wäre die Formulierung sehr einfach gewesen: "Miteigentümer haben ein Vorkaufsrecht gegenüber einem jeden Nichtmiteigentümer", oder, wenn man mehr ins einzelne gehen und beide Hauptfälle nennen wollte: "Miteigentümer haben ein Vorkaufsrecht gegenüber einem jeden Nichtmiteigentümer, der das Grundstück oder einen Anteil erwirbt". Der Umstand, dass Art. 682 nicht so allgemein lautet, sondern ausdrücklich nur den einen Fall des Erwerbs eines Anteils durch einen Aussenstehenden nennt, zwingt zum vornherein zu der Auslegung, dass das Gesetz das Vorkaufsrecht nur für diesen Fall geben will. Wenn das Bundesgericht dies schon in einem früheren Urteil, aber ohne nähere Begründung ausgesprochen hat (
BGE 75 II 133
unten), so offenbar weil es sich eben klar aus dem Gesetzestext ergibt. Die Natur dieses gesetzlichen Vorkaufsrechtes als einer gesetzlichen Beschränkung
BGE 80 II 369 S. 373
des Grundeigentums (Marginale bei Art. 680) verbietet, nach allgemeinen Grundsätzen, eine über den klaren Wortlaut hinausgehende Interpretation. Aus dem gleichen Grunde kann auch nicht das Vorliegen einer Lücke im Gesetz angenommen werden.
Art. 641 ZGB
stellt den Grundsatz auf, dass der Eigentümer - und das ist nach Art. 646 Abs. 3 auch der Miteigentümer - in den Schranken der Rechtsordnung über seine Sache (bzw. seinen Anteil) nach seinem Belieben verfügen kann. Ausnahmen von dieser Verfügungsfreiheit liegen in den gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen. Soweit solche im Gesetze nicht statuiert sind, gilt der Grundsatz der Verfügungsfreiheit. Die Eigentumsbeschränkung des Vorkaufsrechts nach Art. 682 ist auf den Fall der Veräusserung eines Anteils begrenzt, lässt also den Verkauf des ganzen Grundstücks unberührt.
b) Zutreffend weist die Vorinstanz darauf hin, dass auch die Entstehungsgeschichte des Instituts für diese Interpretation spricht. Die Vorarbeiten zum ZGB gingen vom Zugrecht einzelner Kantone, namentlich Basel-Stadt und Nidwalden, aus, bildeten dieses jedoch zu einem gesetzlichen Vorkaufsrecht zugunsten der Miteigentümer von Grundstücken aus, als welches es im ZGB allein steht und, dem BGB unbekannt, in der Expertenkommission gewichtigen Bedenken begegnete (Prot. Expertenkommission, III. Bd.'S. 63 f.). In den Vorarbeiten zu Art. 682 wurde die Veräusserung des ganzen Grundstückes in diesem Zusammenhang nie erwähnt. Auch diese Umstände legen eine zurückhaltende Auslegung der Bestimmung nahe.
Etwas anderes kann auch nicht ausBGE 42 II 33abgeleitet werden, wo entschieden wurde, dass das Vorkaufsrecht nicht nur gegen den Erwerber, sondern schon gegen den Veräusserer geltend gemacht werden könne; darin kann nicht eine Bresche für ausdehnende Interpretation, sondern muss die notwendige Konsequenz aus der vom Gesetzgeber vollzogenen Weiterbildung des Zugrechts zum Vorkaufsrecht erblickt werden.
BGE 80 II 369 S. 374
c) Die ratio legis dieser Beschränkung des Vorkaufsrechts auf die Veräusserung eines Anteils liegt offenbar in der Absicht des Gesetzes, einerseits grundsätzlich dem Miteigentümer das Recht zu geben, jederzeit die Aufhebung des Miteigentums zu verlangen (Art. 650), und ihm durch die auf die Verhältnisse des konkreten Falles abzustimmende Art der Teilung (Art. 651) die bestmögliche Verwertung zu ermöglichen, anderseits aber, wenn seine Miteigentümer nur ihren Anteil veräussern, ihn davor zu schützen, mit einem beliebigen Dritterwerber das bishe rige Verhältnis fortsetzen zu müssen. Letztere Gefahr besteht nicht, wenn gemäss Art. 650/1 die Sache als Ganzes veräussert wird, dagegen eben bei Veräusserung nur eines Anteils, und darum ist nur für diesen Fall vorgesehen, dass der verbleibende Miteigentümer das Grundstück allein soll übernehmen können. Da in einem guten Teil der Fälle die Miteigentümer durch verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen in einem näheren Verhältnis zueinander stehen werden, ist es begreiflich, dass das Gesetz ihnen das unfreiwillige Zusammengespanntsein mit einem vielleicht unerwünschten Fremden ersparen will.
Was im übrigen der Beklagte gestützt auf das von ihm eingeholte Gutachten über die Wünschbarkeit eines auch beim Verkauf des ganzen Grundstücks wirksamen Vorkaufsrechts ausführt, vermag nicht zu überzeugen; jedenfalls haben diese Überlegungen im Gesetze keinen Niederschlag gefunden. Davon, dass etwa seine Verneinung zu einem geradezu unhaltbaren Rechtszustand führen würde, so dass eine sog. unechte Gesetzeslücke anzunehmen wäre, kann keine Rede sein.
d) Die Argumentation, dass die Veräusserung der ganzen Sache nichts anderes sei als die Veräusserung sämtlicher Miteigentumsanteile und daher Art. 682 auch jene umfasse, ist eine künstliche Konstruktion und mit der Vorinstanz abzulehnen. Wie diese zutreffend ausführt, ist an der Sache als Ganzem ein einheitliches, wenn auch mehreren Titularen zustehendes Eigentumsrecht und nicht
BGE 80 II 369 S. 375
eine Mehrheit von selbständigen Rechten anzunehmen. Der Inhalt des Eigentums an der Sache kann daher nicht aus den Rechten an den Anteilen hergeleitet werden, und es geht nicht an, die Veräusserung der Sache als eine solche sämtlicher einzelner Miteigentumsanteile aufzufassen. Der Verkauf der ganzen Sache erfasst diese selbst unmittelbar und nicht auf dem Umweg über die Gesamtheit der Anteile, wie denn auch der Beklagte selbst in seinem Antrag als Gegenstand der Versteigerung "das Geschäftshaus zum Usterhof" bezeichnet haben will, nicht etwa die beiden hälftigen Miteigentumsanteile an der Liegenschaft.
e) Wenn schliesslich der Berufungskläger sich auf
Art. 73 VZG
und die zugehörige Anleitung der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beruft, so kann er auch daraus nichts für seinen Standpunkt ableiten. Abgesehen davon, dass grundsätzlich fraglich erscheint, ob und inwieweit aus einer Verordnung oder gar einer blossen Anleitung betr. das Zwangsvollstreckungsverfahren Schlüsse auf die Auslegung von Bestimmungen des Gesetzes über Bestehen eines subjektiven Rechts gezogen werden könnten, handeln
Art. 73 VZG
und Art. 31 der Anleitung, wo das Vorkaufsrecht der Miteigentümer gewahrt wird, ja gerade von der Verwertung eines gepfändeten Miteigentumsanteils "für sich allein", entsprechen also dem Fall des
Art. 682 ZGB
; und Art. 35 der Anleitung, der die öffentliche Versteigerung des ganzen im Miteigentum stehenden Grundstückes betrifft, schaltet das Vorkaufsrecht der Miteigentümer ausdrücklich aus.
f) Die Frage, ob bei Aufhebung des Miteigentums durch Veräusserung des ganzen Grundstückes die Miteigentümer ein Vorkaufsrecht haben oder nicht, ist grundsätzlicher und materiellrechtlicher Natur; es kann für sie nichts darauf ankommen, ob der die Liquidation des Miteigentumsverhältnisses verlangende Miteigentümer bevormundet und welche Veräusserungsart mit Rücksicht darauf anwendbar sei.
Ist mithin das Bestehen eines Vorkaufsrechts des Miteigentümers
BGE 80 II 369 S. 376
im Falle der Veräusserung (einschliesslich der Versteigerung) des Grundstückes als Ganzen zu verneinen, so sind auch die Berufungsanträge 5-7 durch Abweisung zu erledigen, die alle (auch Antrag 6 betr. Streichung von Ziff. 6 Abs. 2 der Steigerungsbedingungen der Vorinstanz) von der Voraussetzung der Bejahung des Vorkaufsrechtes ausgehen.
4.
Die zweite Hauptfrage im Prozess geht dahin, ob die Aufhebung des Miteigentums an der Liegenschaft auf dem Wege der öffentlichen Versteigerung, wie es die Vorinstanz anordnete, oder der privaten Steigerung zwischen den beiden Miteigentümern, wie der Berufungskläger verlangt (Anträge 3 und 4), zu erfolgen habe.
Art. 651 ZGB
zählt die in Betracht kommenden Aufhebungsarten auf. Können sich die Miteigentümer, wie im vorliegenden Falle, über die zu wählende nicht einigen, so hat der Richter nach Abs. 2 zu entscheiden. Ob die Versteigerung öffentlich oder unter den Miteigentümern zu erfolgen habe, ist grundsätzlich in sein Ermessen gestellt. Ob bezüglich einer solchen Ermessenfrage die Berufung, die nur mit Rechtsverletzung begründet werden kann (
Art. 43 OG
), überhaupt zulässig sei, kann dahingestellt bleiben, da der Entscheid der Vorinstanz im Sinne der öffentlichen Versteigerung nicht nur haltbar, sondern ohne jeden Zweifel richtig ist.
Im allgemeinen kann nicht generell der einen oder andern Versteigerungsart der Vorzug gegeben werden (a.A. HAAB, N. 12, LEEMANN, N. 15 zu Art. 651). Es kommt auf die Umstände des konkreten Falles an. Handelt es sich zum Beispiel bei den Miteigentümern um Geschwister, die sich nicht einigen können, welchem von ihnen eine Familienliegenschaft zukommen soll (vgl. auch
Art. 612 Abs. 3 ZGB
), aber jedenfalls deren Übergang an einen Aussenstehenden nicht wünschen, so kommt (zunächst) nur die Versteigerung unter ihnen in Frage. Handelt es sich aber, wie hier, um Miteigentümer, die sich gänzlich fremd sind und von denen jeder nur die Liegenschaft zu Alleineigentum an sich ziehen oder dann wenigstens möglichst viel
BGE 80 II 369 S. 377
aus seinem Anteil lösen möchte, so wird eher die öffentliche Versteigerung - die übrigens im Gesetze an erster Stelle genannt wird - angezeigt sein, weil bei einem unbeschränkten Interessentenkreise die Wahrscheinlichkeit der Erzielung eines höheren Erlöses zufolge vermehrten Höherbietens besteht, was im Interesse beider Parteien liegt.
Im vorliegenden Falle steht nun aber die Klägerin unter Vormundschaft. Nach
Art. 404 Abs. 2 ZGB
hat die Veräusserung von Grundstücken Bevormundeter immer durch öffentliche Versteigerung zu erfolgen unter Vorbehalt der Genehmigung des Zuschlages durch die Vormundschaftsbehörde. Nach der ratio legis dieser Vorschrift - Gewährleistung freier Preisbildung, Erzielung des bestmöglichen Erlöses - ist sie nicht nur auf Grundstücke im Alleineigentum des Mündels, sondern auch auf Mit- und Gesamteigentum desselben anwendbar, ohne Rücksicht auf die Grösse bzw. Kleinheit des Anteils (
BGE 63 I 108
; EGGER zu Art. 404 N. 3).
Somit durfte die Vorinstanz im vorliegenden Falle gar nicht private Steigerung unter den Miteigentümern anordnen und kann von einer Verletzung von Bundesrecht durch die Anordnung der öffentlichen keine Rede sein. Was der Berufungskläger über daherige Schädigung vorbringt, ist belanglos und zudem unrichtig. Wenn die öffentliche Steigerung einen höheren Erlös erbringt als die private, so kommt das ja auch zur Hälfte ihm zugute. Falls er aber die Liegenschaft selber ersteigern will und daher sein Interesse in einem möglichst niedrigen Preis erblickt, so kann er der Klägerin nicht zumuten, ihm das zu ihrem Nachteil zu ermöglichen, indem Drittinteressenten ferngehalten werden. Es sind somit auch die Berufungsanträge 3 und 4 abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 2. April 1954 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f508ae5-e9d7-42df-8ef8-1cab0408ab64 | Urteilskopf
83 III 105
27. Auszug aus dem Entscheid vom 4. November 1957 i.S. Kopp. | Regeste
Pfändung.
Gegenstände, die der Schuldner als sein Eigentum bezeichnet, sind (soweit zur Deckung der Forderung nötig) zu pfänden, selbst wenn sie im Gewahrsam eines betreibenden Gläubigers stehen und dieser das Eigentum daran beansprucht.
Vormerkung dieser Ansprache; Einleitung des Widerspruchsverfahrens. | Erwägungen
ab Seite 105
BGE 83 III 105 S. 105
Nachdem die Rekurrentin und Frau Gross das Fortsetzungsbegehren gestellt hatten und die am 5. Juli 1957 beim Schuldner vollzogene Pfändung keine genügende Deckung ergeben hatte, musste das Betreibungsamt Teufen auf die Angabe des Schuldners hin, dass ein Teil des bei seiner (getrennt lebenden) Ehefrau, der Rekurrentin, befindlichen Hausrates ihm gehöre, durch das gemäss
Art. 89 SchKG
örtlich zuständige Betreibungsamt St. Gallen abklären lassen, ob in der Wohnung der Rekurrentin Gegenstände vorhanden seien, die für die Gläubiger des Schuldners gepfändet werden können. Der Schuldner hat Anspruch darauf, dass die von ihm als sein Eigentum bezeichneten Gegenstände bis zur vollen Deckung der in Betreibung gesetzten Forderungen gepfändet werden, da
BGE 83 III 105 S. 106
er sich die Ausstellung eines Verlustscheins (sei es auch nur eines provisorischen gemäss
Art. 115 Abs. 2 SchKG
) nicht gefallen lassen muss, wenn er über genügend pfändbare Aktiven verfügt (
BGE 52 III 163
). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn die in Frage stehenden Gegenstände sich beim Gläubiger befinden und dieser das Eigentum daran geltend macht (vgl. den eben genannten Entscheid). Wenn bei JAEGER/DAENIKER an der von der Rekurrentin angerufenen Stelle (N. 7 zu
Art. 91 SchKG
, S. 166) gesagt wird, dass Gegenstände, an denen jemand Eigentum für sich beansprucht, für ihn als Gläubiger nur dann gepfändet und verwertet werden dürfen, wenn er auf sein Eigentum verzichtet, so kann dies, wie durch die zum Beleg angeführten Präjudizien (BGE 39 I Nr. 15 = Sep. Ausg. 16 Nr. 1; ZBJV 48 S. 253) bestätigt wird, bloss den Sinn haben, dass der Gläubiger die Pfändung eines von ihm zu Eigentum angesprochenen Gegenstandes nur unter der erwähnten Voraussetzung verlangen kann. Im vorliegenden Falle hat nicht ein Gläubiger ein solches Begehren gestellt, sondern der Schuldner auf das Vorhandensein pfändbarer Gegenstände im Gewahrsam einer der beiden Gläubigerinnen hingewiesen. Das Betreibungsamt Teufen war daher verpflichtet, bei dieser die Pfändung vollziehen zu lassen, obwohl sie hiegegen unter Berufung auf ihr Eigentum an den zu pfändenden Gegenständen Einspruch erhoben hatte. Zur materiellrechtlichen Frage, ob die Rekurrentin wirklich Eigentümerin des bei ihr befindlichen Hausrates sei, hatte es nicht Stellung zu nehmen. Vielmehr musste es sich damit begnügen, die angemeldeten Eigentumsansprüche vorzumerken und das Widerspruchsverfahren einzuleiten. Dabei hat es mit Recht berücksichtigt, dass die Rekurrentin, nach dem im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 SchKG
beweiskräftigen Pfändungsprotokoll des Betreibungsamtes St. Gallen zu schliessen, beim Pfändungsvollzug nicht mehr den ganzen Hausrat, sondern nur noch einen Teil davon als ihr Eigentum bezeichnet hat. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f517f32-d85a-4031-90c2-09987ffd74a8 | Urteilskopf
102 II 305
45. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. September 1976 i.S. Abraham gegen Baumann | Regeste
Namensschutz;
Art. 29 Abs. 2 ZGB
.
Namensanmassung durch Verwendung eines fremden Namens zur Bezeichnung eines Geschäfts. Der Namensträger kann auch durch eine Beeinträchtigung rein ideeller Natur in seinen schutzwürdigen Interessen verletzt sein. Eine solche ist gegeben, wenn der Namensträger durch die Verwendung seines Namens in eine nicht vorhandene Beziehung zu Personen oder Sachen gebracht wird, die er ablehnt und vernünftigerweise auch ablehnen darf. Muss der unvoreingenommene ortsansässige Betrachter nicht annehmen, dass zwischen dem Geschäft und dem Namensträger eine Beziehung besteht, ist dieser in seinen Interessen nicht verletzt. | Sachverhalt
ab Seite 305
BGE 102 II 305 S. 305
A.-
Susan Baumann führt am Rindermarkt in Zürich ein Ladengeschäft für Antiquitäten aus der Zwischenkriegszeit (sog. "art-déco"-Epoche). Als Geschäftsbezeichnung hat sie
BGE 102 II 305 S. 306
den Namen "Abraham" gewählt, der in goldenen Buchstaben am Ladenschaufenster angebracht ist. Im Telefonbuch ist das Geschäft unter dem Namen der Inhaberin als "Antiquitäten Abraham" aufgeführt.
Robert David Abraham, von Beruf diplomierter Psychologe und in Zürich wohnhaft, gehört einer seit 1877 in Zürich niedergelassenen Familie gleichen Namens an, die durch die Gründung eines bedeutenden Textilunternehmens zu einem gewissen Ansehen gelangt ist. Er fühlt sich durch die von Susan Baumann verwendete Geschäftsbezeichnung in seinem Namensrecht verletzt.
B.-
Robert David Abraham erhob gegen Susan Baumann beim Bezirksgericht Zürich Klage mit dem Begehren, sie habe die Anmassung des Namens "Abraham" in ihrem Geschäft in jeder Form zu unterlassen und sie habe ihm eine Genugtuungssumme von Fr. 100.-- nebst Zins zu bezahlen. Die Beklagte widersetzte sich der Klage.
Mit Urteil vom 16. September 1975 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Es verneinte das Vorliegen einer Namensanmassung mit der Begründung, der Name "Abraham" sei im Sinne von
BGE 92 II 311
Gemeingut, weshalb der Kläger daran kein Ausschliesslichkeitsrecht beanspruchen könne; der weltweite Gebrauch dieses Namens lasse zwischen dem Laden der Beklagten und dem Kläger überhaupt keine Beziehung entstehen.
C.-
Der Kläger zog dieses Urteil auf dem Berufungsweg an das Obergericht des Kantons Zürich weiter. Im Laufe des Berufungsverfahrens liess er das Begehren auf Zusprechung einer Genugtuungssumme fallen.
Das Obergericht bestätigte mit Entscheid vom 16. März 1976 das erstinstanzliche Urteil. Es ging wie das Bezirksgericht davon aus, dass es sich beim Namen "Abraham" um geistiges Gemeingut handle. Unter diesen Umständen hätte der Kläger, so führte das Obergericht weiter aus, nur dann Anspruch auf Schutz seines Familiennamens, wenn dargetan wäre, dass dieser Name hierzulande gedanklich ausschliesslich mit dem Kläger und dessen Familie in Verbindung gebracht würde. Das sei indessen nicht der Fall: Das weltweit heute noch lebendige Bewusstsein über die ursprüngliche Herkunft und Bedeutung des Namens "Abraham" sei durch die vom Kläger angeführten Umstände nicht überdeckt oder gar verdrängt
BGE 102 II 305 S. 307
worden, so dass bei der Verwendung des Namens in Zürich oder in der Schweiz nicht mehr an den Urträger dieses Namens, sondern ohne weiteres an den Kläger oder dessen Familie gedacht würde. Auch die Art der Verwendung des Namens "Abraham" durch die Beklagte stelle keine Verletzung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen dar.
D.-
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt den Schutz des im vorinstanzlichen Verfahren aufrecht erhaltenen Klagebegehrens, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Tatbestandsergänzung durch Vornahme eines Augenscheines und zur Neubeurteilung.
E.-
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegenstand des Prozesses bildet der sich aus dem Namensrecht des Klägers ergebende Abwehranspruch (Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch). Dieser ist nicht vermögensrechtlicher Natur, weshalb die Berufung an das Bundesgericht gemäss
Art. 44 OG
ohne Rücksicht auf allfällige Vermögensinteressen zulässig ist (
BGE 95 II 486
E. 1).
2.
Wird jemand dadurch beeinträchtigt, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, so steht ihm nach
Art. 29 Abs. 2 ZGB
ein vom Verschulden unabhängiger Unterlassungsanspruch zu. Der Gesetzeswortlaut ist insofern zu eng, als nur von der Unterlassung einer Namensanmassung die Rede ist. Selbstverständlich will damit der Anspruch auf Beseitigung einer noch andauernden Verletzung des Namensrechts wie z.B. auf Entfernung der Inschrift am Schaufenster eines Ladens nicht ausgeschlossen werden. Eine Namensanmassung kann sodann nach der Rechtsprechung und der Lehre auch darin bestehen, dass jemand den Namen eines andern unbefugterweise nicht zur Bezeichnung seiner eigenen Person, sondern zur Kennzeichnung einer Sache (z.B. einer Zeitschrift, eines Gerätes oder eines Geschäftsbetriebs) verwendet (
BGE 80 II 140
E. 1;
BGE 87 II 111
E. 4;
BGE 90 II 467
(Nr. 51); EGGER, N. 17 zu
Art. 29 ZGB
; GROSSEN, in Schweiz. Privatrecht, Bd. II, S. 340/341; AISSLINGER, Der Namensschutz nach
Art. 29 ZGB
, Zürcher Diss. 1948, S. 28). Der Kläger kann sich daher grundsätzlich auf
Art. 29 Abs. 2 ZGB
BGE 102 II 305 S. 308
berufen, um eine Verletzung seines Namensrechtes, wie sie seiner Auffassung nach im Gebrauch des Namens "Abraham" zur Bezeichnung des von der Beklagten geführten Antiquitätenladens zu erblicken ist, zu beseitigen oder zu verhindern. Entgegen der in der Berufungsantwort vertretenen Auffassung richtet sich das Klagebegehren nicht nur gegen die Aufschrift auf dem Schaufenster, sondern gegen die Verwendung des Namens Abraham für den Geschäftsbetrieb der Beklagten ganz allgemein, wozu auch die Reklame gehört.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass nur derjenige den Namensschutz des
Art. 29 ZGB
beanspruchen kann, der hiefür ein schutzwürdiges Interesse geltend zu machen vermag. Das ergibt sich nicht nur aus dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Klage ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse voraussetzt (EGGER, N. 20 zu
Art. 29 ZGB
), sondern unmittelbar aus dem Gesetz selbst:
Art. 29 Abs. 2 ZGB
verleiht nur demjenigen ein Klagerecht, der durch eine Namensanmassung beeinträchtigt (französisch: lésé) wird (
BGE 45 II 626
/627 E. 3). Das kann nichts anderes bedeuten, als dass der Gebrauch eines fremden Namens durch einen dazu nicht Berechtigten an sich noch nicht ausreicht, um die gesetzlich vorgesehenen Ansprüche auszulösen. Wer sich auf
Art. 29 Abs. 2 ZGB
berufen will, muss vielmehr dartun können, dass die in Frage stehende Namensverwendung seine Interessen wirklich und nicht nur dem Scheine nach verletzt. Allerdings ist nicht etwa erforderlich, dass Interessen vermögensrechtlicher Natur auf dem Spiele stehen. Es genügt durchaus die Beeinträchtigung rein ideeller Belange, die nach der Lehre und der Rechtsprechung namentlich dann vorliegt, wenn eine Verwechslungsgefahr besteht (
BGE 80 II 145
; EGGER, N. 21 zu
Art. 29 ZGB
) oder wenn ein Namensträger durch Gedankenverbindungen in nicht vorhandene Beziehungen hineingestellt wird, die er ablehnt und vernünftigerweise auch ablehnen darf (
BGE 72 II 150
;
BGE 80 II 147
;
BGE 90 II 466
; EGGER, a.a.O. N. 17).
3.
Der Kläger macht nicht geltend, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe. Das fällt schon deshalb ausser Betracht, weil die Beklagte den Namen "Abraham" nicht für sich selber, sondern lediglich zur Bezeichnung ihres Ladengeschäftes gebraucht. Der Kläger erblickt eine Beeinträchtigung seiner Interessen vielmehr darin, dass unvoreingenommene Betrachter
BGE 102 II 305 S. 309
annehmen könnten, es bestehe zwischen dem Laden der Beklagten und der in Zürich ansässigen Familie Abraham, der er angehört, eine Beziehung.
a) Für die Beurteilung der Frage, welche Gedankenassoziationen durch eine bestimmte Namensverwendung geweckt werden, ist auf den Eindruck und die Reaktionsweise des Publikums abzustellen. Der Kläger vertritt selber diese Auffassung, wenn er ausführen lässt, entscheidend sei nicht, was sich die Beklagte bei der Wahl des Namens "Abraham" als Geschäftsbezeichnung gedacht habe, sondern welche Gedankenassoziation beim Aussenstehenden durch diesen Namen hervorgerufen werde. Bei einem Ladengeschäft von bloss lokaler Bedeutung wie demjenigen der Beklagten kommt es darauf an, welche Gedankenverbindung die Geschäftsbezeichnung "Abraham" beim zürcherischen Publikum auslöst. Dies vermag nur der ortsansässige Richter zuverlässig zu beurteilen. Die Vorinstanz hat diesbezüglich ausgeführt, der Familienname des Klägers habe nicht eine derart grosse Kennzeichnungskraft erlangt, dass bei der Verwendung des Namens "Abraham" in Zürich oder in der Schweiz nicht mehr an den Urträger dieses Namens, sondern ohne weiteres an den Kläger und dessen Familie gedacht würde. Man kann sich fragen, ob in dieser Aussage nicht eine für das Bundesgericht verbindliche Feststellung tatsächlicher Natur mitenthalten sei, des Inhalts, dass das Zürcher Publikum die von der Beklagten verwendete Geschäftsbezeichnung nicht unmittelbar mit dem Familiennamen des Klägers in Verbindung bringe. Zur Beurteilung der Individualisierungskraft eines Namens in einem örtlich beschränkten Bevölkerungskreis sind jedenfalls auch Kenntnisse faktischer Art erforderlich, über die in der Regel nur der Tatsachenrichter verfügt. Das Bundesgericht hat sich deshalb in dieser Hinsicht Zurückhaltung aufzuerlegen und seine Prüfung darauf zu beschränken, ob die kantonale Instanz von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist.
b) Der Kläger wendet sich dagegen, dass der vorliegende Fall mit dem Entscheid des Bundesgerichts in
BGE 92 II 305
ff. (betreffend den Vornamen "Sheila", den eine französische Sängerin als Pseudonym gewählt hatte) verglichen werde. Er macht geltend, dass ein durch Geburt erworbener Familienname mit einem freigewählten Pseudonym
BGE 102 II 305 S. 310
nicht vergleichbar sei und dass der Name "Abraham" überdies nicht im gleichen Sinne geistiges Gemeingut darstelle wie der Vorname "Sheila".
Die Vorinstanz hat sich auf das zitierte Bundesgerichtsurteil indessen nur dafür berufen, dass der Schutz eines als geistiges Gemeingut zu betrachtenden Namens vom Nachweis abhange, dieser Name vermöge den als Kläger auftretenden Namensträger trotzdem noch in genügendem Masse zu kennzeichnen. Gegen eine solche Heranziehung des betreffenden Entscheides ist entgegen der Auffassung des Klägers nichts einzuwenden. Wer einen Namen trägt, der weit verbreitet ist oder geistiges Gemeingut darstellt, kann in der Tat ein ausschliessliches Recht auf den Namensgebrauch nur insoweit beanspruchen, als dieser Name allgemein auf ihn bezogen zu werden pflegt. Dem Kläger mag eingeräumt werden, dass die Vorinstanz zu weit gegangen ist, wenn sie geradezu den Nachweis verlangte, dass ein solcher Name ausschliesslich mit dem als Kläger auftretenden Namensträger und dessen Familie in Verbindung gebracht werde. Es muss für den Nachweis der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen genügen, dass eine nicht geringe Gefahr besteht, ein Namensträger werde durch eine bestimmte Verwendung seines Namens oftmals in Gedankenverbindung zu Sachen oder Personen gebracht, zu denen er weder eine Beziehung hat noch haben will.
Nicht zu überzeugen vermag der Unterschied, den der Kläger unter dem Gesichtspunkt der Kennzeichnungskraft zwischen einem Vornamen wie "Sheila" und dem auch nach seiner Auffassung als geistiges Gemeingut zu betrachtenden Namen "Abraham" machen will. Ob dieser Name in der Schweiz als jüdisch empfunden wird, wie in der Berufungsschrift geltend gemacht wird, ist ebenfalls nicht erheblich. Wesentlich ist einzig und allein, dass das Wort "Abraham" in der Schweiz viel eher auf den alttestamentarischen Urträger dieses Namens bezogen als mit dem gleichlautenden Familiennamen in Verbindung gebracht wird. Dass dies, wie dem angefochtenen Urteil zu entnehmen ist, jedenfalls für Zürich zutrifft, vermochte der Kläger nicht zu widerlegen. Ist aber den meisten Leuten in Zürich der Familienname "Abraham" kein Begriff, so wird der Laden der Beklagten entgegen der Behauptung des Klägers auch durch die Bezeichnung "Antiquitäten Abraham" nicht mit der Familie gleichen Namens in
BGE 102 II 305 S. 311
Beziehung gesetzt. Wenn sich diese vom Kläger befürchtete Gedankenassoziation wenigstens in aller Regel nicht einstellt, kann der Vorinstanz keine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden, weil sie dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse abgesprochen hat.
c) Der Kläger hat im vorinstanzlichen Verfahren sein Interesse am Schutz der Klage auch durch den Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die in Anwendung von
Art. 30 Abs. 3 ZGB
ergangen ist, zu stützen versucht. Das Bundesgericht hat auf Grund der betreffenden Bestimmung eine Anzahl von Klagen gegen die Bewilligung von Namensänderungen geschützt, indem es den Ausschliesslichkeitsanspruch der Träger sehr angesehener und seltener Namen über das Interesse an der freien Wahl des gleichen Namens stellte (vgl.
BGE 52 II 103
ff. betreffend den Namen "Eynard";
BGE 60 II 387
ff. betreffend den Namen "Dedual";
BGE 67 II 191
ff. betreffend den Namen "Segesser";
BGE 72 II 145
ff. betreffend den Namen "Surava"). Es bezeichnete die im Familiennamen zum Ausdruck gelangende Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie als ein schutzwürdiges Rechtsgut, sofern die Träger eines solchen Namens ohne weiteres mit einer Familie von besonderer Berühmtheit oder von besonderem Ansehen in Beziehung gebracht würden (so insbesondere
BGE 52 II 106
ff. E. 2).
In
BGE 72 II 151
wurde dann allerdings einschränkend ausgeführt, es könne für den Namensschutz nicht darauf ankommen, ob ein Name ein besonders hohes Ansehen geniesse; es müsse vielmehr genügen, dass ein Name durch seine relative Seltenheit charakteristisch sei. Der Kläger beruft sich vor allem auf diesen letzten Entscheid und macht geltend, in Zürich gebe es nur eine namhafte Familie Abraham; deren Name sei sowohl aus diesem Grund als auch mit Rücksicht auf seinen in der Schweiz fremden Klang als schutzwürdig zu betrachten.
Der Unterschied zu den erwähnten Fällen besteht jedoch, wie die Vorinstanz mit Recht hervorgehoben hat, darin, dass es sich beim Namen "Abraham" nicht nur um einen relativ seltenen Familiennamen, sondern gleichzeitig um den Namen einer bestbekannten biblischen Gestalt und um einen Vornamen handelt. Unter diesen Umständen müsste dargetan werden können, dass der Familienname "Abraham" in Zürich
BGE 102 II 305 S. 312
trotzdem eine entsprechend grosse, die allgemeine Bedeutung des Wortes verdrängende Kennzeichnungskraft erlangt hat. An dieser Voraussetzung fehlt es aber im vorliegenden Fall, hält doch das angefochtene Urteil fest, dass die Verwendung des Wortes "Abraham" in Zürich nicht ohne weiteres an den Kläger und dessen Familie denken lasse. Gegen diese Feststellung des ortsansässigen Richters vermag die klägerische Argumentation nicht aufzukommen. Insbesondere ist mangels einer Beeinträchtigung des Namensrechts des Klägers nicht darauf abzustellen, wie gross das Interesse der Beklagten an der Verwendung des Wortes "Abraham" ist und ob die von ihr gewählte Geschäftsbezeichnung dem geistigen Ursprung dieses Wortes gerecht zu werden vermag.
d) Schliesslich macht der Kläger geltend, eine Verletzung seines Namensrechts und seiner persönlichen Verhältnisse ganz allgemein sei auch darin zu erblicken, dass der altehrwürdige Name "Abraham" zur Bezeichnung eines Trödelladens gebraucht werde; als Träger dieses biblischen Namens müsse er sich eine derartige Namensverwendung nicht gefallen lassen. Die Vorinstanz hat eine Verletzung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen verneint und in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Kläger habe eine solche mit Recht auch nicht geltend gemacht. Letzteres wird in der Berufungsschrift als offensichtlich auf Versehen beruhend bestritten. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, denn die Vorinstanz hat die Frage materiell geprüft und in einer Weise beantwortet, die vor dem Bundesrecht standzuhalten vermag.
Eine Verletzung des Klägers in seinen persönlichen Verhältnissen würde voraussetzen, dass der Name "Abraham" in einer Weise verwendet worden wäre, die von jedem Träger dieses Namens als geradezu kränkend empfunden werden müsste. Davon kann hier keine Rede sein. Im angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass weder die Art der im Laden der Beklagten zum Kauf angebotenen Waren noch der Standort des Geschäftes geeignet seien, negative Gedankenverbindungen auszulösen. Entgegen der Auffassung des Klägers war die Vorinstanz in der Lage, hierüber tatbeständliche Feststellungen zu treffen, ohne einen Augenschein durchzuführen, mussten ihr doch der Standort und die Art des Geschäftes, das sich in ihrer nähern Umgebung befindet, bekannt sein. Hat aber
BGE 102 II 305 S. 313
die Verwendung des Namens "Abraham" durch die Beklagte nichts Stossendes an sich, fehlt es an einem persönlichkeitsverletzenden Verhalten, gegen das sich der Kläger gestützt auf
Art. 29 Abs. 2 oder
Art. 28 Abs. 1 ZGB
zur Wehr setzen könnte. Dass der Kläger den Gebrauch des Namens "Abraham" zur Bezeichnung eines Antiquitätenladens als unpassend und ungehörig empfindet, reicht für die Anwendung der Bestimmungen über den privatrechtlichen Schutz der Persönlichkeit nicht aus.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) vom 16. März 1976 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f58bd19-9257-4e76-9fac-e16822c66ef6 | Urteilskopf
115 Ia 350
54. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Oktober 1989 i.S. Itin AG und Mitbeteiligte, Unterstützungsfonds der Buss AG, Coop Schweiz sowie Bürgergemeinde Pratteln gegen Einwohnergemeinde Pratteln und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 22ter BV
, Zonenplanung.
1. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Interessenabwägung bei der Zonenplanung im allgemeinen (E. 3d).
2. Interessenabwägung im vorliegenden Fall (E. 3f). Ausschlaggebendes Gewicht kommt der Vorgeschichte und der Erschliessungsplanung zu (E. 3f cc). Gebot der Einzonung (E. 3f dd). | Sachverhalt
ab Seite 350
BGE 115 Ia 350 S. 350
Die Itin AG und Mitbeteiligte, der Unterstützungsfonds der Buss AG, die Coop Schweiz und die Bürgergemeinde Pratteln sind Eigentümer verschiedener Parzellen in dem am östlichen Rand von Pratteln gelegenen Gebiet Wannen/Wannenboden/Oberer Wannenneusatz (im folgenden Gebiet "Wannen"). Der Itin AG und Mitbeteiligten (im folgenden Itin-Gruppe) gehören die Parzellen Nrn. 4762, 4764 und 4863, dem Unterstützungsfonds der Buss AG die Parzellen Nrn. 4803 und 4804, der Coop Schweiz die Parzellen Nrn. 4765, 4770 und 4802 sowie der Bürgergemeinde Pratteln die Parzellen Nrn. 4767 und 4769. Das Gebiet "Wannen" lag nach dem Zonenplan der Einwohnergemeinde Pratteln von 1957/1960 ausserhalb der Bauzone. Die Eigentümer erhielten das Land im Rahmen der für den Bau der Nationalstrasse durchgeführten Felderregulierung als Realersatz. Es wurde von den Meliorationsorganen als Bauland, nämlich als Gewerbezonenland bonitiert.
In einem Planentwurf "Teilzonenplan Wannen" des Gemeinderates aus dem Jahre 1981 war die Zuteilung des Gebietes
BGE 115 Ia 350 S. 351
"Wannen" zur Gewerbezone G2 bzw. zur G1 vorgesehen, und entsprechend stellte der Gemeinderat im Rahmen des Zonenplanverfahrens Antrag an den Einwohnerrat der Einwohnergemeinde Pratteln. In diesem Verfahren hat der Einwohnerrat Pratteln die Zonenvorschriften Siedlung revidiert, am 22. Oktober 1984 ein neues Zonenreglement verabschiedet und am 22./26. November 1984 einen neuen Zonenplan angenommen. Dieser teilt im Gebiet "Wannen" die genannten Parzellen des Unterstützungsfonds, der Coop Schweiz sowie der Bürgergemeinde Pratteln keiner Bauzone zu; die Parzellen der Itin-Gruppe sind danach teils der Gewerbezone G2 (mit einer zulässigen Gebäudehöhe von 16 m), teils der Gewerbezone G1 (mit einer zulässigen Gebäudehöhe von 12 m) und teils keiner Bauzone zugewiesen.
Diese Beschlüsse des Einwohnerrates, gegen die kein Referendum ergriffen worden ist, wurden öffentlich aufgelegt. Die genannten Eigentümer erhoben beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft Einsprache und verlangten die Zuweisung sämtlicher Parzellen zur Gewerbezone G2. Mit Entscheid vom 24. November 1987 hat der Regierungsrat diese Begehren abgelehnt, die Einsprachen abgewiesen und die Beschlüsse des Einwohnerrates in bezug auf alle genannten Parzellen genehmigt.
Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates reichten die Itin-Gruppe, der Unterstützungsfonds der Buss AG, die Coop Schweiz und die Bürgergemeinde Pratteln beim Bundesgericht wegen Verletzung von
Art. 22ter BV
staatsrechtliche Beschwerden ein, beantragen dessen Aufhebung und verlangen, dass der Regierungsrat anzuweisen sei, im Sinne des Antrages des Gemeinderates an den Einwohnerrat zu entscheiden. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden im wesentlichen gut.
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
3.
a) Die im vorliegenden Fall streitigen Nichteinzonungen stellen öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen dar. Solche Beschränkungen sind mit der Eigentumsgarantie nach
Art. 22ter BV
nur vereinbar, sofern sie auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind. Kommen sie einer Enteignung gleich, so ist volle Entschädigung zu leisten (
BGE 114 Ia 249
, 337,
BGE 113 Ia 364
, mit Hinweisen).
BGE 115 Ia 350 S. 352
Die Beschwerdeführer ziehen die gesetzliche Grundlage für die Planung und die Eigentumsbeschränkung nicht in Frage (vgl. § 4 ff. und insbes. § 9 des Baugesetzes des Kantons Basel-Landschaft vom 15. Juni 1967, BauG). Ebenso wenig steht im vorliegenden Verfahren eine allfällige Entschädigungspflicht zur Diskussion. Zu prüfen ist somit lediglich, ob die streitigen Eigentumsbeschränkungen im Verhältnis zu den entgegenstehenden Privatinteressen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind. Ob diese verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, prüft das Bundesgericht bei einer auf
Art. 22ter BV
gestützten Beschwerde grundsätzlich frei, doch auferlegt es sich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser überblicken als das Bundesgericht, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen, deren Beantwortung den primär für die Ortsplanung verantwortlichen Behörden überlassen bleiben muss (
Art. 2 Abs. 3 RPG
); dies trifft für Fragen der Zoneneinteilung und -abgrenzung regelmässig zu (
BGE 114 Ia 243
, 250, 113 Ia 448, mit Hinweisen).
b) Das streitige Gebiet "Wannen" wird begrenzt im Süden durch die Richtung Liestal führende Kantonsstrasse, im Osten durch den Autobahnzubringer, gegen Norden durch die Autobahn und im Westen durch die Gewerbezone "Rüti". Der Augenschein hat in tatsächlicher Hinsicht gezeigt, dass das Gebiet gegen den Autobahnzubringer, gegen die Autobahn sowie im Nordwesten gegen die Sportplätze steil abfällt. Bodenproben haben ergeben, dass der Grund durchlässig und wenig tiefgründig ist und ab rund 30 cm Tiefe bereits stark kieshaltig ist; das Land ist demnach für die Landwirtschaft nicht ideal, doch ist es klarerweise ackerfähig und kommt daher als Fruchtfolgefläche in Frage.
c) Zur Begründung der streitigen Nichteinzonung der betroffenen Parzellen führt der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid das Folgende aus:
"Es trifft zu, dass auch behördenseits von einer künftigen Einzonung des Gebietes Wannen ausgegangen worden ist. Derartige Absichtserklärungen sind jedoch für den letztlich zuständigen Einwohnerrat nicht verbindlich. Das entsprechende Areal war auch nie einer Bauzone zugeteilt, weshalb eine Nichteinzonung nicht einem Bauverbot gleichkommt. Die Erhaltung des Landwirtschaftsgebietes ist zudem hinsichtlich der Ziele und Planungsgrundsätze gemäss Raumplanungsgesetz sachlich vertretbar und angemessen. Demgemäss kann auch die vorgebrachte
BGE 115 Ia 350 S. 353
Beanstandung in bezug auf die Verletzung der Verhältnismässigkeit nicht geschützt werden.
Von besonderer Bedeutung ist die Erhaltung von ackerfähigem Kulturland auch zur Sicherstellung der sogenannten Fruchtfolgeflächen, welche der Bund im Interesse der Landesversorgung fordert. Deshalb ist der Regierungsrat verpflichtet, landwirtschaftsfremde Nutzungsansprüche ausserhalb des Baugebietes besonders sorgfältig zu prüfen, bzw. solche nur zu gestatten, wenn ein zwingendes Bedürfnis nachgewiesen werden kann."
d) Bei der Erfüllung raumplanerischer Aufgaben und der Festsetzung von Zonen haben die Planungsbehörden die im positiven Recht normierten Ziele und Grundsätze optimal zu berücksichtigen. Solche ergeben sich aus dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht (
BGE 114 Ia 374
,
BGE 113 Ib 270
). Dazu gehören die Ziele und Planungsgrundsätze, wie sie in
Art. 1 und
Art. 3 RPG
umschrieben sind. Zu beachten sind die Vorschriften von
Art. 14 ff. RPG
über die Nutzungspläne, für die Bauzonen insbesondere
Art. 15 RPG
, wonach das für die Überbauung geeignete oder weitgehend überbaute bzw. voraussichtlich innert 15 Jahren benötigte Land eingezont werden soll, und der Grundsatz, dass überdimensionierte Bauzonen verhindert werden sollen (
BGE 114 Ia 369
). Erheblich sind auch die Bestrebungen zum Schutze der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Sicherung einer ausreichenden Versorgungsbasis des Landes sowie die Ausscheidung hinreichender Fruchtfolgeflächen (
Art. 1 Abs. 1 und
Art. 3 Abs. 2 RPG
sowie Art. 11 der Verordnung über die Raumplanung vom 26. März 1986;
BGE 114 Ia 375
). Diesen Grundsätzen kommt für sich alleine keine absolute Bedeutung zu. Sie stellen vielmehr Zielvorstellungen, Wertungshilfen und Entscheidungskriterien dar, die bei der Schaffung und Revision von Nutzungsplänen zu beachten sind und eine umfassende Berücksichtigung und Abwägung verlangen (
BGE 114 Ia 369
, 374). Bei der Durchführung einer Planung sind alle Interessen, seien es öffentliche oder private, zu beachten; Planungsmassnahmen sind nur dann verfassungskonform, wenn neben den Planungsgrundsätzen auch die konkreten, für den einzelnen Fall massgebenden Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden (
BGE 114 Ia 374
, 368 f.).
Aufgrund dieser Kriterien ist im folgenden zu prüfen, wie es sich mit der angefochtenen Planung für das Gebiet "Wannen" verhält. (...).
BGE 115 Ia 350 S. 354
f) Für die Abwägung der auf dem Spiele stehenden Interessen sind die folgenden Gesichtspunkte von Bedeutung:
aa) Im vorliegenden Fall sind die fraglichen Grundstücke der Beschwerdeführer klarerweise im Sinne von
Art. 15 RPG
für die Überbauung geeignet. Sie sind aufgrund einer rechtskräftigen Erschliessungsplanung, nach welcher die Gemeinde bereits Eigentümerin der vorgesehenen Strassenflächen ist, zur Überbauung geradezu prädestiniert. Zwar ist das Land nicht im Sinne von
Art. 15 lit. a RPG
als weitgehend überbaut zu betrachten, aber es kann auch nicht gesagt werden, es werde nach
Art. 15 lit. b RPG
voraussichtlich nicht innert 15 Jahren benötigt. Die Einwohnergemeinde hat dies in ihrem Bericht vom 14. November 1988 selbst deutlich festgestellt und erklärt, ihres Erachtens würde die Einzonung der Beschwerdegebiete nicht zu einem Überangebot an Bauland führen.
bb) Am Augenschein hat sich aufgrund von Bodenproben ergeben, dass es sich im betroffenen Gebiet um sehr durchlässigen Boden handelt, der wenig tiefgründig und ab 30 cm Tiefe bereits sehr kieshaltig ist. Er wird von Fachleuten landwirtschaftlich als nicht sehr günstig bezeichnet, da er schnell austrockne. Immerhin wächst Mais und z.B. auch Winterweizen gut darauf. Als Schlussfolgerung ergab sich am Augenschein, dass dieser Boden zwar nicht von sehr guter landwirtschaftlicher Qualität ist, dass er aber klar ackerfähig und damit grundsätzlich als Fruchtfolgefläche geeignet ist. Das Bundesgericht misst dem Gesichtspunkt des Kulturlandschutzes und damit auch der Fruchtfolgeflächensicherung in seiner Praxis grundsätzlich sehr grosses Gewicht zu (
BGE 114 Ia 375
E. d).
cc) Im vorliegenden Fall kommt ein besonderes Gewicht der Erschliessungsplanung und dem derzeitigen Erschliessungsstand sowie der der streitigen Zonenplanung vorausgehenden Vorgeschichte zu. Die von der Einwohnergemeinde eingereichte Dokumentation zeigt eindrücklich, dass bis etwa zum Jahre 1980 in Pratteln davon ausgegangen worden ist, das Gebiet "Wannen" werde in der künftigen Zonenplanrevision Siedlung in die Bauzone einbezogen. Das wird sowohl vom Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft als auch von der Einwohnergemeinde Pratteln ausdrücklich bestätigt. Dies zeigt sich nicht nur an einzelnen Äusserungen verschiedener Personen, sondern an rechtskräftigen Beschlüssen, nicht zuletzt auch des Einwohnerrates und des Regierungsrates. Zu erwähnen
BGE 115 Ia 350 S. 355
ist insbesondere der Einwohnerratsbeschluss vom 31. Mai 1976 betreffend die Erweiterung des GKP im Gebiet "Wannen". Aber auch der Einwohnerratsbeschluss vom 16. Oktober 1981 betreffend den Strassennetzplan, nach welchem das Gebiet "Wannen" mit Anschlussknoten an der Krummeichstrasse vollständig erschlossen wird, ist von Bedeutung. Gleich verhält es sich mit den verschiedenen Beschlüssen, in denen sich der Regierungsrat mit der als Baulandumlegung durchgeführten nationalstrassenbedingten Felderregulierung Pratteln zu befassen hatte. In dem vom Einwohnerrat erlassenen Strassennetzplan ist, wenn auch nur informativ, die Abgrenzung des Baugebietes und des GKP entsprechend der späteren Zonenplanrevisionsvorlage des Gemeinderates vom 13. Juni 1982 an den Einwohnerrat eingetragen. Dieser Plan unterlag dem fakultativen - nicht ergriffenen - Referendum. Von Bedeutung sind auch die Regierungsratsbeschlüsse vom 29. Juni 1982 betreffend die Genehmigung des Strassennetzplanes und vom 9. Juni 1972 betreffend die Genehmigung des Bau- und Strassenlinienplanes. All diese Beschlüsse wie überhaupt die ganze Erschliessungsplanung basieren auf dem Ergebnis der nationalstrassenbedingten Felderregulierung, in deren Rahmen im Gebiet "Wannen" eine Landumlegung nach Baulandumlegungsgrundsätzen durchgeführt worden ist. Es wurde das ganze dort gelegene Land als Bauland bonitiert und als solches auch in der Neuzuteilung behandelt. Das war den für die Planung zuständigen Behörden mit Einschluss des Regierungsrates immer bewusst, und sie haben ihr Verhalten und ihre Beschlüsse darauf ausgerichtet. Im Zusammenhang mit der Neuzuteilung wurden denn auch die für die Erschliessung des vorgesehenen Bauzonenlandes gestützt auf den Bau- und Strassenlinienplan Rüti-Widen notwendigen Strassenlandflächen der Gemeinde ins Eigentum übertragen. Für die Itin-Gruppe ist ferner zu berücksichtigen, dass sie einen erheblichen Teil ihres Landes im Gebiet "Wannen" schon seit langer Zeit baulich nutzten und ebenfalls seit langem versucht, diese Nutzung nach einem neuen Konzept für ihr Bauunternehmen zu intensivieren und auszudehnen. Auch das war den zuständigen Behörden bekannt.
Es ist einzuräumen, dass keine rechtsverbindlichen Zusicherungen vom für die Zonenplanung zuständigen Organ (Einwohnerrat unter Vorbehalt des fakultativen Referendums) vorliegen, das umstrittene Land der Beschwerdeführer werde der Bauzone zugeteilt. In dieser Hinsicht ist dem Regierungsrat und der Gemeinde
BGE 115 Ia 350 S. 356
Pratteln beizupflichten. Weder die Zusicherungen von alt Baudirektor Kaufmann anlässlich der Landbeschaffung für die Nationalstrasse, die Anordnungen der Organe der Felderregulierungsgenossenschaft, die Behandlung des Landes im Rahmen der Erhebung der Erschliessungsbeiträge, die Besteuerung als Bauland, vertragliche Abmachungen mit der kantonalen Baudirektion noch das Verhalten der kantonalen Behörden im Zusammenhang mit dem Baugesuch der Itin-Gruppe für eine Bauschreinerei und den Räumungsbefehlen stellen Zusicherungen von zuständigen Organen dar. Demnach sind die Voraussetzungen rechtsgültiger Zusicherungen gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht gegeben (vgl.
BGE 114 Ia 213
E. 3 im allgemeinen und
BGE 102 Ia 333
in bezug auf die Zonenplanung, je mit Hinweisen).
Auch wenn im vorliegenden Fall eine direkte Berufung auf Treu und Glauben daher nicht möglich ist, so ist im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung und Berücksichtigung auch der konkreten, für den einzelnen Fall massgeblichen Gesichtspunkte (vorne E. 3c) der Vorgeschichte eine massgebliche Bedeutung zuzumessen. Die Vorgeschichte kann durchaus ein erhebliches konkretes Interesse für eine bestimmte Zoneneinteilung belegen (
BGE 107 Ib 338
f.). Ferner ist im Rahmen der unter dem Gesichtswinkel der Eigentumsgarantie erforderlichen Interessenabwägung auch der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Denn eine Planung kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie eine gewisse Beständigkeit aufweist (
BGE 114 Ia 33
,
BGE 109 Ia 114
f.,
BGE 94 I 341
, mit Hinweisen); unter diesem Gesichtswinkel gilt es im vorliegenden Fall insbesondere die Erschliessungsplanung zu beachten. Der Einwohnerrat hat selbst durch eigene Beschlüsse die Erwartung und das Vertrauen geweckt und bestätigt, das fragliche Land werde der Bauzone zugeordnet. Und der Regierungsrat hat dies insbesondere mit Beschlüssen zur Felderregulierung bekräftigt. Bei dieser Sachlage kommt im vorliegenden Fall der ganzen Vorgeschichte und den damit allgemein verbundenen Vorstellungen und Erwartungen im Rahmen der nach
Art. 22ter BV
erforderlichen umfassenden Interessenabwägung eine zentrale Bedeutung zu.
dd) Bei einer gesamthaften Abwägung der einzelnen Gesichtspunkte zeigt sich, dass dem Anliegen, genügende Fruchtfolgeflächen zu sichern, trotz der geringen Bodenqualität ein erhebliches Gewicht beigemessen werden darf. Auf der andern Seite ist zu beachten, dass sich das Gebiet "Wannen" für eine Bauzone, insbesondere eine Gewerbezone, ausserordentlich gut eignet, die
BGE 115 Ia 350 S. 357
Erschliessungsplanung hierfür weit fortgeschritten ist und eine Einzonung auch nicht zu einer übergrossen Bauzone führen würde. Ausschlaggebend im vorliegenden Fall ist schliesslich die ganze Vorgeschichte, welche auf eine Einzonung des Gebietes ausgerichtet war und demnach bei allen Beteiligten entsprechende Erwartungen entstehen liess. Bei dieser Sachlage überwiegen bei der nach
Art. 22ter BV
erforderlichen gesamthaften Interessenabwägung die für die Einzonung sprechenden Gesichtspunkte. Demnach hält die angefochtene Zonenplanung und der Entscheid des Regierungsrates vor der Verfassung nicht stand. Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich daher als begründet, soweit mit ihnen die Nichteinzonung der einzelnen Parzellen im Gebiet "Wannen" angefochten wird.
4.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass es verfassungsrechtlich geboten ist, dass alle von den vorliegenden Beschwerden betroffenen Parzellen einer Bauzone zugewiesen werden. Damit stellt sich im weitern die Frage, welcher Zone sie zugeteilt werden sollen.
a) Die einen Parzellen bzw. Parzellenteile im Gebiet "Wannen" sind mit dem angefochtenen Entscheid keiner Bauzone zugeteilt worden und sind erst aufgrund des vorliegenden Entscheides einzuzonen. Insofern liegt kein kommunaler bzw. kantonaler Bauzonenentscheid vor. Die Entscheidung aber, welche Art von Zone im einzelnen zu wählen ist und welche konkreten Nutzungsvorschriften gelten sollen, ist nicht vom Bundesgericht, sondern von den zuständigen kommunalen und kantonalen Instanzen zu fällen. Insofern muss es mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheides sein Bewenden haben, und es braucht insbesondere auf die Argumentation des Unterstützungsfonds der Buss AG nicht näher eingegangen zu werden, seine Parzellen seien der Zone G2 zuzuteilen.
b) Zum andern stellt sich die Frage der Zonenzuteilung für die Parzelle Nr. 4762 der Itin-Gruppe, deren nördlicher Teil mit dem angefochtenen Zonenplan und Regierungsratsentscheid entgegen dem Begehren der Itin-Gruppe um Zuteilung zur Zone G2 lediglich der Zone G1 zugewiesen worden ist. Die Itin-Gruppe erhebt auch in dieser Hinsicht staatsrechtliche Beschwerde, und es ist daher im folgenden zu prüfen, ob diese Zonenzuteilung vor der Verfassung standhalte.
(Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde in dieser Hinsicht ab.) | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4f5e0c55-0970-43b9-ab61-7003c8fa9c4c | Urteilskopf
95 I 599
87. Urteil vom 19. Dezember 1969 i.S. Maschinenfabrik Schweiter AG gegen Eidg. Steuerverwaltung. | Regeste
Verrechnungssteuer auf Kapitalerträgen (BG vom 13. Oktober 1965).
Die Gratisaktien unterliegen dieser Steuer. | Sachverhalt
ab Seite 599
BGE 95 I 599 S. 599
A.-
Die Maschinenfabrik Schweiter AG erhöhte im Jahre 1968 ihr Grundkapital von Fr. 1 020 000.-- auf Fr. 2 500 000.--. Die erforderlichen Mittel wurden den Reserven der Gesellschaft entnommen. Die 14 700 neuen Aktien im Nennwert von je Fr. 100.-- wurden den Aktionären im Verhältnis ihres bisherigen Aktienbesitzes zugeteilt.
Die Eidg. Steuerverwaltung fordert von der Gesellschaft für diese Gratisaktien die Verrechnungssteuer im Betrage von Fr. 444 000.--. Sie nimmt an, die Gratisaktien bildeten einen steuerbaren Ertrag im Sinne des Art. 4 BG über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965 (VStG). Dies ergebe sich insbesondere aus
Art. 18 und
Art. 25 Abs. 2 VStG
und werde in Art. 20 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966 (VStV) ausdrücklich bestätigt. Die Einsprache der Gesellschaft wurde abgewiesen (Entscheid vom 30. September 1969).
B.-
Die Maschinenfabrik Schweiter AG erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Einspracheentscheid mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die von ihr ausgegebenen Gratisaktien der Verrechnungssteuer nicht unterliegen.
BGE 95 I 599 S. 600
Sie macht geltend, die streitige Steuerforderung sei nach dem geltenden Gesetz nicht begründet.
Art. 4 VStG
erfasse lediglich den Ertrag beweglichen Kapitalvermögens. "Nach allgemeinen Grundsätzen" seien aber Gratisaktien kein solcher Ertrag. Bei ihrer Ausgabe gingen keine Vermögenswerte von der Aktiengesellschaft auf die Aktionäre über; es finde nur eine Umschichtung innerhalb des Eigenkapitals der Gesellschaft statt, wodurch die Ansprüche der Aktionäre auf einen verhältnismässigen Anteil am Gewinn und am Liquidationsergebnis nicht berührt würden. Wohl seien nach der früheren Ordnung auch Gratisaktien der Verrechnungssteuer unterworfen gewesen, doch weiche
Art. 4 VStG
von den alten Vorschriften wesentlich ab, wie das Bundesgericht in
BGE 94 I 161
dargelegt habe. Im VStG fehle jeder positive Hinweis, dass die Ausgabe von Gratisaktien besteuert werden solle.
Art. 18 und 25 VStG
könnten "das Fehlen der positiven Voraussetzungen für eine Besteuerung nicht ersetzen". Die Feststellung in
Art. 20 Abs. 1 VStV
, dass auch die Gratisaktien einen steuerbaren Ertrag darstellen, sei gesetzwidrig und daher nicht zu beachten.
C.-
Die Eidg. Steuerverwaltung beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 4 Abs. 1 VStG
sind Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens "die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge", die von den in lit. a-d genannten Vermögenswerten abgeworfen werden. Unter anderem werden die Erträge von Aktien erfasst (lit. b). Als solche Erträge sind nach der gesetzlichen Ordnung auch die Gratisaktien anzusehen. Das wird zwar in
Art. 4 VStG
nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich jedoch aus
Art. 18 und 25 VStG
.
Nach
Art. 18 VStG
kann "die Steuerforderung, die bei der Aufwertung sanierungshalber abgeschriebener Beteiligungsrechte entstanden ist", unter bestimmten Voraussetzungen erlassen werden. Diese Vorschrift setzt offensichtlich voraus, dass die Ausgabe von Gratisaktien der Verrechnungssteuer unterliegt; denn die Aktiengesellschaft, welche sanierungshalber abgeschriebene Aktien aufwertet, teilt damit den Aktionären Gratisaktien zu.
BGE 95 I 599 S. 601
Art. 25 VStG
bestimmt in Abs. 1, dass juristische Personen, Handelsgesellschaften ohne juristische Persönlichkeit und ausländische Unternehmen mit inländischer Betriebsstätte, welche die mit der Verrechnungssteuer belasteten Einkünfte nicht ordnungsgemäss als Ertrag verbuchen, den Anspruch auf Rückerstattung der von diesen Einkünften abgezogenen Verrechnungssteuer verwirken, und in Abs. 2, dass die Verordnung Ausnahmen zulassen kann, "wo besondere Verhältnisse es rechtfertigen (Gratisaktien und dergleichen)". Auch hieraus geht klar hervor, dass das VStG die Gratisaktien als steuerbaren Ertrag im Sinne seines Art. 4 betrachtet.
Die Feststellung in
Art. 20 Abs. 1 VStV
, dass Gratisaktien einen solchen Ertrag darstellen, entspricht somit dem Gesetz. Ob diese Verordnungsbestimmung im übrigen gesetzmässig sei, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen.
Es erübrigt sich auch, die Einwendungen zu erörtern, mit denen die Beschwerdeführerin darzutun sucht, dass "nach allgemeinen Grundsätzen" die Gratisaktien nicht als Kapitalerträge angesehen werden könnten. Massgebend ist die positive Ordnung, die im VStG aufgestellt ist. Sie lässt keinem Zweifel darüber Raum, dass die Gratisaktien als Kapitalerträge im Sinne des
Art. 4 VStG
gelten und daher der Verrechnungssteuer unterliegen.
2.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf
BGE 94 I 160
ff., wo ausgeführt wird, dass die Rückerstattung des von den Gesellschaftern eingebrachten Eigenkapitals der Gesellschaft nach dem Wortlaut und Sinn des
Art. 4 VStG
der Verrechnungssteuer auch dann nicht unterworfen sei, wenn die Einlagen nicht Bestandteil des nominellen Gesellschaftskapitals geworden sind. Die Eidg. Steuerverwaltung wünscht, dass das Bundesgericht diese Rechtsprechung, die auf Kritik gestossen ist (PFUND in ASA Bd. 37 S. 176 ff.), bei der Beurteilung des vorliegenden Falles überprüfe. Dazu besteht jedoch kein Anlass; denn niemand behauptet, dass mit der Zuteilung der von der Beschwerdeführerin ausgegebenen Gratisaktien Einlagen der Gesellschafter zurückbezahlt worden seien; es ist unbestritten, dass die Mittel für die Liberierung dieser Aktien aus angesammelten Gewinnen der Beschwerdeführerin stammen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4f66139b-0321-4c21-aaf0-b061201c1e7b | Urteilskopf
104 II 216
36. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Juni 1978 i.S. Gaberell gegen Teron AG | Regeste
Art. 48 Abs. 1 OG
; Begriff des Endentscheids.
Gegen einstweilige Verfügungen im Sinne von Art. 326 der bernischen Zivilprozessordnung (im vorliegenden Fall Ausweisung eines Mieters) ist die Berufung nicht zulässig. | Sachverhalt
ab Seite 216
BGE 104 II 216 S. 216
Mit Kaufvertrag vom 4. März 1969 veräusserte Hans Gaberell seine Liegenschaft Grundbuch Nr. 207 in der Gemeinde Nidau, bestehend aus einem Wohnhaus, einer Werkstatt und Umschwung von 14,98 Aren, an die Teron AG. Die Werkstatt nebst Zugehör wurde nicht mitverkauft, sondern sollte als Fahrnisbaute im Eigentum des Verkäufers bleiben. Nutzen und Schaden sollten am 1. November 1969 auf die Käuferin übergehen. Durch mündliche Abrede wurde in der Folge der Antritt des Kaufobjektes durch die Käuferin auf unbestimmte Zeit aufgeschoben und dem Verkäufer auf diese Weise ermöglicht, weiterhin die Werkstatt zu benutzen und im Wohnhaus zu verbleiben. Die Käuferin wurde im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen.
BGE 104 II 216 S. 217
Am 2. April 1977 kündigte die Käuferin das Mietverhältnis. Als der Kündigungstermin verstrichen war, ohne dass der Verkäufer auszog, reichte sie ein Exmissionsgesuch gegen diesen ein. Der Gerichtspräsident des Amtsbezirkes Nidau entsprach dem Gesuch und wies den Gesuchsgegner an, die Werkstatt auf der veräusserten Liegenschaft bis spätestens 30. April 1978 abzubrechen sowie das gesamte Areal bis zum gleichen Zeitpunkt zu räumen und ordnungsgemäss zu verlassen. Der Appellationshof des Kantons Bern wies die vom Gesuchsgegner gegen diesen Entscheid eingereichte Appellation ab und bestätigte am 9. Februar 1978 die vom erstinstanzlichen Richter getroffene Ausweisungsverfügung.
Gegen das Urteil des Appellationshofs erhob der Gesuchsgegner Berufung ans Bundesgericht. Das Bundesgericht tritt nicht auf die Berufung ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Im Vordergrund steht die Frage, ob es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Endentscheid im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 OG
handle, gegen welchen die Berufung an das Bundesgericht zulässig ist. Ein solcher liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn der kantonale Richter über den streitigen Anspruch materiell entschieden oder dessen Beurteilung aus einem Grunde abgelehnt hat, der endgültig verbietet, dass der gleiche Anspruch zwischen den gleichen Parteien nochmals geltend gemacht wird (
BGE 103 II 251
;
BGE 102 II 61
;
BGE 101 II 362
;
BGE 100 II 287
, 429;
BGE 98 II 154
/155 mit Hinweisen). Ein Endentscheid liegt unter anderem dann nicht vor, wenn nur um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht wurde, der streitige Anspruch mithin zum Gegenstand eines neuen Verfahrens gemacht werden kann (
BGE 103 II 251
;
BGE 101 II 362
;
BGE 97 II 187
E. 1). Keinen endgültigen Charakter haben daher die einstweiligen Verfügungen, mit denen vorsorgliche Massnahmen angeordnet werden (
BGE 101 II 65
;
BGE 96 II 427
;
BGE 94 II 59
E. 3;
BGE 86 II 294
;
BGE 85 II 195
;
BGE 75 II 95
E. 1; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 559; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S. 165/166; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours au Tribunal fédéral, S. 191 ff.; A. STÄHELIN, Die objektiven Voraussetzungen der Berufung an das Bundesgericht, ZSR 94/1975, II, S. 23 f.).
BGE 104 II 216 S. 218
a) Der angefochtene Entscheid erging in Anwendung von Art. 326 Ziffer 2 ZPO/BE, der seinen Platz im Titel über die einstweiligen Verfügungen hat und folgendermassen lautet:
"Der Richter kann auf Gesuch eines Beteiligten als vorsorgliche Massnahme eine einstweilige Verfügung treffen, sofern ihm glaubhaft gemacht wird, dass der Erlass einer solchen sich aus einem der folgenden Gründen rechtfertigt: ...
2. zum Schutze eines bedrohten Besitzstandes sowie zur Wiedererlangung eines widerrechtlich entzogenen oder vorenthaltenen Besitzes;
..."
Art. 330 ZPO
/BE bestimmt sodann, dass dem Gesuchsteller beim Zuspruch der einstweiligen Verfügung gegebenenfalls eine angemessene Frist zur Anhebung des Hauptprozesses anzusetzen sei, ansonst die einstweilige Verfügung dahinfalle; die Entscheidung über die einstweilige Verfügung falle im übrigen dahin, sobald über die Sache selbst ein rechtskräftiges Urteil ergangen sei. Und
Art. 332 Abs. 1 ZPO
/BE sieht schliesslich vor, dass eine Partei, welcher durch eine einstweilige Verfügung Schaden verursacht wurde, auf dem Wege des ordentlichen Prozesses Klage auf Ersatz dieses Schadens erheben könne, "sofern die Massnahmen unbegründet waren oder ihnen ein materiell-rechtlicher Anspruch nicht zugrunde lag".
b) Der angefochtene Entscheid hat somit insofern bloss vorläufigen Charakter, als ein ordentlicher Prozess vorbehalten bleibt. Allerdings ist zur Anhebung eines solchen Prozesses keine Frist angesetzt worden; dies offenbar deshalb, weil damit eine Änderung der durch die einstweilige Verfügung geschaffenen Sachlage nicht erreicht, sondern nurmehr über einen Schadenersatzanspruch des unterlegenen Gesuchsgegners und heutigen Berufungsklägers verhandelt werden könnte (in diesem Sinne LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. Aufl., N. 1 zu Art. 330, S. 308 oben). Der Berufungskläger muss daher trotz des einstweiligen Charakters der ihm gegenüber getroffenen Massnahme hinnehmen, dass er die von ihm benützte Werkstatt abbrechen und das Areal räumen muss, bevor er in einem ordentlichen Verfahren sein allfälliges besseres Recht geltend machen und Wiedergutmachung verlangen kann. Es fragt sich, ob die Berufung nicht mit Rücksicht darauf als zulässig zu betrachten sei.
BGE 104 II 216 S. 219
c) Der Begriff des Endentscheids hat in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Befehlsverfahren des zürcherischen Prozessrechts eine gewisse Wandlung erfahren, indem die Weiterzugsmöglichkeit im Vergleich zu früher erweitert worden ist. Obwohl Entscheide, die im zürcherischen Befehlsverfahren ergingen, früher (d.h. bis zu der am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen neuen ZPO) keine Rechtskraftwirkung gegenüber Urteilen im ordentlichen Verfahren entfalteten und somit keinen endgültigen Charakter aufwiesen, hat das Bundesgericht die Berufung dagegen in neuerer Zeit zugelassen, soweit eine gegenüber dem Beklagten angeordnete Massnahme während längerer Zeit ihre Wirkungen entfalten und sogar Gegenstand der Vollstreckung bilden konnte (
BGE 102 II 62
E. 2;
BGE 100 II 287
ff.). In diesem Zusammenhang wurde unter anderm folgendes ausgeführt:
"So muss sich der im Befehlsverfahren aus seiner Wohnung ausgewiesene Mieter gefallen lassen, ausgeschafft zu werden, auch wenn er die Möglichkeit behält, beim ordentlichen Richter auf Rückerstattung der Wohnung oder auf Schadenersatz zu klagen...
Mit Rücksicht auf diese Auswirkungen der ein Befehlsbegehren gutheissenden Entscheidung lässt es sich verantworten, die Berufungsfähigkeit solcher Entscheide jedenfalls dann zu bejahen, wenn diese nicht zwangsläufig zu einem ordentlichen Verfahren Anlass geben (wie dies bei den vorsorglichen Massnahmen der Fall ist), sondern in der Regel für längere Zeit oder sogar endgültig Recht schaffen" (
BGE 100 II 289
). Angesichts dieser Entwicklung der Rechtsprechung stellt sich die Frage, ob nicht auch die hier angefochtene Ausweisung des Berufungsklägers auf Grund der soeben zitierten Erwägung Gegenstand einer Berufung bilden könne. Dem steht indessen folgender Umstand entgegen:
Der provisorische Charakter der einstweiligen Verfügungen gemäss
Art. 326 ZPO
/BE zeigt sich auch darin, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht werden müssen. Der Entscheid beruht somit in tatsächlicher Hinsicht nicht auf einer abschliessenden Prüfung des Streitfalles; diese bleibt vielmehr dem ordentlichen Prozess vorbehalten (LEUCH, a.a.O., N. 3 zu Art. 326; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl. S. 233). Hierin besteht ein grundlegender Unterschied zum zürcherischen Befehlsverfahren, das zur schnellen Handhabung klaren Rechts nur zulässig ist, sofern die tatsächlichen Verhältnisse nicht
BGE 104 II 216 S. 220
streitig oder sofort beweisbar sind (alt § 292 Ziff. 1 und neu
§ 222 Ziff. 2 ZPO
/ZH). Die Überprüfung eines Entscheids im Berufungsverfahren vor Bundesgericht setzt aber notwendigerweise voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse im kantonalen Verfahren nicht nur provisorisch, sondern in endgültiger Weise geklärt wurden. Das ergibt sich einmal aus der in
Art. 63 Abs. 2 OG
vorgeschriebenen Bindung des Bundesgerichts an die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz über tatsächliche Verhältnisse und sodann aus der Ausgestaltung der Verletzung bundesrechtlicher Beweisregeln zum Berufungsgrund (Art. 43 Abs. 3 und 63 Abs. 2 OG);
Art. 8 ZGB
als wichtigste Regel dieser Art lässt es nicht zu, dass der Richter zugunsten der beweisbelasteten Partei auf bloss glaubhaft gemachte (mithin nicht bewiesene) Tatsachen abstellt (KUMMER, N. 84 zu
Art. 8 ZGB
). Aber auch mit der Beschränkung der Berufungsfähigkeit auf Entscheide endgültigen Charakters ist es nicht vereinbar, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz auf Grund eines nicht näher abgeklärten Sachverhaltes urteilt. Das Fehlen einer zuverlässigen Urteilsgrundlage in tatsächlicher Hinsicht muss daher zu Folge haben, dass das Bundesgericht auf die Berufung gegen einstweilige Verfügungen gemäss
Art. 326 ZPO
/BE nicht eintreten kann.
3.
In
BGE 101 II 359
/360 hat die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts den in einem summarischen Verfahren gefällten Entscheid über die Ausweisung eines Mieters als nicht berufungsfähig bezeichnet. Soweit dort das Nichteintreten damit begründet wurde, es handle sich bei einer solchen Ausweisung um ein blosses Vollstreckungsverfahren, das vom kantonalen Prozessrecht beherrscht werde und daher der Berufung an das Bundesgericht nicht unterliege, könnte daran nicht festgehalten werden. Die I. Zivilabteilung ist denn auch in einem neueren Entscheid, der sich auf einen Zürcher Fall bezog, von dieser Auffassung abgerückt und hat entschieden, dass ein Ausweisungsverfahren, in dem über den Rückgabeanspruch des Vermieters geurteilt werde, ein Erkenntnisverfahren darstelle, bei dem es um den materiellen Bestand des geltend gemachten Anspruchs gehe und nicht um seine Vollstreckbarkeit (
BGE 103 II 250
/251 E. 1a). Wenn in diesem neueren Urteil auf die Berufung gegen den kantonalen Entscheid eingetreten wurde, so deshalb, weil es sich dabei um einen solchen im Befehlsverfahren zur schnellen Handhabung klaren Rechts nach der neuen
BGE 104 II 216 S. 221
Zürcher Zivilprozessordnung handelte. Da diesem Entscheid eine unbeschränkte Rechtskraftwirkung zukam, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass er als Endentscheid im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 OG
zu betrachten war (vgl.
BGE 103 II 251
/252 E. 1b).
Wird jedoch über die Ausweisung eines Mieters im Unterschied zum soeben erwähnten Fall im Verfahren der einstweiligen Verfügungen oder vorsorglichen Massnahmen entschieden, in dem die blosse Glaubhaftmachung der anspruchsbegründenden Tatsachen genügt, kann es sich aus den in Erwägung 2 c dargelegten Gründen nicht um einen Endentscheid handeln, der mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden kann. Daran ändert auch der Hinweis auf den Besitzesschutz in
Art. 326 Ziff. 2 ZPO
/BE nichts. Nach der Auffassung von KUMMER müsste die Geltendmachung des Besitzesschutzanspruches im Unterschied zur Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl.
BGE 94 II 348
ff.;
BGE 85 II 275
ff.) zwar nicht notwendigerweise zu einem nicht berufungsfähigen Entscheid führen (vgl. die Kritik dieses Autors an
BGE 94 II 353
f.E. 3 in ZBJV 106/1970, S. 130/131). Im vorliegenden Fall war jedoch nicht über eine bundesrechtliche Besitzesklage zu entscheiden. KUMMER weist in seinem Grundriss des Zivilprozessrechts selber darauf hin, dass es sich bei der einstweiligen Verfügung gemäss
Art. 326 Ziff. 2 ZPO
/BE nicht um den bundesrechtlichen Besitzesschutz handeln könne, da dieser ein ordentliches Verfahren voraussetze, das sich nicht mit einer bloss summarischen Kognition begnüge (a.a.O., S. 235).
Man mag es unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes als unbefriedigend empfinden, dass ein Mieter oder Pächter durch eine vorsorgliche Massnahme aus- oder weggewiesen werden kann, ohne dass ihm dagegen der Weg der Berufung an das Bundesgericht offen steht. Dies ist jedoch eine Folge der kantonalen Prozesshoheit und kann nicht dadurch korrigiert werden, dass der Begriff des Endentscheids im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 OG
noch extensiver ausgelegt und auf einstweilige Verfügungen ausgedehnt wird. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f72f188-3cd3-4405-b702-25e21b04cfc5 | Urteilskopf
109 III 101
28. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 23 décembre 1983 dans la cause W. (recours LP) | Regeste
Lohnpfändung.
Berechnung des Notbedarfs des Schuldners: Berücksichtigung des Beitrages der Konkubine an die Kosten des gemeinsamen Haushaltes. | Erwägungen
ab Seite 101
BGE 109 III 101 S. 101
Extrait des considérants:
2.
Certes, l'autorité cantonale ne s'est pas renseignée sur les revenus nets que la concubine tire de l'exploitation de son salon de coiffure, de sorte que l'on ne peut pas déterminer si sa
BGE 109 III 101 S. 102
contribution au ménage de 1'430 francs 25 par mois, telle que déterminée ci-dessus, est dans une proportion raisonnable avec les revenus qu'elle réalise. Mais il apparaît, en l'espèce, que cette contribution est en tous les cas dans une proportion raisonnable avec les frais communs. Ceux-ci comprennent le loyer des concubins, soit 1'600 francs par mois, ainsi que le montant minimum nécessaire à leur entretien courant, soit 1'050 francs par mois, et les primes d'assurance. En revanche, les montants dus pour l'entretien courant des enfants du poursuivi ne font pas partie des frais du ménage, l'art. 278 al. 2 CC étant inapplicable, pas plus que les frais d'automobile affectés à la profession du poursuivi. Les frais du ménage commun peuvent dès lors être fixés sur la base des constatations de l'autorité cantonale, à un total de 2'987 francs 75. La participation de la concubine, par 1'430 francs auxquels s'ajoutent ses propres assurances, est de l'ordre de la moitié des frais communs. Une telle contribution n'est en soi pas insuffisante, quels que puissent être par ailleurs les revenus réels de la concubine. Il ne serait pas admissible de permettre aux créanciers du concubin d'exiger de la concubine qu'elle supporte les frais communs à concurrence d'un montant supérieur à la moitié; cela reviendrait en effet à les autoriser à se satisfaire sur un patrimoine qui n'est pas celui du débiteur et à l'égard duquel ce dernier ne peut faire valoir aucun droit à l'entretien.
Vu ce qui précède, la décision critiquée ne viole pas le droit fédéral dans son résultat, et le recours ne peut qu'être rejeté. | null | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4f7958aa-970d-4d0a-a2d6-40d0662120de | Urteilskopf
98 II 221
33. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Juni 1972 i.S. Fischer AG gegen Alpgenossenschaft Horben. | Regeste
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
. Anforderungen an den Berufungsantrag (Erw. 1).
Genossenschaftsrecht.
Art. 850 OR
. Tragweite einer statutarischen Bestimmung, welche den Entscheid darüber, ob der Erwerber der Liegenschaft eines Mitgliedes Genossenschafter werde, der Genehmigung durch die Generalversammlung vorbehält (Erw. 3).
Art. 839 OR
. Nach dieser Vorschrift hat der Bewerber grundsätzlich kein klagbares Recht auf Aufnahme in die Genossenschaft (Bestätigung der in
BGE 69 II 45
/6 begründeten Rechtsprechung; Erw. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 221
BGE 98 II 221 S. 221
A.-
Die Alpgenossenschaft Horben wurde im Jahre 1923 gegründet. Sie bezweckt nach Art. 1 der revidierten Statuten vom 24. Dezember 1947 die Förderung der Braunviehzucht durch rationelle Sömmerung von Jungvieh. Den Erwerb der Mitgliedschaft regeln folgende Bestimmungen:
"Art. 3: Die Mitgliedschaft wird erworben durch Beschluss der Generalversammlung auf Antrag des Vorstandes. Dem Aufnahmebeschluss hat eine schriftliche Anmeldung vorauszugehen. Erben, oder einer unter mehreren Erben, die an Stelle eines verstorbenen Genossenschafters treten, werden auf schriftliches Gesuch hin ohne weiteres als Mitglieder anerkannt. Aus einer Mitgliedschaft können
BGE 98 II 221 S. 222
bei Teilung der Liegenschaft nicht mehrere Mitgliedschaften entstehen.
Art. 4: Die Mitgliedschaft haftet auf der Liegenschaft. Sie geht beim Liegenschaftsverkauf mit der ausdrücklichen Genehmigung der Generalversammlung auf den Käufer über. Der Käufer hat noch eine schriftliche Beitrittserklärung abzugeben, oder die Statuten persönlich zu unterzeichnen. Eine Eintrittsgebühr fällt weg. Leistungen der Mitglieder werden im Weidereglement festgelegt."
Josef Fischer-Bütler war einer der Gründer der Alpgenossenschaft Horben. Er betrieb nebst der Landwirtschaft noch eine Kiesgrube. 1951 verkaufte er den Landwirtschaftsbetrieb an seinen Sohn Josef Fischer-Hodel, der an Stelle seines Vaters Mitglied der Alpgenossenschaft Horben wurde. Hermann Fischer, ein anderer Sohn von Josef Fischer-Bütler, übernahm die Kiesausbeutung in Merenschwand. Er wandelte sein Unternehmen 1961 in die Firma Hermann Fischer AG um. Diese Gesellschaft hat zum Zweck: den Betrieb eines Kies- und Sandwerkes, einen Baggerbetrieb, die Ausführung von Transporten und die Führung einer Garage. Mitglieder des Verwaltungsrates (und offenbar auch einzige Aktionäre) sind Hermann Fischer und seine Ehefrau. Im Jahre 1967 verkaufte Josef Fischer-Hodel den Landwirtschaftsbetrieb. Über 20 Jucharten Land wurden von einem Gemüsebaubetrieb Huwyler übernommen, während die Hermann Fischer AG 5 Jucharten Land mit dem Bauernhaus und den Stallungen erwarb. Die Gesellschaft besass nun ca 8,5 Jucharten landwirtschaftlich nutzbaren Landes (wovon freilich ein Teil andern Zwecken dienen soll) und hat dazu noch ca 15 Jucharten gepachtet. Sie führte im Jahre 1969 einen Landwirtschaftsbetrieb mit 19 Stück Grossvieh, 4 Pferden und ca 300 Schweinen. In der Ertragsbilanz für 1968 ist die Landwirtschaft mit Fr. 607.80 bei einem Gesamtumsatz von Fr. 1'145,629.90 aufgeführt. Die Hermann Fischer AG stellte bei der Alpgenossenschaft Horben das Gesuch, anstelle von Josef Fischer-Hodel als Mitglied aufgenommen zu werden. Mit Beschluss vom 21. September 1968 lehnte die Generalversammlung der Genossenschaft dieses Gesuch ab.
B.-
Am 19. Juni 1969 klagte die Hermann Fischer AG beim Bezirksgericht Muri gegen die Alpgenossenschaft Horben auf Aufnahme in die Genossenschaft.
Das Bezirksgericht Muri und - am 20. August 1971 auf Appellation der Klägerin hin - das Obergericht des Kantons Aargau wiesen die Klage ab.
BGE 98 II 221 S. 223
C.-
Die Klägerin verlangt mit der Berufung beim Bundesgericht, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Es handelt sich um eine berufungsfähige, nicht vermögensrechtliche Zivilstreitigkeit im Sinne des
Art. 44 OG
(BIRCHMEIER, Handbuch S. 128;
BGE 89 II 142
E. 1, nicht veröffentlicht). Es schadet im übrigen der Klägerin nicht, dass sie bloss die Gutheissung der Klage verlangt, statt - wie es Art. 55 Abs. 1 lit. b vorschreibt - das Klagebegehren genau anzugeben. Da dieses ohne weiteres dem angefochtenen Entscheid entnommen werden kann, ist ersichtlich, was die Klägerin zugesprochen haben will (
BGE 90 II 479
E. 1 mit zahlreichen Verweisungen).
2.
Der im angefochtenen Urteil wiedergegebene Sachverhalt ist - wie sich dem erstinstanzlichen Urteil und den Rechtsschriften der Parteien im Berufungsverfahren entnehmen lässt - unvollständig. Da es sich namentlich im Hinblick auf die rechtliche Betrachtungsweise eher um nebensächliche Punkte handelt, können nach
Art. 64 Abs. 2 OG
die ergänzenden Feststellungen, welche in lit. A berücksichtigt sind, vom Bundesgericht auf Grund der Akten getroffen werden.
3.
Die Klägerin hält im Berufungsverfahren daran fest, dass sie nach Art. 4 Satz 1 der Statuten mit dem (teilweisen) Erwerb der Liegenschaft des Josef Fischer-Hodel ohne weiteres Mitglied der Beklagten geworden sei und dass Art. 4 Satz 2 der Statuten nur den Sinn habe, die Rechtsgültigkeit des Eigentumsüberganges zu prüfen und den Genossenschaftern den Wechsel der Mitgliedschaft bei der Beklagten anzuzeigen. Das habe die Vorinstanz verkannt und damit
Art. 850 OR
, dem die streitige statutarische Vorschrift zugrunde liege, verletzt.
Nach
Art. 850 Abs. 1 OR
kann die Mitgliedschaft bei einer Genossenschaft durch die Statuten vom Eigentum an einem Grundstück oder vom wirtschaftlichen Betrieb eines solchen abhängig gemacht werden. Eine solche statutarische Bestimmung allein genügt jedoch nicht, damit ein Erwerber oder Übernehmer dieses Grundstücks anstelle des bisherigen Eigentümers oder Inhabers Mitglied der Genossenschaft wird. Die Statuten müssen vielmehr, damit diese Folge von Rechts wegen
BGE 98 II 221 S. 224
eintritt, gemäss
Art. 850 Abs. 2 OR
für solche Fälle vorschreiben, dass mit der Veräusserung des Grundstücks oder mit der Übernahme des wirtschaftlichen Betriebs die Mitgliedschaft ohne weiteres auf den Erwerber oder den Übernehmer übergeht.
Art. 4 Satz 1 der Statuten der Beklagten lautet nun freilich: "Die Mitgliedschaft haftet auf der Liegenschaft". Diese ungenaue Ausdrucksweise lässt an sich nicht erkennen, ob damit die Voraussetzung zur Übertragung der Mitgliedschaft im Sinne des
Art. 850 OR
geschaffen werden sollte oder ob sie bloss bedeutet, dass nur Anwärter mit eigenem Landwirtschaftsbetrieb (oder allenfalls Pächter eines solchen) Mitglieder der Beklagten werden können. Diese Frage lässt sich erst auf Grund der weitern Bestimmungen des Art. 4 der Statuten beantworten. Danach geht die Mitgliedschaft beim Liegenschaftsverkauf mit der ausdrücklichen Genehmigung der Generalversammlung auf den Käufer über, der noch eine schriftliche Beitrittserklärung abzugeben oder die Statuten persönlich zu unterzeichnen hat. Diese Regelung lässt sich mit
Art. 850 Abs. 2 OR
nicht vereinbaren; denn sie besagt gerade dessen Gegenteil. Während die Statuten nach der erwähnten Gesetzesbestimmung "für solche Fälle" (d.h. wo nach
Art. 850 Abs. 1 OR
die Mitgliedschaft nach den Statuten vom Eigentum an einem Grundstück oder vom wirtschaftlichen Betrieb eines solchen abhängig ist) vorschreiben können, dass die Mitgliedschaft "ohne weiteres" auf den Erwerber oder Übernehmer des Grundstücks oder des Betriebs übergehe, behalten sie hier die ausdrückliche Genehmigung der Generalversammlung vor und verlangen ausserdem eine schriftliche Beitrittserklärung oder die persönliche Unterzeichnung der Statuten. Überdies ist die in
Art. 850 Abs. 2 OR
vorgesehene statutarische Anordnung dem Erwerber gegenüber nur wirksam, wenn sie im Grundbuch vorgemerkt ist (
Art. 850 Abs. 3 OR
) oder wenn er sich ihr durch ausdrückliches oder schlüssiges Verhalten unterwirft (
BGE 89 II 145
/6,
BGE 90 II 313
/14). Eine grundbuchliche Vormerkung wäre hier nicht möglich, da die Mitglieder der Beklagten nach Art. 8 der Statuten für die "Verbindlichkeit" der Genossenschaft solidarisch haften und somit neue Mitglieder gemäss
Art. 840 Abs. 2 OR
nur beitreten können, wenn sie diese Verpflichtung in der Beitrittserklärung ausdrücklich übernehmen (F. WEBER, Die Verbindung der genossenschaftlichen Mitgliedschaft mit Grundstücken, Diss. Freiburg 1942, Masch. Schrift, S. 104). Die Statuten der
BGE 98 II 221 S. 225
Beklagten können daher trotz des Art. 4 Satz 1 nur dahin ausgelegt werden, dass der Entscheid darüber, ob ein Erwerber der Liegenschaft eines Mitgliedes an dessen Stelle treten kann, der Generalversammlung vorbehalten ist. Keinesfalls kommt diesem Beschluss, wie die Klägerin meint, nur deklarative Bedeutung zu. Wäre sie übrigens ernstlich dieser Meinung, dann hätte sie nicht oder doch nicht allein auf Aufnahme, sondern mit Haupt- oder Eventualbegehren auf Feststellung ihrer Mitgliedschaft klagen müssen.
Bei dieser Sachlage braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob bei einem Wortlaut der Statuten, der den Bestimmungen des
Art. 850 OR
entspräche, die Klägerin ohne weiteres Mitglied der Beklagten geworden wäre, obwohl sie nur einen kleinen Teil der Liegenschaft des Josef Fischer-Hodel erworben hatte.
4.
Die Klägerin macht sodann geltend, die Vorinstanz habe
Art. 839 OR
verletzt. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung können die Statuten unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl (
Art. 828 OR
) die nähern Bestimmungen über den Eintritt von Mitgliedern treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren. Die Statuten der Beklagten regeln den Erwerb der Mitgliedschaft in Art. 3. Danach muss sich ein Anwärter schriftlich anmelden; er wird durch Beschluss der Generalversammlung aufgenommen. Erben hingegen, die an Stelle eines verstorbenen Genossenschafters treten, werden auf schriftliches Gesuch hin ohne weiteres als Mitglieder anerkannt. Aus Art. 3, letztem Satz, und namentlich aus Art. 4 der Statuten ergibt sich ferner, dass als Mitglieder nur Eigentümer von Liegenschaften (oder allenfalls Pächter von solchen) aufgenommen werden können. Dabei muss es sich um Grundstücke handeln, die einem landwirtschaftlichen Betrieb und namentlich der Viehhaltung dienen; denn nach Art. 1 der Statuten bezweckt die Beklagte die Förderung der Braunviehzucht durch rationelle Sömmerung von Jungvieh. Andere Voraussetzungen zum Erwerb der Mitgliedschaft sind den Statuten nicht zu entnehmen (es sei denn, man rechne dazu noch die Entrichtung des "Eintrittsgeldes" nach Art. 11 Ziff. 6 der Statuten).
Da die Klägerin diese statutarischen Voraussetzungen an sich erfüllt, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt auf Aufnahme klagen könne.
BGE 98 II 221 S. 226
a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts über die Frage, ob einem Anwärter, der die statutarischen Voraussetzungen erfüllt, ein klagbares Recht auf Aufnahme in eine Genossenschaft zustehe, ist schwankend, wie mit Recht bemerkt worden ist (GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, S. 704). In
BGE 69 II 45
wurde ausgeführt, die Genossenschaften könnten die Mitgliedschaft von der Ausübung eines bestimmten Berufes und andern tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften abhängig machen und den Eintritt selbst solchen Personen verweigern, die diese Voraussetzungen erfüllen, es sei denn, die Weigerung verstosse gegen allgemeine Rechtsgrundsätze (
Art. 2 und 27 ZGB
). Spätere Urteile gingen davon aus, wer die statutarischen Voraussetzungen erfülle, habe Anspruch, aufgenommen zu werden. So wurde in
BGE 76 II 294
/5 ausgeführt, es könne offen bleiben, ob ein Wirtschaftsverband, der statt der sachlich richtigern Genossenschaftsform die Vereinsform gewählt hat und eine wirtschaftliche Monopolstellung einnimmt, nicht zur Aufnahme von Mitgliedern verpflichtet sei; das entspreche dem Genossenschaftsrecht, welches zur Verhütung missbräuchlicher Ausbeutung einer wirtschaftlichen Machtstellung bestimme, dass der Eintritt neuer Mitglieder in eine Genossenschaft nicht übermässig erschwert oder gar verunmöglicht werden darf. Im Entscheid
BGE 81 II 126
erklärte das Bundesgericht, es "bestehe möglicherweise eine Pflicht zur Aufnahme von Mitgliedern" bei Verhältnissen, wie sie in
BGE 76 II 294
/5 zugrunde lagen. In
BGE 82 II 307
wurde dann tatsächlich ein Wirtschaftsverband, der in Vereinsform organisiert war, in analoger Anwendung des
Art. 839 Abs. 2 OR
verpflichtet, einen Aussenseiter als Mitglied aufzunehmen. Im Entscheid
BGE 86 II 368
/9 liess das Bundesgericht unter Hinweis auf die im Schrifttum geäusserten Ansichten offen, ob seine bisherige Rechtsprechung standhalte. Indessen lehnte es die Klage auf Aufnahme in eine Genossenschaft nach
Art. 839 OR
nur deshalb ab, weil die Klägerin Ziele verfolgte, die den von der Genossenschaft geförderten oder gesicherten wirtschaftlichen Interessen ganz oder teilweise widersprachen.
b) Bei der Würdigung dieser Rechtsprechung ist zu berücksichtigen, dass sie durchwegs Fälle widerrechtlichen Boykotts betraf, die noch nicht unter der Herrschaft des neuen Kartellgesetzes (KG) vom 20. Dezember 1962, in Kraft seit 15. Februar 1964, zu beurteilen waren. Es lag daher nahe, durch Ausfüllung
BGE 98 II 221 S. 227
einer Gesetzeslücke dem zu Unrecht Boykottierten einen Anspruch auf Aufnahme in ein Kartell zu gewähren, wobei freilich weniger die analoge Anwendung des
Art. 838 Abs. 2 OR
als vielmehr der Anspruch auf Beseitigung der Störung nach
Art. 28 Abs. 1 ZGB
die zutreffende Rechtsgrundlage gewesen wäre (vgl. MERZ, Über die Schranken der Kartellbindung, Bern 1953, S. 59/60; HEFTI, Der Anspruch des Aussenseiters auf Kartellmitgliedschaft, Diss. Bern 1956, S. 44/5). Der Boykott, d.h. die organisierte Meidung eines Gewerbetreibenden mit dem Zweck, ihn zu einem bestimmten aktiven oder passiven Verhalten zu veranlassen oder ihn für ein solches zu massregeln (
BGE 76 II 285
Erw. 2), hat denn "im Genossenschaftsbereich kein Heimatrecht" (GUTZWILLER, N 19 zu
Art. 839 OR
; vgl. auch HEINI, Rundgang durch das schweizerische Genossenschaftsrecht, in ZgesGW 10 [1960] S. 202, der den boykottrechtlichen Gesichtspunkt "von der genossenschaftsrechtlichen Frage scharf trennen" will). Da nach
Art. 6 Abs. 2 KG
u.a. Anspruch auf Aufnahme in den Verband hat, wer durch ein Kartell im Wettbewerb behindert und dadurch geschädigt oder gefährdet wird, ist die Frage, ob sich aus
Art. 839 Abs. 2 OR
ein erzwingbares Recht auf Beitritt zu einer Genossenschaft ergebe, erneut zu prüfen, jedoch nicht im Hinblick auf die Bekämpfung unerlaubten Boykotts, sondern aus dem Wesen des Genossenschaftsrechts.
c) Art. 804 Abs. 2 des Entwurfes von 1919 bestimmt, dass die zuständige Behörde für einzelne Genossenschaften oder Genossenschaftsarten beim Vorliegen dringender Bedürfnisse anordnen könne, dass auch durch die Statuten die Aufnahme neuer Mitglieder nicht beschränkt werden dürfe. Damit wurde nach dem Bericht (S. 149) von 1919 (Verfasser Eugen Huber) einem Postulat der Konsumvereine entsprochen, welche die Monopolisierung und das Gewinnstreben von Genossenschaften auf Kosten der Nichtmitglieder verhindern wollten. EGGER (Revision des Gesellschaftsrechts, Gutachten, ZSR 1922, S. 107 a ff.) befürwortete - unter Vorbehalt von Beschränkungen, die mit dem Zweck einer Genossenschaft zusammenhangen - ein Recht auf Beitritt zur Genossenschaft und wollte dem abgewiesenen Anwärter nach erfolgloser Beschwerdeführung bei den obern Organen der Genossenschaft die Klage auf Aufnahme oder Schadenersatz offen halten, ohne damit Art. 804 Abs. 2 des zitierten Entwurfes als überflüssig zu
BGE 98 II 221 S. 228
betrachten (S. 167 a). Indessen haben die späteren Entwürfe nicht nur diesen Vorschlag abgelehnt, sondern auch das ausserordentliche Aufnahmerecht nach dem Entwurf von 1919 fallen gelassen.
Art. 841 des Entwurfes von 1923 lautet:
"In eine bestehende Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden.
Die Statuten können unter Vorbehalt des Grundsatzes betreffend die nicht geschlossene Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt treffen."
Im Bericht 1923 von Hoffmann (S. 104) wird dazu ausgeführt, das Dazwischentreten einer Behörde sei abzulehnen und die Freiheit der Genossenschaft grundsätzlich anzuerkennen, nur die ihr passenden Personen aufzunehmen. Auf Grund der Beratungen der Expertenkommission 1924-1928 (Prot. ExpKo S. 570 ff.) enthielt der bundesrätliche Entwurf von 1928 folgende Fassung des Art. 828:
"In eine Genossenschaft können jederzeit neue Mitglieder aufgenommen werden.
Die Statuten können unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl die nähern Bestimmungen über den Eintritt treffen; sie dürfen jedoch den Eintritt nicht übermässig erschweren, insbesondere nicht vom Einkaufin die Reserven abhängig machen."
Der Bundesrat bemerkte dazu in der Botschaft von 1928 (S. 84), bei der Ordnung des Erwerbs der Mitgliedschaft sei vom Grundsatz der nicht geschlossenen Mitgliederzahl auszugehen. Das bedeute jedoch für den einzelnen noch "kein Recht auf Beitritt, für die Genossenschaft keine Pflicht zur Aufnahme". Dagegen verfocht GYSIN (Ergebnisse und Erfordernisse der Revision des Genossenschaftsrechts, ZSR 1931 S. 317 ff.) die Postulate des Entwurfs von 1919 und schlug vor, "die Zwangsaufnahme durch ein publizistisch gefärbtes Ausnahmeinstitut" im Gesetz zu regeln (S. 369). Bei der Beratung der Revision im Parlament war davon jedoch nicht mehr die Rede; namentlich wurde die erwähnte Auffassung des Bundesrates nicht bezweifelt; zwischen National- und Ständerat bestand nur noch insofern eine Differenz, als der Ständerat entgegen der Auffassung des Nationalrates das Verbot, den Eintritt vom Einkauf in die Reserven abhängig zu machen, streichen wollte. Schliesslich stimmte dem der Nationalrat zu (StenBulIStR 1932 S. 202 ff.,
BGE 98 II 221 S. 229
1936 S. 203; StenBull NR 1934 S. 755, 1935 S. 203, 1936 S. 778 ff., 901 ff.). Die geltende Fassung des
Art. 839 OR
stimmt daher mit Art. 828 des Entwurfes von 1928 wörtlich überein, mit dem Unterschied allerdings, dass der letzte Halbsatz des Entwurfes (über den Einkauf in die Reserven) nicht Gesetz wurde.
d) Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, auch dem Anwärter, der die statutarischen Voraussetzungen erfüllt, stehe kein klagbares Recht auf Aufnahme in eine Genossenschaft zu. GUTZWILLER (N 19 zu
Art. 839 OR
) lehnt ein Beitrittsrecht ab, da es
Art. 839 Abs. 2 OR
widerspräche. Er vertritt allerdings die Auffassung, wenn ein Aufnahmegesuch zu Unrecht abgelehnt worden sei, handle es sich um eine "Zuwiderhandlung gegen eine zwingende Norm des schweizerischen Körperschaftsrechts, analog dem Bilde eines Vertrages, der einen widerrechtlichen Inhalt hat"; die "Unwirksamkeit" der Aufnahmeverweigerung müsse mit Klage gegen die Genossenschaft festgestellt werden können; obwohl die Feststellung der Nichtigkeit die Aufnahmeverpflichtung nicht zu rechtfertigen vermöge, mache sie den Weg für den "gesetzlichen Befehl" frei, der nach erneutem Beitrittsgesuch ohne Zutun des Richters befolgt werden müsse (N 23-25 zu
Art. 839 OR
). Wie es sich damit verhält, kann hier offen bleiben; denn die Klägerin verlangt ja nicht eine solche Feststellung. Im übrigen ist die gutheissende Stellungnahme GUTZWILLERS (N 24 zu
Art. 839 OR
) zu einem Urteil des Kantonsgerichts von St. Gallen vom 24. November 1956, mit welchem dem Kläger ein klagbares Recht auf Eintritt in eine Genossenschaft zugestanden wurde (SJZ 1958 S. 220/1), nicht recht mit seiner Auffassung, es gebe kein Beitrittsrecht, vereinbar.
Im übrigen Schrifttum wird mit wenigen Ausnahmen einhellig die Ansicht vertreten, ein klagbares Recht auf Eintritt in eine Genossenschaft auf Grund des
Art. 839 OR
bestehe nicht (GERWIG, Schweizerisches Genossenschaftsrecht, S. 232 ff.; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 704; HEFTI, a.a.O. S. 44/45; JUNG, Über das Prinzip der offenen Türe im Recht der Verbände, Diss. Bern 1956, S. 84, besprochen von Kummer, ZBJV 1958, S. 88; KUMMER, Die Gleichbehandlung der Genossenschafter gemäss
Art. 854 OR
, untersucht für die verschiedenen Arten von Genossenschaften, S. 152 ff.; MONNIER, De l'entrée dans une société coopérative en droit positif anglais, allemand, français et suisse, Diss. Neuenburg 1957, S. 123 ff.; F. VON
BGE 98 II 221 S. 230
STEIGER, Ver eine zu wirtschaftlichen Zwecken? Recht auf Mitgliedschaft?, SAG 1956/57 S. 132 ff.).
Die vereinzelten Stimmen, welche die gegenteilige Meinung äussern (STIEHLE, Der Eintritt in die Genossenschaft und die daran geknüpften Rechte und Pflichten, Diss. Bern 1947, S. 19; VODOZ, Le Droit d'entrer dans une société coopérative appliqué aux organisations professionnelles, contribution à l'étude du boycott, Diss. Lausanne 1954, S. 73/4; SECRETAN, Nouvelles tendances du Tribunal fédéral en matière de boycott, JdT 1957 S. 200), lassen sich mit dem Bestreben erklären, den Gerichten eine wirksame Waffe gegen unerlaubten Boykott zu verschaffen.
5.
Art. 839 Abs. 2 OR
kann somit nach Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte nicht dahin ausgelegt werden, dass einem Anwärter ein klagbares Recht auf Eintritt in eine Genossenschaft zustehe, selbst dann nicht, wenn er die statutarischen Eintrittsvoraussetzungen erfüllt. Daran ändert die gegenteilige Boykott-Rechtsprechung des Bundesgerichts nichts. Abgesehen davon, dass sie anders als mit
Art. 839 OR
zu begründen gewesen wäre (vgl. Erw. 4 b), ist sie mit der Geltung des Kartellgesetzes hinfällig geworden (a. M. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N 541 zu
Art. 1 OR
). Es ist deshalb wieder zu der klaren Rechtsprechung zurückzukehren, die in
BGE 69 II 45
/6 eingeleitet worden ist. Die Pflicht der Genossenschaft zur Aufnahme neuer Mitglieder muss daher eine in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs und dem Schutz der Persönlichkeit, begründete Ausnahme bleiben.
Die Bestätigung der seitherigen Rechtsprechung käme der Einführung einer Kontrahierungspflicht gleich, die sich mit der Vertragsfreiheit nicht verträgt und die im wesentlichen für die öffentlichen Dienst- und Versorgungsleistungen (vgl. VON TUHR/SIEGWART, OR I S. 255 ff.) sowie das Kartellrecht (
Art. 6 Abs. 2 KG
) gilt. Jedenfalls sollte eine Pflicht der Genossenschaft zur Aufnahme von Mitgliedern nur als "ultima ratio" (GERWIG, a.a.O. S. 233; vgl. auch SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N 529 zu
Art. 1 OR
, welche die Kontrahierungspflicht als Ausnahme bezeichnen) in Betracht fallen. Auch in Kartellsachen wird die zwangsweise Aufnahme in einen Verband wohl nur dann verfügt werden, wenn die andern Ansprüche, die einem Bewerber zur Verfügung stehen, nicht zum Ziele führen könnten (vgl. SCHÜRMANN, Textausgabe des KG mit Erläuterungen, S. 103).
BGE 98 II 221 S. 231
Es besteht um so weniger Anlass, das streitige Rechtsbegehren zu schützen, als die Klägerin nicht dargetan hat, sie werde durch die ihr verschlossene Türe unbefugterweise in ihren persönlichen Verhältnissen verletzt (
Art. 28 Abs. 1 ZGB
) oder widerrechtlich oder in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise geschä digt (
Art. 41 OR
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Zivilabteilung, vom 20. August 1971 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f7aa766-4130-418a-a981-0def1a03878a | Urteilskopf
138 I 49
4. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre dame A. (recours en matière civile)
5A_704/2011 du 23 février 2012 | Regeste
Art. 5 Abs. 3 und
Art. 9 BV
,
Art. 314 Abs. 1,
Art. 404 Abs. 1 und
Art. 405 Abs. 1 ZPO
; Übergangsrecht; Bestimmung der Dauer der Frist zur Berufung gegen einen im beschleunigten Verfahren nach dem bisherigen kantonalen Recht ergangenen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen; Vertrauensschutz bei falscher Belehrung über die Berufungsfrist.
Es ist nicht willkürlich anzunehmen, dass die Dauer der Berufungsfrist von der Art des Verfahrens abhängt, dem der Entscheid über vorsorgliche Massnahmen gemäss der ZPO unterstellt ist (E. 7).
Fall des Vertrauensschutzes in die falsche Belehrung über die Berufungsfrist (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 138 I 49 S. 50
A.
A., né en 1965, et dame A., née en 1970, se sont mariés le 30 avril 2003. De cette union sont issus deux enfants, soit B., née en 2007, et C., né en 2009.
Les époux ont mis un terme à leur vie commune en octobre 2007.
B.
B.a
Les 24 et 29 juin 2010, chaque époux a formé séparément une demande unilatérale en divorce devant le Tribunal de première instance de Genève, assortie d'une requête de mesures préprovisoires urgentes et provisoires. Par jugement du 4 février 2011, communiqué le 9 du même mois, le tribunal a, à titre de mesures provisionnelles, notamment, réglé le droit de visite du père et condamné ce dernier à verser une contribution d'entretien à sa famille de 10'000 fr. par mois, avec effet rétroactif et sous réserve d'imputation des montants déjà versés. La voie de droit y était indiquée en ces termes: "Conformément aux art. 308 ss du Code de procédure civile (CPC), la présente décision peut faire l'objet d'un
appel
par devant la Cour de justice dans les
30 jours
qui suivent sa notification. (...)".
B.b
Par courrier du 3 mars 2011, dame A., se prévalant de l'entrée en force du jugement du 4 février 2011, a mis son époux en demeure de lui verser l'arriéré de contributions d'entretien.
B.c
Par arrêt du 26 août 2011, la Cour de justice a déclaré l'appel du 14 avril 2011 déposé par A. irrecevable, faute d'avoir été exercé dans le délai de 10 jours prévu par le Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC; RS 272).
BGE 138 I 49 S. 51
C.
Par arrêt du 23 février 2012, le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile déposé par A.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
7.
Le recourant se plaint d'arbitraire (
art. 9 Cst.
) dans l'application des art. 311 al. 1, 314 al. 1, 404 al. 1 et 405 al. 1 CPC. Il soutient que le juge de première instance a rendu son jugement, conformément à l'
art. 404 al. 1 CPC
, en appliquant l'ancienne LPC/GE, soit selon une procédure accélérée (
art. 382 LPC
/GE). Ce magistrat n'a donc pas statué "en procédure sommaire", comme l'exige l'
art. 314 al. 1 CPC
. Selon lui, par conséquent, le délai de 10 jours prévu par cette disposition ne s'applique pas; l'appel doit être interjeté dans le délai ordinaire de 30 jours, conformément à l'
art. 311 al. 1 CPC
.
7.1
Une décision ne peut être qualifiée d'arbitraire (
art. 9 Cst.
) que si elle est manifestement insoutenable, méconnaît gravement une norme ou un principe juridique clair et indiscuté, ou heurte de manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité; il ne suffit pas qu'une autre solution paraisse concevable, voire préférable; pour que cette décision soit annulée, encore faut-il qu'elle se révèle arbitraire non seulement dans ses motifs, mais aussi dans son résultat (
ATF 137 I 1
consid. 2.4;
ATF 136 I 316
consid. 2.2.2;
ATF 134 II 124
consid. 4.1 et les arrêts cités).
7.2
Le système prévu par le CPC pour déterminer la durée du délai d'appel contre une décision de mesures provisionnelles rendue durant le procès en divorce est le suivant: dans ses dispositions sur les voies de recours, ce code prévoit que "l'appel, écrit et motivé, est introduit auprès de l'instance d'appel dans les 30 jours à compter de la notification de la décision motivée ou de la notification postérieure de la motivation" (
art. 311 al. 1 CPC
); toutefois, "si la décision a été rendue en procédure sommaire, le délai pour l'introduction de l'appel et le dépôt de la réponse est de dix jours" (
art. 314 al. 1 CPC
). Dans ses dispositions sur les procédures spéciales en droit matrimonial, ce code dispose que la procédure sommaire s'applique aux mesures protectrices de l'union conjugale (
art. 271, 1
re
phrase, CPC) et que les dispositions régissant la protection de l'union conjugale sont applicables par analogie aux mesures provisionnelles ordonnées dès l'introduction de la procédure de divorce (art. 276 al. 1, 2
e
phrase, CPC). Ainsi, dans le système du CPC, une décision ayant pour objet des mesures provisionnelles ordonnées durant la procédure de divorce doit être attaquée dans un délai de 10 jours.
BGE 138 I 49 S. 52
Par ailleurs, dans ses règles de droit transitoire, le CPC prévoit que les procédures en cours au moment de son entrée en vigueur sont régies par l'ancien droit de procédure jusqu'à la clôture de l'instance (
art. 404 al. 1 CPC
). Quant aux recours, ils sont régis par le droit en vigueur au moment de la communication de la décision aux parties (
art. 405 al. 1 CPC
; cf.
ATF 137 III 130
consid. 2).
7.3
La question qui se pose en l'espèce est celle de savoir s'il est arbitraire de considérer que le système sus-exposé pour déterminer la durée du délai d'appel s'applique aussi durant la période de droit transitoire, lorsque le juge de première instance a rendu sa décision en suivant le droit cantonal de procédure, qui ne prévoyait pas la procédure sommaire pour les mesures provisionnelles.
Le recourant a introduit sa requête de mesures provisionnelles en 2010; le tribunal de première instance a rendu et communiqué sa décision aux parties après le 1
er
janvier 2011. Dès lors, la procédure de première instance était soumise à l'ancien droit cantonal de procédure (
art. 404 al. 1 CPC
); en revanche, la procédure d'appel est régie par le CPC (
art. 405 al. 1 CPC
). Or, il n'est pas arbitraire de considérer que, le CPC s'appliquant à la procédure de recours, la durée du délai d'appel, qui dépend du type de procédure auquel la décision attaquée est soumise, se détermine aussi exclusivement selon le nouveau droit (dans ce sens, cf. arrêt 4A_507/2011 du 1
er
novembre 2011 consid. 2.5; DENIS TAPPY, in Code de procédure civile commenté, 2011, n° 13 ad
art. 405 CPC
). Cette interprétation va aussi dans le sens de l'uniformisation de la procédure civile dès le 1
er
janvier 2011, telle que voulue par le législateur: elle évite que les justiciables des différents cantons voient leur moyen de droit soumis à un délai d'appel différent selon le type de procédure que prévoyait l'ancien droit cantonal, alors même que leur procédure de recours est, pour le reste, régie par le CPC.
Ainsi, pour déterminer si la durée du délai d'appel était de 10 jours (
art. 314 al. 1 CPC
) ou de 30 jours (
art. 311 al. 1 CPC
), la cour cantonale pouvait, sans violer l'
art. 9 Cst.
, se fonder sur le type de procédure auquel le CPC soumet les mesures provisionnelles ordonnées pour la procédure de divorce, soit la procédure sommaire, et non sur celui que le juge de première instance avait effectivement suivi en vertu de l'ancienne loi cantonale de procédure pour rendre sa décision. Partant, le grief d'arbitraire dans l'application du droit doit être rejeté.
BGE 138 I 49 S. 53
8.
Ensuite, le recourant se plaint tant de la violation de l'
art. 5 al. 3 Cst.
que de celle de l'
art. 9 Cst.
8.1
Il soutient que si, par hypothèse, l'indication du délai de 30 jours était erronée, la protection de sa bonne foi ne pourrait lui être refusée. Contrairement à ce qu'a retenu l'autorité cantonale, il ne lui suffisait pas de lire la loi pour corriger son erreur. La procédure suivie en première instance étant de type accéléré, cette correction requérait une interprétation allant à l'encontre du texte légal, selon lequel le délai de recours de 10 jours s'applique seulement pour les décisions rendues en procédure sommaire. Ainsi, la cour cantonale aurait dû qualifier à tout le moins de peu claire la situation.
8.2
Pour sa part, l'intimée prétend tout d'abord que l'argumentation du recourant ne satisfait pas aux exigences de motivation parce que ce dernier ne démontre pas l'arbitraire de la décision. Elle soutient ensuite que le texte de la loi est parfaitement clair et que l'erreur du recourant, qui s'est référé à la procédure cantonale pourtant abrogée et inapplicable au vu des
art. 404 et 405 CPC
, est inexcusable. Elle ajoute encore que nombre de publications et de commentaires parus depuis l'entrée en vigueur du CPC ont relevé l'existence du délai de 10 jours pour contester les mesures provisionnelles rendues sous l'ancienne procédure cantonale. Enfin, elle estime que le recourant, constatant son erreur dès réception du courrier du 3 mars 2011 où elle requérait l'exécution du jugement de première instance, aurait dû agir de suite, en demandant la restitution du délai. Elle conclut que le grief doit être rejeté.
8.3
8.3.1
Aux termes de l'
art. 5 al. 3 Cst.
, les organes de l'Etat et les particuliers doivent agir de manière conforme aux règles de la bonne foi. De ce principe général découle notamment le droit fondamental du particulier à la protection de sa bonne foi dans ses relations avec l'Etat, consacré à l'art. 9 in fine Cst., dont le Tribunal fédéral contrôle librement le respect (
ATF 136 I 254
consid. 5.2;
ATF 135 IV 212
consid. 2.6; BÉATRICE WEBER-DÜRLER, Neuere Entwicklungen des Vertrauensschutzes, in ZBl 6/2002 p. 281 ss [292 s.]).
8.3.2
On déduit du principe de la bonne foi précité que les parties ne doivent subir aucun préjudice en raison d'une indication inexacte des voies de droit (
ATF 117 Ia 297
consid. 2,
ATF 117 Ia 421
consid. 2c). Une partie ne peut toutefois se prévaloir de cette protection que si elle se fie de bonne foi à cette indication. Tel n'est pas le cas de celle qui s'est
BGE 138 I 49 S. 54
aperçue de l'erreur, ou aurait dû s'en apercevoir en prêtant l'attention commandée par les circonstances. Seule une négligence procédurale grossière peut faire échec à la protection de la bonne foi. Celle-ci cesse uniquement si une partie ou son avocat aurait pu se rendre compte de l'inexactitude de l'indication des voies de droit en lisant simplement la législation applicable. En revanche, il n'est pas attendu d'eux qu'outre les textes de loi, ils consultent encore la jurisprudence ou la doctrine y relatives. Déterminer si la négligence commise est grossière s'apprécie selon les circonstances concrètes et les connaissances juridiques de la personne en cause. Les exigences envers les avocats sont naturellement plus élevées: on attend dans tous les cas de ces derniers qu'ils procèdent à un contrôle sommaire ("Grobkontrolle") des indications sur la voie de droit (
ATF 135 III 374
consid. 1.2.2.2;
ATF 134 I 199
consid. 1.3.1;
ATF 129 II 125
consid. 3.3;
ATF 124 I 255
consid. 1a/aa;
ATF 117 Ia 421
consid. 2a).
8.4
En l'espèce, le recourant a soulevé et motivé le grief selon lequel son droit fondamental à la protection de la bonne foi aurait été violé. Il faut donc déterminer si, conseillé par un avocat, il aurait dû comprendre à la seule lecture de la loi que le délai d'appel se détermine selon les règles du CPC, à l'exclusion de celles de l'ancienne LPC/GE.
A cet égard, l'
art. 404 al. 1 CPC
prévoit que la procédure cantonale s'appliquait encore en première instance, soit en l'occurrence la procédure accélérée; quant à l'
art. 314 al. 1 CPC
, il prévoit que "si la décision a été rendue en procédure sommaire, le délai pour l'introduction de l'appel et le dépôt de la réponse est de dix jours"; il ne précise pas s'il se réfère à la procédure effectivement appliquée ou à la procédure abstraitement applicable selon le CPC. Ainsi, force est de constater qu'un doute pouvait subsister quant à la durée du délai d'appel durant la période transitoire. Dans tous les cas, l'erreur du recourant ne peut pas être qualifiée de grossière. Sa confiance placée dans l'indication erronée du délai d'appel donnée par le juge de première instance doit être protégée et il ne doit subir aucun désavantage de ce fait. En outre, l'intimée ne peut pas être suivie lorsqu'elle prétend que le recourant aurait dû réagir dès la mise en demeure de sa part. En effet, à lui seul, le courrier du 3 mars 2011 de l'intimée ne permet pas de remettre en cause la bonne foi du recourant.
Partant, le grief doit être admis. | public_law | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4f7b1659-3a15-47ee-a1d0-8dc0bcb80517 | Urteilskopf
140 IV 150
20. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Beschwerde in Strafsachen)
6B_183/2014 vom 28. Oktober 2014 | Regeste
Betrug (
Art. 146 StGB
), untauglicher Versuch (
Art. 22 StGB
).
Wer vollständig arbeitsunfähig ist, kann keinen untauglichen Betrugsversuch zum Nachteil der Sozialversicherungen begehen (E. 3.4-3.7). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 140 IV 150 S. 150
A.
Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilte X. am 19. Januar 2012 wegen Betrugs zulasten der A. Versicherungs-Gesellschaft AG und
BGE 140 IV 150 S. 151
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) zu einer bedingten Geldstrafe.
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess die dagegen gerichtete Berufung am 16. August 2012 teilweise gut. Es sprach X. vom Vorwurf des Betrugs zulasten der A. Versicherungs-Gesellschaft AG frei und verurteilte ihn wegen Betrugs zum Nachteil der SUVA.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
X. war am 20. Dezember 2005 in einen Strassenverkehrsunfall verwickelt. Seither litt er an verschiedenen Beschwerden, weshalb ihm vom Arzt eine Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Ab Mitte April 2007 war er unentgeltlich für die B. AG tätig. X. klärte die SUVA nicht lückenlos über den Umfang dieser Tätigkeit auf.
B.
Das Bundesgericht hiess die gegen das obergerichtliche Urteil gerichtete Beschwerde in Strafsachen von X. am 12. April 2013 teilweise gut. Es erwog, ein Schuldspruch wegen vollendeten Betrugs setze eine schädigende Vermögensdisposition des Getäuschten voraus. Im Sozialversicherungsrecht sei ein Vermögensschaden gegeben, wenn der Versicherte auf die ausbezahlten Leistungen keinen Anspruch habe. Unverständlich sei, weshalb die Vorinstanz zur Auffassung gelangt sei, die sozialversicherungsrechtliche Arbeitsfähigkeit sei nicht zu prüfen. Vorliegend gehe es offensichtlich um einen Grenzfall. Einerseits sei unklar, ob X. für die massgebende Zeit von April bis November 2007 im sozialversicherungsrechtlichen Sinne überhaupt arbeitsfähig gewesen sei. Andererseits könne ihm nicht vorgeworfen werden, er habe die SUVA und die Ärzte über seine wahren Fähigkeiten vollständig im Unklaren gelassen. Die vorinstanzliche Begründung, wonach von einer irrtumsbedingten Vermögensdisposition der SUVA auszugehen sei, halte vor Bundesrecht nicht Stand (Urteil 6B_646/2012).
C.
Am 12. Dezember 2013 entschied das Obergericht erneut. Es hiess die Berufung von X. gegen das bezirksgerichtliche Urteil vom 19. Januar 2012 teilweise gut, sprach ihn vom Vorwurf des Betrugs zum Nachteil der A. Versicherungs-Gesellschaft AG frei und verurteilte ihn wegen versuchten Betrugs zum Nachteil der SUVA.
D.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X., das obergerichtliche Urteil vom 12. Dezember 2013 sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
BGE 140 IV 150 S. 152
E.
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichten auf eine Stellungnahme.
F.
Das Bundesgericht hat das Urteil öffentlich beraten (
Art. 58 Abs. 1 BGG
). Es heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eingetreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.4
Der Versuch ist in
Art. 22 StGB
geregelt. Das Gesetz enthält hierfür keine eigentliche Definition. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liegt ein Versuch vor, wenn der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit manifestiert hat, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht wären (
BGE 131 IV 100
E. 7.2.1;
BGE 120 IV 199
E. 3e; siehe auch
BGE 128 IV 18
E. 3b;
BGE 122 IV 246
E. 3). Zum Versuch gehört folglich der Entschluss des Täters, eine Straftat zu begehen, und die Umsetzung dieses Tatentschlusses in eine Handlung. Der Täter muss mit der Ausführung der Tat (mindestens) begonnen haben. Das Vorliegen eines Versuchs ist danach zwar nach objektivem Massstab, aber auf subjektiver Beurteilungsgrundlage festzustellen.
3.5
Der untaugliche Versuch (délit impossible, reato impossible) ist eine Form des Versuchs. Ein solcher liegt vor, wenn die Tat entgegen der Vorstellung des Täters überhaupt nicht zur Vollendung der Tat führen kann. Der Sache nach handelt es sich beim untauglichen Versuch um einen Sachverhaltsirrtum zuungunsten des Täters. Nach seiner Vorstellung erfüllt er einen Tatbestand, in Wirklichkeit ist sein Verhalten aber harmlos (
BGE 124 IV 97
E. 2a; vgl. auch
BGE 126 IV 53
E. 2b). Im alten Recht wurde der untaugliche Versuch in aArt. 23 StGB geregelt. Das geltende Recht subsumiert ihn unter die allgemeine Bestimmung von
Art. 22 Abs. 1 StGB
und erklärt ihn damit - wie den Versuch überhaupt - prinzipiell für strafbar. Damit kommt es im Grunde weder auf die Art noch den Grad der objektiven Untauglichkeit des Versuchs an. Entscheidend für die Strafbarkeit ist nur, dass der Täter in der Annahme handelt, den vorgestellten Sachverhalt verwirklichen zu können, auch wenn dies objektiv gar nicht möglich ist (vgl. WOLFGANG WOHLERS, Die Strafbarkeitsvoraussetzungen des StGB AT nach der Revision - Teil II, in: Die Revision des Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, Tag/Hauri [Hrsg.], 2006, S. 51 ff., 52). Nur für den Fall, dass der Täter grob unverständig handelt, sein Versuch mithin besonders dumm oder geradezu
BGE 140 IV 150 S. 153
lächerlich ist, statuiert das Gesetz in
Art. 22 Abs. 2 StGB
Straflosigkeit (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 1979, 2010 f. Ziff. 212.5 und 212.51).
3.6
Nicht jedes Verhalten, das die Elemente des untauglichen Versuchs an sich erfüllt und damit nach
Art. 22 Abs. 1 StGB
grundsätzlich strafbar ist, stellt sich indessen auch als strafwürdiges und strafbedürftiges Unrecht dar. Die strafrechtliche Erfassung und Pönalisierung solchen Verhaltens macht keinen Sinn. Sie lässt sich auch nur schwer mit den Grundlagen des geltenden Tatstrafrechts vereinbaren. Es besteht deshalb das Bedürfnis nach einer tatbestandlichen Strafbarkeitseinschränkung des untauglichen Versuchs. Strafbar sollen untaugliche Verhaltensweisen daher grundsätzlich nur sein, wenn und soweit sie sich als ernstlicher Angriff auf die rechtlich geschützte Ordnung darstellen. Erforderlich ist damit - neben dem Deliktsverwirklichungswillen - eine minimale objektive Gefährlichkeit des Täterverhaltens (vgl. zum Ganzen STRATENWERTH, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 12 N. 17, 35 sowie 40 ff.; siehe zu den Theorien betreffend die [Einschränkung der] Versuchsstrafbarkeit für das deutsche Recht: CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, München 2003, Rz. 9 ff. und 51 ff.; HANS JOACHIM HIRSCH, Untauglicher Versuch und Tatstrafrecht, in: Festschrift für Claus Roxin [...], 2001, S. 711 ff. und 724 ff.). Mangelt es einem Täterverhalten bei Kenntnis aller nachträglich bekannten Umstände im Zeitpunkt der Tat objektiv an einem ernsthaften Stör- und Gefährdungspotenzial und somit an einer objektiv minimalen Gefährlichkeit (Risiko), lässt sich weder ein Strafbedürfnis bejahen noch eine Strafsanktion rechtfertigen. In einem solchen Fall muss der Täter, auch wenn er nicht aus grobem Unverstand gehandelt hat, in analoger Anwendung von
Art. 22 Abs. 2 StGB
straflos bleiben. Dies mit der Begründung, dass ein objektiv ungefährlicher untauglicher Versuch - ebenso wie ein grob unverständiger Versuch - die Rechtsordnung nicht zu gefährden vermag (vgl. Botschaft, a.a.O., 2011 Ziff. 212.51, zum groben Unverstand).
3.7
Worin vorliegend der ernstliche Angriff auf die geschützte Rechtsordnung bestehen soll, ist nicht ersichtlich. Nach den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz war nicht zu erstellen, dass der Beschwerdeführer im massgebenden Zeitraum überhaupt
BGE 140 IV 150 S. 154
sozialversicherungsrechtlich arbeitsfähig war. Damit ist in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" von dessen vollständiger sozialversicherungsrechtlicher Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Der Beschwerdeführer hatte damit unstreitig Anspruch auf die bezogenen Versicherungsleistungen. Über das Ausmass seiner Arbeitsunfähigkeit konnte er bei dieser Ausgangslage überhaupt nicht täuschen, schon gar nicht arglistig. Die Beurteilung seiner sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsunfähigfähigkeit ergab sich - vollkommen unabhängig von seinem Verhalten - aus objektiven Kriterien. Die SUVA irrte denn auch nicht. Sie machte sich keine unzutreffenden Vorstellungen über die Wirklichkeit. Das Verhalten des Beschwerdeführers, die SUVA nicht lückenlos über den wahren Umfang seiner Arbeitstätigkeit bei der B. AG aufzuklären, war mithin nicht ansatzweise kausal für ihre Vermögensdisposition. Der Beschwerdeführer erwirkte weder einen rechtswidrigen Vermögensvorteil noch erlitt die SUVA einen Vermögensschaden. Diese machte denn auch nicht geltend, die Versicherungsleistungen seien als Folge einer Täuschung zu Unrecht erfolgt. Sie stellte die Taggeldzahlungen per 18. Dezember 2007 vielmehr wegen mangelnder Adäquanz ein und kam selbst nach Einstellung der Taggelder bis im Jahr 2009 noch für Heilungskosten auf (vgl. Urteil 6B_646/2012 vom 12. April 2013 E. 2.5.1). Damit fehlt es vorliegend an der Voraussetzung einer objektiv minimal gefährlichen Täuschungshandlung. Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Rechtsgutsgefährdung. Die Vermögensinteressen der SUVA wurden durch das Verhalten des Beschwerdeführers nicht im Geringsten berührt. Was bleibt, ist dessen bloss subjektive Fehlvorstellung, die SUVA über die (in Wirklichkeit nicht existente) Arbeitsfähigkeit allenfalls arglistig zu täuschen. Das reicht mangels einer Unrechtsrelevanz nicht aus, eine Versuchsstrafbarkeit zu begründen. Eine Verurteilung wegen untauglichen Betrugsversuchs fällt deshalb ausser Betracht. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4f82d649-9d1b-4a5d-b917-7dc18694d476 | Urteilskopf
133 IV 150
25. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_46/2007 vom 29. Mai 2007 | Regeste
Art. 51 StGB
; Anrechnung der Untersuchungshaft.
Auf die Strafe ist auch die Untersuchungshaft anzurechnen, die in einem anderen Verfahren angeordnet worden ist. Zu entziehende Freiheit ist wenn immer möglich mit bereits entzogener Freiheit zu kompensieren (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 133 IV 150 S. 150
A.
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte X. mit Urteil vom 15. Dezember 2004 in zweiter Instanz des gewerbsmässigen Betruges im Sinne von
Art. 146 Abs. 1 und 2 StGB
, der mehrfachen Amtsanmassung im Sinne von
Art. 287 StGB
, des Hausfriedensbruchs im Sinne von
Art. 186 StGB
sowie des geringfügigen Diebstahls im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 in Verbindung mit
Art. 172ter Abs. 1 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu 2 1⁄2 Jahren Zuchthaus, unter Einrechnung von 491 Tagen Untersuchungs- und Sicherheitshaft. In einzelnen Punkten sprach es ihn von der Anklage des Diebstahls, des Hausfriedensbruchs sowie des versuchten Diebstahls frei. Ferner sah es von der Anordnung einer Massnahme im Sinne von
Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
ab. Das Obergericht verpflichtete X. überdies gemäss seiner Anerkennung zur Zahlung von Fr. 1'400.- als Schadenersatz an die Geschädigte. Im Mehrbetrag trat es auf das Schadenersatzbegehren nicht ein. Schliesslich beschloss es über die Einziehung und Verwertung bzw. die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände.
Eine hiegegen von X. geführte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess der Kassationshof des Bundesgerichts mit Urteil vom 11. Mai 2006 gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurück.
B.
Mit Urteil vom 23. Januar 2007 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich X. neu des einfachen Betruges und des
BGE 133 IV 150 S. 151
mehrfachen Betrugsversuchs, der mehrfachen Amtsanmassung, des Hausfriedensbruchs sowie des geringfügigen Diebstahls schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 300.- als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Februar 2006. Hinsichtlich des Freispruchs in einzelnen Punkten, des Verzichts auf eine Massnahme, des Zivilpunkts sowie des Beschlusses über die Einziehung und die Verwertung bzw. die Rückgabe der beschlagnahmten Gegenstände bestätigte es seinen ersten Entscheid. Ferner stellte das Obergericht fest, die ausgesprochene Freiheitsstrafe sei durch die Untersuchungshaft von 591 Tagen vollumfänglich erstanden. Für die erlittene Überhaft von 141 Tagen sprach es X. eine Genugtuung von Fr. 9'500.- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 1. Dezember 2004 aus der Gerichtskasse zu.
C.
X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, Ziff. 11 des angefochtenen Dispositivs sei aufzuheben und durch folgende Anordnung zu ersetzen:
Der Justizvollzug des Kantons Zürich wird angewiesen, 141 Tage Überhaft auf die gegenwärtig bei X. noch zum Vollzug anstehenden Freiheitsstrafen anzurechnen.
Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 S. 1242). Die angefochtene Entscheidung ist nach diesem Datum ergangen. Die gegen diese gerichtete Beschwerde untersteht daher dem neuen Verfahrensrecht (
Art. 132 Abs. 1 BGG
).
Die Beschwerde richtet sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (
Art. 80 Abs. 1 BGG
) gefällten Endentscheid (
Art. 90 BGG
) in Strafsachen (
Art. 78 Abs. 1 BGG
). Sie ist von der in ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (
Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (
Art. 100 Abs. 1 BGG
) erhoben worden. Auf die Beschwerde kann daher grundsätzlich eingetreten werden.
1.2
Die Beschwerde an das Bundesgericht kann wegen Rechtsverletzungen im Sinne von
Art. 95 und
Art. 96 BGG
geführt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an
BGE 133 IV 150 S. 152
(
Art. 106 Abs. 1 BGG
). Es ist weder an die in der Beschwerde vorgetragene Begründung der Rechtsbegehren noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Es kann eine Beschwerde mithin auch aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl.
BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht darf indes nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen (
Art. 107 Abs. 1 BGG
). Neue Begehren sind unzulässig (
Art. 99 Abs. 2 BGG
).
Gemäss
Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG
ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (
Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG
). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Verletzungen von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht kann es nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (
Art. 106 Abs. 2 BGG
).
1.3
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG
beruht (
Art. 105 Abs. 2 BGG
).
Der Beschwerdeführer kann die Rüge der offensichtlich unrichtigen oder auf einer Rechtsverletzung beruhenden Sachverhaltsfeststellung nur erheben, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (
Art. 97 Abs. 1 BGG
). Er muss dabei substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss
Art. 105 Abs. 2 BGG
gegeben sind. Andernfalls kann ein von dem im angefochtenen Entscheid festgestellten abweichender Sachverhalt nicht berücksichtigt werden (vgl.
BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (
Art. 99 Abs. 1 BGG
).
2.
Am 1. Januar 2007 sind auch der revidierte Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches (erstes Buch) und die revidierten Bestimmungen über die Einführung und Anwendung des Gesetzes
BGE 133 IV 150 S. 153
(drittes Buch) vom 13. Dezember 2002 in Kraft getreten. Der Beschwerdeführer hat die beurteilten Straftaten vor diesem Datum, zwischen dem 9. und 13. August 2003, begangen. Gemäss
Art. 2 Abs. 2 StGB
gelangt bei dieser Konstellation das neue Recht zur Anwendung, wenn es für ihn das mildere ist. Die Vorinstanz kommt zu Recht zum Schluss, das neue Recht sei das mildere. Es kann insofern auf ihre zutreffenden Erwägungen verwiesen werden (
Art. 109 Abs. 3 BGG
; vgl. auch FRANZ RIKLIN, Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches: Fragen des Übergangsrechts, AJP 2006 S. 1473 f.).
3.
Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 9. Juni 2000 zu einer Freiheitsstrafe von 3 1⁄2 Jahren Gefängnis. Am 23. März 2003 wurde der Beschwerdeführer aus dem Vollzug dieser Strafe mit einer Probezeit von 3 Jahren bedingt entlassen. Mit Verfügung vom 15. August 2003 versetzte ihn der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich im Rahmen des vorliegenden, neu eingeleiteten Verfahrens in Untersuchungshaft. Auf Verfügung des Präsidenten des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 23. März 2005 hin wurde der Beschwerdeführer am 24. März 2005 nach Verbüssung von 591 Tagen Haft aus dem in diesem Verfahren angetretenen vorzeitigen Strafvollzug entlassen.
Am 24. Februar 2006, mithin vor Ausfällung des angefochtenen Urteils sprach das Bezirksgericht Zürich den Beschwerdeführer der Amtsanmassung etc. schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten Gefängnis. Da der Beschwerdeführer die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Straftaten vor diesem Urteil des Bezirksgerichts begangen hat, hat die Vorinstanz nach dem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts eine Zusatzstrafe zum bezirksgerichtlichen Urteil ausgesprochen.
Seit dem 4. April 2005 befand sich der Beschwerdeführer wieder in Haft, die in jenem Verfahren angeordnet worden war, das zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Februar 2006 führte. Nach Eintritt der Rechtskraft für dieses Urteil widerrief der Justizvollzug des Kantons Zürich mit Verfügung vom 11. Oktober 2006 die bedingte Entlassung aus dem Vollzug verschiedener früherer Strafen mit einem Strafrest von insgesamt 336 Tagen. Im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils verbüsste der Beschwerdeführer mithin Freiheitsstrafen von 29 Monaten und 6 Tagen (18 Monate
BGE 133 IV 150 S. 154
und 336 Tage), die auf dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Februar 2006 und auf weiter zurückliegenden Urteilen beruhen.
4.
4.1
Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe abzüglich der von ihr ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 15 Monaten insgesamt 141 Tage Überhaft erstanden. Gemäss Auskunft des Justizvollzugs des Kantons Zürich stünden zwar noch Freiheitsstrafen zum Vollzug an. Bei diesen handle es sich aber um Rückversetzungen, die mit weiter zurückliegenden Strafverfahren bzw. hier nicht beurteilten Straftaten zusammenhingen. Eine Anrechnung der im vorliegenden Verfahren angefallenen Überhaft auf diese früheren Verfahren sei daher nicht möglich. Sie geht für ihre Auffassung davon aus, der Grundsatz der Verfahrensidentität besage nicht, dass erstandene Haft beliebig in anderen Verfahren angerechnet werden könnte, sondern ermögliche nur die Anrechnung von Haft, welche in jenem Verfahren ausgestanden worden sei, das zur Ausfällung der Strafe geführt habe.
4.2
Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, die von ihm ausgestandene Überhaft sei auf den anstehenden bzw. laufenden Strafvollzug anzurechnen. Da im angefochtenen Urteil eine Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Februar 2006 ausgefällt worden sei, hänge jedenfalls dieses frühere Verfahren mit dem dem angefochtenen Urteil zugrundeliegenden zusammen. Da er sich bereits im Vollzug befinde, sei die Anrechnung der Überhaft nicht anders möglich als durch Anweisung an den Justizvollzug des Kantons Zürich.
5.
5.1
Gemäss
Art. 51 StGB
rechnet das Gericht die Untersuchungshaft, die der Täter während dieses oder eines anderen Verfahrens ausgestanden hat, auf die Strafe an. Nach
Art. 110 Abs. 7 StGB
ist Untersuchungshaft jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft. Ohne jede Einschränkung anzurechnen ist auch der vorzeitig angetretene Strafvollzug (
Art. 75 Abs. 2 StGB
).
Die ältere Rechtsprechung zu Art. 69 aStGB ist für die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe vom Grundsatz der Identität der Tat ausgegangen. Nach diesem Grundsatz kann die Untersuchungshaft nur insoweit angerechnet werden, als sie wegen einer Handlung ausgestanden wurde, für
BGE 133 IV 150 S. 155
welche der Beschuldigte bestraft wird. Für die nicht anrechenbare Haft steht danach als Ausgleich nur der Weg der Haftentschädigung offen (
BGE 104 IV 6
E. 2;
BGE 85 IV 11
;
77 IV 6
). Diese Rechtsprechung hat der Kassationshof mit Entscheid 6S.421/2005 vom 23. März 2006, E. 3.2.3 (publ. in: Pra 95/2006 Nr. 111 S. 765), unter der Geltung des alten Rechts aufgegeben. Nach diesem Entscheid kann auch nach Art. 69 aStGB die im zweiten Verfahren erstandene Untersuchungshaft an die im ersten Urteil ausgefällte Freiheitsstrafe, deren bedingter Strafvollzug im zweiten Verfahren widerrufen wird, angerechnet werden (vgl. auch Entscheid des Kassationshofs 6S.747/ 2000 vom 11. März 2002, E. 1b, publ. in: Pra 91/2002 Nr. 93 S. 543 zur Anrechnung der Untersuchungshaft im ersten Verfahren auf die im zweiten Verfahren ausgesprochene Freiheitsstrafe).
Der bundesrätliche Entwurf zum neuen Recht sah ursprünglich vor, dass diejenige Untersuchungshaft anzurechnen ist, die der Täter während des Verfahrens ausgestanden hat. Der Entwurf folgte somit für die Anrechnung der Untersuchungshaft dem Grundsatz der Verfahrensidentität (
Art. 51 E 1998
; vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes] und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. September 1998, BBl 1999 S. 2063, 2311). Nach der definitiven Gesetzesfassung ist darüber hinaus nunmehr auch die Untersuchungshaft aus einem anderen Verfahren anrechenbar, soweit eine solche Anrechnung überhaupt noch möglich ist (vgl. AB 2001 N S. 564 f.). Zu entziehende Freiheit soll demnach wenn immer möglich mit bereits entzogener kompensiert werden (SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Zürcher Grundrisse des Strafrechts, Strafrecht II, 8. Aufl. 2007, S. 124; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, 2. Aufl., Bern 2006, § 6 N. 122 ff.; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, Bern 2007,
Art. 51 StGB
N. 2; vgl. auch SCHUBARTH, Anrechnung von Untersuchungshaft auf eine ausgesprochene Strafe oder Entschädigung für ungerechtfertigte Untersuchungshaft?, ZStrR 117/1998 S. 113).
Die Auffassung der Vorinstanz, dass mit dem revidierten Allgemeinen Teil der Grundsatz der Verfahrensidentität eingeführt worden ist, trifft somit nicht zu. Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist die Untersuchungshaft auch anzurechnen, wenn sie in einem anderen Verfahren angeordnet wurde. Das entspricht dem Grundsatz,
BGE 133 IV 150 S. 156
dass der Freiheitsentzug im Untersuchungsverfahren einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit darstellt, der - wenn ein Schuldbeweis erbracht werden kann - durch Anrechnung der Haft entschädigt werden muss (
BGE 117 IV 404
E. 2a; STRATENWERTH, a.a.O., § 6 N. 112).
5.2
5.2.1
Die Vorinstanz hat in Anwendung von
Art. 49 Abs. 2 StGB
eine Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 24. Februar 2006 ausgesprochen. Danach hat das Gericht, wenn es eine Tat zu beurteilen hat, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, die Zusatzstrafe in der Weise zu bestimmen, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.
Bei der Bemessung der gedanklich zu bestimmenden Gesamtstrafe und damit auch der Zusatzstrafe ist das Gericht sowohl in Bezug auf die Strafart als auch hinsichtlich der Art des Vollzugs nicht an den rechtskräftigen ersten Entscheid gebunden. Der Richter hat darüber im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nach seinem eigenen Ermessen zu befinden. Zwar bleibt der erste Entscheid nicht nur hinsichtlich der Dauer der Strafe, sondern auch in Bezug auf die Strafart und die Art des Vollzugs unabänderlich, da er in Rechtskraft erwachsen ist. Das Gericht, das die Zusatzstrafe auszufällen hat, kann aber im Rahmen der massgebenden gesetzlichen Vorschriften bei der gedanklichen Bestimmung der Gesamtstrafe eine andere Strafart und eine andere Vollzugsart wählen (JÜRG- BEAT ACKERMANN, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I,
Art. 68 StGB
N. 61).
5.2.2
Der Justizvollzug des Kantons Zürich hat mit Verfügung vom 11. Oktober 2006 den Vollzug des noch nicht verbüssten Strafrests von 336 Tagen Gefängnis angeordnet. Wie sich aus der Begründung der Verfügung ergibt, setzt sich dieser Strafrest zusammen aus dem Strafrest der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug am 22. März 2003, in welchem der Beschwerdeführer mit Urteilen des Bezirksgerichts Zürich vom 9. Juni 2000 und des Kantonsgerichts Waadt vom 28. Juli 1999 ausgesprochene Strafen sowie einen Strafrest aus der mit Verfügung vom 1. Oktober 1998 gewährten bedingten Entlassung verbüsst hatte. Ferner ordnete der Justizvollzug des Kantons Zürich an, dass der Strafrest von 336 Tagen
BGE 133 IV 150 S. 157
Gefängnis zusammen mit der vom Bezirksgericht Zürich mit Urteil vom 24. Februar 2006 ausgesprochenen Strafe von 18 Monaten Gefängnis, abzüglich 275 Tage erstandener Freiheitsentzug, zu vollstrecken ist.
5.2.3
Dass beim Beschwerdeführer noch Strafen bzw. Strafreste zu vollziehen waren, war der Vorinstanz bekannt. Sie hätte daher ohne weiteres anordnen können, die im von ihr beurteilten Verfahren erstandene Überhaft werde auf den noch ausstehenden Vollzug angerechnet. Wie der Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, ergibt sich dies in Bezug auf die vom Bezirksgericht Zürich mit Urteil vom 24. Februar 2006 ausgesprochene Strafe von 18 Monaten Gefängnis auch aus der Regelung der retrospektiven Konkurrenz, nach welcher der Täter trotz Aufteilung der Strafverfolgung in mehrere Verfahren gegenüber jenem Täter, dessen Taten gleichzeitig beurteilt wurden, nicht benachteiligt und soweit als möglich auch nicht besser gestellt werden soll (
BGE 132 IV 102
E. 8.2 mit Hinweisen). Durch die Anrechnung der Untersuchungshaft auf den weiteren noch anstehenden Strafvollzug greift die Vorinstanz nicht in die Rechtskraft dieses Urteils des Bezirksgerichts Zürich oder eines anderen Urteils ein, denn dieses bleibt von jener Anordnung gänzlich unberührt. Schliesslich bedarf es in diesem Zusammenhang auch nicht einer Weisung an die Strafvollzugsbehörde. Inwieweit ausgestandene Untersuchungshaft auf den Vollzug angerechnet werden muss, ergibt sich abschliessend aus dem Dispositiv des Urteils, das für die Vollzugsbehörde verbindlich ist. Ob der Vorinstanz gegenüber dem Justizvollzug des Kantons Zürich ein Weisungsrecht zusteht oder nicht, ist daher in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
Die Ausrichtung einer Haftentschädigung an Stelle der Anrechnung der ausgestandenen Überhaft auf den in einem anderen Verfahren angeordneten Vollzug verletzt daher Bundesrecht. Die Beschwerde erweist sich somit als begründet. Da für das Bundesgericht nicht ersichtlich ist, in welchem Umfang die Überhaft zum jetzigen Zeitpunkt noch angerechnet werden kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (
Art. 107 Abs. 2 BGG
). | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4f83dec4-d4a4-4ea8-8389-703b4d6c2799 | Urteilskopf
119 II 434
87. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 décembre 1993 dans la cause Max Gay-Balmaz contre Roland Girod (recours de droit public) | Regeste
Art. 961 Abs. 3 ZGB
; vorläufige Eintragung eines gesetzlichen Grundpfandes; Verwirkung der Klage auf definitive Eintragung.
Das kantonale Prozessrecht hat keinen Einfluss auf den Lauf der dem Gesuchsteller gesetzten richterlichen Frist zur gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 434
BGE 119 II 434 S. 434
Le 3 mai 1991, Max Gay-Balmaz a requis l'inscription d'une hypothèque légale des artisans et entrepreneurs sur la parcelle no 947 (recte: no 946) de la commune de Vernayaz, à charge notamment des parts de propriété par étage de Roland Girod, à Genève.
Par ordonnance du 4 juin, notifiée aux parties le 6 et reçue le lendemain, le Juge I du district de Martigny a autorisé l'inscription provisoire de l'hypothèque au registre foncier et imparti à Max Gay-Balmaz un délai de trois mois pour faire valoir son droit en justice, sous peine de caducité de l'inscription.
Le 22 octobre 1991, Max Gay-Balmaz a ouvert action contre Roland Girod, en requérant notamment l'inscription définitive de l'hypothèque légale précitée; celui-ci a conclu au rejet de la requête.
Les parties ayant sollicité le prononcé d'un jugement partiel concernant le respect du délai d'introduction de l'action, l'affaire a été transmise au Tribunal cantonal du Valais, autorité compétente en la matière. Le 25 juin 1993, celui-ci a rejeté l'action introduite par le
BGE 119 II 434 S. 435
demandeur, en raison de son caractère tardif; il a par conséquent autorisé le défendeur à requérir la radiation de l'inscription provisoire au registre foncier.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) En vertu de l'
art. 961 al. 3 CC
, le juge qui ordonne l'inscription provisoire d'un droit réel au registre foncier doit en déterminer la durée, éventuellement en fixant au requérant un délai pour faire valoir son droit en justice. Si aucune action n'est introduite avant l'échéance de celui-ci, l'inscription provisoire devient caduque (
art. 76 al. 1 ORF
, RS 211.432.1;
ATF 60 I 298
). Selon la jurisprudence et la doctrine, lorsque le droit fédéral prévoit une telle disposition, la question de l'ouverture de l'action ne relève pas des règles cantonales, quand bien même la loi ne fixe pas elle-même le délai dans lequel le demandeur doit invoquer son droit en justice, mais laisse au juge le soin d'y procéder; la conséquence de l'inobservation du délai est dès lors la même que quand il est déterminé par la loi, à savoir la péremption du droit (
ATF 82 II 587
consid. 2 p. 590; HOMBERGER, n. 34 ad
art. 961 CC
; R. SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2e éd., no 760, p. 221; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2e éd., n. 85 ad
art. 215 let
. d ZPO/ZH, p. 414).
Un délai péremptoire de droit fédéral ne saurait être ni interrompu ni suspendu. Il ne peut pas non plus être prolongé ou restitué en vertu des seules règles cantonales de procédure (
ATF 101 II 86
consid. 2 p. 88; O. VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3e éd., no 110 p. 220 et no 23 pp. 274/275); tout au plus peut-il l'être par décision du juge, dans la mesure où il ne s'agit pas d'un délai légal (
ATF 97 I 209
consid. 2 p. 215,
ATF 66 II 105
consid. 1 p. 108).
La durée de validité de l'inscription provisoire au registre foncier dépend parfois, comme c'est le cas en l'espèce, de l'ouverture du procès en inscription définitive. Lorsque celui-ci a été introduit dans le délai fixé, l'annotation effectuée à titre provisoire reste valable jusqu'à droit connu sur le fond (
ATF 112 II 496
consid. 2 p. 498,
ATF 101 II 63
consid. 4 p. 67,
ATF 99 II 388
consid. 3 p. 391,
ATF 98 Ia 241
consid. 2a p. 244). Dès lors, la sécurité juridique commande également que cette question ne dépende pas de l'application du droit cantonal de procédure.
b) En l'occurrence, il n'est pas contesté que la décision impartissant au recourant un délai de trois mois pour faire valoir son droit a
BGE 119 II 434 S. 436
été notifiée aux parties le 6 juin 1991 et reçue par elles le lendemain. Pour les motifs exposés ci-dessus, les dispositions du droit cantonal de procédure, et en particulier concernant les féries judiciaires, ne peuvent en aucune manière influencer le cours du délai litigieux. Par conséquent, l'action introduite le 22 octobre 1991 par le recourant se révèle tardive. L'autorité cantonale n'a donc pas méconnu la portée de l'
art. 961 al. 3 CC
, ni appliqué à tort le droit fédéral au lieu du droit cantonal, en estimant que le demandeur devait être débouté de son action, en l'espèce périmée. Au demeurant, il n'est pas établi que le recourant ait demandé en temps utile au juge une prolongation du délai que celui-ci lui avait imparti. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f8a3a1c-3354-4304-9b5c-8cb1b26bc42d | Urteilskopf
113 Ia 437
65. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1987 i.S. Erben B. gegen P. und B., Meliorationsgenossenschaft Embrachertal und Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Güterzusammenlegung; Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers.
Kann das Gewinnbeteiligungsrecht bei Güterzusammenlegungen zu einem besonders schweren Eingriff führen, so bedarf es einer klaren und eindeutigen gesetzlichen Grundlage (E. 2a). Sieht das Gesetz das Gewinnbeteiligungsrecht für den Fall der Veräusserung vor, so kann dieses nicht auf andere Fälle nichtlandwirtschaftlicher gewinnbringender Nutzungen des Bodens ausgedehnt werden (E. 2b).
Ein Gewinnbeteiligungsrecht, das derart ausgestaltet ist, dass bei der Berechnung des Gewinnes nicht vom wahren Verkehrswert des Bodens ausgegangen und der Wert des dem Gewinnbeteiligten seinerseits zugeteilten Landes nicht mitberücksichtigt wird, steht mit der Eigentumsgarantie in Widerspruch (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 438
BGE 113 Ia 437 S. 438
Die Meliorationsgenossenschaft Embrachertal beschloss an der Generalversammlung vom 19. Februar 1963, § 37 lit. e ihrer Statuten wie folgt neu zu fassen:
(Die Mitglieder verpflichten sich)
"einen durch Verkauf oder Verwertung von zugeteiltem Land erzielten nachweisbaren Gewinn innert 12 Jahren, von dem durch die Volkswirtschaftsdirektion verfügten Antritt des neuen Besitzstandes an gerechnet, verhältnismässig an die Grundeigentümer im alten Bestand zurückzuzahlen.
Die Rückerstattung umfasst im ersten Jahr den vollen Gewinn und reduziert sich um 1/12 für jedes folgende Jahr.
Der Gewinn wird wie folgt festgestellt: Erlös oder Wertvermehrung infolge Verwertung, abzüglich landwirtschaftlicher Verkehrswert, Rückerstattung von Staats- und Bundesbeiträgen, Grundstückgewinnsteuer, Vermögenssteuer gemäss § 36 ff. des kantonalen Steuergesetzes, Notariats- und Vermessungskosten sowie vom Veräusserer in der Zwischenzeit investierte Erschliessungskosten.
Als anrechenbarer landwirtschaftlicher Verkehrswert gilt im Zeitpunkt des Neuantrittes der zehnfache Bonitierungswert. Die Kommission wird ermächtigt, die notwendigen Anpassungen an die jeweiligen Preise für landwirtschaftlichen Boden vorzunehmen.
..."
Das zur Zeit dieser Statutenänderung geltende zürcherische Gesetz betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 24. September 1911 enthielt keine Bestimmung über ein Gewinnbeteiligungsrecht. Dagegen wurde in das kantonale Gesetz über die Förderung der Landwirtschaft vom 22. September 1963 folgende neue Vorschrift aufgenommen:
BGE 113 Ia 437 S. 439
"§ 95 Die Genossenschaften können in den Statuten bestimmen, dass bei der Veräusserung von neu zugeteiltem Land im ganzen Beizugsgebiet oder in einem Teilgebiet innert einer bestimmten Frist ein Gewinn ganz oder teilweise dem früheren Grundeigentümer zukommt."
Diese Bestimmung wurde bei der Revision des Landwirtschaftsgesetzes vom 2. September 1979 wieder fallengelassen.
Im April 1966 setzte die Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal P. und B. davon in Kenntnis, dass die Erben B. auf deren Altparzellen Kies ausgebeutet hätten. P. und B. reichten hierauf zunächst beim Bezirksgericht Zürich Zivilklage gegen die Erben B. und schliesslich bei der Ausführungskommission der Meliorationsgenossenschaft Begehren um Rückerstattung der Gewinnanteile ein. Den Entscheid der Ausführungskommission zogen beide Parteien an das Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich weiter, das die den ehemaligen Eigentümern zu erstattenden Anteile auf Fr. 27'421.10 bzw. Fr. 15'377.60 festsetzte. Gegen diesen Entscheid haben die Erben B. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 und 22ter BV
eingereicht.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid sei verfassungswidrig, weil § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal, auf den er sich stütze, nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe und auch sonst mit der Eigentumsgarantie sowie
Art. 4 BV
in Widerspruch stehe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Vorschrift nicht nur im Anschluss an deren Erlass, sondern auch auf einen konkreten Anwendungsakt hin bestritten werden (
BGE 111 Ia 82
E. 2a, 186 E. 1, 242 f. E. 4, je mit Hinweisen auf weitere Entscheide). Dieser nachträglichen Überprüfung - zu der auch die kantonalen Gerichte auf Gesuch hin verpflichtet sind - unterstehen alle Rechtssätze, das heisst alle Anordnungen genereller und abstrakter Natur, die für eine unbestimmte Vielheit von Menschen gelten und eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen regeln ohne Rücksicht auf einen bestimmten Einzelfall oder auf eine Person (
BGE 106 Ia 386
E. 3a). Zu diesen Rechtssätzen zählen auch die Anordnungen, welche die öffentlichrechtlichen Korporationen und Anstalten aufgrund einer Ermächtigung des Gesetzgebers erlassen (vgl.
BGE 104 Ia 336
ff., 339 E. 3b, nicht publizierter Entscheid
BGE 113 Ia 437 S. 440
vom 16. Oktober 1984 i.S. Bernhard und Mitbeteiligte gegen Meliorationsgenossenschaft Malix E. 3a; siehe auch
BGE 97 I 296
f.). Somit unterliegen auch die Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal, die gemäss kantonalem Recht eine öffentlichrechtliche Genossenschaft darstellt, der nachträglichen Verfassungskontrolle.
2.
Das Gewinnbeteiligungsrecht des früheren Eigentümers im Güterzusammenlegungsverfahren führt für den neuen Eigentümer zu einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung. Als solche ist das Gewinnbeteiligungsrecht mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn es auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und den Anspruch auf wertgleichen Realersatz wahrt (
BGE 104 Ia 337
E. 2,
BGE 95 I 373
E. 5). Die Frage der gesetzlichen Grundlage prüft das Bundesgericht nach ständiger Rechtsprechung frei, wenn es um einen besonders schweren Eingriff geht; die gesetzliche Grundlage muss klar und eindeutig sein. Handelt es sich dagegen nicht um einen schweren Eingriff, so gilt das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage schon als erfüllt, wenn sich der umstrittene Erlass ohne Willkür auf eine solche stützen lässt (
BGE 111 Ia 169
E. 7a,
BGE 109 Ia 190
E. 2,
BGE 108 Ia 35
E. 3a,
BGE 106 Ia 366
E. 2).
a) Ob ein Gewinnbeteiligungsrecht bei Güterzusammenlegungen zu besonders schweren Eingriffen führt, ist anhand der konkreten Regelung zu beurteilen. Das Bundesgericht hat in
BGE 104 Ia 342
E. 4d die Annahme des Thurgauer Obergerichtes, eine Gewinnbeteiligungspflicht im Umfange von 75% im ersten Jahr bis zu 5% im 15. Jahr nach der Übernahme sei eine schwerwiegende Eigentumsbeschränkung, als jedenfalls nicht willkürlich bezeichnet; angesichts der einschneidenden Prozentsätze auf längere Zeit und ihrer Auswirkungen auf das grundlegende Recht des Landbesitzers zur Realisierung seines Grundeigentums könne die Eigentumsbeschränkung bestimmt nicht als leicht gelten. Im vorliegenden Fall besteht die Gewinnbeteiligungspflicht nach den Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal sogar im Umfange von 100% für das erste Jahr und reduziert sich um je einen Zwölftel für die weiteren elf Jahre. Das Gewinnbeteiligungsrecht bezieht sich nicht nur auf den Gewinn aus Verkauf, sondern auch aus Verwertung des zugeteilten Landes. Zudem ist bei der Berechnung des Gewinnes der "landwirtschaftliche" (zehnfacher Bonitierungswert) und nicht der wirkliche Verkehrswert zu berücksichtigen. Dies kann zur Folge haben, dass der Grundeigentümer
BGE 113 Ia 437 S. 441
nicht nur von seinem Gewinn, sondern auch vom Verkehrswert seines Landes zur Zeit der Zuteilung Anteile abzuliefern hat. Schliesslich wird die Gewinnbeteiligung unabhängig davon vorgesehen, ob der Altbesitz des Verpflichteten die gleiche Qualität wie der Neubesitz aufgewiesen habe und ob dem Berechtigten ebenfalls Land neu zugeteilt worden sei, das gewinnbringend veräussert oder verwertet werden könne. In dieser Ausgestaltung führt das Gewinnbeteiligungsrecht zu einem besonders schweren Eingriff und steht dem Bundesgericht daher im vorliegenden Fall volle Kognition zu.
b) Nach Auffassung des Landwirtschaftsgerichtes bildet § 95 des Landwirtschaftsgesetzes des Kantons Zürich vom 22. September 1963 eine genügende gesetzliche Grundlage für das umstrittene Gewinnbeteiligungsrecht. Allerdings bestand diese gesetzliche Bestimmung zur Zeit der Annahme von § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal am 19. Februar 1963 noch nicht, doch erhielt die statutarische Vorschrift im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landwirtschaftsgesetzes nachträglich eine gesetzliche Grundlage, soweit sie durch § 95 gedeckt war (vgl.
BGE 107 Ib 31
f. E. 2a; GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 75/1974 S. 239). Nun bestreiten aber die Beschwerdeführer zu Recht, dass diese kantonale Bestimmung nicht nur für den Fall der Veräusserung, sondern auch der anderweitigen Verwertung von neu zugeteiltem Boden eine Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers zulasse.
Nach § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft beschlägt die Gewinnbeteiligungspflicht ausdrücklich auch den Fall der Wertvermehrung des zugeteilten Landes infolge Verwertung. Unter "Verwertung" wird, wie sich aus dem Protokoll der die Statutenänderung beschliessenden Generalversammlung ergibt, jede nichtlandwirtschaftliche gewinnbringende Nutzung des Bodens (so etwa auch der Bau eines Wohnhauses durch den Grundeigentümer) verstanden. Demgegenüber räumt § 95 des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes vom 22. September 1963 den Meliorationsgenossenschaften nur die Möglichkeit ein, in den Statuten die Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers bei Veräusserung von neu zugeteiltem Land vorzusehen. Von anderen gewinnbringenden Nutzungen wird nichts erwähnt. Das Landwirtschaftsgericht hat für den hier umstrittenen Fall der Kiesausbeutung die Gewinnausgleichspflicht dennoch bejaht, da die Kiesausbeutung die Realisierung eines Teiles des Verkehrswertes des
BGE 113 Ia 437 S. 442
Grundstücks und damit, wirtschaftlich betrachtet, nichts anderes als die Teilveräusserung des Bodens sei. Dieser Auffassung ist schon deshalb nicht zu folgen, weil jede einen Ertrag abwerfende Nutzung eines Grundstücks als Realisierung eines Teils des Verkehrswertes betrachtet werden kann, ohne dass diese deshalb einer Teilveräusserung gleichzustellen wäre; eine steuerrechtliche Betrachtungsweise ist denn auch hier nicht am Platz. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, ob die Gewinnausgleichspflicht mit einer anderen Begründung durch extensive Auslegung von § 95 des Landwirtschaftsgesetzes auf die Fälle gewinnbringender nichtlandwirtschaftlicher Nutzung des Bodens ausgedehnt werden könne. Dies ist jedoch mit Rücksicht auf das Wesen des Gewinnbeteiligungsrechts zu verneinen.
Wie bereits in
BGE 104 Ia 338
f. E. 3 und 4 dargelegt worden ist, ist das Gewinnbeteiligungsrecht bzw. die Gewinnbeteiligungspflicht kein notwendiger Bestandteil des Güterzusammenlegungsverfahrens. Nur wenige Kantone kennen dieses Institut und auch der Zürcher Gesetzgeber hat es - übrigens nur vorübergehend - den Meliorationsgenossenschaften anheimgestellt, ein Gewinnbeteiligungsrecht einzuführen oder darauf zu verzichten. Die Gewinnbeteiligung in der bekannten Form steht sogar mit den Grundsätzen des Landumlegungsverfahrens in gewissem Sinne in Widerspruch, tritt doch der Grundeigentümer seinen Landbesitz an das Gesamtunternehmen ab und steht ihm diesem gegenüber ein Neuzuteilungsanspruch zu, während der auszugleichende Gewinn nicht dem Unternehmen, sondern dem Altbesitzer zu überlassen ist und dadurch mehr oder weniger zufällig eine "bilaterale" Beziehung zwischen zwei Beteiligten entsteht (vgl. ANTOGNINI, Le respect de la garantie de la propriété dans les remaniements parcellaires, ZBl 72/1971 S. 10, KUTTLER, Die Raumordnung als Aufgabe des Rechtsstaates, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, S. 222). Das Gewinnbeteiligungsrecht sollte deshalb nur als Korrektur für nicht voraussehbare oder nicht anders vermeidbare mangelhafte Ergebnisse des Zusammenlegungsverfahrens vorgesehen werden und einzig dort einsetzen, wo der Verpflichtete tatsächlich bereichert aus der Zusammenlegung hervorgegangen ist und der Berechtigte im Vergleich zu diesem schlechter dasteht (ANTOGNINI, a.a.O. S. 10/11, KUTTLER, a.a.O. S. 222/223). Wie ein solches Gewinnbeteiligungsrecht im einzelnen ausgestaltet werden müsste, ist vom Bundesgericht auch hier nicht darzulegen (vgl.
BGE 95 I 375
). Ist aber die Gewinnausgleichspflicht
BGE 113 Ia 437 S. 443
schon als solche mit einer gewissen Problematik verbunden, so ist ihr Bestehen vor allem dann, wenn sie sich - wie im vorliegenden Falle - von ihrer Ausgestaltung her ausserordentlich einschneidend auswirken kann, nur im engen, vom Gesetzgeber ausdrücklich bestimmten Rahmen anzunehmen. Es ist daher nicht zulässig, die im Zürcher Landwirtschaftsgesetz von 1963 nur für den Fall der Veräusserung vorgesehene Gewinnbeteiligung auf die Fälle irgendwelcher gewinnbringender nichtlandwirtschaftlicher Nutzung des Bodens, so auch der Kiesausbeutung, auszudehnen. § 37 lit. e der Statuten der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal entbehrt insofern einer gesetzlichen Grundlage und verstösst damit gegen die Eigentumsgarantie. Daran ändert auch der von den Beschwerdegegnern angerufene steuerrechtliche Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichtes vom 9. Juli 1974 nichts, nach welchem das Gewinnbeteiligungsrecht ein Ausfluss der Eigentumsgarantie sei und, da es sich dergestalt unmittelbar auf die Verfassung abstütze, keiner gesetzlichen Grundlage bedürfe (vgl. ZBl 75/1974 S. 451 ff., 454). Dabei ist offensichtlich übersehen worden, dass der Gewinnausgleich für den Pflichtigen zu einer Eigentumsbeschränkung führt, die ohne gesetzliche Grundlage nicht gestattet ist, und dass öffentlichrechtliche Korporationen ohnehin nur im Rahmen einer gesetzlichen Ermächtigung rechtsetzend tätig werden können. Der angefochtene Entscheid des Landwirtschaftsgerichtes ist somit in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben.
3.
Der Vollständigkeit halber kann beigefügt werden, dass die von der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal eingeführte Gewinnausgleichsregelung auch in weiterer Hinsicht mit der Eigentumsgarantie sowie mit
Art. 4 BV
in Widerspruch steht, da einerseits bei der Berechnung des Gewinns nicht vom eigentlichen Verkehrswert des veräusserten oder verwerteten Bodens ausgegangen und andererseits der Wert des dem Gewinnbeteiligungsberechtigten zugeteilten Landes nicht mitberücksichtigt wird.
Das Bundesgericht hat es bereits in
BGE 95 I 375
ff. E. 6c als verfassungswidrig bezeichnet, den Gewinn anhand der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem "landwirtschaftlichen Verkehrswert" festzusetzen, sofern dieser dem eigentlichen Verkehrswert des Bodens nicht entspricht. Eine solche Berechnung habe zur Folge, dass der Veräusserer dem früheren Eigentümer nicht nur die seit der Neuzuteilung eingetretene Wertsteigerung, die sich als "Gewinn" betrachten lasse, zu vergüten habe, sondern ebenfalls einen Teil des Wertes, den sein früheres wie auch das ihm neu
BGE 113 Ia 437 S. 444
zugeteilte Land schon zur Zeit der Neuzuteilung aufwies. Dies gilt auch für die hier umstrittene Regelung, nach welcher der landwirtschaftliche Verkehrswert in Höhe des zehnfachen Bonitierungswertes dem Verkaufserlös oder dem Mehrwert gegenüberzustellen wäre, ungeachtet dessen, wie hoch der tatsächliche Verkehrswert sei. Bezeichnenderweise hat denn auch das Landwirtschaftsgericht erklärt, dass der ausgleichspflichtige Gewinn verfassungskonform ermittelt und der tatsächliche Verkehrswert des Bodens zur Zeit des Neuantrittes in Rechnung gestellt werden müsse. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes darf aber eine Norm nur dann gegen ihren klaren Wortlaut ausgelegt werden, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass dieser nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Weist dagegen, wie hier, nichts auf eine solche Unstimmigkeit hin, so entzieht sich die Vorschrift der verfassungskonformen Interpretation (
BGE 111 Ia 24
, 297,
BGE 109 Ib 301
f. E. 12c,
BGE 105 Ib 125
E. 3).
Gemäss
BGE 95 I 377
ff. E. 6d ist es ebenfalls nicht haltbar, eine Gewinnausgleichspflicht ohne Rücksicht darauf zu statuieren, ob der Berechtigte nicht auch seinerseits in der Güterzusammenlegung Land erhalten hat, das gewinnbringend verkauft oder verwertet werden kann. Erhält der frühere Eigentümer des verkauften oder verwerteten Landes einen Gewinnanteil, obschon er selbst auch gewinnträchtigen Boden zugeteilt erhielt, so wird er bereichert und der durch die Güterzusammenlegung erreichte Wertausgleich zerstört. Auch in diesem Punkte kann entgegen der Meinung des Landwirtschaftsgerichtes die verfassungswidrige Regelung der Meliorationsgenossenschaft Embrachertal nicht durch Auslegung korrigiert werden. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4f9038bc-6f7b-4295-a042-84c0c77804df | Urteilskopf
120 II 112
24. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Mai 1994 i.S. Beat S. gegen Verena S. (Berufung) | Regeste
Verfahrensordnung beim Untermietverhältnis;
Art. 274 ff. OR
.
Bei der Geltendmachung von Forderungen des Hauptvermieters gegenüber dem Untermieter, die sich aus der Benutzung der Mietsache ergeben und damit einen mietrechtlichen Sachverhalt betreffen, richten sich das Verfahren und die örtliche Zuständigkeit nach
Art. 274 ff. OR
. | Sachverhalt
ab Seite 112
BGE 120 II 112 S. 112
A.-
Aufgrund einer Vereinbarung vom 18. April 1990 vermietete Beat S. ein Einfamilienhaus in Haldenstein an Jakob F. Dieser begründete darüber am 1. März 1991 ein Untermietverhältnis mit Verena S..
Beat S. behauptet, die nunmehr in Chur wohnhafte Verena S. habe das Mietobjekt zwei Monate über die Beendigung des Mietverhältnisses hinaus ohne Entrichtung eines Mietzinses innegehabt und ungereinigt zurückgegeben. Er beansprucht Schadenersatz für entgangene Mietzinse und Instandstellungskosten.
B.-
Nachdem die Sühneverhandlung vor dem Vermittleramt des Kreises Chur erfolglos verlaufen war, machte Beat S. seine Forderung gegen Verena S. mit einer Prozesseingabe vom 20. November 1992 beim Bezirksgericht Plessur geltend. Dieses trat mit Beiurteil vom 18. Mai 1993 auf die Klage mit der Begründung nicht ein, auch im Verhältnis zwischen Hauptvermieter und Untermieterin seien die bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften der
Art. 274a ff. OR
zu beachten. Sachlich zuständig sei daher vorab die Schlichtungsbehörde, örtlich seien es die Instanzen am Ort der Sache. Da die Ortschaft Haldenstein zum Kreis Fünf Dörfer bzw. zum Bezirk Unterlandquart gehöre, sei nicht das Bezirksgericht Plessur zuständig.
BGE 120 II 112 S. 113
Am 19. Oktober 1993 wies der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden eine Beschwerde des Klägers gegen dieses Prozessurteil ab.
C.-
Der Kläger führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gemäss
Art. 68 Abs. 1 lit. e OG
mit dem Antrag, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und die Streitsache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Entscheids stellt das Kantonsgericht den gleichen Antrag, soweit auf die Beschwerde einzutreten sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Art. 274b OR
erfasst Streitigkeiten aus dem Mietverhältnis, ohne diesen Begriff eigenständig zu umschreiben. Zu ermitteln ist daher der Rechtssinn der Norm. Namentlich ist zu prüfen, ob die Bestimmung sich ausschliesslich auf Streitigkeiten aus mietvertraglichen Beziehungen der Parteien bezieht oder darüber hinausreicht; unstreitig ist jedenfalls, dass der Hauptvermieter nicht in unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zum Untermieter steht (statt vieler neuestens HIGI, Zürcher Kommentar, N. 24 ff. zu
Art. 262 OR
).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Gesetzesbestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. An einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende Behörde gebunden, solange dieser den wirklichen Sinn der Norm wiedergibt. Dabei sind die drei Amtssprachen grundsätzlich gleichwertig (
BGE 116 II 525
E. 2a S. 526 f. mit Hinweisen).
Art. 274b Abs. 1 OR
spricht von "Streitigkeiten aus dem Mietverhältnis", von "litiges relatifs aux baux à loyer", von "controversie in materie di locazione". Diese Ausdrücke sind weder vollkommen sinngleich noch eindeutig. Während der französische Gesetzestext eher restriktiv auf vertragliche Ansprüche weist, lassen der deutsche und der italienische auch ein weiteres Verständnis auf einen allgemeinen Mietrechtsbezug zu. Aus dem Gesetzeswortlaut allein lässt sich damit der Rechtssinn der Zuständigkeitsvorschrift nicht abschliessend bestimmen.
b) Das Gesetz muss grundsätzlich aus sich selbst, d.h. nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrundeliegenden Wertungen ausgelegt werden (
BGE 118 II 307
E. 3a S. 309). Bei der Auslegung der einzelnen
BGE 120 II 112 S. 114
Bestimmungen ist weiter deren Bedeutungszusammenhang zu berücksichtigen. Die Interpretation hat auch unter systematischen Gesichtspunkten zu erfolgen. Das Gesetz ist als Einheit und aus dem Zusammenhang zu verstehen, wobei dieser Zusammenhang allenfalls gesetzesübergreifend, mit der ganzen Rechtsordnung zu berücksichtigen ist. Gleichartige Tatbestände erheischen nach Möglichkeit ein gleichartiges rechtliches Verständnis, da dem Gesetzgeber das Streben nach Folgerichtigkeit und nach Vermeidung von Widersprüchen zu unterstellen ist. In diesem Sinne ist als Zielrichtung der Auslegung stets von der Zweckbezogenheit der Norm auszugehen, die sich indessen nicht aus sich selbst begründen lässt, sondern sich wiederum aus dem grammatikalischen, historischen und systematischen Bezug ergibt (
BGE 116 II 525
E. 2b S. 527).
aa) Die Zuständigkeitsordnung des Bundes in mietrechtlichen Streitigkeiten greift in die Verfahrenshoheit der Kantone ein (
Art. 64 Abs. 3 BV
) und derogiert dem allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand von
Art. 59 BV
für persönliche Ansprachen (vgl. POUDRET, Compétence cantonale ou fédérale en matière de for? Réflexions et suggestions au sujet des articles 59 et 64 alinéa 3 de la Constitution, in Droit cantonal et Droit fédéral, Mélanges publiés par la Faculté de droit à l'occasion du 100ème anniversaire de la loi sur l'Université de Lausanne, S. 233 ff., S. 264 f.). Dies könnte zur Beachtung des Grundsatzes rufen, Ausnahmebestimmungen restriktiv auszulegen (
BGE 118 II 79
E. 3 S. 82 und 91 E. 1b S. 92). Indessen liegt die Tragweite dieses Grundsatzes richtig besehen darin, das Verhältnis von Regel und Ausnahme zu wahren (vgl.
BGE 119 Ib 33
E. 3c S. 41 in fine), was nicht daran hindert, Ausnahmebestimmungen nach den herkömmlichen Regeln auszulegen, weshalb sie im Rahmen dieser Regeln auch einer erweiterten Interpretation zugänglich sind (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, 1976, Nr. 20 B III/b). Zudem ist die Prüfung der Verfassungsmässigkeit der bundesrechtlichen Prozessvorschriften als solche der Kognitionsbefugnis des Richters von vornherein entzogen (
Art. 113 Abs. 3 BV
;
BGE 118 II 307
E. 3b/dd S. 312).
bb) Der Gerichtsstand der gelegenen Sache in Mietstreitigkeiten soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Beweiserhebung (z.B. bei der Beurteilung von Mängeln) und die Feststellung des in Mietsachen verbreitet zu beachtenden Ortsgebrauchs erleichtern (Botschaft des Bundesrats vom 27. März 1985, BBl 1985 I 1389 ff., S. 1468). Das Obligatorium des Schlichtungsverfahrens sodann steht im Dienste des raschen, einfachen und
BGE 120 II 112 S. 115
billigen Verfahrens (
BGE 118 II 307
ff.). Der Regelungsgedanke beider Bestimmungen findet seine rechtspolitische Rechtfertigung offensichtlich nicht im Umstand unmittelbarer vertraglicher Beziehungen der Prozessparteien, was zwar die Regel bildet, sondern in der Sachnähe des Richters und in der sozialrechtlichen Besonderheit mietrechtlicher Streitigkeiten, namentlich aus dem Bereich der Wohnungs- und der Geschäftsmiete. Von dieser Zweckbestimmung her rechtfertigt sich von vornherein, auch Streitigkeiten aus einem Untermietverhältnis in das allgemeine mietrechtliche Verfahren miteinzubeziehen, selbst wenn daran die nicht unmittelbar verbundenen Parteien beteiligt sind. Vom Zweckgedanken der Ordnung her erscheint jedenfalls das Auslegungsergebnis der Vorinstanz durchaus sachgerecht.
cc) Die Untermiete ist durch zwei hintereinandergeschaltete Mietverträge über dieselbe Sache gekennzeichnet. Der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse lässt dabei zwar die rechtliche Selbständigkeit der beiden Vertragsverhältnisse unschwer erkennen, hilft aber nicht darüber hinweg, dass sie desungeachtet untereinander verbunden sind (LACHAT, La sous-location, in SJ 114/1992 S. 469 ff., S. 471), namentlich die Hauptmiete die Rechtsmacht des Untervermieters beschränkt (HIGI, N. 18 zu
Art. 262 OR
), und der daraus folgende wirtschaftliche Verbund der beiden oder mehreren Verträge auch rechtliche Lösungen erheischt, welche den nicht mehr nur zwei Personen betreffenden Interessenkonflikten gerecht zu werden vermögen (CREZELIUS, Untermiete und Mieterschutz, in JZ 39/1984 S. 70 ff., S. 75). Zu Recht wird daher darauf hingewiesen, dass zwischen Hauptvermieter und Untermieter ein rechtliches Sonderverhältnis, wenn auch kein unmittelbares Vertragsverhältnis, besteht (MOSER, Die Erstreckung des Mietverhältnisses nach Artikel 267a - 267f des Obligationenrechts, Diss. Freiburg 1975, S. 140). Dabei ist ebenfalls zu beachten, dass der Vermieter nicht mehr frei ist, Untermiete zu gestatten oder nicht (
Art. 262 Abs. 2 OR
); er mithin von Gesetzes wegen verpflichtet ist, in bestimmt geartete Beziehungen zu einem Drittbenützer zu treten.
Aus dieser Sonderbeziehung ergeben sich Folgerungen, welche ihrerseits nahelegen, die daraus resultierenden Streitigkeiten einheitlich der Verfahrensordnung des Mietrechts zu unterstellen:
aaa) Ist der Vermieter im Entscheid über die Zustimmung zu einer Untermiete nicht frei, rechtfertigt es sich nicht, an diese Zwangserlaubnis zusätzlich eine verfahrensrechtliche Schlechterstellung zu knüpfen. Die Vorteile des Sachgerichtsstands sowie des einfachen, raschen und billigen
BGE 120 II 112 S. 116
Verfahrens sollen dem Hauptvermieter vielmehr auch diesfalls zustehen.
bbb) Das Gesetz selbst regelt einzelne Ansprüche aus dieser Sonderbeziehung. So kann der Hauptvermieter den Untermieter neben oder an Stelle des Hauptmieters unmittelbar zur Einhaltung des Hauptvertrags anhalten (
Art. 262 Abs. 3 OR
; HIGI, N. 27 zu
Art. 262 OR
), hat er bei der Miete von Geschäftsräumen ein Retentionsrecht auch an den vom Untermieter eingebrachten Sachen (
Art. 268 Abs. 2 OR
; HIGI, N. 27 zu
Art. 262 OR
), und hat er sich bei gegebenen Voraussetzungen nach
Art. 273b Abs. 2 OR
einen Vertragseintritt des Untermieters in den Hauptvertrag und ein Erstreckungsbegehren des Untermieters entgegenhalten zu lassen (MENGE, Kündigung und Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten, Diss. Basel 1993, S. 179 ff.; zu dieser altrechtlich umstrittenen Frage: MOSER, a.a.O. einerseits und SCHMID, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 267d aOR anderseits; zum Gesamten LACHAT, a.a.O., S. 482 f.; GUINAND/WESSNER, SJK 360 Ziff. III/C). Streitigkeiten um solche bundesrechtlich ausdrücklich geregelten Ansprüche unterstehen aber klarerweise den Verfahrensvorschriften der
Art. 274 ff. OR
.
ccc) Wird der Untermietvertrag in dem Sinne ausgestaltet, dass der Untermieter seinen Mietzins an Stelle desjenigen des Hauptmieters direkt dem Hauptvermieter zu entrichten hat, entsteht diesem unter den Voraussetzungen von
Art. 112 Abs. 2 OR
eine selbständige Forderung gegenüber dem Untermieter (CERUTTI, Der Untervertrag, Diss. Freiburg 1990, S. 28 Rz. 113/4). Daraus ergibt sich eine vertragliche Beziehung zwischen dem Erst- und dem Drittkontrahenten, welche auch eine Vertragshaftung begründet (CERUTTI, a.a.O., S. 137 ff.). Es sind keine Gründe ersichtlich, diese Vertragsansprüche von den Verfahrensvorschriften der
Art. 274 ff. OR
auszunehmen.
Aus dem - in der Schweiz allerdings umstrittenen - Institut des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte wird in einem Teil der Lehre darüber hinaus gefordert, auch im unechten Vertrag zugunsten Dritter dem Erstkontrahenten einen vertraglichen Anspruch gegen den Drittkontrahenten zuzugestehen (CERUTTI, a.a.O., S. 139 f. Rz. 563 ff.). Folgt man dieser Auffassung, greift zwangsläufig auch hier die mietrechtliche Verfahrensordnung.
ddd) Weiter wird in einem Teil der Lehre die Auffassung vertreten,
Art. 262 Abs. 3 OR
gebe dem Hauptvermieter auch einen vertraglichen Anspruch, einen unerlaubten Mieter aus der Mietsache zu weisen (CERUTTI, a.a.O., S. 118
BGE 120 II 112 S. 117
Rz. 474; a.A. HIGI, N. 27 zu
Art. 262 OR
und SCHMID, N. 20 zu Art. 264 aOR, welche ein Ausweisungsbegehren allein gestützt auf sachenrechtliche Positionen zulassen). Diese Auffassung ist zum mindesten vertretbar und würde ebenfalls die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Verfahrensvorschriften begründen.
c) Ist die bundesrechtliche Zuständigkeitsordnung des Mietrechts aber für einzelne Ansprüche des Hauptvermieters gegenüber dem Untermieter ohnehin gegeben, erscheint es sachgerecht, sie allgemein zu verstehen und ihr solche Streitigkeiten, welche mit der Benützung der Mietsache in Zusammenhang stehen, einheitlich zu unterstellen. Dies folgt vorab daraus, dass das Gesetz die Verfahrensordnung nicht aus dem Vertragsverhältnis, sondern aus dem mietrechtlichen Tatbestand als solchem begründet, welcher Tatbestand entsprechend weit zu fassen ist. Mithin tritt für die Zuständigkeitsfrage in den Hintergrund, ob der geltend gemachte Anspruch materiell als vertraglicher, quasivertraglicher oder ausservertraglicher zu qualifizieren ist; eine differenzierte Anwendung eines an der materiellen Beziehung orientierten Verfahrensrechts nach Massgabe des Entstehungsgrunds der Obligation würde der traditionellen Ausrichtung des schweizerischen Rechts auf klare und überschaubare Verhältnisse widersprechen. Zudem ist zu vermeiden, die Zuständigkeit gleichsam vom Beweisergebnis in der Sache abhängig zu machen. Dies wäre bei einer Beschränkung der
Art. 274 ff. OR
auf Vertragsansprüche beispielsweise nicht zu vermeiden, wenn streitig ist, ob ein Untermietverhältnis im Sinne von
Art. 262 OR
begründet wurde oder eine Vertragsübernahme (etwa im Anwendungsbereich von
Art. 263 OR
) erfolgte. Solche Differenzierung schürte die Gefahr unnützen prozessualen Leerlaufs und widerspräche damit auch dem Auslegungsgrundsatz der Praktikabilität des Rechts (
BGE 100 IV 252
E. 1e S. 255; vgl. auch
BGE 114 II 131
E. 1c S. 138). Die Vorinstanz hat mithin im angefochtenen Zuständigkeitsentscheid kein Bundesrecht verletzt, was zur Abweisung der Berufung führt. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f9896e3-38e0-494e-8452-360199603a31 | Urteilskopf
94 IV 17
5. Urteil des Kassationshofes vom 11. März 1968 i.S. Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen A. | Regeste
Art. 91 und 92 StGB
.
Verhältnis dieser Bestimmungen zu
Art. 95 StGB
.
Der Richter darf nicht wegen Schwierigkeiten, die sich dem Vollzug entgegenstellen, von der Anordnung der gesetzlich vorgeschriebenen Massnahme absehen und an ihrer Stelle eine Strafe ausfällen. | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 94 IV 17 S. 17
A.-
Der am 27. Juli 1949 geborene A., der in ungünstigen Familienverhältnissen aufgewachsen ist, wurde 1966 bei der Scheidung seiner Eltern der erwerbstätigen Mutter zugeteilt,
BGE 94 IV 17 S. 18
die ihn jedoch gewähren liess. Trotz seiner Intelligenz musste er verschiedene Lehrstellen und Arbeitsplätze wegen ungenügender Leistung aufgeben. Er wich der Arbeit immer mehr aus, verfiel dem Alkohol und wurde arrogant. Nachdem er im Jahre 1966 die von ihm geschwängerte Freundin zu sich in die Wohnung genommen hatte, entstanden zwischen ihnen immer häufiger schwere und lärmige Auseinandersetzungen, so dass die Anwohner wiederholt die Polizei zu Hilfe riefen. Anlässlich eines solchen Vorfalles kam es zwischen A. und der Polizei zu einem Handgemenge, weshalb er am 22. Februar 1967 vom Jugendanwalt des Kantons Basel-Stadt wegen Gewalt gegen Beamte zu einer bedingt vollziehbaren Einschliessungsstrafe von 14 Tagen verurteilt und unter Schutzaufsicht gestellt wurde mit der Weisung, sich übermässigen Alkoholgenusses zu enthalten. A. liess sich aber nicht beeindrucken, ging keiner regelmässigen Arbeit nach, trank weiter und machte Schulden.
Als A. am späten Abend des 1. Juli 1967 in angetrunkenem Zustande seine Freundin schlug und bedrohte, ereignete sich zwischen ihm und der herbeigerufenen Polizei wiederum eine Rauferei, so dass er, weil er sich weigerte, auf den Polizeiposten zu folgen, aus dem Hause getragen werden musste. Der Psychiater, der sich schon früher mit A. wegen seines unbeherrschten Benehmens befasst hatte, stellte am 20. November 1967 bei ihm eine zunehmende Verwahrlosung fest.
B.-
Die Jugendstrafkammer des Kantons Basel-Stadt erklärte A. am 20. Dezember 1967 der Gewalt und Drohung gegen Beamte gemäss
Art. 285 StGB
schuldig und ordnete gestützt auf
Art. 91 StGB
seine Unterbringung in einem Erziehungsheim an.
A. erhob gegen diese Massnahme Beschwerde. Der Appellationsgerichtsausschuss des Kantons Basel-Stadt hob am 25. Januar 1968 die Einweisung in eine Erziehungsanstalt auf und wies die Sache zur Ausfällung einer Strafe nach
Art. 95 StGB
an die Jugendstrafkammer zurück.
C.-
Die Jugendanwaltschaft von Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, über A. eine Massnahme im Sinne von
Art. 91 Ziff. 1 StGB
(Einweisung in eine Erziehungsanstalt) anzuordnen.
D.-
A. beantragt Abweisung der Beschwerde.
BGE 94 IV 17 S. 19
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach Auffassung der Jugendstrafkammer ist A. im Sinne von
Art. 91 Ziff. 1 StGB
in hohem Grade gefährdet und bedarf dringend der Nacherziehung, die nur in einer Erziehungsanstalt Aussicht auf Erfolg habe.
Das Appellationsgericht stellt die Gefährdung von A. nicht in Abrede, noch legt es dar, dass eine andere Massnahme als die Einweisung in eine Erziehungsanstalt in Betracht zu ziehen sei. Es begründet seinen Entscheid, mit dem es statt diese Massnahme die Bestrafung des Jugendlichen nach
Art. 95 StGB
verfügt, lediglich damit, dass zurzeit kein Platz in einer geeigneten Erziehungsanstalt offen stehe und deshalb die erstinstanzlich angeordnete Erziehungsmassnahme nicht durchführbar sei. Diese Begründung hält vor dem Gesetz nicht stand.
Art. 95 StGB
hat im Verhältnis zu den
Art. 91 und 92 StGB
subsidiäre Bedeutung und erlaubt nach seinem ausdrücklichen Wortlaut die Bestrafung Jugendlicher erst, wenn von den Massnahmen, die in den beiden andern Bestimmungen vorgesehen werden, keine in Frage kommt. Sind daher, wie im vorliegenden Falle unbestritten ist, die Voraussetzungen zur Einweisung des Jugendlichen in eine Erziehungsanstalt im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 erfüllt, so muss diese Massnahme angeordnet werden, und es darf nicht an deren Stelle eine Strafe ausgesprochen werden. Das gilt auch, wenn die zutreffende Massnahme aus irgendwelchen Gründen, namentlich bei einem ungenügenden Angebot passender Anstaltsplätze, nicht sofort vollzogen werden kann. Solche und ähnliche Vollzugsschwierigkeiten sind kein Grund, von der gesetzlich vorgeschriebenen Massnahme abzusehen und sie entweder durch eine andere, die im Gesetz nicht vorgesehen wird, oder durch die Bestrafung des Jugendlichen zu ersetzen. Es ist vielmehr Sache der Vollzugsbehörde, die sich dem Vollzug entgegenstellenden Hindernisse durch geeignete Hilfsmassnahmen solange zu überbrücken, bis die vom Richter angeordnete Massnahme vollstreckt werden kann (
BGE 91 IV 177
ff.).
2.
Der angefochtene Entscheid, der gegen das Gesetz verstösst, ist demzufolge aufzuheben. Das Appellationsgericht hat, nachdem im kantonalen Beschwerdeverfahren der von der Jugendstrafkammer festgestellte Sachverhalt nicht widerlegt
BGE 94 IV 17 S. 20
und eine andere als die von ihr vorgesehene Massnahme nicht in Erwägung gezogen worden ist, die Einweisung in eine Erziehungsanstalt zu bestätigen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichtsausschusses des Kantons Basel-Stadt vom 25. Januar 1968 aufgehoben und die Sache zur Anordnung der Einweisung des A. in eine Erziehungsanstalt an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4f995402-3984-4a10-b0c0-2429c29ba05b | Urteilskopf
104 II 75
14. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 2 février 1978 dans la cause G. contre D. | Regeste
Landwirt, der seinen Sohn zum Alleinerben und seine Töchter zu Vermächtnisnehmerinnen einsetzt.
Ausstellung einer Erbbescheinigung, aus der entgegen dem Testament hervorgeht, der Erblasser habe alle seine Kinder zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt; Vereinbarungen unter den Kindern, gemäss welchen der Hof dem Sohn zugewiesen und den Töchtern ein Gewinnanteilsrecht eingeräumt wird; Vormerkung des Gewinnanteilsrechts der Töchter im Grundbuch.
1. Der Grundbucheintrag, der auf einer unrichtigen Erbbescheinigung beruht, kann nach
Art. 975 ZGB
berichtigt werden, ohne dass vorher die Erbbescheinigung nichtig erklärt werden müsste (E. II 2).
2.
Art. 619 ff.,
Art. 959 Abs. 2 ZGB
. Wenn der pflichtteilsgeschützte Erbe, der seinen Pflichtteil dem Werte nach in Form eines Vermächtnisses erhalten hat, erst mit dem Herabsetzungsurteil wirklicher Erbe würde (Frage offen gelassen), könnte er dennoch die Vormerkung des Gewinnanteilsrechts verlangen, das ihm durch Urteil oder durch Vereinbarung mit dem Eigentümer eingeräumt worden ist (E. II 3b, aa und bb). | Sachverhalt
ab Seite 77
BGE 104 II 75 S. 77
A.-
a) Louis L., agriculteur à Chevilly, près de La Sarraz, est décédé le 20 juin 1967, laissant comme héritiers légaux sa veuve (décédée le 13 octobre 1969) et ses trois enfants: Charles L., Madeleine G. et Caroline D.
Par testament public, reçu par le notaire X. le 14 août 1957, Louis L. avait légué à sa veuve l'usufruit de tous ses biens et institué son fils Charles unique héritier, à charge pour lui de payer à chacune de ses soeurs la somme de 25'000 fr., représentant, avec les trousseaux reçus lors de leur mariage, leurs parts successorales. Le notaire X. était désigné comme exécuteur testamentaire.
b) Les 9/10 novembre 1967, les trois enfants L. signèrent un acte dans lequel ils déclaraient accepter la succession et requérir la délivrance d'un certificat d'héritier. Le 29 novembre 1967, le juge de paix du cercle de La Sarraz, assisté du notaire X. exerçant les fonctions de greffier, établit un certificat d'héritier indiquant, contrairement au testament, que Louis L. avait laissé comme héritiers institués ses trois enfants, dans la proportion d'un tiers chacun. Ce certificat précise que la succession comprend des immeubles "dont l'inscription au registre foncier au chapitre des héritiers est requise". Le 1er décembre 1967, les immeubles furent inscrits au registre foncier au nom des trois enfants, en leur qualité de cohéritiers.
Charles L. avait demandé la délivrance du certificat d'héritier conjointement avec ses soeurs; il ne s'est pas opposé à ce que celles-ci fussent indiquées comme héritières. Il n'a pas attaqué le certificat d'héritier par la voie du recours non contentieux, qui lui était ouverte. Il n'a pas introduit d'action successorale, ni d'action en modification ou en radiation des inscriptions au registre foncier.
c) En mai 1968, les héritiers de Louis L. passèrent trois actes:
aa) Par un acte des 6/8 mai intitulé "Règlement et partage" et notarié X., la veuve et les trois enfants, après rappel du testament et du certificat d'héritier "en faveur des héritiers réservataires", convinrent, en substance, que Charles L. reprenait la totalité des actifs et passifs successoraux, qu'en compensation il souscrivait en faveur de chacune de ses soeurs une reconnaissance de dette de 25'000 fr. et qu'il payait à sa mère 10'000 fr. Les parties se donnaient "réciproquement quittance totale et définitive de toutes les prétentions qu'elles étaient en droit de
BGE 104 II 75 S. 78
faire valoir quant à la succession de Louis L." et "renonçaient expressément à tout recours entre elles de ce chef".
bb) Par un second acte, du 8 mai, également notarié X. et intitulé "Cession en lieu de partage" (soit "transfert immobilier"), Madeleine G. et Caroline D. firent "cession en lieu de partage" à Charles L. de leur part, soit les deux tiers des immeubles de la succession, qui furent inscrits au registre foncier au chapitre exclusif du cessionnaire. Cette cession était consentie moyennant souscription par Charles L., en faveur de chacune de ses soeurs, d'une reconnaissance de dette de 25'000 fr. L'acte fut transcrit au registre foncier le 16 mai 1968.
cc) Le 8 mai également, les parties à l'acte précité passèrent, devant le notaire X., une convention intitulée "Part au gain".
Cette convention rappelle que Charles L. est devenu propriétaire exclusif du domaine paternel sur la base d'une estimation de 184'500 fr. "En conséquence", stipule-t-elle, "parties requièrent l'inscription du droit des cohéritiers de participer au bénéfice en cas de revente dans un délai de vingt-cinq ans dès ce jour". Cette convention fut présentée au registre foncier et annotée le 16 mai 1968.
Le 26 mars 1970, les soeurs furent mises au bénéfice d'une garantie hypothécaire pour leurs créances respectives, de 25'000 fr. chacune.
d) Le 18 août 1973, elles cédèrent encore à leur frère, selon acte notarié, une petite vigne à Féchy, qui provenait de la succession paternelle. Bien qu'aucune convention de part au gain n'eût été passée au sujet de cette vigne, Caroline D. fit annoter au registre foncier d'Aubonne, le 18 décembre 1974, un droit au gain concernant la parcelle.
e) Charles L., qui, dès le 16 mai 1968, avait contracté d'importants emprunts hypothécaires, ne tarda pas à tomber en déconfiture. A la requête d'une banque, créancière hypothécaire, la quasi-totalité de ses immeubles fut vendue aux enchères par l'office des poursuites de Cossonay le 2 août 1973. Les immeubles furent adjugés aux deux beaux-frères de Charles L., Georges D. et Edmond G., pour le prix de 527'000 fr. Après paiement des créanciers, dont chacune des soeurs pour sa créance de 25'000 fr. garantie par hypothèque, il restait un solde disponible de 252'403 fr. D'entente avec les soeurs et les acquéreurs, soit leurs maris, l'office des poursuites consigna ce montant à la Banque cantonale vaudoise, "à disposition
BGE 104 II 75 S. 79
pour la répartition de la part au gain". Les deux beaux-frères revendirent une partie des immeubles acquis et se partagèrent le solde.
f) En août 1973, un acte portant sur la répartition entre Charles L. et ses soeurs du produit des enchères du 2 août fut préparé par un notaire d'Yverdon. Se référant aux
art. 619 ss CC
, cet acte établissait le gain à répartir entre les héritiers à 267'300 fr., soit 89'100 fr. pour chacun des enfants de Louis L. Charles L., auquel l'acte fut présenté, refusa de le signer, déclarant avoir été trompé et volé par ses soeurs et le notaire X.
g) Le 30 août 1974, Charles L. tua d'un coup de mousqueton son neveu Maurice G., fils unique des époux G., puis se suicida. Maurice G. laissait une veuve, Monique G., et deux fils, Manuel, né le 10 août 1972, et Jean-Pascal, né le 26 juillet 1974.
h) Charles L. avait pour héritières légales ses deux soeurs, qui demandèrent le bénéfice d'inventaire, puis la liquidation officielle. La succession étant insolvable, le président du Tribunal du district de Cossonay en ordonna la liquidation selon les règles de la faillite.
Les deux soeurs intervinrent, revendiquant leur part au gain. Dame D. précisa qu'elle réclamait, à concurrence de 90'000 fr., plus intérêts, les espèces consignées, à titre de part aux gains réalisés lors de la vente du 2 août 1973, et, en outre, sa part au gain sur le produit de la réalisation des immeubles demeurés propriété de Charles L., encore à vendre. L'office des faillites de Cossonay porta ces prétentions à l'inventaire du 20 juin 1975. Sur le montant consigné de 252'403 fr., il admettait de ne retenir que 72'403 fr. comme part revenant à la succession de Charles L., le solde de 180'000 fr. étant considéré comme litigieux.
De leur côté, la veuve et les enfants de Maurice G. furent colloqués en cinquième classe pour une créance de 474'587 fr.
L'état de collocation ne fut pas contesté.
i) Le 17 juillet 1975, l'administration de la succession céda à la veuve et aux enfants de Maurice G. les droits de la masse relatifs aux prétentions formulées par les deux soeurs sur la base de leur droit au bénéfice provenant de la vente des immeubles.
Madeleine G. et son mari retirèrent et abandonnèrent en faveur des cessionnaires les prétentions qu'ils faisaient valoir dans la
BGE 104 II 75 S. 80
succession de Charles L. Caroline D., en revanche, maintint la sienne.
j) Les immeubles que Charles L. possédait encore à La Chaux, ainsi que la vigne de Féchy, furent vendus par l'office des faillites, qui consigna 27'292 fr. 30 à titre de part au gain revendiqué par dame D., somme qui s'ajoute aux 90'000 fr. déjà consignés.
k) Le 30 novembre 1975, Monique G. et ses enfants, représentés par un curateur, ont ouvert action contre Caroline D. Ils concluaient en substance à la nullité du certificat d'héritier, des actes du 8 mai 1968, du 18 août 1973 et du 18 décembre 1974, ainsi qu'à la radiation au registre foncier des annotations relatives à la part au gain. Ils demandaient en outre qu'il fût dit que la défenderesse n'a droit à une part au gain ni sur le produit de la réalisation forcée de 1973 ni sur celui de la réalisation dans la faillite.
La défenderesse a conclu à à libération et, reconventionnellement, à la délivrance des sommes consignées par 89'100 fr., plus intérêts, et 25'893 fr., plus intérêts.
B.-
Le 29 août 1977, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a reconnu le droit de la défenderesse à une part aux gains réalisés tant par Charles L. que par la masse successorale, à concurrence de 111'748 fr. 30, en capital, et autorisé l'office des faillites de Cossonay à délivrer cette somme à la défenderesse. En revanche, elle a dénié à la défenderesse la part au gain réalisé ensuite de la vente de la vigne de Féchy et a ordonné la radiation de l'annotation.
Ce jugement est motivé en substance comme il suit:
Certes, le certificat d'héritier était contraire au testament de Louis L., mais Charles L. ne l'a pas attaqué, comme la loi vaudoise de procédure civile lui en donnait le droit. Ses ayants cause ne sauraient donc en demander aujourd'hui l'annulation, laquelle n'entraînerait d'ailleurs pas automatiquement celle des actes postérieurs, qui doivent être interprétés. Les actes des 6/8 mai 1968, qui forment visiblement un tout, constituent une transaction: il s'est agi, pour les descendants de Louis L., de régler - librement (
art. 19 CO
) - la succession de leur père dans une situation juridique douteuse, que le notaire est réputé leur avoir exposée. Le moyen tiré de l'erreur essentielle, au sens de l'
art. 24 ch. 4 CO
, ne peut être accueilli en l'espèce, car il y a lieu de présumer que Charles L. et ses soeurs ont désiré mettre
BGE 104 II 75 S. 81
fin à une incertitude, sans élucider complètement la situation en droit (principe et quotité de la lésion de la réserve des soeurs, nature de leurs droits successoraux). Par ailleurs, la solution qu'ils ont retenue (attribution du domaine au fils à des conditions favorables, droit des soeurs de participer au gain réalisé en cas de revente) est conforme au sentiment général prévalant à la campagne. Les actes litigieux doivent donc être maintenus et la part au gain revendiquée par la défenderesse admise, en tant qu'elle se fonde sur la convention du 8 mai 1968, soit pour les immeubles visés par celle-ci. En revanche, l'immeuble sis à Féchy n'a fait l'objet que de l'acte de partage des 8 mai 1968/18 août 1973, non pas d'une convention. Or, le réservataire exclu de la succession par un testament n'a pas la qualité d'héritier avant le jugement formateur de réduction (PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse IV, p. 354 et 650): la défenderesse (de même que sa soeur) était donc légataire et a gardé cette qualité faute d'avoir ouvert une action successorale. Dans ces conditions, elle ne pouvait avoir droit à une part au gain en vertu des
art. 619 ss CC
: l'annotation de décembre 1974, basée sur une réquisition inexacte, ne saurait fonder un droit opposable aux ayants cause de Charles L. Le montant de la part au gain de la défenderesse doit ainsi être arrêté à 111'748 fr. 30 (savoir 117'292 fr. 30, chiffre total retenu par le préposé de l'office des faillites de Cossonay, sous déduction de la somme de 5'544 fr. consignée ensuite de la vente de la vigne de Féchy).
C.-
Monique, Manuel et Jean-Pascal G. ont recouru en réforme au Tribunal fédéral. Ils reprenaient les conclusions qu'ils avaient formulées en première instance, dans la mesure où elles avaient été rejetées par la cour cantonale. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
I.
Le point central du litige est de savoir si l'intimée, simple légataire selon le testament, qui n'a pas été attaqué, peut être mise au bénéfice de l'annotation au registre foncier d'une quote-part au gain, alors que les art. 619 quinquies et sexies CC n'envisagent une telle annotation qu'au profit des cohéritiers.
BGE 104 II 75 S. 82
En effet, les droits personnels qui peuvent être annotés sont limitativement prévus par la loi (
ATF 89 I 551
et les références). Or, seule l'annotation confère au créancier de la part au gain un droit de préférence dans la faillite du débiteur en vertu de l'
art. 959 al. 2 CC
(cf., en cas de saisie de l'immeuble,
ATF 47 III 139
).
II.
II.1.
Comme en première instance, les recourants fondent l'essentiel de leurs conclusions sur le testament de Louis L., dont ils tentent de rétablir toutes les conséquences juridiques. Ils font valoir que le certificat d'héritier, dont ils demandent que soit constatée la nullité ou qu'il soit annulé, est contraire au testament, donc illicite: basés sur le certificat, les actes passés le 8 mai 1968 entre Charles L. et ses soeurs seraient nuls.
II.2.
Comme l'a jugé la cour cantonale, les conclusions tendantes à ce que le certificat d'héritier soit déclaré nul ou annulé ne peuvent qu'être rejetées. Le certificat d'héritier constitue seulement l'attestation d'une situation de fait; il n'opère pas le transfert d'un droit (
ATF 96 I 716
consid. 3; TUOR-PICENONI, n. 23 ad
art. 559 CC
; PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse lV, p. 642). En cas de succession, l'inscription au registre foncier ne peut être fondée que sur une vocation héréditaire, légale ou testamentaire. Celui qui est inscrit sur la base d'un certificat d'héritier inexact est inscrit indûment, au sens de l'
art. 974 CC
; l'inscription est irrégulière et peut être rectifiée selon l'
art. 975 CC
, sans qu'il soit nécessaire au préalable de déclarer la nullité du certificat d'héritier.
II.3.
Les recourants nient que les actes des 6/8 mai 1968 aient le caractère d'une transaction. Selon eux, il s'agit là d'une interprétation "purement spéculative", qui "n'a aucune base dans les faits retenus par le jugement".
a) Instituant le fils héritier unique, le testament de Louis L. entamait la réserve des filles en les privant de leur droit de participer au gain en cas de vente des immeubles de leur frère, selon l'
art. 619 CC
. En effet, la loi ne confère ce droit de participation qu'aux héritiers: le réservataire qui a reçu le montant de sa réserve sous la forme d'un legs n'a pas l'action en réduction en vertu de l'
art. 522 al. 1 CC
. Or, l'application de l'
art. 619 CC
ne peut être exclue par une disposition pour cause de mort que
BGE 104 II 75 S. 83
dans la mesure où la différence entre la valeur vénale et la valeur de rendement n'excède pas la quotité disponible (
ATF 94 II 253
/254 et les auteurs cités).
Au regard de cette situation juridique, que le notaire est censé avoir exposée aux parties (et que, selon toute vraisemblance, celles-ci n'ignoraient pas), les actes en cause ont manifestement le caractère d'une transaction. Certes, les parties ne disent pas expressément quelles étaient leurs prétentions, ni qu'elles entendent mettre fin à un litige. Toutefois, il apparaît nettement qu'elles ont voulu concilier le respect des dernières volontés du testateur et la sauvegarde des droits des deux filles: elles s'en sont tenues pour l'essentiel aux dispositions du testament, mais, par l'annotation d'une part au gain, ont protégé les filles contre l'atteinte à leur réserve en cas de revente des immeubles.
C'est là l'explication naturelle de ces trois actes, qui forment un tout: l'acte de "règlement et partage" est l'acte essentiel et contient une clause qui caractérise une transaction ("Moyennant fidèle exécution du présent règlement et partage, parties se donnent réciproquement quittance totale et définitive de toutes les prétentions qu'elles étaient en droit de faire valoir quant à la succession de Louis L. et renoncent expressément à tout recours entre elles de ce chef"); les deux autres actes, transfert immobilier et annotation du droit à une part au gain, sont des actes d'exécution.
b) Les recourants contestent la licéité de ces actes: l'intimée, disent-ils, qui a la qualité de légataire, ne saurait prétendre à une part au gain, que la loi ne reconnaît qu'au cohéritier.
aa) La doctrine dominante (ESCHER, 3e éd., n. 3, 5 et 6 ad
art. 522 CC
; TUOR, 2e éd., n. 19 ad
art. 522 CC
, ainsi que les auteurs cités par Piotet, RDS 1972 I p. 26 n. 1) et la jurisprudence (
ATF 70 II 147
,
ATF 56 II 17
) enseignent que, même complètement exclu de la succession par une disposition pour cause de mort, le réservataire acquiert néanmoins de plein droit la qualité d'héritier dès l'ouverture de la succession, avec notamment le droit de participer au partage. Cette vocation héréditaire ne s'éteint que faute d'une action en réduction intentée dans le délai légal de péremption, à moins que les intéressés ne s'entendent sur un partage de la succession autre que celui correspondant à la disposition pour cause de mort litigieuse (
ATF 86 II 344
consid. 5). Un jugement prononçant la réduction
BGE 104 II 75 S. 84
n'est donc pas nécessaire. Une convention entre les parties suffit. Si cette convention est conclue avant l'expiration du délai de péremption de l'action (ou après, dans la mesure où l'héritier institué a renoncé à se prévaloir de la péremption), les réservataires exclus de la succession ont conservé la qualité d'héritiers. Ils sont cohéritiers au sens de l'
art. 619 CC
. Il en découle qu'en l'espèce les parties pouvaient librement régler à leur guise la dévolution de la succession: les actes des 6/8 mai 1968 constituent l'exercice régulier d'un droit que la loi leur reconnaît. Notamment, elles pouvaient convenir d'une participation des filles au gain, en vertu de l'
art. 619 CC
. Dans cette optique, l'acte dit de "part au gain" est inattaquable, si bien que l'annotation du droit est régulière et doit être maintenue.
Peut demeurer indécise la question de la licéité des deux actes attribuant à Charles L. la propriété des immeubles. Nul ne conteste que les immeubles ne soient devenus la propriété de Charles L. Peu importe aujourd'hui qu'il les ait acquis en qualité de seul héritier institué ou par une attribution dans le partage. Le droit à une part au gain dépend en effet de la seule qualité de cohéritier: il appartient donc également aux cohéritiers lorsque l'immeuble, objet d'une donation antérieure au décès, n'a jamais fait partie de la succession (
ATF 94 II 250
ss consid. 10). Le problème du transfert de la propriété des immeubles est ainsi indiffèrent à la solution du litige.
bb) Mais, comme le relèvent les recourants, les premiers juges se sont ralliés à l'opinion de Piotet (La protection du réservataire en droit successoral suisse, RDS 1972 I, p. 25 ss; Droit successoral, P. 354 et 650), selon lequel le réservataire exclu de la succession n'a pas la qualité d'héritier avant le jugement sur l'action en réduction: sa vocation héréditaire n'est que virtuelle. Cette thèse est fondée sur le fait que la doctrine dominante et la jurisprudence qualifient de jugement formateur le jugement de réduction, qui modifie, avec effet rétroactif, la situation juridique, en annulant les dispositions portant atteinte à la réserve (
ATF 86 II 344
consid. 5; cf.
ATF 98 Ib 97
consid. 3, selon lequel l'effet de l'action en réduction est de "reintegrare la quota legittima". Pour la doctrine, voir les auteurs cités par Piotet, RDS 1972 I, p. 26 n. 2).
Dans ces conditions, si le réservataire a reçu le montant de sa réserve sous forme de legs, les
art. 619 ss CC
ne lui donnent aucun droit de participer au gain réalisé dans le délai légal: il
BGE 104 II 75 S. 85
n'est pas héritier effectif (cf. PIOTET, Droit successoral, p. 903). Les palliatifs qu'on peut envisager ne sont guère satisfaisants: une convention de participation au gain ne pourra pas être annotée, puisque les bénéficiaires ne sont pas des cohéritiers; une hypothèque garantissant cette dette éventuelle sera difficilement acceptée par le propriétaire, qu'elle peut gêner, et, le fût-elle, sa validité serait douteuse, vu l'existence de la sûreté spécifique que constitue l'annotation (cf. ESCHER, 3e éd., n. 2 ad
art. 619 CC
). Il ne resterait donc plus au réservataire ainsi lésé qu'à ouvrir action en réduction pour faire prononcer l'annulation d'une attribution qui, inconditionnelle et exclusive de toute participation au gain, entame sa réserve. Après quoi, dans le partage, l'attributaire pourra obtenir les immeubles moyennant l'annotation d'une part au gain en faveur de celui qui, par le jugement de réduction, aura recouvré sa qualité de cohéritier et, partant, la vocation pour obtenir l'annotation de son droit. Mais cette voie est longue et coûteuse. Etant donné que, selon l'
art. 522 CC
, le réservataire qui a reçu le montant de sa réserve par avancement d'hoirie ou par legs n'a pas l'action en réduction, il conviendrait de combler ce qui paraît être une lacune de la loi et d'étendre, ou tout au moins d'assouplir, l'exigence des art. 619/619 quinquies CC: bien que seulement héritier virtuel, le réservataire exclu de la succession pourrait (le cas d'exhérédation étant réservé) requérir l'annotation du droit à une part au gain qui lui est reconnu par jugement ou par une convention passée avec le propriétaire.
cc) Mais la question n'a pas à être tranchée en l'espèce. En effet, par les actes des 6/8 mai 1968, Charles L. a précisément reconnu à ses soeurs la qualité d'héritiers réservataires, dont le testament les avait privées; dames D. et G. étant ainsi cohéritières, les exigences des art. 619/619 quinquies CC étaient réalisées: l'annotation en cause est valide également dans l'hypothèse où, à l'instar de la cour cantonale, on adopterait le point de vue de Piotet. | public_law | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4f9da383-c471-46fb-b40e-7a81c52a0315 | Urteilskopf
96 II 400
52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1970 i.S. Helena Rubinstein SA Paris und Helena Rubinstein SA Spreitenbach gegen Denner Vereinigte Filialunternehmen AG Zürich und Denner Supermarkt AG Zürich. | Regeste
Markenrecht.
Verwechslungsgefahr (
Art. 6 und 24 lit. a MSchG
). Sie entsteht schon dann, wenn nur ein Merkmal der hinterlegten Marke verwendet wird und dieses charakteristisch und für den Gesamteindruck bestimmend ist (Erw. 2).
Keine genügende Unterscheidbarkeit der Marken "MEN'S CLUB" und "EDEN CLUB" (Erw. 3 und 4).
Art. 6 Abs. 1 und 9 Abs. 1 MSchG. Der Beklagte kann im Prozess die Einrede der Nichtigkeit der vom Kläger verwendeten Marke auch dann erheben, wenn sich diese von einer gebrauchsälteren,aber nicht eingetragenen Drittmarke nicht genügend unterscheidet (Erw. 5).
Kumulative Anwendbarkeit des Marken- und Wettbewerbsrechts (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 401
BGE 96 II 400 S. 401
A.-
Die Helena Rubinstein SA Paris, eine Aktiengesellschaft des französischen Rechts und zu dem für Parfümerien und Kosmetika bekannten Konzern Helena Rubinstein gehörend, ist Inhaberin der internationalen Wort-Bildmarken Nr. 275 029, hinterlegt am 12. Oktober 1963 mit französischer Priorität vom 26. August 1963, und Nr. 321 225, hinterlegt am 21. September 1966 mit französischer Priorität vom 14. Juni 1966. Die Helena Rubinstein SA Spreitenbach stellt die Erzeugnisse des Rubinstein-Konzerns für die Schweiz her und verkauft sie an den Grosshandel.
Die Marke 275 029 zeigt eine rechteckige Umrandung, enthaltend untereinander gestellt in Druckschrift die zusammengezogenen Buchstaben "HR" und die Worte "MEN'S CLUB" sowie in Kursivschrift die Worte "Helena Rubinstein". Die Marke 321 225 gibt eine Flasche in für Kosmetika üblicher
BGE 96 II 400 S. 402
Form wieder, mit eingeprägtem Männerkopf und der gestuften, verschieden gross gehaltenen Aufschrift "MEN'S CLUB - Eau de Cologne - HELENA RUBINSTEIN MEN'S DIVISION".
Den Markenbestandteil "MEN'S CLUB" verwenden die erwähnten Gesellschaften für verschiedene Männer-Kosmetika, so für einen "Deodorant Stick". Dieser wird angeboten in einer runden Hülle von 10,4 cm Höhe und 4 cm Durchmesser. Sie ist mit einer 3 cm hohen, seitlich gerippten silberfarbenen Verschlusskappe versehen. Die restliche Fläche trägt auf schwarzem Grund in gräulich-weisser Farbe ein 4 cm hohes Feld kleiner Tupfen, darüber in 6 mm hohen Kapitalbuchstaben die Worte "MEN'S CLUB", darunter in unterschiedlich kleiner Schrift die Texte "Anti-Perspirant Deodorant Stick" auf der Vorderseite, "HELENA RUBINSTEIN MEN'S DIVISION" auf der Rückseite. Kartonverpackungen für "MEN'S CLUB"-Produkte sind aussen in schwarz/weiss ähnlich aufgemacht und innen in einem hellen Rot gehalten.
B.-
Am 16. Januar 1967 hinterlegte die Badener Finanz- und Handels AG, jetzt Holding SA Zug, beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die Wortmarke "EDEN CLUB" mit Nr. 222 797 und am 12. April 1967 die Wortmarke "EDEN CLUB SUPER STAR". Sie lässt im Sinne einer Markenlizenz die beiden Warenzeichen durch die Import- und Grosshandels AG in Zürich nutzen, die ihrerseits die beiden Beklagten beherrscht und verwaltet.
Auch die Beklagten vertreiben in ihren Geschäften einen "Deodorant Stick". Seine Hülle ist mit 9,4 cm Höhe und 3,2 cm Durchmesser etwas kleiner als jene des Erzeugnisses der Klägerinnen. Sie weist am obern Ende eine 2,6 cm hohe, seitlich gerippte schwarze Verschlusskappe auf, am untern Ende einen in Farbe und Form gleichen, 1,6 cm hohen drehbaren Teil, und dazwischen eine 5,2 cm hohe Etikette. Diese ist von weinroter Grundfarbe, mit zwei schmalen goldenen Randstreifen verziert und bedruckt von oben nach unten mit den Worten "Deodorant stick for men" in feiner weisser Schrift, dem Wort "Eden" in 2 bzw. 1,5 cm hoher Goldschrift und dem Wort "Club" in etwa halb so hohen weissen Buchstaben.
C.-
Am 10. September 1969 klagte die Helena Rubinstein SA Paris gegen die Holding SA Zug vor dem Kantonsgericht Zug auf Nichtigerklärung der Marken "EDEN CLUB" und "EDEN CLUB SUPER STAR".
BGE 96 II 400 S. 403
Am 24. September 1969 reichten die Helena Rubinstein SA Paris und die Helena Rubinstein SA Spreitenbach gegen die Denner Vereinigte Filialunternehmen AG Zürich und die Denner Supermarkt AG Zürich beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein mit den Begehren:
"1. Es sei den Beklagten - unter der Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer Organe gemäss
Art. 292 StGB
im Widerhandlungsfalle - gerichtlich zu verbieten, die Bezeichnung EDEN CLUB in irgendeiner Form zur Kennzeichnung von Kosmetika und ähnlichen Waren zu verwenden.
2. Es sei den Beklagten gerichtlich zu befehlen, sämtliche Etiketten, Prospekte und anderes Verpackungs- oder Werbematerial mit der Bezeichnung EDEN CLUB zu vernichten."
Das Handelsgericht wies die Klage am 6. März 1970 ab.
D.-
Die Klägerinnen beantragen mit der Berufung, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales).
2.
Die Wortmarken Nr. 222 797 "EDEN CLUB" und Nr. 225 215 "EDEN CLUB SUPER STAR" der Beklagten sind zum Teil für die gleichen Erzeugnisse bestimmt wie die älteren international hinterlegten Wort-Bildmarken Nr. 275 029 und 321 225 der Klägerinnen, nämlich für Parfümerien und Toilettenartikel. Deshalb sind jene nur dann schutzfähig, wenn sie sich von diesen durch wesentliche Merkmale unterscheiden (
Art. 6 Abs. 1 MSchG
; Art. 1 des Madrider Abkommens über die internationale Registrierung von Fabrik- und Handelsmarken in der revidierten Fassung vom 15. Juni 1957, AS 1964 S. 1164).
Den Schutz des Gesetzes geniesst die Marke so, wie sie eingetragen ist. Indessen kann die Gefahr der Verwechslung mit der hinterlegten Marke schon entstehen, wenn nur eines ihrer Merkmale verwendet wird und dieses charakteristisch und für den Gesamteindruck bestimmend ist (
BGE 93 II 55
/56). Hievon geht zutreffend auch die Vorinstanz aus. Ihr ist für den vorliegenden Fall darin beizupflichten, dass die Wortbestandteile
BGE 96 II 400 S. 404
"MEN'S CLUB" und "EDEN CLUB" für die streitigen Marken charakteristisch und daher miteinander zu vergleichen sind, während der Zusatz "SUPER STAR" in der Marke der Beklagten als werbemässige Qualitätsbezeichnung der hinweisenden Kraft entbehrt, folglich unbeachtlich ist (vgl.
BGE 95 II 467
Erw. 2,
BGE 96 I 250
Erw. 2).
Dabei muss auf das Erinnerungsvermögen des Durchschnittskäufers Rücksicht genommen werden, und überhaupt auf die gesamten Umstände, unter denen sich der Handel mit Waren der in Rede stehenden Gattung abzuspielen pflegt. Hier fällt namentlich in Betracht, dass die Marken der Parteien für gleichartige Erzeugnisse Verwendung finden, dass diese Erzeugnisse aber nicht nebeneinander im gleichen Geschäft verkauft werden und dass es sich um Kosmetika handelt, um Waren des täglichen Gebrauchs also, die für ein breites Publikum bestimmt sind, von dem für die Prüfung der Markenunterschiede keine besondere Aufmerksamkeit erwartet werden darf. An die Unterscheidbarkeit der Marken sind daher hohe Anforderungen zu stellen (
BGE 95 II 194
, 358, 465,
BGE 93 II 265
, 427 und dortige Verweisungen).
3.
Das Handelsgericht vergleicht, durchgehend mit negativem Schluss, die Zeichen "MEN'S CLUB" und "EDEN CLUB" nach Sinngehalt, Klang und Wortbild. In keinem Punkte kann ihm gefolgt werden.
a) Beiden Marken ist das zweite Wort CLUB gemeinsam. Dadurch, dass anstelle des ersten Wortes MEN'S in der Marke der Klägerinnen, das Wort EDEN in der Marke der Beklagten steht, erfährt der Sinngehalt des Ganzen keine Änderung, welche die Verwechslungsgefahr ausschliessen würde. CLUB ist die aus dem Englischen übernommene, im Deutschen und Französischen gängige und allgemein verständliche Bezeichnung für Vereinigungen vorwiegend sportlicher oder gesellschaftlicher Natur. Der Zusatz MEN'S bringt eine Beteiligungsbeschränkung auf Männer, während EDEN in dieser Hinsicht neutral bleibt, dem CLUB einfach einen Namen gibt, der vorerst die Möglichkeit allgemeiner Zugänglichkeit, also auch für Männer, offen lässt. Doch keine der beiden Wortverbindungen stellt eine Beziehung zu irgendeiner Sache her. Sie mögen vielerlei Vorstellungen im weiten Bereich des Vereinswesens und allbekannter Vereinszwecke hervorrufen. Zu Kosmetika, und überhaupt zu einem bestimmten Gebrauchs- oder Konsumgegenstand,
BGE 96 II 400 S. 405
schafft oder vermittelt "MEN'S CLUB" so wenig wie "EDEN CLUB" eine Beziehung, die anders als mit Hilfe abliegender phantasievoller Überlegungen fassbar wäre.
b) Auch klanglich erscheint die Verwechslungsgefahr nicht als hinreichend ausgeschlossen. Wiederum bewirkt zunächst die Identität des zweiten Wortes CLUB eine einprägsame Übereinstimmung. Die vom Handelsgericht für die Wertung des Wortes EDEN herangezogene englische Aussprache hat Bedeutung insofern, als von da her der tonlose Abfall des Vokals E in der zweiten Silbe stammt. Im übrigen kann sie ausser acht gelassen werden. Im Deutschen, zumindest für das schweizerische Sprachgebiet, ist EDEN kein Fremdwort. Deutsch gesprochen liegt der Akzent auf dem hohen langen Anfangsvokal E, während der gleiche zweite Vokal, wie erwähnt, zwischen den Konsonanten D und N tonlos bleibt. È ist also in ED(E)N wie in MEN'S der einzige, den Wortklang bestimmende Vokal. Für beide Marken ergibt sich die nämliche Vokalfolge E-U. Zwar fehlen in ED(E)N die Anfangs- und Endkonsonanten M und S aus MEN'S, in MEN'S der Zwischenkonsonant D aus ED(E)N. Die infolgedessen teilweise klangliche Verschiedenheit ist aber nicht derart unüberhörbar und haftend, dass ihretwegen der Gesamtklang der Marken sich deutlich unterscheiden liesse.
c) Von den Wortbildern sagt das Handelsgericht, sie seien "ungefähr gleich" und wiesen "in der gegebenen Schreibart keine ausgeprägt kennzeichnenden Ober- und Unterlängen auf". Dem kann nur beigestimmt werden.
Dass die eine Marke mit grossen, die andere mit kleinen und grossen Buchstaben geschrieben sei, ist zwar richtig für den derzeitigen Gebrauch (vgl. Erw. 1c), aber nicht geeignet, Eindruck und Erinnerung entscheidend zu beeinflussen (
BGE 93 II 266
). Hinzu kommt, dass die Marke "EDEN CLUB" in grossen Buchstaben hinterlegt ist und jederzeit so verwendet werden könnte. Ebensowenig ist innerhalb der gegebenen Wortverbindung das Fehlen des Apostroph aus "MEN'S" ein hinreichendes Unterscheidungsmerkmal.
Für den Vergleich zwischen dem goldenen Prägedruck, in dem das Wort "Eden" auf den vorgelegten Warenmustern angebracht ist, und der einfachen weissen Druckschrift, in der die Worte "MEN'S CLUB" gehalten sind, gilt dasselbe wie für die Schreibart.
BGE 96 II 400 S. 406
Die Vorinstanz selber scheint denn auch auf derlei Besonderheiten nicht massgeblich abzustellen, sondern erachtet "die übrigen Unterscheidungsmerkmale" als stark genug, um eine Verwechslungsgefahr bei der Kundschaft auszuschliessen; was indessen, wie dargetan, nicht zutrifft.
4.
Nichts ändert an der Verwechslungsgefahr der vom Handelsgericht hervorgehobene Umstand, dass in den Marken der Klägerinnen "neben 'MEN'S CLUB' die Firmenmarke Helena Rubinstein tragendes Element ist". So hat das Bundesgericht bereits für eine aus Bild und Firmennamen gebildete Marke befunden (
BGE 93 II 428
f. Erw. 3). Grundsätzlich verhält es sich für eine allein oder vorwiegend aus Wortbestandteil und Firma bestehende Marke nicht anders. Übrigens, wenn hier zwar der als Hausmarke verwendete Firmenname "Helena Rubinstein" zusammen mit "MEN'S CLUB" hinterlegt wurde, ist es doch nicht so, dass er auf sämtlichen Erzeugnissen der Klägerinnen "deutlich wahrnehmbar" steht, wie die Vorinstanz unterstellt. Auf der Hülle des "Deodorant Stick" beispielsweise ist er auf der Rückseite angebracht, und gleich scheint es, nach dem Katalog zu vermuten, bei der Tube der "Shaving Cream" zu sein. Jedenfalls aber erscheint der Wortbestandteil "MEN'S CLUB" neben dem Firmennamen nicht als blosse Nebensächlichkeit, sondern er ist und bleibt, auch nach vorinstanzlicher Annahme, in den Marken der Klägerinnen ein charakteristisches, für den Gesamteindruck bestimmendes Element. Anderseits erwächst der Marke der Beklagten aus dem Fehlen des Firmennamens kein unterscheidungskräftiges wesentliches Merkmal, wie es
Art. 6 Abs. 1 MSchG
verlangt. Sogar die gegenteilige Frage, ob die Einfügung der eigenen Firma in die Zweitmarke durch den Nachahmer die Verwechselbarkeit mit der Erstmarke aufhebe, wurde vom Bundesgericht sowohl marken- wie wettbewerbsrechtlich negativ entschieden (
BGE 93 II 269
f., 430).
Des weiteren kann nicht entgegengehalten werden, dass "Club" ein sehr häufig gebrauchter Ausdruck des täglichen Lebens sei. Als Warenzeichen für Kosmetika ist das Wort "Club" kein solcher Ausdruck. Auch die Verbindung von "Club" mit "Men's" vermittelt, als Kennzeichnen, wie gezeigt wurde, noch keinen "eindeutig vorstellbaren Begriff", noch hat sie an sich einen sei es nur losen Zusammenhang mit Herren-Kosmetika. Worauf es ankommt ist nicht, ob ein Käufer
BGE 96 II 400 S. 407
solcher Artikel, der die Marke der Klägerinnen "MEN'S CLUB" und deren Bestimmung kennt, an ihre Mittel beim Vernehmen allein des Wortes "Club" denkt, sondern ob bei ihm eine derartige Gedankenübertragung sich einstellen kann, wenn er der Marke "EDEN CLUB" oder "Eden Club" als Kennzeichen für Herren-Kosmetika begegnet. Diese Verwechslungsgefahr ist gemäss den angestellten Erwägungen nicht auszuschliessen. Und selbst wenn "MEN'S CLUB" ein schwaches Zeichen sein sollte, würde es deswegen den Schutzanspruch nicht verlieren, noch wären an die Unterscheidungskraft einer jüngeren Marke geringere Anforderungen zu stellen (
BGE 93 II 267
).
5.
Die Beklagten machen geltend, die Marke "MEN'S CLUB" der Klägerinnen sei nicht schutzwürdig, weil teils identisch und teils synonym mit dem von der Firma Dr. Cattani in Zürich seit dem Jahre 1961 für Kosmetika benützten Zeichen "CLUB ADAM". Hiezu brauchte das Handelsgericht nicht Stellung zu nehmen, da es die Verletzung der Marke der Klägerinnen durch die Marke der Beklagten verneinte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes geniesst eine gegen
Art. 6 MSchG
verstossende Marke keinen Schutz und kann sich jeder daran Interessierte auf ihre Nichtigkeit berufen (
BGE 91 II 5
ff.).
Art. 6 MSchG
verlangt für die zur Hinterlegung gelangende Marke die deutliche Unterscheidbarkeit von bereits eingetragenen Marken. Hinterlegung und Eintragung wirken aber nicht konstitutiv, sondern sie sind nur gemäss
Art. 4 MSchG
die Voraussetzungen für den Anspruch auf gerichtlichen Schutz der Marke und schaffen gemäss
Art. 5 MSchG
bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung zugunsten des Hinterlegers, dass er der wahre Berechtigte sei, während das Recht an der Marke schon durch den der Hinterlegung vorangehenden befugten markenmässigen Gebrauch des Zeichens erworben wird (
BGE 93 II 49
/50 und dortige Verweisungen; vgl. DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Markenschutzgesetz, 2. Auflage, S. 108 N. 2 zu Art. 4, S. 116 f. N. 5 - 8 und S. 120 f. N. 16 - 19 zu Art. 5). Die Gebrauchspriorität geht also der Priorität der Eintragung vor. Davon ausgehend wurde entschieden, dass auf nicht eingetragene Marken
Art. 9 MSchG
analog anwendbar ist (
BGE 93 II 50
). Desgleichen müssen bei Verwechselbarkeit einer eingetragenen mit einer gebrauchsälteren nicht eingetragenen Marke für diese die vom Bundesgericht zu
Art. 6 MSchG
entwickelten Grundsätze analog
BGE 96 II 400 S. 408
gelten, muss insbesondere von jedem Interessierten, wie das bessere Recht des früheren Hinterlegers gegenüber einem späteren Hinterleger, das bessere Recht des ersten Benützers gegenüber dem ersten Hinterleger angerufen werden können.
Massgebend ist somit nicht die spätere Eintragung der Marke "CLUB ADAM", auf welche die Klägerinnen verweisen, und wäre ebenso wenig eine Verwirkung des Klagerechts der Firma Cattani, die sie annehmen (
BGE 91 II 9
). Erheblich und vorab zu klären ist vielmehr, ob und seit wann, für welche Waren und wie ein Zeichen "CLUB ADAM" markenmässig verwendet wurde, und danach ob unabhängig von den Hinterlegungsterminen gegenüber den Marken der Klägerinnen eine Gebrauchspriorität besteht. Dabei handelt es sich um Tatfragen. Die Sache ist daher an das Handelsgericht zurückzuweisen, damit es die fehlenden Feststellungen treffe und prüfe, welche Folgerungen daraus in Hinsicht auf die Einrede der Beklagten zu ziehen sind.
6.
Das Ergebnis dieser ergänzenden Beurteilung vorbehalten, sind die Klagebegehren nach Markenrecht und - im Weitergehenden - gemäss
Art. 1 Abs. 2 lit. d und
Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG
begründet (
BGE 93 II 269
, 432,
BGE 87 II 39
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 6. März 1970 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fa49dcc-d007-43ab-93cd-60d2ff754604 | Urteilskopf
92 I 264
46. Urteil vom 26. Oktober 1966 i.S. Pilatus-Bahn Gesellschaft gegen Kantone Obwalden, Nidwalden und Luzern. | Regeste
Besteuerung eines Bahnunternehmens, dessen Anlagen sich auf dem Gebiet mehrerer Kantone befinden und welches in Verbindung mit den Bahnen auch Gaststätten betreibt.
Ausscheidung der Ertragssteuer: anwendbare Methode (Erw. 2a), Vorausanteil (Erw. 2b), Berücksichtigung der Hotelbetriebe (Erw. 2c).
Ausscheidung der Kapitalsteuer: Verteilung der mobilen Konti (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 265
BGE 92 I 264 S. 265
A.-
Die Pilatus-Bahn-Gesellschaft (PBG) betreibt
a) die 1885 konzessionierte Zahnradbahn von Alpnachstad auf den Pilatus,
b) die 1956 eröffnete Luftseilbahn von der Fräkmüntegg auf den Pilatus,
c) die Hotels Bellevue und Pilatus-Kulm auf dem Pilatus,
d) das Berghaus Fräkmüntegg;
durch eine Tochtergesellschaft lässt sie
e) die Krienseregg-Bahn (KEB) betreiben.
Statutarischer Sitz der PBG ist Alpnach. Die Betriebsdirektion der Bahnen befindet sich in Alpnachstad. Die Zentralleitung des Unternehmens ist seit 1956 in gemieteten Räumen in Luzern untergebracht.
Die Zahnradbahn, die beiden Hotels auf Pilatus-Kulm, der grössere Teil der Bergstation der Luftseilbahn (mit den maschinellen Anlagen), die Betriebsdirektion sämtlicher Bahnen sowie der statutarische Sitz der PBG befinden sich auf dem Gebiet des Kantons Obwalden. Auf demjenigen des Kantons Nidwalden liegt die gesamte Strecke der Luftseilbahn, deren Tal- und der kleinere Teil der Bergstation. Die Zentralleitung, das Berghaus Fräkmüntegg und die Gegenstand einer Beteiligung der PBG bildende Kriensereggbahn befinden sich auf luzernischem Gebiet.
B.-
Schon im Jahre 1959 hatte alt Bundesrichter Dr. Steiner, Schwyz, der Steuerverwaltung von Obwalden ein Gutachten über die interkantonale Steuerausscheidung bei der PBG erstattet, dessen Schlussfolgerungen jedoch von den übrigen Beteiligten nicht anerkannt wurden. Die Steuerverwaltungen der drei interessierten Kantone Obwalden, Nidwalden und Luzern holten deshalb bei Prof. E. Höhn, Zürich, ein weiteres Gutachten ein. Dieses enthält die folgenden Lösungen für die Steuerausscheidung:
Kapitalsteuern Ertragssteuern Obwalden 70,6% 56%
Luzern 18,4% 23%
BGE 92 I 264 S. 266
Nidwalden 11 % 21%
In ihrem Einspracheentscheid vom 29. April 1966 schloss sich die Staatssteuerkommission für die juristischen Personen des Kantons Luzern den Vorschlägen des Gutachtens Höhn an.
Demgegenüber bestätigte die kantonale Steuerrekurs-Kommission von Obwalden mit Entscheid vom 2. Dezember 1965 die ursprüngliche, im wesentlichen auf Grund des Gutachtens Steiner vorgenommene Veranlagung, die dem Kanton Obwalden im Falle der PBG 77,62% der Kapitalsteuer und 77,17% der Ertragssteuer zuspricht.
Der Kanton Nidwalden hatte in seiner Veranlagung vom 24. Januar 1964 einen Anteil von 16,14% an der Kapitalsteuer und einen solchen von 20,58% an der Ertragssteuer beansprucht. Die von der PBG hiegegen eingereichte Einsprache ist noch nicht beurteilt worden.
C.-
Gegen die Einschätzungen der Kantone Obwalden, Nidwalden und Luzern führt die PBG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbotes (
Art. 46 Abs. 2 BV
). Die Beschwerdeführerin schliesst sich vorbehaltslos dem Gutachten Höhn an und stellt auch in diesem Sinne Antrag für die Steuerausscheidung.
D.-
Der Kanton Obwalden beantragt im wesentlichen Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des Entscheides der kantonalen Steuerrekurskommission. Es wird geltend gemacht, einmal seien, wie das Gutachten Steiner es vorsehe, die mobilen Konti proportional zu den lokalisierten Aktiven zu verteilen (das Gutachten Höhn erachtet demgegenüber die hälftige Teilung zwischen dem Kanton des statutarischen Sitzes und demjenigen der kaufmännischen Leitung als angemessen). Sodann könne für die Ertragssteuerausscheidung die von Prof. Höhn angewandte Frequenz-Methode im vorliegenden Falle nicht befriedigen. Sie müsse durch viele Korrekturen eingeschränkt werden und finde schliesslich nur noch auf 64% des Ertrages Anwendung. Vielmehr sei mit a. Bundesrichter Steiner nach Fabrikationsfaktoren aufzuteilen. Diese Methode werde vom Bundesgericht nicht auf Fabrikationsbetriebe beschränkt; sie sei einfach, klar und stabil. Für den Fall, dass trotzdem die Frequenz-Methode angewandt werde, müsse der Vorausanteil Luzerns, den Höhn mit 20% annehme, auf 10% herabgesetzt werden; Obwalden seien ebenfalls 10% zuzuweisen.
E.-
Der Kanton Nidwalden beantragt
- auf den von der Beschwerdeführerin unterbreiteten Teilungsvorschlag nicht einzutreten;
BGE 92 I 264 S. 267
- die Steuerveranlagungen der Kantone Obwalden und Luzern aufzuheben, soweit sie die Ansprüche des Kantons Nidwalden kürzen;
- für die Steuerteilung möglichst detaillierte Berechnungsmethoden als verbindlich festzulegen und davon abzusehen, Pauschalquoten zu bestimmen, die auch für die Zukunft zu gelten hätten;
- folgende Abänderungen für den Fall, dass die im Gutachten Höhn vorgeschlagenen Methoden akzeptiert werden:
a) beim Kapitalverteiler die mobilen Konti nach dem Verhältnis der lokalisierten Aktiven oder eventuell nach freiem Ermessen auf alle beteiligten Kantone zu verteilen, statt je zur Hälfte nur auf Obwalden und Luzern;
b) beim Einkommensverteiler den Anteil der Hotels von 20% auf 5% (vom verbleibenden Rest nach Abzug des 20%-Präcipuums) herabzusetzen.
F.-
Der Kanton Luzern schliesst sich dem Antrag der Beschwerdeführerin an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Werden die Anteile zusammengezählt, welche die drei Kantone Obwalden, Nidwalden und Luzern im Falle der Beschwerdeführerin beanspruchen, so ergibt dies für die Ertragssteuer 120,75% und für die Kapitalsteuer 112,16%. Es liegt somit ein Fall von interkantonaler Doppelbesteuerung vor.
Entgegen der Auffassung des Kantons Nidwalden ist die Beschwerdeführerin berechtigt, dem Bundesgericht einen Teilungsvorschlag zu unterbreiten. Auf die Beschwerde und ihre Anträge ist daher einzutreten.
2.
Bezüglich der Ertragssteuerausscheidung ist die anzuwendende Methode streitig. Während die Beschwerdeführerin und der Kanton Luzern dafür halten, es sei gemäss dem Gutachten Höhn im wesentlichen auf die Frequenzen abzustellen, möchte der Kanton Obwalden, gestützt auf das Gutachten Steiner, die Ertragssteuer nach den Erwerbsfaktoren (Kapital und Arbeit) verlegen.
a) Es ist davon auszugehen, dass bei Bahnen die Frequenzmethode heute als anerkannter Grundsatz gilt (
BGE 40 I 76
/7,
BGE 41 I 437
,
BGE 46 I 31
/2; LOCHER, Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht, § 8, II C, 2b). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes bei Bahnunternehmen, denen Beherbergungsbetriebe angeschlossen sind, liesse sich nur rechtfertigen,
BGE 92 I 264 S. 268
wenn die Aufteilung nach einer andern Methode wesentlich einfacher wäre oder wesentlich bessere Annäherungswerte für die Lokalisierung der Gewinne brächte. Dies ist nicht der Fall.
Was die sog. direkte Methode (Ausscheidung nach dem Gewinn) betrifft, so wurde sie zu Recht in keinem Gutachten und von keiner Partei vorgeschlagen. Sie ist im vorliegenden Fall schon deshalb ungeeignet, weil die einzelnen Betriebszweige der Beschwerdeführerin unter sich in ihrer Art verschieden sind und zum Teil auf dem Gebiet zweier Kantone liegen (im Gegensatz etwa zu Banken mit je gleichartigen, in sich geschlossenen Betriebsstätten in zwei oder mehreren Kantonen). Wie im Gutachten Höhn zutreffend ausgeführt wird, steht der Anwendung der direkten Methode sodann der erhebliche Einfluss der Abschreibungen auf die Betriebsergebnisse (mit der Möglichkeit von Ertragsverschiebungen) entgegen.
Aber auch die Aufteilung nach Produktionsfaktoren vermag im vorliegenden Fall die Frequenzmethode nicht zu ersetzen. Einmal wäre es oft nicht leicht, bei Bahnunternehmen, deren einzelne Teile zu ganz verschiedenen Zeiten erstellt wurden, vergleichbare Anlagewerte zu finden (demgegenüber sind die Frequenzzahlen in der Regel bekannt, weil über die Bahnbillette abzurechnen ist). Zu Recht weist der Gutachter Prof. Höhn ferner u.a. darauf hin, dass die Erwerbsfaktoren Kapital und Arbeit den Beitrag der Zahnrad- und der Luftseilbahn zum Gesamtertrag der Beschwerdeführerin nicht richtig wiedergeben, weil die Zahnradbahn mit einem grossen Einsatz an Produktionsmitteln weniger Ertrag abwirft als die Luftseilbahn, deren Kapital und Zahl der Arbeitskräfte geringer sind. Wie das Gutachten ebenfalls ausführt, bilden zudem die Produktionsfaktoren eines Beherbergungsbetriebes und einer Bahn keine vergleichbaren Anhaltspunkte für die Rendite.
Der eingangs erwähnte Grundsatz der Aufteilung nach Frequenzen ist, wie bei allen andern Transportunternehmungen, somit auch im Falle der Beschwerdeführerin anzuwenden. Dabei ist allerdings - worauf im Gutachten Höhn mit Recht hingewiesen wird - zu berücksichtigen, dass sich die Zentralleitung der Beschwerdeführerin in Luzern befindet und die Beherbergungsbetriebe, auch wenn sie in der Betriebsrechnung als defizitär erscheinen, zum Gesamtergebnis beitragen.
b) Dem Kanton Luzern als Sitz der zentralen Leitung muss vorweg ein Teil des Gesamtertrages zugewiesen werden. Ein
BGE 92 I 264 S. 269
solcher Vorausanteil (Präcipuum) ist grundsätzlich dazu bestimmt, dort einen Ausgleich zu schaffen, wo besondere Verhältnisse bei der ordentlichen Ausscheidung nicht genügend zur Geltung kommen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. März 1955 i.S. Wasserversorgung Horgen, Thalwil, Rüschlikon und Kilchberg, Erw. III 2; LOCHER, a.a.O. § 8, II C, 6 Nr. 27). Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu. Weil die Frequenzen und nicht die Produktionsfaktoren massgebend sind, erhielte der Kanton der zentralen Verwaltung ohne Vorausanteil nichts (ausser dem auf das Berghaus Fräkmüntegg entfallenden Ertragsanteil). Es anerkennen deshalb auch alle Parteien, dass Luzern ein Präcipuum zukommen sollte. Dagegen ist dessen Höhe streitig. Im Gutachten Höhn wird der Vorausanteil Luzerns auf 20% festgesetzt, während Obwalden dem Kanton der Zentralleitung und sich selber je 10% zuweisen möchte. Die Auffassung Obwaldens verdient in diesem Punkte den Vorzug. Wie Prof. Höhn selber ausführt, befindet sich in Alpnachstad "die bei einem Bahnunternehmen nicht unwichtige Betriebsdirektion, welche für beide Bahnen und sogar noch für die Bahn der Tochtergesellschaft zuständig ist". Ein wesentlicher Teil der Gesellschaftstätigkeit wickelt sich also im Kanton des statutarischen Sitzes ab, was bei einem blossen Abstellen auf die Frequenz nicht berücksichtigt wird. Der Vorausanteil von 20% ist daher hälftig zwischen Luzern und Obwalden zu teilen. Diese Lösung rechtfertigt sich umso mehr, als die am Sitz der zentralen Verwaltung ausbezahlten Löhne nicht einmal 10% der gesamten Lohnsumme betragen.
c) Wie bei allen indirekten Methoden, wird auch bei derjenigen der Ausscheidung nach Frequenzen auf die Ertragslage der einzelnen Unternehmensteile nicht abgestellt. Daher sind, trotz ihrer defizitären Betriebsergebnisse, die Hotelbetriebe im vorliegenden Fall für die Ertragssteueraufteilung mit zu berücksichtigen. Der Vorschlag Prof. Höhns, für sie 20% des nach Abzug des Vorausanteils verbleibenden Restes auszuscheiden, beruht freilich auf einem Ermessensentscheid, trifft aber doch wohl ungefähr das Richtige. Die Ansicht Nidwaldens dagegen, es sei der Hotelanteil von 20 auf 5% herabzusetzen, trägt der Bedeutung der Gaststätten für die Bahnbetriebe bei unsicherem Wetter zu wenig Rechnung. Bestünden nämlich auf dem Pilatus keine Hotels, so wäre vor allem bei ungünstigen Witterungsverhältnissen die Frequenz wesentlich schlechter.
BGE 92 I 264 S. 270
d) Sowohl der Vorausanteil von 20% (d.h. je 10% für Obwalden und Luzern) als auch der 20-prozentige Abzug vom Rest für die Beherbergungsbetriebe stellen Pauschalquoten dar. Diese gestatten - entgegen der Auffassung des Kantons Nidwalden - eine verhältnismässig einfache Aufteilung. Die genannten Quoten bleiben in ihrer jetzigen Höhe bestehen, solange sich die Betriebs- und Verwaltungsverhältnisse bei der Beschwerdeführerin nicht wesentlich ändern. Hingegen sind die Frequenzen der beiden Bahnen für jede Bemessungsperiode neu zu ermitteln.
Somit ergibt sich folgende Aufteilung der Ertragsteuer:
Obwalden 66%
Nidwalden 21%
Luzern 13%
3.
Bei der Ausscheidung der Kapitalsteuer herrscht Uneinigkeit darüber, wie die mobilen Konti zuzuteilen sind. Obwalden und Nidwalden gehen gemäss Gutachten Steiner von den lokalisierten Aktiven aus (Nidwalden schlägt ausserdem auch die Verteilung nach freiem Ermessen auf alle drei Kantone vor). Die Beschwerdeführerin und der Kanton Luzern dagegen weisen mit dem Gutachten Höhn die mobilen Konti je zur Hälfte Obwalden und Luzern zu.
Zwar unterhält die Beschwerdeführerin drei Beherbergungsstätten, doch gibt der Bahnbetrieb der Unternehmung das Gepräge. Durch die Bahnen wird der Pilatus erschlossen; die Bahnen sind die Ursache für die Errichtung der mit ihnen verbundenen Gaststätten. Zudem betragen sowohl die Anlagekosten als auch die Löhne bei den Bahnen im Vergleich zu den Beherbergungsbetrieben rund das Doppelte. Es erscheint deshalb als richtig, die Beschwerdeführerin zu den Verkehrsbetrieben zu zählen.
Bei den Verkehrsbetrieben hat das Bundesgericht in
BGE 41 I 436
die mobilen Konti dem Gesellschafts- und Verwaltungssitz zugesprochen und nicht nach den lokalisierten Aktiven verteilt. Es begründete diese Zuweisungsregel damit, dass die mobilen Konti "mit dem Betrieb nicht direkt, sondern nur durch ihre Verwertung zur Beschaffung der notwendigen Betriebsmaterialien im Zusammenhang stehen" und im übrigen ausschliesslich der zentralisierten Finanz- und Kassaverwaltung unterstellt seien. Die genannte Rechtsprechung wurde in
BGE 46 I 31
/2 und
BGE 62 I 141
bestätigt. Es ist daran auch im vorliegenden Falle festzuhalten.
BGE 92 I 264 S. 271
Weil die kaufmännische Leitung der Beschwerdeführerin einerseits, ihr statutarischer Sitz sowie die Betriebsleitung anderseits sich in zwei verschiedenen Kantonen befinden, sind die mobilen Konti nach dem Gesagten je zur Hälfte diesen beiden Kantonen, Obwalden und Luzern, zuzuteilen. Dies führt zu folgender Kapitalsteuerausscheidung:
Obwalden 70,6%
Nidwalden 11,0%
Luzern 18,4%.
4.
Auf Grund dieser Erwägungen ist die Beschwerde gutzuheissen. Die beteiligten drei Kantone haben die Beschwerdeführerin gemäss den Ausführungen in Ziff. 2 und 3 hievor neu zu veranlagen.
Bezüglich der Ertragssteuer sind die Veranlagungen von Obwalden und Luzern abzuändern, bei der Kapitalsteuer diejenigen von Obwalden und Nidwalden. Jeder der drei Kantone ist also mindestens in einem Punkte unterlegen (Obwalden bei beiden Steuerarten). Werden ausserdem das Ausmass der Abänderungen sowie die Tatsache berücksichtigt, dass die Ertragssteuer quantitativ weit mehr ins Gewicht fällt als die Kapitalsteuer, so erscheint für die Verteilung der Kosten und der Prozessentschädigung der folgende Schlüssel als angemessen:
Obwalden 1/2
Luzern 3/8
Nidwalden 1/8.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die drei beschwerdebeklagten Kantonewerden angewiesen, ihre Steuerveranlagungen im Sinne der Erwägungen abzuändern. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4fa5a588-5f26-4169-86e2-c46737464bc5 | Urteilskopf
117 II 142
30. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 21 mai 1991 dans la cause K. contre dame K.-R. (recours en réforme) | Regeste
In einem handschriftlichen Brief enthaltener letzter Wille.
Auslegungsgrundsätze für die Bestimmung, ob der Autor tatsächlich testieren wollte; Kognitionsbefugnis des Bundesgerichts im Berufungsverfahren (Zusammenfassung der Rechtsprechung und Lehre). | Sachverhalt
ab Seite 142
BGE 117 II 142 S. 142
Pierre K., né en 1892, veuf et père d'un fils, Jean, a rédigé en 1976, à l'intention de sa gouvernante, Mathilde R., une lettre contenant notamment ce qui suit:
"M... le quatre février mil neuf cent septante-six
A Mademoiselle Mathilde R.
M...
Ma chère M.,
Aujourd'hui, le 4 février 1976, j'ai fait mon testament.
BGE 117 II 142 S. 143
Voici, en ce qui vous concerne, mes dernières volontés.
En récompense partielle pour votre travail, votre fidélité et votre grand dévouement pour moi et ma famille depuis 1928, je vous lègue la somme de frs 100.000 (cent mille) en argent liquide ou en obligations pupillaires de même valeur. Ce legs s'entend net de tout impôt et de toute charge.
..........
Pierre K."
Ce document avait été placé dans une enveloppe, remise fermée à Mathilde R., avec, au recto, la mention manuscrite suivante: "à ouvrir après ma mort." Il n'existe pas d'indice que Mathilde R. ait enfreint cet ordre.
Pierre K. est décédé en 1986, Mathilde R. en 1987.
La soeur de cette dernière, Gertrud K.-R., a ouvert action contre Jean K. en paiement de 100'000 francs en capital. Le Tribunal cantonal du canton du Valais a admis l'action.
Jean K. a recouru en réforme au Tribunal fédéral, qui a confirmé le jugement attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) La lettre du 4 février 1976, qui respecte les exigences de l'
art. 505 al. 1 CC
, pouvait servir à exprimer des dernières volontés (
ATF 88 II 70
ss consid. 2 et les arrêts cités; PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, IV p. 216). Encore faut-il que le signataire entende bien y inscrire ses dernières volontés (animus testandi), à savoir disposer de ses biens pour après sa mort (
ATF 88 II 71
), et non pas communiquer simplement l'existence de dispositions opérées dans un autre document (animus narrandi; PIOTET, loc.cit.; TUOR, n. 4 ad
art. 505 CC
). Peu importe en revanche le destinataire, une autorité par exemple (
ATF 56 II 245
ss), ou une banque (
ATF 88 II 67
ss), car le testament n'est pas une déclaration de volonté qui exige réception.
Les dispositions à cause de mort sont des actes éminemment personnels (
ATF 81 II 28
consid. 6,
ATF 68 II 165
/166 consid. 7,
ATF 56 II 354
; PIOTET, op.cit., p. 76/77; TUOR, n. 5 des remarques préliminaires aux
art. 467-469 CC
; ESCHER, n. 4 des remarques préliminaires aux
art. 467-469 CC
; HAUSHEER, Erbrechtliche Probleme des Unternehmens, Berne 1970, p. 55 ss; SCHÄRER, Der Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit der letztwilligen Verfügung, thèse Berne 1973, p. 31 ss). Elles consistent en une manifestation de volonté, visant à l'effet allégué par celui qui
BGE 117 II 142 S. 144
invoque le testament. Si l'interprète n'a pas à rechercher le sens qu'un destinataire ou un intéressé peut lui attribuer (
ATF 109 II 406
consid. 2b, 108 II 282 consid. 4a), ce n'est néanmoins pas la volonté intime du testateur que le juge doit restituer, c'est la volonté déclarée, qui a reçu une expression dans l'acte (DESCHENAUX, La distinction du fait et du droit dans les procédures de recours au Tribunal fédéral, Fribourg 1948, p. 88).
Il suit de là que pour déterminer les intentions d'un testateur, il faut se référer à ce qu'il a écrit, au texte de l'acte. S'il subsiste une obscurité, on peut interpréter les termes dont il s'est servi en tenant compte de l'ensemble du testament, voire d'éléments extrinsèques, mais dans la mesure seulement où ils permettent d'élucider ou de corroborer une indication contenue dans le texte (
ATF 115 II 325
consid. 1a et les arrêts cités). Toutefois, si le juge ne peut s'arrêter à un sens qui ne trouve aucun appui dans le texte du testament, ici également la volonté interne n'est pas synonyme de la volonté déclarée, seule décisive.
Ces principes valent aussi lorsqu'il s'agit de savoir si l'auteur d'un acte a bien voulu tester, par exemple s'il a plaisanté ou non (
ATF 56 II 245
ss) ou n'a élaboré qu'un projet (
ATF 78 II 350
/351 consid. 2 et 4,
ATF 42 II 571
ss). Mais la preuve de l'absence de cette volonté peut être apportée par tous moyens (cf.
ATF 72 II 158
consid. 3 pour la simulation d'un pacte successoral). Seul le contenu des dispositions doit résulter nécessairement de l'acte soumis à l'exigence légale de forme (PICENONI, Die Auslegung im Testament und Erbvertrag, Zurich 1955, p. 48/49, spécialement ch. 4). En l'espèce, les règles spéciales de l'interprétation ne sont donc pertinentes que dans la mesure où le testament lui-même éclaire sur l'animus testandi.
b) Rechercher la volonté du défunt revient à confronter des actes et des attitudes révélateurs de la volonté avec la nature juridique du testament ou d'une clause testamentaire. Si le juge ne reconnaît pas le sens véritable de l'acte de dernière volonté, il viole en définitive la règle qui confère à une personne physique le pouvoir de disposer, dans les formes légales, de ses biens pour le temps qui suivra son décès (DESCHENAUX, op.cit., p. 88). La juridiction fédérale de réforme revoit donc librement l'interprétation que l'autorité cantonale a donnée aux dispositions du testateur, en raisonnant selon l'expérience générale de la vie ou en reconstituant une volonté hypothétique (
ATF 107 II 124
/125, consid. 2c). Elle est seulement liée par les constatations fondées sur
BGE 117 II 142 S. 145
l'appréciation des preuves et relatives à l'existence et à la lettre du testament, ainsi qu'aux circonstances concrètes, extrinsèques, voire internes (telle la volonté intime), et notamment les actes et les attitudes du disposant; il en va de même pour tout moyen de preuve destiné à prouver ou nier la volonté sérieuse de tester (
ATF 105 II 262
consid. 3b et les arrêts cités; DESCHENAUX, op.cit., p. 88-90). Ces règles valent non seulement pour le contenu de la disposition, mais aussi pour les motifs qui l'ont inspirée (
ATF 91 II 99
consid. 3 et les arrêts cités). | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fa6080f-febb-4ace-bd87-3ad904b26f61 | Urteilskopf
80 IV 112
21. Urteil des Kassationshofes vom 8. Juli 1954 i.S. Brunner gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | Regeste
Art. 253 Abs. 1 StGB
.
Erschleicht der, der durch unwahre Angaben eine Jagdbewilligung erwirkt, eine falsche Beurkundung? | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 80 IV 112 S. 113
A.-
Brunner war am 14. November 1949 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Gehülfenschaft zu Abtreibung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gestellt worden. Er erfüllte daher weder nach den Vorschriften seines Wohnsitzkantons Zürich, noch nach denen des Kantons Graubünden die Voraussetzungen für die Erteilung der Jagdberechtigung. Trotzdem bewarb er sich am 8. September 1952 auf dem Pass- und Patentbüro des Kantons Graubünden um eine Bewilligung für die am folgenden Tage beginnende Hochjagd. Da er erklärte, er sei in den vergangenen fünf Jahren zu keiner Gefängnis- oder Zuchthausstrafe verurteilt worden und erfülle in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung, und da er sich verpflichtete, die schriftliche Bestätigung über den Besitz der Jagdberechtigung im Wohnkanton sowie ein Leumundszeugnis bis 15. Oktober beizubringen, stellte ihm das Pass- und Patentbüro am Tage des Ansuchens ein "Hochjagd-Patent für nicht im Kanton niedergelassene Schweizer für das Jahr 1952" aus. Es enthält die Erklärung: "Herrn Brunner Willy, von Bassersdorf, geb. 1922, wohnhaft in Bassersdorf, wird die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteilt." Ausserdem trägt es eine Nummer, Ort und Datum, die Unterschrift Brunners, die Gebühren-Rechnung und die mit dem Aufdruck einer Registrierkasse versehene Gebühren-Quittung über Fr. 253.90. Brunner begab sich mit diesem Patent im Safiental während vierzehn Tagen auf die Jagd.
B.-
Am 22. Oktober 1953 erklärte das Kantonsgericht von Graubünden Brunner der Erschleichung einer falschen Beurkundung im Sinne des
Art. 253 Abs. 1 StGB
und der fortgesetzten vorsätzlichen Zuwiderhandlung gegen Art. 40 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz schuldig, verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von vierzehn Tagen und zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 250.--, schloss ihn für fünf Jahre
BGE 80 IV 112 S. 114
bedingt von der Jagdberechtigung aus und verfügte die Einziehung der verwendeten Jagdwaffe.
Es sah das Verbrechen des
Art. 253 Abs. 1 StGB
in der Erschleichung des Jagdpatentes. Es führte aus, das Patent sei bestimmt und geeignet, die Tatsache der Berechtigung zur Jagd abschliessend zu beweisen. Darin werde festgehalten, dass sein Inhaber alle vom Gesetz geforderten Voraussetzungen erfülle und daher das Recht zur Jagd besitze. Wer bewusst die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen vortäusche, obschon er sie nicht erfülle, bewirke die unrichtige Beurkundung einer rechtserheblichen Tatsache. Der Beamte, der das Patent ausstelle, halte darin nicht nur einzelne für die Jagdberechtigung massgebliche Daten, wie z.B. das Alter, fest, sondern bescheinige darüber hinaus die Jagdberechtigung. Wenn man auch nicht sagen könne, das Jagdpatent habe hinsichtlich dieser einzelnen Daten (Alter, Vorstrafenlosigkeit usw.) Urkundencharakter, so habe es solchen doch ohne Zweifel hinsichtlich der Jagdberechtigung. Wer bei der Ausstellung des Patentes falsche Angaben über Alter und Vorstrafen mache, bewirke eben nicht nur die unrichtige,Beurkundung'dieser Tatsachen an sich, sondern die Beurkundung eines Rechts, das ihm in Wahrheit nicht zukomme.
C.-
Brunner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung an das Kantonsgericht zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Er macht geltend, das Jagdpatent sei nicht eine Urkunde über die Jagdberechtigung, da der Beamte, der es ausstellte, nicht zuständig gewesen sei, zu beurkunden, dass der Inhaber die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung der Jagd erfülle und damit jagdberechtigt sei. Beurkundet sei bloss die Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Patentgebühr bezahlt habe.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
BGE 80 IV 112 S. 115
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 253 Abs. 1 StGB
macht sich strafbar, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt. Diese Bestimmung trifft nicht schon dann zu, wenn jemand einen Beamten durch Täuschung veranlasst, eine Urkunde zu erstellen, die er sonst nicht erstellen dürfte, sondern die Täuschung muss dazu führen, dass der Beamte etwas "unrichtig beurkundet". Beurkunden aber heisst eine Urkunde, d.h. eine zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmte oder geeignete Schrift herstellen (
Art. 110 Ziff. 5 StGB
). Beurkundet sind nur Tatsachen, die die Schrift zu beweisen bestimmt oder geeignet ist (
BGE 72 IV 72
, 139,
BGE 73 IV 50
,
BGE 74 IV 162
,
BGE 78 IV 110
). Das setzt zum mindesten voraus, dass die Tatsache durch den gedanklichen Inhalt der Schrift festgehalten sei, sich aus ihm unmittelbar ergebe. Tatsachen, auf die bloss mittelbar aus beurkundeten Tatsachen geschlossen werden kann, sind selber nicht beurkundet. So ist z.B. die Ehefähigkeit der Gatten im Eheregister nicht beurkundet, obschon die daselbst beurkundete Eheschliessung (vgl. Art. 92, 94 Zivilstandsverordnung) Anzeichen dafür ist, dass deren Voraussetzungen erfüllt, insbesondere die Gatten ehefähig gewesen seien.
2.
Das Kantonsgericht ist der Auffassung, in der als Hochjagd-Patent bezeichneten Karte, die dem Beschwerdeführer am 8. September 1953 ausgestellt wurde, habe das Pass- und Patentbüro beurkundet, dass der Beschwerdeführer die gesetzlichen Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle. Unter den gesetzlichen Voraussetzungen versteht es nicht die formelle (und zutreffende) Tatsache, dass der zuständige Beamte dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Ausübung der Jagd erteilt habe, sondern die materiellen Voraussetzungen, ohne die ein Jagdpatent
BGE 80 IV 112 S. 116
nicht ausgestellt werden darf, insbesondere die (unzutreffende) Tatsache, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei.
Die einzige materielle Voraussetzung der Jagdberechtigung, über die die erwähnte Karte etwas sagt, ist indessen die an ihrem Fusse angebrachte Gebühren-Quittung, die nach ihrem gedanklichen Inhalt wahr ist, da der Beschwerdeführer die Gebühren tatsächlich bezahlt hat. Über die übrigen materiellen Voraussetzungen, insbesondere darüber, dass der Beschwerdeführer in den letzten fünf Jahren vor dem 8. September 1952 weder zu Zuchthaus noch zu Gefängnis verurteilt worden sei und dass er in seinem Wohnkanton die Voraussetzungen der Jagdberechtigung erfülle, sagt die Karte weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne etwas. Sie bildet höchstens ein Indiz dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien. Ihr unmittelbarer gedanklicher Inhalt erschöpft sich darin, dass das Pass- und Patentbüro der in der Karte bezeichneten Person "die Bewilligung zur Ausübung der Jagd gemäss den Vorschriften über den Jagdbetrieb erteile". Das ist eine auf das kantonale Jagdregal gestützte Erlaubnis, nicht eine Feststellung (Bescheinigung), dass die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen sie erteilt wird, erfüllt seien. Es ist nicht etwa so, dass jeder, der die materiellen Voraussetzungen erfüllt, ohne weiteres berechtigt wäre, zu jagen, und die Karte lediglich den Sinn eines Ausweises über diese Voraussetzungen hätte, die der ohne Patent Jagende im Streitfall auch auf andere Weise dartun dürfte. Nach Art. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz ordnen die Kantone die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung und bestimmen das Jagdsystem (Pachtjagd, Patentjagd). Das bündnerische Jagdgesetz vom 25. Juli 1926/25. Juli 1943 sieht die "Erteilung der Jagdbewilligung durch Ausgabe von Patenten" vor (Art. 3). Ohne die Jagdbewilligung darf überhaupt nicht gejagt werden. Diese Bewilligung aber ist dem Beschwerdeführer
BGE 80 IV 112 S. 117
tatsächlich erteilt worden, die Karte also inhaltlich wahr, obwohl sie auf Grund unwahrer Angaben des Beschwerdeführers über gewisse Voraussetzungen ausgestellt worden ist. Der Beschwerdeführer ist daher von der Anklage der Erschleichung einer falschen Beurkundung freizusprechen. Erschlichen hat er die Jagdbewilligung als staatlichen Hoheitsakt, nicht eine inhaltlich unwahre Urkunde über dessen Voraussetzungen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 22. Oktober 1953 insoweit aufgehoben, als es den Beschwerdeführer der Erschleichung einer falschen Beurkundung schuldig erklärt und ihn deswegen bestraft hat, und die Sache wird zur Freisprechung in diesem Punkte an das Kantonsgericht zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4fa62992-3642-4641-ae7c-3e2341c48057 | Urteilskopf
107 Ib 50
12. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. März 1981 i.S. Gemeinde N. gegen M. und Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Waldqualität;
Art. 1 FPolV
.
Bedeutung der Mindestfläche einer Bestockung für die Bejahung der Waldeigenschaft (E. 3c und 4). Es bedeutet eine allzu schematische, bundesrechtswidrige Anwendung einer kantonalen Mindestmassvorschrift, wenn ein ausgedehntes Bachufergehölz nur deshalb nicht als Wald bezeichnet wird, weil es eine bundesrechtlich nicht vorgeschriebene Mindestbreite unwesentlich unterschreitet (E. 4b). Die Anwendung der kantonalen Mindestmassvorschrift ist auch dann bundesrechtswidrig, wenn der fragliche Baumbestand nicht im Zusammenhang mit anschliessenden Bestockungen gesehen wird (E. 4a). Bei der rechtlichen Gesamtbeurteilung nach
Art. 1 FPolV
haben die Behörden auch den Aspekt des Landschaftsschutzes einzubeziehen (E. 5). | Erwägungen
ab Seite 51
BGE 107 Ib 50 S. 51
Aus den Erwägungen:
3.
... (lit. a und b: Die Voraussetzungen der Bestockung mit Waldbäumen und der typischen Waldfunktionen sind beim fraglichen Areal erfüllt).
c) Von besonderer Bedeutung ist hier die Frage, ob das streitige Areal als (hinlänglich grosse) "Fläche" im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 FPolV
zu betrachten ist. Die erforderliche Minimalfläche ist bundesrechtlich nicht bestimmt. Damit ist den Kantonen und der Praxis ihrer Forstbehörden ein erheblicher Beurteilungsspielraum überlassen. Die Kantone wenden unterschiedliche Minimalmasse und Messmethoden an. Der Kanton Aargau beispielsweise erachtet eine Fläche von über 100 m2 Ausdehnung (ab Stockgrenze, horizontal gemessen) als Wald (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. August 1977, in ZBl 79/1978, S. 76 E. 1d). Die Behörden des Kantons Graubünden gehen ebenfalls von einer Minimalfläche von 100 m2 aus, messen diese jedoch - mit Rücksicht auf die Baumkronen - unter Beachtung eines Abstandes von 2 m von den äussersten Stämmen, wodurch bereits kleinere Flächen als im Aargau als Wald gelten (vgl. nicht veröffentlichter BGE Heinz vom 9. Juli 1980, E. 2). Im Kanton Zürich wird zunächst eine bestockte Mindestbreite von 6 m, gemessen von der Stamm-Mitte der äussersten Bäume, und zusätzlich eine Mindestfläche von 150 m2, berechnet aufgrund der bestockten Breite zuzüglich eines beidseitigen Saumes von je 2 m verlangt; hier gilt also eine nicht unbedeutend grössere Fläche als Norm.
Derartige kantonale Regeln sind teils schriftlich festgelegt, teils entsprechen sie einfach der Forstpraxis. Im Kanton Zürich sind sie in einer nicht veröffentlichten Wegleitung des Oberforstamtes und des Tiefbauamtes vom Mai 1978 (mit späterer Abänderung) niedergelegt. Es handelt sich dabei um verwaltungsinterne Richtlinien vorwiegend technischer Art, die im
BGE 107 Ib 50 S. 52
Interesse einer einheitlichen und rechtsgleichen Verwaltungspraxis aufgestellt worden sind. Solche Richtlinien stellen zwar keine Rechtssätze dar und sind für das Bundesgericht nicht verbindlich. Doch sind sie in der Regel Ausdruck des Wissens und der Erfahrung bewährter Fachstellen, so dass sich das Bundesgericht meistens seinerseits an sie hält (vgl. IMBODEN-RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, Nr. 9, S. 55 III d;
BGE 98 Ib 436
).
4.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat sich - was die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes "Fläche" anbelangt - bis anhin sehr zurückgehalten und den kantonalen Forstbehörden einen erheblichen Beurteilungspielraum zugestanden. Eine Überprüfung dieser Rechtsprechung erweist sich als notwendig, weil mit der zunehmenden Baulandverknappung die Fragen, welche Bestockungen bewilligungslos gerodet werden dürfen und von welchen Bestockungen an die gesetzlichen Waldabstände beim Bauen einzuhalten sind, immer mehr Gewicht erhalten und weil die kantonalen Behörden mitunter zu schematisch vorgehen.
Im vorliegenden Fall überschreitet das streitige Areal (im Halte von etwa 600 m2) die von der forstamtlichen Praxis im Kanton Zürich geforderte Mindestfläche von 150 m2 beträchtlich, doch erreicht es die forstamtlich geforderte Breite von 6 m nicht; im obersten und im untersten Teil erreicht es sie fast, auf der übrigen Strecke jedoch ist der Streifen schmäler. Die kantonalen Behörden haben daher das Vorliegen einer bestockten "Fläche" im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 FPolV
verneint. Zu prüfen ist, ob diese Betrachtungsweise vor dem Bundesrecht standhält.
a) Ufergehölze sind in
Art. 1 Abs. 2 FPolV
als Beispiel, nämlich als besondere Erscheinungsform von Wald ausdrücklich genannt. Sie würden daher nur dann nicht als Wald gelten, wenn es sich bei der Bestockung wegen ihrer geringen Ausdehnung um Einzelbäume im Sinne von
Art. 1 Abs. 3 FPolV
handelte. (...)
Im vorliegenden Fall hat die vorhandene Bestockung wegen der Strauchschicht neben den Bäumen und wegen der auch in den Einengungen und Lücken durch das Gehölz beeinflussten Bodenvegetation nach Ansicht des beigezogenen Experten eindeutig den Charakter eines Ufergehölzes und nicht den von beidseitig der Ufer stehenden Einzelbäumen. Daraus folgt, dass
BGE 107 Ib 50 S. 53
die Bestockung aufgrund ihrer Eigenart als Ufergehölz den Flächenerfordernissen der bundesrechtlichen Walddefinition zu genügen vermag und nicht bloss als eine Mehrzahl von Einzelbäumen erscheint.
Dieses Ergebnis wird dadurch erhärtet, dass - was die kantonalen Behörden ausser acht gelassen haben - die streitige Fläche im Zusammenhang mit den benachbarten Waldbeständen gesehen werden muss. Der Zusammenhang mit dem oben anschliessenden Reservoirwald besteht darin, dass die ganze Tobelbachbestockung entstehungsgeschichtlich und landschaftlich als verbliebener Ausläufer jenes kompakten Waldes zu betrachten ist. Der Zusammenhang mit dem unteren, vom Kanton selber als Wald anerkannten Abschnitt der Tobelbachbestockung ist in jeder Beziehung zu bejahen.
b) ... (Bestätigung der Ausführungen des Gutachtens).
Den Überlegungen der kantonalen Behörden könnte selbst dann nicht gefolgt werden, wenn eine Einhaltung der genannten Mindestmassvorschriften, an die das Bundesgericht nicht gebunden ist, hier zu verneinen wäre. Das Gutachten zeigt, dass die kantonale Mindestmass-Regelung dem Bundesrecht nur ungenügend zu dienen vermag. Ihre Anwendung führt im vorliegenden Fall zu einem dem Forstpolizeirecht fremden Schematismus. In der Tat ist nicht erkennbar, welchem Anliegen des Forstpolizeirechtes es dienlich sein könnte, einen weiten Teil eines ausgedehnten Ufergehölzes nur deshalb nicht als Wald zu betrachten, weil er eine im Bundesrecht nicht vorgeschriebene Vegetationsbreite von 6 m unwesentlich unterschreitet.
5.
Die vom kantonalen Oberforstmeister am Augenschein erklärte Auffassung, der Landschaftsschutz sei nach zürcherischer Praxis nicht Sache der Forstorgane, geht fehl. Vorliegend ergab sich eine klare Bejahung der Waldeigenschaft schon aus einer sinnvollen Anwendung der Bemessungsgrundsätze und aus der forstkundlich erforderlichen Betrachtung der gesamten Bachbestockung. Wäre die Antwort aber weniger eindeutig ausgefallen, so hätte bei der rechtlichen Gesamtbeurteilung gemäss
Art. 1 FPolV
der Aspekt des Landschaftsschutzes, der zu den Wohlfahrtswirkungen des Waldes gehört, einbezogen werden müssen (vgl.
Art. 26 Abs. 4 FPolV
). Eine solche Gesamtbeurteilung ist nach dem Forstpolizeirecht Aufgabe der es anwendenden Behörden. (...) | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4fa9206a-fdea-4095-85ef-e76efe0d6d48 | Urteilskopf
82 I 180
26. Auszug aus dem Urteil vom 2. November 1956 i.S. Immobiliengesellschaft Mettlen A.-G. in Liq. gegen Rekurskommission des Kantons Bern. | Regeste
Wehrsteuer: Besteuerung der Aktiengesellschaft in Liquidation.
Objekt der vollen Jahressteuer (Art. 53 Abs. 2 WStB). | Sachverhalt
ab Seite 181
BGE 82 I 180 S. 181
Aus dem Tatbestand:
A.-
Die im Jahre 1915 gegründete Immobiliengesellschaft Mettlen A.-G. verkaufte ihren Grundbesitz im Laufe der Jahre allmählich an Baulustige. Am 17. März 1954 beschloss die Generalversammlung die Liquidation der Gesellschaft. Die Liquidation wurde am 15. Januar 1955 beendet. Die Veranlagungsbehörde schätzte die Gesellschaft gestützt auf Art. 53 Abs. 2 WStB für eine volle Jahressteuer ein, in deren Berechnung sie alle zwischen dem 1. März 1952 (Beginn des Geschäftsjahres 1952/53) und dem 15. Januar 1955 durch Landverkäufe und Buchung von Wertvermehrungen realisierten Gewinne einbezog. Gleichzeitig wurde die Gesellschaft für das Vermögen zur Wehrsteuer VIII (Steuerjahre 1955/56) pro rata temporis (1.-15. Januar 1955) veranlagt. Der die Einschätzung bestätigende Einspracheentscheid wurde, soweit er die Gewinnbesteuerung betrifft, von der Steuerpflichtigen angefochten, doch wurde ihre Beschwerde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen.
B.-
Die Immobiliengesellschaft Mettlen A.-.G. in Liq. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und den steuerbaren Liquidationsgewinn herabzusetzen. Sie macht u.a. geltend, der Sondersteuer nach Art. 53 Abs. 2 WStB unterlägen nur Gewinne, die durch die eigentliche Liquidation erzielt werden, während Gewinne, die sich im Rahmen der normalen, bis zur Liquidation aufrecht erhaltenen Geschäftstätigkeit ergeben, bei der ordentlichen Veranlagung zu erfassen seien. Daher dürften hier nur die seit dem 1. März 1954 realisierten Gewinne mit der Jahressteuer belastet werden. Die früheren Gewinne seien gewöhnliche Geschäftserträge und wären deshalb bei der ordentlichen Veranlagung zur Wehrsteuer VIII pro rata temporis zu erfassen gewesen.
Das Bundesgericht lehnt diesen Standpunkt ab.
BGE 82 I 180 S. 182
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 53 Abs. 1 WStB unterliegen Aktiengesellschaften, Kommanditaktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften, die sich bei Beginn der Steuerpflicht in Liquidation befinden, der Steuer für die Zeit bis zur Beendigung der Liquidation wie die natürlichen Personen. Nach Abs. 2 (Fassung gemäss BB vom 20. Dezember 1950 über die Ausführung der Finanzordnung 1951-1954) entrichten Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, die vor oder während der Veranlagungsperiode in Liquidation getreten sind, neben dieser pro rata temporis geschuldeten ordentlichen Abgabe bei Aufhören der Steuerpflicht - d.h. nach Beendigung der Liquidation (Art. 12 Abs. 1 WStB) - eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen wie die natürlichen Personen (Art. 43 WStB), zum Satze für die Ledigen (Tarif II).
Was unter den Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 53 Abs. 2 WStB zu verstehen ist, ergibt sich aus der Verweisung auf Art. 43, der seinerseits Art. 21 Abs. 1 lit. d und f anwendbar erklärt. Danach handelt es sich einerseits um die Kapitalgewinne, die bei der Veräusserung oder Verwertung von Bestandteilen des Geschäftsvermögens erzielt werden, und anderseits um die verbuchten Vermehrungen des Wertes solcher Vermögensstücke. Als Beispiele von Kapitalgewinnen nennt Art. 21 Abs. 1 lit. d die Liegenschaftsgewinne, den Mehrerlös aus Wertschriften und die Liquidationsgewinne. Es fallen somit nicht nur eigentliche Liquidationsgewinne in Betracht, sondern alle Kapitalgewinne und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f. Dem entspricht es, dass Art. 53 Abs. 2 den für die Bestimmung des Steuerobjektes massgebenden Zeitraum nicht mit dem Zeitpunkt, in dem die Körperschaft in Liquidation getreten ist, sondern mit dem Anfang der Berechnungsperiode
BGE 82 I 180 S. 183
beginnen lässt. Die Vorschrift erfasst auch Gewinne, die vor der eigentlichen Liquidation des Unternehmens realisiert worden sind, unter Umständen auch solche aus einer Zeit, da noch niemand an eine Geschäftsaufgabe gedacht hat.
Art. 53 Abs. 2 WStB muss als Bestandteil der gesamten Ordnung der Wehrsteuer vom Gewinn der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften verstanden werden. Der Zusammenhang ergibt sich deutlich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Nach der ursprünglichen Fassung hatten die Kapitalgesellschaften und Genossenschaften die Jahressteuer nur zu entrichten, wenn sie sich bei Beginn der Veranlagungsperiode in Liquidation befanden, und nur auf dem in dieser Periode erzielten Kapitalgewinn. Diese Ordnung wurde als zu eng empfunden und daher zweimal abgeändert. Zunächst wurde durch BRB vom 10. März 1942 die subjektive Steuerpflicht ausgedehnt, indem der Jahressteuer alle Kapitalgesellschaften und Genossenschaften unterstellt wurden, die vor oder während der Veranlagungsperiode in Liquidation getreten sind und deren Steuerpflicht im Laufe dieser Periode aufhört. Sodann wurde durch den erwähnten BB vom 20. Dezember 1950 das Objekt der Jahressteuer der Kapitalgesellschaften und Genossenschaften - wie auch der natürlichen Personen (Art. 43) - erweitert; es wurden alle in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode realisierten Kapitalgewinne und Wertvermehrungen einbezogen. Damit wurde erreicht, dass alle in den letzten Jahren vor Beendigung der Liquidation des Unternehmens realisierten, bisher unversteuert gebliebenen stillen Reserven gleichmässig von der Steuer erfasst werden. Mit Rücksicht darauf, dass in der Regel die zur Schaffung der stillen Reserven vorgenommenen Abschreibungen im vollen Umfange die in früheren Jahren der Besteuerung zugrunde gelegten Gewinn- und Verlustrechnungen belastet haben, wurde es als billige Lösung betrachtet, dass auch von den in der Berechnungsperiode realisierten
BGE 82 I 180 S. 184
Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen stets die volle Jahressteuer zu entrichten ist. Es soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige, die vor der eigentlichen Liquidation Vermögensstücke veräussern oder stille Reserven durch Verbuchung auflösen, für die dabei realisierten Gewinne nur pro rata temporis oder überhaupt nicht besteuert werden können (Botschaft des Bundesrates über die Ausführung der Finanzordnung 1951-1954, BBl 1950 III S. 570). Zur Vermeidung einer doppelten Belastung wurde durch den BB vom 20. Dezember 1950 die weitere Bestimmung eingefügt, dass die der besonderen Jahressteuer unterworfenen Gewinne in die Berechnung der ordentlichen Steuer nicht einzubeziehen sind (Art. 43 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 53 Abs. 2 WStB).
Die Annahme der Beschwerdeführerin, dass nur die seit dem Beginn der eigentlichen Liquidation erzielten Gewinne der Jahressteuer unterliegen, mag vielleicht für die bernischen Staats- und Gemeindesteuern zutreffen, ist aber mit der Ordnung des Wehrsteuerbeschlusses nicht vereinbar. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4fab93c5-a8b5-400f-a479-b355f65610b9 | Urteilskopf
108 IV 191
48. Urteil des Kassationshofes vom 9. Dezember 1982 i.S. B. gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 36 Abs. 3 SVG
;
Art. 14 Abs. 1 VRV
;
Art. 75 Abs. 1 SSV
; Wartepflicht bei Haltelinien.
Sind vor einer Lichtsignalanlage zwei Haltelinien markiert - die eine vor, die andere nach einer jener Anlage vorgelagerten Verzweigung -, so hat der Längsverkehr schon vor der ersten Haltelinie zu warten, bis das Signal die Durchfahrt erlaubt. | Sachverhalt
ab Seite 191
BGE 108 IV 191 S. 191
A.-
Am Nachmittag des 1. Mai 1980 lenkte B. (1) seinen Personenwagen in Weiningen auf der Zürcherstrasse gegen deren Einmündung in die Regensdorferstrasse. Er fuhr in diese Strasse ein in der Absicht, sie kurz danach links zu queren, um in die Bachstrasse zu gelangen. Bevor er dieses Vorhaben ausführen konnte, stiess er noch auf der Regensdorferstrasse mit dem von M. (2) gesteuerten Personenwagen zusammen, der auf der letztgenannten Strasse aus der Gegenrichtung gekommen war, um die Fahrt geradeaus fortzusetzen. M. war dabei rechts an einer Fahrzeugkolonne (3) vorbeigefahren, die bei einem vor der rechtsseitigen Einmündung der Bachstrasse angebrachten Haltebalken (4) nahe der Mittellinie angehalten hatte, weil Lichtsignale (5) jenseits
BGE 108 IV 191 S. 192
der Verzweigung, vor denen ein zweiter Haltebalken (6) markiert ist, auf Rot standen.
B.-
Am 10. Dezember 1981 büsste der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich B. wegen Übertretung von
Art. 36 Abs. 3 SVG
und
Art. 14 Abs. 1 VRV
mit Fr. 70.--. Er legte diesem zur Last, beim Linksabbiegen das Vortrittsrecht von M. missachtet zu haben.
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 9. September 1982 eine von B. gegen das erstinstanzliche Urteil eingereichte Beschwerde ab.
C.-
B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer anerkennt, dass gemäss
Art. 36 Abs. 3 SVG
der Linksabbieger verpflichtet ist, dem Gegenverkehr den Vortritt zu lassen, und dass dieses Gebot auch dort besteht, wo sich der Gegenverkehr in zwei oder mehreren Fahrspuren bewegt, so dass den Benützern jeder dieser Spuren der Vortritt zu gewähren ist, selbst wenn der Verkehr auf der einen Spur aus irgendeinem Grund anhält, der nicht auch für die Benützer der anderen Spur(en) gilt. Er stellt sich jedoch auf den Standpunkt, wer links abbiege, müsse nicht damit rechnen, dass sich auf einer Strassenhälfte, die offensichtlich nur für ein zweispuriges Fahrzeug berechnet sei, ein zweites derartiges Fahrzeug sich nach vorne
BGE 108 IV 191 S. 193
schiebe, um geradeaus weiterzufahren und erst nach der Verzweigung in eine signalisierte Abbiegespur zu gelangen. Neben den Vortrittsregeln gebe es auch noch Anstandsregeln, und es sei nicht richtig, in einem Fall wie dem vorliegenden, den an und für sich Wartepflichtigen dafür zu bestrafen, dass er nicht mit dem "Unanstand" anderer Lenker gerechnet habe.
Dieser Argumentation kann bei dem von der Vorinstanz verbindlich festgestellten Sachverhalt nicht beigepflichtet werden. Nach dem angefochtenen Entscheid weist die rechte Fahrbahnhälfte der Regensdorferstrasse eine Breite von 3,95 m auf und sie gestattet es deshalb, dass zwei Personenwagen nebeneinander fahren. Tatsächlich hat sich M. denn auch nicht an den linksseitig wartenden Fahrzeugen "vorbeigedrängt". Berücksichtigt man überdies, dass nach den tatsächlichen Annahmen des Obergerichtes nur 10 m weiter vorne bei den Lichtsignalen der Verkehr durch entsprechende Markierungen (Pfeile) in zwei Verkehrsflüsse aufgeteilt wird, dann entsprach es durchaus der gesetzlichen Ordnung (
Art. 13 Abs. 1 VRV
), wenn M., der die Absicht hatte, nach der Verzweigung der Bachstrasse rechts in Richtung Geroldswil weiterzufahren, schon vor dem ersten Haltebalken rechts fuhr, nachdem die übrigen Fahrzeuge ihrerseits vorsortiert und nach links nahe an die Mittellinie der Strasse herangefahren waren. Insoweit ist denn auch der Beschluss des Obergerichts entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden; dies um so weniger als nach
Art. 13 Abs. 1 VRV
soweit möglich sogar auf schmalen Strassen frühzeitig einzuspuren ist. Die Verletzung blosser Anstandsregeln aber stellt nicht notwendig eine Rechtsverletzung dar, wie sich umgekehrt der Wartepflichtige nicht einfach darauf verlassen darf, dass andere Fahrzeuglenker auf ihnen an sich zustehende Rechte anstandshalber verzichten. Die die Verkehrssicherheit gewährleistende Rechtsnorm muss im Zweifel immer vorgehen, zumal die Meinungen darüber, was der Anstand im Strassenverkehr gebietet, nach der täglichen Erfahrung oft auseinandergehen.
2.
Hält demnach der angefochtene Beschluss gegenüber den Einwänden des Beschwerdeführers stand, so verletzt er doch aus anderen rechtlichen Überlegungen das Bundesrecht. Die Frage nämlich, ob der Beschwerdeführer in casu das Vortrittsrecht von M. missachtet habe oder nicht, hängt entscheidend davon ab, ob dieser gleich den Führern der links neben ihm vorsortierten Fahrzeuge vor dem ersten Haltebalken hätte halten müssen oder nicht.
BGE 108 IV 191 S. 194
Das Obergericht hat die Frage verneint, weil die von M. benützte Einspurstrecke bis zum Lichtsignal frei gewesen sei; nur wenn er seinen Wagen nicht bis zum Lichtsignal hätte vorziehen können und so bei Rotlicht die Einmündung der Bachstrasse blockiert hätte, hätte er den ersten Haltebalken beachten müssen.
a) Damit verkennt jedoch die Vorinstanz die Bedeutung der Haltelinie. Die weisse, ununterbrochene und quer zur Fahrbahn aufgetragene Linie (6.10) zeigt nach
Art. 75 Abs. 1 SSV
an, wo die Fahrzeuge beim "Stop" und gegebenenfalls bei Lichtsignalen usw. halten müssen. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung hat der Führer in jedem Fall vor der Linie zu halten, wenn ein Lichtsignal die Durchfahrt verbietet. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob - wie hier - vor der Lichtsignalanlage wegen einer vorgelagerten Einmündung zwei Haltelinien markiert sind, die eine vor, die andere nach der Verzweigung. Wo das zutrifft, soll dem sonst wartepflichtigen Verkehr die Möglichkeit gegeben werden, bei Aufleuchten des Rotlichts in die vortrittsberechtigte Strasse einzufahren, sei es, um auf dieser vor der zweiten Haltelinie anzuhalten, sei es um die vortrittsberechtigte Strasse zwischen den beiden Linien ungehindert zu queren und in eine andere Seitenstrasse einzubiegen. Das aber würde auf verkehrsreichen Strassen häufig verhindert, könnten die auf der vortrittsberechtigten Bahn verkehrenden Führer während der roten Signalphase über die erste Haltelinie hinausfahren, bis die Einspurstrecke vor dem unmittelbar beim Signal angebrachten Haltebalken "gefüllt" wäre. Zudem würde bei einer solchen Auslegung des Verkehrszeichens dieses nicht nur in seiner Bedeutung geschwächt, sondern es würde damit in den Strassenverkehr auch ein Unsicherheitsmoment hineingetragen, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann. Das vom Obergericht mit Recht erwähnte Interesse des Strassenverkehrs an klaren und einfachen Regeln (s.
BGE 100 IV 84
E. 1,
BGE 94 IV 75
E. 1) gebietet es deshalb, dort, wo vor einer Lichtsignalanlage wegen einer dieser vorgelagerten Verzweigung die Strasse mit zwei Haltelinien markiert ist, schon der ersten die Bedeutung eines strikten Haltegebots beizumessen und den Verkehr auf der mit dieser Linie versehenen Bahn zu verpflichten, so lange vor dem Haltebalken zu warten, als das Signal die Durchfahrt verbietet.
b) Bei dieser Rechtslage aber durfte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr auf der Regensdorferstrasse während der Rotlichtphase vor der ersten Haltelinie stehenbleiben werde und er selber ungehindert die Strasse queren dürfe. Dass
BGE 108 IV 191 S. 195
sich diese Erwartung nicht erfüllte, ist nicht einem Fehlverhalten seinerseits, sondern der Missachtung der Haltelinie durch M. zuzuschreiben. Der Beschwerdeführer wurde deshalb von der Vorinstanz zu Unrecht wegen Widerhandlung gegen
Art. 36 Abs. 3 SVG
und
Art. 14 Abs. 1 VRV
gebüsst.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben, und die Sache wird zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4fafa136-f5bd-48e7-a6be-f661cafdc933 | Urteilskopf
111 Ia 324
56. Estratto della sentenza 10 luglio 1985 della I Corte di diritto pubblico nella causa Comune di Locarno c. X., Y. e litisconsorti e Tribunale amministrativo del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico e ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Rechtsgleichheitsprinzip und Gemeindeautonomie; Erhebung einer jährlichen Gebühr für Kehrichtabfuhr und -beseitigung durch einen Gemeindebetrieb.
Eine Gemeindebestimmung, die diese Abgabe denjenigen auferlegt, die in der Gemeinde keinen Wohnsitz, sondern lediglich eine Ferienwohnung haben, und jene davon befreit, die dort Wohnsitz haben und eine solche Wohnung in der gleichen Gemeinde benützen, verstösst im konkreten Fall nicht gegen das in
Art. 4 BV
verankerte Gleichheitsgebot (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 324
BGE 111 Ia 324 S. 324
A copertura parziale delle spese comunali del servizio di raccolta e distruzione dei rifiuti, il Comune di Locarno preleva tasse annuali, da cui sono però esenti le economie domestiche dei domiciliati ai sensi dell'
art. 23 CC
(
art. 16 n. 1 del
relativo regolamento del 9 ottobre 1978/19 ottobre 1981). Tra l'altro, secondo il n. 2 cpv. 1 lett. g e cpv. 3 di questo disposto, una tassa annuale è dovuta dal proprietario o
BGE 111 Ia 324 S. 325
dall'amministrazione di abitazioni di vacanza locate a scopo di lucro a non domiciliati oppure usufruite in proprio da non domiciliati. Tasse analoghe sono poste a carico anche di esercizi pubblici, ospedali e campeggi, in proporzione ai letti o ai posti tenda, nonché a carico delle economie domestiche dei non domiciliati (art. citato n. 2 cpv. 1 lett. a, b, f e h).
Con decisioni del 20 agosto e del 2 settembre 1982, rese in applicazione dell'art. 16 n. 2 cpv. 1 lett. g del regolamento, il Municipio di Locarno ha chiesto ai resistenti, tutti proprietari di residenze secondarie usate da non domiciliati, il pagamento della tassa raccolta rifiuti, esponendo importi varianti da 150 a 200 franchi, a seconda del numero dei locali delle abitazioni. Queste tassazioni sono state confermate su reclamo il 4 marzo 1983 e su ricorso dal Consiglio di Stato, con risoluzione n. 1383 del 20 marzo 1984.
In data 5 aprile 1984 X. ed i proprietari degli appartamenti del condominio L. di Locarno si sono aggravati al Tribunale cantonale amministrativo (TCA), postulando l'annullamento della tassa e facendo valere soprattutto la disparità di trattamento ingenerata a loro avviso dall'applicazione dell'art. 16 n. 2 cpv. 1 lett. g fra proprietari o conduttori di abitazioni di vacanza domiciliati a Locarno e non domiciliati. Questi ricorsi sono stati accolti con sentenze dell'8 giugno 1984. Il TCA ha rilevato in modo particolare che l'art. 16 n. 2 cpv. 1 lett. g del regolamento, imponendo le residenze secondarie occupate dai non domiciliati ed esonerando invece quelle occupate dai domiciliati, crea a favore di quest'ultima categoria un vero e proprio privilegio fiscale che non trova riscontro nella diversità delle situazioni e che è pertanto incompatibile con il principio d'uguaglianza.
Il Comune di Locarno, rappresentato dal Municipio, è insorto contro queste sentenze con tempestivi ricorsi di diritto pubblico e di diritto amministrativo, chiedendo al Tribunale federale di annullarle e protestando le spese processuali. Dei motivi dei ricorsi, basati in sostanza su una violazione dell'autonomia comunale e dell'
art. 4 Cost.
, si dirà nei considerandi. I resistenti X., Y. e litisconsorti hanno concluso per l'inammissibilità dei ricorsi di diritto amministrativo e per la reiezione di quelli di diritto pubblico. Il TCA ha fatto riferimento alle proprie sentenze, mentre il Consiglio di Stato s'è rimesso al giudizio del Tribunale federale.
BGE 111 Ia 324 S. 326
Erwägungen
Considerando in diritto:
I. Questioni d'ordine
3.
(Improponibilità del ricorso di diritto amministrativo e ricevibilità del ricorso di diritto pubblico per violazione dell'autonomia comunale.)
II. Questioni di merito
4.
(Per il prelievo di tasse che garantiscono la copertura delle spese relative al servizio comunale di raccolta ed eliminazione dei rifiuti, i comuni ticinesi fruiscono di una grande libertà d'azione e quindi di un'autonomia costituzionalmente protetta [cfr. art. 68/70 della legge cantonale d'applicazione della LCIA del 2 aprile 1975].)
5.
(Quando l'autorità cantonale d'ultima istanza considera una norma comunale come contraria alla Costituzione, il Tribunale federale, adito dal comune per violazione della sua autonomia, controlla la decisione di codesta autorità con pieno potere cognitivo.)
6.
(Portata del principio dell'uguaglianza di trattamento nell'elaborazione del diritto comunale e nel suo esame, con riferimento alla sentenza 21 dicembre 1983 in re Comune di Igis [
DTF 109 Ia 327
/28 consid. 4].)
7.
Non è controverso che il tributo causale in rassegna è una tassa d'utilizzazione, ovverosia un compenso particolare imposto al privato per una prestazione della pubblica amministrazione o per un servizio pubblico (
DTF 103 Ia 81
,
DTF 101 Ia 195
consid. 3,
DTF 95 I 506
; Rep. 1982 pag. 323 consid. 2), e che codesta tassa rispetta il principio della copertura dei costi e quello della proporzionalità o dell'equivalenza secondo la terminologia comunemente invalsa in materia di tributi causali (
DTF 107 Ia 33
consid. 2d,
DTF 104 Ia 116
; Rep. 1982 pag. 326 consid. 4a). Il Tribunale amministrativo - appoggiandosi alla giurisprudenza del Tribunale federale - ha ritenuto che un trattamento diverso dei soggetti fiscali a seconda del loro domicilio non è necessariamente contrario all'
art. 4 Cost.
(
DTF 101 Ia 196
consid. 4,
DTF 90 I 100
). Esso ne ha dedotto che la tassa raccolta rifiuti - in linea di principio - può essere imposta ai soli utenti non domiciliati o dimoranti a Locarno, e ciò allo scopo di coprire i costi supplementari causati dal sovradimensionamento delle attrezzature e degli impianti e dall'aumento della manodopera, imposti dall'enorme incremento della popolazione durante il periodo estivo, a dipendenza dell'afflusso di un numero
BGE 111 Ia 324 S. 327
di turisti che supera quello dei domiciliati e residenti. Ciò posto, con particolare riferimento alle abitazioni di vacanza, il Tribunale amministrativo ha nondimeno rilevato che, in merito all'onere supplementare che queste comportano per la raccolta dei rifiuti, è indifferente che esse siano utilizzate da persone domiciliate a Locarno oppure da non domiciliati: i giudici cantonali ne hanno dedotto che - sotto questo profilo - costituisce una discriminazione contraria all'
art. 4 Cost.
non esigere la tassa, se chi fruisce della residenza secondaria è domiciliato a Locarno, ed hanno concluso che, fintanto che questa incostituzionalità non sarà stata rimossa, il relativo tributo non potrà essere riscosso neppure presso gli altri proprietari. Questo ragionamento non può essere condiviso.
a) Come il Tribunale amministrativo ha rilevato con pertinenza, la giustificazione sostanziale della tassa controversa ha fondamento nell'aumento della popolazione, che dai circa 15'000 abitanti stabili passa durante i mesi estivi a 35-37'000 anime per l'afflusso dei turisti. È a carico di codesti turisti, all'origine delle punte a cui il servizio deve far fronte, che la tassa deve economicamente gravare. Il fatto che essa - per ragioni evidenti - non sia direttamente riscossa presso di loro, ma presso i proprietari o gli operatori economici che forniscono loro alloggio, sia in appartamenti di vacanza sia in alberghi, cliniche o campeggi, non deve trarre in inganno e non muta alcunché: tali soggetti fiscali trasferiscono infatti la tassa sui turisti non domiciliati, includendola nel prezzo richiesto per le loro prestazioni. Si può pertanto concludere che la tassa va per finire a carico della massa dei turisti che determina appunto la transitoria ma cospicua fluttuazione della popolazione globale, fluttuazione che è all'origine dell'aumento dei rifiuti e delle punte del servizio, con i relativi maggiori costi, e che giustifica il tributo.
Ora, chi è domiciliato a Locarno e, oltre alla residenza abituale, possiede o affitta sul territorio comunale anche una residenza secondaria, non contribuisce per questo fatto alla lievitazione della popolazione di cui s'è detto, e ciò a differenza del turista non domiciliato. Sotto questo profilo, dunque, il proprietario di una residenza secondaria domiciliato a Locarno si distingue tanto dal proprietario di un'abitazione di vacanza ovunque domiciliato, che la affitti a non domiciliati, quanto dal proprietario d'una tale abitazione, domiciliato fuori Comune, che ne fruisca personalmente. Ponendo l'accento su questa differenza oggettiva per decidere circa il carico del tributo e
BGE 111 Ia 324 S. 328
l'esenzione, il legislatore comunale - contrariamente all'opinione del Tribunale amministrativo - non ha quindi tracciato una distinzione insostenibile, che non trovi corrispondenza alcuna nella diversità delle fattispecie da sottoporre alla disciplina normativa.
b) Certo, si può convenire con il Tribunale cantonale che i proprietari di case di vacanza domiciliati a Locarno che ne fruiscono in proprio o che le affittano ad altri domiciliati - anche se non contribuiscono all'aumento transitorio della popolazione - occasionano verosimilmente maggiori oneri per il servizio dei rifiuti, poiché il nucleo familiare può temporaneamente ripartirsi fra residenza principale e secondaria e poiché quest'ultima è di regola periferica. Tuttavia - e ciò è decisivo - non si può sostenere che il legislatore comunale, considerando marginale tale fenomeno per rispetto a quello determinante del massiccio aumento stagionale della popolazione e decidendo di trascurarlo quale criterio di imposizione di una tassa destinata a coprire i maggiori costi del servizio derivanti appunto dalla citata fluttuazione del numero degli utenti, abbia abusato dell'apprezzamento che gli compete e che il giudice costituzionale deve rispettare. Senza dubbio, una diversa soluzione legislativa - che per esempio avesse imposto questa (verosimilmente esigua) categoria di utenti per una frazione della tassa - sarebbe stata ugualmente compatibile con il principio d'uguaglianza sancito dall'
art. 4 Cost.
: ma per i motivi che si son detti, ciò non significa affatto che la soluzione adottata dal legislatore comunale di Locarno lo disattenda.
c) Per quanto riguarda infine il resistente X., è vero che egli, pur essendo domiciliato a Minusio, è titolare di un ufficio fiduciario a Locarno, dove paga quasi la metà delle imposte sul reddito. Queste circostanze sono tuttavia irrilevanti. In effetti, nella determinazione delle persone assoggettate ad un tributo causale, un certo schematismo non è soltanto lecito ma addirittura inevitabile (cfr.
DTF 109 Ia 328
consid. 5 e rif.), non potendosi pretendere - per ragioni di praticità - che il legislatore tenga conto dei casi particolari e valuti esattamente il vantaggio che ogni singolo trae da una prestazione dell'amministrazione o da un servizio pubblico, procedendo magari ad una difficile graduazione della tassa controversa. Determinante è invece il fatto che, contrariamente anche al resistente X., le persone domiciliate a Locarno non fanno parte della popolazione turistica e non
BGE 111 Ia 324 S. 329
rientrano quindi in quella categoria di villeggianti che il legislatore ha voluto tassare, essendo causa diretta delle punte del servizio e delle relative maggiori spese che l'ente pubblico deve affrontare.
d) Da quanto sopra discende che l'esenzione dalla tassa raccolta rifiuti accordata alle persone domiciliate a Locarno che occupano una residenza secondaria non fa apparire l'art. 16 n. 2 cpv. 1 lett. g del regolamento come contrario al principio d'uguaglianza, che il Tribunale amministrativo, giungendo a conclusione opposta, ha violato l'autonomia riconosciuta al Comune dalla normativa cantonale (art. 70 LALCIA), che i ricorsi di diritto pubblico si avverano fondati e che le sentenze impugnate debbono essere annullate: la Corte cantonale dovrà quindi pronunciarsi nuovamente, tenendo conto dei considerandi dell'istanza federale (
DTF 104 Ia 63
,
DTF 100 Ia 145
consid. 1; RDAT 1980 n. 61). | public_law | nan | it | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4fb2d0f6-0825-4e28-ac3f-7e94c36cea7d | Urteilskopf
100 Ib 455
75. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1974 i.S. Weissenbach gegen Produco AG und Regierungsrat des Kantons Bern. | Regeste
Handelsregister.
Art. 927 Abs. 3 OR
. Nach dieser Vorschrift ist nur eine kantonale Aufsichtsbehörde in Handelsregistersachen zulässig (Erw. 2).
Art. 42 Abs. 2 und 43 Abs. 1 HRegV. Begriff des Geschäftsbüros oder Geschäftslokales im Sinne dieser Bestimmungen (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 455
BGE 100 Ib 455 S. 455
A.-
Im Handelsregister des Amtes Konolfingen ist die Produco AG mit Sitz in Münsingen eingetragen. Als Geschäftslokal ist angegeben: Äschistrasse 25, Münsingen. Das
BGE 100 Ib 455 S. 456
betreffende Haus gehört Walter Weissenbach. Die Produco AG hat zur Zeit keinen Zugang zu den Räumlichkeiten dieses Hauses. Weissenbach verlangte deshalb die Löschung dieses Geschäftslokals im Handelsregister. Die Produco AG weigerte sich, einer entsprechenden Aufforderung des Handelsregisterführers nachzukommen, worauf dieser die Akten gemäss
Art. 60 Abs. 2 HRegV
der kantonalen Aufsichtsbehörde, der Justizdirektion des Kantons Bern, überwies. Diese stellte mit Entscheid vom 12. November 1973 das Verfahren ein "bis zur rechtskräftigen Erledigung des anzuhebenden Zivilprozesses".
Am 7. Januar 1974 ersuchte Weissenbach die Justizdirektion erneut, die Löschung zu verfügen, da die Klageerhebung für die Frage der Domiziländerung unerheblich sei. Die Justizdirektion verfügte jedoch mit Entscheid vom 11. Januar 1974 wiederum, das Verfahren bleibe bis zur rechtskräftigen Erledigung des (nunmehr) vor dem Handelsgericht des Kantons Bern eingeleiteten Prozesses eingestellt.
B.-
Weissenbach focht diesen Entscheid gemäss der ihm darin erteilten Rechtsmittelbelehrung beim Regierungsrat des Kantons Bern mit Beschwerde an, welche am 3. Juli 1974 abgewiesen wurde.
C.-
Gegen den Entscheid des Regierungsrates reichte Weissenbach Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein, mit der er beantragt, den Handelsregistereintrag des Geschäftslokals der Produco AG zu löschen, eventuell der Produco AG zum Eintrag eines andern Geschäftslokals Frist zu setzen.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Bern und die Produco AG (sowie deren Hauptaktionär Albert Winterhalder) beantragen die Abweisung der Beschwerde, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement dagegen ihre Gutheissung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach Ansicht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes verstösst es gegen Bundesrecht, dass der Entscheid der kantonalen Justizdirektion vom 11. April 1974 ein Beschwerderecht an den Regierungsrat vorsieht.
Nach
Art. 927 Abs. 3 OR
ist im Gegensatz zu Art. 859 Abs. 3 aoR nur noch eine kantonale Aufsichtsbehörde in
BGE 100 Ib 455 S. 457
Handelsregistersachen zulässig. Diese Regelung hat eine vermehrte Vereinheitlichung der Rechtsanwendung zum Zweck. Zwar steht es den Kantonen nach wie vor frei, entweder richterliche oder administrative Behörden oder Einzelpersonen als Aufsichtsbehörde zu bezeichnen (HIS, N 24 zu
Art. 927 OR
). Dieser stehen aber die durch das Bundesrecht, insbesondere die Handelsregisterverordnung bestimmten Kompetenzen (vgl. z.B. Art. 3, 31, 37, 57, 58, 60, 63, 67, 68, 85, 89 und 100) ungeteilt zu. Wäre es den Kantonen nach geltendem Recht unbenommen, eine untere und eine obere Aufsichtsbehörde in Handelsregistersachen einzusetzen, so hätte der Gesetzgeber - wie in anderen Fällen - das entweder ausdrücklich gesagt (vgl. z.B.
Art. 361 Abs. 2 ZGB
) oder die Ordnung der Aufsicht den Kantonen überlassen (vgl. z.B.
Art. 953 Abs. 1 ZGB
).
Nach Art. 4 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Bern über die Delegation von Verwaltungsbefugnissen des Regierungsrates vom 15. Mai 1970 ist die Justizdirektion Aufsichtsbehörde in Handelsregistersachen. Indessen sieht Art. 10 des Gesetzes über Grundsätze des verwaltungsinternen Verfahrens sowie die Delegation von Verwaltungsbefugnissen des Regierungsrates vom 7. Juni 1970 vor, dass gegen Verwaltungsverfügungen der Direktionen des Regierungsrates oder ihrer Unterabteilungen die Betroffenen "Einspruch" erheben können. Diese Bestimmung ist bundesrechtswidrig, falls sie so verstanden werden muss, dass der Regierungsrat als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Handelsregistersachen eingesetzt ist.
3.
Nach
Art. 97 und 98 lit. g OG
kann gegen Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden beim Bundesgericht verwaltungsgerichtliche Beschwerde geführt werden (vgl. auch
Art. 5 HRegV
).
a) Der Beschwerdeführer hätte demnach den Entscheid der kantonalen Justizdirektion direkt beim Bundesgericht statt beim Regierungsrat des Kantons Bern anfechten sollen. Die Beschwerde wäre verspätet, wenn er die Frist von 30 Tagen nach
Art. 106 Abs. 1 OG
hätte einhalten müssen. Indessen handelt es sich, wie noch auszuführen sein wird, um eine Beschwerde wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung, die jederzeit erhoben werden kann (
Art. 106 Abs. 2 OG
). Ausserdem enthält der Entscheid der Justizdirektion eine
BGE 100 Ib 455 S. 458
falsche Rechtsmittelbelehrung. Handelt aber der Betroffene darnach, so soll das ihm in der Regel nicht schaden (
Art. 107 Abs 2 OG
). Insoweit ist also auf die Beschwerde einzutreten.
b) Die Befugnis zur Beschwerdeführung folgt aus
Art. 103 lit. a OG
. Der Beschwerdeführer als Eigentümer der Liegenschaft, in welcher die Beschwerdegegnerin ein Domizil zu haben behauptet, wird durch die angefochtene Verfügung berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Eintragung des Domizils an der Äschistrasse 25 in Münsingen zugunsten der Produco AG nicht oder nicht mehr gegeben sind (vgl. betreffend die Stellung des Dritten im Verfahren nach
Art. 60 HRegV
auch Abs. 3 dieser Bestimmung).
4.
Nach schweizerischem Recht können die juristischen Personen im Gegensatz zu der Einzelfirma und den Personengesellschaften ihren Sitz frei wählen (vgl.
BGE 56 I 374
,
BGE 76 I 159
). Sie müssen aber wie alle anderen Firmen in der Eintragung das Geschäftslokal oder das Büro der Geschäftsführung bezeichnen, wenn möglich unter Angabe der Strasse und der Hausnummer (
Art. 42 Abs. 2 HRegV
). Hat eine juristische Person am Ort des statutarischen Sitzes kein Geschäftsbüro, so muss in die Eintragung aufgenommen werden, bei wem sich an diesem Ort das Domizil befindet (
Art. 43 Abs. 1 HRegV
). Im einen wie im andern Falle ist die Eintragung nur zulässig, wenn sie wahr ist, zu keinen Täuschungen Anlass gibt und keinem öffentlichen Interesse widerspricht (
Art. 38 Abs. 1 HRegV
). Stellt sich nach dem Vollzug der Eintragung heraus, dass sie diesen Anforderungen nicht entspricht, so ist sie im Verfahren gemäss Art. 60 zu ändern oder zu löschen (
Art. 38 Abs. 2 HRegV
).
Mit dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement ist unter Geschäftsbüro oder Geschäftslokal im Sinne der Art. 42 Abs. 2 und 43 Abs. 1 HRegV ein Lokal zu verstehen, über das die juristische Person aufgrund eines Rechtstitels (z.B. Eigentum, Miete, Untermiete, usw.) tatsächlich verfügen kann, welches der Mittelpunkt ihrer administrativen Tätigkeit bildet und wo ihr Mitteilungen aller Art zugestellt werden können. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
BGE 100 Ib 455 S. 459
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Entscheide des Regierungsrates des Kantons Bern vom 3. Juli 1974 und der Justizdirektion des Kantons Bern vom 11. Januar 1974 werden aufgehoben.
2.- Der Handelsregisterführer des Amtes Konolfingen in Schlosswil wird angewiesen, die Eintragung des Geschäftslokals der Produco AG "Äschistrasse 25, Münsingen" im Handelsregister zu löschen und die Produco AG aufzufordern, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Geschäftslokal oder die Person zur Eintragung anzumelden, bei der sich ihr Domizil befindet. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4fb5923b-e600-4f23-928a-968a052cf8c5 | Urteilskopf
126 IV 221
35. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 14 décembre 2000 dans la cause X. contre Procureur général du canton de Berne (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 183 Ziff. 2 StGB
; Entführung.
Das Verbringen eines Kindes unter sechzehn Jahren an einen anderen Aufenthaltsort durch einen Elternteil, der die elterliche Sorge innehat, fällt nicht unter
Art. 183 Ziff. 2 StGB
, auch wenn die Ortsveränderung nicht dem Wohl des Kindes dient (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 221
BGE 126 IV 221 S. 221
Par jugement du 1er octobre 1999, le Tribunal d'arrondissement judiciaire I de Courtelary-Moutier-La Neuveville a reconnu X. coupable de dommages à la propriété, violation de domicile, menaces, contrainte, infraction grave à la LCR, viol, actes d'ordre sexuel avec des enfants, insoumission à une décision de l'autorité, mutinerie de détenus, mise en danger de la vie d'autrui, séquestration, vol d'usage, violences ou menaces contre les autorités et les fonctionnaires, lésions corporelles simples. Le Tribunal l'a condamné à une peine de cinq ans et demi de réclusion.
Par arrêt du 7 mars 2000, la IIIème Chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a libéré X. de l'infraction d'actes d'ordre sexuel avec des enfants et de l'infraction de menace pour les faits du 15 juin 1998. Elle l'a par contre reconnu coupable d'enlèvement commis le 10 octobre 1997 au préjudice de son fils et l'a condamné
BGE 126 IV 221 S. 222
à une peine de quatre ans et demi de réclusion et à l'expulsion du territoire suisse pour une durée de six ans.
Cet arrêt retient notamment les faits suivants:
X., ressortissant espagnol, a épousé Y. le 22 décembre 1995. Début 1996, les époux se sont rendus en Espagne dans l'intention de s'y installer. Leur fils Z. est né le 17 décembre 1996. X. souffrait d'alcoolisme et son épouse se sentait très isolée. En mai 1997, Y. a séjourné quelques mois en France puis a repris la vie commune avec son époux en juillet 1997, à T. Les relations entre les époux se sont rapidement dégradées.
Le 10 octobre 1997, le recourant s'est rendu au domicile de ses beaux-parents à T., où la mère d'Y. se trouvait seule avec Z. Il s'est introduit dans la maison et a menacé sa belle-mère de tous les tuer; il lui a arraché Z. des bras et s'est enfui en courant. Il est ensuite parti avec l'enfant pour l'Espagne. Le recourant a appelé son épouse depuis ce pays, ce qui a permis de localiser l'enfant à C., domicile des parents du recourant. Y. a entrepris des démarches sur le plan international; après trois semaines environ, elle a appris que l'enfant avait été placé en orphelinat. L'enfant est resté dix jours dans cet établissement. Les parties ont signé une convention judiciaire qui a permis le retour de l'enfant en Suisse le 6 novembre 1997. Y. a déposé une plainte pour enlèvement et séquestration de mineurs. Elle l'a retirée le 15 avril 1998.
X. a formé un pourvoi en nullité contre l'arrêt du 7 mars 2000.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant estime que la cour cantonale a violé le droit fédéral en le condamnant pour enlèvement au sens de l'
art. 183 CP
.
a) Selon cette disposition, celui qui, en usant de violence, de ruse ou de menace, aura enlevé une personne, sera puni de la réclusion pour cinq ans au plus ou de l'emprisonnement. Selon le ch. 2, encourra la même peine celui qui aura enlevé une personne incapable de discernement ou de résistance ou âgée de moins de seize ans.
b) L'enfant est soumis, pendant sa minorité, à l'autorité parentale (
art. 296 al. 1 CC
). Les détenteurs de celle-ci ont le droit de garde sur l'enfant; ils déterminent par conséquent si celui-ci vivra dans leur foyer ou chez des tiers (HEGNAUER, Droit suisse de la filiation, Berne 1998, no 26.06). La liberté de l'enfant concernant son lieu de résidence est donc soumise aux restrictions découlant de l'autorité parentale. Sur le plan pénal, cela signifie que les détenteurs de l'autorité
BGE 126 IV 221 S. 223
parentale et du droit de garde ne peuvent pas commettre d'enlèvement de leur enfant, au sens de l'
art. 183 ch. 2 CP
, puisque le bien protégé par cette disposition n'est pas lésé (cf. STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 5e édition, Berne 1995, § 5 no 40).
La situation est différente lorsque le droit de garde a été attribué de manière exclusive à l'un des parents. Tel peut être le cas dans le cadre de mesures provisoires dans la procédure de divorce (
art. 137 CC
) ou de mesures protectrices de l'union conjugale (
art. 176 al. 3 CC
). Dans ce cas, le droit de l'autre parent de déterminer le lieu de séjour de l'enfant s'éteint (MEIER/STETTLER, Droit civil VI/2, Les effets de la filiation (art. 270 à 327 CC), Fribourg 1998, no 347 et 349; HEGNAUER, op. cit., no 26.10). Si ce parent déplace unilatéralement le lieu de séjour de son enfant, il est susceptible de commettre un enlèvement au sens de l'
art. 183 ch. 2 CP
.
Lorsqu'aucune décision n'a été rendue en matière d'autorité parentale et de droit de garde, les deux parents exercent ces prérogatives. Par conséquent, chacun d'eux est légitimé à déterminer le lieu de résidence de l'enfant; il en découle que si l'un des parents décide sans l'accord de l'autre de déplacer l'enfant, la liberté de celui-ci n'est pas lésée. La jurisprudence actuelle prévoit une exception à ce principe en ce sens que le déplacement de l'enfant devient punissable dès que cela n'est plus compatible avec son bien et son intérêt (
ATF 118 IV 61
consid. 3c p. 65). Cette exception mérite un réexamen. En effet, elle signifie qu'un déplacement du lieu de résidence d'un enfant par un parent autorisé à le faire ou par les deux parents, devient punissable en fonction de la manière dont celui-ci est traité. Or le bien de l'enfant n'est pas un critère pertinent en matière d'enlèvement. Au demeurant, il est très délicat de déterminer, suivant les cas, si le déplacement de l'enfant est conforme à son intérêt ou si tel n'est pas le cas. Il s'ensuit, en modification de la jurisprudence susmentionnée, que seul le déplacement d'un enfant par un parent qui n'a pas le droit de garde peut être réprimé par l'
art. 183 ch. 2 CP
. Un déplacement effectué par un parent qui détient l'autorité parentale et le droit de garde ne tombe pas sous le coup de cette disposition, même si ce déplacement ne sert pas le bien de l'enfant.
c) Cette modification de jurisprudence ne signifie toutefois pas que le comportement du parent qui déplace unilatéralement le lieu de séjour de son enfant échappe à toute norme pénale.
aa) Si le parent avec lequel vivait l'enfant dépose une plainte pénale, l'auteur du déplacement unilatéral est susceptible d'être
BGE 126 IV 221 S. 224
condamné pour enlèvement de mineur. En effet, le délit prévu à l'
art. 220 CP
protège le détenteur de l'autorité parentale dans son droit de déterminer le lieu de résidence du mineur qui dépend de lui (
ATF 125 IV 14
consid. 2a;
118 IV 61
consid. 2a p. 63). Cette infraction peut être commise par l'un des deux parents, s'il n'exerce pas ou pas seul l'autorité parentale (cf.
ATF 95 IV 68
). Elle se poursuit sur plainte. A noter que la question de savoir si cette infraction devait être poursuivie d'office a donné lieu à des débats au Conseil national; la majorité des parlementaires a voté pour la poursuite sur plainte, afin de ne pas imposer une procédure d'office aux époux (BO 1989 CN 702 s.).
bb) Par ailleurs, si le développement physique ou psychique de l'enfant est menacé par le déplacement unilatéral qui lui est imposé, le parent responsable de cet état s'expose à la sanction prévue par l'
art. 219 CP
. Cette disposition réprime la violation du devoir d'assistance ou d'éducation. Enfin, si la santé physique ou psychique de l'enfant est atteinte lors de ce déplacement, les dispositions sur l'intégrité corporelle sont également susceptibles de s'appliquer (art. 122 s. CP).
2.
Dans le cas d'espèce, les époux vivaient séparément sans qu'aucune décision judiciaire n'ait été prise concernant l'autorité parentale et le droit de garde sur l'enfant, âgé de dix mois. Celui-ci vivait de fait avec sa mère.
Le recourant a été reconnu coupable d'enlèvement au sens de l'
art. 183 ch. 2 CP
pour avoir emmené son fils en Espagne alors qu'il vivait auprès de sa mère en Suisse. Celle-ci a dans un premier temps déposé une plainte pour enlèvement de mineur au sens de l'
art. 220 CP
, puis après le retour de l'enfant en Suisse, l'a retirée. Une procédure pénale pour enlèvement au sens de l'
art. 183 CP
a été ouverte d'office.
Au moment des faits, le recourant était codétenteur de l'autorité parentale avec son épouse. Aucune décision judiciaire n'ayant attribué le droit de garde sur l'enfant à la mère, le recourant disposait donc du droit de déterminer le lieu de séjour de son fils. Il en résulte qu'en emmenant Z. en Espagne sans l'accord de son épouse, le recourant n'a pas lésé le bien juridique protégé par l'
art. 183 ch. 2 CP
, à savoir la liberté de son enfant, puisqu'en vertu du droit civil, il était légitimé à déterminer son lieu de séjour et que l'enfant, mineur, était soumis à cette décision. Il ne peut donc être reconnu coupable d'enlèvement au sens de cette disposition et le pourvoi sera admis.
3.
(Suite de frais). | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4fb7cb20-013d-4775-ba0e-9c68290ab601 | Urteilskopf
84 II 441
59. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Oktober 1958 i.S. Aktiebolaget Astra gegen Cilag A.-G. | Regeste
Verwechselbarkeit von Wortmarken,
Art. 6 MSchG
.
Frage des Schutzes tatsächlich gebrauchter, aber nicht eingetragener Übersetzungen einer eingetragenen Wortmarke (Erw. 1).
Frage der Verwechselbarkeit der Wortmarken "Xylokain" und "Celekain" für Lokalanaesthetika (Erw. 2-4). | Sachverhalt
ab Seite 441
BGE 84 II 441 S. 441
A.-
Die Firma Aktiebolaget Astra, Apotekarnes Kemiska Fabriker, ein international bekanntes schwedisches Unternehmen der pharmazeutischen Branche, ist Inhaberin der am 24. Februar 1947 im schweizerischen Markenregister unter Nr. 120 045 hinterlegten Wortmarke "XYLOCAIN". Diese Marke wurde ursprünglich für eine Reihe von Produkten beansprucht; am 1. April 1949 liess die Markeninhaberin jedoch die Warenliste auf "Lokalbetäubungsmittel" einschränken. Das Xylocain wird vornehmlich in flüssiger Form, in Ampullen und Zylindern, als Injektionsmittel hergestellt und von Ärzten sowie insbesondere Zahnärzten verwendet. Die Abgabe des Mittels erfolgt nur gegen Rezept. Die Reklame dafür richtet sich ausschliesslich an Ärzte und Zahnärzte, allenfalls noch an Apotheker.
Daneben stellt die AB Astra neuestens auch eine Salbe "Xylocain" als Anaesthetikum her. Diese in Apotheken erhältliche Salbe ist nicht rezeptpflichtig, doch wird dafür im Publikum keine Reklame gemacht.
BGE 84 II 441 S. 442
Die pharmazeutische Fabrik Cilag A.-G. in Schaffhausen hinterlegte am 22. November 1954 im schweizerischen Markenregister unter den Nr. 153 996-98 die Wortmarken "CELECAIN", "CELECAINA" und "CELECAINE", welche am 24. Januar 1955 auch international unter den Nr. 182 221-23 eingetragen wurden. Diese Eintragungen erfolgten zunächst ebenfalls für eine ganze Anzahl von Produkten, doch schränkte auch die Cilag A.-G. die Warenangabe im Markenregister bezüglich aller drei Marken am 18. Juli 1957 auf "rezeptpflichtige Arzneimittel (Lokalanaesthetika)" ein.
Die AB Astra fand, die Marke "Celecain" unterscheide sich von ihrer Marke "Xylocain" nicht hinlänglich, und wurde deswegen bei der Cilag A.-G. vorstellig. Diese stellte jedoch eine Verwechselbarkeit der beiden Marken in Abrede. Ein längerer Briefwechsel der Parteien blieb ergebnislos.
B.-
Mit Klage vom 15. Oktober 1956 beantragte die AB Astra, die Marken "CELECAIN", "CELECAINA" und "CELECAINE" der Beklagten seien ungültig zu erklären und der Beklagten der weitere Gebrauch dieser Bezeichnungen als Warenzeichen und in der Werbung zu verbieten.
Die Beklagte bestritt eine Verwechslungsgefahr und beantragte Abweisung der Klage.
C.-
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wies - nach Vormerknahme von der durch die Beklagte während des Prozesses vorgenommenen Beschränkung ihrer angefochtenen Marken auf rezeptpflichtige Arzneimittel (Lokalanaesthetika) - die Klage mit Urteil vom 4. Oktober 1957 ab.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihren oben erwähnten Klagebegehren fest; eventuell beantragt sie Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Die Beklagte ersucht um Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
BGE 84 II 441 S. 443
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Klägerin behauptet, die beiden umstrittenen Marken "Xylocain" und "Celecain" seien - für gleichartige Waren verwendet - miteinander verwechselbar.
a) Massgeblich ist auch bei Wortmarken der Eintrag im Markenregister (
Art. 6 Abs. 1 MSchG
;
BGE 84 II 318
,
BGE 78 II 382
Erw. 2). Die Klägerin hat ihre Marke nur in deutscher Sprache eintragen lassen, die Beklagte dagegen in den drei schweizerischen Amtssprachen. Demgemäss bezieht sich der markenrechtliche Schutz der Klägerin unmittelbar nur auf die deutschsprachige Bezeichnung; nur für die Beifügung schriftlicher Angaben zu einer Marke genügt laut
Art. 12 Abs. 4 MSchG
die Hinterlegung in einer einzigen Sprache grundsätzlich auch für die Übersetzung in andere Sprachen. Die reine Wortmarke lässt sich in ihrer Behandlung textlichen Zusätzen nicht durchwegs gleichstellen (vgl. MATTER, Kommentar zum MSchG, S. 166, zu Art. 12 Abs. 4). Trotzdem ist die Verwendung der Wortmarke in Übersetzungen wegen der Bedeutung des Marrkengebrauchs auch bei Beurteilung der Verwechselbarkeit heranzuziehen (MATTER, S. 107 Ziff. 2 und S. 109 Ziff. 9), wie das in der Rechtsprechung auch bei der Frage der Täuschungsgefahr geschieht (
BGE 82 I 51
Erw. 2,
BGE 56 I 55
f.). Dass die Klägerin ihre Marke "Xylocain" ausser in der deutschen Schreibweise auch in jener der beiden andern schweizerischen Amtssprachen gebraucht, steht fest (vgl. das Reklamematerial Klagebeilagen 3-7 und 9).
b) Die erst während des Prozesses von der Beklagten erklärte Einschränkung des Gebrauchs der Marke "Celecain" und ihrer sprachlichen Abwandlungen auf rezeptpflichtige Arzneimittel (Lokalanaesthetika) ist auch vom Bundesgericht zu berücksichtigen. Sollte die Klägerin die Berücksichtigung als unzulässig bemängeln wollen, so wäre darauf nicht einzutreten, da es sich um eine im Berufungsverfahren nicht überprüfbare Frage des kantonalen Prozessrechts handeln würde. Höchstens könnte sich fragen,
BGE 84 II 441 S. 444
ob die nachträgliche Einschränkung - weil Marken nur für den Gebrauch Bedeutung haben - Treu und Glauben widerspricht. Das wagt die Klägerin jedoch selber nicht zu behaupten, nachdem die Beklagte ihr Vorhaben, die umstrittene Marke für ein Lokalbetäubungsmittel zu verwenden, bereits am 8. November 1955, also vor Prozessbeginn bekanntgegeben und die Forschungstätigkeit zur Schaffung neuer Lokalanaesthetika seit Anfang 1952 in ihr Programm aufgenommen hatte. Somit ist von der genannten Beschränkung des durch die Beklagte beabsichtigten Markengebrauchs auszugehen (vgl.
BGE 56 II 464
,
BGE 58 II 172
Erw. 3).
c) Bei dieser Ausgangslage stehen Marken, welche nur für rezeptpflichtige Arzneimittel Verwendung finden sollen, bzw. eingetragene Abwandlungen der gleichen Marke in drei Landessprachen ("Celecain", "Celecaina" und "Célécaine") einer andern, zuerst eingetragenen Wortmarke (Xylocain) gegenüber, welche ihrerseits ebenfalls rezeptpflichtige Arzneimittel der gleichen Kategorie bezeichnet, daneben aber auch für eine ohne Rezept abgegebene Salbe verwendet wird, worauf die Klägerin in der Berufung besonderes Gewicht legt. Der zu beurteilende Tatbestand ist also verschieden, je nachdem die Vergleichung der jüngeren Marken mit der Prioritätsmarke deren Verwendung für das rezeptpflichtige Einspritzmittel oder die ohne Rezept erhältliche Salbe betrifft. Die beiden Fälle sind deshalb gesondert zu betrachten.
Die Unterscheidung der beiden Tatbestände besagt nichts zur Frage, ob die Verwechselbarkeit konkret oder abstrakt zu betrachten sei. Die Beklagte wirft der Klägerin vor, diese gelange lediglich auf Grund abstrakter Betrachtungsweise zur Bejahung der Verwechslungsgefahr. Ob der Vorwurf berechtigt sei, mag dahingestellt bleiben. Das Bundesgericht hat jedenfalls in ständiger Rechtsprechung die Verwechselbarkeit von Marken stets für den Einzelfall, also konkret geprüft (
BGE 83 II 220
Erw. 3,
BGE 82 II 540
Erw. 1).
BGE 84 II 441 S. 445
2.
Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, "Xylocain" werde hauptsächlich in flüssiger Form, als rezeptpflichtiges Injektionsmittel, verwendet, während die Salbe in ihrer praktischen Bedeutung jedenfalls sehr stark zurücktrete. Typisch ist somit die Verwendung als Injektionsmittel. Dieser Tatbestand ist daher vorweg zu behandeln.
Bei der Entscheidung der Frage der Verwechselbarkeit ist auf den letzten Abnehmer abzustellen (
BGE 83 II 220
Erw. 3 lit. a,
BGE 78 II 382
,
BGE 77 II 334
Erw. 3 a,
BGE 61 II 57
Erw. 3). Das sind beim Injektionsmittel Fachleute. Da es zur Vornahme von Einspritzungen dient, welche nur der dazu berechtigte Fachmann vornehmen darf, bekommt der Patient normalerweise weder das Rezept, noch überhaupt das gekaufte Mittel in die Hand. Beim Sachkundigen als Abnehmer und Verbraucher darf aber auf ein grösseres Unterscheidungsvermögen abgestellt werden als es das breite Publikum aufweist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung (
BGE 73 II 60
Abs. 1,
BGE 61 II 57
oben; grundsätzlich gleich RGZ 124 S. 103 oben). Hinsichtlich pharmazeutischer Präparate im besonderen ergibt sich dieser Grundsatz als natürliche Ergänzung zu den in
BGE 78 II 382
Erw. 1 niedergelegten Regeln; dort war auf den ohne Rezept erfolgenden Verkauf an das breite Publikum abzustellen; doch enthält jener Entscheid (Erw. 1 am Ende) bereits den Vorbehalt, dass unter besonderen Verhältnissen spezielle Einschränkungen in der Beurteilung der Verwechslungsgefahr geboten sein können. Da im vorliegenden Fall Bezug und Gebrauch der beiden zu vergleichenden Markenartikel ausschliesslich durch den Fachmann erfolgen, ist nur er als "letzter Abnehmer" im Rechtssinn zu betrachten (so auch das Kammergericht in GRUR 1927 S. 905). Dementsprechend ist nicht einmal die Rezeptpflicht für sich allein entscheidend; es bedarf daher keiner Untersuchung, wie weit sie es sonst sei oder nicht sei. Aus diesem Grunde können die von der Klägerin angerufenen deutschen Entscheide (RGZ 124 S. 104, 156 S. 359) nicht
BGE 84 II 441 S. 446
massgebend sein; denn dort handelte es sich um Präparate, die zwar nur gegen Rezept erhältlich waren, aber immerhin dem Patienten abgegeben wurden. In dem von der Klägerin weiter erwähnten österreichischen Entscheid (GRUR 1929 S. 162 ff.) wurde zur Frage der Rezeptpflicht überhaupt nicht Stellung genommen, sondern einfach die Verwechselbarkeit als solche bejaht; aus diesem Entscheid ist daher schon aus diesem Grunde für die Beurteilung des vorliegenden Falles nichts zu gewinnen.
Die Klägerin wendet allerdings ein, Nachbestellungen erfolgten meistens nicht durch den Arzt selbst, sondern durch seine Praxishilfe, welche keine Vorbildung zu besitzen brauche. In dieser Form geht der Einwand fehl. Denn ein grosser Teil des Arztpersonals ist geschult, ein weiterer zumindest praktisch erfahren. Also hat man es wiederum mit Branchekundigen zu tun, während auf den Ausnahmefall nicht abzustellen ist. Abgesehen hievon hat der sorgfältige Arzt die notwendigen Weisungen (wofür er verantwortlich ist) zu erteilen. Die Klägerin erwähnt schliesslich "mögliche Irrtümer"; aber solche sind für die gerichtliche Entscheidung nicht massgebend.
Praktisch betrachtet, ist somit die Verwechslungsgefahr in Fällen wie dem vorliegenden, wo das Präparat für den Fachmann bestimmt bleibt, wesentlich geringer als bei der Abgabe gegen Rezept an den Patienten oder gar beim freien Verkauf an das grosse Publikum. Wollte man es anders halten (wie z.B. das Reichsgericht in RGZ 124 S. 104 Abs. 1), dann müsste der Unterscheidung zwischen Fachleuten und Nichtfachleuten die ihr von der schweizerischen Rechtsprechung sonst beigelegte Bedeutung abgesprochen werden. Hiezu besteht kein Anlass.
3.
Geht man von diesen Grundsätzen über die Anforderungen an die Unterscheidungsfähigkeit aus, so ist die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Gemäss ständiger Rechtsprechung wird die Unterscheidbarkeit von Marken durch den Gesamteindruck bestimmt (
BGE 82 II 233
/4,
BGE 78 II 380
ff.); dieser wiederum hängt ab vom Schriftbild,
BGE 84 II 441 S. 447
also von der Wortlänge, der Gleichartigkeit oder Verschiedenheit der verwendeten Buchstaben, und vom Wortklang, d.h. vom Silbenmass, der Kadenz und der Aufeinanderfolge der sonoren Vokale (
BGE 78 II 381
,
BGE 79 II 222
Erw. 4,
BGE 82 II 234
Erw. 3, 541 Erw. 2 und 3). Bei Anlegung dieser Massstäbe sind die Wortmarken "Xylocain" und "Celecain" als für Fachleute genügend unterscheidbar zu betrachten. Insbesondere ist nicht anzunehmen, das X in "Xylo. .." und das C in "Cele. .." (besonders noch bei der häufigen Aussprache des C als K) gäben Anlass zu Verwechslungen. Dem y in "Xylo. ..", sei es als i oder als ü ausgesprochen, und vor allem dem sonoren o kommt gegenüber den beiden e in "Cele. .." ganz besondere Unterscheidungskraft zu. Klangliche Ähnlichkeiten, deretwegen das deutsche Patentamt die Zulassung der Marke der Beklagten abgelehnt hat, sind zu entfernt, als dass sie entscheidend ins Gewicht fallen könnten. Damit Verwechslungsgefahr anzunehmen wäre, bedürfte es eines geringeren Grades der Verschiedenheit, nämlich des Fehlens charakteristischer Merkmale, welche Unterscheidungskraft verleihen.
Nun stimmen allerdings die Endungen "... cain", "... caine" und "... caina" in den Vergleichsmarken überein; aber die Endung ist den Marken von über 120 Lokalbetäubungsmitteln gemein, weil sie medizinisch als Kennzeichen für solche gilt und hiefür vom Exekutivrat der Weltgesundheitsorganisation anempfohlen wurde (vgl. Antwortbeilage 3, "Résolutions" vom 18. Januar 1955, nebst Anlage II, sowie GRUR 1927 S. 905 Spalte 2). Wenn auch auf den Gesamteindruck abzustellen ist, so bleibt dergestalt nur der erste Teil von Marken für Lokalbetäubungsmittel charakteristisch; ihm aber haftet vorliegend genügende Unterscheidungskraft an. Das hat mit der von der Klägerin behaupteten Weglassung eines schutzunfähigen Teils beim Markenvergleich nichts zu tun; denn laut Gesetz (MSchG Art. 6 Abs. 1) genügt es, dass der Marke in ihrem Gesamtbild durch "wesentliche
BGE 84 II 441 S. 448
Merkmale" die Unterscheidbarkeit verliehen wird. Das trifft vorliegend zu. Der Einwand der Klägerin hält nur dort stand, wo auch die schutzfähigen Teile von Vergleichsmarken dermassen farblos oder einander ähnlich sind, dass sie dem ganzen Markenwort keinen unterscheidenden Stempel aufzudrücken vermögen (vgl. z.B.
BGE 78 II 381
ff. Erw. 1 und 4).
Die Klägerin glaubt sich darauf berufen zu können, dass die Beklagte die Anmeldung ihrer Marke in Schweden mit Rücksicht auf die Besonderheiten der schwedischen Sprache, in der bei der Aussprache der Vokale e und o oft nur ein geringer Unterschied gemacht werde, zurückgezogen hat. Das kann für die schweizerischen Amtssprachen keine Bedeutung beanspruchen. Die Klägerin meint zwar, der Fall undeutlicher Aussprache müsse auch hier mitbeachtet werden. Allein hiebei handelt es sich um etwas anderes als in Schweden, nämlich um eigentliche Mängel der Aussprache. Die Berücksichtigung auch fehlerhafter Aussprachen beim Markenvergleich würde ausserordentlich weit führen, dies besonders beim fachkundigen Abnehmer. Es ist auf die Norm abzustellen.
Nicht wesentlich anders als in der deutschen Sprache fällt der Markenvergleich im Französischen und Italienischen aus. Die Wortendungen ändern bei der Prioritätsmarke der Klägerin und den Vergleichsmarken der Beklagten in genau gleicher Weise. Es bedarf also keiner besonderen Untersuchung der Unterschiede in den beiden andern Sprachen.
Damit erweist sich der Entscheid der Vorinstanz, soweit die Verwendung der Marken für das Injektionsmittel in Frage steht, als richtig.
4.
Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Marke "Xylocain" auch für eine Salbe bestimmt. Dass die Klägerin ihre Marke auch in dieser Weise gebraucht, ist von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt. Eine Rezeptpflicht besteht für diese Salbe nicht; dagegen unterstellt die Vorinstanz, es sei anzunehmen,
BGE 84 II 441 S. 449
dass auch die Salbe "meist auf ärztliche Veranlassung zur vorübergehenden Schmerzlinderung angewendet" werde. Danach steht also auch die Verwendung der Salbe vorwiegend unter ärztlicher Kontrolle. Bei dieser Sachlage erübrigt sich die von der Klägerin eventuell beantragte Rückweisung des Falles an die Vorinstanz zwecks Abnahme von Beweisen über den angeblich unbegrenzten Abnehmerkreis oder die Feststellung des Umfanges der Verkäufe von Xylocainsalbe.
Wird aber auch die Salbe meist auf ärztliche Veranlassung abgegeben, so ist nicht ersichtlich, wo beim Laien eine Verwechslungsgefahr liegen soll. Eine solche ist namentlich auch deshalb zu verneinen, weil der Laie weder Bezüger noch Verbraucher der Konkurrenzware "Celecain" ist. Daher sind, solange die Beklagte gemäss ihrer verbindlichen Prozesserklärung unter ihrer Marke nur rezeptpflichtige Lokalanaesthetika vertreibt, Verwechslungen ausgeschlossen. Die Klage ist daher auch in diesem Punkte abzuweisen, ohne dass die Frage der auch für den Laien genügenden Unterscheidbarkeit der Marken entschieden werden müsste.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 4. Oktober 1957 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fbb561f-7cc7-418f-b33b-450cc0dd7c23 | Urteilskopf
104 IV 110
29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. Mai 1978 i.S. Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen M. | Regeste
1.
Art. 36 Abs. 1 SVG
. Pflicht zum Einspuren und Pflicht, gemäss der bei Erreichen der Verzweigung benutzten Einspurbahn weiterzufahren (Erw. 3).
2.
Art. 49 Abs. 3 SSV
. Grüne Pfeile in Lichtsignalen erteilen den Benützern der betreffenden Spur die verpflichtende Weisung, in Pfeilrichtung weiterzufahren (Erw. 4).
3.
Art. 36 Abs. 1,
Art. 44 SVG
. Ein Spurwechsel ist nur zulässig, wo Fahrstreifen nicht durch Sicherheitslinien getrennt sind, längstens aber bis zum Rande einer Verzweigung bzw. bis zu einem dort markierten Haltebalken (Erw. 2 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 111
BGE 104 IV 110 S. 111
A.-
a) M. fuhr am 15. August 1976, um 16.30 Uhr, mit seinem Taxi auf der Weststrasse in Zürich stadteinwärts. An der Verzweigung Weststrasse/Kalkbreitestrasse hielt er sein Fahrzeug wegen Rotlichtes vor dem Haltebalken des mittleren Fahrstreifens an.
b) Die Weststrasse weist vor der Kreuzung mit der Kalkbreitestrasse in Richtung Stadtzentrum drei durch Leitlinien getrennte Fahrstreifen auf, die in Fahrtrichtung gesehen mit Richtungspfeilen markiert sind. Die linke Spur ist für die nach links abbiegenden Fahrzeuge bestimmt, die mittlere und die rechte Spur für Geradeausfahrt, die rechte Spur auch für Rechtsabbieger. Eine Fahrbahn für den Gegenverkehr ist nicht vorhanden (Einbahnstrasse). Vor der Kreuzung befindet sich ein Fussgängerstreifen. An dessen der Kreuzung abgewandter Seite quert ein Haltebalken die Strasse.
Der Verkehr auf der Kreuzung wird durch eine Lichtsignalanlage geregelt. Über der Fahrbahu hängen Ampeln für die mittlere und die rechte Spur. Rechts über dem Trottoir befindet sich etwas niedriger eine Wiederholung der über dem rechten Fahrstreifen hängenden Ampel. Für den linken Fahrstreifen ist kein Licht über der Fahrbahn selbst angebracht, sondern eine tiefer befestigte Ampel über dem linken Trottoir. Alle Verkehrslichter zeigen bei Rot und Grün Richtungspfeile entsprechend den Markierungen der Einspurstreifen. Die Ampeln haben gleichzeitig Rotlicht. Grünlicht erscheint zuerst für die Streifen in der Mitte und rechts, ca 2 1/2 Sekunden später auch für die Linksabbiegespur.
c) Während M. auf dem mittleren Geradeausstreifen vor dem Rotlicht wartete, forderte ihn sein Fahrgast auf, nach links
BGE 104 IV 110 S. 112
in die Kalkbreitestrasse zu fahren. Als die Verkehrslichter auf grün schalteten, bog M. von der Geradeausspur her nach links ab. Dabei setzte er sich vor die in der Linksabbiegespur befindlichen Fahrzeuge, die dann hinter ihm in die Kalkbreitestrasse gelangten. Knapp vor dem Abbiegen betätigte er den linken Blinker.
B.-
Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich verurteilte M. wegen Übertretung von Art. 27 Abs. 1 und 39 Abs. 1 SVG zu einer Busse von Fr. 70.-. Der Einzelrichter des Bezirkes Zürich sprach ihn frei. Das Obergericht wies am 16. Februar 1978 die Nichtigkeitsbeschwerde des Polizeirichteramtes Zürich ab.
C.-
Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beantragt das Polizeirichteramt Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Bestrafung des M. Dieser beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Sind auf einer Strasse durch Leitlinien mehrere Fahrstreifen (
Art. 1 Abs. 5 VRV
) markiert, dann darf sie der Fahrzeugführer (nur) wechseln, wenn er dadurch den übrigen Verkehr nicht gefährdet (
Art. 44 Abs. 1 SVG
). Die Leitlinien dürfen mit der gebotenen Vorsicht überfahren werden (
Art. 52 Abs. 3 SSV
).
Das schweizerische Verkehrsrecht verpflichtet die Fahrzeugführer nicht, die einmal gewählte Spur womöglich beizubehalten. Vielmehr sind die allgemeinen Verkehrsregeln (Rechtsfahren, links Überholen, Einspuren usw.) zu beachten. Um ihnen zu genügen, ist nötigenfalls über Leitlinien hinweg die Spur zu wechseln.
Werden die Fahrstreifen dagegen durch Sicherheitslinien (
Art. 52 Abs. 1 SSV
) getrennt, so ist ein Spurwechsel auch dann unzulässig, wenn niemand gefährdet wird.
Diese Regeln gelten für alle Fahrstreifen, also auch für Einspurstreifen.
3.
a) Unter der Herrschaft des MFG galt das Gebot des Rechtsfahrens auch bei der Annäherung an Verzweigungen, unabhängig von der weiteren Fahrtrichtung. Diese Regel entsprach den Verkehrsverhältnissen bei Erlass des MFG: Spärlicher
BGE 104 IV 110 S. 113
Motorfahrzeugverkehr auf schmalen Strassen mit ungesicherten Randstreifen.
Das SVG trug den Veränderungen im Verkehr Rechnung.
Art. 36 Abs. 1 SVG
verlangt vom Fahrzeugführer, bei der Annäherung an eine Verzweigung einzuspuren; nach links, falls er links abbiegen will, nach rechts, wenn er nach rechts abzubiegen beabsichtigt. Geradeaus darf grundsätzlich auf der ganzen Fahrbahn gefahren werden, sofern nichts anderes signalisiert ist. (Alle diese Bemerkungen beziehen sich auf den Verkehr in einer Verkehrsrichtung, ohne Berücksichtigung des dem Gegenverkehr dienenden Teiles der Strasse).
Die Pflicht zum Einspuren gilt allgemein, nicht nur auf breiten Strassen mit oder ohne markierte Fahrstreifen (
Art. 13 VRV
).
Sinn dieser Regelung ist es, die Verkehrsströme rechtzeitig vor Verzweigungen zu entflechten. Damit wird vor allem die Gefahr von Kollisionen auf der Verzweigung gemindert. Angesichts verschieden stark belegter und durch unterschiedliche Hindernisse beeinträchtigter Fahrspuren erhöht das Einspuren ferner die Flüssigkeit des Verkehrs. Wichtig ist vor allem die Trennung der Linksabbieger vom übrigen Verkehr, weil sie oft wegen des Gegenverkehrs an der Verzweigung warten müssen und bei Beachtung der Einspurregeln die übrigen Verkehrsströme ungehindert rechts an ihnen vorbeiziehen können.
Um den angestrebten Zweck zu erreichen, muss rechtzeitig eingespurt werden. Anderseits würde zu frühes Einspuren das Gebot des Rechtsfahrens verletzen und das Linksüberholen verunmöglichen. Der geeignete Ort hängt von den konkreten Gegebenheiten ab und kann nicht allzu eng festgelegt werden (
BGE 94 IV 123
E. 2,
BGE 95 IV 82
).
b) Aus der Vorschrift des
Art. 36 Abs. 1 SVG
, vor Verzweigungen einzuspuren, und aus dem damit verfolgten Zweck ergibt sich unausweichlich die Pflicht, gemäss der bei Erreichen der Verzweigung benutzten Einspurbahn weiterzufahren. Es wäre unvorstellbar, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung von Kollisionen auf Verzweigungen allen Fahrzeuglenkern vorschriebe, entsprechend der später beabsichtigten Richtung einzuspuren, um auf der Verzweigung selbst dann aber wieder eine völlige Durchmischung zu gestatten, indem es der Laune der Strassenbenützer überlassen bliebe, z.B. aus der Linksabbiegespur in die Geradeaus- oder Rechtsabbiegespur hinüberzuwechseln
BGE 104 IV 110 S. 114
und umgekehrt. Die Einspurpflicht würde dadurch völlig entwertet.
c) Sind mehrere Einspurstreifen vorhanden, so lässt sich beim Fehlen entsprechender Markierungen nicht allgemein sagen, ob die äussersten Streifen nur den Abbiegern oder auch dem Geradeausverkehr dienen und ob eventuell mehrspurig abgebogen bzw. geradeaus gefahren werden darf. Erfordernisse und Möglichkeiten richten sich nach den konkreten Verhältnissen. Der Fahrer darf jedenfalls von der äusseren Spur aus in die betreffende Richtung abbiegen; im übrigen hat er nach pflichtgemässer Überlegung zu handeln.
Zur Vermeidung von Unklarheiten und zur Erreichung einer einheitlichen Verkehrsordnung werden die Einspurstreifen bei bedeutenderen Verzweigungen regelmässig durch Einspurpfeile auf der Fahrbahn gekennzeichnet (Signal Nr. 406). Solche Bodenpfeile sind keine blossen Hinweise, sondern verpflichten den Fahrzeuglenker (
BGE 98 IV 283
f.). Wer in die durch den Pfeil angegebene Richtung fahren will, muss diese Einspurbahn benützen. Wer in einen solchen Streifen eingespurt hat, muss darauf bleiben und in der durch den Pfeil angegebenen Richtung weiterfahren.
Der Verteidiger bestreitet allerdings allgemein den zwingenden Charakter von Markierungen. Er setzt sich aber weder mit dem zitierten Urteil auseinander noch mit den unbestreitbar zwingenden Vorschriften von Art. 52 Abs. 1, 3, 4; 53 Abs. 1
; 54 Abs. 2 SSV
usw.
Da der Beginn der Einspurstrecke nicht eindeutig feststeht, gelegentlich die zutreffende Spur nicht sofort erkannt wird und da schliesslich ein Spurwechsel durch bereits auf der angestrebten Spur verkehrende Fahrzeuge verzögert werden kann, ist das Einspuren auch nach Beginn der Pfeilmarkierungen noch solange zulässig, als die Spuren durch eine Leitlinie und nicht durch eine Sicherheitslinie getrennt sind.
Eingespurt werden kann begrifflich nur bis zum Rande der Verzweigung bzw. bis zu einem dort markierten Haltebalken, handelt es sich doch dabei gemäss
Art. 36 Abs. 1 SVG
um die Vorbereitung der Weiterfahrt auf der Verzweigung. Ein "Spurwechsel" jenseits des Haltebalkens auf der Verzweigung selbst ist undenkbar; vielmehr handelt es sich dabei um ein unzulässiges Befahren der Verzweigung entgegen der beim Einspuren gewählten Richtung. War die Spur durch einen Richtungspfeil
BGE 104 IV 110 S. 115
markiert, liegt in einem solchen Verhalten auch eine Verletzung der aus dieser Markierung fliessenden Verpflichtung.
4.
Umstritten ist im vorliegenden Fall die Bedeutung der grünen Pfeile in Signalampeln. Nach Auffassung des Beschwerdeführers handelt es sich dabei um eine verpflichtende Weisung an die Benützer der betreffenden Spur, in Pfeilrichtung weiterzufahren. Vorinstanz und Verteidigung sehen darin lediglich eine Erlaubnis zur Weiterfahrt in der angegebenen Richtung, wobei es dem Fahrzeugführer freistehen soll, unabhängig von seinem Standort eingangs der Kreuzung in irgendeine Richtung zu fahren, für die grüne Pfeile leuchten.
Art. 49 Abs. 3 SSV
sagt, dass grüne Pfeile in Leuchtsignalen den Verkehr in der angegebenen Richtung gestatten. Die Pfeile erteilen somit zwar die Erlaubnis zur Weiterfahrt, aber nur in der angegebenen Richtung, woraus mittelbar die Pflicht folgt, die Fahrt in der Pfeilrichtung fortzusetzen.
Runde Lichtsignale gelten an einer Verzweigung für den gesamten aus der betreffenden Strasse kommenden Verkehr, unabhängig von der weiteren Fahrtrichtung. Diese verbreitete Art von Signalen genügt somit, wenn nur Halt und Fahrt geregelt werden sollen, nicht aber die Richtung der einzelnen Fahrströme.
Sind jedoch markierte Einspurstreifen vorhanden und ist für jeden oder einzelne dieser Streifen eine gesonderte Ampel mit Leuchtpfeilen angebracht, so kann das nur den Sinn einer optischen Weiterführung verpflichtender Einspurpfeile haben. Die Ampeln regeln dann den Verkehr für die betreffenden Fahrspuren und zeigen die Richtung, die von den einzelnen Fahrzeugen eingehalten werden muss. Wollte man mit der Vorinstanz den Richtungspfeilen solcher Ampeln die verpflichtende Wirkung absprechen, so wäre nicht einzusehen, wozu bei übereinstimmenden Phasen überhaupt Pfeile verwendet werden, statt den Verkehr generell mit rundem Grün- und Rotlicht zu steuern. Aber auch dort, wo nur eine Phase einer Fahrtrichtung verkürzt ist (wie im vorliegenden Fall), würde es genügen, hiefür Lichtsignale mit Richtungspfeilen anzubringen, im übrigen aber runde Signale ohne Pfeile zu verwenden. Dass auch diese anderen Signale mit Richtungspfeilen versehen wurden, zeigt, dass diesen eine besondere Bedeutung zukommen muss.
Das Anbringen getrennter, mit Richtungspfeilen versehener Ampeln für einzelne Fahrstreifen erleichtert zudem das Einspuren
BGE 104 IV 110 S. 116
auf grössere Distanz, besonders wenn die Bodenmarkierungen durch vorausfahrende Fahrzeuge oder Schnee verdeckt sind. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre es widersinnig, die Weiterfahrt auf der Verzweigung entgegen der jeweils angezeigten Pfeilrichtung zuzulassen.
5.
Die Regelung in der Bundesrepublik Deutschland entspricht der geschilderten Rechtslage in der Schweiz. Die Strassenverkehrsordnung sagt zum Einspurzeichen 297 (identisch mit Signal Nr. 406 SSV) in § 41 III Ziff. 5 Abs. 2: "Sind zwischen den Pfeilen Leitlinien oder Fahrstreifenbegrenzungen markiert, so schreiben die Pfeile die Fahrtrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung vor". In der Begründung zu dieser Regelung heisst es:
"Wenn sie (die Pfeile) zwischen Leitlinien oder Fahrstreifenbegrenzungen angebracht sind, die die einzelnen Fahrstreifen für die gleiche Richtung markieren, enthalten sie das Gebot über das Verhalten an der nächsten Kreuzung oder Einmündung. Gerade dort darf der durch die Markierung bis dahin geordnete Verkehr keinesfalls durcheinandergeraten... Der Text folgt einer Weltregel (Art. 28 Abs. 1 Satz 3 des Weltabkommens über Strassenverkehrszeichen)" (JAGUSCH, Strassenverkehrsrecht, 23. Aufl., StVO § 41 Rz 184 und 241).
Zur Bedeutung des grünen Pfeils in Lichtsignalen sagt § 37 StVO: "Nur in der Richtung des Pfeiles ist der Verkehr freigegeben." Die Praxis hat daraus analog den Ausführungen in Erwägung 4 abgeleitet: "Der grüne Pfeil erlaubt die Weiterfahrt nur in der angezeigten Richtung und untersagt sie in anderen Richtungen, auch wenn Abbiege- und Geradeausspur noch weiter nebeneinander herlaufen" (JAGUSCH, a.a.O., StVO § 37 Rz 47).
Damit stimmt auch überein der Entwurf einer Verordnung über Europäische Verkehrszeichen, ausgearbeitet von der World Touring and Automobile Organisation, der in Art. 94 Ziff. 1.3 sagt: "Das grüne Lichtzeichen (Lichtsignal) kann auch die Form eines oder mehrerer Pfeile haben; es bedeutet dann "Freie Fahrt" nur in Richtung der Pfeile unter Ausschluss aller anderen Richtungen."
Auch im Hinblick auf den intensiven Tourismus empfiehlt sich eine Auslegung des SVG, die mit den Verkehrsregeln im Ausland möglichst übereinstimmt.
6.
Der Kassationshof führte in
BGE 98 IV 284
aus, es komme vor, dass vor allem ortsunkundige Fahrer erst unmittelbar
BGE 104 IV 110 S. 117
vor der Kreuzung bemerken, dass sie sich über die einzuschlagende Fahrtrichtung geirrt haben. Wer in diesem Fall seinen Entschluss ändere, sei nicht zu bestrafen, müsse aber auf alle übrigen Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen. Die Vorinstanz stützt sich auf diese Erwägung. Der Beschwerdegegner habe seine Absicht erst geändert, als sein Fahrgast ihn an der Kreuzung zur Richtungsänderung aufforderte. Er habe keine Sorgfaltspflicht verletzt.
a) Die zitierte Erwägung ist richtig, bedarf aber der Präzisierung.
Erkennt oder deutet ein Fahrzeugführer, insbesondere der Ortsunkundige, die Einspurmarkierungen nicht rechtzeitig, so trifft ihn kein Vorwurf der Verkehrsregelverletzung, wenn er später einspurt, als dies normalerweise richtig wäre. Es soll vermieden werden, dass zeitraubende und lästige Irrfahrten entstehen. Zulässig ist der Spurwechsel jedoch auch für solche Fahrer nur im Bereich von Leitlinien und längstens bis zum Haltebalken bzw. zum Rande der Verzweigung selber. Sind die Fahrstreifen durch Sicherheitslinien getrennt oder hat das Fahrzeug die Kreuzung bereits erreicht, so muss der Fahrer gemäss seiner Spur weiterfahren und darf die Richtung nicht mehr ändern. Das gilt insbesondere dort, wo eine Richtung durch Einspurpfeile auf der Strasse und/oder Richtungspfeile in den Ampeln vorgeschrieben ist.
b) Weder die Vorinstanz noch der Beschwerdegegner behaupten, dieser sei ortsunkundig. Das wäre bei einem seit Jahren in Zürich und Umgebung tätigen Taxifahrer und auf der vielbefahrenen Strasse auch unglaubwürdig. Falsches Einspuren an dieser Kreuzung bedeutete für den Beschwerdegegner keine beschwerliche Irrfahrt, sondern nur einen kurzen Umweg um den nächsten Häuserblock, und für den Fahrgast einen unbedeutenden Mehraufwand an Zeit und Geld.
Der Beschwerdegegner hat sich über die Einspurstreifen und die Fahrtrichtungen keineswegs geirrt. Er fuhr auf der Mittelspur, um die Kreuzung geradeaus zu überqueren. Die Aufforderung des Passagiers war für ihn ebensowenig eine Rechtfertigung zu einem verkehrswidrigen Verhalten, wie wenn es sich links um eine verbotene Strasse gehandelt hätte. Anders entscheiden würde dazu führen, jede im letzten Augenblick getroffene Änderung der beabsichtigten Route anerkennen zu müssen, auch wenn es sich um Privatautos handelt.
BGE 104 IV 110 S. 118
Der Beschwerdegegner hat nicht unmittelbar vor der Kreuzung in die Abbiegespur hinübergewechselt, wie dies im zitierten Entscheid des Bundesgerichts als vertretbar erklärt wurde. Erst nachdem er aus der Geradeausspur kommend über den Haltebalken gefahren war, bog er auf der Verzweigung nach links ab. Ob der Beschwerdegegner dabei genügend Rücksicht auf die übrigen Strassenbenützer genommen hat, braucht nicht geprüft zu werden, erscheint aber mindestens zweifelhaft. Es steht fest, dass er sich den korrekt eingespurten Linksabbiegern vor die Nase setzte und ihnen voraus nach links abbog.
c) Aus der erwähnten Erwägung des Kassationshofs kann daher nichts zugunsten des Beschwerdegegners abgeleitet werden.
7.
In der Beschwerdeantwort wird die Meinung vertreten, bei besonderer Vorsicht sei es unter Umständen zulässig, "vom allgemeinen Verkehrsstrom abweichende Manöver durchzuführen". Wenn der Verteidiger damit zum Ausdruck bringen will, Verkehrsregeln dürften verletzt werden, falls niemand gefährdet werde, so ist diese Auffassung unhaltbar. Mit solcher Begründung könnten in verkehrsarmen Zeiten Rotlichtsignale, Geschwindigkeitsbeschränkungen, Sicherheitslinien usw. missachtet werden. Auch die vom Beschwerdegegner begangene Verkehrsregelverletzung wird nicht dadurch ungeschehen gemacht, dass keine Kollision erfolgte.
8.
Der Beschwerdegegner hat die Einspurregeln mehrfach verletzt. Er fuhr in der Mittelspur von drei Einspurstreifen nicht geradeaus, sondern nach links. Er missachtete dabei die verbindliche Weisung der Richtungspfeile der Bodenmarkierung. Er missachtete ferner die Weisung der Lichtsignalanlage, deren grüner Pfeil für die Mittelspur ausschliesslich Geradeausfahrt gestattete. Er hat damit Art. 27 Abs. 1, 36 Abs. 1 SVG, 49 Abs. 3 und 53 Abs. 1 SSV verletzt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Februar 1978 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4fbb5907-f75a-4bb5-87cc-ecd5a87870eb | Urteilskopf
112 Ia 208
35. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. September 1986 i.S. Kritisches Forum Schwyz und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Stimmrechtsbeschwerde (
Art. 85 lit. a OG
); Initiative auf Partialrevision der Verfassung des Kantons Schwyz (§§ 103 ff. der Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 23. Oktober 1898).
1. Beschwerdelegitimation Einzelner und einer politischen Partei (E. 1a). Der Stimmbürger hat nicht nur Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsresultat anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt, sondern auch darauf, dass ein ordnungsgemäss zustande gekommenes Abstimmungsergebnis (oder eine ordnungsgemäss zustande gekommene Wahl) auch anerkannt wird (E. 1b). Auch die Stimmrechtsbeschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur (E. 1c).
2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Stimmrechtsbeschwerden.
Auslegung der Verfassung (E. 2a), vorliegend der §§ 103 ff. KV. Aufgrund der grammatikalischen und der historischen Methode ergibt sich, dass der Kanton Schwyz die Volksinitiative auf Partialrevision seiner Verfassung nur in der Form der allgemeinen Anregung, nicht auch in derjenigen des ausgearbeiteten Entwurfes kennt (E. 2b-e und 3); Vertrauensschutz (E. 4)? | Sachverhalt
ab Seite 209
BGE 112 Ia 208 S. 209
Am 29. Dezember 1982 wurde im Kanton Schwyz eine mit 3463 gültigen Unterschriften versehene "Volksinitiative für die Erhaltung unserer Schwyzer Landschaften" eingereicht. Die Initianten verlangten, die Kantonsverfassung wie folgt zu ergänzen:
"Paragraph 13, Abs. 4:
Unter dem Vorbehalt der Rechte bestehender Bauten ist der Kantonsrat verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren das Kantonsgebiet nach folgenden Richtlinien in Landwirtschafts- oder Schutzzonen im Sinne von Art. 16 und 17 des Bundesgesetzes über die Raumplanung einzuteilen:
- auf landwirtschaftlich genutztem Land ausserhalb von Bauzonen dürfen nur Bauten bewilligt werden, die der existenzsichernden landwirtschaftlichen Nutzung oder dem überwiegenden öffentlichen Interesse dienen und das Landschaftsbild nicht stören.
- sämtliche Gebiete, die nach dem generellen Inventar und im Sinne der Ziele des Landschaftsschutzkonzeptes 1974 (Kantonsplanung Bd. 3) als schützenswert gelten, sind zu Landwirtschafts- oder Schutzzonen zu erklären.
Einzelheiten bestimmt das Gesetz.
Übergangsbestimmung: bis zum Erlass der entsprechenden Gesetzgebung dürfen keine weiteren Baubewilligungen ausserhalb von Bauzonen erteilt werden. Vorbehalten bleiben noch nicht eingezonte, aber
BGE 112 Ia 208 S. 210
bereits überbaute und als vorläufige Bauzonen ausgeschiedene Gebiete."
Die Schwyzer Stimmbürger nahmen in der Volksabstimmung vom 22. September 1985 das Initiativbegehren gegen die Empfehlung des Regierungs- und des Kantonsrats mit 14'166 Ja gegen 12'363 Nein an.
In Erwägung, dass im Kanton Schwyz Initiativbegehren auf Partialrevision der Verfassung nach geltendem Recht nur in der Form der allgemeinen Anregung zulässig seien, nicht aber in jener des ausgearbeiteten Entwurfes, beschloss der Regierungsrat am 15. Oktober 1985, dem Kantonsrat eine Vorlage für eine formulierte Verfassungsbestimmung zum Initiativbegehren "zur Erhaltung unserer Schwyzer Landschaften" zuzuleiten, die vom Kantonsrat ausgearbeitete Verfassungsbestimmung zu gegebener Zeit der Volksabstimmung zu unterbreiten und nach ihrer Annahme um die Gewährung der Bundesversammlung nachzusuchen. Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt des Kantons Schwyz vom 18. Oktober 1985 publiziert.
Das Kritische Forum Schwyz und vier im Kanton stimmberechtigte Einzelpersonen führen gegen den Beschluss des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der politischen Rechte (
Art. 85 lit. a OG
). Sie stellen folgende Anträge:
"Der Beschluss des Regierungsrates des Kts. Schwyz vom 15. Okt. 1985 betr. Initiativbegehren "zur Erhaltung unserer Schwyzer Landschaften" sei aufzuheben, und der Regierungsrat sei zu verpflichten, die in der Volksabstimmung vom 22. Sept. 1985 angenommenen Verfassungsbestimmungen (§ 13 Abs. 4 KV) in Rechtskraft zu setzen und in die Gesetzessammlung aufzunehmen."
Zur Begründung führen sie im wesentlichen aus, die Volksinitiative auf Partialrevision der Schwyzer Verfassung sei zulässigerweise in der Form eines formulierten Vorschlages eingereicht und durch die Stimmbürger als solche angenommen worden. Durch die Behandlung als allgemeine Anregung und durch den Vorbehalt einer zweiten Verfassungsabstimmung werde ihr Stimmrecht verletzt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (
BGE 106 Ia 152
E. 1).
BGE 112 Ia 208 S. 211
a) Die Beschwerdeführer 2 bis 5 sind unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner des Kantons Schwyz. Als solche sind sie zur Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von
Art. 85 lit. a OG
legitimiert (
BGE 111 Ia 116
E. 1a mit Hinweisen).
Die politischen Parteien sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung befugt, kantonale Abstimmungen und Wahlen mit staatsrechtlicher Beschwerde nach
Art. 85 lit. a OG
anzufechten, sofern sie im betreffenden Kanton tätig sind und sich als juristische Person konstituiert haben (Pra 1986, Nr. 31, E. 2b mit Hinweis). Der Beschwerdeführer 1 erfüllt diese Voraussetzungen; auch er ist zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert.
b) Das politische Stimmrecht im Sinne von
Art. 85 lit. a OG
gibt dem Bürger einen Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsresultat anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (
BGE 111 Ia 198
E. 2b mit Hinweis). Positiv ausgedrückt hat der Stimmbürger aber auch Anspruch darauf, dass ein ordnungsgemäss zustande gekommenes Abstimmungsergebnis (oder eine ordnungsgemäss zustande gekommene Wahl) anerkannt wird. In Konkretisierung dieses Rechts hat das Bundesgericht in
BGE 100 Ia 381
entschieden, Initianten könnten sich mit der Stimmrechtsbeschwerde dagegen zur Wehr setzen, dass durch ein unzulässiges Vorgehen der Behörde bei Abstimmungsfragen die Wirkungen der Annahme eines Volksbegehrens verhindert würden. Vorliegend sind nicht direkt Abstimmungsfragen streitig. Der Regierungsrat hat aber, indem er in seinem Beschluss vom 15. Oktober 1985 das von den Stimmbürgern angenommene Initiativbegehren als allgemeine Anregung qualifizierte, die Initianten gleichwohl um die direkten Wirkungen ihres Volksbegehrens gebracht: Dessen Text wird nicht unmittelbar zur Verfassungsbestimmung, sondern bedarf einer weiteren ausformulierten Vorlage, welche nochmals der Volksabstimmung zu unterbreiten ist. Mit der Stimmrechtsbeschwerde kann somit die Rüge erhoben werden, eine formulierte Initiative lediglich als allgemeine Anregung und eine vom Volk angenommene verbindliche Verfassungsbestimmung als blossen Auftrag zur Ausarbeitung einer Abstimmungsvorlage zu behandeln, verletze die Verfassung.
c) Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur, d.h. es kann mit ihr nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, nicht aber der Erlass positiver Anordnungen durch das Bundesgericht verlangt werden. Eine Ausnahme ist nur
BGE 112 Ia 208 S. 212
dann gerechtfertigt, wenn der verfassungsmässige Zustand nicht bereits mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheides herzustellen ist (
BGE 111 Ia 123
E. 1b, 47 E. 1c; je mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Stimmrechtsbeschwerde (
BGE 107 Ia 219
E. 1b mit Hinweis). Sollte sich die vorliegende Beschwerde als begründet erweisen, so würde der verfassungsmässige Zustand erreicht, wenn der angefochtene Beschluss des Regierungsrates, in welchem dieser dem Abstimmungsergebnis über die Volksinitiative nicht die ihm gebührende materielle Bedeutung beigemessen hätte, aufgehoben würde. Positive Anordnungen auf pflichtgemässen Vollzug des Abstimmungsergebnisses dagegen wären nicht notwendig. Soweit die Beschwerdeführer daher mehr verlangen als die Aufhebung des angefochtenen Regierungsratsbeschlusses, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
d) Der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Schwyz vom 15. Oktober 1985 stellt einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid gemäss
Art. 86 Abs. 1 OG
dar.
Auf die im übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde kann im aufgezeigten Umfange eingetreten werden.
2.
a) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. Die Auslegung anderer kantonaler Normen sowie die Feststellung des Sachverhaltes durch die kantonalen Behörden wird dagegen nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots geprüft. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst sich das Bundesgericht indessen selbst bei freier Kognition der von der obersten kantonalen Instanz vertretenen Auffassung an, sofern es sich dabei um das Volk oder das Parlament handelt (
BGE 111 Ia 117
E. 2a mit Hinweisen).
Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist die Frage, ob der Kanton Schwyz das Institut der formulierten Verfassungsinitiative kennt. Sie ist durch Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen zu beantworten.
Die Auslegung einer Verfassungsbestimmung hat grundsätzlich nach denselben methodischen Regeln zu erfolgen, wie sie für die Auslegung der einfachen Gesetze entwickelt wurden (
BGE 105 Ib 56
E. 4a mit Hinweis;
BGE 83 I 177
E. 4; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Band I: Organisation,
BGE 112 Ia 208 S. 213
Zürich 1980, S. 35; HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1984, S. 33). Die Gewichtung der einzelnen Auslegungselemente kann allerdings unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob die zu interpretierende Norm den organisatorischen Bestimmungen der Verfassung angehört oder verfassungsmässige Grundrechte schützt, deren Inhalt es zu erarbeiten gilt. Im ersten Fall ist der Auslegungsspielraum relativ eng begrenzt, sind die organisatorischen Normen der Verfassung doch nicht durch jene Weite und Dehnbarkeit geprägt wie die Bestimmungen, welche das materiell-rechtliche Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern ordnen (HANS HUBER, Der Formenreichtum der Verfassung und seine Bedeutung für ihre Auslegung, ZBJV 107/1971, S. 172 ff., insbesondere S. 191). Letztere bedürfen eher der Konkretisierung denn der Auslegung, einer Konkretisierung, welche auch sich wandelnden geschichtlichen Bedingungen und gesellschaftlichen Vorstellungen Rechnung zu tragen vermag (HANS HUBER, a.a.O. S. 191, 186 ff.;
BGE 104 Ia 291
E. 4c mit Hinweisen). Demgegenüber geben die organisatorischen Verfassungsnormen den Willen des Verfassungsgebers über die Strukturen und Mechanismen des Staates wieder. Diese Ordnung ist kaum konkretisierungsbedürftig. Allenfalls sich wandelnden Auffassungen vermag nicht die Auslegung, sondern lediglich eine Verfassungsänderung Rechnung zu tragen. Für die Auslegung solcher Verfassungsbestimmungen gilt daher, dass beim Fehlen eines klaren und unmissverständlichen Wortlautes vorab die historischen Elemente heranzuziehen sind: Massgebend sind die Vorstellungen des Verfassungsgebers im Zeitpunkt des Erlasses der Bestimmungen sowie die nachfolgende Praxis der rechtsanwendenden Organe (vgl.
BGE 83 I 179
f.).
b) Die Bestimmungen der Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 23. Oktober 1898 zum Initiativrecht sind knapp gehalten. Nicht ausdrücklich geregelt ist insbesondere die Frage, ob die Volksinitiative auf Partialrevision der Kantonsverfassung nur in der Form der allgemeinen Anregung oder auch in der Form des formulierten Entwurfes möglich ist. § 31 Abs. 2 KV, welcher die Gesetzesinitiative normiert, unterscheidet ebenfalls nicht zwischen allgemeinen Anregungen und formulierten Entwürfen. Die Praxis lässt beide Initiativformen zu (FRIEDRICH HUWYLER, Gesetz und Verordnung im Kanton Schwyz, Aarau 1970, S. 76; unveröffentl. Urteil des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1982 i.S. R., E. 7c). Allerdings ist zu beachten,
BGE 112 Ia 208 S. 214
dass die Vorschriften über die Verfassungsinitiative doch etwas einlässlicher gehalten sind als diejenigen über die Gesetzesinitiative:
aa) Die Verfassung unterliegt einer Partialrevision, wenn 2000 Stimmberechtigte unter Angabe der zu revidierenden Artikel ein solches Begehren stellen (§ 103 KV). Die Forderung, die zu revidierenden Artikel seien zu nennen, bedingt nicht zwingend, dass in der Initiative selbst neue Bestimmungen ausformuliert werden, schliesst eine solche Möglichkeit aber auch nicht von vornherein aus.
bb) Jede Partialrevision geschieht durch den Kantonsrat selbst (§ 105 KV). Vom Text her deutet diese Bestimmung darauf hin, dass formulierte Verfassungsinitiativen ausgeschlossen sind, die Redaktion des Rechtssatzes im Hinblick auf die Volksabstimmung vielmehr dem Kantonsrat obliegt. Es ist aber möglich, diesen Artikel auch bloss als Kompetenzabgrenzung zu § 104 KV zu verstehen, welcher die durch Volksinitiative verlangte Totalrevision der Verfassung einem Verfassungsrat überträgt. Andererseits könnte die Wendung "jede Partialrevision" vermuten lassen, eine solche bedinge zwingend einen formulierten Vorschlag des Kantonsrates.
cc) § 106 KV, welcher für die Verfassungsrevision eine zweite Beratung der Behörde verlangt, spricht seinerseits gegen die Möglichkeit einer formulierten Initiative. Das Erfordernis einer zweifachen Lesung verlöre sonst seinen Sinn (vgl. dazu
BGE 73 I 32
E. 2b).
Die grammatikalische Interpretation der massgebenden Verfassungsbestimmungen legt nahe, die formulierte Volksinitiative auf Teilrevision der Verfassung zu verneinen. Indessen ist der Text nicht dermassen klar und eindeutig, dass er für die Auslegung der Verfassung schlechthin verbindlich wäre.
c) Obgleich die Bestimmungen der schwyzerischen Verfassung über die Volksinitiative auch den Grundrechtsgehalt des politischen Stimmrechts beschlagen, stellen sie doch vorab Normen des kantonalen Organisationsrechts dar. Sie enthalten die Möglichkeiten, welche zur Abänderung der Verfassung zur Verfügung stehen. Nach den Ausführungen in E. 2a ist daher zur Auslegung der Verfassung neben der grammatikalischen vor allem die historische Methode anzuwenden.
aa) Bereits die Verfassung des Kantons Schwyz vom 13. Oktober 1833 kannte die Verfassungsinitiative. Ihr Art. 152 bestimmte:
BGE 112 Ia 208 S. 215
"Wenn zwei Drittheile der Gesamtheit der Kantonsbürger nach Art. 107 in acht Jahren für theilweise oder ganze Revision der Verfassung sich erklären, so wird ein Verfassungsrath nach dem Verhältniss der Bevölkerung von den Bezirksgemeinden gewählt."
Offensichtlich war danach eine Volksinitiative auf Verfassungsänderung nur in der Form der allgemeinen Anregung möglich. Die redaktionelle Ausarbeitung der Verfassungsvorlage oblag in jedem Fall dem Verfassungsrat. Dies war auch die Auffassung des Grossen Rates des Kantons Schwyz (Beschluss vom 13. Jänner 1842, in Sammlung der Verfassungen und Gesetze des Kantons Schwyz von 1833 bis 1848 sowie der Konkordate von 1803 bis 1856, Schwyz 1864, S. 40 ff., insbesondere S. 42).
bb) Der Entwurf einer Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 5. April 1842 behielt diese Ordnung im wesentlichen unverändert bei (§ 159). Auch danach hatte auf Volksinitiative hin ein Verfassungsrat die Vorlage auszuarbeiten.
cc) Die Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 18. Februar 1848 ordnete die Verfassungsinitiative neu (§§ 175 ff.). Danach konnten 2000 Kantonsbürger eine Total- oder Partialrevision der Verfassung beim Kantonsrat verlangen, worauf das Begehren den Kreisgemeinden zur Abstimmung vorgelegt werden musste (§ 176). Die Formulierung der zu revidierenden Verfassungsbestimmung war in diesem Fall weiterhin einem Verfassungsrat übertragen. Einfacher geregelt war die Verfassungsrevision auf Beschluss des Kantonsrates hin, indem diese nach der Genehmigung in der Vorabstimmung (§ 177 Abs. 1 lit. c) durch den Kantonsrat selbst vorgenommen werden konnte. In beiden Fällen musste jedoch die total oder partiell revidierte Verfassung noch dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden (§ 179). Es war also weiterhin nicht möglich, eine formulierte Verfassungsinitiative einzureichen.
dd) Die heutigen Bestimmungen zur Revision der Kantonsverfassung gehen im wesentlichen auf die Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 11. Juni 1876 zurück. Deren §§ 109 ff. decken sich inhaltlich mit den heutigen Bestimmungen. Im Vergleich mit der Verfassung des Jahres 1848 wurden die Befugnisse des Kantonsrates erweitert, und der Verfassungsrat wurde nur noch bei Totalrevisionen aufgrund einer Volksinitiative eingesetzt. Sodann entfiel bei Partialrevisionen die sogenannte Vorabstimmung durch das Volk.
BGE 112 Ia 208 S. 216
Die historische Entwicklung gibt keine Anzeichen, dass im Jahre 1876 die Volksinitiative in dem Sinne erweitert werden sollte, dass sie nicht mehr bloss nur in der Form der allgemeinen Anregung, sondern neu auch in derjenigen des formulierten Entwurfes möglich sein sollte. Gegen eine solche Ausweitung spricht auch die Tatsache, dass die Verfassungsbestimmungen der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts im Regelfall bloss die Initiative in der Form der allgemeinen Anregung kannten (ED. HIS, Geschichte des neuern Schweizerischen Staatsrechts, Bd. III, Basel, 1938, S. 309 f.).
Von dieser historischen Auffassung der Volksinitiative gehen auch die Beschwerdeführer aus. Sie halten indessen dafür, der Verfassungstext erlaube, auch dem gewandelten Verständnis gegenüber dem Initiativrecht Rechnung zu tragen und dieses, soweit das positive Recht es nicht ausschliesse, auch in der Form des formulierten Entwurfes zuzulassen. Dabei verkennen sie, dass die organisatorischen Bestimmungen einer Verfassung einer solchen Konkretisierung nach Massgabe gewandelter Anschauungen und veränderter Verhältnisse grundsätzlich nicht zugänglich sind. Genügt die Organisationsstruktur modernen Anforderungen nicht mehr, ist es Aufgabe der rechtssetzenden, nicht der rechtsanwendenden Organe, die gebotenen Änderungen vorzunehmen (vgl. dazu
BGE 83 I 179
f.). Der Bedeutungsgehalt organisatorischer und kompetenzbezogener Bestimmungen richtet sich primär nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Norm. Eine solche Ordnung kann nicht allein unter Hinweis auf den Bedeutungswandel eines Instituts oder veränderte gesellschaftliche Anschauungen hinfällig werden (vgl. dazu IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel 1976, Nr. 22, B IIc, S. 143). Enthält daher eine Kantonsverfassung nach Massgabe der historischen Auslegung das Institut der formulierten Vefassungsinitiative nicht, kann diese nicht durch eine unter Hinweis auf gewandelte Anschauungen vom historischen Willen des Verfassungsgebers losgelöste zeitgemässe Auslegung gleichsam institutionalisiert werden. Dies gilt auch für die Verfassung des Kantons Schwyz, welche in Würdigung der historischen Entwicklung die formulierte Volksinitiative auf ihre Teilrevision nicht kennt.
d) Auch aus dem Entwurf einer neuen Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 18. November 1897, welcher in der Volksabstimmung vom 13. Februar 1898 verworfen wurde, lässt sich schliessen, dass sowohl der Verfassungsgeber von 1876
BGE 112 Ia 208 S. 217
wie auch dernjenige von 1898 die formulierte Verfassungsinitiative nicht einführen wollte. Die Vorlage sah in Art. 91 eine einlässliche Regelung der Partialrevision vor, wobei sie sowohl den ausgearbeiteten Entwurf (Abs. 1 Ziff. 1) wie die allgemeine Anregung (Abs. 1 Ziff. 2) zuliess. Dabei ist folgendes beachtenswert:
aa) Ein Volksvorschlag auf Teilrevision in der Form der allgemeinen Anregung hatte die zu revidierenden Artikel zu bezeichnen (Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1 des Entwurfes). Dieses Erfordernis deckt sich mit § 110 lit. b KV 1876 und § 103 lit. b KV 1898. Die Einheit der Formulierungen legt dabei eine identische Auslegung in dem Sinne nahe, dass durch das Erfordernis der "Angabe der zu revidierenden Artikel" (§ 103 lit. b KV 1898) das Institut der Volksinitiative auf Partialrevision der Kantonsverfassung auf die Form der allgemeinen Anregung beschränkt wird.
bb) Die Teilrevision aufgrund einer Volksinitiative in der Form der allgemeinen Anregung oder auf Beschluss des Kantonsrates sollte durch diesen selbst erfolgen (Art. 91 Abs. 2 des Entwurfes). Demgegenüber war die Zuständigkeit des Kantonsrates zur Durchberatung der Verfassungsvorlage bei einer formulierten Verfassungsinitiative ausgeschlossen.
Nach § 105 KV 1898 geschieht jede Partialrevision durch den Kantonsrat selbst. Auch hier macht der Kontext der beiden jüngsten Verfassungen und des dazwischenliegenden Entwurfes deutlich, dass die positive Verfassung die formulierte Verfassungsinitiative nicht kennt und nie kannte.
e) In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, der Kanton Schwyz kenne die Volksinitiative auf Partialrevision der Verfassung lediglich in der Form der allgemeinen Anregung (PAUL REICHLIN, Demokratische Verfassung und verfassungsmässige Demokratie im Ablauf eines Jahrhunderts, in: Der Stand Schwyz im hundertjährigen Bundesstaat 1848-1948, S. 22 ff., insbesondere S. 37; FRIEDRICH HUWYLER, a.a.O., S. 71; E. VON WALDKIRCH, Die Mitwirkung des Volkes bei der Rechtsetzung nach dem Staatsrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft und ihrer Kantone, Bern 1918, S. 40 f.; Z. GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, Zürich 1941, S. 465). Dies im Gegensatz zur Gesetzesinitiative, die sowohl in der Form der allgemeinen Anregung wie in derjenigen des ausgearbeiteten Entwurfes zugelassen wird (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 22. Dezember 1982 i.S. R., E. 7c; FRIEDRICH HUWYLER, a.a.O.,
BGE 112 Ia 208 S. 218
S. 71). Soweit abweichende Auffassungen vertreten werden, setzen sich diese entweder mit der Verfassung des Kantons Schwyz nicht ausdrücklich auseinander (KARL HERNEKAMP, Formen und Verfahren direkter Demokratie, Frankfurt a.M. 1979, S. 141) oder geben bloss das Resultat einer bei den Staatskanzleien durchgeführten Umfrage wieder (CHRISTIAN MOSER, Institutionen und Verfahren der Rechtsetzung in den Kantonen, Bulletin 13 des nationalen Forschungsprogramms Nr. 6 "Entscheidungsvorgänge in der schweizerischen Demokratie", S. 47). Eine solche Auskunft aber ist nicht geeignet, die grammatikalisch und vor allem die historisch schlüssige Auslegung der Kantonsverfassung in Frage zu stellen.
Demnach ist davon auszugehen, dass der Kanton Schwyz die Volksinitiative auf Partialrevision seiner Verfassung nur in der Form der allgemeinen Anregung, nicht auch in derjenigen des ausgearbeiteten Entwurfes kennt.
3.
Die besonderen Einwände, welche in der Beschwerde gegen dieses Auslegungsergebnis erhoben werden, halten einer Überprüfung nicht stand:
a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die Beschränkung der Volksinitiative auf Partialrevision einer Kantonsverfassung auf die Form der allgemeinen Anregung widerspreche
Art. 6 BV
.
Das Bundesgericht hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung für unzuständig erklärt, kantonale Verfassungsbestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht zu überprüfen. Es erachtete diese Prüfung als eine Aufgabe der Bundesversammlung, welche sie vor dem Entscheid über die Gewährleistung kantonaler Verfassungen zu erfüllen habe (Art. 6 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 85 Ziffer 7 BV). Die Vorschrift von Art. 85 Ziffer 7 BV sei im Verhältnis zu
Art. 113 BV
spezielleres Recht und entziehe dem Bundesgericht die Zuständigkeit zur Überprüfung der kantonalen Verfassungen (
BGE 111 Ia 241
E. 3a mit Hinweisen). Eine Ausnahme macht das Bundesgericht lediglich für den Fall, dass das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten und deshalb bei der vorgängigen Überprüfung nicht zu berücksichtigen war (
BGE 111 Ia 242
E. 3b).
Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was das Bundesgericht veranlassen würde, diese Rechtsprechung, welche es in einem neuesten Entscheid gegen eine verbreitete Kritik im Grundsatz erneut bestätigt hat (
BGE 111 Ia 239
ff.), neu zu überprüfen. Auf
BGE 112 Ia 208 S. 219
den Einwand, die Regelung des Initiativrechts im Kanton Schwyz verletze
Art. 6 BV
, ist deshalb nicht einzutreten.
b) Nicht von Bedeutung für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist die Tatsache, dass nach der Praxis im Kanton Schwyz die Gesetzesinitiative nicht nur in der Form der allgemeinen Anregung, sondern auch in derjenigen des ausgearbeiteten Entwurfes möglich ist. Die Ausgestaltung der Gesetzes- und der Verfassungsinitiative kann ohne weiteres voneinander abweichen. Insbesondere ist durchaus vertretbar, nur die Form der allgemeinen Anregung zuzulassen, damit der endgültige Verfassungstext sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht angemessen formuliert werden kann. Aus § 31 KV vermögen die Beschwerdeführer somit nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
c) Ebensowenig entscheidend ist, dass der Regierungs- und der Kantonsrat im Jahre 1982 in einem neuen Gesetz über die Wahlen und Abstimmungen die formulierte Volksinitiative auf Partialrevision der Kantonsverfassung zulassen wollten. Abgesehen davon, dass die Stimmbürger die Vorlage verwarfen, ist offensichtlich die Frage der Verfassungsmässigkeit der vorgesehenen Neuregelung nie geprüft worden.
d) Die Beschwerdeführer leiten die Zulässigkeit der formulierten Verfassungsinitiative schliesslich daraus ab, dass sie in Teilbereichen zwingend zugelassen sein müsse, namentlich bei der Aufhebung von Verfassungsartikeln. Dieser Auffassung ist insoweit beizupflichten, als die Initiative auf ersatzlose Aufhebung einer Bestimmung der Kantonsverfassung im Falle ihrer Annahme eine unmittelbare Rechtsänderung bewirkt, ohne dass sich die Frage stellt, ob sie als allgemeine Anregung oder als formulierte Vorlage zu verstehen sei. Die Unterscheidung ist in diesem Falle aber bereits logisch bedeutungslos, da die blosse Aufhebung einer Norm der redaktionellen Tätigkeit des Verfassungs- oder Gesetzgebers ohnehin entzogen ist. Wird indessen die Änderung der Verfassung durch den Erlass neuer Normen verlangt, bedürfen diese zwangsläufig der textlichen Konkretisierung. Hier ist durchaus von Bedeutung, ob dieses Ausformulieren durch die Initianten selbst vorgenommen werden darf oder dem ordentlichen Verfassungs- oder Gesetzgeber vorbehalten bleibt. Die Möglichkeit einer - zwangsläufig formulierten - Volksinitiative auf Streichung eines oder mehrerer Verfassungsartikel zwingt daher nicht zur Auffassung, auch die Initiative auf Erlass neuer Normen sei in der Form des formulierten Entwurfes zulässig.
BGE 112 Ia 208 S. 220
4.
Kennt demnach das schwyzerische Recht die positive Volksinitiative auf Partialrevision der Verfassung in der Form des ausgearbeiteten Entwurfes nicht, so konnte auch das hier zu beurteilende Initiativbegehren den Stimmbürgern lediglich als allgemeine Anregung unterbreitet werden.
Die Beschwerdeführer machen aber unter sinngemässer Berufung auf die Prinzipien des Vertrauensschutzes auch geltend, in den behördlichen Abstimmungsunterlagen fehle ein Hinweis darauf, dass der Volksinitiative lediglich die Bedeutung einer allgemeinen Anregung beigemessen werde. Eine (selbst unrichtige) Auskunft oder Zusicherung, welche eine Behörde dem Bürger erteilt und auf die er sich verlassen hat, ist unter gewissen Umständen bindend. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Angaben der Behörde auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit beziehen, dass die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, hiefür zuständig war, dass der Bürger die Unrichtigkeit des Bescheids nicht ohne weiteres hat erkennen können, dass er im Vertrauen auf die Auskunft nicht wieder rückgängig zu machende Dispositionen getroffen hat und dass die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung des Tatbestandes noch die gleiche ist wie im Zeitpunkt der Auskunfterteilung (
BGE 111 Ib 124
E. 4 mit Hinweis). Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, ihnen sei jemals verbindlich erklärt worden, im Kanton Schwyz sei die formulierte Volksinitiative auf Partialrevision der Verfassung zulässig. Dass der Regierungsrat sich in den Abstimmungsvorlagen zu dieser Frage nicht äusserte, stellt jedenfalls keine Zusicherung in diesem Sinne dar. Es kann deshalb offenbleiben, wer zu einer solchen vertrauensbegründenden Auskunft überhaupt zuständig gewesen wäre.
Demgegenüber haben die Initianten in ihrer Abstimmungszeitung zur Volksabstimmung vom 22. September 1985 ausdrücklich ausgeführt, die Initiative verlange "in der Form einer allgemeinen Anregung" eine Ergänzung von § 13 der Kantonsverfassung durch einen Absatz 4. Die Beschwerdeführer erachten diese Stellungnahme der Initianten unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach der Initiativtext nicht nach dem subjektiven Willen der Initianten, sondern aus sich selbst auszulegen ist (
BGE 105 Ia 154
E. 3a und 366 E. 4), für unmassgebend. Dabei übersehen sie, dass diese Grundsätze zur inhaltlichen Auslegung eines Initiativtextes entwickelt wurden. Dagegen können die Initianten frei entscheiden, ob sie ihr Begehren den Stimmbürgern in
BGE 112 Ia 208 S. 221
der Form der allgemeinen Anregung oder des ausgearbeiteten Entwurfes unterbreiten wollen. Eine ausdrücklich als allgemeine Anregung bezeichnete Volksinitiative darf somit, selbst wenn sie den Anforderungen an einen formulierten Entwurf genügen sollte, nicht zu einem solchen umgedeutet werden.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4fc4ef0b-a62b-4784-afb5-6404211a5d59 | Urteilskopf
110 V 236
38. Urteil vom 17. Juli 1984 i.S. Eidgenössische Ausgleichskasse gegen Seiler und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 4 Abs. 2 lit. b AHVG
,
Art. 6quater Abs. 1 AHVV
, alt
Art. 6ter Abs. 1 AHVV
.
Der jährliche Freibetrag ist anwendbar, wenn für eine praktisch regelmässige Erwerbstätigkeit (in casu Ersatzrichtertätigkeit am Bundesgericht) die periodische Lohnabrechnung in schwankenden Zeitabständen erfolgt. | Sachverhalt
ab Seite 236
BGE 110 V 236 S. 236
A.-
Dr. Seiler übte seine Tätigkeit als Ersatzrichter am Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne nach Vollendung des 65. Altersjahres weiterhin aus. Anlässlich der Überprüfung einer Taggeldauszahlung im Januar 1982 stellte er fest, dass ihm bei der Berechnung seiner Sozialversicherungsbeiträge auf den in den Jahren 1979 bis 1981 erfolgten Entschädigungen der Freibetrag, der den unselbständig erwerbstätigen Altersrentnern zusteht, nicht je für das ganze Jahr gewährt wurde, sondern nur für die Monate, in welchen die Bundesgerichtskasse die periodisch in schwankenden Zeitabständen in Rechnung gestellten Beträge auszahlte. Da er sich mit dieser Berechnungsart der Freibeträge nicht einverstanden erklären konnte, erliess die Eidgenössische Ausgleichskasse am 25. März 1982 eine Beitragsverfügung, wonach grundsätzlich der monatliche Abzug zur Anwendung gelange, wenn durch den Arbeitgeber kein jährlicher Abzug vereinbart worden sei; die Gerichtskasse habe daher den Freibetrag zu Recht nur für jene Monate
BGE 110 V 236 S. 237
gewährt, in denen eine Entschädigung ausbezahlt worden sei. Hätte der Versicherte der Gerichtskasse monatlich Rechnung gestellt, wäre er jeden Monat in den Genuss des monatlichen Freibetrages gekommen.
B.-
Beschwerdeweise beantragte der Versicherte, es sei festzustellen, dass ihm für die Jahre 1979 bis 1981 ein Freibetrag von je Fr. 9'000.-- (bzw. ab 1. Januar 1982 ein solcher von Fr. 10'800.--) zustehe; ferner habe ihm die Ausgleichskasse die zuviel erhobenen Arbeitnehmerbeiträge zurückzuerstatten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 30. April 1982 gut und verpflichtete die Ausgleichskasse, dem Versicherten die auf den zu Unrecht nicht berücksichtigten Freibeträgen erhobenen Arbeitnehmerbeiträge für die Jahre 1979 bis 1981 zurückzuerstatten.
C.-
Die Eidgenössische Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Wiederherstellung der Kassenverfügung. Während der Versicherte auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung. Sowohl das Bundesgericht als auch das Eidgenössische Finanzdepartement, welche als Beteiligte im Sinne von
Art. 110 Abs. 1 OG
zur Vernehmlassung eingeladen wurden, verzichten auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kognition, vgl.
BGE 104 V 6
Erw. 1.)
2.
Nach
Art. 3 Abs. 1 AHVG
(in der seit 1. Januar 1979 gültigen Fassung) sind die Versicherten beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben. Dabei kann der Bundesrat gemäss
Art. 4 Abs. 2 lit. b AHVG
das von Frauen nach Vollendung des 62., von Männern nach Vollendung des 65. Altersjahres erzielte Erwerbseinkommen bis zur Höhe des anderthalbfachen Mindestbetrages der einfachen Altersrente nach
Art. 34 Abs. 2 AHVG
von der Beitragsbemessung ausnehmen. Der Bundesrat hat von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, indem er in
Art. 6ter Abs. 1 AHVV
(ab 1. Januar 1979) bzw. in
Art. 6quater Abs. 1 AHVV
(ab 1. Juli 1981) bestimmte, dass Frauen, die das 62., und Männer, die das 65. Altersjahr vollendet haben, vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit nur für den Teil Beiträge entrichten, der
BGE 110 V 236 S. 238
je Arbeitgeber 750 Franken im Monat (ab 1. Januar 1982: Fr. 900.--) bzw. 9'000 Franken im Jahr (ab 1. Januar 1982: Fr. 10'800.--) übersteigt. Nach der Rechtsprechung darf der ganze jährliche Freibetrag nur dann berücksichtigt werden, wenn auch tatsächlich während des ganzen Jahres eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde (ZAK 1984 S. 29 Erw. 2a).
Gemäss Rz. 4 des Kreisschreibens des BSV über die Beitragspflicht der Erwerbstätigen im Rentenalter, gültig ab 1. Januar 1979, ist grundsätzlich der monatliche Abzug anzuwenden. Bei von Monat zu Monat schwankenden Löhnen ist kein Ausgleich zwischen den Löhnen, die in den einzelnen Monaten erzielt wurden, vorzunehmen. Der Abzug hat von jedem Monatslohn zu erfolgen (Rz. 5). Der Arbeitgeber ist aber befugt, statt des monatlichen den jährlichen Abzug anzuwenden (Rz. 9). Wurde ein Jahresentgelt vereinbart (z.B. für die nebenberufliche Tätigkeit als Verwaltungsrat oder als Gemeindefunktionär), so muss die jährliche Begrenzung angewendet werden (Rz. 10). Ohne Bedeutung ist, ob das Entgelt auf einmal oder unter mehreren Malen ausgerichtet wird. Sämtliche zum massgebenden Lohn gehörenden Entgelte, die während der betreffenden Zeitspanne ausgerichtet wurden, sind zusammenzuzählen (Rz. 12).
3.
Streitig ist, ob im vorliegenden Fall der monatliche oder der jährliche Freibetrag zur Anwendung gelangt.
a) Die Vorinstanz geht davon aus, der Beschwerdegegner habe eine dauernde Erwerbstätigkeit ausgeübt, welche in längeren Zeitabständen erfolgte und wofür unregelmässig Lohnabrechnungen vorgenommen wurden. Die Auffassung der Ausgleichskasse, in solchen Fällen sei der monatliche Freibetrag für jede einzelne Auszahlung, aber höchstens einmal im Monat zu gewähren, sei unlogisch und sachlich unhaltbar, denn der in der AHVV vorgesehene monatliche Freibetrag sei auf die monatliche Lohnzahlung zugeschnitten, bei welcher der Abzug für jenen Zeitraum zugelassen werde, für welchen der Lohn geschuldet ist. Wenn sich der abzurechnende Lohnanspruch aber auf einen Zeitraum von mehreren Monaten erstrecke, wäre es willkürlich, den Freibetrag nur für jenen Monat anzuerkennen, in welchem die Lohnauszahlung erfolgt. Bei Lohnzahlungen in längeren Zeitabschnitten als einem Monat sei daher der jährliche Freibetrag anzuwenden. Es könne nicht Sinn der Verordnung sein, den jährlichen Freibetrag nur bei einem festen Jahresgehalt oder bei gleichbleibenden Monatslöhnen zu gewähren; die Art des Freibetrages hänge nicht allein vom
BGE 110 V 236 S. 239
Lohnzahlungsmodus ab. Aus diesem Grund erweise sich die Auffassung der Ausgleichskasse als unzutreffend, wonach der Beschwerdegegner in den Genuss des ganzen Freibetrages gekommen wäre, wenn er für seine Bemühungen monatlich Rechnung gestellt hätte.
b) Die Beschwerdeführerin geht von der Überlegung aus, dass das Bundesgericht als Arbeitgeber mit dem Beschwerdegegner angesichts der recht unterschiedlichen Belastungen weder ein Monats- noch ein Jahresgehalt, sondern nur eine Tagespauschale habe vereinbaren können, weshalb es dem Ersatzrichter überlassen worden sei, den Zeitpunkt und die Häufigkeit der Rechnungsstellung selbst zu bestimmen. Da laut bundesamtlichem Kreisschreiben grundsätzlich der monatliche Abzug anzuwenden sei und es überdies Sache des Arbeitgebers gewesen wäre, den jährlichen Freibetrag zur Anwendung zu bringen, könne der Beschwerdegegner den Jahresfreibetrag nicht beanspruchen. Der Umstand, dass meistens nur pro Quartal Rechnung gestellt wurde, vermöge daran nichts zu ändern. Sodann könnten weder der Arbeitgeber noch die Ausgleichskasse kontrollieren, ob in der vom Beschwerdegegner erstellten Quartalsrechnung Arbeitszeiten aller drei Monate enthalten seien. Der Beschwerdegegner hätte ferner die Möglichkeit gehabt, bei tatsächlich ausgeführten Aufträgen monatlich Rechnung zu stellen und so jeden Monat in den Genuss des Freibetrages zu gelangen bzw. bei andauernder Tätigkeit den Jahresfreibetrag zu erreichen.
Das BSV teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin und lässt sich im wesentlichen dahin vernehmen, dass sich vor allem die Verwaltungsweisungen betreffend den Freibetrag für erwerbstätige Altersrentner eng an die monatliche Begrenzung des für die Arbeitslosenversicherung massgebenden Lohnes nach Art. 2 Abs. 1 AlVB anlehnten; dessen Abs. 2 ermächtige den Bundesrat lediglich, eine andere Regelung zu treffen, wo die monatliche Begrenzung des beitragspflichtigen Lohnes zu offensichtlichen Unbilligkeiten führt oder Schwierigkeiten bei der Anwendung bereitet. Nach Art. 1 Abs. 2 bzw.
Art. 2 AlVV
komme die jährliche Höchstgrenze aus beachtlichen Gründen dann zur Anwendung, wenn ein Jahresgehalt ausgerichtet werde, selbst wenn dieses in mehreren Beträgen ausbezahlt wird; das neue AVIG enthalte dieselben Grundzüge. Es sei angezeigt, die der Arbeitslosenversicherung zugrunde gelegte Regelung über die Anwendung der monatlichen bzw. jährlichen Begrenzung auf den Rentnerfreibetrag analog
BGE 110 V 236 S. 240
anzuwenden. Schliesslich rechtfertige sich die Gewährung des Jahresfreibetrages im vorliegenden Fall deshalb nicht, weil die Arbeitsverrichtung wie auch die Höhe des Einkommens unregelmässig und nicht im voraus abschätzbar seien; das Arbeitsmass richte sich nicht nur nach dem Arbeitsanfall, sondern auch nach der persönlichen Verfügbarkeit; möglicherweise arbeite der Beschwerdegegner in einem bestimmten Monat nicht, sei aber in einem andern Monat voll ausgelastet. Die Anwendung des Jahresfreibetrages könnte bei derartigen Tätigkeiten dazu führen, dass der Arbeitgeber erst nach Ablauf des Kalenderjahres wüsste, ob jener Betrag überschritten wurde oder nicht.
4.
Der Auffassung der Beschwerdeführerin und des BSV kann nicht beigepflichtet werden. Entgegen der Annahme des Bundesamtes gestaltet sich die Tätigkeit des Beschwerdegegners für das Bundesgericht nicht in dem Sinne unregelmässig, dass er in einem bestimmten Monat überhaupt nichts arbeitet und dafür in einem anderen Monat voll ausgelastet ist. Wie sich aus einem Schreiben des Beschwerdegegners an die Eidgenössische Ausgleichskasse vom 4. Februar 1982 ergibt, ist er laufend in seiner Funktion als Ersatzrichter tätig, sei es durch das Aktenstudium, die Ausarbeitung eines Referates, die Vorbereitung einer Sitzung als Referent, die Teilnahme an einer Verhandlung als Mitglied einer Kammer oder die Kontrolle von Urteilsentwürfen. Die Erledigung dieser verschiedenen Aufgaben erstreckt sich über das ganze Jahr, wobei das Arbeitsmass jeweils Schwankungen unterliegt und der Beschwerdegegner in der Einteilung seiner Arbeit innerhalb der ihm gesetzten Fristen grundsätzlich frei ist. Sodann ist der Beschwerdegegner als Ersatzrichter des Bundesgerichtes für eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählt (
Art. 5 Abs. 1 OG
) und nicht etwa nur ad hoc für bestimmte Einsätze je nach Bedarf ernannt. Die feste mehrjährige Amtsdauer mit Aufgaben, welche in mehr oder weniger regelmässigen Abständen zu erfüllen sind und praktisch jeden Monat bestimmte Arbeitsverrichtungen erfordern, rechtfertigt die Anwendung des jährlichen Freibetrages. Dem Umstand, dass wegen des jeweils unterschiedlichen Arbeitsanfalles weder eine Jahrespauschale noch ein fixes Monatsgehalt vereinbart werden konnte und die Rechnungsstellung periodisch in schwankenden Zeitabständen erfolgte, kommt unter den gegebenen Verhältnissen im Hinblick auf die Art des Freibetrages keine entscheidende Bedeutung zu. Es wäre denn auch stossend und überdies mit einem unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand verbunden, wenn der
BGE 110 V 236 S. 241
Beschwerdegegner den Freibetrag in jedem Monat nur bei monatlicher Rechnungsstellung hätte beanspruchen können. Zudem bildet die Anwendung des jährlichen Freibetrages nicht etwa ein Hindernis, im Fall der Wiederbesetzung einer frei gewordenen Stelle für den Rest der Amtsdauer (vgl.
Art. 5 Abs. 2 OG
) der beschränkten Dauer der Amtszeit Rechnung zu tragen. Beginnt oder endet ein Arbeitsverhältnis im Laufe des Kalenderjahres, so ist der jährliche Abzug im Verhältnis zur Dauer des Arbeitsverhältnisses zu kürzen (pro rata temporis), wie Rz. 13 des erwähnten Kreisschreibens bestimmt. Wenn sich ferner aus der Gewährung des jährlichen Freibetrages ein gewisser Mehraufwand für Arbeitgeber und Ausgleichskasse ergeben kann, indem allenfalls erst im Laufe des Jahres oder sogar erst am Ende des Kalenderjahres feststellbar ist, ob ein unselbständigerwerbender Altersrentner überhaupt Beiträge zu entrichten hat, so stellt dies keinen beachtlichen Grund gegen die sinnvolle Anwendung der entsprechenden Bestimmungen dar. Im weiteren ist der Hinweis des BSV auf die grundsätzlich monatliche Begrenzung des massgebenden Lohnes in der Arbeitslosenversicherung im vorliegenden Zusammenhang nicht stichhaltig, weil es um zwei verschiedene Problemkreise geht und daher eine analoge Anwendung jenes Grundsatzes in der Arbeitslosenversicherung auf die Frage nach der Art des zu gewährenden Freibetrages bei erwerbstätigen Altersrentnern nicht angezeigt erscheint. Abgesehen davon sieht die neue Regelung bezüglich der Begrenzung des beitragspflichtigen Lohnes vor, dass die monatliche Höchstgrenze gilt, wenn der Lohn monatlich oder in kürzeren Abständen ausbezahlt wird (
Art. 1 Abs. 1 AVIV
), hingegen die jährliche Höchstgrenze zur Anwendung gelangt, wenn der Lohn in längeren Zeitabständen als monatlich ausbezahlt wird (
Art. 1 Abs. 2 lit. a AVIV
).
5.
(Kostenpunkt.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4fc7ed52-b1da-41b3-8859-06d617bddc10 | Urteilskopf
140 V 227
31. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre FER-CIAM, Caisse d'allocations familiales (recours en matière de droit public)
8C_223/2013 du 10 avril 2014 | Regeste
Art. 6 und 7 FamZG
; Anspruch auf Familienzulagen; Kumulation.
Das Verbot der Kumulation von Familienzulagen bei konkurrierenden Ansprüchen erwerbstätiger Ehepartner findet nur auf
gleichartige bundes- oder kantonalrechtliche
Zulagen Anwendung. Familienzulagen, die internationale Organisationen in der Schweiz mit Vorrechten und Immunitäten internationalen öffentlichen Rechts ihren Angestellten gewähren, fallen daher nicht unter dieses Verbot (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 227
BGE 140 V 227 S. 227
A.
A., de nationalité néerlandaise, travaille au service de l'Union Européenne de X., à V. Son employeur est affilié à la Caisse d'allocations familiales interprofessionnelle de la Fédération des entreprises romandes FER-CIAM (ci-après: la caisse). Son épouse, B., également de nationalité néerlandaise, travaille au service de l'Organisation des Nations Unies (ONU) pour le Programme Y. Les époux sont domiciliés à T. Ils ont deux enfants, C. et D., nés respectivement en 2008 et 2011.
BGE 140 V 227 S. 228
Le 19 mai 2011, A. a présenté auprès de la caisse une demande d'allocations familiales pour ses enfants C. et D. Par décision du 19 septembre 2011, confirmée sur opposition le 17 novembre 2011, la caisse a refusé de lui allouer les allocations prétendues au motif que son épouse avait droit à des prestations familiales en sa qualité de salariée de l'ONU et qu'en conséquence le versement des allocations en cause conduirait à un cumul inadmissible.
B.
A. a recouru contre cette décision devant la Chambre des assurances sociales de la Cour de justice de la République et canton de Genève. Statuant le 31 janvier 2013, cette juridiction a partiellement annulé la décision du 17 novembre 2011 en ce sens que A. a droit à une allocation de naissance pour ses deux enfants. Elle a confirmé pour le surplus le refus de la caisse d'allouer au père les allocations familiales qu'il demandait.
C.
L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) exerce un recours en matière de droit public dans lequel il conclut principalement à l'annulation de l'arrêt cantonal et au renvoi de la cause à la caisse pour examen du droit aux allocations familiales de A. et fixation du montant de celles-ci.
A. n'a pas répondu au recours. La caisse s'en est remise à justice.
D.
La I
re
Cour de droit social du Tribunal fédéral a tenu une délibération publique le 10 avril 2013.
Le recours a été admis.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La juridiction cantonale a constaté que tous les fonctionnaires de l'ONU qui remplissent les conditions voulues ont droit, à titre d'avantage social, à des indemnités forfaitaires pour enfants à charge, conformément au Statut et Règlement de l'Organisation. Ces indemnités sont versées à raison de la charge financière que représentent un ou plusieurs enfants et visent donc le même but que les allocations familiales. Aussi bien la Cour cantonale a-t-elle considéré que le droit aux allocations familiales pour les enfants de A. était ouvert tant en vertu du régime de l'ONU (en faveur de la mère) qu'en vertu du droit fédéral (en faveur du père). Aussi bien ce dernier ne pouvait-il prétendre de la caisse que le versement d'un complément différentiel, à savoir la différence entre les prestations servies par l'ONU et le montant qui serait dû en application de la
BGE 140 V 227 S. 229
réglementation suisse. Le Tribunal cantonal s'est inspiré de la réglementation en matière de cumul d'allocations familiales dans les relations entre la Suisse et les Etats de l'Union Européenne (art. 76 du Règlement [CEE]n° 1408/71 [RO 2004 121], remplacé par le Règlement [CE] n° 883/2004 du Parlement européen et du Conseil du 29 avril 2004portant sur la coordination des systèmes de sécurité sociale [RS0.831.109.268.1],entré en vigueur pour la Suisse le 1
er
avril 2012). Cependant, comme le père n'avait pas transmis toutes les informations relatives au montant des prestations versées à son épouse, il n'était pas possible de calculer le montant d'un éventuel complément différentiel. N'ayant pas satisfait à son devoir de collaborer, sa conclusion tendant au versement d'allocations familiales "genevoises" était d'emblée irrecevable. Il pouvait néanmoins prétendre une allocation de naissance pour chacun de ses deux enfants, sous réserve d'un éventuel cumul.
3.
3.1
Sous le titre "Interdiction du cumul", l'art. 6 de la loi fédérale du 24 mars 2006 sur les allocations familiales (LAFam; RS 836.2), prévoit ceci:
Le même enfant ne donne pas droit à plus d'une allocation du même genre. Le paiement de la différence prévu à l'art. 7 al. 2, est réservé.
L'
art. 7 LAFam
instaure un ordre de priorité en cas de cumul de droits à des prestations familiales. Il est ainsi libellé:
Concours de droits
1
Lorsque plusieurs personnes peuvent faire valoir un droit aux allocations familiales pour le même enfant en vertu d'une législation fédérale ou cantonale, le droit aux prestations est reconnu selon l'ordre de priorité suivant:
a. à la personne qui exerce une activité lucrative;
b. à la personne qui détient l'autorité parentale ou qui la détenait jusqu'à la majorité de l'enfant;
c. à la personne chez qui l'enfant vit la plupart du temps ou vivait jusqu'à sa majorité;
d. à la personne à laquelle est applicable le régime d'allocations familiales du canton de domicile de l'enfant;
e. à la personne dont le revenu soumis à l'AVS et provenant d'une activité lucrative dépendante est le plus élevé;
f. à la personne dont le revenu soumis à l'AVS et provenant d'une activité lucrative indépendante est le plus élevé.
BGE 140 V 227 S. 230
2
Dans le cas où les allocations familiales du premier et du second ayants droit sont régies par les dispositions de deux cantons différents, le second a droit au versement de la différence lorsque le taux minimal légal est plus élevé dans son propre canton que dans l'autre.
3.2
La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si plusieurs interprétations sont possibles, le juge recherche la véritable portée de la norme, en la dégageant de sa relation avec d'autres dispositions légales et de son contexte (interprétation systématique), du but recherché, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique), ainsi que de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique;
ATF 131 III 623
consid. 2.4.4 p. 630,
ATF 131 III 314
consid. 2.2 p. 315 s.). Le sens que prend la disposition dans son contexte est également important (
ATF 131 II 361
consid. 4.2 p. 368;
ATF 130 II 65
consid. 4.2 p. 71). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant une pluralité de méthodes, sans soumettre les différents éléments d'interprétation à un ordre de priorité (
ATF 133 III 257
consid. 2.4 p. 265).
3.3
3.3.1
Comme cela ressort du texte de l'
art. 6 LAFam
, l'interdiction du cumul s'applique aux allocations du "même genre". Sont visées les allocations énumérées à l'
art. 3 LAFam
, soit l'allocation pour enfant, l'allocation de formation professionnelle, ainsi que l'allocation de naissance et l'allocation d'adoption que les cantons peuvent prévoir dans leur régime d'allocations familiales (cf. THOMAS FLÜCKIGER, Koordinations- und verfahrensrechtliche Aspekte bei den Kinder- und Ausbildungszulagen, in Bundesgesetz über die Familienzulagen [FamZG], Schaffhauser/Kieser [éd.], 2009, p. 171 s.; KIESER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, 2010, n° 10 ad
art. 6 LAFam
). Comme le souligne le recourant, les indemnités versées par l'ONU à ses employés ne sont pas des allocations familiales au sens de la LAFam. Pour avoir droit aux allocations familiales selon cette loi, un salarié doit être au service d'un employeur assujetti à l'AVS ou, si son employeur n'est pas tenu de payer des cotisations selon l'
art. 6 LAVS
, être considéré comme salarié au sens de la législation fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants (
art. 11 al. 2 LAFam
). Or, il est constant que l'ONU, au bénéfice des privilèges et immunités applicables aux organisations internationales en Suisse, n'est pas tenue de payer des cotisations (voir l'Accord sur les privilèges et immunités de l'Organisation des
BGE 140 V 227 S. 231
Nations Unies conclu entre le Conseil fédéral suisse et le Secrétaire général de l'Organisation des Nations Unies des 11 juin/1
er
juillet 1946; RS 0.192.120.1). B. n'a pas non plus qualité de salariée au sens de l'
art. 11 al. 2 LAFam
. En effet, ne sont pas assurés les ressortissants étrangers qui bénéficient de privilèges et d'immunités, conformément aux règles du droit international public (
art. 1a al. 2 let. a LAVS
en corrélation avec l'
art. 1b RAVS
[RS 831.101] etl'art. 2 de la loi du 22 juin 2007 sur l'Etat hôte [LEH; RS 192.12]). On doit dès lors considérer que les indemnités versées à l'épouse ne sont pas des prestations d'un même genre au sens du droit fédéral et, partant, qu'elles ne sont pas visées par la règle anti-cumul de l'
art. 6 LAFam
.
3.3.2
On ajoutera que l'ordre de priorité fixé à l'
art. 7 LAFam
est indissociablement lié à la règle de l'interdiction du cumul posée à l'
art. 6 LAFam
, qu'il concrétise et dont il est le corollaire nécessaire. Or, le régime en cascade prévu à l'
art. 7 al. 1 LAFam
ne s'applique, comme l'indique son texte, qu'en cas de concours d'un droit aux allocations familiales en vertu d'une législation fédérale ou cantonale.
A contrario
, l'interdiction du cumul ne s'applique pas lorsque ces allocations entrent en concours avec des prestations qui sont allouées à un autre titre (dans ce sens également: UELI KIESER, Verbot des Doppelbezugs im neuen Familienzulagenrecht [Ressourceélectronique]: eine Auslegung von Art. 6 FamZG, Hill 2009 n° 3).
3.3.3
Cette interprétation littérale et systématique est corroborée par les travaux préparatoires de la loi. Dans son rapport initial du 20 novembre 1998 sur l'initiative parlementaire "Prestations familiales (Fankhauser)", la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national (CSSS-N) avait prévu un art. 5 qui comportait deux alinéas. Le premier posait le principe de l'interdiction du cumul. Quant au second, il contenait une règle selon laquelle les allocations prévues n'étaient pas dues si le même enfant ouvrait droit à des prestations familiales en vertu d'une autre législation ou de rapports de service régis par le droit public international. De l'avis de la commission, cette règle visait à empêcher le cumul dans les relations avec d'autres Etats ou en rapport avec des réglementations de droit public international appliquées, p. ex., au niveau des organisations dépendant de l'ONU. La commission notait, à titre illustratif, que l'épouse d'un fonctionnaire international de l'ONU ne pouvait pas faire valoir un droit à l'allocation fédérale si son mari bénéficiait déjà d'une allocation versée par cette organisation (FF 1999 2942, plus spécialement 2953 s., 2976 ad art. 5). Dans son avis du 28 juin
BGE 140 V 227 S. 232
2000 sur ce rapport, le Conseil fédéral a relevé à ce propos que cette réglementation aboutirait à des cas de rigueur (p. ex. si le père de l'enfant travaille à l'étranger et a droit à une allocation moins élevée qu'en Suisse, la mère divorcée vivant en Suisse se verrait refuser toute prestation selon la législation fédérale, quand bien même elle exercerait une activité lucrative). En outre, la réglementation proposée ne répondait pas à la question de savoir quel Etat (ou institution) serait compétent pour verser les prestations (FF 2000 4422, plus spécialement 4432). Dans son rapport complémentaire du 8 septembre 2004, la CSSS-N a biffé l'alinéa 2 de son projet initial et proposé la version actuelle de l'
art. 6 LAFam
(FF 2004 6459, plus spécialement 6477), qui a finalement été adoptée sans discussion par les Chambres fédérales (BO 2005 CN 330, 2005 CE 717).
Il apparaît ainsi que le législateur a délibérément renoncé à une interdiction du cumul dans les cas où l'un des conjoints bénéficie d'une prestation à caractère familial versée par un Etat étranger ou une organisation internationale. Le Conseil fédéral a certes reçu la compétence de déterminer les conditions d'octroi des allocations pour les enfants vivant à l'étranger (
art. 4 al. 3 LAFam
; cf. art. 7 de l'ordonnance du 31 octobre 2007 sur les allocations familiales [OAFam; RS 836.21]). En revanche, le législateur n'a prévu aucune disposition qui permettrait de régler la coordination entre les allocations familiales selon la LAFam et les prestations versées à leurs employés par les organisations internationales en Suisse au bénéfice des privilèges et immunités du droit international public. S'il a renoncé volontairement à codifier une situation qui n'appelait pas nécessairement une intervention de sa part, son inaction équivaut à un silence qualifié qui ne requiert pas non plus une intervention du juge à l'aide d'un raisonnement par analogie, notamment par comparaison avec des règles de la coordination européenne (voir p. ex.
ATF 139 I 57
consid. 5.2 p. 60).
3.3.4
Le jugement attaqué cite l'art. 3A al. 2 de la loi cantonale genevoise du 1
er
mars 1996 sur les allocations familiales (LAF; RSG J 5 10), selon lequel les allocations prévues par cette loi ne sont pas dues si le même enfant ouvre droit à des prestations familiales en vertu d'une autre législation ou de rapports de service régis par le droit public interne ou international, sous réserve des articles 3B al. 2 et 3C al. 3. Cette disposition cantonale, qui correspond en partie au projet initial de la CSSS-N, n'est pas compatible avec le principe de la force dérogatoire du droit fédéral (
art. 49 al. 1 Cst.
; cf.
ATF 138 I 410
BGE 140 V 227 S. 233
consid. 3.1 p. 414 et les arrêts cités), lequel contient, on l'a vu, une réglementation exhaustive en matière de cumul et de priorité des droits.
4.
Vu ce qui précède, il résulte que A. a droit - sous réserve d'autres conditions non examinées ici - à une allocation familiale pour chacun de ses enfants, en plus de l'allocation de naissance qui lui a été reconnue par le jugement cantonal et qui n'est pas litigieuse. Le recours est ainsi bien fondé. Il appartiendra à la caisse, à qui la cause sera renvoyée, de rendre une nouvelle décision. (...) | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4fcc1e31-b452-445f-b457-505559580556 | Urteilskopf
121 II 121
20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. April 1995 i.S. Bubenberghaus AG gegen Schweiz. Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) und Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 6 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 27 Abs. 1 und 3,
Art. 76 EntG
; Pflicht zur Vorlage eines Werkplanes und Voraussetzungen zur vorzeitigen Besitzeinweisung.
Eine vorzeitige Besitzeinweisung fällt erst in Betracht, wenn der Inangriffnahme der Bauarbeiten für das Werk aus planungs- und baurechtlicher Sicht nichts mehr entgegensteht (E. 1).
Von der Pflicht zur Auflage eines Werkplanes ist der Enteigner nur bei Enteignungen für künftige Erweiterungen bestehender Werke befreit, nicht dagegen bei konkreten Ausbauvorhaben, die vor der Realisierung stehen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 122
BGE 121 II 121 S. 122
Mit Eingabe vom 21. Dezember 1993 ersuchte die Generaldirektion PTT im Namen der Schweizerischen Eidgenossenschaft den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 6, um Einleitung eines Enteignungsverfahrens für die Erweiterung der Schanzenpost in Bern. Nach den eingereichten Unterlagen richtet sich das Verfahren gegen die Eigentümer von vier Grundstücken an der Laupenstrasse, darunter die Parzelle Nr. 3263 der Bubenberghaus AG. Von den Grundeigentümern wird die Abtretung eines Bodenstreifens, die Unterdrückung der bestehenden Geleisedurchfahrts-Dienstbarkeit sowie die Einräumung eines Grenz- bzw. Fassadenanbaurechts zugunsten der Enteignerin verlangt. Neben dem Gesuch um Verfahrenseröffnung stellte die Generaldirektion PTT Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung, um einerseits möglichst rasch mit den Bauarbeiten beginnen und andererseits das kantonale Baubewilligungsverfahren in Gang bringen zu können.
Der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 6, eröffnete das Enteignungsverfahren am 23. Dezember 1993. Während der öffentlichen Planauflage erhob die Bubenberghaus AG gegen die Enteignung Einsprache und meldete ihre Entschädigungsforderungen an. An der Einigungsverhandlung hielt die Grundeigentümerin an ihrer Einsprache fest. Zum Begehren um vorzeitige Besitzeinweisung wollte sich die Enteignete zur Zeit nicht äussern.
Mit Verfügung vom 13. Juni 1994 gab der Präsident der Schätzungskommission, Kreis 6, dem Gesuch um vorzeitige Besitzergreifung hinsichtlich der Parzelle Nr. 3263 statt. Die PTT wurden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Enteignete während der Dauer der Bauarbeiten über hinreichende Anlieferungsmöglichkeiten verfüge.
Gegen diesen Besitzeinweisungs-Entscheid hat die Bubenberghaus AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie rügt im wesentlichen, dass die Frage der Notwendigkeit einer vorzeitigen Besitzergreifung ungeklärt geblieben sei und dass die Voraussetzungen für die Bewilligung der Inbesitznahme nicht erfüllt seien; insbesondere dürften die PTT mit den Bauarbeiten ohnehin erst beginnen, wenn die im Zusammenhang mit dem Erweiterungsprojekt abgeänderte Überbauungsordnung rechtskräftig geworden
BGE 121 II 121 S. 123
sei und eine Baubewilligung vorliege.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 6, ist im angefochtenen Entscheid davon ausgegangen, dass die vorzeitige Besitzeinweisung ohne weiteres erfolgen könne, wenn die in
Art. 76 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711)
genannten Bedingungen erfüllt seien. Die vorzeitige Inbesitznahme sei daher zu bewilligen, wenn dem Unternehmen ohne eine solche bedeutende Nachteile erwüchsen, wenn die Prüfung der Entschädigungsforderung trotz Besitzergreifung noch möglich sei und wenn, solange noch Einsprachen hängig seien, keine Schäden entstünden, die bei nachträglicher Gutheissung nicht wieder gut zu machen wären. Weitere Voraussetzungen seien nicht verlangt. Diese Auffassung geht jedoch fehl.
Das Bundesgericht hat bereits in
BGE 115 Ib 424
E. 4d S. 432 ff. eingehend dargelegt, dass die vorzeitige Besitzeinweisung bei der Revision des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 wesentlich erleichtert wurde, sich jedoch an zwei grundlegenden Voraussetzungen, die sich aus dem Zweck und Wesen des Institutes selbst ergeben, nichts geändert hat: Zum einen ist weiterhin erforderlich, dass der Gesuchsteller bereits mit dem Enteignungsrecht ausgestattet ist. Muss das Enteignungsrecht für ein bestimmtes Werk eigens noch erteilt werden, bleibt eine vorzeitige Besitzeinweisung vor dem Verleihungsakt ausgeschlossen. Zum andern kommt die Anwendung von
Art. 76 EntG
nur in Frage, wenn das Werk, für welches enteignet wird, nach den massgebenden Spezialbestimmungen bewilligt und zum Bau freigegeben worden ist. Solange aus bau- und planungsrechtlicher Sicht mit den Bauarbeiten noch nicht begonnen werden kann, hat der Enteigner - wie in
BGE 116 Ib 241
E. 4b erneut betont worden ist - keinen Anspruch auf vorzeitigen Besitz der für die Erstellung des Werkes benötigten Rechte.
Wie sich aus dem Gesuch der Enteignerin und dem angefochtenen Entscheid selbst ergibt, war hier im Zeitpunkt der Besitzeinweisung weder die für das Erweiterungsprojekt massgebende Überbauungsordnung in allen Teilen rechtskräftig, noch das Bewilligungsverfahren auch nur eingeleitet worden. Der Stand des Baubewilligungsverfahrens gestattete somit die Inangriffnahme der Bauarbeiten nicht; damit fehlte es auch an der Grundlage für eine
BGE 121 II 121 S. 124
vorzeitige Inbesitznahme der zu enteignenden Grundstücke. Die Beschwerdeführerin beklagt sich deshalb zu Recht darüber, dass dem Gesuch um Besitzeinweisung stattgegeben worden ist, obschon noch keine genehmigten Baupläne vorlagen.
Nun hat allerdings die Enteignerin stets geltend gemacht, die vorzeitige Besitzeinweisung müsse auch deshalb erfolgen, weil sie als Baugesuchstellerin gemäss kantonalem Recht die Verfügungsgewalt über die beanspruchten Grundstücke benötige, um das Baubewilligungsverfahren überhaupt einleiten zu können. Das bernische Baurecht kann jedoch offensichtlich nicht in dieser Weise ausgelegt werden. Wohl schreibt Art. 10 Abs. 2 des kantonalen Dekretes über das Baubewilligungsverfahren vom 10. Februar 1972 (heute vom 22. März 1994) vor, dass das Baugesuch vom Bauherrn, vom Projektverfasser und "bei Bauten auf fremden Boden ausserdem vom Grundeigentümer" zu unterzeichnen sei. Nach dem von der Enteignerin selbst zitierten Kommentar zu dieser Bestimmung bzw. zu Art. 34 des Berner Baugesetzes vom 9. Juni 1985/22. März 1994 ist jedoch die Mitunterzeichnung durch den Grundeigentümer u.a. dann entbehrlich, wenn der Gesuchsteller das Enteignungsrecht am Baugrundstück besitzt (ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, 1.A. 1987, N. 8 zu Art. 34, 2.A. 1995, N. 10 zu Art. 34 und dort zitierte Entscheide). Die Ausübung des Enteignungsrechts gegenüber den vier für die Erweiterung der Schanzenpost beanspruchten Parzellen ist aber der Schweizerischen Eidgenossenschaft bzw. den PTT-Betrieben bereits mit Bundesratsbeschluss vom 30. Juni 1993 bewilligt worden. Es ist daher nicht einzusehen, weshalb die Enteignerin zur Einleitung des Baubewilligungsverfahrens auf eine vorzeitige Besitzeinweisung - die ihr ja das Eigentum an den beanspruchten Rechten nicht zu verschaffen vermag - angewiesen wäre. Im übrigen könnten kantonale Bestimmungen ohnehin an den im Bundesrecht festgelegten Erfordernissen für die vorzeitige Besitzergreifung im Enteignungsverfahren nichts ändern.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen und die Besitzeinweisungs-Verfügung aufzuheben.
2.
Der Vollständigkeit halber und im Hinblick auf die Funktion des Bundesgerichts als Aufsichtsbehörde gegenüber den Eidgenössischen Schätzungskommissionen (
Art. 63 EntG
; vgl.
BGE 112 Ib 538
E. 1) sind zum Vorgehen des Schätzungskommissions-Präsidenten noch folgende Bemerkungen anzubringen:
BGE 121 II 121 S. 125
Wie sich aus den Akten ergibt und auch im angefochtenen Entscheid ausgeführt wird, hat der Präsident das Enteignungsverfahren trotz Fehlen eines Werkplans eröffnet, weil es hier um die Erweiterung eines bereits bestehenden öffentlichen Werkes gehe und in diesem Fall gemäss
Art. 27 Abs. 3 EntG
keine Werkpläne vorgelegt werden müssten. Von der Pflicht zur Auflage eines Werkplanes ist der Enteigner indessen nur bei Enteignungen für künftige Erweiterungen bestehender Werke befreit, das heisst bei vorsorglichen Enteignungen, die dazu dienen, sich den notwendigen Boden für spätere Erweiterungsbedürfnisse zu sichern. Da in solchen Fällen zwar wahrscheinlich sein muss, dass das Werk innert der zur Verfügung stehenden Dauer von 25 Jahren erweitert wird (vgl.
Art. 102 Abs. 1 lit. b EntG
;
BGE 120 Ib 276
E. 7), aber jedenfalls noch kein ausführungsreifes Projekt besteht, kann in der Regel ein Werkplan auch gar nicht angefertigt werden. Allfälligen bereits vorliegenden Plänen kommt keine bindende Wirkung zu (
BGE 120 Ib 496
E. 6c/bb S. 502). Handelt es sich dagegen - wie hier - nicht um eine künftige Werkerweiterung, sondern um ein vor der Realisierung stehendes konkretes Ausbauvorhaben, so kann sich der Enteigner nicht auf die Sondervorschrift von
Art. 27 Abs. 3 EntG
berufen und sind die formellen Erfordernisse des ordentlichen Enteignungsverfahrens einzuhalten. Es ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb für die Erweiterung eines bestehenden Werkes andere Anforderungen an die enteignungsrechtlichen Planunterlagen gestellt werden sollten als für einen Neubau.
Aus den Ausführungen über die Natur der vorsorglichen Enteignung ergibt sich im übrigen, dass dieses Sonderverfahren, welches der Deckung des Landbedarfes für zukünftige Projekte dient, und das Institut der vorzeitigen Besitzeinweisung, welches die beschleunigte Verwirklichung einer bereits bewilligten Baute oder Anlage bezweckt, sich von ihrem Wesen her gegenseitig ausschliessen.
Der Präsident der Schätzungskommission hätte demnach das Enteignungsverfahren mangels eines Werkplanes gar nicht eröffnen dürfen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob das ganze Verfahren aufsichtsrechtlich aufzuheben sei (vgl.
BGE 115 Ib 13
E. 3, 111 Ib 15 E. 9). Indessen sind, wie in der angefochtenen Verfügung erwähnt wird, von der Enteignerin detaillierte Projektstudien aufgelegt worden, welche dem Werkplan im Sinne von
Art. 27 Abs. 1 EntG
nahe kommen. Es darf deshalb davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Lage war, sich ein Bild über das Bauvorhaben zu machen und sachgerechte Begehren und Einwendungen gegen das
BGE 121 II 121 S. 126
Werk vorzubringen. Von der Aufhebung des Verfahrens ist daher aus Gründen der Rechtssicherheit abzusehen. Sollten allerdings die endgültigen Werkpläne bzw. die im noch durchzuführenden Baubewilligungsverfahren genehmigten Pläne in wesentlichen Punkten von den bisher bekannten Projektstudien abweichen, so müsste unter erneuter öffentlicher Bekanntmachung und persönlicher Benachrichtigung der Enteigneten (
Art. 31 EntG
) eine neue Planauflage erfolgen (vgl.
BGE 111 Ib 15
E. 6). | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fccf34b-a723-45ce-b30e-4ea6739cba48 | Urteilskopf
119 II 401
81. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 juillet 1993 dans la cause époux X. contre canton de Neuchâtel (Département de justice) (recours de droit administratif) | Regeste
Schreibweise eines Vornamens (
Art. 301 Abs. 4 ZGB
,
Art. 69 Abs. 2 ZStV
).
Unzulässigkeit der Schreibweise Djonatan für Jonathan: Weil rein phonetisch, ist sie absurd und verletzt daher die Interessen des Kindes. | Sachverhalt
ab Seite 401
BGE 119 II 401 S. 401
Les époux X. ont eu un fils, né le 14 décembre 1992, auquel ils ont décidé de donner le prénom "Djonatan". L'Officier de l'état civil de la commune de Neuchâtel a refusé d'inscrire ce prénom dans la mesure où sa graphie n'était pas celle qui est utilisée usuellement.
Par décision du 1er février 1993, le Département de justice du canton de Neuchâtel, autorité de surveillance de l'état civil, a déclaré mal fondé le recours formé par les parents.
Les époux X. ont déposé un recours de droit administratif auprès du Tribunal fédéral. Ils demandaient que la décision attaquée fût annulée et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 119 II 401 S. 402
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Aux termes de l'
art. 301 al. 4 CC
, les père et mère choisissent le prénom de l'enfant. Cette règle est reprise par l'
art. 69 OEC
(al. 1) (RS 211.112.1), dont l'alinéa 2 précise que les prénoms manifestement préjudiciables aux intérêts de l'enfant ou de tiers, notamment les prénoms choquants ou absurdes, sont refusés, et qu'il en est de même lorsque le sexe de l'enfant ne ressort pas de son ou de ses prénoms.
b) Dans la décision déférée, l'autorité cantonale a estimé, en substance, que le prénom "Djonatan" devait être refusé, non parce qu'il est rare, voire nouveau, mais parce que la graphie choisie n'est pas correcte et peut créer des confusions perpétuelles. Dans sa réponse au recours, elle précise que ce prénom devient absurde en raison de la graphie voulue par les parents; il apparaît ainsi préjudiciable aux intérêts de l'enfant, qui se trouvera régulièrement confronté à l'incompréhension, à la surprise, voire à la moquerie des autres, et qui risque de rencontrer de sérieuses difficultés dans ses relations personnelles, administratives ou professionnelles.
c) Les recourants soutiennent que l'autorité cantonale a abusé de son pouvoir d'appréciation en refusant l'inscription du prénom "Djonatan" pour le seul motif que la graphie choisie ne serait pas correcte. Actuellement, font-ils valoir en se référant à la doctrine, une grande variété règne dans la graphie des prénoms (cf. F. STURM, Le choix du prénom. La fantaisie et ses limites, Revue de l'état civil 1987 p. 294 ss, sp. p. 301 no 5); certains prénoms peuvent s'écrire de plusieurs manières, laissées au libre choix des parents. A leur avis, le prénom "Djonatan" n'est ni choquant ni absurde, et ne porte donc pas préjudice aux intérêts de l'enfant: de nos jours, il n'est pas plus choquant de s'appeler Djonatan que d'être affublé d'un prénom désuet, tel Aristide, Alcide ou Lucius, que l'Officier de l'état civil inscrirait sans réserve.
d) La graphie "Djonatan" marque, pour la première syllabe, la prononciation à l'anglaise du prénom traditionnellement écrit "Jonathan". Ce prénom, d'origine biblique (nom porté par divers personnages masculins de l'Ancien Testament), n'est ni choquant ni absurde, et détermine le sexe de l'enfant; il est d'ailleurs indiqué, pour la Suisse alémanique et la Suisse romande, dans le guide des prénoms édité par l'Association suisse des officiers de l'état civil (éd. 1986).
BGE 119 II 401 S. 403
Le Département fédéral de justice et police relève que l'
art. 69 al. 2 OEC
n'impose pas d'utiliser la graphie traditionnelle d'un prénom. Ainsi "Jonathan" est parfois écrit "Jonatan" (Manuel international des prénoms, Francfort 1986). Mais cette dernière graphie paraît consacrée par l'usage dans certains pays ou régions: le Manuel international des prénoms la mentionne pour le Danemark et la Suède, tandis que le guide des prénoms de l'Association suisse des officiers de l'état civil l'indique - et elle seule - pour la Suisse rhéto-romanche. Dans les pays anglo-saxons, en revanche, si l'on prononce "Djonathane", on écrit "Jonathan" (Manuel international des prénoms), de même que, comme l'observe pertinemment l'autorité cantonale, on prononce "Djone", mais on écrit "John".
Purement phonétique, la graphie "Djonatan" est absurde et, partant, préjudiciable aux intérêts de l'enfant. "Jonathan" s'écrivant, en français comme en anglais, avec un j initial et un h après le t, la graphie insolite choisie par les recourants ne pourra qu'être une source de désagréments pour leur fils, qui devra constamment préciser l'orthographe de son prénom ou rectifier la manière dont on l'aura écrit. A l'appui de leur choix, les recourants expliquent qu'ils ont trouvé mention de cette graphie dans un guide français des prénoms; ce n'est pas une raison suffisante: les parents ne peuvent user de la liberté accordée par l'
art. 301 al. 4 CC
que pour le bien de l'enfant, et le respect de la personnalité de ce dernier doit prévaloir sur les particularités de la personnalité des parents (
ATF 109 II 95
consid. 7 p. 96; cf.
ATF 107 II 26
consid. 2 p. 29).
e) Il résulte de ce qui précède que l'autorité cantonale n'a pas abusé de son pouvoir d'appréciation en confirmant le refus de l'Officier de l'état civil d'inscrire le prénom "Djonatan". | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fcfb479-009b-47da-a060-d6a303eef998 | Urteilskopf
115 II 123
23. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. März 1989 i.S. Z. U. gegen H. U. (Berufung) | Regeste
Art. 277 Abs. 2 ZGB
; Klage des mündigen Kindes auf Unterhalt zur Vervollständigung der Schulbildung und für die Dauer der anschliessenden Zweitlehre.
- Der Unterhaltsanspruch nach
Art. 277 Abs. 2 ZGB
ist auf die Verwirklichung einer beruflichen Ausbildung gerichtet. Diese ist zwar nicht eng zu verstehen und umfasst nicht nur die eigentliche Berufsschulung. Ein Anspruch auf Unterhalt über die Mündigkeit hinaus ist jedoch nur dann gegeben, wenn der Ausbildungsplan zumindest in seinen Grundzügen bereits vor der Mündigkeit angelegt ist (E. 4b).
- Keine Berücksichtigung von Fähigkeiten und Neigungen, die sich ausschliesslich erst nach der Mündigkeit entwickelt haben (E. 4d).
- Besteht gestützt auf
Art. 277 Abs. 2 ZGB
ein Anspruch auf Unterhalt für eine Zweitausbildung nach der Mündigkeit, wenn der zuerst erlernte Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann? Frage offengelassen, da ein solcher Anspruch jedenfalls nur im Rahmen eines bestimmten Ausbildungsplanes gegeben ist und daher voraussetzt, dass das neue Berufsziel feststeht (E. 4e). | Sachverhalt
ab Seite 124
BGE 115 II 123 S. 124
A.-
Die Ehe von H. und J. U. wurde am 12. Dezember 1980 geschieden. Der am 12. April 1962 geborene Sohn Z. wurde unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt. Er absolvierte in der Folge eine Lehre als Autoservice-Mann, die er im Jahre 1982 abschloss.
B.-
Am 22. Januar 1985 reichte Frau U. namens und mit Vollmacht ihres Sohnes Z. beim Bezirksgericht Hinwil gegen den Vater H. U. folgende Unterhaltsklage ein:
"Es sei der Beklagte zu verpflichten, dem Klüger für die Dauer seiner Schulausbildung und die anschliessende Lehre sowie für die Zeit seit Aufnahme der Privatstunden bis zum eigentlichen Schulbeginn einen
BGE 115 II 123 S. 125
angemessenen Unterhaltsbeitrag zu bezahlen, zahlbar monatlich je auf den Ersten jeden Monats."
Ferner wurde beantragt, dieser Unterhaltsbeitrag sei mit einer üblichen Indexklausel zu versehen und der Beklagte sei zur Sicherheitsleistung zu verpflichten.
Das Bezirksgericht Hinwil hiess die Klage am 28. Oktober 1986 im wesentlichen gut und verpflichtete den beklagten Vater, seinem erwachsenen Sohn rückständige Unterhaltsbeiträge im Betrage von Fr. 36'751.-- zu bezahlen. Ausserdem wurde der Vater zur Leistung weiterer Unterhaltsbeiträge bis zum 31. März 1991 verpflichtet, die monatlich zwischen Fr. 2'400.-- und Fr. 570.-- betragen sowie indexiert sein sollten. Überdies wurde er zur Sicherheitsleistung angehalten.
Der Vater reichte beim Obergericht des Kantons Zürich Berufung ein. Dieses hiess die Berufung mit Urteil vom 19. März 1987 gut und wies die Klage ab.
C.-
Sohn Z. hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung an das Bundesgericht und Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich erhoben.
Mit der Berufung an das Bundesgericht beantragt Z. die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Sache sei zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell verlangt er sinngemäss die Wiederherstellung des bezirksgerichtlichen Urteils. Ausserdem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Einschluss der unentgeltlichen Verbeiständung.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
D.-
Mit Beschluss vom 5. Dezember 1988 hat das Kassationsgericht des Kantons Zürich festgestellt, dass ein Teil der Begründung im angefochtenen Urteil an einem Nichtigkeitsgrund leide; es hat diesen Teil der Urteilsbegründung zuhanden des Bundesgerichts gestrichen. Im übrigen hat es die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Der Kläger steht auf dem Standpunkt, sein Anspruch auf Gewährung von Unterhalt durch den Beklagten müsse gestützt auf
Art. 277 Abs. 2 ZGB
selbst dann anerkannt werden, wenn vom Sachverhalt ausgegangen werde, wie er im angefochtenen Urteil
BGE 115 II 123 S. 126
festgestellt sei. Nach
Art. 302 Abs. 2 ZGB
habe ein Kind gegenüber seinen Eltern Anspruch auf eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit als möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung. Als allgemeine Ausbildung im Sinne dieser Bestimmung müsse mindestens ein Volksschulabschluss gelten. Da dem Kläger mit einem Volksschulabschluss eine grössere Palette an Berufen offenstehe als mit der bis anhin lückenhaften Schulbildung, müsse folgerichtig auch sein Anspruch auf eine seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechende Berufsausbildung im Anschluss an die neu erworbene Schulbildung bejaht werden. Zudem habe er bisher überhaupt keine seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Berufsausbildung erhalten; jene hätten sich in den vergangenen 5 Jahren im übrigen positiv entwickelt.
b) Mit diesen Vorbringen vermag der Kläger jedoch keinen Unterhaltsanspruch gemäss
Art. 277 Abs. 2 ZGB
zu begründen. Während der Erziehungsanspruch des unmündigen Kindes nach
Art. 302 Abs. 2 ZGB
im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten auch die allgemeine Ausbildung umfasst, ist der Unterhaltsanspruch nach
Art. 277 Abs. 2 ZGB
auf die Verwirklichung einer beruflichen Ausbildung gerichtet. Darunter ist eine Ausbildung zu verstehen, die es dem Kind im Rahmen seiner Fähigkeiten und Neigungen erlaubt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und wirtschaftlich selbständig zu werden (
BGE 114 II 207
; vgl. auch REUSSER, Unterhaltspflicht, Unterstützungspflicht, Kindesvermögen, in: Das neue Kindesrecht, Bern 1978, S. 63 insbes. Anm. 6). Die berufliche Ausbildung ist allerdings nicht in einem engen Sinn zu verstehen und umfasst nicht nur die eigentliche Berufsschulung (HEGNAUER, Die Dauer der elterlichen Unterhaltspflicht, in: Festschrift für Max Keller, Zürich 1989, S. 26; vgl. auch STETTLER, Traité de droit privé suisse, Band III/II/1, S. 325 f.); HEGNAUER (a.a.O.) spricht in diesem Zusammenhang anschaulich vom beruflichen Lebensplan. Im wesentlichen soll die Unterhaltspflicht der Eltern soweit über die Mündigkeit hinaus dauern, bis der bereits vor der Mündigkeit begonnene berufliche Lebensplan verwirklicht ist; dieser kann auch eine Weiterausbildung nach der Mündigkeit umfassen.
Die Vorstellung eines beruflichen Lebensplanes entspricht weitgehend der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung. In
BGE 107 II 476
f. ist entschieden worden, dass ein Anspruch auf zum Unterhalt berechtigende Ausbildung des Kindes über die Mündigkeit hinaus auch dann vorliege, wenn vor dem 20. Altersjahr eine Ausbildung in Aussicht genommen werde, die
BGE 115 II 123 S. 127
im Anschluss an irgend eine Grundausbildung erst kurz vor oder nach der Mündigkeit begonnen werden könne und den Fähigkeiten, Neigungen und Bedürfnissen des Kindes entspreche. Der berufliche Lebensplan, dessen Verwirklichung Anspruch auf Unterhalt über die Mündigkeit hinaus verleihen kann, muss indessen zumindest in seinen Grundzügen bereits vor diesem Zeitpunkt angelegt sein. Nur unter dieser Voraussetzung kann die eigentliche Berufsausbildung auch erst später beginnen (vgl.
BGE 107 II 408
f.). Zu einer weiteren Ausdehnung, wie sie offenbar STETTLER vorschwebt (Traité de droit privé suisse, S. 326 sowie ZVW 37/1982, S. 9), besteht kein Anlass. Andernfalls würde der Wortlaut von
Art. 277 Abs. 2 ZGB
klar überdehnt.
Art. 277 Abs. 2 ZGB
gewährt ausdrücklich nur dann einen Anspruch auf Unterhalt über die Mündigkeit hinaus, wenn sich das Kind in diesem Zeitpunkt "noch in Ausbildung" befindet. Diese einschränkende Formulierung kann nicht völlig beiseite geschoben werden, zumal sie auch durch die Gesetzesmaterialien gestützt wird.
c) Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach dem Ende der Schulzeit vorerst ein Werkschuljahr eingeschaltet, um den Berufswahlentscheid besser treffen zu können. Dieser Entscheid ist nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz aufgrund einer gründlichen Abklärung der persönlichen Voraussetzungen und Wünsche erfolgt. Gestützt darauf kann aber nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der damalige Entscheid für den Kläger angemessen und richtig war. Die damals gewählte Ausbildung als Autoservice-Mann hat der Kläger ordnungsgemäss abgeschlossen.
Unter diesen Umständen steht dem Kläger kein Anspruch zu, seine allgemeine Schulbildung nach Erreichen der Mündigkeit auf Kosten der Eltern zu vervollständigen. Entgegen den Ausführungen in der Berufung gibt es kein gleichsam absolutes Recht jedes Kindes auf Abschluss der Volksschule. Die schulische Zusatzausbildung, für die der Kläger einen Unterhaltsanspruch geltend macht, dient nicht dazu, in der bereits vor der Mündigkeit in Aussicht genommenen Berufsausbildung Lücken zu schliessen. Bezeichnenderweise hat der Kläger keine Angaben darüber gemacht, welche Berufsausbildung er nach dem Abschluss der Realschule in Angriff nehmen will. Damit fehlt es aber zum vornherein an einer notwendigen Voraussetzung, um im Rahmen von
Art. 277 Abs. 2 ZGB
einen Anspruch auf Schulbildung anerkennen zu können.
BGE 115 II 123 S. 128
d) Der Hinweis auf die seit Abschluss der Lehre angeblich eingetretene positive Entwicklung des Klägers vermag ebenfalls keinen Anspruch auf eine zweite Berufsausbildung zu begründen. Es würde dem Ausnahmecharakter von
Art. 277 Abs. 2 ZGB
widersprechen, wenn entscheidend auf Fähigkeiten und Neigungen abgestellt würde, die sich erst nach der Mündigkeit entwickelt haben. Inwieweit solchen neuen Entwicklungen Rechnung getragen werden könnte, wenn sie sich im Rahmen eines beruflichen Lebensplanes bewegten, der bereits auf die Zeit vor der Mündigkeit zurückgeht, muss hier nicht entschieden werden. Es genügt festzustellen, dass
Art. 277 Abs. 2 ZGB
keinen Anspruch auf Unterhalt gibt, wenn die neue Entwicklung ausschliesslich erst nach der Mündigkeit eingetreten ist.
e) Zu prüfen bleibt, ob der Kläger gestützt auf
Art. 277 Abs. 2 ZGB
einen Anspruch auf eine zweite Berufsausbildung erheben kann, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, den zuerst erlernten Beruf auszuüben, wie er geltend macht.
Ob der Kläger tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, müsste von der Vorinstanz auf dem Wege einer Rückweisung allerdings noch näher abgeklärt werden, nachdem das Kassationsgericht die betreffenden Feststellungen im angefochtenen Urteil zuhanden des Bundesgerichts gestrichen hat; entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung wäre das Bundesgericht nicht in der Lage, den Sachverhalt diesbezüglich selber zu ergänzen, da es sich nicht nur um einen nebensächlichen Punkt handelt (
Art. 64 Abs. 2 OG
).
Von einer Rückweisung kann jedoch abgesehen werden, weil die Klage selbst dann nicht gutgeheissen werden könnte, wenn die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zutreffen sollte. Es steht nämlich in keiner Weise fest, für welchen zweiten Beruf sich der Kläger ausbilden lassen möchte. Für die Durchsetzung eines Unterhaltsanspruches gestützt auf
Art. 277 Abs. 2 ZGB
genügt es nicht vorzubringen, der Entscheid über die Zweitausbildung könne erst nach Beendigung der Realschule gefüllt werden. Ein allfälliger Anspruch auf Weiterausbildung nach der Mündigkeit besteht vielmehr - wie sich bereits ergeben hat - nur im Rahmen eines bestimmten Ausbildungsplanes. Das Berufsziel muss daher feststehen. Dies ergibt sich im übrigen auch aus dem Wortlaut von
Art. 277 Abs. 2 ZGB
selber. Das Gesetz gewährt den ausserordentlichen Unterhaltsanspruch nach der Mündigkeit ausdrücklich nur für solange, bis die Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen
BGE 115 II 123 S. 129
werden kann. Eine Unterhaltsklage setzt daher eine Voraussage über den ordentlichen Abschluss der Ausbildung voraus, die ihrerseits nur möglich ist, wenn das Berufsziel bekannt ist.
Bei dieser Sachlage fehlt es somit an einer notwendigen Voraussetzung für die Gutheissung der Klage. Die grundsätzliche Frage, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen gestützt auf
Art. 277 Abs. 2 ZGB
ein Unterhaltsanspruch für die Verwirklichung einer Zweitausbildung nach der Mündigkeit bestehe, wenn der zuerst erlernte Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann, kann daher offengelassen werden. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fd680ff-9ba8-4b44-b988-01dbaebc205b | Urteilskopf
107 II 255
38. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Juli 1981 i.S. Ehrenberg & Bernasconi gegen Frischknecht und Appellationsgericht (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Mietvertrag, Rückforderung der Instandstellungsentschädigung.
Anspruch auf Rückerstattung der für das Weisseln der Wohnungsdecken bezahlten Instandstellungspauschale. Dieser Anspruch beruht nicht auf einer Änderung der Rechtsprechung, sondern auf der gesetzlichen Ordnung, wie sie seit dem Inkrafttreten des BMM besteht (E. 2-4).
Voraussetzungen der Anrechnung eines sogenannten Rückforderungsschadens (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 107 II 255 S. 256
A.-
M. Ehrenberg & R. Bernasconi vermieteten an Elsbeth Frischknecht im Hause Gasstrasse 66 in Basel vom 1. April 1974 bis 30. April 1977 eine 1-Zimmer-Wohnung und vom 1. Mai 1977 bis 30. September 1978 eine 2-Zimmer-Wohnung. Für beide Wohnungen zusammen gerechnet, bezahlte die Mieterin eine Instandstellungspauschale von Fr. 1'188.--. Sie belangte die Vermieter im Juni 1980 auf teilweise Rückerstattung im Betrage von Fr. 888.--.
Der Zivilgerichtspräsident von Basel-Stadt hiess die Klage am 7. Juli 1980 für einen Betrag von Fr. 835.-- gut. Eine hiegegen gerichtete Beschwerde der Beklagten wies der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 22. August 1980 ab.
B.-
Die Beklagten haben gegen die beiden kantonalen Entscheide staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
erhoben mit dem Antrag, sie aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Laut
BGE 105 II 35
ff. ist es unter der Herrschaft des BMM nicht zulässig, dem Mieter im Rahmen der Instandstellungsentschädigung die Kosten für die Behebung von Folgen einer durch vertragskonformen Gebrauch eingetretenen Abnützung der Mietsache, und damit solche für das Weisseln der Decken einer gemieteten Wohnung, zu überbinden, weil dem die nach
Art. 5 BMM
zwingende Bestimmung von
Art. 271 Abs. 2 OR
entgegen steht. Gestützt auf diesen Entscheid forderte die Klägerin die von ihr als Mieterin für die Jahre 1974 bis 1978 bezahlte Instandstellungspauschale zurück, soweit sie für jene Aufwendungen bestimmt war.
3.
Die Beschwerdeführer machen geltend, die baselstädtischen Gerichte hätten aus
BGE 105 II 35
ff. zu Unrecht geschlossen, die bezahlten ordentlichen Instandstellungskosten könnten grösstenteils - nach Abzug einer Reinigungspauschale -
BGE 107 II 255 S. 257
zurückverlangt werden. Sie vertritt grundsätzlich den Standpunkt, einem die Rechtsprechung ändernden Gerichtsurteil komme keine Rückwirkung zu, was die kantonalen Instanzen in willkürlicher Weise nicht beachtet hätten. Die Beschwerdeführer stützen sich dabei auf ein vom Hauseigentümer-Verein Basel in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. KARL SPIRO, der allerdings zuvor in BJM 1979 S. 113 ff. die Frage "Kann der Mieter die Instandstellungsentschädigung zurückfordern?" mit zum Teil abweichenden Folgerungen unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten abgehandelt hatte.
Der Einwand der Beschwerdeführer geht vorweg an der Tatsache vorbei, dass der Rückforderungsanspruch der Klägerin gar nicht auf einer Änderung der Rechtsprechung beruht, sondern auf der gesetzlichen Ordnung, wie sie seit dem Inkrafttreten des BMM am 7. Juli 1972 besteht und somit zur Zeit, als die Parteien ihre Mietverträge schlossen, bestand. Das wird zutreffend auch vom Appellationsgericht hervorgehoben.
BGE 105 II 35
ff. fusst auf dieser gesetzlichen Ordnung und beinhaltet keinerlei Änderung einer früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Dass die baselstädtische Praxis die mit dem BMM im vorliegend interessierenden Belange eingeführte Neuerung während einiger Jahre übersah, ergibt zwar für die konkret erfassten Fälle eine endgültige Erledigung, schafft aber keine von der allgemeinen abweichende besondere Rechtslage. Im übrigen wurde die Unrechtmässigkeit der kantonalen Praxis nicht erst mit dem erwähnten Bundesgerichtsentscheid aufgezeigt, sondern im Schrifttum bereits früher festgestellt (SCHMID, N. 19/20 zu
Art. 271 OR
). Dem Appellationsgericht war das, bezogen auf
Art. 271 Abs. 2 OR
, denn auch nicht entgangen, doch glaubte es, an seiner Praxis auf dem Umweg über
Art. 271 Abs. 1 OR
festhalten zu können (vgl.
BGE 105 II 37
f.). Wenn es nun von jener gesetzwidrigen Praxis abgeht und übereinstimmend mit dem Zivilgerichtspräsidenten die volle Geltung des BMM für die nach dessen Inkrafttreten abgeschlossenen oder abgeänderten Mietverhältnisse anerkennt, so kann darin keinerlei Willkür erblickt werden.
Die im Gutachten Spiro enthaltene Anregung, zwischen beendeten und noch abzuwickelnden Rechtsverhältnissen zu unterscheiden und jene auf sich beruhen zu lassen, wäre dort allenfalls in Betracht zu ziehen, wo es wirklich um die Folgen einer Änderung der Rechtsprechung geht. Hier handelt es sich indessen um die Durchsetzung einer an sich klaren gesetzlichen Ordnung, die
BGE 107 II 255 S. 258
lediglich in kantonaler Praxis zeitweilig ausseracht gelassen wurde, ohne dass sich diese auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung oder auf Äusserungen in der Lehre hätte stützen können (SPIRO, in BJM 1979, S. 114). Rücksichten auf die Rechtssicherheit reichen bei solchen Voraussetzungen zur Begründung nicht aus. Im Vordergrund steht, besonders unter dem Gesichtspunkt von
Art. 4 BV
, die Gewährleistung der Rechtsgleichheit. Bundesrecht erfordert, wesensbedingt, einheitliche materielle Geltung auf gesamtschweizerischer Ebene. Es kann nicht regionaler Praxis vorbehalten bleiben, seine Anwendbarkeit, über von ihm selber gesetzte örtliche Begrenzungen (
Art. 3 BMM
) oder Übergangsregelungen hinaus, zeitlich zu verzögern oder sachlich einzuschränken.
4.
Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat gemäss
Art. 62 OR
diese Bereicherung zurückzuerstatten; so insbesondere dann, wenn er ohne jeden gültigen Grund eine Zuwendung erhalten hat. Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nach
Art. 63 Abs. 1 OR
jedoch nur dann zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermag, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat.
Die Klägerin leistete die Instandstellungspauschale für die von ihr gemieteten Wohnungen aufgrund vertraglicher Abreden. Diese waren hinsichtlich der in die Entschädigung einbezogenen Kosten für das Weisseln der Wohnungsdecken nichtig. Insoweit zahlte die Klägerin ohne gültigen Grund.
Weiter bejaht das Appellationsgericht sowohl die Freiwilligkeit der Leistung wie den Irrtum der Klägerin. Die dagegen erhobenen Willkürrügen der Beschwerdeführer halten nicht stand. Die Klägerin zahlte solvendi causa, aus keiner sonstigen Veranlassung, somit freiwillig (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts I, S. 478). Ebenso befand sie sich im Irrtum über ihre Schuldpflicht, in einem möglicherweise durch die kantonale Praxis erweckten Irrtum über die wirkliche Rechtslage, in einem Rechtsirrtum also, der für die Begründung der Rückforderungsklage genügt (
BGE 98 Ia 193
,
BGE 70 II 272
,
BGE 64 II 127
; VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 483; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Auflage, S. 200: Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, S. 614).
Wollte man mit der Beschwerde übrigens annehmen, die Zahlung sei unfreiwillig, weil unter dem Druck der damaligen kantonalen Praxis, erbracht worden, so entfiele ein Irrtumsnachweis
BGE 107 II 255 S. 259
als Voraussetzung des Rückerstattungsanspruches, wie das Appellationsgericht zutreffend anmerkt (VON THUR/PETER, a.a.O., S. 485; BUCHER, a.a.O., S. 613).
5.
Als willkürlich beanstanden die Beschwerdeführer sodann die Nichtanrechnung eines sogenannten Rückforderungsschadens (
Art. 64 OR
;
BGE 82 II 439
,
BGE 73 II 108
f.,
BGE 64 II 131
f.; VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 505, 509 f.; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O., S. 204).
Das Appellationsgericht verneint den Anspruch nicht als solchen. Wenn es erklärt, von vornherein könne es nicht darum gehen, eine rechtlich unzulässige Forderung mit anderer Begründung - nämlich der Geltendmachung unterbliebener Mietzinserhöhung - zu "legitimieren", so ist das an sich wie namentlich im anschliessenden Bezug auf die Missbrauchsgesetzgebung durchaus richtig. Unter der Herrschaft des BMM kann es in der Tat nicht genügen, einfach zu behaupten, die Beklagten hätten selbstverständlich den Mietzins entsprechend erhöht, sofern sie gewusst hätten, dass sie eines Tages den grössten Teil der ordentlichen Instandstellungskosten zurückzahlen müssten. Es fragt sich vielmehr, ob die zusätzliche Belastung der Aufwandrechnung der Beklagten mit den von der Klägerin nicht zu tragenden Kosten für das Weisseln der Decken der gemieteten Wohnungen nach den Kriterien des BMM eine Erhöhung der Mietzinsen erlaubt hätte. Damit deckt sich die Anforderung des Appellationsgerichtes, gemäss der im Einzelfall hinreichend nachgewiesen werden muss, dass eine Mietzinserhöhung überhaupt möglich gewesen und bei Kenntnis der Rechtslage durchgeführt worden wäre. Mag letzteres einigermassen im Hypothetischen liegen, so war ersteres entgegen der Beschwerde gewiss beweisbar und hätte im Streit um eine erfolgte Zinserhöhung auch bewiesen werden müssen. Solchen Nachweis bieten die Beschwerdeführer nicht an. Ohne ihn entbehren die angestellten Prozentberechnungen der unerlässlichen Grundlage. Alsdann ist die offensichtlich aus Kenntnis der lokalen Verhältnisse gewonnene Annahme der kantonalen Richter nicht zu beanstanden, die vereinbarten Mietzinse würden, bezogen auf die Grösse der gemieteten Wohnflächen, auch ohne nachträgliche prozentuale Erhöhung noch eine angemessene Rendite ermöglicht haben. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fdd22e9-633b-49e4-abd5-400e5ba24882 | Urteilskopf
113 Ia 433
64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Dezember 1987 i.S. A. Candrian AG gegen Gysi und Kantonsgericht von Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; Kantonales Zivilprozessrecht.
a) Es ist nicht willkürlich, wenn im Bündner Zivilprozess die richterliche Fragepflicht gemäss
Art. 112 Abs. 1 ZPO
auf Beweisofferten nicht unbesehen angewendet wird (E. 1).
b) Die Verhandlungsmaxime gemäss Art. 156 Abs. 2 und 3 der Bündner ZPO wird in willkürlicher Weise verletzt, wenn die Klage mangels Beweisen abgewiesen wird, obwohl die nicht bewiesene Tatsache aufgrund der Vorbringen und des Verhaltens der Parteien eindeutig zugestanden ist (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 433
BGE 113 Ia 433 S. 433
Rudolf Gysi ist Eigentümer der Parzelle Nr. 6486, Plan 15, des Grundbuches der Stadt Chur, auf der er ein Einfamilienhaus erstellen liess.
Am 22. Oktober 1985 verfügte der Kreispräsident von Chur zugunsten der A. Candrian AG superprovisorisch die Vormerkung
BGE 113 Ia 433 S. 434
eines Bauhandwerkerpfandrechts im Betrage von Fr. 37'735.60. Diese Verfügung wurde vom Kreispräsidenten am 11. Dezember 1985 bestätigt. Gleichzeitig setzte er der A. Candrian AG Frist an zur Einleitung der Klage auf definitive Eintragung des Pfandrechts.
Das Bezirksgericht Plessur wies die Klage am 12. Dezember 1986 ab. Die von der A. Candrian AG dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht von Graubünden mit Urteil vom 27. April 1987 ebenfalls ab.
Gegen diesen Entscheid wendet sich die A. Candrian AG mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Die Sache sei zu neuer Entscheidung an das Kantonsgericht von Graubünden zurückzuweisen.
Rudolf Gysi und das Kantonsgericht von Graubünden beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 112 Abs. 1 der bündnerischen Zivilprozessordnung soll der Richter die Partei formfrei befragen, wenn das Vorbringen einer Partei unklar, unvollständig oder unbestimmt bleibt. Die Beschwerdeführerin behauptet, das Kantonsgericht habe diese Bestimmung willkürlich angewendet und ihr rechtliches Gehör verletzt, weil ihr Verwaltungsratspräsident nicht befragt worden ist.
Das Kantonsgericht hat indessen von einer formfreien Befragung abgesehen, weil die im Gesetz genannten Voraussetzungen für eine richterliche Befragung nicht erfüllt seien. Sinn von
Art. 112 Abs. 1 ZPO
könne nur sein, dass der Richter die Ausführungen tatsächlicher Art mit Hilfe von Fragen zu verdeutlichen versuche. Davon könne hier keine Rede sein. Die Beschwerdeführerin habe es lediglich unterlassen, einen Beweis für ihre an sich klare Tatsachenbehauptung zu erbringen.
Diese Auffassung ist nicht völlig unhaltbar. Wohl weist Guldener darauf hin, die mangelnde Vollständigkeit von Parteivorbringen könne auch darin bestehen, dass für wesentliche Behauptungen kein Beweis anerboten werde (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 165, Anm. 15). Anderseits ist es den Kantonen anerkanntermassen freigestellt, ob und inwieweit sie die Behauptungslast durch die richterliche Fragepflicht mildern wollen
BGE 113 Ia 433 S. 435
(
BGE 108 II 340
). Es erscheint daher nicht als sachlich völlig unvertretbar, wenn die Fragepflicht auf die Beweisofferten nicht unbesehen angewendet wird. Andere Umstände, aus denen diesbezüglich eine völlig unhaltbare Anwendung des kantonalen Prozessrechts hervorgehen würde, werden nicht angeführt. Die Rüge, Art. 112 Abs. 1 Bündner ZPO sei willkürlich angewendet worden, erweist sich somit - von der kaum genügenden Substantiierung abgesehen - als unbegründet. Der Rüge der Gehörsverletzung kommt im übrigen keine selbständige Bedeutung zu; diese geht in der Rüge der willkürlichen Anwendung der Fragepflicht auf (vgl. STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, N. 2 zu § 55).
4.
Willkür erblickt die Beschwerdeführerin schliesslich darin, dass das Kantonsgericht das prozessuale Verhalten des Beschwerdegegners nicht berücksichtigt habe. Aus diesem gehe ganz klar hervor, dass der Grundbucheintrag nicht bestritten, ja sinngemäss sogar zugestanden worden sei. Eines besonderen Beweises habe es daher nicht bedurft.
b) Die Rüge ist begründet. Die Beschwerdeführerin hat bereits in der Klageschrift vom 25. April 1986 behauptet, der vorsorgliche Pfandeintrag sei am 22. Oktober 1985 rechtzeitig vollzogen worden. In der Klageantwort vom 11. Juli 1985 hat der Beschwerdegegner diese Behauptung nicht konkret bestritten, sondern sich mit einer Pauschalbestreitung sämtlicher Vorbringen der Gegenpartei begnügt. Gemäss Art. 156 Abs. 1 Satz 2 der Bündner ZPO gilt zwar als bestritten, was nicht zugestanden wird. Ob diese Bestimmung dahingehend zu relativieren sei, dass die prozesserheblichen oder prozessentscheidenden Behauptungen einzeln zu bestreiten sind (vgl. GULDENER, a.a.O., S. 168; und auch STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 4 und 13 zu § 113), kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Gemäss Art. 156 Abs. 2 und 3 der Bündner ZPO müssen nämlich die von einer Partei vor Gericht zugestandenen Tatsachen nicht bewiesen werden. Ob ein Geständnis einer Tatsache vorliegt, hat der Richter unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Vorbringen und des Verhaltens der Partei im Prozess zu beurteilen.
Hier hat sich der Beschwerdegegner in der Klageantwort auf den Standpunkt gestellt, die Dreimonatsfrist gemäss
Art. 839 Abs. 2 ZGB
sei in bezug auf die Heizungsanlage nicht eingehalten worden. Die Arbeiten seien spätestens am 12. Juli 1985 vollendet worden. Auch in bezug auf die Sanitärinstallationsarbeiten könne "mit gutem Grund" nicht davon gesprochen werden, die Frist sei
BGE 113 Ia 433 S. 436
gewahrt worden. Der Beschwerdegegner beantragte deshalb die Abweisung der Klage. Eventuell verlangte er die Gutheissung der Klage im Umfange der Sanitärinstallationsarbeiten.
Hieraus ergibt sich Verschiedenes: Erstens hätten sich die Ausführungen über die Fristwahrung erübrigt, wenn sich das Hauptbegehren des Beschwerdegegners, die Klage abzuweisen, auf die fehlende Vormerkung des Bauhandwerkerpfandrechts im Grundbuch gestützt hätte. Zweitens wäre das Eventualbegehren auf teilweise Gutheissung der Klage unverständlich, wenn der Beschwerdegegner nicht zumindest davon ausgegangen wäre, dass das Bauhandwerkerpfandrecht provisorisch eingetragen sein könnte. Drittens setzten die Ausführungen über die Dreimonatsfrist stillschweigend voraus, dass der provisorische Grundbucheintrag erfolgt sei. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die behauptete Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist ausdrücklich oder aufgrund sämtlicher Ausführungen wenigstens sinngemäss als Eventualstandpunkt bezeichnet worden wäre. Hievon kann jedoch keine Rede sein. Vielmehr betrafen auch die Beweisofferten des Beschwerdegegners vor Bezirksgericht ausschliesslich den Zeitpunkt der Ausführung der Arbeiten.
In der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht verweigerte der Beschwerdegegner dann seine Zustimmung zur Vorlegung eines Grundbuchauszuges. Wohl mag die gemäss
Art. 108 Abs. 2 ZPO
erforderliche Zustimmung der Gegenpartei zur Einreichung von Urkunden, die in den Rechtsschriften nicht erwähnt worden sind, ihren guten Grund darin haben, dass ein überraschendes Vorbringen neuer Beweismittel in der Hauptverhandlung verhindert werden soll, wie das Kantonsgericht ausführt.
Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn danach getrachtet wird, einer Prozessverzögerung keinen Vorschub zu leisten, und daher der Gegenpartei ermöglicht werden soll, allfällige Gegenbeweise rechtzeitig bereitzustellen. Im vorliegenden Fall war eine solche prozessuale Benachteiligung jedoch nicht zu befürchten. Es ist nicht ersichtlich, welche Gegenbeweise der Beschwerdegegner gegen die Angaben des Grundbuchauszuges hätte nennen können. Ein langwieriges Beweisverfahren, auf das er sich nicht rechtzeitig hätte vorbereiten können, lag somit kaum im Bereich des Möglichen. Das Verhalten des Beschwerdegegners kann unter diesen Umständen nur damit erklärt werden, dass er den Urkundenbeweis über die erfolgte Grundbucheintragung vereiteln wollte, obwohl er sich nie auf die fehlende Eintragung berufen hatte.
BGE 113 Ia 433 S. 437
c) Es ergibt sich somit, dass die Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, ihre Behauptung, wonach die Grundbucheintragung erfolgt sei, werde vom Beschwerdegegner zugestanden. Das Kantonsgericht hat sich in unhaltbarer Weise über die Vorbringen und das Verhalten des Beschwerdegegners im Prozess hinweggesetzt und damit Art. 156 Abs. 2 und 3 der Bündner ZPO willkürlich angewendet. Angesichts der gesamten Umstände waren von der Beschwerdeführerin zur Frage der Grundbucheintragung in Anwendung der Verhandlungsmaxime gemäss
Art. 156 Abs. 2 und 3 ZPO
keine Beweise zu verlangen. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4fde34a7-d429-4f22-8f02-b79f7ec1ddc9 | Urteilskopf
113 Ia 407
61. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. November 1987 i.S. Firma A. gegen Firma B. und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Ablehnung eines Schiedsrichters.
1. Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 58 Abs. 1 BV
: Neue tatsächliche Vorbringen, letztinstanzlicher Entscheid (E. 1)?
2. Anspruch des Einzelnen auf Beurteilung seiner Streitsache durch ein unparteiisches Gericht: Zum Begriff der Unparteilichkeit; Anforderungen an den Nachweis der Befangenheit, insbesondere nach Aufhebung eines Entscheides wegen Verfahrensfehlern (E. 2a und b). Sinngemässe Anwendung von Konkordatsrecht (E. 2c)? | Erwägungen
ab Seite 407
BGE 113 Ia 407 S. 407
Erwägungen:
1.
Das Urteil eines Schiedsgerichts, welches die Firma A. auf Klage der Firma B. am 13. März 1986 insbesondere verpflichtete, der Klägerin rund 3,94 Milliarden Lire nebst Zins zu bezahlen, wurde von der Beklagten erfolglos beim Obergericht des Kantons Zürich mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. In teilweiser Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde der Beklagten hob das Bundesgericht am 28. November 1986 den Entscheid des Obergerichts jedoch wegen formeller Rechtsverweigerung auf. Am 3. Februar 1987 hiess das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde nunmehr teilweise gut und wies die Sache zur Ergänzung des Beweisverfahrens an das Schiedsgericht zurück.
Am 16. Juni 1987 stellte die Beklagte gegen den Obmann des Schiedsgerichts ein Ablehnungsbegehren, das von der Verwaltungskommission
BGE 113 Ia 407 S. 408
des Obergerichts mit Beschluss vom 23. Juni 1987 abgewiesen wurde, soweit darauf einzutreten war. Die Beklagte führt gegen diesen Beschluss staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Verletzung von
Art. 58 Abs. 1 BV
aufzuheben. Die Klägerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie abzuweisen. Das Obergericht und der Obmann des Schiedsgerichts haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
Mit Verfügung vom 30. Juli 1987 wurde ein Gesuch der Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung abgelehnt. Mit "Noveneingabe" vom 4. November 1987 erneuerte die Beschwerdeführerin ihr Gesuch, wobei sie eine Verfügung des Obmannes zum Anlass nahm, dessen Befangenheit mit weiteren Vorbringen zu erhärten. Neue tatsächliche Vorbringen sind im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde indes nur ausnahmsweise und zudem nur innerhalb der Frist des
Art. 89 Abs. 1 OG
zulässig (
BGE 109 Ia 314
E. und
BGE 105 Ib 40
E. 2). Daran ändert nichts, dass es sich angeblich um eine Tatsache handelt, die erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingetreten ist (
BGE 107 Ia 191
E. 2b mit Hinweisen). Da die Beschwerdeführerin ausschliesslich eine Verletzung von
Art. 58 Abs. 1 BV
geltend macht, braucht dagegen nicht geprüft zu werden, ob ein letztinstanzlicher Entscheid vorliegt (
Art. 86 Abs. 2 OG
;
BGE 112 Ia 86
).
2.
Die Beschwerdeführerin begründet diese Verletzung vor Bundesgericht nur noch damit, dass bereits die Verfahrensmängel, welche am 28. November 1986 zur Aufhebung des Schiedsurteils geführt hätten, den Obmann des Schiedsgerichts als befangen erscheinen liessen. Dass sich dessen Ablehnbarkeit unmittelbar nach dem Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit (SR 279) beurteile, dem der Kanton Zürich erst mit Wirkung ab 1. Juli 1985 beigetreten ist, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. Sie behauptet auch nicht, das Obergericht habe kantonale Verfahrensvorschriften über den Ausstand oder die Ablehnung von Schiedsrichter willkürlich angewendet. Es geht ihr vorweg vielmehr um die verfassungsmässige Garantie für einen unbefangenen Richter, welche das Obergericht angeblich verkannt hat. Wie es sich mit dieser Rechtsfrage verhält, kann das Bundesgericht auf Beschwerde hin frei prüfen (
BGE 112 Ia 292
E. 2a mit Hinweisen).
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts hat der Einzelne gemäss
Art. 58 Abs. 1 BV
auch Anspruch auf Beurteilung seiner Streitsache durch ein unparteiisches und unabhängiges Gericht (
BGE 112 Ia 143
und 292/93 mit Hinweisen). Diese Verdeutlichung
BGE 113 Ia 407 S. 409
der verfassungsmässigen Garantie wird von der Lehre allgemein gebilligt (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 15; MÜLLER/MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, S. 275 ff.; HALLER/HÄFELIN, Schweiz. Bundesstaatsrecht, S. 472 Rz. 1659; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, S. 51 Rz. 71). Bereits aus
BGE 92 I 276
erhellt sodann, dass Schiedsgerichte dieselbe Gewähr für Unparteilichkeit bieten müssen wie ordentliche Gerichte, die Unbefangenheit ihrer Mitglieder folglich nach dem gleichen Massstab zu beurteilen ist. Das Bundesgericht hat daran seither festgehalten, und die herrschende Lehre steht auf dem gleichen Standpunkt (
BGE 105 Ia 247
f. mit Zitaten; ferner VOGEL, S. 51 Rz. 72 und S. 302 Rz. 46; RÜEDE/HADENFELDT, Schweiz. Schiedsgerichtsrecht, S. 168 und 170; JOLIDON, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, S. 257).
Richterliche Unparteilichkeit, auf welche die Beschwerdeführerin sich beruft, gebietet Gleichbehandlung der Parteien und ist deshalb nicht mit richterlicher Unabhängigkeit gleichzusetzen, mag Parteilichkeit in einem Einzelfall auch auf fehlende Unabhängigkeit zurückgehen. Zu bedenken ist ferner, dass die Verfahrensgarantie des
Art. 58 Abs. 1 BV
nicht besagt, der abgelehnte Richter müsse tatsächlich befangen sein; es genügt, dass Umstände bei einer Partei den Eindruck von Befangenheit erwecken können (
BGE 112 Ia 293
E. 3a; MÜLLER/MÜLLER, S. 276 Anm. 16). Dies beurteilt sich jedoch nicht bloss nach dem subjektiven Empfinden der Partei; deren Misstrauen muss vielmehr bei objektiver Betrachtung der Umstände als gerechtfertigt erscheinen (
BGE 92 I 276
; RÜEDE/HADENFELDT, S. 173).
Da es sich um einen innern Zustand handelt, sind an den Nachweis der Befangenheit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen (
BGE 105 Ia 160
E. 4b). Das heisst nicht, im Zweifelsfall sei stets auf Befangenheit zu erkennen. Gewiss ist das Vertrauen einer Partei in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters in hohem Mass schützenswert, und ist auch einfühlbar, dass eine Partei einem Richter misstraut, vor dem sie schon früher unterlegen ist. Dem steht aber das Interesse der andern Partei und der Allgemeinheit an einem geordneten Verlauf des Prozesses gegenüber. Wollte man einen Richter schon wegen seiner früheren Mitwirkung an Zwischen- oder Endentscheiden als befangen ablehnen, so würde die Rechtsprechung erheblich erschwert. Auch allgemeine Verfahrensverstösse, die in Rechtsmittelverfahren beanstandet und beseitigt werden können, genügen dafür nicht. Es
BGE 113 Ia 407 S. 410
müssen vielmehr zusätzliche Tatsachen, die den Schluss auf Parteilichkeit zulassen, vorgebracht werden (
BGE 112 Ia 293
mit Hinweisen und
BGE 105 Ib 303
f.). Daran fehlt es hier.
b) Daran ändert nichts, dass ein Richter, dem in einem Entscheid über ein rein kassatorisches Rechtsmittel zum Beispiel prozessuale Fehler vorgeworfen werden, diese selbst zu beheben hat. Das gilt insbesondere für kantonale Nichtigkeitsbeschwerden, da die Kassationsinstanz bei Gutheissung des Rechtsmittels in der Regel nicht selbst entscheidet, sondern die Streitsache oft wie hier zur Ergänzung des Beweisverfahrens an den Sachrichter zurückweist, der alsdann an die dem Rückweisungsentscheid zugrunde liegende Auffassung gebunden ist (GULDENER, S. 528; VOGEL, S. 267 Rz. 41). Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte gutgeheissen werden, verhält es sich nicht anders (
BGE 111 II 95
mit Hinweisen). In solchen Fällen hat sich in der Regel wieder der gleiche Sachrichter mit der Streitsache zu befassen, was der Garantie des verfassungsmässigen Richters nicht widerspricht. Vom Richter darf diesfalls ohne weiteres erwartet werden, dass er die Streitsache nach Aufhebung seines Entscheides objektiv und unparteiisch weiterbehandelt, zumal er sich dabei an die Auffassung der Kassationsinstanz zu halten hat. Die blosse Tatsache, dass sein erster Entscheid wegen Verfahrensfehlern oder unrichtiger Anwendung materiellen Rechts erfolgreich angefochten worden ist, reicht für sich allein nicht aus, um ihn im neuen Verfahren als parteiisch und damit als befangen abzulehnen (STRÄULI/MESSMER, N. 11 zu
§ 244 ZPO
/ZH; RÜEDE/HADENFELDT, S. 359 f.). Das muss wegen der gebotenen Gleichbehandlung auch für Schiedsgerichte gelten. Im gleichen Sinn hat das Bundesgericht im Fall eines Revisionsgesuches entschieden (
BGE 107 Ia 16
ff.).
In seiner jüngsten Rechtsprechung hat das Bundesgericht der Kumulation von Aufgaben des Strafrichters freilich Schranken gesetzt und kantonale Prozessordnungen, die den Untersuchungsrichter auch als Sachrichter vorsehen, gestützt auf
Art. 58 Abs. 1 BV
als verfassungswidrig bezeichnet (
BGE 112 Ia 292
ff. und seitherige Entscheide). Diese Rechtsprechung lässt sich indes, wie inzwischen entschieden worden ist (Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. November 1986 i.S. U.), nicht auf den Zivilprozess übertragen, der von der Verhandlungsmaxime beherrscht wird und ein gewöhnliches Zweiparteienverfahren darstellt. Mehrfache Funktionen eines Zivilrichters, der sich im selben Verfahren wiederholt
BGE 113 Ia 407 S. 411
mit einer Streitsache zu befassen hat, begründen daher für sich allein ebenfalls keinen Ablehnungsgrund.
c) Schliesslich vermag die Beschwerdeführerin auch auf dem Umweg über Art. 40 Abs. 4 des Konkordates über die Schiedsgerichtsbarkeit nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, zumal der Kanton Zürich dem Konkordat erst nach Beginn des Schiedsverfahrens beigetreten ist, Konkordatsrecht vorliegend folglich nicht anwendbar ist; davon ist das Bundesgericht bereits im Urteil vom 28. November 1986 ausgegangen. Dass ein Schiedsrichter nach der zitierten Bestimmung wegen seiner Teilnahme am früheren Verfahren voraussetzungslos abgelehnt werden kann, wenn das Schiedsurteil auf Beschwerde hin aufgehoben wird, hilft der Beschwerdeführerin daher nicht (
BGE 112 Ia 344
; JOLIDON, S. 538). Es bleibt vielmehr bei der Auffassung, die sich nach den vorstehenden Erwägungen einerseits aus
Art. 58 Abs. 1 BV
und anderseits aus den kantonalen Vorschriften über den Ausschluss und die Ablehnung von Schiedsrichtern (
§ 244 ZPO
/ZH in Verbindung mit
§ 95 ff. GVG
) ergibt (STRÄULI/MESSMER, N. 11 zu
§ 244 ZPO
/ZH; WALDER, Die neuen Zürcher Bestimmungen über die Schiedsgerichtsbarkeit im Lichte des Konkordats, in SJZ 72/1976 S. 249 ff. insbes. S. 260; RÜEDE/HADENFELDT, S. 359 f.).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4fe15292-d9bb-4a30-9d23-bb75ffbfbc46 | Urteilskopf
119 III 113
33. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1993 i.S. B. gegen Obergericht des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
,
Art. 191 und 230 SchKG
; unentgeltliche Rechtspflege im Konkursverfahren; Kriterium der fehlenden Aussichtslosigkeit bei einer Insolvenzerklärung.
1. Der Schuldner kann im Konkursverfahren zufolge Insolvenzerklärung die unentgeltliche Rechtspflege unter den allgemeinen Voraussetzungen beanspruchen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2).
2. Erfordernis der fehlenden Aussichtslosigkeit der Insolvenzerklärung im Sinne von
Art. 191 SchKG
für einen direkt aus
Art. 4 BV
ableitbaren Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (E. 3a). Die Insolvenzerklärung ist aussichtslos, wenn feststeht, dass der Schuldner keine Aktiven besitzt. Hingegen kann sie nicht zum vornherein als aussichtslos bezeichnet werden, wenn der Schuldner glaubhaft gemacht hat, dass er wenigstens über so viele Vermögenswerte verfügt, wie für eine Verhinderung der durch
Art. 230 SchKG
drohenden Einstellung des Konkurses erforderlich sind (E. 3b). | Erwägungen
ab Seite 114
BGE 119 III 113 S. 114
Aus den Erwägungen:
2.
Dem angefochtenen Entscheid ist zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege für das Konkursverfahren wegen Aussichtslosigkeit seiner Insolvenzerklärung verweigert worden ist. Der Beschwerdeführer erachtet diesen Entscheid als willkürlich und
Art. 4 BV
widersprechend.
Den Anknüpfungspunkt für seine Rüge der Verletzung von
Art. 4 BV
sieht der Beschwerdeführer in der mit
BGE 118 III 27
ff. vollzogenen und mit
BGE 118 III 33
ff. bestätigten Änderung in der Rechtsprechung. Danach ist neu der aus
Art. 4 BV
abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege grundsätzlich auch für das Konkursverfahren zufolge Insolvenzerklärung gewährleistet. Allein mit dem Hinweis auf die Besonderheiten des Konkursverfahrens oder auf den Umstand, dass weder das SchKG noch der dazugehörige Gebührentarif das Armenrecht ausdrücklich vorsehen (
BGE 55 I 363
S. 366), lässt sich deshalb die unentgeltliche Rechtspflege nicht mehr verweigern. Nachdem das Obergericht seinen Entscheid ausdrücklich auf diese neue Rechtsprechung stützt, ist eine Auseinandersetzung mit der daran geübten Kritik in Lehre und kantonaler Gerichtspraxis (vgl. BlSchK 56/1992, S. 148 f. und 209 ff.) nur insoweit erforderlich, als die im vorliegenden Fall anstehenden Fragen dort ebenfalls behandelt worden sind.
Die unentgeltliche Rechtspflege befreit im Verfahren der Konkurseröffnung zufolge Insolvenzerklärung und des Konkurses bis zur ersten Gläubigerversammlung ganz oder teilweise von der Bezahlung der Verfahrenskosten und damit auch von der Bezahlung eines Kostenvorschusses, sofern die ersuchende Partei bedürftig ist, ihr Rechtsbegehren nicht zum vornherein aussichtslos erscheint und die verlangten Prozesshandlungen nicht unzulässig sind (
BGE 118 III 27
E. 3c). Das deckt sich mit den üblichen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gestützt auf
Art. 4 BV
, wie sie ohne Unterschied für das Zivil- und Verwaltungsverfahren gelten (
BGE 118 Ia 369
E. 4 bzw.
BGE 117 Ia 277
E. 5).
3.
Ob mit Blick auf die Feststellungen des Obergerichts, nachdem die Bedürftigkeit des Gesuchstellers feststeht, auch das Erfordernis
BGE 119 III 113 S. 115
der fehlenden Aussichtslosigkeit als erfüllt zu betrachten sei, wie das der Beschwerdeführer behauptet, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht mit freier Kognition (
BGE 119 Ia 11
E. 3a mit Hinweisen;
BGE 117 Ia 277
E. 5b).
a) Es ist allerdings nicht Aufgabe des Bundesgerichts, dem Sachrichter vorgreifend zu prüfen, ob das vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren gestellte Konkursbegehren zu schützen sei oder nicht. Bei der Abklärung, ob die fehlende Aussichtslosigkeit als Voraussetzung für einen grundrechtlichen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gegeben ist, hat der Verfassungsrichter lediglich zu prüfen, ob der vom Bedürftigen verfolgte Rechtsstandpunkt grundsätzlich im Rahmen des sachlich Vertretbaren liegt bzw. nicht zum vornherein unbegründet erscheint (
BGE 118 Ia 369
E. 4;
BGE 117 Ia 277
E. 5b/dd mit Hinweis). Massgebend ist, ob eine Partei, welche in der gleichen Lage wie der Gesuchsteller ist, jedoch über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen oder aber davon absehen würde; denn eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (
BGE 109 Ia 5
E. 4 mit Hinweisen).
Das Obergericht hat dieses Erfordernis anhand der im vorliegenden Fall gegebenen Beweis- und Rechtslage summarisch geprüft. Mit Bezug auf das eingereichte Armenrechtsformular hat es zunächst festgestellt, der Gesuchsteller sei bedürftig, dann aber hat es auch ausgeführt, er verfüge über keine verwertbaren Aktiven. Dass letztere Feststellung mit den Akten in klarem Widerspruch stehe (
BGE 118 Ia 28
E. 1b mit Hinweisen), wird vom Beschwerdeführer nirgends dargetan. Nun hat aber das Obergericht aus dem Fehlen verwertbaren Vermögens gefolgert, der einmal eröffnete Konkurs könnte nicht abgewickelt, sondern müsste mangels Aktiven wieder eingestellt werden. Verfüge der Rekurrent (und heutige Beschwerdeführer) über keine verwertbaren Aktiven, müsse ihm die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit verweigert werden. Demgegenüber hält der Beschwerdeführer sein Begehren in der Sache für nicht aussichtslos. Infolge der vorhandenen Schulden - so der Beschwerdeführer - sei nämlich sein Begehren auf Insolvenzerklärung gutzuheissen und es sei die Konkurseröffnung auszusprechen; die Aussprechung einer Insolvenzerklärung sei rechtlich zulässig. Abgesehen davon, dass sich das angefochtene Urteil zu den Schulden des Beschwerdeführers nicht äussert und daher dessen diesbezüglich neue Behauptung nicht zu hören ist (BGE 118
BGE 119 III 113 S. 116
Ia 20 E. 5a mit Hinweis), hat das Obergericht nun aber ganz offensichtlich nicht die Insolvenzerklärung als solche für unzulässig gehalten, was einer formellen Beanstandung oder der Anzweiflung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gleichgekommen wäre. Vielmehr hat es die vom Beschwerdeführer angestrebte Konkurseröffnung zufolge Insolvenzerklärung als aussichtslos beurteilt.
b) Nach
Art. 191 SchKG
kann der Schuldner die Konkurseröffnung bewirken, indem er sich beim Gericht zahlungsunfähig erklärt. Gibt der Schuldner eine solche Insolvenzerklärung ab, hat er dieser Bestimmung in materieller Hinsicht bereits Genüge getan, und er muss insbesondere nicht auch noch seine Zahlungsunfähigkeit belegen (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A., Bern 1993, S. 308 f., N 27; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, 3. A., Zürich 1993, S. 94, N 14; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. A., Lausanne 1993, S. 268). Die Abgabe einer Insolvenzerklärung kommt indessen nicht der Konkurseröffnung gleich; es bedarf dazu vielmehr eines richterlichen Erkenntnisses (Art. 175 in Verbindung mit
Art. 194 SchKG
). Über ein Konkursbegehren ist gemäss
Art. 25 Ziff. 2 SchKG
im summarischen Prozessverfahren zu entscheiden. Mit Recht nimmt das Obergericht daher an, dass hier - wie in jedem anderen gerichtlichen Verfahren - die Prozessvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit überhaupt ein Sachurteil gefällt werden kann. Zu den Prozessvoraussetzungen, deren Vorliegen der Richter stets von Amtes wegen zu prüfen hat, wird das Rechtsschutzinteresse gezählt. Erweist sich, dass der Ansprecher kein solches schutzwürdiges Interesse an der Beurteilung seines Rechtsstandpunktes hat, tritt der Richter auf das Rechtsbegehren nicht ein (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 221; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. A., Bern 1984, S. 86 f.; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. A., Bern 1992, S. 170, N 14).
aa) Das Obergericht hält dafür, dem um das Armenrecht nachsuchenden Schuldner dürfte es mangels verwertbaren Vermögens am Rechtsschutzinteresse gebrechen, weshalb sein Konkursbegehren wohl für prozessual unzulässig gehalten werden müsste. Ob ein Rechtsschutzinteresse im konkreten Fall fehlt oder nicht, beurteilt sich für ein auf
Art. 191 SchKG
gestütztes Konkursbegehren nach Bundesrecht; denn das Bundesrecht regelt in seinem Anspruchsbereich die Prozessvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses abschliessend (
BGE 116 II 196
E. 1a und 351 E. 3a mit Hinweis). Der
BGE 119 III 113 S. 117
Richter soll und darf nicht bemüht werden mit Prozessen, die überflüssig sind, zum vornherein Unerreichbares anstreben oder prozessfremde Zwecke verfolgen. Wer richterlichen Schutz anruft, muss daher ein nach vernünftigem Ermessen wesentliches Interesse daran haben, dass ihm sein Rechtsstandpunkt gerichtlich bestätigt werde (KUMMER, a.a.O., S. 104 f.).
bb) Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Schuldner mit seiner Insolvenzerklärung die Durchführung eines Konkurses ohne Aktiven anstrebt.
Dafür stellt indessen
Art. 230 Abs. 1 SchKG
ein unüberwindliches Hindernis dar. Nach dieser Bestimmung macht das Konkursamt beim Konkursgericht Anzeige, wenn bei der Inventaraufnahme gemäss
Art. 221 SchKG
keinerlei verwertbare Aktiven vorgefunden worden sind, und das Konkursgericht beschliesst sodann die Einstellung des Verfahrens. Das Bundesgericht hat erst kürzlich festgehalten, dass der Schuldner selbst im Falle der Gewährung des Armenrechts nicht davon entbunden sei, im Sinne dieser Bestimmung verwertbares Vermögen vorzuweisen, um die Einstellung des Verfahrens zu verhindern (
BGE 119 III 28
E. 2b/bb). Während ein Schuldner nach der Leistung des Kostenvorschusses, welcher gestützt auf Art. 169 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 194 SchKG
bzw. Art. 35 der bundesgerichtlichen Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV; SR 281.32) einverlangt wurde, ein solches Minimum an Konkursmasse vorweisen kann, das primär für die Verfahrenskosten haftet (vgl.
Art. 262 Abs. 1 SchKG
), fehlt es daran zum vornherein im Falle unentgeltlicher Rechtspflege. Ihre Gewährung kann auch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht dazu dienen, dem Schuldner Konkurssubstrat zu verschaffen (in diesem Sinne auch BlSchK 56/1992, S. 149, Anmerkung der Redaktion zu
BGE 118 III 27
ff.). Das bedeutet freilich, dass die an sich mögliche Konkurseröffnung beim vermögenslosen Schuldner - unabhängig von der Gewährung des Armenrechts - nicht zum Verfahrensziel führt, weil der Konkurs nach der bereits erwähnten Vorschrift gleich wieder eingestellt werden muss. Damit fehlt aber einem vermögenslosen Schuldner bereits das schutzwürdige Interesse an der Konkurseröffnung, welches für ihn ausschliesslich in der Durchführung des Konkurses liegt; denn nur in diesem Fall werden Verlustscheine an die Gläubiger ausgestellt und der Schuldner kommt ihnen gegenüber in den Genuss der Einrede mangelnden neuen Vermögens gemäss
Art. 265 SchKG
(FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., S. 98; JAEGER, Kommentar SchKG, Zürich 1911, Bd. I, N 3 zu
Art. 191 SchKG
; CHRISTOPH RUDOLF
BGE 119 III 113 S. 118
STOCKER, Entscheidungsgrundlagen für die Wahl des Verfahrens im Konkurs, Diss. Zürich 1984, S. 210).
cc) Um die Konkurseröffnung im vorne dargestellten Sinne bewirken zu können, hat der um das Armenrecht nachsuchende Schuldner daher bereits vor dem Konkursgericht darzutun, dass er wenigstens über so viele Vermögenswerte verfügt, wie für eine Verhinderung der durch
Art. 230 SchKG
drohenden Einstellung des Konkurses erforderlich sind. Dabei hat sich das Konkursgericht mit einer Glaubhaftmachung zu begnügen, weil erst nach der vom Konkursbeamten vorzunehmenden Inventaraufnahme grössere Klarheit darüber bestehen kann, wieviel verwertbares Schuldnervermögen tatsächlich vorhanden ist (vgl.
BGE 113 III 116
E. 3d). Vermag der Schuldner Vermögenswerte, die zumindest für die Deckung der Kosten des summarischen Konkursverfahrens reichen, nicht vorzuweisen, so hat das - gleich wie bei der Nichtleistung oder verspäteten Leistung des Kostenvorschusses (
BGE 118 III 27
E. 2b mit Hinweis) - zur Folge, dass der Konkurs nicht eröffnet werden darf.
Im vorliegenden Fall steht wie gesagt fest, dass der Schuldner keine Aktiven besitzt und mithin der Konkurs nach der Eröffnung gleich wieder eingestellt werden müsste. Der hier aus den Akten hervorgehende Zweck der Bereinigung, nämlich der eines Neubeginns nach der Haftentlassung, liesse sich somit auch nicht erreichen. Das Obergericht hat folglich
Art. 4 BV
nicht verletzt, indem es Aussichtslosigkeit der Insolvenzerklärung angenommen hat. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4fe7dc66-2c30-40c7-ba5a-e87b4fa3c9e1 | Urteilskopf
138 II 575
41. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_119/2012 vom 20. September 2012 | Regeste a
Spülung und Entleerung von Stauräumen (
Art. 40 GSchG
).
Art. 40 GSchG
regelt die Spülung von Stauräumen, welche insbesondere der Entfernung von angesammelten Sedimenten zur Erhaltung des nutzbaren Stauinhalts dient (E. 3.5).
Regeste b
Sanierung (
Art. 80 Abs. 1 GSchG
); wirtschaftliche Tragbarkeit.
Sanierungen sind nur zulässig, soweit hierdurch nicht in die Substanz bestehender wohlerworbener Rechte eingegriffen wird. Ob ein staatlicher Eingriff die Substanz respektiert, beurteilt sich nach der verbleibenden oder fehlenden wirtschaftlichen Tragbarkeit des Eingriffs für den Träger des Rechts. Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist darauf gerichtet, den Wert rechtmässig getätigter Investitionen zu bewahren (E. 4.5). | Sachverhalt
ab Seite 576
BGE 138 II 575 S. 576
A.
Die Firma X. in Reiden ist seit dem Jahr 1863 Inhaberin eines Wassernutzungsrechts zur Ausleitung von Wasser aus der Wigger zum Zweck der Wasserkraftnutzung. Sie staut den Fluss mittels eines Stauwehrs und leitet das Wasser in einen Kanal aus, an welchem sie ein Kleinkraftwerk betreibt. In Zusammenhang mit dem hochwasserschutzsicheren Ausbau der Wigger genehmigte der Regierungsrat des Kantons Luzern mit Entscheiden vom 23. Februar 1988 und 15. März 1991 eine umfassende Erneuerung der Wehranlage, ohne dabei eine Dotierwassermenge festzulegen; hingegen blieb der Bau einer Fischtreppe vorbehalten, wofür die Werkinhaberin das notwendige Terrain unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und eine maximale Dotierwassermenge von 50 Litern Wasser pro Sekunde entschädigungslos zuzugestehen hatte. Im Einverständnis mit der Firma X. konnte bei der Stauanlage eine Vorrichtung eingebaut werden, welche die Ableitung von bis zu 100 Litern Wasser pro Sekunde in die Wigger ermöglichte, und mit Entscheid vom 29. August 2000 genehmigte der Regierungsrat die Erstellung einer Fischtreppe.
Die Konstruktion des Wehrs besteht aus einer Segmentschütze mit aufgesetzter Stauklappe. Das Wasser der Wigger wird seitlich via Tauchwand mit Grobrechen in den Kanal ausgeleitet und im Kanalkraftwerk turbiniert. Bei ansteigender Wasserführung in der Wigger wird zuerst die Klappe gesenkt, um das Stauziel (461,27 m.ü.M.) möglichst lange zu halten. Bei einer weiteren Zunahme der Abflussmenge wird die Segmentschütze samt Stauklappe automatisch hydraulisch hochgefahren. Die Wehrkonstruktion lässt in dieser Phase das Halten des Stauziels nicht mehr zu, der Pegel im Staubereich der Wigger sinkt ab. Das Kanalkraftwerk wird automatisch abgestellt und der
BGE 138 II 575 S. 577
Oberwasserkanal (Sohlenkote rund 1,4 m über der Kote der Grundschwelle in der Wigger) wird nicht mehr mit Wasser gespeist. Nur bei weiter ansteigendem Hochwasser wird die genannte Höhendifferenz überwunden und es fliesst wiederum Wasser in den Oberwasserkanal. Nach Hochwassern kann die Segmentschütze kontrolliert abgesenkt, der Staupegel eingestellt und das Kraftwerk wieder in Betrieb genommen werden.
Ein Teil des mit dem Kraftwerk genutzten Wassers gelangt nach der Turbinierung zurück in die Wigger, der andere Teil in das sogenannte Müli- und Altachensystem. Die Wasserführung in diesem System ist vom Betriebszustand des Kraftwerks abhängig, bei Betriebsunterbrüchen fliesst (zu) wenig und in wasserreichen Zeiten (zu) viel Wasser. Unabhängig von der Wasserführung der Wigger werden von der Werkinhaberin zusätzliche Klappensenkungen und Segmenthebungen manuell ausgelöst, um das im Staubereich angesammelte und aufschwimmende Geschwemmsel weiterzuleiten und das am Grobrechen haftende Geschwemmsel (Laub, Äste usw.) wegzuspülen. Der Grobrechen mit seinen senkrechten Rechenstäben im Abstand von 30 cm verhindert, dass gröberes Material (Äste, Holzbalken usw.) in den Kanal gelangt. Wird der Grobrechen zu stark mit Geschwemmsel belegt (vor allem Laub in den Herbstmonaten), sinkt die Leistung des Kraftwerks. Der Grobrechen kann in der momentanen Ausgestaltung nur mittels Stauraumspülungen gereinigt werden (fehlender Zugang, fehlende technische Einrichtungen). Der Stauraum des Wehrs wurde in der Vergangenheit bis zu sechsmal monatlich gespült. Dabei fliesst das sich im Oberwasserkanal befindliche Wasser teilweise rückwärts in die Wigger, löst das anhaftende Treibgut vom Grobrechen und stösst es in den Wiggerlauf, worauf es abgeschwemmt wird. Hierdurch wird im Unterlauf der Wigger künstlich eine kurzfristige und massive Änderung des Wasserabflusses (Schwall-Sunk) verursacht. Nach der Stauraumspülung wird das Wehr wieder geschlossen und das Wasser gestaut.
Durch die Wasserausleitung zur Wasserkraftnutzung entsteht in der Wigger eine Restwasserstrecke von rund 700 m. Die dafür festgelegte Dotierwassermenge betrug 50 Liter Wasser pro Sekunde. Durch die geringe Wasserführung war die ökologische Funktionsfähigkeit der Wigger in diesem Gewässerabschnitt nicht gegeben. Die Fischwanderung war trotz der baulichen Sanierung der Durchgängigkeitshindernisse wegen ungenügender Wassertiefen in der Restwasserstrecke
BGE 138 II 575 S. 578
und ungenügendem Einstieg in die Fischaufstiegshilfe beim Wehr nicht gewährleistet.
B.
Im Rahmen des Projekts "Ständige Wasserführung Altache, Restwasser Wigger, Regulierung Lang Wehr" versuchte die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements des Kantons Luzern, die bestehenden Probleme unter Einbezug sämtlicher Beteiligter einvernehmlich zu lösen. Ziel war es, sowohl die Tier- und Pflanzenwelt im Restwasserbereich der Wigger zu schützen, als auch eine ständige Wasserzufuhr zum Mülikanal und zur Altache sicherzustellen. Bezüglich der Dotierwassermengen und des Wehrbetriebs (Häufigkeit der Stauraumspülungen) konnte mit der Firma X. keine Einigung gefunden werden. Daraufhin wurde das laufende Verfahren geteilt. Die notwendigen baulichen Massnahmen (Verbesserung der Fischaufstiegshilfe, Sicherstellung einer ständigen Wasserführung im Mülikanal und in der Altache, Anpassung des Wasserteilers und des Unterwasserkanals aus Gründen des Hochwasserschutzes) werden im Rahmen des eingeleiteten separaten Wasserbauprojekts umgesetzt. Für das Sanierungsverfahren betreffend die Dotierwassermenge und das Regime der Stauraumspülungen wurde das bisherige Verfahren weitergeführt. Die Unterlagen des zuständigen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements wurden von der Gemeinde Reiden vom 18. Oktober bis 17. November 2010 öffentlich aufgelegt. Die Gemeinde Reiden überwies in der Folge die Unterlagen und die eingegangenen Stellungnahmen dem Regierungsrat des Kantons Luzern. Dieser legte mit Entscheid vom 24. Mai 2011 die Dotierwassermenge für die Restwasserstrecke in der Periode vom 1. Oktober bis 31. Mai ständig auf 200 Liter pro Sekunde und in der Periode vom 1. Juni bis 30. September ständig auf 250 Liter pro Sekunde fest (Dispositiv-Ziffern 1-5). Des Weiteren regelte der Regierungsrat das Regime der Stauraumspülungen wie folgt:
6. Bei normaler Wasserführung der Wigger darf der Stauraum weder geleert noch gespült werden. Nach Segmenthebungen infolge Hochwasser ist das Wehr zu schliessen, sobald dies technisch möglich ist, um die ständige Wasserführung in Mülikanal und Altache sicherzustellen.
7. Manuell eingeleitete Stauraumspülungen durch Segmenthebungen dürfen nur bei einer Abflussmenge von über 10 m
3
pro Sekunde ausgeführt werden (Referenz: BAFU Abflussmessstation Wigger-Zofingen). Segmenthebungen zur Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit der Wehranlage dürfen frühestens 90 Tage nach der letzten Segmentbewegung erfolgen. Die Werkinhaberin hat dabei für die erforderlichen Massnahmen besorgt zu sein, um Unfälle sowie Gefährdungen von Personen, die sich im Wiggergerinne aufhalten, durch Schwall zu verhindern.
BGE 138 II 575 S. 579
8. Das vollständige manuelle Absenken der Stauklappe ist nur ab einer Abflussmenge von über 10 m
3
pro Sekunde (Referenz: BAFU Abflussmessstation Wigger-Zofingen) und im Nachgang zu solchen Ereignissen bei sinkender Abflusskurve zugelassen. Klappensenkungen zur Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit des Wehrs dürfen frühestens 40 Tage nach der letzten Klappenbewegung erfolgen. Bei Ansammlung von aufschwimmendem Geschwemmsel im Staubereich ist langsames Teilabsenken der Stauklappe mit geringer Schwallwirkung in der Wigger zugelassen.
9. Hebungen der Segmentschütze im Rahmen von Revisionen und Unterhalt sind in den Monaten September und Oktober auszuführen. Dazu muss die Stauklappe langsam gesenkt und die Segmentschütze langsam gehoben werden, um den Schwall in der Wigger möglichst gering zu halten. Weitere Klappensenkungen und Segmenthebungen sind nur zulässig bei automatischem Lastabwurf infolge Trennung des Kraftwerks vom Stromnetz oder anderer Betriebsstörungen und Notfälle.
10. Über den Betrieb der Wehranlage ist von der Werkinhaberin ein Journal zu führen. Darin sind Zeitpunkte von manuell eingeleiteten Hebungen der Segmentschütze, Zeitpunkte des Wiedereinfahrens der Schütze und Senkungen der Stauklappe aufzuzeichnen. Auf Verlangen der Behörde ist das Journal vorzuweisen.
11. Hebungen der Segmentschütze im Zusammenhang mit Unterhalt und Wartung sind mindestens drei Wochen im Voraus der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur zu melden. Ursachen von ausserordentlichen Klappensenkungen/Segmenthebungen (Lastabwurf, Betriebsstörungen usw.) sind der Dienststelle Verkehr und Infrastruktur innert drei Tagen zu melden.
Diesen Entscheid focht die Firma X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern an und beantragte die Aufhebung der Dispositiv-Ziffern 6-11 des Rechtsspruchs. Die Dispositiv-Ziffern 1-5 (Dotierwassermenge) blieben unangefochten.
Mit Urteil vom 16. Januar 2012 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 20. Februar 2012 beantragt die Firma X., das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Januar 2012 und die Ziffern 6-11 des Entscheids des Regierungsrats vom 24. Mai 2011 seien aufzuheben, und über die Dotierwassermenge hinaus seien keine betrieblichen Auflagen für ihr Kleinwasserkraftwerk an der Wigger zu verfügen. Eventualiter sei das Verfahren zur Ergänzung des rechtserheblichen Sachverhalts, zur Beweisabnahme und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz oder an den Regierungsrat zurückzuweisen. (...)
BGE 138 II 575 S. 580
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf diese eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Umstritten ist vorliegend die korrekte Anwendung von
Art. 39a und
Art. 40 GSchG
(SR 814.20).
3.1
Gemäss
Art. 39a Abs. 1 GSchG
mit der Marginalie "Schwall und Sunk" müssen die Inhaber von Wasserkraftwerken kurzfristige künstliche Änderungen des Wasserabflusses in einem Gewässer (Schwall und Sunk), welche die einheimischen Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume wesentlich beeinträchtigen, mit baulichen Massnahmen verhindern oder beseitigen. Auf Antrag des Inhabers eines Wasserkraftwerks kann die Behörde anstelle von baulichen Massnahmen betriebliche anordnen.
Nach
Art. 40 GSchG
mit dem Randtitel "Spülung und Entleerung von Stauräumen" sorgt der Inhaber einer Stauanlage nach Möglichkeit dafür, dass bei der Spülung und Entleerung des Stauraums oder bei der Prüfung von Vorrichtungen für das Ablassen von Wasser und die Hochwasserentlastung die Tier- und Pflanzenwelt im Unterlauf des Gewässers nicht beeinträchtigt wird (Abs. 1). Er darf Spülungen und Entleerungen nur mit einer Bewilligung der kantonalen Behörde vornehmen. Die Bewilligungsbehörde hört die interessierten Fachstellen an. Sind periodische Spülungen und Entleerungen zur Erhaltung der Betriebssicherheit notwendig, so legt die Behörde lediglich Zeitpunkt und Art der Durchführung fest (Abs. 2). Muss der Inhaber aufgrund ausserordentlicher Ereignisse den Stausee aus Sicherheitsgründen sofort absenken, so orientiert er unverzüglich die Bewilligungsbehörde (Abs. 3).
Art. 42 GSchV
(SR 814.201) im Abschnitt "Spülung und Entleerung von Stauräumen" führt
Art. 40 GSchG
aus und bestimmt, dass die Behörde, bevor sie eine Spülung oder Entleerung eines Stauraums bewilligt, sicherzustellen hat, dass die Sedimente anders als durch Ausschwemmung entfernt werden, wenn dies umweltverträglich und wirtschaftlich tragbar ist (Abs. 1). Bei der Ausschwemmung von Sedimenten stellt die Behörde insbesondere durch die Festlegung des Zeitpunkts und der Art der Spülung oder Entleerung sicher, dass Lebensgemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen möglichst wenig beeinträchtigt werden (Abs. 2 lit. a).
BGE 138 II 575 S. 581
3.2
Die Vorinstanz hat zusammenfassend erwogen, unter Schwall und Sunk im Sinne von
Art. 39a GSchG
seien jene regelmässigen und kurzfristigen Abflussschwankungen zu verstehen, die sich direkt aus der tageszeitlich variierenden ordentlichen Abarbeitung des Betriebswassers in Wasserkraftwerken ergeben würden. Nicht unter das Begriffspaar zu subsumieren seien demgegenüber jene Abflussspitzen aus Wasserkraftwerken, die normalerweise eher unregelmässig auftreten, wie dies auf Spülungen von Stauräumen zutreffe. Dabei gehe es darum, das den Kanaleinlauf verstopfende Geschwemmsel zu entfernen, um dadurch die Stromproduktion zu gewährleisten. Die Zulässigkeit von Stauraumspülungen werde durch
Art. 40 GSchG
und nicht durch
Art. 39a GSchG
geregelt.
3.3
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vom Regierungsrat angeordneten betrieblichen Auflagen zur Stauraumspülung seien unter
Art. 39a GSchG
zu subsumieren. Diese Bestimmung sehe vor, dass Schwall und Sunk in erster Linie mittels baulicher Massnahmen zu verhindern seien, und dass betriebliche Massnahmen bloss auf Antrag des Inhabers eines Wasserkraftwerks und daher nur mit dessen Zustimmung angeordnet werden könnten. Sie habe den Massnahmen zur Stauraumspülung nicht zugestimmt, weshalb sich diese als unzulässig erwiesen. Die Auffassung der Vorinstanz, die Anordnungen zur Stauraumspülung liessen sich auf
Art. 40 Abs. 1 GSchG
stützen, sei falsch, da es in der Sache um eine durch
Art. 39a GSchG
geregelte "kurzfristige künstliche Änderung des Wasserabflusses in einem Gewässer" respektive um eine "problematische Abflussschwankung" gehe.
3.4
Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass im Bericht der ständerätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie zur Parlamentarischen Initiative "Schutz und Nutzung der Gewässer" vom 12. August 2008 ausgeführt worden sei, unter Schwall bzw. Sunk sei das kurzfristige Anfahren bzw. Abstellen der Turbinen bei Wasserkraftwerken zu verstehen (BBl 2008 8051). Die Materialien liessen damit darauf schliessen, dass
Art. 39a GSchG
diejenigen kurzfristigen künstlichen Änderungen des Wasserabflusses infolge eines Kraftwerkbetriebs regeln solle, welche durch das Anfahren und Abstellen der Turbinen entstünden und sich im Unterlauf des Kraftwerks auswirkten. Die Abflussschwankungen im vorliegenden Fall hätten nichts mit der tageszeitlichen Abarbeitung des Betriebswassers und mit dem An- und Abfahren der Turbinen zu tun. Vielmehr entstünden diese durch Spülungen
BGE 138 II 575 S. 582
des Stauraums am Eingang des Kraftwerkkanals (und nicht unterhalb der Kraftwerkzentrale). Anwendung finde daher
Art. 40 GSchG
, weshalb betriebliche Massnahmen nicht nur auf Antrag des Kraftwerkinhabers angeordnet werden dürften.
3.5
Art. 40 GSchG
regelt die Spülung von Stauräumen, welche insbesondere der Entfernung von angesammelten Sedimenten zur Erhaltung des nutzbaren Stauinhalts dient.
Mit den in den Ziffern 6-11 seines Entscheids erlassenen Auflagen hat der Regierungsrat die Voraussetzungen zur Durchführung von Stauraumspülungen festgelegt. Dass mit den Spülungen kurzfristige künstliche Änderungen des Wasserabflusses einhergehen, ändert nichts daran, dass die umstrittenen Anordnungen unter
Art. 40 GSchG
zu subsumieren sind, andernfalls die Bestimmung ihres wesentlichen Gehalts entleert würde. Ob die Anwendung von
Art. 39a GSchG
auf den beim "kurzfristigen Anfahren und Abstellen der Turbinen bei Wasserkraftwerken" entstehenden Schwall und Sunk beschränkt bleibt, oder ob die Bestimmung auch andere "kurzfristige künstliche Änderungen des Wasserabflusses in einem Gewässer" erfasst, kann vorliegend offenbleiben, denn die Vorinstanz hat jedenfalls mit der Anwendung von
Art. 40 GSchG
kein Bundesrecht verletzt.
4.
(...)
4.5
Die Beurteilung der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist gesamthaft unter Berücksichtigung der nach
Art. 80 Abs. 1 GSchG
verfügten Massnahmen zur Sanierung des Restwasserregimes vorzunehmen.
Sanierungen sind nur zulässig, soweit hierdurch nicht in die Substanz bestehender wohlerworbener Rechte eingegriffen wird. Ob ein staatlicher Eingriff die Substanz respektiert, beurteilt sich nach der verbleibenden oder fehlenden wirtschaftlichen Tragbarkeit des Eingriffs für den Träger des Rechts (vgl. ENRICO RIVA, Wohlerworbene Rechte-Eigentum-Vertrauen, 2007, S. 156). Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist darauf gerichtet, den Wert rechtmässig getätigter Investitionen zu bewahren. Wer die aus dem wohlerworbenen Recht fliessenden Befugnisse umsetzt und zu diesem Zweck Investitionen tätigt, soll bezüglich der wirtschaftlichen Folgen, in deren Erwartung er seinen Investitionsentscheid fällte, vor staatlichen Beeinträchtigungen geschützt sein. Es muss möglich sein, während der angenommenen Existenzdauer des geschaffenen Werks die Investitionen zu amortisieren, fremdes und eigenes Kapital angemessen zu verzinsen, die laufenden Kosten zu decken und eine
BGE 138 II 575 S. 583
ausreichende Liquidität aufrechtzuerhalten. Um diese Ziele zu erreichen, muss das Werk den nötigen Ertrag abwerfen. Wirtschaftlich tragbar sind staatliche Eingriffe daher, wenn sie in ihren Auswirkungen diese Mindestrentabilität des Werks intakt lassen. Das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit ist folglich auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit eines Werks und auf den Investitionsschutz ausgerichtet und basiert damit auf den gleichen Prinzipien, welche die Eigentumsgarantie und den Vertrauensschutz bestimmen (RIVA, a.a.O., S. 114 f.; vgl. hierzu auch
BGE 127 II 69
E. 5a S. 75 f.;
BGE 126 II 171
E. 4b S. 181 f.;
BGE 125 II 591
E. 6a und b S. 600 f.). | public_law | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4fe80f8d-0104-4c47-85cc-cc0a10e541cc | Urteilskopf
97 I 57
9. Auszug aus dem Urteil vom 19. Januar 1971 i.S. Schindler gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Art. 89 Abs. 2 OG
.
Wenn das massgebende Gesetz die Zustellung des motivierten Urteils an die Parteien nicht vorsieht, diese aber auf ständiger Gerichtspraxis beruht, ist sie der amtlichen Zustellung gleichzustellen (Erweiterung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 56
Die staatsrechtliche Beschwerde vom 16. November 1970 richtet sich gegen das Strafurteil des Obergerichtes des Kantons Basel-Landschaft, das dem Beschwerdeführer am 29. September 1970 mündlich eröffnet und in der Folge gestützt auf langjährigen Gerichtsgebrauch schriftlich motiviert zugestellt wurde, und wird an diese Zustellung angeschlossen.
Das Bundesgericht erklärt sie als rechtzeitig.
Erwägungen
BGE 97 I 57 S. 57
Aus den Erwägungen:
Nach
Art. 89 OG
ist die Beschwerde binnen dreissig Tagen, von der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung des Entscheides an gerechnet, dem Bundesgericht schriftlich einzureichen. Werden von Amtes wegen nachträglich Entscheidungsgründe zugestellt, so kann die Beschwerde noch innert dreissig Tagen seit dem Eingang der Ausfertigung
BGE 97 I 57 S. 58
geführt werden (Abs. 2). Von Amtes wegen geschieht die nachträgliche Eröffnung, wenn das Gesetz sie in allgemeiner Weise, nicht bloss für den Fall vorschreibt, dass eine Partei es verlangt oder gegen ein Urteil ein Rechtsmittel eingelegt werden kann (
BGE 72 I 296
,
BGE 74 I 170
,
BGE 77 I 69
). In einzelnen Kantonen werden die motivierten Urteile den Parteien ohne derartige gesetzliche Vorschrift und ohne besonderes Verlangen zugestellt. Das führt zur Frage, ob unter Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung dem Fall, wo das Gesetz die Zustellung des begründeten Urteils in allgemeiner Weise vorschreibt, derjenige gleichzustellen ist, wo die Zustellung ohne eine gesetzliche Vorschrift auf Grund ständiger Übung geschieht. Trifft dies zu, so hängt es nicht vom Zutun des Beschwerdeführers ab, ob er eine motivierte Urteilsausfertigung erhält. Er hat keine Möglichkeit, zu seinen Gunsten auf den Lauf der Beschwerdefrist Einfluss zu nehmen (BONNARD, Problèmes relatifs au recours de droit public, ZSR
BGE 81 II 456
Ziff. 100). Gericht oder Gerichtskanzlei haben sich nicht im einzelnen Fall darüber zu entscheiden, ob sie eine Zustellung vorzunehmen haben. Diese geschieht unbedingt und in allgemeiner Weise (
BGE 77 I 70
) und insoweit von Amtes wegen, als sich das Gericht zwar nicht auf eine gesetzliche Vorschrift stützt, wohl aber einem ständigen Gerichtsgebrauch folgt. Auf eine derartige Übung soll sich die Partei in gleicher Weise verlassen dürfen, wie wenn eine gesetzliche Vorschrift die Zustellung dem Richter zur Pflicht macht. Aus diesen Gründen rechtfertigt es sich, die Vorschrift von
Art. 89 Abs. 2 OG
als gegeben zu betrachten, vorausgesetzt immer, dass die Zustellung in allgemeiner Weise, in jedem Fall erfolgt, und in diesem Sinn ein langjähriger, ständiger und unangefochtener Gerichtsgebrauch besteht. Die Voraussetzungen für die Anwendung von
Art. 89 Abs. 2 OG
sind dagegen nicht gegeben, wenn die Gerichtskanzlei eines Kantons von Fall zu Fall und nach eigenem Gutdünken darüber befindet, ob sie einer oder beiden Parteien ein begründetes Urteil zustellen oder nicht zustellen will. Die Frist würde sonst von Zufälligkeiten abhängen und es bestünde die Gefahr von Missbräuchen.
Der Kassationshof des Bundesgerichts stimmt dieser Auffassung bei. Die staatsrechtliche Kammer, bei der 7 Mitglieder mitzuwirken haben, hat durch internen Beschluss in gleichem Sinne entschieden (Beschluss vom 12. November 1969 i.S. Graf).
BGE 97 I 57 S. 59
Nach § 141 der basel-landschaftlichen Strafprozessordnung wird das Urteil dem Angeklagten in Gegenwart des Gerichts und des Staatsanwalts durch den Gerichtsschreiber verkündet, sobald es gefällt ist. Mit diesem Zeitpunkt beginnt die Frist zur Einreichung einer Appellation (
§ 145 StPO
). Für das Urteil des Obergerichts, seine Verkündung und seine Ausfertigung gelten die für das Verfahren vor dem Strafgericht aufgestellten Bestimmungen (
§ 159 Abs. 3 StPO
). Entsprechendes gilt für das Zivilverfahren (
§ 212 ZPO
). Die Zustellung des begründeten Urteils ist also durch das Gesetz nicht vorgeschrieben; sie geschieht danach auch nicht, wenn die Parteien es nicht selbst verlangen. Doch hat das Obergericht dem Bundesgericht in in den Jahren 1958 und 1962 eingeholten Berichten erklärt, die Gerichtskanzleien seien seit einiger Zeit dazu übergegangen, die begründeten Urteile unaufgefordert in allen Fällen zuzustellen. Der Präsident des Obergerichts hat in diesem Beschwerdeverfahren die Erklärung abgegeben, dass diese Übung nun schon seit einigen Jahren besteht. Freilich erfolgt die Zustellung danach in Fällen, wo die eidgen. Nichtigkeitsbeschwerde offensteht, erst nach Ablauf der zehntägigen Frist für deren Erhebung, also nach Eintritt der Rechtskraft. Doch vermag dies daran nichts zu ändern, dass bei den basel-landschaftlichen Gerichten ein langjähriger und ständiger Gerichtsgebrauch besteht, wonach das begründete Urteil den Parteien von Amtes wegen zugestellt wird. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4fe8c865-b0a0-4632-a915-cb057606efa2 | Urteilskopf
109 II 471
98. Arrêt de la Ire Cour civile du 22 novembre 1983 dans la cause Union des Assurances de Paris contre Planzer Transports S.A. (recours en réforme) | Regeste
Art. 37 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr (CMR); Rückgriff unter Frachtführern.
Art. 37 CMR
, der den Rückgriff unter aufeinanderfolgenden Frachtführern regelt, findet auch Anwendung auf die Rückgriffsklage eines Frachtführers gegen den Unterfrachtführer, den er beauftragt hat, den gesamten Transport an seiner Stelle auszuführen. | Sachverhalt
ab Seite 471
BGE 109 II 471 S. 471
A.-
a) La Société anonyme de transports internationaux (Sati) fut chargée par les Ateliers des Charmilles S.A., en septembre 1977, de s'occuper du transport par camion d'une machine industrielle de Genève à Milan. Elle confia ce transport à Planzer Transports S.A. (ci-après: Planzer), qui le fit exécuter par la maison Vionnet.
Sati avait conclu une assurance-transport par abonnement avec l'Union des assurances de Paris (ci-après: UAP). Elle fit établir un certificat d'assurance couvrant la machine à transporter pour un montant de 192'000 francs, notamment en cas de vol.
b) Le camion transportant la machine arriva à Milan le 23 septembre 1977. Il était plombé et la machine pesait plus de 1795 kg. Le chauffeur de la maison Vionnet, qui le conduisait, gara
BGE 109 II 471 S. 472
son camion à la rue Valtellina où se trouvent les bureaux d'un transitaire milanais, correspondant de Sati, ainsi que la gare où s'effectuent les démarches douanières. Ne trouvant pas le transitaire, qui devait lui remettre des pièces, le chauffeur alla déjeuner. Il ferma le camion à clé. Lorsqu'il se rendit à nouveau chez le transitaire, le camion était toujours là, mais quand il en ressortit une demi-heure à trois quarts d'heure plus tard, le camion avait disparu.
B.-
L'UAP a versé à Sati l'indemnité correspondant au dommage subi, soit 192'000 francs. Cessionnaire des "droits en dommages-intérêts contre les tierces personnes résultant de ce ... cas d'avarie", elle a ouvert action contre Planzer, qu'elle tient pour responsable du vol, en paiement de 192'000 francs.
Le Tribunal de première instance de Genève a admis la demande à concurrence de 166'964 francs.
La Cour de justice du canton de Genève a annulé ce jugement et débouté la demanderesse de toutes ses conclusions, par arrêt du 20 mai 1983.
C.-
La demanderesse recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et à la condamnation de la défenderesse à lui payer la somme de 166'964 francs avec intérêt.
Le Tribunal fédéral rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le litige se rapporte à un transport de marchandise par route entre la Suisse et l'Italie, l'une et l'autre parties à la Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (CMR; RS 0.741.611; ROLF 1970 p. 851 ss). Il est donc soumis aux dispositions de cette Convention et subsidiairement seulement, soit pour les points qu'elle ne règle pas, aux dispositions du Code des obligations ou d'autres lois fédérales (
ATF 107 II 240
; AISSLINGER, Die Haftung des Strassenfrachtführens und die Frachtführerhaftpflicht-Versicherung, thèse Zurich 1975, p. 1 ss; NICKEL-LANZ, La Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route, thèse Lausanne 1976, p. 14 ss).
2.
La cour cantonale a laissé indécise la question de la qualification juridique des rapports liant Sati à la défenderesse: contrat d'expédition, entre un expéditeur et un voiturier, ou contrat de transport, entre un voiturier et un sous-voiturier? La
BGE 109 II 471 S. 473
question doit être tranchée dans ce dernier sens. Société s'occupant à titre professionnel de transports, Sati a été chargée par les Ateliers des Charmilles S.A. d'effectuer le transport par camion d'une machine de Genève à Milan, ce qu'elle a accepté, établissant en conséquence la lettre de voiture qui constatait ce contrat de transport. Elle doit dès lors être considérée comme transporteur bien qu'elle ait sous-traité le transport à la défenderesse, qui l'a elle-même confié à la maison Vionnet. Ces deux dernières entreprises ont la qualité de sous-voituriers, également parties au contrat de transport concrétisé par la lettre de voiture, aux conditions de celle-ci. En pareil cas, les dispositions de la Convention relatives au transport effectué par transporteurs successifs (
art. 34 ss CMR
) sont applicables, en particulier l'art. 37 concernant le recours entre transporteurs (
ATF 107 II 240
ss consid. 3-4; AISSLINGER, op.cit., p. 98 ss).
3.
Le 29 mars 1978, Sati a signé une "quittance d'indemnité" par laquelle elle déclarait avoir reçu de la demanderesse la somme de 192'000 francs en règlement du dommage consécutif au vol de la machine et céder à la compagnie d'assurances tous ses "droits en dommages-intérêts" contre des tiers résultant de ce sinistre. Cette cession est conforme à l'art. 27 des conditions générales d'assurance aux termes duquel le preneur d'assurance cède à l'assureur "tous les droits contre des tiers". La demanderesse agit donc comme cessionnaire des droits que le transporteur Sati peut exercer contre des tiers en raison du vol ayant donné lieu à l'indemnité d'assurance.
L'action exercée en cette qualité par la demanderesse étant dirigée contre le sous-voiturier chargé du transport par Sati, on se trouve en présence d'un recours entre transporteurs régi par l'
art. 37 CMR
, et non par l'art. 17 relatif à la responsabilité du transporteur envers l'expéditeur ou le destinataire. Selon l'art. 37 lettre a, le transporteur par le fait duquel le dommage a été causé doit seul supporter l'indemnité, qu'il l'ait payée lui-même ou qu'elle ait été payée par un autre transporteur.
En l'espèce, le dommage ne peut avoir été "causé" que par le fait du sous-voiturier Vionnet, auquel la défenderesse a confié l'exécution du transport litigieux. L'application des lettres b et c de l'
art. 37 CMR
n'entre pas en considération. Le transporteur Vionnet, qui n'est pas partie au procès, doit donc seul supporter l'indemnité, qui ne peut être réclamée à la défenderesse. L'action exercée contre celle-ci est ainsi mal dirigée et doit être rejetée.
BGE 109 II 471 S. 474
Dans le cadre de son champ d'application, la Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route l'emporte, en tant que lex specialis, sur les dispositions du Code des obligations et de la loi fédérale sur le contrat d'assurance, lesquelles ne s'appliquent qu'à titre subsidiaire (cf. consid. 1 ci-dessus). Le problème du recours entre transporteurs qui se pose en l'espèce étant réglé par la Convention, il n'y a pas de place pour l'application, discutée par les parties et les juridictions cantonales, des
art. 50-51 CO
et 14, 72, 97-98 LCA. | public_law | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4feda1df-e8e5-4803-8efd-a0943f789e84 | Urteilskopf
104 Ib 378
59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. November 1978 i.S. Bank Y. | Regeste
Spezielle Grundbuchbeschwerde (
Art. 103 GBV
).
Die Legitimation zur Grundbuchbeschwerde im Sinne von
Art. 103 GBV
bestimmt sich nach den für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltenden Grundsätzen und beschränkt sich nicht auf den "Anmeldenden" (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 378
BGE 104 Ib 378 S. 378
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 21. Mai 1976 vereinbarten X. und die Bank Y., die zugunsten der Bank auf verschiedenen Grundstücken des X. in A. lastende Grundpfandverschreibung auf weitere Grundstücke auszudehnen und von 2,2 auf 2,5 Mio. Franken zu erhöhen. Der Notar wurde ermächtigt und beauftragt, den Vertrag beim Grundbuchamt anzumelden.
Das Grundbuchamt wies die Anmeldung durch Verfügung vom 1. Mai 1978 ab mit der Begründung, im Vertrag vom 21. Mai 1976 sei ein bisher mitverpfändetes Grundstück nicht mehr erwähnt und die Bank Y. habe trotz wiederholter Aufforderung versäumt, der Pfandentlassung zuzustimmen.
BGE 104 Ib 378 S. 379
Gegen die Verfügung des Grundbuchamtes erhob die Bank Y. Beschwerde. Die kantonale Beschwerdeinstanz entschied am 31. Mai 1978, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, da der Bank Y. keine Beschwerdebefugnis zukomme.
Hiegegen führt die Bank Y. Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die kantonale Instanz anzuweisen, die Sache materiell zu beurteilen.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt Gutheissung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach ständiger Rechtsprechung kann der Entscheid der letzten kantonalen Instanz, durch den die Anmeldung einer Grundbucheintragung abgewiesen wurde, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (
BGE 99 Ib 246
f. E. 1 mit Hinweisen). Zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unter anderem berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (
Art. 103 lit. a OG
). Dies trifft für die Beschwerdeführerin zu, denn sie hatte bei der Vorinstanz verlangt, dass die angemeldete Eintragung vollzogen werde, woran sie als Grundpfandgläubigerin angesichts der Ausdehnung des Pfandrechts auf weitere Grundstücke und der Erhöhung des Pfandbetrages offensichtlich interessiert ist. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach einzutreten.
2.
Die Vorinstanz trat auf die bei ihr erhobene Beschwerde nicht ein mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei nicht "Anmeldende" im Sinne von
Art. 103 Abs. 1 GBV
und somit zur Grundbuchbeschwerde nicht legitimiert. Ihr Entscheid steht in Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl.
BGE 95 I 394
E. 1;
BGE 89 II 261
;
BGE 87 I 485
oben;
BGE 85 I 167
;
BGE 72 I 235
; anders allerdings das Urteil der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 5. Mai 1933 in Sachen C. und T., abgedruckt in ZBGR 33/1952, S. 136 ff.).
In einem neueren Entscheid stellte das Bundesgericht indessen fest, es sei unbefriedigend, wenn bei gewissen Streitigkeiten des Bundesverwaltungsrechts ein grösserer Personenkreis zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt sei als zur Beschwerde an die kantonale Behörde und wenn somit je nachdem, wer von
BGE 104 Ib 378 S. 380
einer Verfügung betroffen sei, sich ein unterschiedlicher Instanzenzug ergebe. Es hielt deshalb mit Rücksicht auf die Einheit des Prozesses und auf den Rechtsschutz der Betroffenen dafür, die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes, wonach von einem in
Art. 103 lit. a OG
umschriebenen bundesrechtlichen Begriff der Beschwerdelegitimation auszugehen sei, sei allgemein aufzunehmen. Sehe ein Kanton für eine Streitigkeit des Bundesverwaltungsrechts, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden könne, eine Beschwerdeinstanz vor, dürfe er mithin bezüglich der Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen stellen als sie
Art. 103 lit. a OG
für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthalte (
BGE 103 Ib 147
f. E. 3a mit Hinweis auf
BGE 101 V 123
E. 1a und
BGE 98 V 54
f. E. 1). Diese Überlegungen gelten hier um so mehr, als das kantonale Beschwerdeverfahren vom Bundesrecht (
Art. 956 Abs. 2 ZGB
;
Art. 103 GBV
) geregelt wird.
Die Änderung der bisherigen Rechtsprechung drängt sich aber auch aus andern Gründen auf. Die Beschränkung der Legitimation zur Beschwerde nach
Art. 103 GBV
auf den Anmeldenden findet nämlich in dem die Grundlage der Grundbuchbeschwerde bildenden
Art. 956 ZGB
keine Stütze. Sie lässt sich denn auch mit dem Zweck dieser Beschwerde, das materielle Recht zu verwirklichen, nicht vereinbaren (vgl. dazu FRIEDRICH, "Interimstitel" im Hypothekarwesen, in ZBGR 52/1971, S. 13 f.). Zutreffend ist ebenfalls die Bemerkung der Beschwerdeführerin, es sei nicht folgerichtig, die spezielle Grundbuchbeschwerde (
Art. 103 GBV
) hinsichtlich der Legitimation grundsätzlich anders zu behandeln als die allgemeine Grundbuchbeschwerde (
Art. 104 GBV
). Offenkundig wird die Unstimmigkeit besonders am Beispiel, dass der Grundstückkäufer zwar befugt ist, mit einer Beschwerde nach
Art. 104 GBV
der drohenden Übertragung des Kaufobjektes an einen Dritten entgegenzutreten (so
BGE 90 I 311
E. 1), dass er sich dagegen bisher mit einer die Anmeldung der Eintragung des Kaufs abweisenden Verfügung des Grundbuchamtes abzufinden hatte.
Das Gesagte berührt die Frage der Befugnis des Verfügenden, über das abgetretene Recht auch nach der Anmeldung beim Grundbuchamt noch zu verfügen. Die Annahme, es stehe dem Verfügenden frei, die Anmeldung wieder zurückzuziehen,
BGE 104 Ib 378 S. 381
solange die Grundbucheintragung nicht vollzogen sei (so
BGE 87 I 484
f.
;
85 I 168
oben;
BGE 85 II 571
;
BGE 83 II 15
E. 3), führt indessen nicht zwangsläufig zum Schluss, der Rechtserwerber könne in einem Fall, da jener sich mit der Abweisung seiner Anmeldung durch das Grundbuchamt abfinde, keine Beschwerdemöglichkeit haben (vgl. HUBER, Anmeldung und Tagebuch im schweizerischen Grundbuchrecht, in ZBGR 59/1978 S. 167), wie aus früheren Urteilen (vgl.
BGE 87 I 484
f.;
BGE 85 I 168
oben) hervorzugehen scheint. Der Rückzug einer Anmeldung bleibt bei einer vom Rechtserwerber erhobenen Beschwerde durchaus möglich (vgl.
BGE 87 I 485
). Freilich hat ihn der Verfügende zu erklären, bevor über die Beschwerde rechtskräftig entschieden ist, doch bestand ja im Vollzug des Grundbucheintrages schon bisher eine ähnliche Schranke. Einer
Art. 103 lit. a OG
entsprechenden Ausdehnung der Legitimation zur Beschwerde nach
Art. 103 GBV
auf den Begünstigten steht die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage des Rückzuges einer Anmeldung somit nicht entgegen, so dass hier nicht zu erörtern ist, ob die an ihr geübte Kritik (vgl. FRIEDRICH, a.a.O. S. 9 f.; HUBER, a.a.O. S. 166) begründet sei. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4fee1de2-a018-411e-ba23-91f98b7fb98e | Urteilskopf
100 IV 38
11. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 1er mars 1974, dans la cause Jeanneret contre Ministère public du canton de Neuchâtel. | Regeste
Strafbarkeit von Handlungen, die im Geschäftsbetrieb einer Aktiengesellschaft begangen werden.
1. Abgesehen von Ausnahmen, namentlich im Verwaltungs- und Finanzstrafrecht, ist die juristische Person nicht straffähig. Es sind vielmehr die verantwortlichen Organe, die für die von ihnen begangenen Handlungen strafrechtlich einzustehen haben (Erw. 2 a).
2. Die
Art. 172 und 326 StGB
sind erlassen worden, um die Strafverfolgung gegen die Organe zu ermöglichen, wenn bei Spezialdelikten die juristische Person die besondere Eigenschaft der Straffähigkeit hat. Bei gemeinrechtlichen Delikten kann der Richter nach der ratio legis eine ähnliche Regelung vornehmen, indem er den Täterbegriff so auslegt, wie er im Gesetz selber enthalten ist (Erw. 2 b).
3. Der strafrechtliche Begriff des Organs deckt sich nicht mit demjenigen im Zivilrecht. Jener ist weiter gefasst und schliesst alle Personen ein, die im Rahmen der Gesellschaftstätigkeit eine selbständige Entscheidungsbefugnis haben (Erw. 2 c). | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 100 IV 38 S. 39
A.-
Jean-Luc Jeanneret a été l'employé de la maison Seitz SA jusqu'au 17 août 1973. A ce titre, il était chargé des formalités relatives à la police des étrangers lors de l'engagement de personnel frontalier. Du 5 mars au 31 juillet 1973, dans 16 cas, il ne s'est pas acquitté de sa tâche.
B.-
Le 6 décembre 1973, le Président du Tribunal de police du district du Locle a condamné Jeanneret à 160 fr. d'amende, avec un délai d'épreuve et de radiation d'une année, pour violation des art. 3 al. 2 et 23 al. 2 LSEE. Le pourvoi interjeté contre cette décision a été rejeté le 9 janvier 1974 par la Cour de cassation pénale de Neuchâtel.
C.-
Jeanneret se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral, il conclut à libération.
Le Ministère public propose le rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant se fonde sur l'arrêt Zelig (RO 97 IV 202) pour soutenir que la responsabilité pénale d'une infraction commise dans la gestion d'une personne morale incombe exclusivement à ceux qui ont commis les faits incriminés en tant qu'organes. Lui-même n'ayant pas cette qualité auprès de la société qui l'employait, le premier juge aurait violé le principe "nulla poena sine lege" en comblant par une interprétation analogique la lacune qui résulterait dans la loi - il en est de même aux art. 172 et 326 CP - d'une omission dans l'énumération des personnes responsables. Il juge enfin inadmissible d'être puni en tant que représentant de son employeur, puisqu'il n'existe pas de représentation en matière pénale.
2.
Aux termes de l'art. 3 al. 2 LSEE, l'étranger ainsi que son employeur sont tenus de renseigner exactement l'autorité sur tout ce qui est de nature à déterminer sa décision. Le recourant a été reconnu coupable de violation de cette obligation
BGE 100 IV 38 S. 40
et condamné conformément à l'art. 23 LSEE, sans qu'il soit cependant précisé quel alinéa de cette disposition a trouvé application. Ce ne peut manifestement être le deuxième, indiqué par le premier juge, mais vraisemblablement la disposition générale de l'al. 3, dont le contenu d'ailleurs doit être interprété en fonction du précédent. Le recourant a donc été condamné comme "employeur".
a) Il n'est pas contestable que, du point de vue du droit civil, l'employeur du personnel frontalier est la société auprès de laquelle travaillait le recourant. En tant que personne morale, sous réserve d'exceptions (en droit administratif et fiscal notamment, RO 64 I 53, 82 IV 45) qui n'entrent pas en ligne de compte en l'espèce, celle-ci n'est pas punissable. En effet, le droit pénal réprime les comportements contraires à un devoir ou à une interdiction découlant de la loi. Si les personnes morales peuvent acquérir tous les droits et assumer toutes les obligations qui ne sont pas inséparables des conditions naturelles de l'homme (art. 53 CC), elles ne peuvent par définition agir, donc avoir un comportement relevant du droit pénal, que par l'intermédiaire de leurs organes (art. 54 CC). Lorsque, dans le cadre des activités sociales, une obligation déterminée incombe à la personne morale, ce sont les organes compétents qui assument la tâche de la remplir. De ce fait, ils répondent personnellement, au point de vue pénal, de l'inexécution de leur devoir. Ce n'est alors nullement un cas de représentation, car l'application du droit pénal, au contraire de celle du droit civil, ne dépend pas au premier chef de la personne qui devra réparer le dommage causé, mais de celle qui a agi matériellement (RO 41 I 215; WIESENER, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Stellvertretern und Organen, p. 125, 133, 137, 171, 185).
b) Aux art. 172 et 326 CP, dont le recourant se prévaut, le législateur a énuméré les personnes susceptibles de répondre pénalement de certains actes commis dans la gestion d'une personne morale. Il s'agit des infractions prévues aux art. 147, 163-170 et 323-325 CP, qui peuvent ainsi entraîner la condamnation des directeurs, des fondés de pouvoir, des membres de l'administration ou d'un organe de contrôle, voire des liquidateurs, pour autant qu'ils en aient accompli les actes constitutifs. L'art. 23 LSEE n'est pas compris dans l'énumération de ces infractions. Il serait cependant faux d'en conclure que les
BGE 100 IV 38 S. 41
organes de la personne morale échappent dans ce cas à toute responsabilité pénale. Car les art. 172 et 326 CP n'ont pas pour effet de consacrer un régime exceptionnel. Au contraire, ils sont destinés à assurer la punissabilité des organes lorsque, s'agissant des délits spéciaux qu'ils mentionnent, c'est la personne morale et non le ou les organes qui a la qualité particulière entraînant la répression (RO 91 IV 203; SCHULTZ, RJB 1972 p. 350). S'il résulte clairement du précédent cité que, pour punir l'organe d'une personne morale qui a accompli les actes constitutifs d'un délit commun (art. 148, 251), il n'est pas besoin de faire appel à une règle analogue à celle de l'art. 172 CP, on pourrait être tenté d'en déduire qu'il n'en va pas de même s'agissant des délits spéciaux. Ce serait cependant une erreur, car la question à juger n'était pas là en l'occurrence et d'ailleurs une telle conclusion ne résisterait pas à l'examen. Il ressort en effet sans équivoque des travaux préparatoires auxquels se réfère l'arrêt Zelig que le législateur, en édictant les art. 172 et 326 CP, ne voulait pas résoudre d'une manière complète "la grosse question de la capacité au délit des personnes juridiques" (Rapport de la deuxième commission d'experts, p. 419, déclaration de Gautier; Bull. stén. CN 1929, p. 115, déclaration du rapporteur Logoz). Il a seulement entendu, pour un nombre déterminé d'infractions, donner au juge une solution pratique, en lui laissant au surplus la liberté de raisonner, dans d'autres hypothèses, par analogie ou de toute autre manière. Rien n'empêche donc, en appliquant l'art. 23 al. 3 en relation avec l'art. 3 al. 2 LSEE, de déterminer en fonction de la ratio legis si un organe ou tout autre représentant de la personne morale doit être considéré comme employeur. Dès lors que la solution prévue aux art. 172 et 326 CP, et qualifiée déjà au cours des travaux parlementaires de "règle raisonnable", a fait ses preuves dans la jurisprudence et du moment que le but visé par les dispositions en cause de la LSEE n'exige pas une autre réglementation, il se justifie de ne pas s'écarter du système général. La cour de céans s'est déjà exprimée dans ce sens (RO 99 IV 116). Il n'est en effet pas contraire au principe "nulla poena sine lege" de procéder ainsi, puisqu'il ne s'agit pas d'une libre création de droit (freie Rechtsfindung) au détriment de l'accusé, mais de l'interprétation de la notion d'auteur telle qu'elle est contenue dans la loi même (cf. RO 78 IV 39; SCHULTZ, Einführung in
BGE 100 IV 38 S. 42
den Allgemeinen Teil des Strafrechtes I, p. 222 infra; SCHWANDER, Schweiz. StGB, nos 113 et 622 in fine).
c) D'une manière générale, la responsabilité pénale résultant de l'inobservation des devoirs imposés par la LSEE à l'employeur peut donc, lorsque celui-ci est une personne morale, incomber aux organes de celle-ci. Il reste à déterminer qui, en l'occurrence, doit être considéré comme organe. L'énumération de l'art. 172 - la même que celle de l'art. 326 - CP fait apparaître que le cercle des personnes visées ne se confond pas avec celui des personnes qui ont qualité d'organe au sens du droit civil. Pour celui-ci notamment, le fondé de pouvoir qui figure dans la liste indiquée n'est qu'un tiers habilité par un organe pour accomplir certaines tâches de gestion de la personne morale (VON TUHR/SIEGWART, Partie générale du code des obligations, I, p. 328). La notion d'organe est donc plus étendue en droit pénal. C'est pourquoi la cour de céans a défini le membre d'un conseil d'administration non pas comme une personne désignée formellement comme tel en vertu des statuts, mais comme celui qui exerce matériellement cette fonction (RO 78 IV 30;
97 IV 14
). De même a-t-il été jugé que le fonctionnaire intermédiaire d'une administration publique, habilité à recruter et à engager du personnel étranger, agissait dans ce domaine en qualité d'organe et répondait de ce fait pénalement de l'inobservation des obligations incombant à la personne morale de droit public en vertu de l'art. 3 al. 3 LSEE (RO 99 IV 116). Une telle solution, qui s'écarte de celle du droit civil, s'impose car, s'agissant d'organismes importants, qu'ils soient de droit public ou privé, chez lesquels la répartition des tâches est une nécessité, il est courant que des employés ou fonctionnaires de rang intermédiaire se voient confier, en matière d'engagement d'employés notamment, des tâches dans l'accomplissement desquelles ils sont appelés à exercer un pouvoir de décision autonome. C'est à eux qu'incombent alors, le cas échéant, les obligations mises à charge de l'employeur par la LSEE, sans quoi cette dernière resterait lettre morte, s'agissant des personnes morales.
d) In casu, au sujet de la position du recourant, l'arrêt attaqué ne donne pas d'éléments concluants. Il précise seulement que le recourant avait "la responsabilité des formalités relatives à l'engagement des ouvriers étrangers", qu'il avait scrupuleusement exécuté son travail pendant deux ans et qu'il
BGE 100 IV 38 S. 43
était connu de l'agent communal préposé au contrôle. Supposé que le recourant ait eu exclusivement pour tâche d'exécuter les formalités en cause, sans disposer d'un pouvoir propre de décision en matière d'engagement du personnel, il n'aurait alors exercé qu'une pure fonction d'exécution telle qu'elle est confiée à un employé subalterne dans l'accomplissement de sa tâche (cf. RO 87 II 187). Ce serait insuffisant à lui faire endosser la responsabilité de l'employeur au sens de la LSEE (cf. RO 99 IV 116).
Il convient donc d'annuler l'arrêt attaqué et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle statue à nouveau dans le sens des considérants, après avoir fait toute la lumière possible sur le point de fait déterminant.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à la juridiction cantonale pour nouvelle décision. | null | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4ff18da4-80c2-4d5e-8abb-99a1670b66cd | Urteilskopf
99 V 148
46. Urteil vom 23. November 1973 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Rudolf und Rekurskommission für die Ausgleichskassen des Kantons Basel-Stadt | Regeste
Hilfsmittelbezug im Ausland (
Art. 9 Abs. 1 IVG
).
Voraussetzungen (Erw. 1). Die Invalidenversicherung, die während Jahren den Bezug im Ausland bewilligt hat, darf nicht ohne jede vorgängige Mitteilung die Bezahlung einer wiederum im Ausland bestellten Ersatzprothese verweigern (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 149
BGE 99 V 148 S. 149
A.-
Gérald Rudolf, geboren 1945, leidet an den Folgen von Poliomyelitis. Im Jahre 1965 liess er sich wegen schwerer Zirkulationsstörungen den linken Unterschenkel amputieren. Die Invalidenversicherungs-Kommission des Kantons Basel-Land gewährte ihm verschiedene Leistungen. Unter anderem verhielt sie die Invalidenversicherung zur Abgabe einer Unterschenkelprothese "nach Anleitung von Herrn Prof. Dr. med. N., sofern diese in der Schweiz hergestellt wird" (Verfügung der Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes vom 9. August 1965). Der Versicherte machte indessen geltend, dass er auf Empfehlung von Prof. N., Leiter der Abteilung des Bürgerspitals Basel für Chirurgie des Bewegungsapparates, seit sieben Jahren zu seiner vollen Zufriedenheit durch den Orthopädisten B., Rottweil BRD, prothetisch versorgt werde. Hieraufwurde die erwähnte Verfügung mit dem Einverständnis des Bundesamtes für Sozialversicherung dahin abgeändert, dass die Prothese durch B. hergestellt werden dürfe (Verfügung vom 17. Dezember 1965). Später bewilligte die Verwaltung dem Versicherten noch mehrere vom selben Orthopädisten hergestellte Ersatzprothesen mit den notwendigen Reparaturen, letztmals mit Verfügung vom 11. August 1971.
B.-
Als Gérald Rudolf im Herbst 1972 um die Übernahme der Kosten einer weitern durch B. zu liefernden Prothese ersuchte, unterbreitete die Invalidenversicherungs-Kommission den Fall erneut dem Bundesamt für Sozialversicherung. In seinem Antwortschreiben vom 27. November 1972 wies das Amt darauf hin, dass in Basel sechs Mitglieder des Schweizerischen Verbandes der Orthopädisten und Bandagisten tätig seien, mit denen eine Tarifabmachung bestehe. Deshalb habe der Gesuchsteller wie andere Versicherte seine Unterschenkelprothese in der Schweiz zu beziehen. Es bestehe kein Grund zur Annahme, dass die Verbandsmitglieder ausserstande sein sollten, ihm eine einwandfreie Prothese anzufertigen.
BGE 99 V 148 S. 150
Deshalb verfügte die Ausgleichskasse am 9. Januar 1973, dass die Invalidenversicherung keine im Ausland bezogenen Unterschenkelprothesen mehr bewillige.
C.-
Der Versicherte beschwerte sich gegen diese Verfügung bei der Basler Rekurskommission für die Ausgleichskassen. Diese erachtete es angesichts der "Besonderheit des Falles des Rekurrenten" als "geradezu unverständlich, weshalb ein seit Jahren zur Zufriedenheit arbeitender Hersteller gewechselt werden sollte, um erneut in der Schweiz zu versuchen, was seinerzeit nicht gelungen ist". Die Rekurskommission verpflichtete deshalb die Invalidenversicherung, die Kosten einer neuen, von der Firma B. hergestellten Unterschenkelprothese zu übernehmen (Entscheid vom 26. April 1973).
D.-
Das Bundesamt erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts zu
Art. 9 Abs. 1 IVG
bekräftigt es seine schon im erwähnten Schreiben vom November 1972 geäusserte Auffassung, dass Gérald Rudolf die Möglichkeit habe, sich eine zweckmässige und gute Prothese in der Schweiz zu verschaffen. Daraus, dass das Amt im Jahre 1965 dem Bezug der Prothese aus Deutschland zugestimmt habe, könne der Beschwerdegegner keine weitern Rechte ableiten. Zudem seien die Herstellungskosten in der Bundesrepublik bedeutend höher als in der Schweiz. Das Bundesamt beantragt demnach die Wiederherstellung der Kassenverfügung vom 9. Januar 1973.
Gérald Rudolf beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Prothese sei inzwischen durch die Firma B. bereits hergestellt worden. - In einer Zuschrift an das Gericht vom 20. August 1973 bemerkt Prof. N., es handle sich nicht um einen "gewöhnlichen", sondern "um einen recht schwierigen Einzelfall". Es gehe daher auch nicht um eine gewöhnliche prothetische Versorgung, sondern um eine Spezialanfertigung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 9 Abs. 1 IVG
werden die Eingliederungsmassnahmen in der Schweiz, ausnahmsweise auch im Ausland gewährt. Ein solcher Ausnahmefall ist nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts gegeben, wenn die Massnahme mangels geeigneter Einrichtungen oder wegen
BGE 99 V 148 S. 151
ihrer Besonderheit und Seltenheit in der Schweiz nicht oder noch nicht durchgeführt werden kann. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten; blosse Vorzüge im Einzelfall genügen nicht (EVGE 1966 S. 102 und 1967 S. 248,
BGE 97 V 158
).
2.
Nach erfolgter Beinamputation hat der Beschwerdegegner seine erste Unterschenkelprothese im Jahre 1965 durch den Orthopädisten B. in Rottweil anfertigen lassen, nachdem er wegen schlechter Erfahrungen mit schweizerischen Firmen vorher schon während sieben Jahren sich durch den deutschen Lieferanten erfolgreich hatte prothetisch versorgen lassen. Die Verwaltung hatte sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass diese Prothese im Ausland bezogen würde. In den folgenden Jahren, zum letzten Mal 1971, bewilligte ihm die Invalidenversicherungs-Kommission drei weitere, durch B. herzustellende Prothesen. - Bei diesen Gegebenheiten musste der Beschwerdegegner nicht damit rechnen, dass die Ausgleichskasse auf sein am 17. Oktober 1972 neu eingereichtes Begehren hin ihre Praxis ändern und ihm zumuten würde, den bisher offenbar bestbewährten Lieferanten zu wechseln, obschon er vorher von der Verwaltung nie auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht worden war. Daher widerspricht es Treu und Glauben, wenn am 9. Januar 1973, somit rund drei Monate nach der neuen Anmeldung bei der Invalidenversicherung, verfügt wurde, dass die Anschaffungskosten der Prothese nur übernommen würden, wenn der Versicherte das Kunstbein in der Schweiz herstellen lasse.
Aus der Tatsache, dass die Verwaltung seit 1965 wiederholt die Kosten einer im Ausland hergestellten Prothese übernommen hat und heute ein weiteres Mal übernehmen muss, vermag der Versicherte freilich keine Rechte für die Zukunft abzuleiten. Vielmehr wird die Invalidenversicherungs-Kommission im Hinblick auf ein späteres neues Gesuch des Beschwerdegegners zu prüfen haben, ob die den Verfügungen vom 17. Dezember 1965, 5. Mai 1966, 1. Dezember 1970 und 11. August 1971 zugrunde gelegene Annahme immer noch zutreffe, in der Schweiz könne eine Prothese von der Art, wie sie vom Versicherten benötigt wird, nicht hergestellt werden. Sie wird dabei beachten, dass Prof. N. selber erklärt, es handle sich nicht um einen "normalen Fall", weil die Amputation an einem "poliogelähmten Bein mit Paresen der Hüft- und Oberschenkelmuskulatur"
BGE 99 V 148 S. 152
erfolgt und zudem "auch eine Sympathectomie wegen der anfänglich schlechten Blutzirkulation durchgeführt" worden sei. Prof. N. spricht ausdrücklich von einem "Sonderfall" und von "Spezialanfertigung" der Prothese, was sich auf die Herstellungskosten auswirken dürfte. Müsste nach erfolgter Abklärung die Notwendigkeit des Hilfsmittelbezuges aus dem Ausland objektiv verneint werden, so könnte der Beschwerdegegner künftig nicht mehr damit rechnen, dass die Invalidenversicherung im Ausland entstandene Herstellungs- und Reparaturkosten übernehmen wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4ffab070-6ebb-4798-b51b-a84458fea6c8 | Urteilskopf
123 I 296
31. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 12 novembre 1997 dans la cause X. contre Conseil d'Etat du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 27 Abs. 3 sowie
Art. 49 BV
und
Art. 9 EMRK
: Konfessionelle Neutralität der Schule, Glaubens- und Gewissensfreiheit einer Lehrerin.
Das Schutzobjekt der Glaubens- und Gewissensfreiheit umfasst auch das in der religiösen Überzeugung gründende Tragen besonderer Kleidungsstücke. Die persönliche Freiheit kann dagegen nicht angerufen werden. Nicht einschränkbarer Kerngehalt der Glaubens- und Gewissensfreiheit (E. 2).
Das gegenüber einer in einer öffentlichen Schule tätigen Lehrerin ausgesprochene Verbot, in der Schule eine nach ihrer Auffassung den Anforderungen des Korans entsprechende Kopfbedeckung zu tragen, stützt sich vorliegend auf eine genügende gesetzliche Grundlage (E. 3).
Dieses Verbot entspricht einem überwiegenden öffentlichen Interesse (insbesondere der konfessionellen Neutralität und dem Religionsfrieden in der Schule) und ist verhältnismässig (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 297
BGE 123 I 296 S. 297
X., ressortissante suisse, a été nommée par le Conseil d'Etat du canton de Genève dans la fonction d'institutrice de la division élémentaire dès le 1er septembre 1990. Depuis la rentrée scolaire 1995, elle est titulaire d'une classe à l'école primaire de C., où elle enseigne depuis 1989.
Le 23 mars 1991, X. s'est convertie du catholicisme à l'islam et, le 19 octobre suivant, elle a épousé un ressortissant algérien. Voulant respecter les prescriptions du Coran, elle a alors commencé à porter des vêtements amples lui cachant les parties du corps autres que le visage et les mains, en particulier un voile ou un foulard lui couvrant le cou et les cheveux (ci-après: le foulard).
En mai 1995, la Directrice générale de l'enseignement primaire a été informée par l'inspectrice scolaire que X. portait "régulièrement le foulard islamique à l'école".
Le 11 juillet 1996, la Directrice générale a confirmé à l'intéressée l'entrevue qu'elles avaient eue le 27 juin précédent - en présence du Directeur du service du personnel enseignant - par un courrier libellé comme suit:
"- le port du foulard islamique est en contradiction avec le respect de l'art. 6 de la loi sur l'instruction publique;
- pour les raisons invoquées, dès la prochaine rentrée, vous renoncerez à porter le foulard dans l'exercice de vos activités et de vos responsabilités professionnelles;
- vous n'aurez pas recours à des attributs vestimentaires investis d'un sens confessionnel incompatible avec les impératifs de notre système scolaire."
X. ayant requis une décision formelle à cet égard, la Directrice générale lui a notifié le 23 août 1996 une décision déclarée "exécutoire dès la présente rentrée, même en cas de recours", confirmant les termes de la lettre du 11 juillet 1996 et précisant que, dans le cas
BGE 123 I 296 S. 298
de X., "les compétences strictement professionnelles et les signes extérieurs de conviction confessionnelle" se rejoignaient "dans le mode ostensible d'identification imposé par l'enseignante aux élèves, de surcroît dans un système scolaire public et laïc."
Le 26 août 1996, X. a recouru contre cette décision auprès du Conseil d'Etat et a demandé l'octroi de l'effet suspensif.
Par courrier du 6 septembre 1996, ayant appris que, depuis la rentrée scolaire 1996, X. portait à l'école un chapeau avec une écharpe ou un foulard enroulé en turban, lesquels cachaient entièrement ses cheveux et son cou, ainsi que des vêtements la couvrant de la tête aux pieds, la Directrice générale a requis le mandataire de X. d'enjoindre à sa cliente de se conformer strictement à la décision prise.
Le 12 septembre 1996, X. a déposé des pièces supplémentaires et une nouvelle détermination. Elle expliquait notamment que son habillement n'avait rien de particulier puisque des tenues similaires, c'est-à-dire respectant les mêmes critères de décence, pouvaient être trouvées dans la mode profane de grands couturiers occidentaux. Elle précisait en outre que, dans les murs de sa propre classe, elle se découvrait parfois, se recouvrant lorsqu'une personne pubère de sexe masculin pénétrait dans la salle ou était susceptible d'y entrer. Ainsi, lors des différentes visites de l'inspectrice scolaire, elle ne portait pas systématiquement de couvre-chef. En revanche, elle cachait ses cheveux dans l'enceinte de l'école.
Par arrêté du 16 octobre 1996, appliquant notamment l'
art. 27 Cst.
et les art. 6 et 120 al. 2 de la loi cantonale sur l'instruction publique, le Conseil d'Etat a rejeté le recours.
Agissant le 25 novembre 1996 par la voie du recours de droit public, X. demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais et dépens, d'annuler l'arrêté du Conseil d'Etat du 16 octobre 1996. Elle requiert également l'octroi de l'effet suspensif.
Le 13 décembre 1996, le Conseil d'Etat a déposé des interviews de X. parues dans "Le Matin" des 22 et 29 octobre 1996 ainsi que dans "L'Illustré" du 23 octobre 1996. Il a également produit deux courriers anonymes reçus à l'école de C. le 7 novembre 1996, lesquels, en substance, s'opposent au port du foulard à l'école. Le Conseil d'Etat a encore annexé le formulaire d'une pétition, émanant d'un comité de soutien constitué en faveur de X. à l'initiative d'une mère d'élève, ainsi que le procès-verbal d'une séance du 10 décembre 1996 réunissant l'inspectrice scolaire et les enseignantes de l'école de C., y compris l'intéressée, en vue de déterminer la manière de traiter l'affaire en cours avec les élèves et leurs
BGE 123 I 296 S. 299
parents. Enfin, le Conseil d'Etat a déposé une résolution adoptée par le Grand Conseil genevois le 10 octobre 1996, ainsi libellée:
"Considérant (...)
- que l'école publique genevoise est une école laïque;
- que les enseignants sont des représentants de l'institution et qu'à ce titre, ils doivent respecter ce principe de laïcité, notamment en ce qui concerne les signes religieux extérieurs;
- qu'une institutrice refuse de se soumettre à cette règle en portant un foulard islamique, invite le Conseil d'Etat
- à faire respecter ce principe de laïcité par tous les enseignants genevois, quelles que soient leurs convictions religieuses;
- à poursuivre dans sa politique de fermeté face à l'institutrice genevoise ayant refusé de se soumettre à cette règle."
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Préalablement, il faut observer que la recourante déclare à titre principal que son habillement, dont les éléments peuvent être acquis en grande surface, ne doit pas être traité comme un symbole religieux, mais comme n'importe quel vêtement plus ou moins anodin qu'un enseignant déciderait de porter pour des motifs qui lui seraient propres, notamment pour des raisons esthétiques ou pour mettre en valeur, voire cacher, une partie de son anatomie (foulard autour du cou, gilet, petit chapeau...). La décision attaquée reviendrait ainsi à interdire à un enseignant, sans justification suffisante, de s'habiller selon son désir.
Toutefois, il ne fait aucun doute que la recourante porte le foulard et des vêtements amples non pas pour des raisons esthétiques mais afin d'obéir à une exigence religieuse, qu'elle tire des passages suivants du Coran (Le Coran, essai de traduction par Jacques Berque, 2e éd., Paris 1995):
"Dis aux croyantes de baisser les yeux et de contenir leur sexe; de nepas faire montre de leurs agréments, sauf ce qui en émerge, de rabattreleur fichu sur les échancrures de leur vêtement. Elles ne laisseront voirleurs agréments qu'à leur mari, à leurs enfants, à leurs pères,beaux-pères, fils, beaux-fils, frères, neveux de frères ou de soeurs, auxfemmes (de leur communauté), à leurs captives, à leurs dépendants hommesincapables de l'acte, ou garçons encore ignorants de l'intimité des femmes.Qu'elles ne piaffent pas pour révéler ce qu'elles cachent de leursagréments." (sourate 24, verset 31)
BGE 123 I 296 S. 300
"Prophète, dis à tes épouses, à tes filles, aux femmes des croyants de revêtir leurs mantes: sûr moyen d'être reconnues (pour des dames) et d'échapper à toute offense - Dieu est Tout indulgence, Miséricordieux." (sourate 33, verset 59)
Le port du foulard et de vêtements amples manifeste dès lors l'appartenanceà une confession déterminée et la volonté de se comporter conformément auxprescriptions de celle-ci. Cette tenue constitue même un symbole religieux"fort", c'est-à-dire un signe immédiatement visible pour les tiers,indiquant clairement que son porteur adhère à une religion déterminée.Le litige porte donc sur le port d'un symbole religieux fort par unenseignant d'une école publique dans le cadre de son activitéprofessionnelle. Aucune limitation n'a été imposée à la recourante quant àsa tenue hors de l'enseignement. Il ne s'agit pas non plus du port d'unsigne religieux par un élève, ni du port de vêtements de fantaisie, voireexcentriques mais sans connotation religieuse, par un enseignant à l'école.Vu ce qui précède, il y a lieu d'examiner quelle liberté constitutionnelle la recourante peut invoquer.
b) aa) La liberté de conscience et de croyance, déclarée inviolable parl'
art. 49 al. 1 Cst.
, protège le citoyen de toute ingérence de l'Etat quiserait de nature à gêner ses convictions religieuses (
ATF 116 Ia 252
consid. 5a p. 257; W. BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischenBundesverfassung, 3e éd., Berne 1931, p. 442). Elle confère au citoyen ledroit d'exiger que l'Etat n'intervienne pas de façon injustifiée enédictant des règles limitant l'expression et la pratique de ses convictionsreligieuses (
ATF 118 Ia 46
consid. 3b p. 52). Elle comporte la libertéintérieure de croire, de ne pas croire et de modifier en tout temps et demanière quelconque ses propres convictions religieuses, ainsi que laliberté extérieure d'exprimer, de pratiquer et de communiquer sesconvictions religieuses ou sa vision du monde, dans certaines limites (
ATF 119 Ia 178
consid. 4c p. 184;
118 Ia 46
consid. 4c p. 56;
116 Ia 252
consid. 5a p. 257; ANTOINE FAVRE, Droit constitutionnel suisse, 2e éd.,Fribourg 1970, p. 280). Cela comprend le droit pour le citoyen de dirigertout son comportement selon la doctrine de sa foi et d'agir selon sesconvictions intérieures. L'exercice garanti de cette religion ne comprendpas seulement les cultes - qui sont également protégés par l'
art. 50 Cst.
-et les besoins religieux, mais aussi d'autres expressions de la viereligieuse, pour autant qu'elles se tiennent dans certaines limites, parexemple le port de vêtements religieux particuliers (
ATF 119 Ia 178
BGE 123 I 296 S. 301
consid. 4c p. 184, concernant précisément les prescriptions vestimentaires de lafemme musulmane;
119 IV 260
consid. 3b/aa p. 263; PETER KARLEN, UmstritteneReligionsfreiheit, in RDS 1997 I p. 193 ss, spéc. p. 207/208; ULRICHHÄFELIN, Commentaire de la Constitution fédérale, n. 50 ad art. 49). Toutesles convictions et les conceptions spirituelles ou intellectuellesrelatives aux rapports entre l'être humain et la divinité sont ainsiprotégées (
ATF 119 Ia 178
consid. 4b p. 183/184;
ATF 116 Ia 252
consid. 5c p.258; HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 3e éd., Zurich1993, n. 1196 p. 388).
La liberté religieuse est également garantie par l'art. 9 de la Conventioneuropéenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertésfondamentales du 4 novembre 1950 (CEDH; RS 0.101), selon lequel toutepersonne a droit à la liberté de pensée, de conscience et de religion; cedroit implique la liberté de changer de religion ou de conviction, ainsique la liberté de manifester sa religion ou sa conviction individuellementou collectivement, en public ou en privé, par le culte, l'enseignement, lespratiques et l'accomplissement des rites (al. 1er). La portée de cettedisposition est toutefois ici pratiquement identique à celle de l'art. 49Cst. De même, l'art. 18 du Pacte international relatif aux droits civils etpolitiques (Pacte ONU II; RS 0.103.2), non invoqué par la recourante,comporte un principe similaire (MANFRED NOWAK, U.N. Covenant on Civil andPolitical Rights, CCPR Commentary, Kehl-Strasbourg-Arlington 1993).
En l'espèce, étant fondé sur des motifs religieux, le style d'habillement de la recourante est protégé par les
art. 49 Cst.
et 9 CEDH.
bb) Dans ces circonstances, le principe constitutionnel non écrit de laliberté personnelle, invoqué en première ligne par la recourante, ne trouve pas d'application.En effet, la liberté personnelle se conçoit comme une garantie générale etsubsidiaire. Elle ne s'applique donc pas lorsque l'épanouissement de lapersonnalité du citoyen est touché sous un aspect protégé par une libertéindividuelle plus spécifique, telle que la liberté de conscience et decroyance (
ATF 123 I 112
consid. 4a p. 118;
ATF 119 Ia 178
consid. 5 p. 187
; 117Ia 27
consid. 5b p. 30;
114 Ia 350
consid. 5 p. 357 et les arrêts cités;HÄFELIN, op.cit., n. 108/109 ad art. 49; WALTER HALLER, Commentaire de laConstitution fédérale, n. 90 ss ad Liberté personnelle).
cc) La recourante soutient ensuite que l'arrêté attaqué ne respecte pas lenoyau intangible de la liberté garantie par l'
art. 49 Cst.
Selon elle, leport du foulard est une expression religieuse externe liée si
BGE 123 I 296 S. 302
intimement àune conviction interne que l'interdire équivaut à porter atteinte à celle-ci.La jurisprudence et la doctrine ne sont pas unanimes à propos du noyauintangible de la liberté religieuse (
ATF 101 Ia 392
; JÖRG PAULMÜLLER/STEFAN MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung,2e éd., Berne 1991, p. 58; JÖRG PAUL MÜLLER, Eléments pour une théoriesuisse des droits fondamentaux, Berne 1983, p. 157; BURCKHARDT, op.cit., p.442; MARTIN PHILIPP WYSS, Glaubens- und Religionsfreiheit zwischenIntegration und Isolation, in ZBl 95/1994 p. 385 ss, spéc. p. 394 ss;HÄFELIN, op.cit., n. 7 et 124 ss ad art. 49; KARLEN, Das Grundrecht derReligionsfreiheit in der Schweiz, Zurich 1988, p. 243 ss et 318). Elless'accordent toutefois à admettre, d'une part, que le noyau intangiblecomprend l'interdiction de contraindre quelqu'un à adopter une convictionet, d'autre part, qu'il ne comporte pas les manifestations extérieuresd'une conviction. Ainsi, le droit d'exprimer ses convictions religieuses,de les professer ou de les mettre en pratique dans des actes cultuels n'estpas protégé de manière absolue (HÄFELIN, op.cit., n. 125 ad art. 49).
De même, selon l'
art. 9 par. 2 CEDH
, la liberté de manifester sa religionou sa conviction peut faire l'objet de restrictions (arrêt de la Coureuropéenne des droits de l'homme du 25 mai 1993 en la cause Kokkinakis c.Grèce, Série A n. 260-A § 33; FROWEIN/PEUKERT, EuropäischeMenschenrechtskonvention, 2e éd., 1996, n. 1 ad art. 9 p. 368). Acontrario, la liberté intérieure présente un caractère absolu: ne pouvant,par nature, donner lieu à des atteintes à l'ordre public, elle échappe àtoute restriction (VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits del'homme, Bruxelles 1990, n. 714 p. 584).
En l'espèce, même s'il est particulièrement important aux yeux del'intéressée, et même s'il ne représente pas seulement l'expression d'uneconviction religieuse mais obéit à une exigence impérative de celle-ci, leport du foulard et de vêtements amples reste une manifestation extérieurequi, à ce titre, n'appartient pas au noyau intangible de la liberté de religion.Dès lors, à l'instar des autres libertés constitutionnelles, la liberté dereligion de la recourante peut être limitée à condition que la restrictionrepose sur une base légale suffisante, réponde à un intérêt publicprépondérant et respecte le principe de la proportionnalité (
ATF 119 Ia 178
consid. 3 et 4 p. 182 ss;
117 Ia 311
consid. 2b p. 315; HÄFELIN, op.cit.,n. 131 ss ad art. 49).
Des limitations à la liberté de religion garantie par l'
art. 9 CEDH
BGE 123 I 296 S. 303
sont également possibles, selon le par. 2 de cette disposition, à conditionqu'elles concernent la liberté de manifester sa religion ou sesconvictions, qu'elles soient prévues par la loi et qu'elles constituent desmesures nécessaires, dans une société démocratique, à la sécurité publique,à la protection de l'ordre, de la santé ou de la morale publiques, ou à laprotection des droits et libertés d'autrui.
3.
La recourante prétend que l'arrêté entrepris ne repose pas sur une base légale suffisante.
Le Tribunal fédéral examine librement, lorsqu'elle est grave, si uneatteinte à une liberté constitutionnelle se fonde sur une base légalesuffisante (
ATF 122 I 236
consid. 4a p. 244, 360 consid. 5b/bb p. 363 etles arrêts cités). En l'espèce, peu importe que l'arrêté attaqué impliqueune atteinte grave ou non à la liberté de conscience et de croyance de larecourante, car même un examen libre conduit à admettre l'existence d'unebase légale suffisante.
Les atteintes graves portées à une liberté constitutionnelle doivent êtreréglées, pour l'essentiel, de manière claire et non équivoque dans une loiau sens formel (
ATF 122 I 360
consid. 5b/bb p. 363;
ATF 118 Ia 305
consid. 2ap. 309/310). Toutefois, lorsqu'une atteinte à la liberté de conscience etde croyance est constituée par une prescription de comportement trèsparticulière, voire secondaire à l'aune du citoyen moyen (ici,l'interdiction faite à un enseignant de porter le foulard à l'école), on nesaurait exiger une base légale trop précise. Il suffit dans cescirconstances que la prescription de comportement découle d'une obligationplus générale contenue dans la loi au sens formel.
De plus, en l'espèce, la décision querellée concerne la recourante en tantque fonctionnaire de l'Etat de Genève. Or, les fonctionnaires sont soumis àun rapport de puissance publique spécial, auquel ils ont librement adhéréet auquel ils trouvent un intérêt, ce qui justifie qu'ils ne puissentbénéficier des libertés publiques que dans une mesure limitée. Notamment,il n'est pas nécessaire que la base légale qui doit fonder les restrictionsà ces libertés soit particulièrement précise. En effet, la multiplicité etla variété des rapports quotidiens entre l'agent et l'autorité dont ildépend excluent que les comportements à limiter ou à interdire puissentêtre prévus dans une nomenclature exhaustive. Il suffit dès lors que la loiindique de manière générale, par des concepts juridiques indéterminés, lesvaleurs qui doivent être respectées et qui pourront être concrétisées parordonnance ou par décision individuelle. En revanche, dans leur contenu,les restrictions aux libertés publiques doivent être justifiées par le
BGE 123 I 296 S. 304
but et la bonne marche de l'institution. Enfin, le respect des principesd'intérêt public et de proportionnalité sera contrôlé d'autant plusrigoureusement que l'atteinte aux intérêts du fonctionnaire est grave et labase légale imprécise (
ATF 120 Ia 203
consid. 3a p. 205;
ATF 119 Ia 178
consid.6b p. 188;
101 Ia 172
consid. 6 p. 181; SJ 1995 681 consid. 3; ZBl 85/1984 308 consid. 2b; PIERRE MOOR, Droit administratif, Berne, vol. III 1992, n.5.1.2.3. p. 213/214 et n. 5.3.1.2 p. 223/224; vol. I 1994, n. 4.2.4.5 p.362 ss; THOMAS WYSS, Die dienstrechtliche Stellung des Volksschullehrers imKanton Zürich, thèse Zurich 1986, p. 224 ss; PAUL RICHLI, GrundrechtlicheAspekte der Tätigkeit von Lehrkräften, PJA 6/93, p. 673 ss, spéc. p. 677).
A Genève, l'art. 6 de la loi cantonale du 6 novembre 1940 sur l'instructionpublique (LIP) dispose que "L'enseignement public garantit le respect desconvictions politiques et confessionnelles des élèves et des parents". Ilressort en outre des art. 164 ss de la Constitution cantonale que ce cantonconnaît une séparation nette de l'Eglise et de l'Etat, au sens d'unelaïcité de celui-ci (UELI FRIEDERICH, Kirchen und Glaubensgemeinschaften impluralistischen Staat, thèse Berne 1993, p. 239 et HÄFELIN, op.cit., n.26/27 ad art. 49). En matière scolaire, cette séparation est concrétiséepar l'art. 120 al. 2 LIP selon lequel: "Les fonctionnaires doivent êtrelaïques; il ne peut être dérogé à cette disposition que pour le corps enseignant universitaire".
En l'espèce, l'interdiction faite à la recourante de porter un foulardindiquant clairement l'appartenance à une confession déterminée concrétisela volonté accrue du législateur genevois, exprimée dans les dispositionsprécitées, de respecter en matière scolaire les principes de neutralitéreligieuse (cf.
art. 27 al. 3 Cst.
) et de séparation de l'Eglise et del'Etat. Dès lors, même si l'arrêté entrepris comportait une atteinte graveà la liberté religieuse de la recourante, il se fonde sur une base légalesuffisante.
Encore peut-on préciser que, malgré son habillement caractéristique, larecourante n'occupe aucune fonction particulière dans l'organisationislamique, de sorte qu'il est douteux qu'elle ne puisse plus être qualifiéede laïque au sens de l'art. 120 al. 2 LIP. Du reste, dans ses observationsdu 15 janvier 1997, le Conseil d'Etat indique qu'il n'a jamais prétenduqu'elle ne respecterait plus les exigences de cette disposition. La priseen compte de cet article dans l'analyse de la base légale s'expliquetoutefois du fait qu'il constitue l'une des expressions de la volonté dulégislateur d'instaurer une école religieusement neutre.
BGE 123 I 296 S. 305
On pourrait enfin se demander si un canton peut se fonder directement surl'
art. 27 al. 3 Cst.
pour ordonner à ses enseignants de respecter laneutralité religieuse de l'école également dans leur apparence extérieure,ou s'il doit nécessairement disposer d'une norme cantonale à cet égard.Cette question peut toutefois rester indécise, la législation genevoisecomportant une telle base légale.
4.
a) Puis, la recourante déclare que la décision attaquée ne répond pas à un intérêt public.
En arborant un signe religieux fort dans l'enceinte de l'école, voire en classe, la recourante peut porter atteinte aux sentiments religieux de ses élèves, des autres élèves de l'école et de leurs parents. Certes, ni parents ni élèves ne se sont plaints jusqu'ici. Mais cela ne signifie pas qu'aucun d'entre eux n'ait été heurté. Il est possible que certains aient renoncé à intervenir directement pour ne pas envenimer la situation, en espérant une réaction spontanée des autorités scolaires. Du reste, l'opinion publique s'est émue de ce problème, la recourante a fait l'objet de nombreuses interviews et le Grand Conseil a adopté une résolution dans le sens de la décision prise par le Conseil d'Etat. De même, s'il est vrai que les autorités scolaires ne sont pas intervenues par voie de décision immédiatement après que l'inspectrice les a informées de la tenue de la recourante, cette attitude ne doit pas être entendue comme un assentiment implicite. Il est compréhensible que les autorités scolaires aient d'abord tenté de régler la question sans épreuve de force.
La décision attaquée est en droite ligne du principe de la neutralitéconfessionnelle de l'école, dont le but est non seulement de protéger lesconvictions religieuses des élèves et des parents, mais également d'assurerla paix religieuse qui, sous certains aspects, reste fragile. A cet égard,il faut relever que l'école risquerait de devenir un lieu d'affrontementreligieux si les maîtres étaient autorisés par leur comportement, notammentleur habillement, à manifester fortement leurs convictions dans ce domaine.Il existe donc un intérêt public important à interdire à la recourante deporter le foulard musulman.
b) Encore faut-il examiner si l'arrêté entrepris respecte le principe de la proportionnalité et peser avec le plus grand soin les intérêts en jeu (HÄFELIN, op.cit., n. 139 ad art. 49).
A cet égard, il convient de comparer la liberté de conscience et decroyance de la recourante à l'intérêt public à la neutralitéconfessionnelle de l'école, c'est-à-dire de confronter l'intérêt de larecourante à respecter un commandement de sa religion à l'intérêt des
BGE 123 I 296 S. 306
élèves et de leurs parents à ne pas être influencés ou heurtés dans leurspropres convictions, ainsi qu'à l'intérêt de maintenir la paixconfessionnelle à l'école. Enfin, encore faut-il tenir compte de lanécessité d'une tolérance, également composante du principe de laneutralité confessionnelle, entre les adhérents de diverses croyancesreligieuses (cf.
ATF 119 Ia 178
consid. 7a p. 190;
ATF 116 Ia 252
consid. 6a p.261; KARLEN, Umstrittene Religionsfreiheit, op.cit., p. 199/200; mêmeauteur, Das Grundrecht, op.cit., p. 193 ss et 386; WALTER GUT, Kreuz undKruzifix in öffentlichen Räumen im säkularen Staat, in RDS 1997 I p. 63 ss,spéc. n. 11 p. 77; MARTIN PHILIPP WYSS, op.cit., p. 405; PIUS HAFNER, Staatund Kirche im Kanton Luzern, Fribourg 1991, p. 199; CONSTANCE GREWE etCHRISTIAN RUMPF, La Cour constitutionnelle turque et sa décision relativeau "foulard islamique", in RUDH 1991, p. 113 ss, spéc. n. 2 in fine, p. 124).
Il faut cependant d'emblée rappeler que la liberté religieuse ne sauraitdispenser automatiquement une personne de ses devoirs civiques ou, ici, deses devoirs de fonction (
ATF 119 Ia 178
consid. 7a p. 190). Les enseignantsdoivent tolérer des restrictions - proportionnées - à leur libertéreligieuse (HAFNER, La libertà religiosa chiede la tolleranza per i simbolireligiosi, J+P Text 2/95, n. III/D4 p. 9; THOMAS WYSS, op.cit., p. 232).
aa) Avant d'étudier de plus près les questions litigieuses, il n'est pasinutile d'examiner les solutions adoptées par d'autres pays dans des casidentiques ou par le Tribunal fédéral dans des affaires analogues.
Ainsi, en Allemagne, le 9 septembre 1985 (NVwZ 1986 n. 49, p. 405 ss), leTribunal administratif supérieur de Munich a confirmé l'interdiction faiteà un enseignant d'une école publique de porter, dans l'enceinte de l'école,des vêtements de couleurs répondant aux exigences du mouvement religieuxBhagwan (tons rouges, allant de rose à lilas foncé). Le Tribunaladministratif a retenu que l'enseignant qui met constamment etquotidiennement en exergue, par son habillement, qu'il adhère à certainesconvictions religieuses, conduit nécessairement ses élèves à se préoccuperde ses idées (arrêt critiqué par HANS W. ALBERTS, Neue Religionen undBeamtenrecht - Sannyasin als Lehrer? in NVwZ 1985 p. 92 ss, spéc. p. 95).
En France, dans un arrêt du 20 octobre 1994, le Tribunal administratif deBordeaux a admis le recours d'une élève infirmière qui avait été exclue del'école parce qu'elle refusait de renoncer au port du voile ou d'un bonnetchirurgical, bien que le foulard ou le bonnet puisse gravement troublercertains patients du département psychiatrique
BGE 123 I 296 S. 307
dans lequel elle devait faire son stage. Selon un auteur allemand, A. GROMITSARIS (Laïzität undNeutralität in der Schule, in AöR, 121/1996, p. 359 ss, spéc. p. 393), ladoctrine qui s'est exprimée au sujet de cette décision a surtout traité del'ambivalence du statut de l'élève infirmière, qui peut être simple élèveou stagiaire dans un hôpital. En ce sens, si le port du foulard par uneélève peut être autorisé à l'école, il est inadmissible dans le cadre d'unstage professionnel effectué comme soignante dans un service public, lecomportement de la stagiaire devant alors être imputé à l'Etat.
Toujours en France, dans un arrêt du 14 avril 1992, le Tribunaladministratif de Versailles a confirmé la non-prolongation du contrat d'une"maîtresse de demi-pension" (une surveillante) d'un établissement scolairesecondaire qui ne voulait pas quitter le voile. GROMITSARIS (op.cit., p.394) souligne à cet égard que la "maîtresse" n'exerçait pas d'activitésd'enseignement et ne se livrait à aucun acte de prosélytisme, de sortequ'une telle atteinte dans sa liberté de religion était justifiéeuniquement du fait qu'elle incarnait l'école dans son activité desurveillance. En outre, dans le cadre de ce rapport hiérarchique envers lesélèves, le simple port du foulard comportait un caractère ostentatoireagissant sur le processus de formation de la conscience de ceux-ci. Cetauteur soulignait en d'autres termes que les signes d'appartenancereligieuse ont en eux-mêmes, lorsqu'ils sont portés par des enseignants oud'autres membres de l'administration scolaire, un caractère violant le principe de la laïcité.
Dans l'
ATF 116 Ia 252
consid. 7b p. 262, le Tribunal fédéral a retenu quela décision de l'autorité de faire placer un crucifix dans les sallesd'école est contraire au principe de la neutralité confessionnelle del'école sanctionnée par l'
art 27 al. 3 Cst.
, car on peut concevoir quecelui qui fréquente l'école publique voie dans la présence d'un tel symbolela volonté de se référer à des conceptions de la religion chrétienne enmatière d'enseignement ou de placer l'enseignement sous l'influence d'unetelle religion; il n'est pas non plus exclu que quelques personnes sesentent lésées dans leurs convictions religieuses par la présenceconstante, dans les salles de classe, du symbole d'une religion à laquelleils n'appartiennent pas. Cela peut avoir des conséquences non négligeablesspécialement sur l'évolution spirituelle des élèves et sur leursconvictions religieuses - qui sont celles de leurs parents - et danslesquelles ils sont éduqués en même temps qu'à l'école, conséquences quel'
art. 27 al. 3 Cst.
veut justement éviter. On peut tirer de cet arrêt une
BGE 123 I 296 S. 308
analogie certaine dans la mesure où il s'agissait également d'un symbolereligieux fort. Certes, le crucifix avait été apposé par les autoritésscolaires mais force est de constater que le maître représente également l'Etat et l'école.
Enfin, dans l'
ATF 119 Ia 178
consid. 7a p. 190, le Tribunal fédéral aautorisé une enfant à ne pas participer à des cours de natation mixte àl'école primaire car, selon la conception de sa famille, l'islaminterdisait la mixité en ce domaine. A cet égard, le Tribunal fédéral arelevé que, selon l'
art. 49 al. 5 Cst.
, les opinions religieuses nepermettent pas de s'affranchir de l'accomplissement des devoirs civiques,mais que le caractère prioritaire de ces devoirs ne doit cependant pas êtreconsidéré comme absolu, car les alinéas 1er et 5 de l'
art. 49 Cst.
sont,d'un point de vue juridique, de même niveau. Il appartient dès lors aulégislateur, lorsqu'il définit les devoirs des citoyens, de prendre enconsidération la liberté de conscience et de croyance. Cet arrêt comportetoutefois la différence importante qu'il s'agissait alors d'une restrictionimposée à une élève, non à un enseignant.
bb) En ce qui concerne le cas d'espèce, l'intérêt public opposé à l'intérêt de la recourante est la neutralité confessionnelle, sous ses différents aspects, qu'il convient d'examiner ci-après:
La liberté de conscience et de croyance oblige l'Etat à observer uneneutralité confessionnelle et religieuse; le citoyen peut se prévaloir àcet égard d'un droit individuel (
ATF 118 Ia 46
consid. 3b p. 53 et 4e/aa p.58;
113 Ia 304
consid. 4c p. 307). L'Etat peut porter atteinte à la libertéreligieuse lorsqu'il prend parti de manière illicite dans des controversesd'ordre religieux ou métaphysique, en particulier en soutenantfinancièrement un des protagonistes (
ATF 118 Ia 46
consid. 4e/aa p. 58).L'exigence de neutralité n'est cependant pas absolue, ce que démontrel'existence - admissible - d'Eglises nationales garanties par le droitpublic (
ATF 118 Ia 46
consid. 4e/aa p. 58;
ATF 116 Ia 252
consid. 5d p.258/259). La neutralité n'a pas pour sens d'exclure, dans les activités del'Etat, tout élément d'ordre religieux ou métaphysique; toutefois, uneattitude antireligieuse, telle qu'une laïcité de combat, voireirréligieuse, n'est pas neutre. La neutralité tend à ce que toutes lesconceptions existant dans une société pluraliste soient prises en comptesans esprit partisan. Le principe selon lequel l'Etat ne doit avantager oudésavantager personne pour des motifs religieux a une portée générale etil découle directement des
art. 49 et 50 Cst.
(
ATF 118 Ia 46
consid. 4e/aap. 58; KARLEN, Umstrittene Religionsfreiheit, op.cit.,
BGE 123 I 296 S. 309
p. 199/200; mêmeauteur, Das Grundrecht, op.cit., p. 188). Finalement, la laïcité de l'Etatse résume en une obligation de neutralité qui lui impose de s'abstenir,dans les actes publics, de toute considération confessionnelle oureligieuse susceptible de compromettre la liberté des citoyens dans unesociété pluraliste (
ATF 116 Ia 252
consid. 5e p. 260 et les référencescitées). En ce sens, elle vise à préserver la liberté de religion descitoyens, mais aussi à maintenir, dans un esprit de tolérance, la paixconfessionnelle (cf. GUT, op.cit., n. 11 p. 76; MARTIN PHILIPP WYSS, op.cit., p. 400/401).Cette neutralité prend une importance particulière à l'école publique, carl'enseignement est obligatoire pour chacun, sans aucune différence entreles confessions. En cette matière, l'
art. 27 al. 3 Cst.
, selon lequel "lesécoles publiques doivent pouvoir être fréquentées par les adhérents detoutes les confessions, sans qu'ils aient à souffrir d'aucune façon dansleur liberté de conscience ou de croyance", est le corollaire de la libertéde conscience et de croyance. Cette disposition a pour but de garantir lerespect de la sensibilité des individus de convictions diverses, derenforcer le droit conféré aux parents par les
art. 49 al. 3 Cst.
et 303 CCet de protéger de toute influence le droit des enfants de choisir librementleur confession au moment où ils accomplissent leur 16e année (ATF 116 Ia252 consid. 6 p. 260). Enfin, voulant préserver la paix confessionnelle, laneutralité religieuse tend à éviter que l'école devienne un lieud'affrontement entre tenants de convictions différentes. En conséquence,l'orientation confessionnelle de l'enseignement de la part de l'autorité oudes enseignants - en faveur ou en défaveur d'une ou de plusieurs religions- ne saurait être imposée de manière contraignante (
ATF 116 Ia 252
consid.6b p. 261). L'
art. 27 al. 3 Cst.
prohibe donc les programmes, formes etméthodes d'enseignement ou d'organisation scolaire, qui ont une orientationconfessionnelle ou qui, au contraire, sont hostiles aux convictionsreligieuses (
ATF 119 Ia 178
consid. 1c p. 180; FLEINER/GIACOMETTI,Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zurich 1949, p. 329; BURCKHARDT,op.cit., p. 200). De même, l'école ne doit pas s'identifier à certainesconceptions religieuses - majoritaires ou minoritaires - au détriment desadhérents d'autres confessions (
ATF 116 Ia 252
consid. 7b p. 262; HAFNER,Staat und Kirche, op.cit., p. 195; Karlen, Das Grundrecht, op.cit., p. 188et 396). Elle doit tenir compte du phénomène religieux, sans toutefoiscompromettre la liberté de religion des élèves, notamment en exerçant descontraintes à leur encontre ou en dépréciant ou vantant certaines
BGE 123 I 296 S. 310
convictions déterminées (
ATF 118 Ia 46
consid. 4e/aa p. 58; KARLEN, DasGrundrecht, op.cit., p. 386; BURCKHARDT, op.cit., p. 201).
Dans cette optique, l'attitude des enseignants joue un rôle important. Mêmepar leur seul comportement, ceux-ci peuvent avoir une grande influence surleurs élèves; ils représentent un modèle auquel les élèves sontparticulièrement réceptifs en raison de leur jeune âge, de la quotidiennetéde la relation - à laquelle ils ne peuvent en principe se soustraire - etde la nature hiérarchique de ce rapport. En fait, l'enseignant estdétenteur d'une part de l'autorité scolaire et représente l'Etat, auquelson comportement doit être imputé. Il est donc spécialement important qu'ilexerce ses fonctions, c'est-à-dire transmette des connaissances etdéveloppe des aptitudes, en restant confessionnellement neutre. Il ne doitpas seulement renoncer à utiliser des moyens illicites pour tenterd'endoctriner ses élèves, tels que des pressions psychiques, la sanctiond'opinions opposées ou la discrimination, mais il doit en outre êtreparticulièrement attentif à respecter la liberté de religion de ses élèves,c'est-à-dire à observer une grande discrétion dans l'expression de sescroyances, à ne pas les heurter dans leurs convictions et à ne pas abuserde son autorité pour contrarier l'éducation que leurs parents entendentleur donner ou pour les influencer dans leur choix, le moment venu. Il luiappartient ainsi de prendre en considération les différentes croyances deses élèves et de faire régner dans l'école une atmosphère de tolérancereligieuse (KARLEN, Das Grundrecht, op.cit., p. 389; HERBERT PLOTKE,Schweizerisches Schulrecht, Berne 1979, p. 155 et 160; FAVRE, op.cit., p. 300).Toutefois, un enseignement absolument neutre sous tous ses aspects est,concrètement, difficilement concevable (MARCO BORGHI, Commentaire de laConstitution fédérale, n. 68/69 ad art. 27). Il est inévitable que lesconvictions de l'enseignant exercent une certaine influence dans desmatières déterminées de l'enseignement (histoire, géographie...), sur samanière d'éduquer ses élèves et sur son comportement en général. Du reste,l'exigence de neutralité à l'école ne permet pas de disqualifier desmaîtres ayant des convictions religieuses, ni même d'attendre d'eux qu'ilsrenient leur confession au point qu'elle ne soit plus reconnaissable(BORGHI, op.cit., n. 76/77 ad art. 27; PLOTKE, op.cit., p. 160/161; FAVRE,op.cit., p. 300). De même, la liberté de croyance ne comporte pas un droitgénéral à ne pas être exposé aux convictions religieuses d'autrui (KARLEN,Religiöse Symbole in öffentlichen Räumen, in ZBl 90/1989, p. 12 ss, spéc. p. 15).
BGE 123 I 296 S. 311
Toute la question est ainsi de savoir jusqu'où va le devoir de réserve d'unenseignant d'une école publique dans le cadre de ses activités.Une réponse doit être élaborée en tenant compte de toutes les circonstancesdu cas concret (cf. KARLEN, Umstrittene Religionsfreiheit, op.cit., p. 206ss). Le devoir de réserve sera plus strict lorsqu'il s'agit de l'écoleobligatoire. Dans ce sens, en principe, plus les degrés d'enseignement sontélevés, plus les limites posées au comportement orienté de l'enseignantdoivent être élargies, car les élèves plus âgés disposent normalement d'uneplus grande capacité de discernement en matière spirituelle et sont, surles plans intellectuels et personnels, plus indépendants de leur maître(BURCKHARDT, op.cit., note 1 p. 200). Le danger d'influence par le maîtredoit de même être relativisé dans la mesure où les élèves sont soumis àd'autres courants provenant de l'environnement, de camarades, d'autresprofesseurs et de leurs parents. Enfin, il faut examiner la manière dontl'enseignant vit et présente ses convictions à l'école. En particulier, sondevoir de discrétion peut être assoupli s'il met en évidence que sonopinion n'en est qu'une parmi d'autres et s'il encourage ses élèves à sedéterminer en toute liberté (THOMAS WYSS, op.cit., p. 227 et 231). De même,si la manifestation religieuse extérieure du maître inclut le port d'unsigne religieux, il faut tenir compte du degré de visibilité et de forced'évocation de ce symbole (KARLEN, Umstrittene Religionsfreiheit, op.cit.,p. 207 et 210).
cc) En l'espèce, d'un côté, ainsi qu'on l'a vu plus haut, interdire à larecourante de porter le foulard la place devant une alternative difficile:ne pas respecter un précepte de sa religion qu'elle juge important oucourir le risque de ne plus pouvoir enseigner à l'école publique.
Mais, d'un autre côté, le foulard est ici un signe religieux évident. Enoutre, la recourante enseigne dans une école primaire, c'est-à-dire à dejeunes enfants particulièrement influençables. Certes, il ne lui est pasreproché de se livrer au prosélytisme ni même de parler de ses convictionsà ses élèves. La recourante ne peut toutefois guère se soustraire auxquestions que les enfants n'ont pas manqué de lui poser. Il paraît plutôtdélicat d'invoquer à cet égard des arguments esthétiques ou de sensibilitéau froid, ainsi qu'elle a déclaré, selon le dossier, l'avoir fait jusqu'àprésent, car les enfants se rendent compte qu'il s'agit d'une échappatoire.Elle peut ainsi difficilement leur répondre sans exposer ses convictions.Or, la recourante détient une part de l'autorité scolaire et personnifie
BGE 123 I 296 S. 312
l'école aux yeux de ses élèves, de sorte que, même si d'autres enseignantsde la même école font montre d'autres opinions religieuses, une tellereprésentation de soi paraît difficilement concevable avec le principe denon-identification, dans la mesure où, comme fonctionnaire, soncomportement doit être imputé à l'Etat. Enfin, il faut rappeler que lecanton de Genève a opté pour une nette séparation de l'Eglise et de l'Etatqui se traduit notamment par une laïcité marquée de l'enseignement public.Par ailleurs, force est de constater que le port du foulard estdifficilement conciliable avec le principe de l'égalité de traitement dessexes (cf. SAMI ALDEEB, Musulmans en terre européenne, PJA 1/96 p. 42 ss,spéc. lettre d p. 49). Or, il s'agit là d'une valeur fondamentale de notresociété, consacrée par une disposition constitutionnelle expresse (art. 4al. 2 Cst.), qui doit être prise en compte par l'école.
De plus, la paix confessionnelle demeure finalement malgré tout fragile etl'attitude de la recourante est susceptible d'entraîner des réactions,voire des affrontements qu'il convient d'éviter. Il faut du reste tenircompte dans la pesée des intérêts du fait qu'admettre le port du foulardconduirait à accepter également le port de symboles vestimentaires fortsd'autres religions, par exemple la soutane ou la kippa (à cet égard, sousl'angle de la proportionnalité, le Conseil d'Etat admet qu'un maître porteà l'école un signe religieux discret, par exemple un petit bijou, problèmequ'il n'est pas nécessaire d'approfondir ici). Pareille conséquencepourrait compromettre le principe de la neutralité confessionnelle àl'école. On peut enfin noter qu'il est difficilement concevable d'interdirela pose du crucifix dans une école publique et d'admettre que les maîtresportent eux-mêmes des symboles religieux forts, peu importe de quelle confession.En conclusion, il existe en l'espèce des éléments prépondérants quipermettent au Conseil d'Etat, sans violer les
art. 49 Cst.
ou 9 CEDH,d'interdire à la recourante de porter le foulard dans le cadre de ses activités d'enseignante. | public_law | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4ffdfbaa-ea3f-468a-b043-db1173d5e44e | Urteilskopf
115 Ib 400
56. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Dezember 1989 i.S. H. und Mitbeteiligte gegen W., Gemeinde Greifensee, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 22, 24, 25 Abs. 2 und 33 RPG
;
Art. 25 RPV
; Beschwerdelegitimation.
Gegen die vom Bundesrecht verlangte Feststellungsverfügung betreffend die Frage, ob eine Baute oder Anlage ausserhalb der Bauzone zonenkonform sei oder ob sie einer Bewilligung gemäss
Art. 24 RPG
bedürfe, muss von allen Parteien im Sinne von
Art. 6 VwVG
ein Rechtsmittel gemäss
Art. 33 Abs. 2 und 3 RPG
ergriffen werden können. | Sachverhalt
ab Seite 400
BGE 115 Ib 400 S. 400
W. ist Eigentümer des in der Gemeinde Greifensee gelegenen Grundstücks Kat. Nr. 172. Die Parzelle liegt in der kantonalen
BGE 115 Ib 400 S. 401
Landwirtschaftszone und befindet sich zudem in der III. Zone gemäss der Verordnung zum Schutze des Greifensees vom 27. Juni 1941 (SchutzV).
Mit Beschluss vom 9. März 1987 bzw. 29. Juni 1987 (nachträgliche Bewilligung eines revidierten Fassadenplans) erteilte der Gemeinderat von Greifensee W. die baurechtliche Bewilligung zur Erstellung einer Remise für Landwirtschaftsmaschinen auf der Parzelle Nr. 172. Die Baubewilligung vom 9. März 1987 enthält u.a. unter Ziff. 6 folgende Bedingungen:
"Vor Baubeginn sind folgende Spezialbewilligungen beizubringen:
a) Genehmigung der kant. Baudirektion für Baubewilligung ausserhalb der Bauzone;
b) Bewilligung der kant. Baudirektion für Baute im Schutzgebiet des Greifensees."
Auf einen gegen diesen Entscheid von H., I. und K. erhobenen Rekurs trat die Baurekurskommission III des Kantons Zürich mit Entscheid vom 17. Juni 1987 mangels Begründung der Rekursschrift nicht ein.
Die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich (Baudirektion) unterstellte mit einer ersten Verfügung vom 25. März 1987 den Entscheid des Gemeinderates ihrer Genehmigung. Mit einer zweiten Verfügung vom 9. September 1987 erteilte sie die gemäss § 7 SchutzV erforderliche Bewilligung und genehmigte gleichzeitig die kommunalen Baubewilligungen vom 9. März bzw. 29. Juni 1987.
Gegen die Verfügung der Baudirektion vom 9. September 1987 gelangten H., I. und K. mit Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Dieser wies den Rekurs mit Beschluss vom 21. September 1988 ab, soweit er darauf eintrat. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, hinsichtlich der Bewilligung gemäss § 7 SchutzV sei der Rekurs unbegründet. Hinsichtlich der Genehmigung der vom Gemeinderat erteilten baurechtlichen Bewilligung sei der Rekurs unzulässig, da gegen die Baubewilligung selbst das Rekursverfahren offen stehe und es nicht Sinn und Zweck des Genehmigungsverfahrens sein könne, den Weg für ein paralleles Rechtsmittelverfahren an den Regierungsrat zu öffnen für Rügen, die bereits im Rekursverfahren gegen die Baubewilligung hätten vorgebracht werden können.
H., I. und K. erhoben gegen diesen Entscheid Beschwerde ans Verwaltungsgericht, das die Beschwerde mit Entscheid vom 21. März 1989 abwies, soweit es auf sie eintrat. In der
BGE 115 Ib 400 S. 402
Begründung bestätigte es den bereits vom Regierungsrat eingenommenen Standpunkt hinsichtlich der Anfechtbarkeit der Genehmigungsverfügung der Baudirektion. Hinsichtlich der Bewilligung gemäss § 7 SchutzV erklärte es den Rekurs materiell für unbegründet.
H., I. und K. erheben gegen diesen Entscheid sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer beurteilung an den regierungsrat zurück. auf die staatsrechtliche beschwerde tritt es nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführer haben gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts sowohl Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Ob es auf diese Rechtsmittel eintreten kann, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition (
BGE 114 Ia 308
E. 1a). Entsprechend der Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde ist als erstes zu beurteilen, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensteht.
2.
Gemäss Art. 34 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht u.a. zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von
Art. 24 RPG
. Als Entscheide über Bewilligungen im Sinne von
Art. 24 RPG
gelten nicht nur solche Entscheide, mit denen eine Bewilligung nach
Art. 24 RPG
erteilt wird, sondern auch Entscheide, mit denen eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG
abgelehnt wird (
BGE 107 Ib 235
E. 1b). Darüber hinaus sind in Anlehnung an die bundesgerichtliche Praxis zu den allgemeinen Regeln über die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch solche Entscheide mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, die
Art. 24 RPG
zu Unrecht nicht zur Anwendung bringen (
BGE 114 Ib 132
f. E. 2;
BGE 112 Ib 411
E. 1a, je mit Hinweisen), d.h. die gestützt auf
Art. 24 RPG
hätten gefällt werden müssen. Schliesslich sind, ebenfalls in Anlehnung an die allgemeine Praxis zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, auf kantonales Verfahrensrecht gestützte Nichteintretensentscheide anfechtbar, durch welche die Anwendung von
Art. 24 RPG
ausgeschlossen wird (vgl.
BGE 112 Ib 413
E. 2a;
BGE 103 Ib 314
E. 2b, 146 E. 2a; EJPD/BRP, Erläuterungen
BGE 115 Ib 400 S. 403
zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, S. 360 N 6 zu
Art. 34 RPG
).
3.
Der angefochtene Entscheid beinhaltet sowohl einen Prozessentscheid (Nichteintreten hinsichtlich des Genehmigungsbeschlusses der Baudirektion) als auch einen Sachentscheid (hinsichtlich der Bewilligung gemäss § 7 SchutzV). Als erstes ist zu prüfen, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hinsichtlich des prozessualen Inhalts des Entscheids - des Nichteintretens auf die Beschwerde gegen die von der kantonalen Baudirektion erteilte Genehmigung der Baubewilligung des Gemeinderates von Greifensee - gegeben ist. Die Beschwerdeführer werfen den Vorinstanzen vor, sie seien zu Unrecht auf ihre Rüge, das von ihnen beanstandete Vorhaben unterstünde der Bewilligungspflicht nach
Art. 24 RPG
, nicht eingetreten.
Die Vorinstanzen stellen nicht in Abrede, dass die Beschwerdeführer im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
durch die von der Baudirektion genehmigte Baubewilligung berührt sind und dass sie ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung der Bewilligung besitzen. Sie sind jedoch der Meinung, sie hätten auf die Beschwerde nicht eintreten müssen, weil die Beschwerdeführer ihre Rüge betreffend die Anwendung von
Art. 24 RPG
zu spät vorgebracht hätten. Sie hätten diese Einwendung mit Beschwerde gegen die vom Gemeinderat erteilte Baubewilligung vom 9. März 1987 ordnungsgemäss vortragen müssen, wobei zur Beurteilung der entsprechenden Einwendung im ordentlichen Rekursverfahren die Baurekurskommission zuständig gewesen wäre.
Die Beschwerdeführer sind demgegenüber der Auffassung, sie seien berechtigt, die Genehmigungsverfügung der Baudirektion anzufechten. Sie sind legitimiert, diese Rüge im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zu erheben. Das Bundesrecht verpflichtet die Kantone in
Art. 33 RPG
, gegen Verfügungen, die sich auf das Raumplanungsgesetz und seine kantonalen und eidgenössischen Ausführungsbestimmungen stützen, ein Rechtsmittel zu gewähren. Sollten die Vorinstanzen zu Unrecht die von den Beschwerdeführern beim Regierungsrat eingereichte Beschwerde als verspätet und wegen Unzuständigkeit des Regierungsrates als unzulässig bezeichnet haben, so käme dies einer Verletzung der bundesrechtlichen Mindestanforderung des Rechtsschutzes gleich, was die Beschwerdeführer bei Streitigkeiten über die Anwendung oder Nichtanwendung von
Art. 24 RPG
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügen können (
Art. 34 Abs. 1 RPG
). Da auch die
BGE 115 Ib 400 S. 404
übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.
4.
Das Verwaltungsgericht stützt seinen Entscheid in Übereinstimmung mit der Auffassung des Regierungsrates allein auf kantonales Recht. Danach gilt eine im kantonalen Recht vorbehaltene Genehmigung der kantonalen Baudirektion für eine vom Gemeinderat erteilte Baubewilligung als kantonale Aufsichtsmassnahme, gegen welche nur der Baugesuchsteller als betroffener Adressat Rekurs an den Regierungsrat erheben kann (FRANCOIS RUCKSTUHL, Der Rechtsschutz im zürcherischen Planungs- und Baurecht, in ZBl 86/1985 S. 306 f.). Die Zürcher Bauverfahrensverordnung vom 19. April 1978 (mit seitherigen Änderungen) bringt dies darin zum Ausdruck, dass sie im Anhang gemäss Ergänzung durch Regierungsratsbeschluss vom 5. Dezember 1984 in Ziffer 2.23 Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen dem Meldeverfahren gemäss § 18 der Verordnung unterstellt. In gleicher Weise, wie dies für die weiteren in Ziffer 2.2 genannten bewilligungspflichtigen Vorhaben zutrifft, hat die zuständige kantonale Direktion im Anschluss an die Meldung innert längstens dreissig Tagen zu entscheiden, ob sie das Bauvorhaben ihrer Genehmigung unterstellen will; "die örtliche Baubehörde erteilt in diesem Falle die baurechtliche Bewilligung unter Vorbehalt der Genehmigung" (§ 18 Abs. 3 der Bauverfahrensverordnung).
Diese Verfahrensregelung bringt in der Tat zum Ausdruck, dass der Entscheid der Baudirektion als aufsichtsrechtliche Kontrollmassnahme gedacht ist. Besonders deutlich trifft dies für die erste Verfügung zu, die auf Grund der Meldung des Gemeinderates zu treffen ist, ob eine kommunale Baubewilligung der Genehmigung zu unterstellen ist oder nicht. Weniger eindeutig verhält es sich im Falle der Unterstellung mit der zweiten Verfügung, mit welcher der Entscheid der Gemeinde ausdrücklich genehmigt wird - allenfalls nur unter Bedingungen und Auflagen -, oder mit der die Genehmigung des Entscheids der Gemeinde verweigert wird. Doch ist in der vorliegenden Sache die Frage, ob nach kantonalem Recht zu Recht der ausdrückliche Genehmigungsentscheid nur durch den Baugesuchsteller beim Regierungsrat anfechtbar ist, nicht allgemein zu entscheiden. Massgebend ist allein, ob bei Verfügungen über Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen das dargelegte Verständnis der kantonalen Instanzen vor der vom Bundesrecht getroffenen Regelung standhält.
BGE 115 Ib 400 S. 405
a) Zur Beantwortung dieser Frage ist wesentlich, dass in der Verordnung des Bundesrates vom 26. März 1986 über die Raumplanung in Art. 16 ausdrücklich angeordnet wurde, dass die gemäss
Art. 25 Abs. 2 RPG
zuständige kantonale Behörde bei allen Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen prüfen müsse, ob sie eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG
benötigen. Mit dieser Bestimmung wurde den vom Bundesgericht zu
Art. 25 Abs. 2 RPG
getroffenen Feststellungen Rechnung getragen. Angesichts der zentralen Bedeutung, die das Bundesrecht der Abgrenzung der Bauzonen zumisst, bezeichnete es das Bundesgericht als zulässig, dass zur Sicherstellung der einheitlichen Anwendung von
Art. 24 RPG
alle Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen, auch die zonenkonformen Vorhaben, einer kantonalen Prüfung unterstellt werden (
BGE 109 Ib 129
E. 2c). In der nun geltenden Verordnung vom 2. Oktober 1989 über die Raumplanung, welche die Raumplanungsverordnung von 1986 ersetzt, wurde diese Regel in Art. 25 wiederholt und mit der Anordnung verstärkt, dass bei Bewilligungen für Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen die Bewilligungsbehörde soweit nötig ein Zweckänderungsverbot im Grundbuch anmerken lässt (
Art. 25 Abs. 4 RPV
).
b) Aus dieser Regelung der Eidgenössischen Raumplanungsverordnung, die dazu dient, das bundesrechtliche Verbot von nicht zonenkonformen Vorhaben ausserhalb der Bauzonen im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft einheitlich zu sichern, ergibt sich unmissverständlich, dass es nicht nur Sache des kantonalen Rechts ist, eine aufsichtsrechtliche Kontrolle anzuordnen. Vielmehr ist es eine bundesrechtliche Pflicht, bei allen im Sinne von
Art. 22 RPG
bewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen durch eine kantonale Behörde prüfen zu lassen, ob sie zonenkonform sind oder ob sie einer Bewilligung gemäss
Art. 24 RPG
bedürfen. Dementsprechend ist die Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde nicht nur eine kantonale aufsichtsrechtliche Anordnung, sondern eine vom Bundesrecht verlangte Verfügung im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG) und von
Art. 33 Abs. 2 RPG
. Sie stützt sich auf die gesetzeskonformen Ausführungsbestimmungen der Raumplanungsverordnung zum Raumplanungsgesetz. Verhält es sich so, muss der von den Kantonen zu gewährende Rechtsschutz den Anforderungen des Bundesrechts entsprechen.
c) Gemäss
Art. 33 Abs. 3 RPG
hat das kantonale Recht bei dem von ihm zu gewährenden Rechtsmittel die Legitimation
BGE 115 Ib 400 S. 406
mindestens im gleichen Umfange wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde vorzusehen. Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat sind der Meinung, dieser Anforderung werde mit der Möglichkeit des Rekurses gegen die vom Gemeinderat erteilte Baubewilligung an die Baurekurskommission Rechnung getragen. Diese Auffassung übersieht jedoch, dass die vom Gemeinderat mehrere Monate vor Erlass der Genehmigungsverfügung der kantonalen Baudirektion am 9. März 1987 erteilte Baubewilligung nur unter der Suspensivbedingung erging, dass vor Baubeginn die von der Baudirektion zu erteilenden "Spezialbewilligungen" einzuholen seien. Die erste Spezialbewilligung betrifft die "Genehmigung der kantonalen Baudirektion für Baubewilligung ausserhalb der Bauzone". Die zweite betrifft die "Bewilligung der kantonalen Baudirektion für Baute im Schutzgebiet des Greifensees".
Beide Vorinstanzen sind davon ausgegangen, die zweite Verfügung könne von den Beschwerdeführern beim Regierungsrat - wie sie dies getan haben - angefochten werden, die erste hingegen nicht. Auch die erste von der Gemeinde vorbehaltene Spezialbewilligung stellt jedoch - wie dargelegt - eine Verfügung dar, und zwar im Unterschied zur zweiten Bewilligung eine vom Bundesrecht verlangte Verfügung, zu deren Erlass von Bundesrechts wegen nur die kantonale Behörde zuständig ist. Dementsprechend muss gegen diese Verfügung von allen Parteien im Sinne von
Art. 6 VwVG
- nicht nur vom Bauherrn - ein Rechtsmittel ergriffen werden können.
d) Ob für die Beurteilung der Beschwerde einer Partei die Baurekurskommission als zuständig bezeichnet werden soll, ist eine vom kantonalen Recht zu regelnde Frage. Die Vorinstanzen gehen offenbar davon aus, dass im Falle eines Rekurses gegen die Verfügung, eine Baute Oder Anlage ausserhalb der Bauzone sei zonenkonform, die Baurekurskommission zur Überprüfung dieser Frage zuständig sein solle. Das Bundesrecht äussert sich hiezu nicht. Als unzulässig muss es jedoch bezeichnet werden, dass die vom Bundesrecht verlangte Feststellungsverfügung, wie dies die vorliegende Sache zeigt, ausdrücklich erst ergeht, "wenn allfällige Rekurse und Beschwerden gegen die kommunale Bewilligung erledigt sind" (so wörtlich die im Meldeverfahren gemäss § 18 der Bauverfahrensverordnung ergangene Unterstellungsverfügung der Baudirektion vom 25. März 1987). Zur Vermeidung verfahrensmässiger
BGE 115 Ib 400 S. 407
und materiellrechtlicher Doppelspurigkeiten wäre es wohl zu begrüssen, wenn die Gemeinde den Entscheid über das Baugesuch erst mit Einschluss der Verfügung der Baudirektion über die Genehmigung oder die Nichtunterstellung unter
Art. 24 RPG
eröffnen würde.
Soll es hingegen bei der vorgängigen Eröffnung einer suspensiv bedingten kommunalen Bewilligung verbleiben, so kann diese nach kantonalem Recht allenfalls selbständiges Anfechtungsobjekt bilden, soweit die von der Bewilligungsbehörde in eigener Kompetenz entschiedenen Fragen umstritten sind. Soweit mit der Suspensivbedingung jedoch eine vom Bundesrecht verlangte kantonale Genehmigung vorbehalten wird, geht es nicht an, die Beschwerdemöglichkeit gegen die in der Folge erteilte Genehmigung nur einer von mehreren Parteien, nämlich der Bauherrschaft, einzuräumen, Dritte hingegen, die von Bundesrechts wegen befugt sind, geltend zu machen, die Genehmigungsverfügung der kantonalen Behörde verletze
Art. 24 RPG
, von der Beschwerde auszuschliessen.
e) Zur Klarstellung sei beigefügt, dass auch eine blosse Nichtunterstellung eines Vorhabens ausserhalb der Bauzonen unter die kantonale Genehmigungspflicht, die aufgrund der Meldung der kommunalen Bewilligungsbehörde gestützt auf § 18 Abs. 4 der kantonalen Bauverfahrensverordnung angeordnet wird, eine Verfügung betreffend Bestätigung der Zonenkonformität des Vorhabens darstellt. Das kantonale Recht hat auch in diesem Falle einer zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach
Art. 103 lit. a OG
legitimierten Person ein Beschwerderecht zur Beurteilung der Frage einzuräumen, ob mit der Bewilligung
Art. 24 RPG
verletzt wird oder nicht.
5.
Diese Folgerungen führen zum Ergebnis, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen ist, ohne dass das Bundesgericht im jetzigen Zeitpunkt in materieller Hinsicht das Vorhaben des Beschwerdegegners W. zu beurteilen hat. Diese Beurteilung ist dem Bundesgericht vielmehr verwehrt, solange kein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über die umstrittene Frage vorliegt. Es ergibt sich hieraus, dass gemäss
Art. 114 Abs. 2 OG
die Sache an den Regierungsrat zurückzuweisen ist, da dieser über die Beschwerde gegen die Verfügung der Baudirektion auch insoweit zu entscheiden hat, als die Direktion die Zonenkonformität des Vorhabens festgestellt und damit eine Bewilligung nach
Art. 24 RPG
nicht als erforderlich bezeichnet hat. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
50005bb9-2ff2-47a6-9edc-6454cfb17c8b | Urteilskopf
115 Ib 424
60. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. November 1989 i.S. Gemeinde Klosters-Serneus und Mitbet. gegen Rhätische Bahn, Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement und Präsident der Eidg. Schätzungskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerden) | Regeste
Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren für Eisenbahnbauten; Baubeginn im kombinierten Verfahren.
Gemeinsame Behandlung der Beschwerden (E. 1).
Zulässige Rechtsmittel, Legitimation der Beschwerdeführer (E. 2).
Kognition des Bundesgerichtes (E. 3).
Wann kann mit dem Bau eines öffentlichen Werkes, für welches das Enteignungsrecht ausgeübt werden kann, begonnen werden?
- Übersicht über die Entwicklungen des massgebenden Bundesrechts (E. 4a-d).
- Revision des Eisenbahngesetzes (E. 5a) und der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten (E. 5b).
- Art. 34 der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten (E. 6).
Art. 34 Abs. 2 der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten ist lückenhaft (E. 6a und b). Die Bestimmung ist mit Blick auf Art. 76 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Enteignung und auf die Regelung des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen derart zu ergänzen, dass bei Durchführung eines kombinierten Verfahrens mit dem Bahnbau erst begonnen werden darf, wenn die Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr in Rechtskraft erwachsen oder der Beschwerdeentscheid des Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes ergangen ist (E. 6c-e).
Eine Ausnahmesituation, die einen früheren Baubeginn rechtfertigen würde, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 426
BGE 115 Ib 424 S. 426
Gestützt auf die Botschaft des Bundesrates über die Vereinabahn vom 19. Februar 1986 (BBl 1986 I 833 ff.) haben die Eidgenössischen Räte am 18. Dezember 1986 beschlossen, die der Rhätischen Bahn im Jahre 1970 erteilte Konzession auf die Strecke Klosters - Susch - Lavin auszudehnen und der Bahn für den Bau der Vereinalinie einen Bundesbeitrag zu gewähren (BBl 1987 I 61, 476). Dem Vereinaprojekt hatten der Grosse Rat des Kantons Graubünden bereits am 29. Mai 1985 und das Bündner Volk am 22. September 1985 zugestimmt.
Nach der Botschaft des Bundesrates soll die neue Bahnlinie die ganzjährige Verbindung zwischen der Deutschschweiz und dem Unterengadin sowie dem Münstertal sicherstellen, insbesondere während des Winters, wenn der Flüelapass (2383 m) wegen der Lawinengefahr oft ohne Vorankündigung geschlossen werden muss. Auf der Vereinalinie werden daher neben den Reise- und Güterzügen vor allem Autozüge verkehren. Die Strecke soll so ausgebaut werden, dass alle in der Schweiz zugelassenen Strassenmotorfahrzeuge im Huckepack (sog. rollende Strasse) sowie die meisten Normalspur-Eisenbahnwagen auf Rollschemeln befördert werden können (vgl. BBl 1986 I 835, 841).
In Anwendung der revidierten Bestimmungen des Eisenbahngesetzes und der Planvorlagenverordnung verfügte das Bundesamt für Verkehr am 31. August 1987, dass für das Vereinaprojekt ein kombiniertes Verfahren durchzuführen sei. Demgemäss erfolgte in den Gemeinden Klosters, Susch und Lavin eine gemeinsame Auflage der Werkpläne und der Enteignungspläne mit den Grunderwerbstabellen. Während der Auflagefrist gingen neben den Entschädigungsbegehren zahlreiche Einsprachen ein, darunter jene der Politischen und Bürgergemeinde Klosters-Serneus, des Kur- und Verkehrsvereins Klosters, des Hoteliervereins Klosters, der Schweizerischen Gesellschaft für Umweltschutz, des WWF
BGE 115 Ib 424 S. 427
Schweiz und des Schweizerischen Bundes für Naturschutz. An den Einigungsverhandlungen vor dem Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 12, wurde an den Einsprachen festgehalten. Dieser überwies daher die Akten am 23. März 1988 dem Bundesamt für Verkehr zum Entscheid.
Nach Eingang der Vernehmlassungen des Kantons Graubünden sowie der Bundesstellen und nach Durchführung verschiedener Einigungsverhandlungen mit den Einsprechern genehmigte das Bundesamt für Verkehr mit Verfügung vom 8. Juli 1988 die von der Rhätischen Bahn eingereichten Pläne mit gewissen Auflagen. Allfälligen Beschwerden gegen die Plangenehmigungsverfügung entzog das Bundesamt gestützt auf Art. 55 des Verwaltungsverfahrensgesetzes die aufschiebende Wirkung. Gegen die Plangenehmigungsverfügung erhoben zahlreiche Einsprecher - so auch die bereits erwähnten - Beschwerde an das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED). Diese Beschwerden sind in der Hauptsache noch hängig. Dagegen entschied das Departement vorweg über die Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, hiess diese mit Zwischenverfügung vom 21. September 1988 teilweise gut und entzog den Beschwerden die aufschiebende Wirkung nur insoweit, "als dies für den Bau der- Eisenbahnlinie ohne rollende Strasse" erforderlich sei. Auf ein Erläuterungsgesuch verschiedener Beschwerdeführer hin präzisierte das EVED am 13. Oktober 1988, dass mit den Arbeiten für den Bau der Eisenbahnlinie begonnen werden dürfe, Arbeiten für den Bau der Verladeanlagen dagegen untersagt seien und Arbeiten, die beidem dienten, auf Risiko der Rhätischen Bahn vorgenommen werden könnten.
Die Zwischenverfügung des EVED vom 21. September 1988 ist sowohl von der Politischen und Bürgergemeinde Klosters-Serneus als auch vom Kur- und Verkehrsverein Klosters sowie vom Hotelierverein Klosters mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten worden. Die Beschwerdeführer verlangen, dass den beim Departement eingereichten Beschwerden vollumfänglich aufschiebende Wirkung zuerkannt und der Rhätischen Bahn demzufolge verboten werde, vor dem Vorliegen des Hauptentscheides mit den Bauarbeiten zu beginnen.
In der Zwischenzeit war die Rhätische Bahn am 13. Juli 1988 an den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission gelangt und hatte diesen um Ermächtigung zur vorzeitigen Inbesitznahme verschiedener Grundstücke im Bereiche des Bahnhofes
BGE 115 Ib 424 S. 428
Klosters und in Selfranga ersucht. Nach Anhörung der Enteigneten gab der Präsident am 8. August 1988 dem Begehren hinsichtlich verschiedener Parzellen statt, die alle in Nähe des Bahnhofes Klosters liegen und der Gemeinde Klosters gehören oder an denen diese dienstbarkeitsberechtigt ist.
Anschliessend an die Zwischenverfügung des EVED vom 21. September 1988 änderte die Rhätische Bahn ihr ursprüngliches Gesuch um Besitzeinweisung ab und verlangte am 16. November 1988 nur noch die vorzeitige Inbesitznahme jener Grundstücksflächen, die für den Bau der Eisenbahnlinie ohne die Verladeanlage Selfranga benötigt würden. Da sich die Enteigneten auch diesem reduzierten Begehren widersetzten, wies der Schätzungskommissions-Präsident die Rhätische Bahn mit Verfügung vom 8. Dezember 1988 ab 1. Januar 1989 in den Besitz von acht in Selfranga liegenden Parzellen ein.
Gegen die beiden Entscheide des Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 12, vom 8. August und 8. Dezember 1988 hat zunächst die Politische und Bürgergemeinde Klosters-Serneus als Enteignete Verwaltungsgerichtsbeschwerden eingereicht, in welchen in erster Linie bestritten wird, dass eine vorzeitige Besitzeinweisung schon vor dem Vorliegen eines rechtskräftigen Ausführungsprojektes angeordnet werden könne. Durch Verfügung des Instruktionsrichters vom 18. Januar 1989 sind die zwei Verfahren vereinigt und ist den gesamtschweizerischen Organisationen, die Einsprache erhoben hatten, ebenfalls noch Gelegenheit geboten worden, die Besitzeinweisungs-Entscheide des Schätzungskommissions-Präsidenten anzufechten. Alle drei - die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz, der WWF Schweiz und der Schweizerische Bund für Naturschutz - haben hierauf mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, die Bauarbeiten dürften jedenfalls auf Parzelle Nr. 732 nicht begonnen werden, solange im Plangenehmigungsverfahren noch kein rechtskräftiger Entscheid vorliege.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In allen vorliegenden Beschwerdeverfahren steht die Frage im Vordergrund, ob im jetzigen Stadium des Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahrens überhaupt schon mit den Bauarbeiten für das Bahn-Projekt begonnen werden könne. Die Beschwerden
BGE 115 Ib 424 S. 429
sind daher gemeinsam zu behandeln, obschon sie sich gegen Entscheide verschiedener Behörden richten.
2.
a) Die Besitzeinweisungs-Entscheide der Eidgenössischen Schätzungskommissionen oder deren Präsidenten unterliegen nach
Art. 76 Abs. 6 und
Art. 77 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711)
in der Fassung vom 18. März 1971 (in Kraft seit 1. August 1972) der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
b) Der Entscheid des EVED über den Entzug der aufschiebenden Wirkung kann als Zwischenverfügung nur mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, wenn diese gegen die Endverfügung - hier die Plangenehmigung - zulässig ist (
Art. 101 lit. a OG
). Gemäss
Art. 99 lit. c OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über Pläne ausgeschlossen, sofern es sich nicht um Entscheide über Einsprachen gegen Enteignungen oder Landumlegungen handelt. Um einen solchen Entscheid geht es aber bei der in Aussicht stehenden Endverfügung, erfolgt doch im vorliegenden Fall die Plangenehmigung im kombinierten Verfahren, in dem zugleich auch über die enteignungsrechtlichen Einsprachen befunden wird. Da im weiteren der teilweise Entzug der aufschiebenden Wirkung zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil führen kann, ist die Zwischenverfügung des EVED ebenfalls selbständig mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar (
Art. 45 Abs. 2 lit. b VwVG
).
c) Die Legitimation der Gemeinde als Enteignete zur Anfechtung der Besitzeinweisungs-Verfügungen steht ausser Frage. Sie ist aber auch den gesamtschweizerischen Organisationen zuzuerkennen, welche die Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr beim EVED angefochten haben: Steht diesen nämlich nach ausdrücklicher Bestimmung von Art. 12 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juni 1966 (NHG; SR 451) das Recht zur Geltendmachung von Einsprachen und Begehren gemäss
Art. 9 EntG
zu, so müssen sie auch befugt sein, sich insofern einer vorzeitigen Besitzeinweisung zu widersetzen, als diese die im Plangenehmigungs- und Einspracheverfahren erhobenen und noch nicht rechtskräftig beurteilten Begehren zum Schutze von Natur und Landschaft in Frage stellen könnte oder gar gegenstandslos werden liesse (
BGE 115 Ib 95
; nicht publ. Entscheid vom 8. Juni 1984 i.S. Gemeinde Rothenthurm und WWF E. 2dd).
Zur Anfechtung der Zwischenverfügung des EVED mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind neben der Gemeinde auch der
BGE 115 Ib 424 S. 430
Kur- und Verkehrsverein Klosters sowie der Hotelierverein Klosters zuzulassen, da sie einerseits in den von ihnen vertretenen Interessen berührt sind (
Art. 103 lit. a OG
) und andererseits eine Überweisung ihrer Beschwerde an den Bundesrat die Rechtssicherheit in Frage stellen würde (vgl.
BGE 112 Ib 288
E. 5).
d) Die Beschwerden sind rechtzeitig innerhalb der zehn- bzw. zwanzigtägigen Frist eingegangen (
Art. 106 Abs. 1 OG
,
Art. 76 Abs. 6 EntG
).
3.
Das Bundesgericht überprüft die angefochtenen Entscheide, die weder von kantonalen Gerichten noch von Rekurskommissionen ausgegangen sind, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht frei (vgl.
Art. 104 und 105 OG
;
BGE 112 Ib 421
). In die Rechtsprechung der Schätzungskommissionen kann das Bundesgericht als Aufsichtsbehörde unter gewissen Umständen auch von Amtes wegen eingreifen (
Art. 63 EntG
;
BGE 115 Ib 17
E. 1,
BGE 111 Ib 25
E. 9).
4.
Die hier interessierende Frage, wann mit der Erstellung eines öffentlichen Werkes, für welches das Enteignungsrecht ausgeübt werden kann, begonnen werden dürfe und inwieweit dieser Zeitpunkt durch Einsprachen beeinflusst werden könne, ist in den gesetzlichen Vorschriften und der Praxis der letzten Jahrzehnte unterschiedlich beantwortet worden. Der Übersicht halber sind die Entwicklungen des massgebenden Bundesrechts bis zum Inkrafttreten der heute geltenden eisenbahnrechtlichen Bestimmungen im folgenden kurz zu skizzieren:
a) Vor der Schaffung des Nationalstrassengesetzes im Jahre 1960 galt allgemein, dass für öffentliche Werke zuerst ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werden musste und erst nach dessen Abschluss das Enteignungsverfahren eingeleitet werden konnte. Die sog. technische Plangenehmigung - die weitgehend der Baubewilligung entspricht - war einem reinen Behördenverfahren vorbehalten, von dem die Privaten mit unterschiedlicher Begründung ausgeschlossen wurden: Den bloss in ihren tatsächlichen Interessen Betroffenen wurde gestützt auf
Art. 103 Abs. 1 OG
in seiner ursprünglichen Fassung, der nur die in "ihren Rechten" Verletzten zur Beschwerde zuliess, die Legitimation abgesprochen, und die in ihren Rechten betroffenen Enteigneten wurden auf das nachfolgende Enteignungsverfahren verwiesen, in welchem sie Einsprache erheben und Planänderungsgesuche stellen könnten. Das Nacheinander der Verfahren hatte zur Folge, dass bei der Plangenehmigung stets noch allfällige Projektänderungen im
BGE 115 Ib 424 S. 431
nachfolgenden enteignungsrechtlichen Einspracheverfahren vorbehalten werden mussten. Mit dem Bau konnte erst begonnen werden, wenn die Plangenehmigung rechtskräftig geworden und das Enteignungsverfahren abgeschlossen war oder dem Enteigner gemäss
Art. 76 EntG
in der Fassung vom 20. Juni 1930 nach endgültiger Erledigung der Einsprachen die vorzeitige Inbesitznahme der Enteignungsobjekte gestattet wurde (vgl.
BGE 108 Ib 247
E. 2a und dort zitierte Entscheide; FRITZ HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, Vorbemerkungen zu Abschnitt V, N. 2-5, 20 ff., 45, 47).
Diese Regelung galt sowohl unter der Herrschaft des alten Eisenbahngesetzes von 1872 wie unter jener des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101) grundsätzlich auch für Bauten und Anlagen, die dem Bahnbetrieb dienen (HESS/ WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. II S. 69 ff. N. 26-34 und dort zitierte Entscheide, PHILIPPE GAUDERON, L'approbation de plans en matière ferroviaire, Revue de droit administratif et de droit fiscal 1986/42 S. 342 ff.). Allerdings bestand aufgrund von
Art. 30 Abs. 2 der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten vom 23. Dezember 1932 (PVV; SR 742.142.1)
die Möglichkeit, unter besonderen Umständen das Enteignungsverfahren ausnahmsweise zur gleichen Zeit wie das Plangenehmigungsverfahren einzuleiten. Mit dem Bau durfte indessen auch in diesem Fall erst begonnen werden, wenn die Genehmigung der Pläne rechtskräftig war (Art. 34 PVV).
b) Die Trennung und die zeitliche Aufeinanderfolge von Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren wirkte sich in der Praxis häufig negativ aus, nicht nur wegen der langen Dauer, sondern auch wegen der Doppelspurigkeiten der beiden Verfahren, die es zuliessen, dass gewisse Einwände gegen das Werk - vor allem von seiten der Gemeinden - zweimal erhoben werden konnten und deren Beurteilung nicht immer der selben Instanz zufiel (vgl.
BGE 108 Ib 249
E. 2c).
Diese Unzulänglichkeiten haben den Gesetzgeber zunächst bei der Schaffung des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 (NSG; SR 725.11) und hierauf bei der Einführung des Rohrleitungsgesetzes vom 4. Oktober 1963 (RLG; SR 746.1) bewogen, das Plangenehmigungs- und das enteignungsrechtliche Einspracheverfahren zusammenzulegen und das nachfolgende Enteignungsverfahren auf die Behandlung der Entschädigungsforderungen zu beschränken (
Art. 39 Abs. 2 NSG
,
Art. 26 Abs. 2 RLG
;
BGE 115 Ib 424 S. 432
BBl 1959 II S. 125 f., 1962 II). Das Verfahren zur Bereinigung und Genehmigung der Ausführungsprojekte (Art. 26/27 NSG, Art. 22/23 RLG) hat damit alle Aufgaben des enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens im engeren und weiteren Sinn (
Art. 35 lit. a und b EntG
) übernommen, denen es freilich nur gerecht werden kann, wenn die Werkpläne zusammen mit dem Enteignungsplan und der Grunderwerbstabelle aufgelegt werden (
BGE 106 Ib 21
E. 7b; s. a.
BGE 114 Ib 149
,
BGE 111 Ib 34
E. 2a). Das der Behandlung der Entschädigungsforderungen dienende Enteignungsverfahren, das auch die Möglichkeit einer vorzeitigen Besitzeinweisung eröffnet, kann beim Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission erst eingeleitet werden, wenn das zuständige Departement nach dem Einspracheentscheid der kantonalen Behörde die bereinigten Ausführungsprojekte genehmigt (
Art. 28, 39 Abs. 2 NSG
) bzw. wenn das Departement über die Einsprachen selbst rechtskräftig entschieden hat (
Art. 23 RLG
).
Art. 25 RLG
sieht ausdrücklich vor, dass vor der rechtskräftigen Genehmigung der Pläne mit dem Bau des Werkes nicht begonnen werden dürfe, während das Nationalstrassengesetz keine entsprechende Bestimmung enthält.
c) Die Regel, das technische Plangenehmigungsverfahren unter blosser Behördenbeteiligung durchzuführen, erlitt am 1. Januar 1967 einen ersten Einbruch mit dem Inkrafttreten von
Art. 12 NHG
, der den Gemeinden und den sich dem Natur- und Heimatschutz widmenden schweizerischen Organisationen das Beschwerderecht gegenüber Verfügungen gewährt, die in Erfüllung von Bundesaufgaben ergehen. Dazu gehören auch die Planung von Werken und Anlagen der Schweizerischen Bundesbahnen und der anderen konzessionierten Bahnen (
Art. 2 lit. a und b NHG
).
Vollends zu Fall gekommen ist die genannte Regel indessen mit der Einführung des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 und der Revision des V. Titels des OG, beide in Kraft seit 1. Oktober 1969: Einerseits finden nun nach
Art. 4 VwVG
- abgesehen von den Ausnahmefällen gemäss
Art. 2 und 3 VwVG
- die in den Spezialgesetzen enthaltenen Verfahrensvorschriften nur noch Anwendung, soweit sie das Verfahren eingehender regeln als das VwVG und diesem nicht widersprechen. Damit hat der Gesetzgeber die den Anforderungen des VwVG nicht genügenden früheren Verfahrensregeln aufgehoben und prozessuale Mindestgarantien für alle Beteiligten geschaffen. Andererseits ist der Rechtsschutz beträchtlich
BGE 115 Ib 424 S. 433
erweitert worden.
Art. 6 VwVG
erkennt die Parteistellung nicht nur jenen Personen zu, deren Rechte und Pflichten durch die umstrittene Verfügung berührt werden sollen, sondern auch den Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht. Nach den gleichlautenden
Art. 48 lit. a VwVG
und 103 lit. a OG ist nun zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. In Auslegung dieser neuen Bestimmungen hat das Bundesgericht festgehalten, dass auch ein bloss tatsächliches Interessen schutzwürdig sein könne und die Beschwerdelegitimation zu begründen vermöge und es in diesem Falle nicht nötig sei, dass die Norm, die nach Meinung des Beschwerdeführers verletzt sei, gerade dieses tatsächliche Interesse hätte schützen sollen (
BGE 104 Ib 248
ff.;
BGE 108 Ib 250
ff. E. 2d mit Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung). Demzufolge kann der Kreis der im Plangenehmigungsverfahren Anzuhörenden nicht mehr nur auf die Behörden und auch nicht mehr auf jene Private beschränkt werden, die an das öffentliche Werk Rechte abzutreten haben.
Diese Neuordnung hat allerdings die Bundesbehörden - darunter auch das Bundesgericht - nicht daran gehindert, noch während einiger Jahre zu erklären, dass die Beteiligung am technischen Plangenehmigungsverfahren den Behörden vorbehalten sei (vgl. VPB 176 Nr. 84, 1977 Nr. 111). Erst im Entscheid Bircher (
BGE 108 Ib 247
ff.) ist klargestellt worden, dass Bestimmungen wie
Art. 18 Abs. 2 EBG
in der Fassung von 1957 (der nur die Anhörung der beteiligten Bundesbehörden, der Kantone und allenfalls der Gemeinden vorsah) im Hinblick auf
Art. 4 VwVG
keinen Bestand mehr haben könnten. Übrigens kommt
Art. 4 VwVG
zwar in erster Linie gegenüber älteren Gesetzen der Vorrang zu ("lex posterior derogat legi priori"), doch ist auch bei der Anwendung jüngerer Spezialvorschriften nicht aus den Augen zu verlieren, dass mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz eine einheitliche und allgemein gültige Ordnung geschaffen worden ist, von der nur abgewichen werden darf, wo der spätere Gesetzgeber dies unmissverständlich erlaubt (vgl. PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 33 Ziff. 6.1 und S. 41 Ziff. 8.2, wo von "VwVG-konformer" Interpretation der jüngeren Verfahrensnormen gesprochen wird).
d) Bei der Revision des Enteignungsgesetzes vom 18. März 1971 sind die Voraussetzungen für die vorzeitige Besitzeinweisung,
BGE 115 Ib 424 S. 434
die den Baubeginn vor Abschluss der Enteignung möglich macht, wesentlich verändert worden.
Im neuen
Art. 76 EntG
, dem nunmehr ein eigener Gesetzes- Abschnitt gewidmet ist, wird die Bewilligung oder Verweigerung der vorzeitigen Inbesitznahme, die bisher endgültig war (Art. 76 Abs. 3 aEntG), der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterstellt. Damit wird eine Verbesserung des Rechtsschutzes erzielt und die Kontrolle einheitlicher Rechtsanwendung ermöglicht. Im weiteren kann der Präsident nun über das Besitzeinweisungs-Gesuch allein befinden, falls er den Beizug der Schätzungskommissions-Mitglieder nicht für notwendig erachtet oder dieser nicht von einer Partei verlangt wird (
Art. 76 Abs. 2 EntG
). Schliesslich aber - und hierin liegt die wesentlichste Neuerung - ist die vorzeitige Besitzergreifung schon möglich, bevor über die Einsprachen gegen die Enteignung und die Begehren nach den Art. 7-10 rechtskräftig entschieden ist; sie muss, falls auch die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, dem Enteigner insoweit gestattet werden, als keine bei nachträglicher Gutheissung der Einsprachen nicht wieder gutzumachende Schäden entstehen. Das Gesuch des Enteigners darf nur ausnahmsweise dann zurückgestellt werden, wenn die Einigungsverhandlung in Anwendung von
Art. 51 EntG
auszusetzen ist, weil ernsthaft mit namhaften Planänderungen infolge von Einsprachen gerechnet werden muss (vgl.
BGE 115 Ib 22
f. E. 5a, 110 Ib 42, 108 Ib 491).
An zwei Voraussetzungen zur vorzeitigen Besitzeinweisung, die sich aus dem Zweck und Wesen dieses Institutes selbst ergeben, hat sich dagegen im Jahre 1971 nichts geändert: Zum einen wird weiterhin verlangt, dass der Gesuchsteller bereits mit dem Enteignungsrecht ausgestattet sei. Falls dem Unternehmen das Enteignungsrecht - wie beim Bau von Starkstromanlagen - eigens noch erteilt werden muss und diese Übertragung erst im Rahmen der Behandlung der Einsprachen erfolgt, bleibt eine vorzeitige Besitzergreifung vor dem Einsprachenentscheid bzw. vor dem Verleihungsakt durch das zuständige Departement ausgeschlossen. Zum andern kommt die Anwendung von
Art. 76 EntG
nur in Frage, wenn das Werk, für welches enteignet wird, nach den massgebenden Spezialbestimmungen bewilligt und zum Bau freigegeben worden ist. Solange aus verwaltungsrechtlicher Sicht mit den Bauarbeiten noch gar nicht begonnen werden kann, hat der Enteigner kein Recht auf vorzeitige Inanspruchnahme der für das Werk benötigten Rechte. So fällt eine Besitzeinweisung für den
BGE 115 Ib 424 S. 435
Nationalstrassenbau nicht in Betracht, bevor das Ausführungsprojekt sowohl von der zur Behandlung der Einsprachen zuständigen kantonalen Behörde als auch - in seiner bereinigten Form - vom Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement genehmigt worden ist (
Art. 27 und 28 NSG
); erst diese zweite Genehmigung durch das Departement berechtigt den Kanton überhaupt zur Eröffnung des Enteignungsverfahrens (
Art. 39 Abs. 2 NSG
;
BGE 114 Ib 145
). Dagegen bildet wie erwähnt der Umstand, dass beim Bundesgericht noch Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen den Einspracheentscheid der kantonalen Behörde hängig sind, grundsätzlich kein Hindernis für die vorzeitige Besitzeinweisung mehr (
BGE 105 Ib 97
;
BGE 115 Ib 96
).
5.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind am 1. Januar 1985 die neuen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes und die revidierten Vorschriften der Planvorlagenverordnung in Kraft getreten.
a) Die Änderung des Eisenbahngesetzes vom 8. Oktober 1982 geht auf eine Motion Kloter aus dem Jahre 1968 zurück, in der verlangt wurde, dass in der Eisenbahngesetzgebung ähnlich wie im Nationalstrassengesetz rechtliche Institute zur vorsorglichen Freihaltung von Boden für zukünftige Bahnbauten geschaffen würden. Im Mittelpunkt der Revision stand daher die Einführung von Vorschriften über die Projektierungszonen (Art. 18b-d), die Baulinien (Art. 18e-h) sowie über die Landumlegung (Art. 3 Abs. 2 und Art. 18k), doch wurde die Gelegenheit benützt, gleichzeitig auch die Zuständigkeiten zur Genehmigung von Bahnbauten klarer zu regeln und das Plangenehmigungs- und das Enteignungsverfahren besser zu koordinieren (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 1. Dezember 1980, BBl 1981 I S. 327 ff.; HESS/WEIBEL, a.a.O. Bd. II S. 74, PHILIPPE GAUDERON, a.a.O. S. 346).
Was die Koordination der Verfahren anbelangt, so hat der Gesetzgeber allerdings davon abgesehen, das Plangenehmigungs- und das enteignungsrechtliche Einspracheverfahren gleich wie im Nationalstrassengesetz generell zusammenzulegen. In
Art. 18 Abs. 4 EBG
wird vielmehr vorgesehen, dass die gemeinsame Durchführung der beiden Verfahren durch die Aufsichtsbehörde angeordnet werden könne, welche in diesem Fall mit der Plangenehmigung auch über die enteignungsrechtlichen Einsprachen und Planänderungsbegehren entscheide. Diese Kompetenzerteilung an das Bundesamt für Verkehr, der erstinstanzlichen Aufsichtsbehörde in Eisenbahnsachen, weicht von der allgemeinen Norm von
BGE 115 Ib 424 S. 436
Art. 55 EntG
ab, welche den Entscheid über die enteignungsrechtlichen Einsprachen dem zuständigen Departement überträgt. Wie das Verfahren, das für Bauvorhaben von untergeordneter Bedeutung vereinfacht werden kann, im einzelnen auszugestalten sei, stellt
Art. 18 Abs. 5 EBG
dem Bundesrat als Verordnungsgeber anheim. Immerhin ergibt sich aus
Art. 11 EBG
, wonach gegen Verfügungen der Aufsichtsbehörde nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege Beschwerde geführt werden kann, dass die Verfahrensordnung grundsätzlich dem VwVG und dem OG entsprechen soll. Weiter muss das Plangenehmigungsverfahren für den Fall, dass gemeinsam mit ihm die Enteignung eingeleitet wird, alle Funktionen des enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens übernehmen können (vgl. oben E. 4b und dort zitierte Entscheide).
b) Die am 26. November 1984 revidierte Planvorlagenverordnung sieht neu drei verschiedene Plangenehmigungsverfahren vor. Das im Einzelfall durchzuführende wird von der Plangenehmigungsstelle - in der Regel dem Bundesamt für Verkehr (Art. 7 Abs. 1 PVV) - nach Vorlage der Bau- und der allfälligen Enteignungspläne bezeichnet (Art. 19 und 23 PVV). Das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren ist für Bauvorhaben auf Bahnterrain bestimmt, die keine wesentliche Veränderung des äusseren Erscheinungsbildes zur Folge haben, sowie für Detailpläne bereits bewilligter Projekte (Art. 20 lit. a). Im ordentlichen Verfahren werden Projekte genehmigt, wenn keine Enteignung nötig ist oder das Enteignungsverfahren ausnahmsweise der Plangenehmigung nachfolgt (Art. 20 lit. b). Das mit einem Enteignungsverfahren kombinierte Plangenehmigungsverfahren kommt schliesslich zur Anwendung bei Vorhaben, für die ein Enteignungsverfahren nötig ist und dieses gleichzeitig mit dem Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werden kann (Art. 20 lit. c). Für wichtigere Projekte wird somit trotz des Namens das ordentliche Verfahren die Ausnahme und das kombinierte Verfahren die Regel bilden.
Im kombinierten Verfahren leitet der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission das Enteignungsverfahren aufgrund noch nicht genehmigter Projektpläne ein, die von der Behörde lediglich auf Vollständigkeit hin geprüft worden sind (Art. 19 PVV). Die Bekanntmachung der Pläne und Verzeichnisse erfolgt stets durch öffentliche Auflage, da nicht nur den Enteigneten, sondern allen im Sinne von
Art. 6 und 48 VwVG
Betroffenen Gelegenheit zur Einsprache gegeben werden muss (Art. 25 PVV);
BGE 115 Ib 424 S. 437
die Durchführung eines abgekürzten Verfahrens gemäss
Art. 33 EntG
ist daher ausgeschlossen (vgl.
BGE 108 Ib 252
). Nach Abschluss der Einigungsverhandlung sind die Pläne und Unterlagen für das - noch nicht bewilligte - Projekt in jedem Falle, selbst wenn keine Einsprachen erhoben worden sind oder sich der Widerstand gegen das Werk gelegt hat, dem Bundesamt für Verkehr zur Genehmigung vorzulegen. Insofern ist Art. 26 Abs. 3 PVV, der nur davon spricht, dass der Präsident der Schätzungskommission die strittig gebliebenen Einsprachen der Behörde zum Entscheid zu übermitteln habe, ungenau. Der richtige Verfahrensablauf ergibt sich jedoch aus den folgenden Art. 29 und 33 PVV, gemäss welchen das kombinierte wie die anderen Plangenehmigungsverfahren durch eine Verfügung der Behörde abzuschliessen ist und das Dossier nach deren Rechtskraft zur Behandlung der Entschädigungsforderungen an den Präsidenten der Schätzungskommission zurückgehen muss.
6.
Über den Baubeginn bestimmt Art. 34 PVV folgendes:
"Die Bahn kann die Bauarbeiten beginnen, sobald die Plangenehmigungsverfügung rechtskräftig ist und über die allfällige Inanspruchnahme vom Grundstücken Dritter eine Einigung vorliegt. Beim kombinierten Verfahren darf erst mit dem Bau begonnen werden, wenn eine der in den Artikeln 76, 86 Absatz 2 und 91 EntG vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt ist oder wenn der Enteignete der Bahn in einer gütlichen Vereinbarung, die nach Einleitung des Enteignungsverfahrens innerhalb oder ausserhalb des Einigungsverfahrens abgeschlossen worden ist, die vorzeitige Besitznahme des Gegenstandes der Enteignung gestattet hat."
Nach Auffassung des Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 12, ist Absatz 2 dieser Bestimmung so zu verstehen, dass im kombinierten Plangenehmigungsverfahren im Gegensatz zum vereinfachten oder zum ordentlichen Verfahren mit dem Bau der Bahnanlage bereits begonnen werden dürfe, wenn einer vorzeitigen Besitzeinweisung gemäss
Art. 76 EntG
nichts mehr im Wege stehe, ohne dass die Rechtskraft der Plangenehmigungsverfügung abgewartet werden müsse. Dagegen wenden die Beschwerdeführer ein, die Inanspruchnahme von Privateigentum könne unmöglich gestattet werden, solange die Realisierbarkeit des Bahnprojektes nicht feststehe; ein Baubeginn komme daher frühestens nach rechtskräftigem Entscheid über die umstrittene Genehmigung in Frage. Durch eine solche Auslegung würde aber, so befürchtet die Rhätische Bahn, das Institut der vorzeitigen Besitzeinweisung gänzlich ausgehöhlt.
BGE 115 Ib 424 S. 438
Wie Art. 34 Abs. 2 PVV zu interpretieren sei, ist tatsächlich nicht leicht zu entscheiden.
a) Im Laufe der Vorarbeiten für die Änderung der Planvorlagenverordnung haben die beteiligten Bundesstellen mit dem Bundesgericht über verschiedene Revisionspunkte einen Gedankenaustausch gepflegt. Über die Frage des Baubeginns ist indessen nicht beraten worden, da damals der Text des heutigen Art. 34 PVV noch nicht entworfen war. Das Bundesgericht hat lediglich darauf hingewiesen, dass auch in dieser Hinsicht die nötigen Anpassungen vorzunehmen seien. Für die Auslegung von Art. 34 Abs. 2 PVV ergibt sich daher aus diesen Materialien nichts.
b) Der Wortlaut von Art. 34 Abs. 2 PVV erweckt den Eindruck, dass die Frage, in welchem Stadium des kombinierten Verfahrens mit dem Bau begonnen werden dürfe, abschliessend beantwortet werde. Danach würde für den Baubeginn einzig vorausgesetzt, dass die für den Bahnbau benötigten Grundstücke und andere Rechte Dritter vom Enteigner bereits erworben worden sind (
Art. 86 Abs. 2,
Art. 91 EntG
) oder dass die vorzeitige Inbesitznahme dieser Rechte entweder durch den Schätzungskommissions-Präsidenten erlaubt (
Art. 76 EntG
) oder gütlich vereinbart worden ist.
Die allein auf den Text von Art. 34 Abs. 2 PVV gestützte Auslegung führt jedoch zu einem unhaltbaren Resultat:
Da der Präsident der Schätzungskommission, falls die Voraussetzungen von
Art. 76 Abs. 1 EntG
gegeben sind, nach der Einigungsverhandlung die vom Enteigner verlangte vorzeitige Besitzeinweisung gewähren muss und hängige Einsprachen oder Planänderungsgesuche diese an sich nicht hindern, sofern bei nachträglicher Gutheissung der frühere Zustand wiederhergestellt werden kann (
Art. 76 Abs. 4 EntG
), wäre im kombinierten Verfahren die vorzeitige Besitzergreifung und der Baubeginn schon möglich, bevor dem Projekt noch irgendeine Genehmigung erteilt worden ist. Dies widerspräche nicht nur dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (s. E. 4d), sondern würde auch gegen die ausdrückliche Bestimmung von
Art. 18 EBG
verstossen, nach welcher die Pläne für die Erstellung und Änderung von Bauten, Anlagen und Fahrzeugen "vor ihrer Ausführung" von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen sind. Die u.a. von HEINZ HESS vertretene Auffassung, für den Baubeginn genüge, dass die in
Art. 76 EntG
umschriebenen Voraussetzungen gegeben seien, kann daher nicht richtig sein (vgl. HESS/WEIBEL, a.a.O. Bd. II S. 80, während WEIBEL eine andere Meinung vertritt; s. unten E. 6c).
BGE 115 Ib 424 S. 439
Vielmehr ergibt sich, dass Art. 34 Abs. 2 PVV die Frage, wann bei Durchführung eines kombinierten Verfahrens die Bauarbeiten frühestens in Angriff genommen werden könnten, bloss unvollständig, nur aus enteignungsrechtlicher Sicht regelt, und sich nicht darüber ausspricht, wie weit das eigentliche Plangenehmigungsverfahren gediehen sein müsse. Diese Lücke ist vom Richter an Stelle des Verordnungsgebers auszufüllen.
c) Der Gedanke liegt nahe, bei der Ergänzung von Art. 34 Abs. 2 PVV auf die für das vereinfachte und das ordentliche Verfahren geltende Regelung von Art. 34 Abs. 1 PVV abzustellen, wonach mit den Bauarbeiten erst begonnen werden kann, wenn die Plangenehmigungsverfügung rechtskräftig ist. Übertragen auf das kombinierte Verfahren würde das bedeuten, dass die Bahn mit der vorzeitigen Besitzeinweisung und dem Baubeginn zuwarten müsste, bis der Plangenehmigungs- und Einspracheentscheid des Bundesamtes für Verkehr in Rechtskraft erwachsen wäre, d.h. bis allfällige Beschwerden vom Departement und vom Bundesrat bzw. Bundesgericht endgültig beurteilt worden wären. Die Idee, Art. 34 Abs. 1 PVV beizuziehen, erscheint umso bestechender, als dieser von seinem Wortlaut und seiner Stellung her als allgemeine, für alle drei Arten des Plangenehmigungsverfahrens gültige Norm betrachtet werden könnte. Eine solche Auffassung hat sich wohl HEINRICH WEIBEL zu eigen gemacht (HESS/WEIBEL, a.a.O. Bd. I N. 41 zu
Art. 76 EntG
) und liegt offenbar auch den angefochtenen Entscheiden des Bundesamtes für Verkehr und des Departementes zugrunde, da anders nicht zu verstehen wäre, weshalb den gegen die Plangenehmigungsverfügung gerichteten Beschwerden die aufschiebende Wirkung entzogen worden ist; eine solche Massnahme hat nur einen Sinn, wenn der Baubeginn an die Voraussetzung der Rechtskraft der Plangenehmigung geknüpft wird.
Zwei Gründe sprechen jedoch klar dagegen, Art. 34 Abs. 1 PVV als generelle, auch auf das kombinierte Verfahren anwendbare Norm zu betrachten:
Einerseits würde Art. 34 Abs. 2 PVV durch eine solche Auslegung jeder konkreten Bedeutung und eigenen Tragweite beraubt. Es versteht sich nämlich von selbst, dass im Verfahren, das der gemeinsamen und gleichzeitigen Behandlung jeglicher - eisenbahnrechtlicher, enteignungsrechtlicher oder sonstiger öffentlichrechtlicher - Einwendungen gegen das Projekt und der hiefür erforderlichen Enteignungen dient, mit der rechtskräftigen Beurteilung dieser Vorbringen alle dem Bau des Werkes entgegenstehenden
BGE 115 Ib 424 S. 440
Hindernisse beseitigt werden und die Bahn nur noch die verlangten Rechte zu erwerben braucht. Die Bestimmung von Art. 34 Abs. 2 PVV erwiese sich als völlig überflüssig.
Entscheidend ist aber andererseits, dass eine Anwendung von Art. 34 Abs. 1 PVV im kombinierten Verfahren mit der im Jahre 1971 neu gefassten Bestimmung von
Art. 76 Abs. 4 EntG
unvereinbar wäre und den Hauptzweck der Gesetzesrevision vereiteln würde. Mit
Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG
hat der Gesetzgeber - wie bereits dargelegt (E. 4d) - die Möglichkeit geschaffen, die vorzeitige Besitzeinweisung unter gewissen Voraussetzungen schon vor der Erledigung der Einsprachen und der Begehren nach
Art. 7-10 EntG
zu verfügen. Damit sollten die Verfahren beschleunigt und Druckversuche von seiten der Enteigneten unterbunden werden (vgl.
BGE 115 Ib 22
E. 5a,
BGE 111 Ib 20
E. 5b, 108 Ib 491). Müsste nun der Enteigner auch im kombinierten Verfahren gemäss Art. 34 Abs. 1 PVV stets die Rechtskraft der Plangenehmigungsverfügung abwarten, um die Besitzeinweisung zu verlangen - was angesichts des dreistufigen Instanzenzuges (Bundesamt für Verkehr, EVED, Bundesrat oder Bundesgericht) lange dauern kann -, so käme
Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG
überhaupt nie zum Zuge. Dieser Gesetzesnorm kommt jedoch generelle Bedeutung zu, die durch eine Verordnungsbestimmung nicht beschränkt werden kann.
Dass sich neben den Enteigneten auch die weiteren Betroffenen im Sinne von
Art. 6 und 48 VwVG
am kombinierten Plangenehmigungsverfahren beteiligen können, vermag übrigens an der Geltung von
Art. 76 Abs. 4 Satz 2 EntG
nichts zu ändern, ist doch nicht einzusehen, weshalb die Bahn infolge der Erweiterung des Einsprecherkreises der Vorteile verlustig gehen sollte, die der Gesetzgeber allen Enteignern verschaffen wollte (vgl. zur gleichen Frage im Einspracheverfahren nach Nationalstrassengesetz:
BGE 115 Ib 95
f.). Die Erfahrung lehrt denn auch, dass die Einwendungen der bloss in ihren tatsächlichen Interessen Betroffenen in der Regel nicht anders lauten als jene der Enteigneten, und dass diese Rügen kaum je speziell eisenbahn- oder enteignungsrechtlicher Natur sind, sondern meist Fragen der Raumplanung, des Natur- und Heimat- oder des Umweltschutzes betreffen.
Demnach erweist sich nicht nur die Anwendung von Art. 34 Abs. 2 PVV nach seinem blossen Wortlaut, sondern auch die Berücksichtigung von Art. 34 Abs. 1 im kombinierten Verfahren als unvereinbar mit dem Gesetz, und ist die Bahn zwar vor Erlass der erstinstanzlichen Plangenehmigungsverfügung zur Inangriffnahme
BGE 115 Ib 424 S. 441
der Bauarbeiten nicht berechtigt, doch auch nicht gehalten, bis zur Rechtskraft der Verfügung zuzuwarten.
d) Somit bieten sich immer noch zwei Möglichkeiten der Lückenfüllung an:
Entweder wird für den Baubeginn im kombinierten Verfahren vorausgesetzt, dass das Bundesamt für Verkehr als untere Aufsichtsbehörde die Pläne unter gleichzeitiger Beurteilung der enteignungsrechtlichen Einsprachen und Planänderungsbegehren genehmigt habe (
Art. 18 Abs. 4 EBG
), und spielt es keine Rolle, ob der Entscheid weitergezogen werde oder nicht. Oder es muss im Fall der Anfechtung der Plangenehmigungsverfügung abgewartet werden, bis auch das EVED als Beschwerdeinstanz und obere Aufsichtsbehörde (
Art. 10 Abs. 2 EBG
) entschieden habe. Diese zweite Lösung ist der Minimallösung vorzuziehen, da sie zwischen den unterschiedlichen Interessen von Bahn und Opponenten einen Ausgleich schafft und am ehesten der Ordnung des Nationalstrassengesetzes entspricht. Dazu ist im einzelnen folgendes festzuhalten:
aa) Könnte schon nach dem Entscheid des Bundesamtes für Verkehr mit dem Bau an der Bahnanlage begonnen werden, so würde dem Interesse der Bahn an der unverzüglichen Verwirklichung des Projektes ein kaum zu rechtfertigendes überwiegendes Gewicht eingeräumt. Insbesondere wäre nicht einzusehen, weshalb die Bahn im kombinierten Verfahren, das der Genehmigung von Grossprojekten dient, durch welche einschneidend in Rechte Dritter eingegriffen wird, die Bauarbeiten schon nach der erstinstanzlichen Verfügung anhand nehmen könnte, während sie sich aufgrund von Art. 34 Abs. 1 PVV im ordentlichen Verfahren, wenn keine Enteignung nötig ist, bis zur Rechtskraft der Plangenehmigungsverfügung, das heisst allenfalls bis zum Entscheid der dritten und letzten Instanz, gedulden muss. Ein derartiger Unterschied wäre unangemessen und würde die Bahn nicht nur begünstigen: Solange noch Einsprachen hängig sind, kann der Bahn die vorzeitige Besitzergreifung nur mit dem Vorbehalt gestattet werden, dass sie bei allfälliger Gutheissung der Begehren den früheren Zustand wieder herstellen oder das bereits begonnene Werk abändern muss. Nun nimmt das Risiko nachträglicher Aufhebung oder Änderung der Plangenehmigungsverfügung mit der Länge des noch zu durchlaufenden Rechtsmittelweges zweifellos zu, insbesondere wenn - wie hier - zumindest eine der Instanzen sowohl in technischer wie in enteignungsrechtlicher Hinsicht auch über Ermessensfragen
BGE 115 Ib 424 S. 442
frei befindet. Die umsichtig handelnde Bahn würde daher ohnehin von selbst darauf verzichten, für umstrittene Projekte die vorzeitige Besitzeinweisung schon nach Erlass der erstinstanzlichen Verfügung zu verlangen.
Eine derart frühzeitige Besitzergreifung widerspräche aber vor allem den Interessen der Enteigneten. Wohl darf nach bundesgerichtlicher Praxis die Tatsache, dass mit dem Bau des Werkes bereits begonnen worden ist, den Entscheid über die Einsprachen und die Planänderungsbegehren nicht präjudizieren, da der Enteigner das mit der Besitzergreifung verbundene Risiko allein zu tragen hat (
BGE 111 Ib 93
,
BGE 108 Ib 491
). Sind aber schon beträchtliche Summen in das Werk investiert worden und müssten noch weitere nutzlos für die Wiederherstellung des früheren Zustandes ausgegeben werden, so mag dies, wenn auch unbewusst, im einen oder andern Fall bei der Beurteilung der gegen das Projekt erhobenen Einwände zum Nachteil der Einsprecher mitspielen.
Das an sich verständliche und berechtigte Bestreben nach zügiger Erstellung öffentlicher Werke muss daher jedenfalls dort eine Schranke finden, wo es darum geht, den betroffenen Privaten und den zur Einsprache legitimierten Organisationen eine wirksame Verteidigung ihrer Interessen zu gewährleisten. Der Auseinandersetzung mit ihren Anliegen ist sowohl bei der Festlegung des gesetzlichen Verfahrensablaufs als auch im Einzelfall bei der Aufstellung des Bauprogramms gebührende Zeit zu widmen.
bb) Die Lösung, eine vorzeitige Besitzeinweisung erst zuzulassen, wenn im Rechtsmittelverfahren der Departementsentscheid vorliegt, entspricht im Ergebnis der im Bundesgesetz über die Nationalstrassen getroffenen Ordnung. Dieses Gesetz ist bei der Lückenfüllung nicht nur beizuziehen, weil es analoge Fragen beschlägt(vgl.
BGE 108 Ib 151
E. 4a,
BGE 105 Ib 13
E. 3c) - findet doch für den Nationalstrassenbau stets ein "kombiniertes Verfahren" statt - sondern vor allem auch, weil es bei der Revision des Eisenbahngesetzes im Jahre 1982 als Vorbild diente (vgl. oben E. 5a). Nach dem Bundesgesetz über die Nationalstrassen fällt eine vorzeitige Besitzergreifung erst in Betracht, wenn sich die letzte kantonale Instanz über die Einsprachen und Planänderungsbegehren ausgesprochen hat und das bereinigte Ausführungsprojekt zusätzlich vom zuständigen eidgenössischen Departement genehmigt worden ist, womit der Weg für die Einleitung des auf die Behandlung der Entschädigungsfragen beschränkten Enteignungsverfahrens freigegeben wird (Art. 27/28 und 39 NSG s. oben
BGE 115 Ib 424 S. 443
E. 4d). Mit dem Bau an der Nationalstrasse kann daher erst begonnen werden, wenn einzig noch die Möglichkeit besteht, das Ausführungsprojekt beim Bundesgericht oder Bundesrat anzufechten. Das gleiche Ergebnis wird mit der hier zur Ergänzung von Art. 34 Abs. 2 PVV ausgewählten Regelung erreicht.
An der Zweckmässigkeit einer übereinstimmenden Ordnung für den Baubeginn an Nationalstrassen einerseits und Bahnanlagen andererseits ändert im übrigen nichts, dass das Projektierungsverfahren für Nationalstrassen und das kombinierte eisenbahnrechtliche Verfahren nicht in allen Punkten identisch sind. So ist unerheblich, dass das EVED im eisenbahnrechtlichen Verfahren als eigentliche Rechtsmittelinstanz, im Verfahren nach Nationalstrassengesetz dagegen als ausserhalb des Instanzenzuges stehende Genehmigungsbehörde auftritt. Dass nach Nationalstrassengesetz der Einigungsverhandlung, an der frühestens über die Besitzeinweisung entschieden wird, eine zusätzliche zweite Planauflage zur Anmeldung der Entschädigungsforderungen voranzugehen hat, während für Eisenbahnbauten nur eine einzige Publikation der Pläne vorgesehen wird, bestärkt nur im Gedanken, dass in diesem konzentrierten Verfahren der Baubeginn nicht noch vorgezogen, sondern eher hinausgeschoben werden soll. Hiefür spricht schliesslich auch, dass für Nationalstrassen ein generelles Projekt geschaffen und genehmigt werden muss und im eisenbahnrechtlichen Verfahren eine entsprechende Phase völlig fehlt.
cc) Allerdings könnte gegen den Aufschub des Baubeginns bis zur Vorliegen des Departementsentscheides eingewendet werden, es bestehe ja aufgrund von
Art. 51 EntG
schon die Möglichkeit, dass der Präsident der Schätzungskommission, falls Einsprachen voraussichtlich namhafte Planänderungen zur Folge haben, die Einigungsverhandlung und damit auch den Entscheid über das Besitzeinweisungs-Gesuch bis zur Erledigung der Einsprachen ganz oder teilweise aussetzt. Dem Schätzungskommissions-Präsidenten - der in diesem Verfahrensabschnitt praktisch über keine Entscheidungsbefugnisse verfügt (
BGE 111 Ib 282
, 110 Ib 42 E. 3a) - kann jedoch die Verantwortung nicht aufgebürdet werden, in jedem Fall durch Anwendung der Ausnahmevorschrift von
Art. 51 EntG
an Stelle des Gesetzgebers darüber entscheiden zu müssen, wann die technische Plangenehmigung für einen Baubeginn genügend weit gediehen sei. Dass die Schätzungskommission im kombinierten Verfahren für Eisenbahnbauten, im Gegensatz zum Verfahren für den Nationalstrassenbau, bereits im Rahmen
BGE 115 Ib 424 S. 444
der Planauflage zum Einsatz kommt, hat denn auch keine rechtlichen, sondern nur praktische Gründe; damit wird eine Entlastung des Bundesamtes für Verkehr von Organisationsaufgaben auf dem Gebiet der ganzen Schweiz durch bereits bestehende, dezentralisierte eidgenössische Behörden erreicht, welche im fraglichen Bereich - der Kontrolle der Pläne und Aussteckungen, der Anordnung der Planauflage und Publikationen - schon über die nötige Erfahrung verfügen.
e) Nach dem Gesagten ist Art. 34 Abs. 2 PVV derart zu vervollständigen, dass beim kombinierten Verfahren erst mit dem Bau begonnen werden darf, wenn die genannten enteignungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die Plangenehmigungsverfügung des Bundesamtes für Verkehr in Rechtskraft erwachsen oder der Beschwerdeentscheid des EVED ergangen ist. Diese Ergänzung hält sich im gesetzlichen Rahmen von
Art. 18 Abs. 4 EBG
sowie
Art. 76 Abs. 4 EntG
und darf in dem Sinne als ausgewogene Lösung betrachtet werden, als sie sowohl dem Wunsch nach zügiger Bauausführung als auch dem Bedürfnis nach Rechtsschutz und Rechtssicherheit entgegenkommt. Sie berücksichtigt überdies, dass durch das kombinierte eisenbahnrechtliche Verfahren der Verfahrensablauf wohl äusserst gestrafft und die Befugnis zum erstinstanzlichen Einsprachenentscheid an ein Bundesamt delegiert, dadurch aber am angestammten Kompetenzbereich des Departementes als Genehmigungsbehörde nichts geändert worden ist. Schliesslich erlaubt sie dem Bundesgericht, auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die vorzeitige Besitzeinweisung hin von den noch nicht erledigten Einsprachen und Planänderungsbegehren ohne weiteren Aufwand Kenntnis zu nehmen, da diese im fraglichen Zeitpunkt ebenfalls schon beim Bundesgericht angelangt sein müssen.
7.
Gemäss der in diesem Sinne ergänzten Bestimmung von Art. 34 Abs. 2 PVV hätte im vorliegenden Fall der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission der Rhätischen Bahn die vorzeitige Besitzergreifung, da der Beschwerdeentscheid des EVED noch nicht ergangen ist, zur Zeit verweigern müssen. Das EVED hätte seinerseits in seiner Zwischenverfügung festhalten sollen, dass den bei ihm eingereichten Beschwerden nach spezialgesetzlicher Regelung aufschiebende Wirkung zukomme, die auch in Anwendung von
Art. 55 Abs. 2 VwVG
grundsätzlich nicht aufgehoben werden könne.
Zwar ist einzuräumen, dass sich in Sonderfällen zur Abwehr schwerer und unmittelbarer Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere von wichtigen Polizeigütern, ein sofortiger Baubeginn
BGE 115 Ib 424 S. 445
bzw. die sofortige Vollstreckung der Plangenehmigungsverfügung aufdrängen kann (vgl. FRITZ GYGI, Aufschiebende Wirkung und vorsorgliche Massnahmen in der Verwaltungsrechtspflege, ZBl 77/1976 S. 6 f.); zu denken ist etwa an Lawinenniedergänge, Erdrutsche Oder Überschwemmungen, die den unverzüglichen Bau von Schutzvorrichtungen und Notverbindungen erforderlich machen. Ein solcher Fall ist jedoch hier, wo es um die Erweiterung des Streckennetzes der Rhätischen Bahn geht, offensichtlich nicht gegeben. Dass der Bau längere Zeit in Anspruch nehmen und mit hohen Kosten verbunden sein wird, ist heute für jedes grössere Bahnprojekt die Regel und noch kein Grund, Anordnungen zu treffen, die für den Ausnahmefall vorbehalten bleiben sollen.
Das EVED bringt allerdings in seinem Entscheid über die aufschiebende Wirkung auch vor, weil nur den Anlagen für die "rollende Strasse", nicht aber einer blossen Eisenbahnverbindung Widerstand erwachsen sei, spreche nichts dagegen, dass mit der Erstellung der eigentlichen Bahn- und Tunnelbauten - ohne die Verladeanlagen - schon jetzt begonnen werde. Damit geht das Departement jedoch völlig darüber hinweg, dass mit der neuen Eisenbahnlinie eine auch für den Autoverkehr wintersichere Verbindung mit dem Unterengadin geschaffen werden soll und die "rollende Strasse" das Kernstück der Vereinalinie bildet, ohne das der Bundesrat und das Parlament dem Projekt nicht zugestimmt hätten. Zudem wird übersehen, dass eine allfällige Verlegung des Verladebahnhofes, wie sie von verschiedenen Einsprechern verlangt worden ist, Auswirkungen auf die Strecken- und Tunnelführung haben könnte und mit Sicherheit Folgen für die Verwendung bzw. den Abtransport des Aushubmaterials hätte. Auch aus dieser Sicht lässt sich der vom Departement für gewisse Arbeiten zugelassene sofortige Baubeginn nicht rechtfertigen.
Die Besitzeinweisungs-Verfügungen des Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 12, sind demnach als verfrüht aufzuheben, ohne dass zu prüfen wäre, ob
Art. 76 EntG
richtig angewendet worden sei. Da sich die Enteigneten und weiteren Beteiligten zum Besitzeinweisungs-Gesuch bereits haben äussern können, wird der Präsident nach dem Beschwerdeentscheid des EVED auch ohne zusätzliche Anhörung der Parteien eine neue Verfügung treffen können. Ebenfalls aufzuheben ist der Zwischenentscheid des EVED insoweit, als der Entzug der aufschiebenden Wirkung bestätigt worden ist. Nach dem hier Gesagten erübrigt sich die ausdrückliche Wiederherstellung des Suspensiveffektes. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
5000fa1c-6fa0-4559-a113-9d3cc47f19b8 | Urteilskopf
83 III 49
14. Schreiben der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer an die Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz. Lettre de la Chambre des poursuites et des faillites à la Conférence des préposés aux offices des poursuites et des faillites de Suisse. Lettera della Camera di esecuzione e dei fallimenti alla Conferenza degli ufficiali svizzeri di esecuzione e dei fallimenti. (24. 6.1957). | Regeste
Art. 4 Abs. 5 VO des Bundesgerichts vom 23.12.1953 über Ergänzung und teilweise Ände rung der VO vom 19.12.1910/23.12.1932 betreffend Eintragung der Eigentumsvorbehalte. - Ist bei Wohnsitzwechsel des Erwerbers der Eintrag am bisherigen Wohnsitz (von Amtes wegen) zu löschen? - Gebührenerhebung? | Erwägungen
ab Seite 50
BGE 83 III 49 S. 50
Auf eine bezügliche Anfrage der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz (und des Betreibungsamtes Zürich 2) hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer am 24. Juni 1957 wie folgt geantwortet:
Nach
Art. 715 ZGB
ist der Eigentumsvorbehalt nur wirksam, wenn er am jeweiligen Wohnort des Erwerbers eingetragen ist. Art. 3 der Verordnung betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte sieht daher vor, dass beim Wechsel des Wohnortes (oder der Geschäftsniederlassung; bei Wohnsitz im Ausland, siehe Art. 1 Abs. 1 der Verordnung) eine neue Eintragung bei dem nun zuständigen Registeramte vorzunehmen ist. Nach Art. 3 Abs. 2 verliert die frühere Eintragung ihre Wirkung einen Monat nach dem Erwerb des neuen Wohnsitzes bezw. Geschäftsdomizils. Eine Löschung von Amtes wegen ist jedoch nicht vorgeschrieben, auch nicht in Art. 4, und sie lässt sich im besondern nicht auf die neue Vorschrift des rev. Art. 4 Abs. 5 stützen, wonach das um Eintragung ersuchte Registeramt des neuen Wohnortes auf Kosten des Anmeldenden die beim Amt des frühern Wohnortes aufbewahrten zugehörigen Akten einzuverlangen hat. Bei der Vorbereitung der Verordnung im Jahre 1910 hatte man zwar die Frage erwogen, ob die Erwirrkung einer Eintragung am neuen Wohnort die Löschung des allfällig bestehenden Eintrages am bisherigen Wohnorte von Amtes wegen nach sich ziehen solle. Doch wurde keine dahingehende Bestimmung aufgestellt. Art. 12 der Verordnung unterscheidet nicht einmal zwischen den verschiedenen Löschungsgründen, während ein Vorentwurf die Aufgabe des Wohnsitzes im betreffenden Betreibungskreis ausdrücklich als Grund zur Löschung anführte, aber nicht etwa zur Löschung
BGE 83 III 49 S. 51
von Amtes wegen, sondern zur Löschung auf Antrag beider Parteien oder des Veräusserers allein. Dem entspricht das System des geltenden Art. 12, der nur die Löschung auf Antrag kennt und im übrigen, ohne Rücksicht auf deren Grund, zwischen mündlicher und schriftlicher Erklärung unterscheidet. Eine Löschung von Amtes wegen erfolgt dagegen im Bereinigungsverfahren, und zwar unentgeltlich (Art. 6 der Verordnung vom 29. März 1939).
Daraus ist nun freilich nicht zu schliessen, dass der wegen Wohnsitzwechsels des Erwerbers unwirksam gewordene Eintrag im Register des bisherigen Wohnortes unverändert bestehen bleiben solle. Verlangt das Amt des neuen Wohnsitzes, wo die Eintragung ebenfalls nachgesucht wurde, die zugehörigen Akten gemäss dem revidierten Art. 4 Abs. 5 ein, so erhält das Registeramt des bisherigen Wohnortes damit zuverlässige Kenntnis vom Wohnsitzwechsel. Es darf daher den Eintrag in seinem Register gemäss Art. 3 Abs. 2 der Verordnung als hinfällig betrachten. Das rechtfertigt es, unter der Rubrik "Löschung" den Wohnsitzwechsel des Erwerbers und die nun an dessen neuem Wohnort erfolgte Eintragung anzumerken. Wo das Hauptregister in Kartenform geführt wird, sind die mit dieser Anmerkung versehenen Karten aus dem in Gebrauch stehenden Register zu entfernen und zu archi.
vieren.
Für diese der Entlastung des laufenden Registers dienende Notiznahme und Archivierung von Amtes wegen ist keine Gebühr zu erheben. Die Analogie zur Löschung im Bereinigungsverfahren drängt sich auf, und der Gebührentarif verpflichtet denn auch in Art. 45 zur Gebührenentrichtung allgemein nur "die antragstellende Partei". Die Kosten der durch die Anmeldung des Eigentumsvorbehaltes am neuen Wohnort verursachten Aktenüberweisung sind dagegen dem Anmeldenden zu belasten, wie Art. 4 Abs. 5 der Verordnung es ausdrücklich bestimmt.
BGE 83 III 49 S. 52
La Chambre des poursuites et des faillites a répondu ce qui suit, le 24 juin 1957, à une lettre de la Conférence des préposés aux offices des poursuites et des faillites de Suisse (et de l'office des poursuites de Zurich 2) relative à cette question:
Selon l'art. 715 CC, le pacte en vertu duquel l'aliénateur se réserve la propriété d'un meuble transféré à l'acquéreur n'est valable que s'il a été inscrit au domicile actuel de ce dernier. L'art. 3 de l'ordonnance concernant l'inscription des pactes de réserve de propriété prévoit par conséquent que, lorsque l'acquéreur transfère son domicile (ou son établissement; pour le domicile à l'étranger, voir art. 1er al. 1 de l'ordonnance), une nouvelle inscription doit être prise dans le nouvel arrondissement. Selon l'art. 3 al. 2, l'inscription primitive perd son effet un mois après la fondation du nouveau domicile. Une radiation d'office n'est cependant pas prévue et elle ne peut notamment trouver son fondement dans l'art. 4 revisé, al. 5, selon lequel "l'office du nouveau domicile réclamera à l'office de l'ancien domicile les pièces qui étaient jusqu'alors conservées par ce dernier". En 1910, lors des travaux préparatoires de l'ordonnance, on s'était, il est vrai, demandé si la nouvelle inscription devait entraîner d'office la radiation de celle qui avait pu être opérée à l'ancien domicile. Mais aucune prescription n'a été édictée sur ce point. L'art. 12 de l'ordonnance ne distingue même pas entre les différents motifs de radiation, alors qu'un avant-projet prévoyait expressément comme motif de radiation l'abandon du domicile dans l'arrondissement en question; dans ce cas, toutefois, la radiation ne devait pas être opérée d'office, mais à la demande des deux parties ou du seul aliénateur. Cela est conforme au système de l'art. 12 actuellement en vigueur, qui ne connaît que la radiation sur demande et qui fait du reste une distinction entre les déclarations orales et écrites, quel que soit le motif de radiation. Dans la procédure d'épuration, en revanche, la radiation est opérée d'office, gratuitement (art. 6 de l'ordonnance du 29 mars 1939).
BGE 83 III 49 S. 53
Il ne faut pas en déduire que l'inscription qui a perdu son effet à la suite d'un changement de domicile de l'acquéreur subsisterait telle quelle. Lorsque l'office du nouveau domicile, où l'inscription est également requise, réclame les pièces s'y rapportant (art. 4 revisé, al. 5), l'office de l'ancien domicile est avisé de source sûre du changement de domicile. Il peut donc considérer que l'inscription dans son registre a perdu son effet selon l'art. 3 al. 2 de l'ordonnance, ce qui justifie d'annoter dans la rubrique "radiation" et le changement de domicile de l'acquéreur et l'inscription faite au nouveau domicile. Là où le registre principal a été remplacé par un fichier, les fiches portant une telle annotation en seront retirées et seront conservées aux archives.
Il n'y a pas lieu de percevoir un émolument pour cette annotation et la mise aux archives, qui allègent le registre courant. L'analogie avec la radiation dans la procédure d'épuration s'impose, et le tarif des frais établit du reste à l'art. 45 la règle générale que "la partie requérante" doit payer seule les émoluments. En revanche, les frais de transmission des pièces à la suite de la requête d'inscription au nouveau domicile doivent être mis à la charge de la partie requérante, comme le prévoit expressément l'art. 4 al. 5.
La Camera di esecuzione e dei fallimenti ha risposto quanto segue, il 24 giugno 1957, ad una richiesta della Conferenza degli ufficiali svizzeri d'esecuzione e dei fallimenti (nonché dell'ufficio di esecuzione di Zurigo 2) relativa a tale questione:
Giusta l'art. 715 CC, la riserva della proprietà è valida solo se sia iscritta nel luogo dell'attuale domicilio dell'acquirente. L'art. 3 del regolamento concernente l'iscrizione dei patti di riserva della proprietà prevede di conseguenza che in caso di trasferimento del domicilio (o del domicilio d'affari; per il domicilio all'estero, vedi art. 1 cp. 1 del regolamento) una nuova iscrizione dovrà essere fatta nel
BGE 83 III 49 S. 54
nuovo circondario competente. In virtù dell'art. 3 cp. 2, l'iscrizione primitiva cessa di spiegare i suoi effetti un mese dopo l'acquisto del nuovo domicilio o domicilio di affari. Tuttavia, una cancellazione d'ufficio non è prescritta, nemmeno nell'art. 4; essa non può segnatamente essere fondata sul riveduto art. 4 cp. 5, secondo cui l'ufficio del nuovo domicilio deve, quando è stato richiesto di procedere all'iscrizione, domandare a quello del domicilio anteriore di rimettergli, a spese del richiedente, i documenti da esso conservati. Vero è che in sede di elaborazione del regolamento del 1910 era stata esaminata anche la questione se il conseguimento di un'iscrizione nel luogo del nuovo domicilio non dovesse comportare la cancellazione d'ufficio dell'eventuale iscrizione sussistente al precedente domicilio. Nessuna disposizione fu tuttavia emanata in questo senso. L'art. 12 del regolamento non distingue neppure tra i vari motivi di cancellazione, mentre un avanprogetto indicava esplicitamente la cessazione del domicilio nel circondario d'esecuzione competente come un motivo di cancellazione, sia pure nel senso che l'iscrizione poteva essere cancellata non già d'ufficio, bensì a richiesta di ambedue le parti o dell'alienante. A questo sistema corrisponde l'art. 12 in vigore, che prevede solo la cancellazione a richiesta delle parti e distingue per il rimanente, indipendentemente dal motivo della cancellazione medesima, tra dichiarazione verbale e scritta. Una cancellazione d'ufficio - e senza spese - è invece prevista nella procedura di appuramento (art. 6 del regolamento del 29 marzo 1939).
Dalle considerazioni che precedono non si deve naturalmente dedurre che un'iscrizione nel registro del domicilio precedente, divenuta inefficace per cambiamento di domicilio dell'acquirente, debba continuare a sussistere invariata. Qualora l'ufficio del nuovo domicilio, dove l'iscrizione è parimente stata chiesta, domandi la consegna dei documenti conservati dall'ufficio del domicilio precedente, questo dispone, circa il cambiamento di domicilio, di
BGE 83 III 49 S. 55
un'informazione sicura. In questo caso, esso può considerare caduca l'iscrizione nel suo registro, conformemente all'art. 3 cp. 2 del regolamento. Ciò giustifica l'annotazione, nella rubrica "cancellazione", del cambiamento di domicilio dell'acquirente e l'avvenuta iscrizione nel luogo del nuovo domicilio. Dove il registro principale è tenuto in forma di schedario, l'annotazione sarà fatta sulle schede e queste saranno tolte dal registro in uso per essere archiviate.
Nessuna tassa dev'essere riscossa per questa annotazione e archiviatura, che permettono di semplificare il registro corrente. L'analogia con la cancellazione nella procedura di appuramento non può essere negata e la tariffa delle tasse dispone del resto in generale, nel suo art. 45, che le tasse devono essere pagate solo dalla "parte richiedente". Le spese cagionate dalla trasmissione degli atti consecutiva alla notificazione della riserva della proprietà nel luogo del nuovo domicilio devono beninteso essere addossate alla parte che ha chiesto l'iscrizione, conformemente a quanto l'art. 4 cp. 5 espressamente dispone. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
50027437-800e-4c66-8197-75f79596fa11 | Urteilskopf
96 II 447
59. Arrêt de la 1re cour civile, du 14 juillet 1970 en la cause Milcent contre Magermann et la Cour correctionnelle de Genève. | Regeste
Art. 48 OG
. Der Entscheid, durch den das Genfer Strafgericht nach einem Urteil über die Strafklage die zivilrechtlichen Begehren wegen Rechtshängigkeit für unzulässig erklärt, ist ein Endentscheid.
Art. 43 Abs. 1 und 2 OG
. Die Einrede der Rechtshängigkeit gehört grundsätzlich dem kantonalen Verfahrensrecht an. Ob gestützt auf das Bundesstrafrecht erhobene Klagen ihrem Gegenstand nach übereinstimmen, ist indes eine Frage des materiellen Rechts; das Bundesgericht kann sie daher prüfen. | Sachverhalt
ab Seite 448
BGE 96 II 447 S. 448
A.-
Le 28 janvier 1964, les époux Milcent ont fait procéder à un séquestre sur certains biens détenus par Magerman, en vertu de l'art. 271 LP. Ils fondaient leur requête sur l'existence d'une créance "pour détournements de papiers valeurs, lingots d'or et espèces". Une poursuite a parfait le séquestre. Ensuite d'opposition du débiteur, l'action civile a été ouverte par exploit du 5 mars 1964. L'essai obligatoire de conciliation a échoué. La cause a été introduite le 1er mai.
Le 25 mai 1964, les époux Milcent ont déposé une plainte pénale pour escroquerie, faux et abus de confiance contre Magerman. Le 15 juin, ils se sont portés partie civile.
Par décision du 20 janvier 1965, confirmée par la Cour de justice le 4 juin 1965, le Tribunal de première instance a suspendu l'instruction de la cause civile; il a constaté que l'action des époux Milcent tendait à la réparation des dommages causés par les infractions pénales reprochées à Magerman et qu'elle reposait sur les mêmes faits que l'action pénale. Le procès civil, ensuite de renvois successifs, est toujours pendant.
B.-
Après une longue instruction, la Cour correctionnelle siégeant avec le jury a condamné Magerman à trente mois d'emprisonnement pour faux, par arrêt du 16 octobre 1969.
Conformément à l'art. 339 al. 2 PP. gen., les plaignants ont pris leurs conclusions civiles après le prononcé du verdict de culpabilité, réclamant le paiement de sommes de l'ordre de 800 000 fr. en capital. Sur requête de Magerman, qui soulevait la question de litispendance, la cour a fait application de l'art. 349 PP gen. et renvoyé sa décision sur la prétention civile
BGE 96 II 447 S. 449
à une audience ultérieure, afin de procéder selon la procédure civile. Après échange des mémoires et plaidoires, elle a, par arrêt du 17 avril 1970, accueilli l'exception de litispendance.
C.-
Les époux Milcent ont déposé auprès du Tribunal fédéral un pourvoi en nullité, un recours en réforme et un recours de droit public pour arbitraire contre ce prononcé. Par arrêt du 22 mai 1970, la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral a déclaré le pourvoi en nullité irrecevable au regard de l'art. 271 PPF, parce que la décision attaquée n'avait pas été prise en même temps que le jugement sur l'action pénale et qu'elle relevait partant du recours en réforme.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La décision déférée est finale au sens de l'art. 48 OJ. Elle met fin à une procédure tendant à faire régler par le juge, à titre de définitif et permanent, des rapports de droit civil (RO 80 I 264). La Cour correctionnelle de Genève est la dernière instance du canton (Titres V et VI OJ gen.). Aucune voie de recours ordinaire n'est ouverte contre ses arrêts (cf. RO 85 II 285 et cit.). Le pourvoi en cassation de l'art. 437 PP gen., exception faite de l'hypothèse d'une violation de la loi pénale, ne vise que des irrégularités de procédure. Cette disposition ne laisse aucune place à un recours pour violation de la loi civile. Le recours en réforme déposé répond donc aux exigences de l'art. 48 OJ.
2.
a) Selon l'art. 43 al. 1 et 2 OJ, le recours en réforme est recevable pour violation du droit fédéral, c'est-à-dire lorsqu'un principe consacré expressément par une prescription fédérale ou découlant implicitement de ses dispositions n'a pas été appliqué ou a reçu une fausse application.
En principe, l'exception de litispendance relève du droit cantonal de procédure. Toutefois, la décision prise a pour effet de paralyser l'exercice d'une action garantie par le droit civil fédéral lorsque la demande est écartée préjudiciellement pour ce motif. Conséquemment, le Tribunal fédéral a jugé que la question de l'identité quant à l'objet des demandes fondées sur le droit fédéral relève du fond du droit et qu'il peut l'examiner (RO 80 I 262;
85 II 83
; cf. aussi la jurisprudence relative à l'autorité de la chose jugée, où le problème se pose en des
BGE 96 II 447 S. 450
termes analogues: RO 75 II 290 et consid. 2 non publié de l'arrêt Küng, IIe Cour civile, 4 décembre 1969). En revanche, lorsque le débat porte sur la forme en laquelle l'exception doit être présentée, ou sur le choix que la juridiction ou la loi cantonale font quant à celle des instances à laquelle il doit être suivi, ces griefs sont du seul ressort de la procédure cantonale et ne peuvent fonder un recours en réforme.
b) En l'espèce, les recourants ne contestent ni l'identité des demandes, ni celle des parties. Ils soutiennent en premier lieu que, selon le droit de procédure genevois, l'existence d'une action civile séparée n'interdit pas au lésé de se constituer partie civile devant le juge pénal et que, dans ce cas, l'action civile est suspendue, c'est-à-dire paralysée, aussi longtemps que l'action pénale n'a pas été vidée et que le prononcé intervenu sur les conclusions civiles n'a pas acquis l'autorité de la chose jugée pour le tribunal civil. Il ne saurait donc y avoir de litispendance là où l'une des actions en présence est paralysée. En second lieu, les recourants font valoir que l'exception de litispendance a été soulevée tardivement. A supposer qu'elle soit fondée, leur partie adverse aurait dû en exciper déjà à partir du 15 juin 1964. Ils estiment que la qualité de partie civile donne au justiciable le droit de prendre des conclusions civiles et impose au tribunal pénal l'obligation de les juger. Les recourants reprochent enfin à la décision déférée de les placer devant une alternative inacceptable: ou bien ils se portent parties civiles et doivent renoncer aux saisies provisionnelles de la LP, ou bien ils agissent par la voie du séquestre validé par l'action civile et ils perdent du même coup l'espoir de voir le tribunal pénal statuer sur leurs conclusions civiles. Dans cette dernière hypothèse, l'action civile serait paralysée durant l'action pénale sans profit pour le demandeur, puisque le juge civil restè libre d'ignorer complètement le jugement pénal en vertu de l'art. 53 CO.
Ces critiques relèvent exclusivement du droit cantonal de procédure. Elles ont trait à l'organisation du procès, à la forme dans laquelle l'exception de litispendance doit être présentée et au choix de l'instance à laquelle il doit être suivi. Au surplus, les recourants ne sauraient prétendre que la décision déférée les prive de l'exercice d'une action garantie par le droit fédéral, du moment que la Cour correctionnelle a constaté souverainement que l'instance civile, introduite avant le procès pénal et dont l'instruction seule a été suspendue, demeure pendante.
BGE 96 II 447 S. 451
Le recours n'est donc pas recevable.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Déclare le recours irrecevable. | public_law | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
5003b298-a1df-4a9c-9179-7b0759805004 | Urteilskopf
139 IV 241
34. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause Ministère public central du canton de Vaud contre X. (recours en matière pénale)
6B_387/2013 du 8 juillet 2013 | Regeste
Art. 310 StPO
;
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
; Entschädigung bei Nichtanhandnahmeverfügung.
Eine Entschädigung für die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte im Sinne von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO
kommt auch im Falle einer Nichtanhandnahmeverfügung in Betracht (E. 1). | Sachverhalt
ab Seite 241
BGE 139 IV 241 S. 241
A.
Par ordonnance du 1
er
février 2013, le Procureur de l'arrondissement de Lausanne a refusé d'entrer en matière sur une plainte déposée contre X. pour dommages à la propriété.
B.
Statuant par arrêt du 8 mars 2013, le Juge de la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud a admis partiellement le recours de X., lui a alloué une indemnité au sens de l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
à hauteur de 421 fr. 20 pour la procédure de première instance et de 405 fr. pour la procédure de recours.
C.
Le Ministère public du canton de Vaud forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à sa réforme en ce sens que le recours de X. est rejeté, frais à sa charge.
L'autorité précédente a renoncé à se déterminer. X. a déclaré s'en rapporter à justice tout en présentant des observations sur le recours.
BGE 139 IV 241 S. 242
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le recourant soutient que l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
ne mentionne pas la possibilité d'allouer une indemnité en cas de refus d'entrer en matière mais uniquement en cas d'acquittement ou de classement et qu'il s'agirait d'un silence qualifié du législateur.
L'
art. 429 al. 1 let. a CPP
prévoit que si le prévenu est acquitté totalement ou en partie ou s'il bénéficie d'une ordonnance de classement, il a droit à une indemnité pour les dépenses occasionnées par l'exercice raisonnable de ses droits de procédure. L'indemnité ici visée correspond en particulier aux dépenses assumées par le prévenu libéré pour un avocat de choix (
ATF 138 IV 205
consid. 1 p. 206). L'
art. 429 CPP
ne mentionne certes pas expressément l'ordonnance de non-entrée en matière (
art. 310 CPP
) comme cas de figure pouvant donner lieu à indemnité. On ne saurait cependant en déduire un silence qualifié du législateur (sur cette notion, cf.
ATF 139 I 57
consid. 5.2 p. 60). En effet, l'
art. 310 al. 2 CPP
prévoit expressément que les dispositions sur le classement s'appliquent. Il s'ensuit que la même réglementation prévaut pour une non-entrée en matière et un classement. La doctrine est largement d'avis qu'une indemnité selon l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
entre aussi en considération pour une non-entrée en matière (cf. JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, p. 122 n. 5062; MIZEL/RÉTORNAZ, in Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, n° 9 ad
art. 429 CPP
; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2013, n° 9 ad
art. 429 CPP
; PIQUEREZ/MACALUSO, Procédure pénale suisse, 3
e
éd. 2011, p. 728 n. 2281; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2009, n° 1 ad
art. 429 CPP
). Rien ne justifie de s'écarter de cette approche. C'est ainsi en vain que le recourant conteste la possibilité d'allouer une indemnité en vertu de l'
art. 429 al. 1 let. a CPP
en cas de refus d'entrer en matière. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
500467c3-0cab-4657-80f3-0960a6bfc6de | Urteilskopf
117 Ia 35
8. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 25 janvier 1991 dans la cause Jean-François Frésard contre Chambre administrative du Tribunal cantonal du canton du Jura (recours de droit public) | Regeste
Wohlerworbene Rechte; ehehafte Weiderechte.
Der Beschluss der Gemeinde Le Noirmont, das Nutzungsreglement betreffend die Gemeindeweiden dahin abzuändern, dass der Zugang zu letzteren künftig auf in der Gemeinde überwinterte Tiere beschränkt wird, ist verfassungswidrig, soweit er ein neues Erfordernis des Weidenutzungsrechts (ehehaftes Weiderecht) ohne Anhörung der Berechtigten einführt. Es besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse, das diese Beschränkung eines wohlerworbenen Rechts zu rechtfertigen vermag (E. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 36
BGE 117 Ia 35 S. 36
Agriculteur à Muriaux, où il dispose d'un domaine de 8,5 hectares, Jean-François Frésard est également propriétaire de 6,79 hectares de terres agricoles situées au Peu-Péquignot sur la commune du Noirmont. De 1978 à 1988, il a estivé sur le pâturage communal du Noirmont le nombre de pièces de bétail correspondant aux encrannes (droit de pacage immémorial) auxquelles lui donne droit la surface de ses terres cultivées sur le territoire communal.
Le 29 février 1988, l'assemblée communale du Noirmont a adopté un nouveau règlement de jouissance des biens communaux dont l'art. 2 prévoit que le droit de laisser paître du bétail sur les terres communales est soumis à la double condition d'exploiter un domaine agricole sur le territoire communal (lettre a) et d'hiverner le bétail sur ce même territoire (lettre b).
Jean-François Frésard, qui hiverne la majorité de son bétail à Muriaux, s'est opposé en vain à la décision communale en invoquant la nullité de l'art. 2 lettre b du règlement, contraire, selon lui, à ses droits acquis. Par arrêt du 15 mars 1990, la Chambre administrative du Tribunal cantonal du canton du Jura a mis un terme à la procédure cantonale en rejetant le recours de l'agriculteur; le tribunal a estimé en substance que l'obligation d'hivernage ne constitue en l'espèce qu'une modalité réglant l'exercice de la jouissance des biens communaux sans porter atteinte au droit
BGE 117 Ia 35 S. 37
lui-même; il ne saurait dès lors être question d'une atteinte aux droits acquis.
Agissant par la voie du recours de droit public, Jean-François Frésard demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt du 15 mars 1990. Il invoque une violation des
art. 4 et 22ter Cst.
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Les droits d'encrannes en vigueur dans la commune du Noirmont constituent un droit de pacage qui appartient non seulement aux personnes domiciliées dans la commune, mais également à celles qui, ayant élu domicile ailleurs, sont propriétaires de terres cultivées sur le territoire communal et remplissent les conditions stipulées par la loi et les règlements du Noirmont. Ces droits de jouissance des pâturages communaux sont ainsi étroitement liés à la propriété foncière dont dispose l'ayant droit (Acte de classification de la commune du Noirmont du 16 juin 1875; voir aussi FOLLETÊTE, Us et coutumes des Franches-Montagnes, in: Revue des juristes bernois 1910 p. 44 et RENNEFAHRT, Die Natur der Allmend-Nutzungsrechte in den Freibergen, in: Revue des juristes bernois 1922 p. 11 ss).
S'agissant de la nature des droits d'encrannes, la doctrine les considère, à juste titre, comme des droits de pacage immémoriaux et leur applique par conséquent le régime juridique des droits acquis (cf. GRISEL, Traité de droit administratif, p. 591, RENNEFAHRT, op.cit., p. 15, RHINOW, Wohlerworbene und vertragliche Rechte, p. 1 ss).
3.
a) Dans le cas particulier, le recourant conteste à la commune du Noirmont le droit de subordonner les droits d'encrannes auxquels peut prétendre un propriétaire foncier à la condition que le bétail concerné ait hiverné précédemment sur le territoire communal. L'intéressé voit dans cette condition une atteinte inadmissible à ses droits acquis, contraire à la garantie de la propriété (
art. 22ter Cst.
) et au principe de la bonne foi (
art. 4 Cst.
).
Il n'est pas contesté que l'obligation d'hivernage n'était pas imposée aux titulaires des droits d'encrannes dans la commune du Noirmont avant l'adoption du nouveau règlement (cf. arrêt rendu le 10 mai 1983 par le Tribunal cantonal jurassien en la cause Brossard, ch. 10). Aucune coutume, ni aucun texte légal antérieur à la règle litigieuse n'aménageaient de cette manière les conditions
BGE 117 Ia 35 S. 38
de jouissance du droit de pacage sur le territoire communal. La commune a par conséquent instauré une nouvelle modalité pour déterminer les encrannes. Or, selon l'Acte de classification de la commune du Noirmont de 1875, le mode de jouissance des pâturages communaux n'est pas "invariable"; il peut "subir des changements ou modifications ensuite de décisions prises par les ayants droit à cette jouissance". En d'autres termes, le mode de jouissance du droit acquis considéré ne peut en principe être modifié qu'après consultation des propriétaires des terres cultivées de la commune; savoir s'il est nécessaire, à cette occasion, d'obtenir une approbation de la modification envisagée à l'unanimité des ayants droit ou simplement à leur majorité (cf. pour les droits de parcours FOLLETÊTE, op.cit. p. 662) n'a pas à être tranché dans le cadre du présent litige. Il suffit de constater qu'une décision de l'assemblée communale sans consultation des ayants droit ne peut pas changer les modalités du droit d'encrannes (cf. RENNEFAHRT, op.cit., p. 15).
Certes, l'Acte de classification réservait également les dispositions des lois en vigueur et "celles qui à l'avenir pourraient changer l'état actuel des choses, tant sous le rapport de la jouissance des biens communaux que sous celui de l'administration en vue de la conservation de la fortune publique". Il n'est donc pas exclu de considérer qu'une loi postérieure à l'Acte de classification puisse changer le mode de jouissance des encrannes. La question peut toutefois demeurer indécise dès lors qu'en l'occurrence, aucune loi n'apporte de modification au régime juridique établi pour la jouissance des pâturages communaux. Sous cet angle, le règlement communal litigieux ne fait pas figure de "loi" au sens de l'Acte de classification, puisque ce dernier document distingue clairement entre la loi d'une part et les règlements communaux d'autre part.
b) Du moment que le droit acquis considéré ne contient pas, tel qu'il peut être connu par le biais de l'Acte de classification, de clause particulière permettant à la commune de procéder à une modification unilatérale de son étendue et de ses conditions d'exercice, il y a lieu d'examiner si les normes constitutionnelles invoquées par le recourant ont été violées ou si la commune pouvait s'appuyer sur d'autres règles, plus générales, pour limiter valablement la portée du droit d'encrannes.
Sous cet angle, il importe peu de déterminer si, en raison de son caractère essentiellement réel, le droit acquis invoqué bénéficie de
BGE 117 Ia 35 S. 39
la garantie de la propriété (
art. 22ter Cst.
;
ATF 101 Ia 447
) ou si son respect est plutôt protégé par le principe de la bonne foi (
art. 4 Cst.
;
ATF 107 Ia 195
). Quelle que soit la disposition constitutionnelle appliquée, il apparaît d'emblée que l'art. 2 lettre b du règlement litigieux est incompatible avec le régime des droits acquis. Selon la jurisprudence (
ATF 113 Ia 362
,
ATF 112 Ia 278
), la garantie des droits acquis n'est pas plus étendue que celle de la propriété, de sorte que cette catégorie de droits peut être limitée sous les mêmes conditions. Ainsi, que l'on applique l'
art. 22ter Cst.
ou l'
art. 4 Cst.
, une atteinte aux droits acquis n'est admise qu'à la condition de s'appuyer sur une base légale suffisante, de répondre à un intérêt public pertinent, de respecter le principe de la proportionnalité et de prévoir une indemnisation totale de l'ayant droit lorsque l'atteinte équivaut à une expropriation (HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Zurich 1990, No 773).
En l'espèce, il apparaît d'emblée que la décision communale ne poursuit aucun intérêt public prépondérant. On pourrait certes concevoir qu'une commune ayant à faire face à une motorisation toujours plus poussée des exploitations agricoles veuille éviter, en introduisant l'obligation d'hivernage, l'usage des pâturages communaux par des agriculteurs disposant d'écuries et d'une infrastructure très éloignées de la commune; il s'agirait là d'une préoccupation d'intérêt public visant à renforcer le tissu agricole de la corporation publique en favorisant les exploitants disposant d'une infrastructure complète sur territoire communal. Dans la même perspective, les arguments relevés par l'autorité intimée selon lesquels l'obligation d'hivernage permettrait un meilleur contrôle du bétail séjournant sur territoire communal et, partant, améliorerait la lutte contre les épizooties ne sont pas dépourvus de sens si l'on admet que les animaux mis en estivage sur les pâturages communaux viennent de loin. Il faut toutefois constater qu'en l'occurrence, la commune du Noirmont n'est pas submergée par la venue d'agriculteurs exploitant des domaines éloignés du territoire communal. Les 18 bénéficiaires des droits d'encrannes non domiciliés au Noirmont exploitent leur domaine principal dans la proximité de la commune et il s'agit bien souvent de domaines à cheval sur les limites de deux communes. Muriaux, en particulier, où se situe l'autre partie du domaine du recourant, jouxte le village du Noirmont au nord.
BGE 117 Ia 35 S. 40
Dans ces conditions, vu la proximité des domaines agricoles en cause, les quelques arguments indiqués précédemment, qui auraient pu, à la rigueur, fonder un intérêt public à la réglementation litigieuse, ne peuvent pas prévaloir sur l'intérêt privé important du recourant à jouir de ses droits sans restriction.
Du moment que la décision attaquée ne répond pas à un intérêt public prépondérant, l'atteinte aux droits acquis du recourant n'est pas valable; partant, il s'avère superflu d'examiner si la restriction en cause bénéficie d'une base légale suffisante, si elle est proportionnée ou si, en raison de son contenu, elle équivaut à une expropriation, ce qui justifierait éventuellement le versement d'une indemnité. Ces questions peuvent demeurer indécises.
c) En résumé, il faut constater que l'obligation d'hivernage introduite par la commune n'est pas prévue dans le droit acquis tel qu'il s'applique au Noirmont; de plus, les deux clauses d'évolution du droit d'encrannes contenues dans l'Acte de classification - une décision des ayants droit ou, éventuellement, une modification subséquente de la loi - ne sont pas réalisées en l'espèce. Ainsi, à défaut d'utilisation de la procédure d'adaptation mise en place par l'Acte de classification, l'art. 2 lettre b du règlement constitue une atteinte au droit acquis considéré.
Or, ne pouvant en l'espèce se fonder sur un intérêt public suffisant pour prévaloir sur l'intérêt privé du recourant à user de ses droits d'encrannes comme par le passé, cette atteinte doit être jugée contraire à la garantie des droits acquis, offerte par l'
art. 4 Cst.
ou par l'
art. 22ter Cst.
La décision attaquée doit par conséquent être annulée. | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
5016b589-b81e-4811-91e8-823a31a083eb | Urteilskopf
81 IV 281
61. Urteil des Kassationshofes vom 23. September 1955 i. S. Sidler gegen Litschgi. | Regeste
Art. 173 Ziff. 3 StGB
.
a) Wer sich auf begründete Veranlassung hin äussert, ist zu den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 auch dann zuzulassen, wenn sich die Äusserung auf das Privatleben bezieht (Erw. 5).
b) Begründete Veranlassung (Erw. 4).
c) Privatleben (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 282
BGE 81 IV 281 S. 282
A.-
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte am 15. Dezember 1953 Albert Sidler zu sieben Monaten Gefängnis, weil er in den Jahren 1951 /1952 zum Nachteil einer Firma für die Installation von Kühlanlagen, bei der er damals als Kältemonteur angestellt war, wiederholt Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Wegen dieser Verfehlungen löste jenes Unternehmen im April 1952 den Dienstvertrag mit Sidler auf.
Alfred Litschgi versandte am 6. Januar 1954 an fünfzehn Mitglieder der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz", deren Sekretär er ist, ein Rundschreiben, worin er u.a. ausführte:
"Wir teilen Ihnen mit, dass Kälte-Monteur Sidler Albert von seinem früheren Arbeitgeber wegen Diebstahls und Veruntreuungen entlassen werden musste. Wir bitten Sie, bevor Sie diesen Monteur einstellen wollen, nähere Erkundigungen auf unserem Sekretariat einzuziehen."
B.-
Sidler, der sich durch diese Mitteilung in seiner Ehre verletzt fühlte, klagte gegen Litschgi auf Bestrafung wegen übler Nachrede.
C.-
Das Obergericht des Kantons Zürich wies durch Urteil vom 16. Mai 1955 die Klage ab, weil die Wahrheit des ehrenrührigen Vorwurfes bewiesen sei.
D.-
Sidler führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit den Anträgen, das Urteil vom 16. Mai 1955 sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des Litschgi wegen übler Nachrede an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Wahrheitsbeweis hätte nicht
BGE 81 IV 281 S. 283
zugelassen werden sollen, da Litschgi die ehrenrührigen Vorwürfe ohne begründete Veranlassung verbreitet habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Es ist unbestritten, dass die im Rundschreiben vom 6. Januar 1954 enthaltene Mitteilung, Sidler sei wegen Diebstahls und Veruntreuung von seinem Arbeitgeber entlassen worden, ehrenrührig ist.
2.
Sidler bestreitet auch nicht, dass die eingeklagte Äusserung der Wahrheit entspricht. Gemäss
Art. 173 Ziff. 2 StGB
wäre Litschgi daher nur strafbar, wenn er nach Ziff. 3 dieser Vorschrift zum Wahrheitsbeweis nicht zuzulassen wäre.
3.
Nach der vom Obergericht implicite übernommenen Feststellung des Bezirksgerichts hat Litschgi die eingeklagte Äusserung nicht vorwiegend in der Absicht vorgebracht, Sidler Übles vorzuwerfen. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur (
BGE 71 IV 131
Erw. 4). Sie bindet daher den Kassationshof des Bundesgerichtes (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
). Ob es gemäss
Art. 173 Ziff. 3 StGB
für die Zulassung zu den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 dieser Vorschrift genüge, dass die Absicht, jemandem Übles vorzuwerfen, beim Beschuldigten nicht überwiegt, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil Litschgi begründete Veranlassung zu seiner Äusserung hatte.
4.
Die in der "Vereinigung der Kälte-Firmen in der Schweiz" zusammengeschlossenen Unternehmen installieren in Privat- und Geschäftshäusern Kühlanlagen. Die Monteure dieser Unternehmen arbeiten also regelmässig in den Gebäulichkeiten der Kunden, wo sie nicht dauernd beaufsichtigt werden. Für diese Montagearbeiten können daher nur solche Kräfte eingesetzt werden, auf die sich der Kunde und der Arbeitgeber verlassen können. Missbraucht ein Monteur dieses Vertrauen, so erleidet regelmässig auch der Unternehmer eine Vertrauenseinbusse, die seine Stellung im wirtschaftlichen Wettbewerb beeinträchtigt.
BGE 81 IV 281 S. 284
Für die künftigen Arbeitgeber und ihre Kunden ist es demnach unerlässlich, die Vertrauenswürdigkeit eines Bewerbers für den Montagedienst zuverlässig beurteilen zu können. Darum ist er auf Auskünfte Dritter, insbesondere früherer Arbeitgeber des Bewerbers, angewiesen.
Diesem schutzwürdigen Bedürfnis diente die eingeklagte -Äusserung. Sidler war vom erwähnten Unternehmen für die Installation von Kühlanlagen entlassen worden, weil er während seiner beruflichen Tätigkeit Diebstähle und Veruntreuungen begangen hatte. Da diese Verfehlungen die charakterliche Eignung des Entlassenen für den Montagedienst ausschliessen, hatte Litschgi begründete Veranlassung, die übrigen Verbandsmitglieder, deren berechtigte Interessen er als Verbandssekretär zu fördern verpflichtet ist, zu orientieren, um sie vor ähnlichen Vertrauensmissbräuchen zu bewahren. Dabei hat er sich auch im Mittel nicht vergriffen. Er hat das Rundschreiben, worin er die Gründe anführte, die zur Entlassung des Sidler am früheren Arbeitsort geführt haben, unmittelbar und ausschliesslich den Verbandsmitgliedern zugestellt und diese erst noch durch einen entsprechenden Vermerk darauf hingewiesen, dass es sich um eine "vertrauliche" Mitteilung handle.
5.
Der Einwand, Litschgi hätte trotzdem zu den Entlastungsbeweisen nicht zugelassen werden dürfen, weil die eingeklagte Äusserung sich auf das Privatleben beziehe, geht fehl. Gegenstand des Privatlebens bildet nur die eigentliche Privatsphäre. Handlungen, durch die jemand aus dieser heraus an die Aussenwelt tritt, wie das gerade beim Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber zutrifft, fallen nicht mehr darunter (Urteile des Kassationshofes vom 21. Juni 1946 i.S. Witschi, vom 22. Oktober 1948 i.S. Herschdorfer und vom 30. September 1949 i.S. Blaser). Zudem übersieht Sidler, dass die Richtigkeit der dem Privatleben angehörenden Tatsachen nur dann nicht bewiesen werden darf, wenn die Äusserung ohne begründete Veranlassung vorgebracht (verbreitet) worden ist. Hat der
BGE 81 IV 281 S. 285
Empfänger der Mitteilung ein schutzwürdiges Interesse, über eine dem Privatleben eines andern angehörende Tatsache unterrichtet zu werden, und wird die Auskunft in der Absicht erteilt, diesem Interesse zu dienen, so sind die Entlastungsbeweise des
Art. 173 Ziff. 2 StGB
zulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
5017ef2d-354f-4c60-bfe8-01bc2d687ba3 | Urteilskopf
116 II 331
60. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Juni 1990 i.S. J. Eisenring AG gegen Staat Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Einspruch gegen den Kaufvertrag über eine landwirtschaftliche Liegenschaft (
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
).
Begriff der Spekulation im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
(E. 3a); der übersetzte Preis gilt als wesentlicher Anhaltspunkt für das Vorliegen von Spekulationsabsicht (E. 3b, c). | Sachverhalt
ab Seite 332
BGE 116 II 331 S. 332
Mit Vertrag vom 16. Juni 1987 verkaufte Agnes B. der J. Eisenring AG das in der Gemeinde Hittnau gelegene Grundstück Kat. Nr. 2788 mit einer Fläche von 176,12 Aren. Als Verkaufspreis vereinbarten die Parteien ein Entgelt von Fr. 710'000.--, was einem Quadratmeterpreis von etwa Fr. 40.-- entspricht. Laut den Angaben im Vertrag befinden sich ungefähr 50 Aren dieses Grundstückes in der Reservezone, während der übrige Teil in der Landwirtschaftszone liegt. Gegen diesen Kaufvertrag erhob das Landwirtschaftsamt des Kantons Zürich am 16. Juli 1987 Einspruch wegen Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG). Das Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich schützte diesen Einspruch mit Urteil vom 9. Oktober 1989. Dagegen hat die J. Eisenring AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Beseitigung des vom Landwirtschaftsamt erhobenen Einspruchs. Mit Eventualbegehren wird die Rückweisung der Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz beantragt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Was unter offensichtlicher Spekulation im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
zu verstehen ist, beurteilt sich nach Sinn und Zweck des landwirtschaftlichen Bodenrechts, wobei die gesamten Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen sind. Das EGG will unter anderem den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes schützen und die Bodennutzung fördern (vgl.
Art. 1 EGG
). Damit dieses Ziel erreicht werden kann, muss verhindert werden, dass landwirtschaftlich genutzter Boden - in der Regel unter Bezahlung eines entsprechend höheren Preises - zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken erworben wird. Im Gegensatz zu den weiteren Tatbeständen von
Art. 19 Abs. 1 EGG
(lit. b und c) gilt der Einspruchsgrund der Spekulation bzw. des Güteraufkaufs (lit. a) in dem Sinne uneingeschränkt, als keine Rechtfertigungsgründe vorbehalten sind. Sofern demnach das zu beurteilende Geschäft den Tatbestand des
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
erfüllt, müssen die Interessen der Beschwerdeführerin zum vornherein unerheblich bleiben (vgl.
BGE 115 II 173
;
BGE 114 II 168
E. 1).
BGE 116 II 331 S. 333
Die Rechtsprechung hat Spekulation im Sinne der Landwirtschaftsgesetzgebung bejaht, wenn der Erwerb eines Grundstückes im Hinblick auf einen Gewinn angestrebt wird, wie er durch die landwirtschaftliche Nutzung nicht erzielt werden könnte. Dieser Gewinn mag durch die Weiterveräusserung innert kurzer Zeit oder durch andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzten Bodens erreicht werden. Selbst wenn zwischen dem in Frage stehenden Rechtsgeschäft und dem verpönten Erfolg nur ein mittelbarer Zusammenhang besteht, muss dies gemäss
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
zur Anerkennung des Einspruchs führen (vgl. angeführte BGE, a.a.O., mit Hinweisen).
b) Die Vorinstanz hat den wegen offensichtlicher Spekulation im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
erhobenen Einspruch im Einklang mit der Rechtsprechung und mit sorgfältiger Begründung zu Recht geschützt. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, überzeugt nicht. So kann insbesondere nicht beanstandet werden, wenn bei der Beurteilung eines Geschäftes auch auf die Höhe des vereinbarten Preises abgestellt wird. Das Bundesgericht hat dieses Vorgehen namentlich in seinen jüngeren Entscheiden stets geschützt, indem es im übersetzten Preis wenigstens ein wesentliches Indiz für das Vorliegen von Spekulationsabsicht erblickt hat (vgl. zuletzt den Entscheid der erkennenden Abteilung vom 3. April 1990 i.S. W. u. R.-Immobilien c. Staat Zürich, E. 4b). Es trifft zwar zu, dass das EGG - anders als der Entwurf zu einem neuen bäuerlichen Bodenrecht - das Kriterium des übersetzten Preises als selbständigen Einsprachegrund nicht kennt (vgl.
Art. 64 lit. c und 65 BGBB
, in BBl 1988 III 1128, sowie die dazugehörende Botschaft des Bundesrates, ebenfalls in BBl 1988 III 1040). Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers, der bislang mit der landwirtschaftlichen Sondergesetzgebung keine direkte staatliche Preiskontrolle verbunden haben wollte (vgl.
BGE 110 II 217
f.). Dennoch liegt es in der Natur der Sache, dass die Absprache eines unangemessen hohen Preises als wesentlicher Anhaltspunkt für die Absicht des Erwerbers, den derart erworbenen Boden einer gewinnbringenderen Nutzung zuzuführen als jener durch den Landwirt, beachtet werden muss (
BGE 115 II 174
). Zum andern hat die Rechtsprechung wiederholt festgehalten, dass mit dem EGG gerade auch die Überbezahlung landwirtschaftlich nutzbaren Bodens verhindert werden soll (
BGE 115 II 386
E. 6b;
BGE 116 II 171
E. 4).
In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass sich heute mit Bezug auf den landwirtschaftlichen Boden eine äusserst
BGE 116 II 331 S. 334
vielschichtig zusammengesetzte Käuferstruktur (Landwirte, öffentliche Hand, juristische Personen etc.) ausmachen lässt. Die Preisbildung verläuft dabei - je nach Käufergruppe - nach wesentlich anderen Gesichtspunkten, wobei erfahrungsgemäss die von Kies- und Bauunternehmern bezahlten Preise regelmässig deutlich über denjenigen der Landwirte liegen. Auffallen muss sodann, dass heute der durchschnittliche Verkehrswert landwirtschaftlicher Grundstücke bereits dem 15-23fachen Ertragswert entspricht (vgl. dazu HANS POPP/EMIL KÄLIN/ROGER SCHWARZENBACH, Der Bodenmarkt in der Landwirtschaftszone, "Nutzung des Bodens in der Schweiz", Bd. 36, Liebefeld/Bern 1989, S. 96 ff., 113 ff., 116). Soll demnach mit der einschlägigen Gesetzgebung wirksam verhindert werden, dass der Landwirt vom Bodenmarkt verdrängt wird, muss diesen Erkenntnissen gebührend Rechnung getragen werden. Hiefür bleibt die Bezugnahme auf den Preis im Rahmen von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
ein wesentliches, unumgängliches Element.
c) Das vorliegend zu beurteilende Veräusserungsgeschäft sieht ein Entgelt von rund Fr. 40.-- pro Quadratmeter vor. Dieser Preis liegt nach der Feststellung im angefochtenen Urteil selbst nach Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Preisentwicklung weit über dem, was im Kanton Zürich in den Jahren 1985/86 erfahrungsgemäss für landwirtschaftliche Grundstücke bezahlt wurde (vgl. dazu POPP/KÄLIN/SCHWARZENBACH, a.a.O., S. 116). Ohne Belang muss in diesem Zusammenhang der Einwand der Beschwerdeführerin bleiben, es handle sich beim erworbenen Boden um vorzügliches Landwirtschaftsland; desgleichen vermag sie mit dem Hinweis auf den von der Nachbargemeinde für Reservezonenland bezahlten Preis von Fr. 300.-- pro Quadratmeter keine Vorteile für sich zu begründen. Was sodann die bevorzugte Lage anbelangt, mag diese für die Preisbildung sehr wesentlich sein, doch wird sich ein als Kaufinteressent auftretender Landwirt deswegen nicht zur Bezahlung eines Preises von Fr. 40.-- pro Quadratmeter verleiten lassen, sofern er nicht selbst spekulative Absichten hegt. Dieser Lage kommt insofern Bedeutung zu - was von der Vorinstanz mit Recht hervorgehoben worden ist -, als es sich offenbar um ziemlich gut erschlossenes Land handeln soll, welches teils in der Reservezone liegt und im übrigen mehr oder weniger davon umgeben ist. Nicht auszuschliessen ist deshalb, dass das fragliche Grundstück bei einer kommenden Revision der Nutzungsplanung zu Bauland umgewandelt wird. Für die Beschwerdeführerin,
BGE 116 II 331 S. 335
die sich als juristische Person gemäss eigener Zugabe im Liegenschaftshandel und als Bauunternehmerin betätigt, muss dieser Umstand - was durch den vereinbarten Preis klar angezeigt wird - sehr erheblich gewesen sein. Es kann daher nicht beanstandet werden, wenn das Landwirtschaftsgericht die versuchte Ausnützung einer wohl ungewissen, aber dennoch nicht völlig auszuschliessenden planungsrechtlichen Umwandlung für die Beurteilung der Spekulation als entscheidend erachtet hat (vgl. bereits
BGE 115 II 175
). | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
50192fd1-8224-41c2-9b5b-0e8976bb4a4a | Urteilskopf
110 IV 112
34. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 14. Dezember 1984 i.S. Firma X gegen Bundesamt für Aussenwirtschaft | Regeste
Art. 28 Abs. 3 VStrR
; Fristwiederherstellung.
Die Wiederherstellung der eine Beschwerde an die Anklagekammer betreffenden Frist des
Art. 28 VStrR
kann nur durch das Bundesgericht erfolgen. | Sachverhalt
ab Seite 112
BGE 110 IV 112 S. 112
Mit Verfügung vom 12. November 1984 teilte das Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) der Firma X mit, dass gewisse beschlagnahmte Waren aufgrund von
Art. 47 Abs. 3 VStrR
öffentlich versteigert oder freihändig verkauft würden, weil die Lagerkosten bereits auf über Fr. 50'000.-- angestiegen seien. Am 16. November 1984 reichte die betroffene Firma beim Direktor des BAWI gegen diese Verfügung eine Beschwerde gemäss
Art. 26 VStrR
ein, wobei sie um Fristerstreckung zur Einreichung der Begründung nachsuchte. Mit Verfügung vom 20. November 1984 entsprach der Direktor des BAWI dem Gesuch im Sinne einer Wiederherstellung der Frist, und am 26. November 1984 reichte die Firma X eine ausführlicher begründete Beschwerde ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Im vorliegenden Fall stellt sich vorerst die Frage nach der Rechtzeitigkeit der Beschwerde. Diese liegt in zwei Eingaben vor. Eine erste als Beschwerde bezeichnete Rechtsschrift vom 16. November 1984 ist innert der Frist des
Art. 28 VStrR
eingereicht worden, und sie enthält einen Antrag und eine knappe Begründung, indem darin namentlich die materiellen und/oder formellen
BGE 110 IV 112 S. 113
Voraussetzungen für einen Verkauf der beschlagnahmten Waren bestritten werden. Eine zweite Rechtsschrift mit eingehenderer Begründung datiert vom 26. November 1984. Sie wurde innert einer vom BAWI mit Verfügung vom 20. November 1984 "über die Wiederherstellung der Frist" gewährten neuen dreitägigen Frist eingereicht.
Bezüglich der zweiten Eingabe ist vorweg darauf hinzuweisen, dass eine Wiederherstellung im Sinne des
Art. 31 VStrR
in Verbindung mit
Art. 24 VwVG
nur denkbar ist, wenn eine Frist versäumt wurde. Das traf hier nicht zu, hatte doch die Beschwerdeführerin innert der dreitägigen Beschwerdefrist gehandelt. Des weiteren hätte nicht eine neue Frist angesetzt werden dürfen, nachdem das Gesetz selber vorschreibt, dass binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses das Wiederherstellungsgesuch einzureichen und die versäumte Rechtshandlung nachzuholen ist. Das Vorgehen des BAWI läuft im Ergebnis auf eine Fristerstreckung hinaus, die aber bei gesetzlichen Fristen - und um eine solche handelt es sich bei der Beschwerdefrist des
Art. 28 VStrR
- nach
Art. 31 VStrR
in Verbindung mit
Art. 22 Abs. 1 VwVG
ausgeschlossen ist. Schliesslich ist festzustellen, dass eine Wiederherstellung der die Beschwerde an die Anklagekammer betreffenden Frist des
Art. 28 VStrR
allein durch das Bundesgericht erfolgen kann. Wenn
Art. 26 Abs. 2 lit. b VStrR
vorschreibt, es sei die Beschwerde "in den übrigen Fällen" (d.h. in den Fällen, in welchen die Beschwerde nicht gegen eine kantonale Gerichtsbehörde oder gegen den Vorsteher der beteiligten Verwaltung gerichtet ist) beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung "einzureichen", so bedeutet das nicht, dass dieser insoweit Beschwerdeinstanz sei, sondern bloss, dass ihm gemäss
Art. 26 Abs. 3 VStrR
die Möglichkeit gegeben ist, die Verfügung seiner Verwaltung in Wiedererwägung zu ziehen und damit die Beschwerde hinfällig werden zu lassen. Tut er dies aber - wie in casu - nicht, ist die Beschwerde zur Beurteilung an die Anklagekammer weiterzuleiten, und es steht einzig dieser zu, über ein Wiederherstellungsgesuch zu befinden. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
501bd00c-d014-413b-a9d8-ee2f673a6c0c | Urteilskopf
111 Ia 259
45. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 8 novembre 1985 dans la cause société S. contre G. S.A. (recours de droit public) | Regeste
Art. 18, 20 und 21 Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit
1. Unterlässt es eine Partei, rechtzeitig einen Ablehnungsgrund geltend zu machen oder die richterliche Behörde anzurufen, so kann sie den Mangel später nicht mehr rügen, es sei denn, dieser würde unheilbar sein (E. 2a).
2. Muss das Ausstandsbegehren und im Bestreitungsfall die Anrufung der richterlichen Behörde selbst dann unverzüglich erfolgen, wenn in materieller Hinsicht noch keine vorbereitende Massnahme getroffen worden ist? Frage offengelassen (E. 2b).
3. Einen Ablehnungsgrund geben nur Tatsachen ab, die bei einer normal reagierenden Person objektiv und vernünftigerweise geeignet sind, Misstrauen zu erwecken (E. 3a und b). Verfahrensmassnahmen, seien sie richtig oder falsch, vermögen als solche keinen objektiven Verdacht der Voreingenommenheit des Schiedsrichters zu begründen, der sie verfügt hat (E. 3b/aa).
4. Art. 21 Abs. 2 Konkordat räumt den Parteien kein bedingungsloses Recht auf Abnahme der von ihnen angerufenen Beweismittel ein (E. 3b/bb). | Sachverhalt
ab Seite 260
BGE 111 Ia 259 S. 260
Dans le litige qui les divise, G. S.A. et la société S. ont désigné comme arbitres, respectivement, les avocats N. et D. La Cour
BGE 111 Ia 259 S. 261
d'arbitrage de la Chambre de commerce internationale (CCI), à Paris, a nommé l'avocat J. en qualité de président du tribunal arbitral, et fixé le siège de l'arbitrage à Lausanne.
Le président J. a convoqué les arbitres et les parties pour une première séance fixée au 12 décembre 1984 à Lausanne.
Cette séance, reprise le lendemain, a été marquée par divers incidents en rapport avec une requête de G. S.A. tendant à ce qu'une sentence partielle y soit rendue au sujet de la délivrance d'un "certificat provisoire d'acceptation".
Le 17 décembre 1984, la société S. a demandé au tribunal arbitral et à G. S.A. la récusation du président J. et de l'arbitre N. Par ailleurs, le 14 janvier 1985, elle a sollicité de la CCI la constitution d'un nouveau tribunal arbitral en raison du dépôt d'une nouvelle requête d'arbitrage par G. S.A., le 30 août 1984.
Dans sa séance du 20 février 1985, la Cour d'arbitrage de la CCI a rejeté les deux requêtes précitées.
Le 3 avril 1985, la société S. a requis du Tribunal cantonal vaudois la récusation du président J. et de l'arbitre N.
Par arrêt du 24 mai 1985, la Cour administrative du Tribunal cantonal vaudois a rejeté cette demande.
La société S. interjette contre ce jugement un recours de droit public pour violation des art. 18 ss CIA, ainsi que des
art. 4 et 58 Cst.
Elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué.
Le Tribunal fédéral rejette le recours.
Erwägungen
Extraits des considérants:
2.
La cour cantonale a tout d'abord jugé que la demande de récusation était tardive, car elle aurait dû être faite immédiatement après la séance du 13 septembre 1984 ou, à tout le moins, après la réception de la décision de la CCI du 20 février 1985.
La recourante lui reproche d'avoir violé les art. 20 et 21 du concordat intercantonal sur l'arbitrage (CIA) en retenant le caractère tardif d'une demande qui avait pourtant été formulée à un moment où aucune mesure d'instruction n'était encore intervenue devant le tribunal arbitral.
a) Aux termes de l'art. 20 CIA, la récusation doit être demandée d'entrée de cause, ou dès que la partie requérante a connaissance des motifs de récusation. Bien que cette disposition ne prévoie pas une durée ferme du délai, elle oblige les parties à faire preuve de diligence. Il leur appartient donc de faire valoir
BGE 111 Ia 259 S. 262
leurs moyens de récusation sans tarder. Si elles s'en abstiennent, elles sont déchues de la possibilité d'invoquer ultérieurement la cause de récusation (cf. TF in SJ 1980, p. 75 et 1983 p. 541 ss), sauf si celle-ci se rapporte à un vice irréparable (cf. par ex.
ATF 107 Ia 161
/162); en effet, l'un des buts de l'arbitrage est de permettre une solution rapide des litiges, de sorte que les parties sont tenues par les règles de la bonne foi d'éviter tout ce qui pourrait retarder sans nécessité absolue le déroulement normal de la procédure arbitrale (
ATF 109 Ia 83
consid. 2a,
ATF 108 Ia 201
).
Il se justifie d'appliquer - mutatis mutandis - ces principes à l'art. 21 CIA, même si, contrairement à l'art. 20 CIA, cette disposition n'indique pas à quel moment, lorsqu'il y a contestation, l'autorité judiciaire doit être saisie (cf. JOLIDON, Commentaire du concordat suisse sur l'arbitrage, p. 301). Ce serait un non-sens d'exiger de la partie requérante qu'elle fasse valoir ses moyens de récusation sans tarder, mais de renoncer à cette exigence pour la saisine de l'autorité judiciaire en cas de contestation du cas de récusation. Une telle solution permettrait à la partie requérante de retarder le déroulement normal de la procédure arbitrale contre la volonté des autres intéressés. En effet, la partie adverse n'est pas habilitée à saisir l'autorité judiciaire pour faire déclarer que la demande de récusation est mal fondée et il n'appartient pas non plus à l'arbitre ou au tribunal arbitral qui fait l'objet (ou dont l'un des membres fait l'objet) d'une telle demande de la transmettre à l'autorité judiciaire: c'est l'affaire exclusivement de la partie requérante (cf. JOLIDON, op.cit., p. 300).
b) Dans l'arrêt Niclas du 22 novembre 1972 (cf. SJ 1973 p. 257 ss), le Tribunal fédéral a posé qu'une demande de récusation ne pourrait notamment pas être déclarée irrecevable, en principe, si elle est formulée dans la phase préliminaire de l'échange des mémoires, avant toute mesure d'instruction sur le fond. Dans un arrêt récent, il a considéré, en se référant à cette jurisprudence, qu'en début de procédure le parties disposent d'un temps raisonnable pour faire valoir leurs moyens de récusation, mais qu'il n'en est pas de même dans la suite de la procédure, notamment lorsque celle-ci approche du jugement (
ATF 111 Ia 75
). Eu égard à l'obligation qui est faite aux parties de ne pas retarder sans nécessité absolue le déroulement de la procédure arbitrale, on peut se demander si la jurisprudence ne devrait pas aller dans le sens d'une interprétation plus stricte des art. 20 et 21 CIA, et exiger que même au stade où, comme c'est le cas en l'espèce, aucune
BGE 111 Ia 259 S. 263
mesure d'instruction au fond n'a encore été prise, la demande de récusation et, le cas échéant, la saisine de l'autorité judiciaire interviennent sans délai. Une telle exigence serait certes en harmonie avec l'art. 45 CIA qui soumet à la procédure sommaire les décisions concernant la récusation des arbitres, dans un but évident de rapidité et d'efficacité.
Cette question peut toutefois demeurer indécise, car elle est sans incidence sur le sort de la cause. En effet, pour les motifs évoqués ci-dessous, la cour cantonale a considéré à juste titre que de toute manière la demande de récusation n'était pas fondée.
3.
La recourante reproche au Tribunal cantonal d'avoir écarté à tort le motif de récusation tiré de l'apparence de prévention du président J. et de l'arbitre N. à son égard.
a) L'art. 18 al. 1 CIA dispose que les arbitres sont récusables pour les motifs de récusation obligatoire ou facultative prévus par la loi fédérale d'organisation judiciaire, notamment "s'il existe des circonstances de nature à leur donner l'apparence de prévention dans le procès" (cf. art. 23 lettre c OJ). Selon la jurisprudence, il faut qu'il existe des faits qui justifient objectivement la méfiance. Celle-ci ne saurait reposer sur le seul sentiment subjectif d'une des parties; un tel sentiment subjectif ne peut être pris en considération que s'il est fondé sur des faits concrets, et si ces faits sont, en eux-mêmes, propres à justifier objectivement et raisonnablement un tel sentiment chez une personne réagissant normalement (cf. TF in SJ 1983 p. 544, consid. 5a; arrêt non publié du 4 février 1981 en la cause L. c. N.B., consid. 3a;
ATF 92 I 276
consid. 5; voir aussi JOLIDON, op.cit., p. 268; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, p. 173 aa). Le point de savoir si ce motif de récusation est donné est, dans une large mesure, une question d'appréciation (cf. par exemple
ATF 97 I 5
consid. 2). Peu importe que cette question ait déjà été examinée par un tiers - en l'occurrence, la Cour d'arbitrage de la CCI qui a rejeté la demande de récusation dans sa séance du 20 février 1985 (sur la nature de l'arbitrage organisé par la CCI, cf.
ATF 102 Ia 499
/500 consid. 2c et les références). En effet, l'autorité judiciaire prévue à l'art. 3 lettre b CIA jouit d'une compétence exclusive en la matière vu le caractère impératif de l'art. 21 CIA (cf.
ATF 111 Ia 255
; RÜEDE/HADENFELDT, op. cit., p. 180 lettre b; JOLIDON, op.cit., p. 296/297 et 300 in fine/301).
b) aa) La recourante voit une apparence de prévention à son égard dans le comportement du président du tribunal arbitral lors
BGE 111 Ia 259 S. 264
des convocations à l'audience du 12 décembre 1984. Elle lui reproche de ne l'avoir pas informée de son intention de faire droit à une demande de la partie adverse tendant à ce que le tribunal arbitral rende une sentence partielle, lors de cette séance, sur le problème de la délivrance du "certificat provisoire d'acceptation".
Cependant, même si les arbitres ont pris en considération la requête de sentence partielle formée par l'intimée, ils ne lui ont donné aucune suite. De toute manière, le droit d'être entendu de la recourante n'a pas été violé en l'espèce, puisque d'une part elle a eu l'occasion de se déterminer sur cette requête lors de la séance du 12 décembre 1984 et que d'autre part il n'a pas été statué à son sujet. La demande de récusation apparaît donc mal fondée sur ce point.
Le fait que les deux arbitres restants avaient demandé, lors de la séance du 13 décembre 1984, que le directeur de la requérante signe également l'acte de mission ne saurait non plus justifier une demande de récusation pour apparence de prévention. Il n'était pas déraisonnable, en l'espèce, de poser une telle exigence dès lors que la partie adverse avait soulevé des objections touchant la validité et l'existence des pouvoirs de l'avocat de la recourante.
Au demeurant, il est de jurisprudence que les mesures de procédure, justes ou fausses, ne sont pas, comme telles, de nature à fonder un soupçon objectif de prévention de la part du juge ou de l'arbitre qui les a prises (cf. arrêt du 7 décembre 1982 en la cause Hoirs A. Cloetta c. Losag S.A., consid. 4a in SJ 1983, p. 542; voir aussi JOLIDON, op.cit., p. 272 lettre f et les références citées).
bb) La recourante invoque encore l'apparence de prévention qui résulterait de l'aparté qui a eu lieu le 13 décembre 1984 entre les arbitres dont elle demande la récusation et l'intimée. Elle reproche, en outre, à la cour cantonale d'avoir violé l'art. 21 al. 2 CIA en refusant d'administrer les preuves qu'elle avait proposées.
Cette disposition signifie simplement que les parties doivent être admises à prouver des allégués pertinents, au moyen de preuves idoines; elle ne leur confère pas un droit inconditionnel à administrer leurs preuves, fussent-elles inutiles (arrêt déjà cité du 2 février 1981 dans la cause L. c. N.B., consid. 2b; voir aussi RÜEDE/HADENFELDT, op.cit., p. 181/182 No 5 a et c; JOLIDON, op.cit., p. 306).
En l'occurrence, le Tribunal cantonal n'a pas méconnu ces principes en ne procédant pas à des mesures d'instruction. En effet, il lui appartenait d'examiner le moyen de récusation invoqué sur
BGE 111 Ia 259 S. 265
la base des seuls faits allégués par la requérante. Or, cette dernière s'était bornée, dans sa demande de récusation, à faire état d'un aparté entre les deux arbitres restants et la partie adverse. En revanche, elle n'y soutenait d'aucune façon que les arbitres se seraient prononcés de manière inconsidérée sur l'objet du litige. Faute d'allégués précis sur ce point, la cour cantonale n'avait pas à rechercher d'office d'autres faits qui eussent pu révéler l'existence d'une cause de récusation non invoquée par la requérante. Eu égard aux faits allégués, les preuves dont elle disposait étaient suffisantes. La requérante ne saurait se plaindre d'une violation de son droit à la preuve d'allégués qu'elle n'a pas formulés.
Cela étant, il faut admettre, avec la cour cantonale, que les seuls faits allégués et établis sont insuffisants pour fonder le grief d'apparence de partialité. Même si les arbitres se sont peut-être montrés imprudents, rien ne permet, dans les circonstances du cas particulier, de les soupçonner d'avoir témoigné davantage d'intérêt à la cause d'une partie plutôt qu'à celle de l'autre. En effet, l'attitude qui leur est reprochée ne s'inscrivait pas dans le cadre d'une phase contentieuse du procès, telle l'instruction de la cause au fond, mais au stade de la détermination préalable de l'objet du litige (donc du mandat d'arbitrage) par l'établissement d'un acte de mission. Ce document devait d'ailleurs encore être signé par les deux parties, dont le droit d'être entendu demeurait ainsi entièrement sauf.
Au demeurant, l'aparté a été causé par le fait que les représentants de la recourante se sont retirés alors que l'audience se poursuivait avec l'accord des deux parties, nonobstant le départ de l'arbitre D., en vue de la mise au point de l'acte de mission. Or, sur le vu des faits allégués dans la requête de récusation du 17 décembre 1984, un tel départ n'était pas justifié. Il ressort du reste de cette même requête que la partie recourante entendait revenir dans la salle d'audience "lorsque le projet d'acte de mission (serait) entièrement dactylographié en vue de son examen". C'est d'ailleurs ce qu'elle a fait. Qui plus est, son conseil a même signé l'acte de mission. C'est dire que la requérante ne devait pas faire grand cas de l'aparté qui venait d'avoir lieu. Il est dès lors douteux qu'un grief présenté après coup à ce sujet soit encore conforme aux règles de la bonne foi.
Quoi qu'il en soit, les faits allégués et établis - seuls déterminants - au sujet de l'aparté litigieux ne sont pas propres à justifier objectivement et raisonnablement un soupçon de
BGE 111 Ia 259 S. 266
partialité des arbitres en cause. Du reste, la recourante minimise elle-même la portée de cet aparté qui, à ses yeux, ne constitue qu'un motif de suspicion parmi d'autres. Le Tribunal cantonal lui a dès lors réservé, à juste titre, le même sort qu'à ceux-ci. | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
501d3b7f-b158-461d-9d33-f2c312228a4c | Urteilskopf
105 II 247
41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Oktober 1979 i.S. H. gegen Regierungsrat des Kantons Thurgau (Berufung) | Regeste
Art. 30 Abs. 1 ZGB
.
Das Kind, das im Haushalt seiner miteinander nicht verheirateten, im Konkubinat lebenden Eltern aufwächst, kann verlangen, den Namen seines Vaters tragen zu dürfen, sofern das Konkubinatsverhältnis von Dauer ist. | Sachverhalt
ab Seite 247
BGE 105 II 247 S. 247
A.-
Monika H., geb. X., wurde am 12. Juli 1973 von Johann H. geschieden. Mit Beschluss vom 9. Oktober 1973 bewilligte ihr der Regierungsrat des Kantons Thurgau, weiterhin den Namen H. zu tragen.
Am 10. Juni 1975 gebar Monika H. den Sohn Roman X. Dieser wurde am 10. Februar 1978 von seinem Vater Ferdinand Vincenz R.,
BGE 105 II 247 S. 248
der verheiratet ist, aber keine ehelichen Kinder hat, anerkannt.
Roman X. wird zusammen mit den aus der Ehe H.-X. hervorgegangenen Kindern Lilian Monika H. (geb. 1963) und Christian Arnold H. (geb. 1965) im Haushalt von Monika H. und Ferdinand R., die miteinander im Konkubinat leben, aufgezogen.
B.-
Am 16. Mai 1979 stellten Monika H. und Ferdinand R. beim Regierungsrat des Kantons Thurgau das Gesuch, es sei Roman X. zu bewilligen, den Familiennamen R. zu tragen.
Mit Beschluss vom 18. Juni 1979 wies der Regierungsrat das Gesuch ab.
C.-
Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht halten Monika H. und Ferdinand R. an ihrem Gesuch fest.
Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach
Art. 44 lit. a OG
in der Fassung vom 25. Juni 1976, in Kraft seit 1. Januar 1978, ist gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide, mit denen eine beantragte Namensänderung verweigert wird, im Gegensatz zur Rechtslage, wie sie früher bestand, die Berufung ans Bundesgericht zulässig (
BGE 105 II 66
).
b) Als Inhaberin der elterlichen Gewalt und damit als gesetzliche Vertreterin des Kindes ist Monika H. zweifellos zur Stellung des Namensänderungsgesuchs befugt. Dagegen dürfte Ferdinand R., der die elterliche Gewalt nicht innehat und der deshalb nur im eigenen Namen auftreten kann, hiezu nicht legitimiert sein, da die Namensänderung grundsätzlich nur vom Namensträger selbst verlangt werden kann (EGGER, N. 9 zu
Art. 30 ZGB
). Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht entschieden zu werden, da ohnehin auf das Gesuch des Kindes, vertreten durch seine Mutter, einzutreten ist.
2.
Nach dem revidierten
Art. 30 Abs. 1 ZGB
kann einer Person durch die Regierung ihres Wohnsitzkantons die Änderung des Namens bewilligt werden, wenn wichtige Gründe vorliegen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist eine Ermessensfrage, die von der Behörde nach Recht und Billigkeit zu beantworten ist (
Art. 4 ZGB
). Als Berufungsinstanz prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, ob wichtige Gründe für eine Namensänderung gegeben sind, während es sich zu dieser
BGE 105 II 247 S. 249
Frage früher nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür äussern konnte. Immerhin hat es sich dabei - wie immer bei der Überprüfung von Ermessensentscheiden - eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen. Es schreitet daher nur ein, wenn die kantonale Behörde bei ihrer Entscheidung Umstände berücksichtigt hat, die nach dem Sinn des Gesetzes keine Rolle spielen durften, oder wenn sie wesentliche Gesichtspunkte ausser acht gelassen hat (
BGE 105 II 66
E. 2).
3.
Wichtige Gründe im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 ZGB
liegen vor, wenn das Interesse des Namensträgers an einem neuen Namen dasjenige der Verwaltung und der Allgemeinheit an der Unveränderlichkeit des einmal erworbenen und in die Register eingetragenen Namens sowie an eindeutiger Kennzeichnung und Unterscheidung des Einzelnen überwiegt (H. ROGGWILLER, Der "wichtige Grund" und seine Anwendung in ZGB und OR, Diss. Zürich 1956, S. 91/92). Der Kennzeichnungsfunktion des Namens kommt jedoch bei einem Kleinkind, dessen gesellschaftliche Kontakte sich auf seine engsten Angehörigen beschränken, geringere Bedeutung zu als bei einem Erwachsenen, so dass die Namensänderung eher bewilligt werden kann.
In seiner staatsrechtlichen, auf Willkürkognition beschränkten Rechtsprechung hat das Bundesgericht angenommen, dass einem ausserehelichen Kind die Namensänderung durch Anpassung des Namens an die Familie der Pflegeeltern zu gestatten ist, um den Makel der unehelichen Geburt möglichst zu verdecken, wenn beide Pflegeeltern damit einverstanden sind, das Pflegschaftsverhältnis dauernder Natur ist, im Interesse des Kindes liegt und auch keine Möglichkeit besteht, diese Anpassung auf andere Weise (z.B. durch Adoption) vorzunehmen (
BGE 96 I 429
ff.,
BGE 70 I 220
E. 3). Dieser Grundsatz muss um so mehr bei freier Prüfung gelten, wie sie dem Bundesgericht heute zukommt.
4.
Im vorliegenden Fall wird das Kind im Haushalt seiner Eltern aufgezogen, die miteinander im Konkubinat leben. Der Vater hat es anerkannt und sorgt für es, indem er für die Bedürfnisse dieses Haushalts aufkommt. Roman X. hat somit die gleiche Stellung wie ein Pflegekind, dem es nach der erwähnten Rechtsprechung gestattet ist, den Namen seines Pflegevaters anzunehmen. Der Regierungsrat weist freilich darauf hin, Ferdinand R. habe es in der Hand, seinen Namen auf andere Weise auf seinen Sohn zu übertragen, indem er sich scheiden
BGE 105 II 247 S. 250
lassen und danach Monika H. heiraten könne. Ob eine Scheidungsklage, die nach dem angefochtenen Entscheid erst in Aussicht stehen soll, Erfolg haben wird, ist indessen angesichts der Umstände, in denen R. lebt, äusserst zweifelhaft, sofern sich dessen Ehefrau ihr widersetzen sollte. Es kann daher nicht gesagt werden, Roman X. könne den Namen seines Vaters auf andere Weise als durch Namensänderung erwerben. Im übrigen kann dieser Voraussetzung, wie das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag in Sachen D. (
BGE 105 II 241
ff.) entschieden hat, keine absolute Bedeutung zukommen, zumal wenn es sich beim Gesuchsteller wie hier um ein Kind handelt, das die Standesänderung, die allenfalls einen Namenswechsel auf andere Weise als durch behördliche Bewilligung bewirken würde, nicht selbst herbeiführen kann. Roman X. erfüllt somit grundsätzlich die Anforderungen, die in der Rechtsprechung an das Namensänderungsgesuch eines Pflegekindes, das den Namen seines Pflegevaters erwerben möchte, gestellt werden.
Fragen kann sich höchstens, ob auch das Erfordernis der Dauerhaftigkeit des Pflegschaftsverhältnisses gegeben ist. Es ist einzuräumen, dass ein Konkubinatsverhältnis anders als die Ehe von Pflegeeltern jederzeit aufgelöst werden kann. Verlässt der Vater nachträglich Mutter und Kind, so verliert die Namensänderung ihre Rechtfertigung und führt zu neuen Unannehmlichkeiten, weil das Kind dann wiederum nicht den Namen des Elternteils trägt, bei dem es wohnt. Im vorliegenden Fall besteht indessen kein Anlass, an der Dauerhaftigkeit des Konkubinats zu zweifeln. Der Gesuchsteller ist mehr als vier Jahre alt, was voraussetzt, dass die Verbindung seiner Eltern schon mindestens fünf Jahre gedauert hat. Dies und der Umstand, dass der Vater das Kind sofort nach Inkrafttreten des neuen Kindesrechts anerkannt hat, dass er seinen Namen auf es übertragen will und dass er in ihm bereits seinen künftigen Geschäftsnachfolger sieht, lässt darauf schliessen, dass das Verhältnis dauerhafter Natur ist (vgl. hiezu
BGE 96 I 429
/430). Der rechtlich prekäre Charakter des Konkubinats steht daher der Namensänderung nicht im Wege.
5.
Der Regierungsrat begründet die Abweisung des Namensänderungsgesuchs zur Hauptsache damit, es gehe nicht an, dem Kind, das ein verheirateter Mann mit einer Dritten gezeugt habe, den Familiennamen des Vaters zu geben, wenn dessen Ehe noch bestehe und sich das Kind nicht unter elterlicher Gewalt des Vaters befinde; zu einer solchen Namensänderung
BGE 105 II 247 S. 251
könne eine Behörde, die den Grundsatz, dass eine gesetzlich geschlossene Ehe den staatlichen Schutz verdiene, auch nur einigermassen beachte, nicht Hand bieten.
Mit diesem Argument hat sich das Bundesgericht indessen bereits in seiner staatsrechtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt. Es hat es als willkürlich bezeichnet, das Namensänderungsgesuch eines bei seinen nicht verheirateten Eltern aufwachsenden Kindes anders zu behandeln als dasjenige eines Pflegekindes. Gründe der öffentlichen Ordnung stünden einem solchen Gesuch nicht entgegen. Einem Kind, das ein Interesse daran habe, den Namen seines Vaters zu tragen, dürften die Fehler seiner Eltern, für die es nicht verantwortlich ist, nicht entgegengehalten werden (
BGE 96 I 429
/430 E. 2b, d). Gerade darauf läuft aber die Auffassung des Regierungsrats im vorliegenden Fall hinaus. Wie im erwähnten Entscheid weiter ausgeführt wird, trifft es auch nicht zu, dass durch die Namensänderung das Konkubinat öffentlich anerkannt und das Institut der Ehe als solches untergraben wird. Durch die Verweigerung der Namensänderung würde die Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dass der Gesuchsteller im Ehebruch erzeugt wurde und dass er im Haushalt seiner im Konkubinat lebenden Eltern aufwächst. Im Gegenteil würde die Öffentlichkeit dadurch, dass Vater und Sohn nicht den gleichen Namen tragen, ständig auf die illegitime Abstammung des Kindes aufmerksam gemacht, die noch heute, obwohl das neue Kindesrecht das eheliche und das aussereheliche Kindesverhältnis grundsätzlich gleichgestellt hat, in weiten Kreisen als gesellschaftlicher Makel betrachtet wird. Dieser Makel, den der Gesuchsteller nicht zu vertreten hat, kann durch die beantragte Namensänderung wenn nicht beseitigt, so doch in seinen Auswirkungen gemildert werden.
6.
Der Regierungsrat weist weiter darauf hin, die beantragte Namensänderung widerspreche dem neuen Kindesrecht. Dieses habe den Grundsatz aufgestellt, dass das ausserhalb einer Ehe geborene Kind, gleichgültig ob es von seinem Vater anerkannt worden sei oder nicht, den Familiennamen seiner Mutter führen solle. Eine Ausnahme bestehe gemäss
Art. 271 Abs. 3 ZGB
nur dann, wenn das Kind unter der elterlichen Gewalt des Vaters aufwachse, was hier nicht der Fall sei. Diese letztere Bestimmung bezieht sich indessen auf den Erwerb des Bürgerrechts und nicht auf denjenigen des Namens. Sie besagt nicht, dass das Kind unverheirateter Eltern nur dann den
BGE 105 II 247 S. 252
Namen seines Vaters annehmen kann, wenn es unter dessen elterlicher Gewalt steht. Die Regel des
Art. 270 Abs. 2 ZGB
, wonach das Kind unverheirateter Eltern von Gesetzes wegen den Namen der Mutter erhält, beruht auf dem Gedanken, dass ein solches Kind normalerweise bei der Mutter aufwächst, zu der es engere Beziehungen hat als zum Vater. Verhält es sich jedoch ausnahmsweise anders, so soll es dem Kind offenstehen, durch Namensänderung den Namen des Elternteils zu erwerben, bei dem es aufwächst (BBl 1974 II S. 50/51 und der im Entwurf des Bundesrats vorgeschlagene
Art. 30 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB
; HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, S. 99). Mit dieser Begründung liesse sich im vorliegenden Fall freilich auch rechtfertigen, dem Kind den Namen der Mutter, also H., zu geben, den auch seine Stiefgeschwister tragen und den es tragen würde, wenn es nach dem Inkrafttreten des neuen Kindesrechts geboren wäre (
Art. 270 Abs. 2 ZGB
im Gegensatz zu Art. 324 Abs. 1 aZGB; zum alten Recht vgl.
BGE 100 II 290
ff.). Diese Möglichkeit, zu der auch der Regierungsrat Hand bieten würde, schliesst es indessen nicht aus, dass wichtige Gründe dafür bestehen, dem Gesuchsteller den Erwerb des väterlichen Namens zu bewilligen. Die Einheit des Namens innerhalb der "Familie" des Gesuchstellers lässt sich so oder so nicht herstellen.
7.
Dass der beantragten Namensänderung erhebliche private Interessen entgegenständen, behauptet der Regierungsrat zu Recht nicht. Insbesondere hat Ferdinand R. anders als der Vater im erwähnten
BGE 96 I 425
ff. keine ehelichen Kinder, die allenfalls dadurch betroffen sein könnten, dass der Gesuchsteller den gleichen Namen trägt wie sie, wodurch der Anschein einer Verwandtschaft erweckt wird, die in Wirklichkeit nicht besteht. Das Interesse der Ehefrau von R. daran, dass der Gesuchsteller nicht für ihr Kind gehalten werde, hat gegenüber dem Interesse des Gesuchstellers, den gleichen Namen wie sein Vater tragen zu dürfen, zurückzutreten (vgl.
BGE 96 I 431
).
8.
Der Regierungsrat hat das Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 ZGB
somit zu Unrecht verneint. Die Berufung ist daher gutzuheissen und dem Gesuchsteller zu bewilligen, den Familiennamen R. zu tragen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
502288f8-4234-4910-841d-761b39556f5e | Urteilskopf
138 II 267
21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. upc cablecom GmbH gegen Joiz AG und Bundesamt für Kommunikation (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_790/2011 vom 22. März 2012 | Regeste
Art. 93 Abs. 2 BV
; Art. 59 und 60 Abs. 1 lit. a und b RTVG; Zugang zu Verbreitungsinfrastruktur von Fernsehprogrammen ("Must-Carry"-Verpflichtungen); Aufschaltpflicht für das Jugendprogramm "joiz".
Ausnahmsweise kann auch ein Sparten- oder Zielpublikumsprogramm in den Genuss einer Aufschaltverfügung nach
Art. 60 Abs. 1 RTVG
kommen, wenn es ein originelles und finanziell realisierbares Gesamtprogramm offeriert, das über die bestehenden Angebote hinaus in qualitativ und quantitativ relevanter Weise zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags für Radio und Fernsehen beiträgt und die bestehende audiovisuelle Medienlandschaft thematisch sinnvoll ergänzt (E. 2 und 3). Beurteilung des Jugendprogramms "joiz" (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 268
BGE 138 II 267 S. 268
Am 10. November 2010 verpflichtete das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) die upc cablecom GmbH (früher: Cablecom GmbH), das TV-Jugendprogramm "joiz" ab dem 1. Februar 2011 "für eine Dauer von drei Jahren unentgeltlich in ihrem analogen und digitalen Kabelnetz der Deutschschweiz zu verbreiten". Das BAKOM ging davon aus, dass das geplante Programm "einen besonderen kulturellen Beitrag" im Sinne des radio- und fernsehrechtlichen Leistungsauftrags erbringe und das bestehende Angebot sinnvoll ergänze; "joiz" wolle die Zielgruppe der Jugendlichen von 15 bis 25 Jahren umfassend ansprechen. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Verfügung auf Beschwerde hin am 23. August 2011.
Das Bundesgericht weist die von der upc cablecom GmbH hiergegen eingereichte Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über Radio und Fernsehen (RTVG; SR 784.40) auf den 1. April 2007 unterstehen die Kabelnetzbetreiber bezüglich ihrer Übertragungsleistungen den fernmelderechtlichen Bestimmungen; es gilt das Prinzip der Technologieneutralität und der Einheitsbehandlung aller Anbieter von Übermittlungsdiensten (vgl. MATTHIAS RAMSAUER, Die Verbreitung von Rundfunkprogrammen nach dem revidierten Radio- und Fernsehgesetz, Jusletter 11. Mai 2009, S. 5, 12). Sind Veranstalter und Verteiler eines Programms nicht identisch, stellt sich die Frage nach dem Zugang zu den - trotz Breitbandangeboten - limitierten Verbreitungskapazitäten. Dabei geht das Gesetz davon aus, dass die Programmveranstalter und die Fernmeldedienstanbieterinnen die Programmverbreitung in erster Linie vertraglich regeln sollen ("Verhandlungsprimat"; dazu Botschaft vom 18. Dezember 2002 zur Totalrevision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen, BBl 2003 1630 ff. Ziff. 1.3.8 und 2.1.3.1).
2.2
Im öffentlichen Interesse bestehen aus medienpolitischen Gründen jedoch
rundfunkrechtliche
Vorgaben, welche die
BGE 138 II 267 S. 269
Wahlmöglichkeit der Fernmeldedienstanbieterinnen beschränken. Die entsprechenden Aufschaltverpflichtungen (sog. "Must-Carry"-Rules oder "Must-Carry"-Verpflichtungen) bezwecken, den Pluralismus und die Meinungsfreiheit zu sichern und die Bereitstellung von als wertvoll erachteten Programminhalten ausserhalb ökonomischer Überlegungen zu gewährleisten (vgl. GORINI/VAN EIJK, Workshop Weiterverbreitungspflicht, in: Haben oder nicht haben - Must-Carry-Regeln, Strassburg 2005, S. 1 ff.). Sie legen fest, welche Programmveranstalter von einer Fernmeldedienstanbieterin von Gesetzes wegen berücksichtigt werden müssen und zu welchen Bedingungen dies zu geschehen hat. Programme, die in besonderem Masse zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags beitragen, werden dadurch in ihrer Verbreitung gesetzlich privilegiert (vgl. RAMSAUER, a.a.O., S. 14 ff.).
2.3
Die rundfunkrechtlichen Verbreitungspflichten greifen in die Wirtschaftsfreiheit und die Eigentumsgarantie der Netzbetreiber ein. Sie müssen deshalb den Anforderungen von
Art. 36 BV
genügen, d.h. sie haben auf einer gesetzlichen Grundlage zu beruhen, im öffentlichen Interesse zu liegen und verhältnismässig zu sein; zudem dürfen sie den Kerngehalt der Grundrechte nicht tangieren. Im Spannungsfeld der Radio- und Fernsehfreiheit der Veranstalter (vgl.
Art. 16 und 17 BV
), der Erfordernisse der verfassungsrechtlichen Vorgaben an das audiovisuelle Mediensystem (
Art. 93 BV
) und der Eigentumsgarantie (
Art. 26 BV
) bzw. der Wirtschafts- (
Art. 27 BV
) und Netzwerkfreiheit der Fernmeldedienstanbieterinnen ist über die Aufschaltregeln ein möglichst grundrechtskonformer Interessenausgleich im Einzelfall zu schaffen (so
BGE 135 II 296
E. 2.1 mit Hinweisen auf die Doktrin).
2.4
Konzessionierten Veranstaltern steht eine privilegierte Zugangsberechtigung zu Verbreitungsinfrastrukturen (
Art. 59 Abs. 1 und 3 RTVG
) zu. Neben der SRG, die einen gesetzlichen Anspruch auf eine Konzession hat (
Art. 25 RTVG
), betrifft dies seit dem Inkrafttreten des neuen Radio- und Fernsehgesetzes nur noch die Veranstalter mit Leistungsauftrag (mit oder ohne Gebührenanteil [
Art. 38 und 43 RTVG
]). Andere private Anbieter bedürfen keiner Konzession mehr (vgl. MARTIN DUMERMUTH, Die Revision des Radio- und Fernsehgesetzes und das duale System [nachfolgend: Revision], ZSR 125/2006 I S. 229 ff., dort 255 ff.). Für sie besteht lediglich noch eine allgemeine Meldepflicht (
Art. 3 lit. a RTVG
). Sie sind von der Bezahlung der Konzessionsabgabe befreit und können ihre
BGE 138 II 267 S. 270
Tätigkeit auf dem Markt unter vereinfachten Bedingungen aufnehmen, profitieren umgekehrt jedoch nicht vom Zugangsrecht nach
Art. 59 RTVG
. Demnach sind die Programme der SRG im Rahmen der Konzession (Abs. 1 lit. a) sowie die übrigen Programme, "für die eine Konzession mit Leistungsauftrag besteht" (Abs. 1 lit. a und b RTVG), im jeweiligen Versorgungsgebiet zwingend und regelmässig unentgeltlich (vgl.
Art. 59 Abs. 3 2
. Satz und Abs. 5 RTVG) über Leitungen zu verbreiten. Zudem kann der Bundesrat Programme ausländischer Veranstalter bezeichnen, welche wegen ihres "besonderen Beitrages zur Bildung, zur kulturellen Entfaltung oder zur freien Meinungsbildung" über ein entsprechendes Zugangsrecht verfügen sollen (
Art. 59 Abs. 2 RTVG
). Er legt die Höchstzahl der zugangsberechtigten Programme im Rahmen der technischen Möglichkeiten der Fernmeldedienstanbieterinnen fest (
Art. 59 Abs. 3 RTVG
). Zur Verbreitung ist in erster Linie diejenige Anbieterin gehalten, die im Versorgungsgebiet bereits Programme verteilt und dabei am meisten Haushalte erreicht (
Art. 59 Abs. 4 RTVG
).
3.
3.1
Neben dem Zugangsrecht nach
Art. 59 RTVG
besteht als "Must- Carry"-Regelung zugunsten der privaten Veranstalter ohne Leistungsauftrag die Aufschaltverpflichtung nach
Art. 60 RTVG
(vgl. DUMERMUTH, Revision, a.a.O., S. 257). Danach kann das Bundesamt auf Gesuch eines Programmveranstalters hin eine Fernmeldedienstanbieterin für eine bestimmte Dauer zur unentgeltlichen leitungsgebundenen Verbreitung eines Programms in einem bestimmten Gebiet anhalten, sofern (1) "das Programm in besonderem Mass zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags beiträgt" (
Art. 60 Abs. 1 lit. a RTVG
) und (2) "der Fernmeldedienstanbieterin die Verbreitung unter Berücksichtigung der verfügbaren Übertragungskapazitäten sowie der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zumutbar" erscheint (
Art. 60 Abs. 1 lit. b RTVG
). Der Bundesrat legt die Höchstzahl der Programme fest (
Art. 60 Abs. 2 RTVG
). Zurzeit beträgt diese für die analoge Verbreitung von Fernsehprogrammen 25 und für die digitale Verbreitung 30 (Art. 53 lit. c und d der Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 2007 [RTVV; SR 784.401]). Erbringt der Programmveranstalter die in der Verfügung festgehaltenen Leistungen nicht mehr, kann ihm das Zugangsrecht zum Leitungsnetz vor Ablauf der verfügten Dauer vom Bundesamt entzogen werden (
Art. 60 Abs. 3 RTVG
).
BGE 138 II 267 S. 271
3.2
3.2.1
Will ein privater (nur meldepflichtiger) Programmveranstalter eine Aufschaltung im Sinne von
Art. 60 RTVG
erwirken, muss er in seinem Gesuch überzeugend darlegen, dass und inwiefern sein Angebot geeignet erscheint, einen "besonderen" Beitrag zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags im Sinne von
Art. 93 Abs. 2 BV
zu erbringen ("Outputorientierung"; vgl. zum verfassungsrechtlichen Leistungsauftrag von Radio und Fernsehen: MARTIN DUMERMUTH, Subjektive und objektive Elemente der Radio- und Fernsehfreiheit, in: Kommunikation, Festschrift für Rolf H. Weber, Sethe und andere [Hrsg.], 2011, S. 667 ff., dort 693 ff.;
derselbe
, Revision, a.a.O., S. 230 ff.). Seine publizistische Leistung hat eine Lücke im Programmangebot der verschiedenen Veranstalter, d.h. des radio- und fernsehrechtlichen Mediensystems hinsichtlich der kulturellen Entfaltung (inklusive Information und Bildung), der meinungsvermittelnden bzw. -formenden Kommunikation und der sozialrelevanten Unterhaltung zu schliessen bzw. zumindest derart zu ergänzen, dass ein hinreichendes öffentliches Interesse es gesamthaft rechtfertigt, zugunsten des Informationsaustauschs in der demokratisch-pluralistischen Gesellschaft in die verfassungsrechtlich geschützten Positionen der belasteten Fernmeldedienstanbieterinnen einzugreifen. Zudem muss der Veranstalter über die hierfür erforderlichen strukturell-organisatorischen Voraussetzungen verfügen ("Inputorientierung"). Die "Input"-Faktoren der Programmproduktion - d.h. diese finanzieren und dem Gesuch entsprechend herstellen zu können - gelten im Rahmen von
Art. 60 Abs. 1 RTVG
analog (vgl.
Art. 44 Abs. 1 lit. b RTVG
; Verfügung des BAKOM vom 25. Mai 2010 i.S. Rouge TV SA E. 2.2.3 und 2.2.4.1; SIMON OSTERWALDER, Die Must Carry-Regel für die Verbreitung von Fernsehprogrammen gemäss
Art. 60 RTVG
, in: Kommunikation, Festschrift für Rolf H. Weber, Sethe und andere [Hrsg.], 2011, S. 719 ff., dort 737).
3.2.2
Nur inhaltlich als zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags "besonders wertvoll" einzustufende Programme sollen - so der Bundesrat in seiner Botschaft - in den Genuss einer Aufschaltverfügung nach
Art. 60 RTVG
kommen und vom Status eines "Must-Carry"-Programms profitieren können (BBl 2003 1803 [zu Art. 69 E-RTVG]). Dabei dienen die programmrechtlichen Anforderungen als "Orientierungshilfe", denen die konzessionierten Veranstalter bzw. ausländischen Sender für ihr Zugangsrecht nach
BGE 138 II 267 S. 272
Art. 59 Abs. 1 und 2 RTVG
zu genügen haben (
BGE 135 II 296
E. 4.2.2 S. 304): Nach
Art. 38 RTVG
können Konzessionen mit Leistungsauftrag und Gebührenanteil an Veranstalter lokal-regionaler Programme erteilt werden, die ein Gebiet ohne ausreichende Finanzierungsmöglichkeit mit Radio- und Fernsehprogrammen versorgen, welche die lokalen oder regionalen Eigenheiten durch umfassende Information insbesondere über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge berücksichtigen sowie zur Entfaltung des kulturellen Lebens im Versorgungsgebiet beitragen. Anderen Programmveranstaltern mit Leistungsauftrag, aber ohne Gebührenanteil, kann eine Konzession erteilt werden, wenn (a) ihr Programm in einem Gebiet die lokalen oder regionalen Eigenheiten durch umfassende Information insbesondere über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge berücksichtigt sowie zur Entfaltung des kulturellen Lebens im Versorgungsgebiet oder (b) "in einer Sprachregion" anderweitig "in besonderem Mass zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags" beiträgt (
Art. 43 Abs. 1 RTVG
). Als ausländische Programme, die nach
Art. 59 Abs. 2 RTVG
über Leitungen zu verbreiten sind, fallen nach
Art. 52 RTVV
Angebote in Betracht, die einen "besonderen Beitrag zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags namentlich dadurch erbringen, dass sie (a) im Rahmen aufwändiger redaktioneller Formate vertieft über gesellschaftliche, politische, wirtschaftliche oder kulturelle Phänomene berichten; (b) künstlerischen Filmproduktionen breiten Raum gewähren; (c) besondere redaktionelle Beiträge zur Bildung des Publikums liefern; (d) besondere redaktionelle Beiträge für jugendliche, alte oder sinnesbehinderte Menschen ausstrahlen oder (e) regelmässig schweizerische Beiträge ausstrahlen bzw. sich regelmässig mit schweizerischen Themen befassen".
3.2.3
Hieraus ergibt sich, dass die Aufschaltpflicht nach
Art. 60 Abs. 1 lit. a RTVG
nicht nur einzelne Sendungen voraussetzt, die geeignet sind, im normalen Rahmen (auch) einen Beitrag zur Information der Zuschauer oder zur kulturellen Entfaltung (etwa Musik[werbe]sendungen) zu erbringen (
BGE 135 II 296
E. 4.3 S. 306), sondern ein originelles und finanziell realisierbares Gesamtprogramm erforderlich ist, das über die bestehenden Angebote hinaus in qualitativ und quantitativ relevanter Weise zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags beiträgt und die bestehende audiovisuelle Medienlandschaft thematisch sinnvoll ergänzt und bereichert ("Mehrwert"-Erfordernis;
BGE 135 II 296
E. 4.3 S. 306). Dabei muss
BGE 138 II 267 S. 273
es sich beim aufschaltberechtigten Angebot nicht um ein "Vollprogramm" handeln: Auch ein Sparten- (bspw. Nachrichtenkanal) oder ein Zielpublikumsprogramm kann, wie die Vorinstanzen zu Recht festgestellt haben, die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen und einen wesentlichen, einen Mehrwert darstellenden Beitrag an die Realisierung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags durch das elektronische Mediensystem erbringen. Zwar weist die Parallelität zu Art. 38 bzw. 43 RTVG, die jeweils sachbedingt eine
umfassende
Information über die lokalen oder regionalen Zusammenhänge voraussetzen, eher auf die Natur eines (lokalen) Vollprogramms hin; die Kriterien für ausländische "Must-Carry"-Programme unterstreichen jedoch, dass die dort genannten Mehrwerte - namentlich spezifische redaktionelle Programme für Jugendliche (vgl.
Art. 52 Abs. 1 lit. d RTVV
) - für sich selber und losgelöst von einem solchen unter Umständen ebenfalls eine Aufschaltpflicht im Rahmen von
Art. 60 Abs. 1 RTVG
zu rechtfertigen vermögen.
3.2.4
Der besondere Beitrag an den verfassungsmässigen Leistungsauftrag kann jedoch nur ausnahmsweise anerkannt werden, da andernfalls - wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet - in der heutigen heterogenen Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen praktisch keine sinnvollen Abgrenzungen mehr definiert werden können. In diesem Sinn sind die an sich richtigen, aber zu weitgehenden Überlegungen des Bundesamts zu relativieren, wonach für den Erlass einer Aufschaltverfügung jeweils nicht die Art des Programms (Voll-, Zielgruppen- oder Spartenprogramm), sondern ausschliesslich der Umfang und die Qualität des Beitrags an den verfassungsrechtlichen Auftrag entscheidend seien. Der Umfang und die Qualität des Beitrags an den Leistungsauftrag definieren sich
auch
aufgrund der Art des Programms: Die Aufschaltung eines Zielgruppenprogramms - vor allem im analogen Bereich - kann dazu führen, dass weiteren Aufschaltgesuchen für Programme, welche die gleiche Zielgruppe ansprechen, nicht mehr stattgegeben werden kann, weil das entsprechende Bedürfnis durch die bestehenden Programme hinreichend abgedeckt erscheint. Die Möglichkeiten einer analogen Programmverbreitung sind beschränkter als jene einer digitalen, weshalb typische Spartenprogramme, welche ein spezifisches Publikum ansprechen und keine gesellschaftlichen Querschnittsprobleme behandeln (bspw. Jäger und Fischer usw.), nicht ohne Not im Rahmen von
Art. 60 RTVG
mittels eines Eingriffs in die verfassungsrechtlichen Positionen der
BGE 138 II 267 S. 274
Fernmeldedienstanbieterinnen zwangsweise auf Kosten eines (ein breiteres Publikum ansprechenden) Vollprogramms verbreitet werden sollen. Für sie eignet sich die digitale Ausstrahlung; in der Regel dürfte das entsprechende Zielpublikum denn auch bereit sein, den sich aus dem Spartenprogramm für seine Bedürfnisse ergebenden publizistischen Mehrwert durch höhere Kosten für den digitalen Empfang abzugelten. Die Aufschaltverpflichtung von
Art. 60 RTVG
ruft im Rahmen des Leistungsauftrags nach einem medialen Interesse am entsprechenden Programmangebot seitens der
Öffentlichkeit
bzw. der
Allgemeinheit
; es geht darum, nicht konzessionierten Programmen von einer gewissen redaktionellen Qualität Zugang zu analogen oder digitalen Verbreitungsinfrastrukturen zu verschaffen, damit ihr im allgemeinen, öffentlichen Interesse liegender besonderer Beitrag zum Leistungsauftrag den Weg zu einer genügenden Anzahl Endkunden findet (vgl. OSTERWALDER, a.a.O., S. 731).
4.
4.1
4.1.1
Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass der Jugendsender "joiz" in diesem Sinn
allgemein
in besonderem Mass zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags beiträgt, weshalb es sich rechtfertigt, ihn zwangsweise aufschalten zu lassen, haben sie sich im Rahmen des ihnen diesbezüglich zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten (vgl. hierzu
BGE 135 II 296
E. 4.4.3 mit Hinweisen) und kein Bundesrecht verletzt: Im Programm "joiz" wenden sich junge Fernsehmacher und Präsentatorinnen bzw. Präsentatoren im nicht-fiktionalen Bereich mit "jungen" Themen an ein "junges" Publikum. Von Montag bis Freitag werden täglich dreieinhalb Stunden "neues" Programm (davon zwei Stunden "live") produziert. Neben einem musikalischen Schwerpunkt behandelt "joiz" im Rahmen verschiedener Sendegefässe querschnittsweise in einer unkonventionellen Art zahlreiche Themen, welche ein spezifisch jugendliches Publikum bewegen. Zwar decken auch andere Veranstalter solche Bedürfnisse ab, jedoch nicht in der gleichen umfassenden Weise. Das Programm von "joiz" zeichnet sich im Vergleich zu ähnlichen Angeboten (etwa MTV oder StarTV) durch zahlreiche Eigenformate aus, wobei Inhalt und Machart des Programms dank der Zusammenarbeit mit Jugendverbänden und -beratungsstellen eine für das Mediensystem interessante Originalität (und Provokation) aufweisen. "joiz" strahlt tägliche Livesendungen mit Talkgästen, Konzert-Jams mit Musikern und Lifestyle-Formaten aus, wobei
BGE 138 II 267 S. 275
das Publikum per Webcam, Facebook, Twitter oder Skype unmittelbar in die Programmgestaltung eingreifen kann. Es kommt seinem Programm mit Blick auf die künftige Art von Fernsehkonsum (interaktives Fernsehen), Kommunikation und Mediengebrauch auch ein gewisser experimenteller Charakter zu, der beim besonderen Beitrag an den verfassungsrechtlichen Leistungsauftrag mitberücksichtigt werden darf. Für ein weiteres Publikum illustriert das Programm generationenübergreifend ein Abbild der Interessen, Sorgen und Anliegen der jungen Generation.
4.1.2
Das Programm unterscheidet sich damit klar von Angeboten, die sich schwerpunktmässig auf Call-in-Sendungen mit kostenpflichtigen Anrufen oder Erotik-Werbeblöcken konzentrieren (vgl.
BGE 135 II 296
E. 4.1 S. 303). Es beschränkt sich - entgegen der Einschätzung der Beschwerdeführerin - auch nicht auf das Abspielen von vorfabrizierten (Musik-)Videos, Trailern oder anderen eingekauften Produktionen ohne eigenen Mehrwert, was im Rahmen von
Art. 60 RTVG
nicht spezifisch schutzwürdig wäre und nicht als "qualitative Ergänzung zu massenattraktiven Unterhaltungsprogrammen" gelten könnte (vgl. BBl 2003 1637): In der Sendung "noiz" (Montag bis Freitag 17.00-17.30 Uhr) werden die Schlagzeilen des Tages aufgegriffen und von den Moderatoren und dem Publikum per Social-Media-Plattformen kommentiert. "My joiz" (Montag-Freitag 18.30-19.00 Uhr) ist seinerseits ein interaktives Musikclip- Wunsch-Format. Beim Sendegefäss "JoiZone" (Montag-Freitag; 19.00-19.30 Uhr) handelt es sich um eine interaktive Ratgebersendung rund um die Themen "Liebe und Sexualität", "Digitale Welt", "Beruf, Aus- und Weiterbildung", "Umwelt, Politik und soziale Themen" bzw. "Ernährung, Gesundheit und Fitness". Im Rahmen der Sendung "Living Room" (Montag/Dienstag bzw. Donnerstag/Freitag 17.30-18.30 Uhr) ist jeweils ein bekannter Musiker, eine Band, ein Schauspieler usw. zu Gast im Studio, wobei das Publikum die entsprechenden Personen näher kennenlernt und ihnen per Videoeinspielung (live oder vorproduziert) Fragen stellen und die Richtung des Gesprächs mitprägen kann. In der Sendung "Home Run" (Mittwoch 17.30-18.30 Uhr) wird das heimische Musikschaffen thematisiert: Schweizer Musiker sprechen über ihr Arbeiten und musizieren direkt "unplugged". Im Rahmen von "KnackAttack" (Montag 17.30-18.30 und 19.30-20.30 Uhr) führt "Knackboul" durch Live-Talk und Musik-Jam-Sessions mit Show-Gästen. Bei "Kochen mit Shibby" (Mittwoch 19.30-20.00 Uhr) erfährt das Publikum etwa,
BGE 138 II 267 S. 276
wie mit wenig Geld bzw. dem was im Kühlschrank einer Wohngemeinschaft (WG) greifbar ist, ein gesundes Essen gekocht werden kann.
4.1.3
Gestützt auf dieses Programmangebot, welches inhaltlich weitgehend den Angaben der Veranstalterin im Verfahren vor dem BAKOM entspricht, auch wenn die einzelnen Sendungen inzwischen anders bezeichnet werden, kann mit dem Bundesverwaltungsgericht gesagt werden, dass "joiz", welches ein Schwergewicht beim einheimischen Musikschaffen und bei jugendspezifisch umgesetzten allgemeinen Themen setzt, ein originelles, neuartiges Gesamtprogramm für eine in diesem Medium bisher eher wenig berücksichtigte Bevölkerungsgruppe bietet und damit die TV-Landschaft bereichert. Das Programm der Beschwerdeführerin ist geeignet, einen massgeblichen Aspekt des Leistungsauftrags umfassender abzudecken, als dies bisher der Fall war. "joiz" trägt somit - gesamthaft betrachtet - sowohl in kultureller Hinsicht wie bezüglich der informierenden Inhalte in "besonderem Mass" zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags bei, zumal wenn bei der entsprechenden Einschätzung
Art. 67 BV
mitberücksichtigt wird, welcher vorsieht, dass der Bund und die Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben (und damit auch bei gestaltenden Entscheiden hinsichtlich der Medienlandschaft) "den besonderen Förderungs- und Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen" Rechnung tragen. Dieser Feststellung tut - entgegen der Kritik der Beschwerdeführerin - der Umstand kein Abbruch, dass die einzelnen Sendungen (auch mehrmals) wiederholt werden; selbst bei konzessionierten Veranstaltern wird dies hingenommen. Schon aus finanziellen Gründen ist es nicht möglich, über Stunden hinweg eigene Programminhalte zu produzieren und auf Wiederholungen zu verzichten. Soweit die Beschwerdeführerin darauf hinweist, dass auch für ein jugendliches Publikum das (schweizerische) Musikschaffen durch das Radio hinreichend abgedeckt sei (etwa DRS 3, Radio "Virus" oder "Radio 105"), verkennt sie, dass der akustische Genuss von Musik deren optische (künstlerische) Umsetzung als audiovisuelles Werk nicht zu ersetzen vermag; dieser kommt medienspezifisch eigenständige Bedeutung zu. Ein im Radio bestehendes Angebot schliesst nicht aus, dass ein ähnlich ausgerichtetes Fernsehprogramm in den Genuss eines Aufschaltprivilegs kommt, insbesondere wenn das entsprechende Programm - wie hier - stark crossmedial ausgerichtet ist, was sich beim Fernsehen aufgrund der visuellen Elemente wesentlich effizienter umsetzen lässt als im Radio.
BGE 138 II 267 S. 277
4.2
4.2.1
Zu Unrecht kritisiert die Beschwerdeführerin, dass die ihr auferlegte Aufschaltverpflichtung unverhältnismässig sei bzw. unter der Berücksichtigung der verfügbaren Übertragungskapazitäten sowie ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unzumutbar erscheine: Mit der Aufschaltverpflichtung soll sichergestellt werden, dass ein im öffentlichen Interesse aufschaltwürdiges Programm sein Publikum möglichst umfassend erreicht. Die Beschwerdeführerin versorgt nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz insgesamt rund 1,5 Mio. TV-Haushalte, wovon Ende 2010 bloss ein Drittel (rund 465'000) vom digitalen Angebot Gebrauch machte. Zwar nimmt die Bedeutung des digitalen Fernsehens je länger je mehr zu und ist die Reichweite von "joiz" tatsächlich höher, da dieses auch über Swisscom TV und andere Verbreitungskanäle digital empfangen werden kann; nach wie vor ist ein wesentlicher Teil der Haushalte aber nur über das analoge Kabelfernsehen erreichbar, weshalb es weiterhin notwendig erscheint, dass ein grundsätzlich die Voraussetzungen von
Art. 60 Abs. 1 lit. a RTVG
erfüllendes Programm auch analog verbreitet wird (zum versorgungspolitischen Charakter des analogen Programmangebots: RAMSAUER, a.a.O., S. 17). Das digitale Programmangebot ist für die Konsumenten mit zusätzlichen Kosten verbunden, was beim hier anvisierten Zielpublikum nicht ohne Bedeutung ist, da die Jugendlichen die Art des Fernsehkonsums im elterlichen Haushalt nur beschränkt beeinflussen können. Schliesslich fällt es erfahrungsgemäss nicht immer leicht, Analogkunden zum Wechsel auf die Digitaltechnik zu motivieren (vgl. THOMAS ROUKENS, Weiterverbreitung in der EU heute, in: Haben oder nicht haben - Must-Carry-Regeln, Strassburg 2005, S. 7 ff., dort S. 20).
4.2.2
Der Beschwerdeführerin ist zuzugestehen, dass mit der Aufschaltpflicht in ihre verfassungsmässig geschützten Positionen eingegriffen wird. Ihr wirtschaftliches Interesse, nicht ein seit den Anfängen des Kabelfernsehens in der Deutschschweiz verbreitetes Programm aus dem analogen Programm entfernen zu müssen und dieses weiterhin nach Einschaltquoten und Beliebtheitsreichweiten zusammenstellen zu können, hat indessen hinter das medienpolitische Interesse an einer möglichst flächendeckenden Verbreitung des Programms der Beschwerdegegnerin zurückzutreten: Der von ihr zur Abschaltung im analogen Netz vorgesehene Sender BR 3 kommt auf einen Marktanteil von etwa einem Prozent, womit sich
BGE 138 II 267 S. 278
seine Bedeutung in Grenzen hält und kaum davon auszugehen ist, dass die entsprechende Massnahme dazu führen wird, dass zahlreiche Kunden ihren Anschluss auflösen werden. Im Übrigen weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass auch die Zielgruppe des Programms der Beschwerdegegnerin Kunden der Beschwerdeführerin sind bzw. bei der Gründung eines eigenen Haushalts noch werden dürften.
4.2.3
Die Beschwerdeführerin kritisiert, die vom Bundesrat festgelegte Höchstzahl von bis zu 25 zu verbreitenden Fernsehprogrammen (bei 35 verfügbaren) im analogen Netz sei zu hoch und verfassungswidrig. Wie es sich damit verhält, braucht hier nicht abschliessend geprüft zu werden: Vorliegend geht es erst um den achtzehnten "Must-Carry"-Sender; die hiermit im öffentlichen Interesse verbundene Beschränkung ihrer verfassungsmässigen Rechte hält sich - auch bei Berücksichtigung der von ihr hinzunehmenden Gesamtbelastung - noch im Rahmen des verfassungsrechtlich Vertretbaren. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass sich unter den "Must-Carry"-Programmen auch solche befinden, die sie aufgrund der Einschaltquoten selbst ohne die entsprechende öffentlich-rechtliche Verpflichtung im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit analog verbreiten würde (SF 1, SF 2, ARD, ORF usw.), sodass die von ihr angerufenen absoluten Zahlen nur beschränkt aussagekräftig sind. Ergänzend ist schliesslich darauf hinzuweisen, dass zurzeit eine Änderung der Radio- und Fernsehverordnung diskutiert wird, welche künftig eine Reduktion der analogen Verbreitungspflichten nach sich ziehen würde. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) schlägt vor, dass eine Fernmeldedienstanbieterin, welche für die Verbreitung von Programmen verschiedene Technologien einsetzt, in jener Technologie teilweise oder ganz auf die Verbreitung verzichten kann, die vom Publikum nur in geringem Ausmass genutzt wird; dabei wird es den massgeblichen Grenzwert, die Programme, für welche die Verbreitungspflicht aufgehoben wird, sowie die Übergangsfristen festsetzen (Entwurf zu
Art. 54 Abs. 1 bis RTVV
; vgl. die Medienmitteilung des BAKOM "Anhörung zur Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung vom 16. Februar 2012" und den erläuternden Bericht des UVEK dazu vom gleichen Tag). Die Regelung bezweckt, die Digitalisierung zu fördern (vgl. auch
BGE 135 II 296
E. 4.4.2 S. 307) und die aus der Aufschaltpflicht im analogen Bereich erwachsende Wettbewerbsverzerrung zwischen Fernmeldedienstanbieterinnen,
BGE 138 II 267 S. 279
die - wie die Beschwerdeführerin - seit jeher analog verbreitet haben, und deren Konkurrentinnen aus dem Telecombereich (z.B. Swisscom TV) abzubauen bzw. zu beseitigen (Erläuternder Bericht S. 2 f.). Der entsprechenden politischen Diskussion ist hier nicht vorzugreifen. Es rechtfertigt sich deshalb mit Blick auf die technische Entwicklung auch nicht, die angeordnete Aufschaltpflicht auf zwei Jahre zu beschränken, wie dies die Beschwerdeführerin subsidiär beantragt. | public_law | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
5025f97f-50c1-42b6-8ad9-5e4f64d29b48 | Urteilskopf
92 I 95
17. Sentenza del 31 marzo 1966 sul ricorso Bachmann contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino. | Regeste
Steuer auf dem Wertzuwachs von Liegenschaften; Besteuerung des Tausches.
Art. 1 Abs. 2 des Tessiner Gesetzes über die Liegenschaften-Wertzuwachssteuer, der den Tausch als eine Veräusserung im Sinne und mit den Wirkungen des Gesetzes betrachtet, verstösst nicht gegen
Art. 4 BV
. Die Praxis, nach welcher der Tessiner Fiskus den Liegenschaftstausch als eine doppelte Veräusserung behandelt und daher die Wertzuwachssteuer auf beiden Grundstücken erhebt, ist nicht willkürlich. | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 92 I 95 S. 95
A.-
Il 24 agosto 1961 Margherita Bachmann ha stipulato con Emilio Antognini un contratto di permuta mediante il quale essa cedeva a quest'ultimo la particella n. 2785 di Locarno, di mq 345, ricevendo in cambio mq 396 della adiacente particella n. 2786.
I terreni permutati erano di uguale natura e di valore praticamente identico, per cui le parti non hanno stabilito alcun
BGE 92 I 95 S. 96
conguaglio in denaro. La mutazione venne iscritta a registro fondiario il 18 settembre 1961.
L'Ufficio dei registri di Locarno considerò la permuta come una doppia vendita ai fini dell'imposta sul maggior valore. Esso attribuì alla particella ceduta da Bachmann un valore di Fr. 17 250.-- e allo scorporo ceduto da Antognini un valore di Fr. 19 800.--. Bachmann, che era da meno di un anno proprietaria della particella ceduta, fu invitata a pagare un'imposta di Fr. 1770,60; a carico di Antognini, proprietario da oltre cinque anni, fu stabilita un'imposta di Fr. 981,70. Margherita Bachmann impugnò la sua tassazione davanti al Dipartimento cantonale di giustizia, il quale respinse il ricorso. Essa adì allora il Consiglio di Stato, negando di dovere un'imposta sul maggior valore e sostenendo, in particolare, che la permuta è un contratto unico e non doppio, dal quale deriva alle parti un utile che non può essere misurato in cifre, secondo le regole usuali per le altre alienazioni.
B.-
Con decisione del 14 gennaio 1966 il Consiglio di Stato ha respinto il ricorso. Esso ha innanzitutto rilevato che la permuta è un'alienazione di fondi giusta l'art. 1 cpv. 2 della legge cantonale ticinese del 9 febbraio 1954 concernente l'imposta sul maggior valore immobiliare (LMV). Il suo assoggettamento all'imposta è quindi legale. Del resto la permuta non è altro che una duplice compravendita, ciascuno dei contraenti apparendo contemporaneamente in veste di acquirente e di venditore. È perciò ovvio, aggiunge il Consiglio di Stato, che entrambi i fondi permutati siano oggetto di una indipendente e separata tassazione sul maggior valore, da eseguirsi secondo le normali regole di computo.
C.-
Margherita Bachmann impugna questa decisione con un tempestivo ricorso di diritto pubblico al Tribunale federale per violazione dell'art. 4 CF. Essa chiede che il ricorso sia accolto e che la permuta di cui si tratta venga esentata dall'imposta sul maggior valore, fatta eccezione per la differenza di superficie tra i due fondi (mq 51); in via subordinata domanda che gli atti vengano rimandati all'autorità cantonale per nuovo giudizio in tal senso.
Secondo la ricorrente, la riscossione dell'imposta sul maggior valore in caso d'una permuta, supposto che i fondi scambiati siano di uguale valore, è arbitraria, e 10 è anche se il principio di questa imposizione è stabilito dalla legge.
BGE 92 I 95 S. 97
L'art. 1 cpv. 2 LMV è infatti contrario ai concetti fondamentali del diritto costituzionale e federale in genere ed è arbitrario. L'imposta sul maggior valore immobiliare, per volontà del legislatore e giusta lo spirito della legge, deve colpire il reddito, vale a dire il guadagno realizzato in una alienazione. Ora, nel caso di una permuta senza conguaglio in denaro non c'è aumento delle attività dell'uno o dell'altro contraente: il risultato dello scambio si identifica in determinati vantaggi che è impossibile tradurre in cifre e parificare all'utile conseguito in una normale compravendita. Tutt'al più, aggiunge la ricorrente, la permuta potrebbe essere imposta nella misura in cui ci sia una differenza di valore tra i beni che vengono scambiati.
Infine, Bachmann critica il Consiglio di Stato per aver erroneamente applicato al diritto tributario la nozione di permuta contenuta nel Codice delle obbligazioni.
D.-
Il Consiglio di Stato propone la reiezione del ricorso.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Il ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF ha un effetto puramente cassatorio. Le conclusioni della ricorrente sono di conseguenza ammissibili soltanto nella misura in cui tendono all'annullamento della decisione impugnata (RU 90 I 21 consid. 1 in fine, 91 I 253).
La ricorrente fa valere l'incostituzionalità della disposizione cantonale che sottopone le permute all'imposta sul maggior valore. La censura è ricevibile. Certo, la norma in questione non può più essere annullata, il termine per impugnarla essendo spirato. Tuttavia, il Tribunale federale ha ripetutamente stabilito che il ricorso di diritto pubblico per violazione della costituzione federale non è proponibile soltanto contro le norme cantonali di portata generale, ma lo è ancora contro ogni loro singola applicazione; la Corte di diritto pubblico può allora esaminare a titolo pregiudiziale se la norma su cui si fonda la decisione è incostituzionale (RU 78 I 413, 84 I 104 consid. 2, 164 consid. 2, 86 I 274, 90 I 79/80, 91 consid. 1).
2.
Secondo l'art. 1 cpv. 1 LMV, soggiacciono all'imposta sul maggior valore immobiliare
"a) le alienazioni di fondi il cui alienante è proprietario da oltre cinque anni, quando il corrispettivo stabilito per l'alienazione superi il valore ufficiale di stima maggiorato del 5 %;
BGE 92 I 95 S. 98
b) le alienazioni di fondi il cui alienante è proprietario da meno di cinque anni, quando il corrispettivo stabilito per l'alienazione superi il prezzo della costruzione o il corrispettivo pattuito per l'acquisto maggiorato del 5 %."
L'art. 1 cpv. 2 LMV stabilisce che anche la permuta deve essere considerata un'alienazione di immobili ai sensi e agli effetti della legge. La ricorrente adduce che questa norma è arbitraria e inoltre contraria ai concetti fondamentali del diritto costituzionale e federale in genere. Quest'ultima censura è molto sommaria e non è corredata da una sufficiente motivazione ai sensi dell'art. 90 cpv. 1 lett. b OG (RU 81 I 60 consid. 4, BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 390). Per quanto concerne la censura d'arbitrio, essa è infondata. Secondo la giurisprudenza, una norma cantonale viola l'art. 4 CF quando sia priva d'ogni fondamento serio ed oggettivo, non abbia senso o scopo, oppure introduca distinzioni giuridiche non giustificate dai rapporti di fatto da disciplinare (RU 86 I 279 consid. 3a, 88 I 79 consid. 3, 89 I 35 consid. 5, 91 I 84 consid. 2). Ora, questo non è il caso per la disposizione in esame. La permuta è una alienazione che si differenzia dalla compravendita solo per il fatto che la controprestazione è costituita da un immobile anzichè dal denaro: non è quindi arbitraria, ai sensi della giurisprudenza, una norma legale che la consideri, agli effetti dell'imposta, alla stregua delle altre alienazioni. L'assoggettamento della permuta all'imposta sul maggior valore è del resto sancito anche da altre legislazioni cantonali (cfr., a questo proposito, GUHL, Die Spezialbesteuerung der Grundstückgewinne in der Schweiz, p. 89 e segg.; ROCHAT, L'imposition de la plus-value immobilière en Suisse, p. 53).
3.
Il fisco ticinese considera però la permuta come una doppia alienazione e sottopone di conseguenza entrambi i fondi trasferiti all'imposta sul maggior valore. Questa prassi, seguita dagli organi fiscali d'altri cantoni (cfr. GUHL, op.cit., p. 90), non è arbitraria, in quanto non viola manifestamente una norma legale o un principio giuridico chiaro e incontestabile, nè si trova in stridente contrasto con il senso dell'equità (RU 90 I 139 consid. 2). Certo, secondo il diritto civile la permuta è un contratto unitario e non la riunione di due operazioni distinte. L'organo fiscale non è però vincolato dalla nozione civilistica dei rapporti giuridici e se ne può scostare senza incorrere nell'arbitrio.
BGE 92 I 95 S. 99
La ricorrente sostiene, a questo riguardo, che la volontà del legislatore e lo spirito della legge vanno interpretati tenendo presente il significato dell'imposizione sul maggior valore. Ora, nella permuta, il guadagno conseguito non può essere tradotto in cifre e parificato all'utile realizzato in una normale compravendita. Secondo la ricorrente, nel contratto litigioso, ove i fondi permutati erano di ugual valore, le attività dei singoli contraenti non si sono affatto accresciute, per cui non sarebbe stato conseguito alcun profitto imponibile.
Effettivamente, l'imposta ticinese sul maggior valore è un'imposta sul reddito. Essa colpisce non l'immobile permutato nè l'alienazione come tale, ma soltanto l'utile conseguito per effetto dell'alienazione stessa. Il Tribunale federale ha già ammesso questo carattere dell'imposta sul maggior valore, dichiarando non arbitraria l'opinione dell'autorità cantonale che la considerava come integrativa e completativa dell'imposta sul reddito (cfr. sentenza inedita del 19 ottobre 1956 nella causa Società immobiliare Locarno SA). Il Consiglio di Stato del Cantone Ticino, nel messaggio del 10 marzo 1964 al Gran Consiglio concernente la modifica della legge per l'imposta sul maggior valore, ha a sua volta precisato che "nell'ordinamento ora in vigore, l'imposta sul maggior valore immobiliare colpisce l'accrescimento di valore dei fondi, quando questo accrescimento si concreta in un profitto per effetto di una alienazione (art. 1 lett. a LMV) e il guadagno consentito per mezzo di un negozio giuridico avente per oggetto dei fondi (art. 1 lett. b LMV)". La ricorrente vorrebbe dedurre che, nel caso che ci occupa, sia tutt'al più imponibile soltanto la differenza di valore tra le due particelle permutate senza conguaglio, vale a dire l'importo di Fr. 2550.-- di cui essa si trova effettivamente arricchita; questa somma rappresenta infatti il profitto da lei realizzato per effetto dell'alienazione. Nella fattispecie, l'autorità cantonale ha però sostenuto che soggetto a imposizione va considerato non l'utile inteso come entrata in denaro, ma, nella misura in cui superi i valori fissati dall'art. 1 cpv. 1 LMV, il corrispettivo stabilito per l'alienazione, vale a dire tutto quanto l'alienante riceve quale controprestazione per l'immobile trasferito, in qualsiasi forma e non importa sotto quale denominazione. Questa opinione non è manifestamente insostenibile. In effetti non è arbitrario ammettere che l'utile conseguito in una alienazione non deve necessariamente consistere
BGE 92 I 95 S. 100
in una determinata quantità di denaro che affluisce all'alienante, ma può essere ravvisato anche soltanto nell'aumento della capacità contributiva del contraente.
In concreto la ricorrente ha ceduto la particella n. 2785, che aveva acquistato meno di un anno prima per Fr. 8000.--, ad Emilio Antognini; l'Ufficio dei registri di Locarno, applicando l'art. 5 § LMV, ha attribuito al fondo un valore di Fr. 17 250.--, che la ricorrente non ha contestato. L'autorità ha di conseguenza accertato un maggior valore di cui ha beneficiato la particella e che, a seguito dell'alienazione, è diventato imponibile. Essa ha quindi stabilito un'imposta di Fr. 1770.60 a carico di Bachmann. Questa determinazione, eseguita dall'autorità secondo criteri di calcolo non contestati dalla ricorrente, non può, per i motivi esposti, considerarsi arbitraria. Certo, le conseguenze di un simile modo di procedere sono alquanto pesanti in un caso in cui, come quello della fattispecie, gli alienanti, senza concedersi conguagli, permutano terreni di uguale valore e di dimensioni identiche allo scopo di meglio disporre i loro confini. Ciò non toglie tuttavia che, anche in un simile caso, l'autorità possa, senza incorrere nell'arbitrio, tenere in considerazione l'aumento di valore dei fondi, ed assoggettarlo all'imposta quando esso divenga imponibile per effetto dell'alienazione. Il ricorso deve perciò essere respinto. | public_law | nan | it | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
502695a6-a31a-4438-88c7-985aa8d77bde | Urteilskopf
115 Ib 8
2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Februar 1989 i.S. Kantonales Steueramt des Kantons Zürich gegen X. und Bundessteuerrekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels (
Art. 96 Abs. 1 BdBSt
):
1. Voraussetzungen für die Vornahme einer Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels (E. 3).
2. Ein Stellenwechsel innerhalb desselben Fachgebiets verbunden mit einer Lohnverminderung (beruflicher Abstieg) führt im allgemeinen nicht zu einer Zwischenveranlagung (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 115 Ib 8 S. 9
X. war bis zum 31. Januar 1985 als Generaldirektor bei der Y. AG, Zürich, beschäftigt. Am 1. Februar 1985 trat er als Sektorverkaufsleiter in die Dienste der Z. AG, Zürich, wo er ein geringeres Einkommen erzielte.
Für die direkte Bundessteuer 1985/86 deklarierte X. aufgrund seiner Einkünfte in den Jahren 1983 und 1984 ein steuerbares Einkommen von Fr. ... Mit Eingabe vom 28. Mai/12. Juni 1986 verlangte er, per 1. Februar 1985 sei eine Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels vorzunehmen. Der Steuerkommissär wies sein Begehren am 18. Mai 1987 ab. Nach Eröffnung der Veranlagung 1985/86 am 14. September 1987 erhob X. Einsprache. Der Steuerkommissär wies sie am 18. Dezember 1987 mit der Begründung ab, es liege zwar ein Stellenwechsel, aber kein Berufswechsel vor.
Die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich hiess die vom Steuerpflichtigen dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 3. März 1988 gut und wies die Sache zur Durchführung der Zwischenveranlagung per 1. Februar 1985 an den Steuerkommissär zurück.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 17. August 1988 beantragt das Kantonale Steueramt Zürich, der Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission vom 3. März 1988 (versandt am 7. Juli 1988) sei aufzuheben.
X. und die Bundessteuer-Rekurskommission beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die Eidg. Steuerverwaltung schliesst auf Gutheissung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
Nach dem System des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt) wird das steuerpflichtige Einkommen in der Regel für eine
BGE 115 Ib 8 S. 10
zweijährige Veranlagungsperiode nach dem Durchschnitt der jährlichen Einkünfte bemessen, die der Steuerpflichtige in den beiden vorangegangenen Jahren (Berechnungsperiode) erzielte (
Art. 41 Abs. 1 und 2 BdBSt
). Schwankungen in der Höhe des Einkommens sollen sich im allgemeinen in der nachfolgenden Veranlagungsperiode auf die direkte Bundessteuer auswirken und derart auf die Dauer ausgleichen.
Die Zwischenveranlagung ist nachträglich eingeführt worden für Fälle, in denen sich die Veranlagungsgrundlagen aus den in
Art. 96 Abs. 1 BdBSt
abschliessend genannten Gründen dauernd verändern. In diesen Fällen ist für den Rest der Veranlagungsperiode bezüglich der von der Änderung betroffenen Einkommensbestandteile eine Zwischenveranlagung vorzunehmen, wobei der Steuer das nach Eintritt der Änderung erzielte, auf ein Jahr berechnete Einkommen zugrunde zu legen ist (Art. 96 Abs. 1 in Verb. mit
Art. 41 Abs. 4 BdBSt
). In der folgenden Veranlagungsperiode ist sodann für die Bemessung der von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile ebenfalls das nach Eintritt der Änderung erzielte und auf ein Jahr umgerechnete Einkommen heranzuziehen (Art. 42 in Verb. mit
Art. 41 Abs. 4 BdBSt
; vgl. zum Ganzen
BGE 110 Ib 314
E. 1, mit zahlreichen Hinweisen).
Zwischenveranlagungen vermögen von vornherein nicht alle Härten, die sich aus dem System der Vergangenheitsbemessung ergeben können, aus der Welt zu schaffen. Sie können nicht nur zugunsten, sondern unter den gleichen Voraussetzungen von
Art. 96 Abs. 1 BdBSt
auch zuungunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen werden. Sie sollen deshalb grundsätzlich Ausnahmen bleiben.
Art. 96 BdBSt
ist einschränkend auszulegen (
BGE 110 Ib 314
f. E. 1; ASA 53 189 f. E. 2, mit zahlreichen Hinweisen).
3.
a) Eine Zwischenveranlagung des Erwerbseinkommens (und des damit allenfalls zusammenhängenden Ersatzeinkommens) kommt aus den in
Art. 96 Abs. 1 BdBSt
genannten Gründen der Aufnahme oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit und des Berufswechsels in Betracht, häufig aus diesen beiden Gründen gleichzeitig. In beiden Fällen ist nur mit Zurückhaltung auf eine dauernde Veränderung der Veranlagungsgrundlagen zu schliessen. So ist in der Regel wegen Aufnahme oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit eine Zwischenveranlagung nur einmal vorzunehmen, nämlich beim Eintritt ins Erwerbsleben und bei der alters- und gesundheitsbedingten Aufgabe der Haupterwerbstätigkeit, nicht schon bei teilweiser Verminderung oder Erhöhung der Berufstätigkeit, bei
BGE 115 Ib 8 S. 11
Aufnahme oder Aufgabe einer unselbständigen Nebenerwerbstätigkeit oder wenn eine von verschiedenen Erwerbsquellen (auch der selbständigen Erwerbstätigkeit) versiegt (vgl.
BGE 110 Ib 315
E. a-d).
Auch der Zwischenveranlagungsgrund des Berufswechsels ist als Ausnahmeregel in diesem einschränkenden Sinne zu verstehen; ein Berufswechsel ist zwar mehrfach denkbar, führt aber nicht notwendig zu einer dauernden Veränderung der Veranlagungsgrundlagen.
b) Zwischenveranlagungen wegen Berufswechsels setzen ebenfalls eine tiefgreifende strukturelle Änderung der gesamten beruflichen Situation voraus, bei der eine Aufrechterhaltung der ordentlichen Veranlagung im Rahmen der zweijährigen Veranlagungsperiode sich nicht mehr rechtfertigen liesse. Von einer dauernden Veränderung der Grundlagen für die Veranlagung des Erwerbseinkommens kann gesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige auf einem anderen Fachgebiet tätig wird ("umsattelt"), auf dem er nicht mehr die im bisherigen Beruf erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen fruchtbar machen kann oder sein Einkommen sich nach wesentlich anderen Kriterien bestimmt und entwickelt. Auch mit einem Wechsel von unselbständiger zu selbständiger Tätigkeit (oder umgekehrt) ist eine tiefgreifende, dauernde Veränderung der Einkommensgrundlagen (festes Salär und Gewinnungskosten, Risiko und Abhängigkeit von Wirtschaftslage) verbunden (
BGE 79 I 360
; ASA 43 126 f. E. b). Eine berufliche Veränderung innerhalb desselben Fachgebiets kann nur ausnahmsweise zu einer Zwischenveranlagung führen, wenn der Steuerpflichtige seine Tätigkeit tiefgreifend umstellt und sich dadurch seine Einnahmenstruktur besonders einschneidend und dauerhaft verändert (vgl. zum Ganzen
BGE 110 Ib 315
f. E. 2a, mit weitern Hinweisen).
c) Ob eine tiefgreifende strukturelle Änderung der gesamten beruflichen Situation eingetreten ist, lässt sich nur unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilen. Durch einen Stellenwechsel innerhalb desselben Tätigkeitsbereichs, den beruflichen Auf- und Abstieg, die Ausweitung oder Einengung einer Tätigkeit, die Aufnahme neuer oder die Aufgabe bisheriger Tätigkeiten und die Erweiterung oder Reduktion eines Geschäftsbereichs wird die berufliche Gesamtsituation in der Regel nicht tiefgreifend verändert und die Einnahmenstruktur bleibt in der Regel gleich. Die damit üblicherweise verbundenen Einkommensschwankungen gleichen sich auf die Dauer aus und können in der
BGE 115 Ib 8 S. 12
ordentlichen Veranlagung hinreichend berücksichtigt werden, ohne dass eine Zwischentaxation erforderlich wäre, um ein Auseinanderklaffen zwischen Steuerbelastung und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu vermeiden (vgl.
BGE 110 Ib 313
;
109 Ib 12
f. E. 3).
4.
a) Die Vorinstanz hielt einen Berufswechsel für gegeben, weil sich die gesamte Erwerbssituation durch den Stellenwechsel qualitativ einschneidend verändert habe. Sie berücksichtigte dabei einerseits, dass sich durch den Stellenwechsel die Lohneinkünfte des Beschwerdegegners von je ca. Fr. ... in den Jahren 1983 und 1984 bei der Y. AG um ca. 60% auf Fr. ... im Bemessungsjahr 1986 reduzierten. Anderseits bejahte sie eine tiefgreifende Umstellung der Tätigkeit, weil der Verantwortungsbereich des Beschwerdegegners in seiner neuen Stelle als Sektorverkaufsleiter gegenüber seiner früheren Tätigkeit als Generaldirektor markant eingeschränkt sei. Der Beschwerdegegner habe an seiner neuen Stelle nur noch für einen achtfach geringeren Jahresumsatz (Fr. ... Mio. statt Fr. ... Mio.) einzustehen und stehe lediglich noch 16 statt wie bisher 620 Mitarbeitern vor. Die hierarchische Stellung und die Art der konkreten Tätigkeit habe sich massgebend geändert. Es stehe nicht mehr die an mittel- und langfristigen Zielen orientierte Führung der gesamten Unternehmung im Vordergrund; der Pflichtige habe nun mit Hilfe seiner Mitarbeiter unmittelbar für den Verkauf der Produkte seiner Arbeitgeberin zu sorgen. Ausserdem habe er sich mit vollständig neuen Technologien und Produkten vertraut machen müssen.
b) Durch diese für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Änderungen in der Berufsausübung haben sich die Veranlagungsgrundlagen des Beschwerdegegners entgegen der Vorinstanz nicht dauernd verändert.
In der Tätigkeit des Beschwerdegegners ist keine tiefgreifende Umstellung eingetreten: Er ist weiterhin unselbständigerwerbend in leitender kaufmännischer Funktion tätig, wiederum bei einem multinationalen Konzern und nicht auf einem völlig neuen Fachgebiet. Auch wenn sich sein Verantwortlichkeitsbereich eingeschränkt hat, liegt keine gesamthaft neue Aufgabenstruktur vor. Zwar hat sich durch den mit dem Stellenwechsel verbundenen beruflichen Abstieg auch dem geringeren Verantwortlichkeitsbereich entsprechend das Gehalt des Beschwerdegegners reduziert.
Die Struktur seiner Einnahmen hat sich jedoch nicht geändert. Er erzielt an seiner neuen Stelle weiterhin Lohneinkommen, das
BGE 115 Ib 8 S. 13
nicht nach anderen Grundlagen ausgerichtet wird, und nicht etwa Gewinnanteile oder umsatzabhängige Provisionen. Die blosse Verminderung des laufenden Erwerbseinkommens führt (wie umgekehrt auch die Erhöhung) noch nicht zu einer Zwischenveranlagung, selbst wenn die Einbusse - wie im vorliegenden Fall - erheblich ist. Ein neuerlicher beruflicher Aufstieg im Konzern der neuen Arbeitgeberfirma mag angesichts des Alters des Beschwerdegegners vielleicht nicht mehr im gleichen Masse möglich sein, doch stellte die Vorinstanz keine Umstände fest, die ihn auf die Dauer ausschliessen. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
50280f65-ae6b-4aa9-a049-e98a4d17da7d | Urteilskopf
104 V 19
5. Arrêt du 19 janvier 1978 dans la cause Bonardi contre Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 67 Abs. 3 KUVG
.
Deltasegeln an sich ist kein Wagnis, kann es aber umständehalber sein. | Sachverhalt
ab Seite 19
BGE 104 V 19 S. 19
A.-
Charles Bonardi, né en 1927, domicilié à V., est entré le 18 novembre 1974 au service de la Société X. Cette entreprise est soumise à l'assurance obligatoire contre les accidents professionnels et non professionnels ainsi que les maladies professionnelles. Vers le début de 1974, Bonardi se mit à pratiquer le vol sans moteur au moyen des engins dits "planeurs de pente (Hängegleiter)" ou "ailes delta". Il se soumit à une formation sérieuse et acquit rapidement une expérience étendue. Il passait pour un "vélideltiste" prudent et avisé.
Le 1er août 1975, Charles Bonardi, Guy B. et Charly M. se rendirent aux Rochers-de-Naye, dans l'intention de voler de ce sommet jusqu'à l'ancien aérodrome de Rennaz, dans la plaine du Rhône, ce qui représentait une dénivellation d'environ 1600 mètres. Vers 17 h., les trois hommes se lancèrent en direction de Montreux sur la pente rapide située devant le restaurant. M. partit le premier, suivi de B., puis de Bonardi. Celui-ci avait déjà fait quatre fois la descente des Rochers-de-Naye à Rennaz. Il utilisait pour ce cinquième vol un appareil Wind's Wing, de type courant, avec lequel il avait exécuté plus de 20 grands vols. Les conditions météorologiques étaient
BGE 104 V 19 S. 20
bonnes. Tandis que ses compagnons parvenaient au but sans encombre, Bonardi fut victime d'un accident dans les circonstances suivantes:
Le pilote d'un planeur de pente dirige son engin en agissant sur un trapèze fixé sous l'aile et solidaire de cette dernière. Il est lui-même suspendu à l'aile, derrière le trapèze, par un harnais dont il existe différents types. Par exemple, les uns permettent de voler debout; les autres, assis. Le harnais de l'assuré était conçu pour voler assis. Il était relié à l'aile par un mousqueton, lui-même fixé par une corde en nylon. Quelques secondes après le décollage, l'assuré constata que le noeud de marin formé par la corde de nylon se défaisait lentement et que le harnais allait se détacher. Il se suspendit alors aux barres latérales du trapèze. Dans cette position, il pouvait encore se diriger, en déplaçant le poids de son corps; mais il ne pouvait plus régler l'angle d'incidence, qui lui imposait une vitesse excessive. Il ne lui restait qu'à atterrir d'urgence, ce qu'il fit en virant et retournant en direction de la crête. Il dirigea son appareil vers une pente herbeuse et le lâcha lorsqu'il se trouva à environ un mètre du sol, afin de ne pas être blessé par l'engin. En raison de la vitesse, il prit contact brutalement avec le sol. Il fut transporté en hélicoptère au Centre hospitalier universitaire du canton de Vaud, où l'on diagnostiqua une fracture-luxation de la cheville gauche, une fracture du calcanéum gauche, une section de l'artère tibiale postérieure gauche, une fracture comminutive du plateau tibial droit et une fracture du 3e métatarsien droit. Le planeur de pente ne subit pas de dégâts.
Par décision du 6 janvier 1976, la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA) refusa de prendre l'accident en charge, pour le motif que le vol au cours duquel il s'était produit constituait en soi et à raison d'une préparation défectueuse une entreprise téméraire exclue de l'assurance.
B.-
Charles Bonardi recourut, par l'entremise de Me W. Il conclut à ce que la CNA assume les conséquences de l'accident du 1er août 1975, en lui fournissant toutes prestations légales.
La CNA conclut au rejet du recours.
Après réplique, duplique et audition de témoins, le Tribunal des assurances du canton de Vaud rejeta le recours le 25 mars 1977. Selon les premiers juges, la pratique du vol delta présente
BGE 104 V 19 S. 21
un danger grave et imminent, quelles que soient la distance, la dénivellation, la nature du parcours et les conditions météorologiques, d'une part, et les qualités du pilote et de l'équipement, d'autre part. Elle constitue donc toujours une entreprise téméraire. Le recourant s'est exposé sciemment à ces dangers.
C.-
Agissant au nom de Charles Bonardi, Me W. a formé en temps utile un recours de droit administratif contre le jugement cantonal. Il allègue en substance: que les grandes compagnies d'assurance privées couvrent sans surprime les accidents d'aile delta; que maintes activités sportives assurées par la CNA sont aussi ou plus dangereuses que le vol au moyen de planeurs de pente; que le recourant était apte à voler des Rochers-de-Naye à Rennaz; qu'il s'y était préparé soigneusement; qu'il utilisait un appareil adéquat; que le vol ne présentait de difficultés ni à cause de la nature des lieux ni à cause des conditions météorologiques; qu'en fait l'accident ne s'est pas produit au cours d'un "grand vol", à savoir de plus de 200 mètres de dénivellation, mais au cours d'un vol qui s'est terminé quelque 100 mètres en aval du point de départ; que le recourant n'a commis aucune faute; qu'en particulier il avait contrôlé le noeud fatal; qu'il a été victime d'un de ces impondérables qui peuvent se manifester dans n'importe quelle activité humaine; que, de toute façon, en prenant en charge certains accidents d'aile delta et en refusant d'assumer celui du recourant, la CNA viole le principe de l'égalité devant la loi contenu dans l'
art. 4 Cst.
; qu'enfin, en laissant croire qu'elle ne refuserait d'assurer que les accidents d'aile delta survenus dans des circonstances particulièrement dangereuses puis en adoptant en l'espèce une pratique plus restrictive, elle a surpris la bonne foi de l'assuré, contrairement au même
art. 4 Cst.
Il reprend ses conclusions de première instance.
L'intimée conclut au rejet du recours. Selon elle, on peut sérieusement mettre en doute que le vol en planeur de pente soit une activité sportive digne de protection, comme l'est l'alpinisme, par exemple. Au surplus, les précautions que nécessite l'utilisation des ailes delta, la gravité des conséquences de la moindre erreur et la fréquence relative des accidents survenus au cours de tels vols feraient que la pratique de ce sport devrait bien être considérée comme une
BGE 104 V 19 S. 22
entreprise téméraire en soi. On ne saurait lui reprocher - à elle, intimée - d'avoir varié d'opinion à ce sujet, s'agissant d'une activité nouvelle, dont seule une expérience d'une certaine durée pouvait révéler les défauts.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En vertu de la seconde phrase de l'
art. 67 al. 3 LAMA
, la CNA peut exclure de l'assurance des accidents non professionnels les dangers extraordinaires et les entreprises téméraires. Fondé sur cette disposition légale, le Conseil d'administration de la CNA a pris le 31 octobre 1967 une décision qui exclut de l'assurance: I. des dangers extraordinaires désignés nommément; II. les entreprises téméraires, à l'exception des actes de dévouement et de sauvetage à l'égard de personnes.
Alors que le danger extraordinaire est exclu quelle que soit la gravité du risque auquel la victime s'est exposée dans le cas concret, cette gravité est au contraire un élément de l'entreprise téméraire, que la décision du 31 octobre 1967 décrit en effet comme il suit: l'acte par lequel un assuré s'expose sciemment à un danger particulièrement grave pouvant résulter soit de l'acte lui-même, soit de la manière dont il est accompli, soit des circonstances concomitantes, soit de la personnalité de l'intéressé.
Selon la jurisprudence la plus récente du Tribunal fédéral des assurances, il faut qualifier d'entreprises téméraires - dès l'abord exclues de l'assurance - les activités non comprises dans la liste des dangers extraordinaires qui comportent des risques particulièrement importants même si elles sont pratiquées dans les conditions les moins défavorables. Il s'agit d'activités impliquant de tels dangers qu'on ne saurait imposer à l'ensemble des assurés d'en assumer les conséquences dommageables. Il en va ainsi, par exemple, de certaines courses de montagne ou parties de varappe présentant un risque si élevé qu'il ne peut être ramené à des proportions raisonnables, quels que soient l'équipement utilisé et les qualifications des auteurs de l'entreprise tentée. Un risque assuré en soi peut toutefois perdre ce caractère au regard des circonstances du cas concret, notamment de la façon dont il est affronté, des conditions météorologiques, du matériel utilisé ou encore des aptitudes de l'assuré (et non de celles d'un varappeur moyen, par exemple;
ATF 97 V 72
). La Cour de céans s'était déjà
BGE 104 V 19 S. 23
engagée dans cette voie dans l'arrêt
ATF 96 V 100
, relatif à la plongée spéléologique. Elle s'y est maintenue dans l'arrêt
ATF 97 V 86
(s'agissant encore de varappe) et dans celui, non publié, du 13 octobre 1971 en la cause Büchler (concernant l'aviation acrobatique; voir aussi
ATF 98 V 144
, consid. 4 p. 148).
Cette jurisprudence présente l'avantage de mieux tenir compte de la différence fondamentale existant entre dangers extraordinaires et entreprises téméraires. Elle présente l'inconvénient de laisser les intéressés dans l'incertitude sur leurs droits à l'égard de la CNA, dans les cas où les circonstances de l'accident sont susceptibles d'appréciations diverses.
2.
Cette notion de l'entreprise téméraire n'exclut donc pas, on vient de le voir, l'existence d'activités qu'aucun être humain, quelque doué qu'il soit, ne peut pratiquer sans s'exposer de manière réelle et imminente à un danger particulièrement grave dont on ne peut demander à l'ensemble des assurés de supporter le risque. Qu'en est-il du vol au moyen de planeurs de pente?
Si l'on se réfère aux instructions de la Fédération suisse de vol delta et aux recommandations et rapports d'enquêtes émanant de l'Office fédéral de l'air à l'époque où il contrôlait encore la pratique de ce sport, force est de constater que l'utilisation des ailes delta exige une discipline et une maîtrise de soi exceptionnelles. Le choix de l'angle d'incidence permettant une glissade contrôlée s'exerce dans d'étroites limites. Il suffit d'un vent de plus de 10 km/h. pour rendre la manoeuvre périlleuse. La moindre turbulence, si sa composante verticale dépasse 2 mètres à la seconde, suffit à déséquilibrer l'appareil. Il est pratiquement impossible de corriger la chute due à une perte de vitesse ou à un piqué avec mise de la voilure en drapeau; ou de contrôler l'angle d'incidence, la stabilité latérale et la vitesse par rapport à l'air, si l'on doit traverser un nuage ou une bande de brouillard. Enfin, une défaillance du matériel a, en vol, en moyenne des conséquences plus graves que lors de la pratique de sports terrestres ou nautiques.
La preuve qu'il est difficile de maîtriser ces difficultés, c'est le nombre relativement élevé d'accidents dus à l'utilisation des planeurs de pente: rien que pour les assurés de la CNA, 67 (dont un mortel) au cours du 2e semestre de 1976; 52 (dont un mortel) durant le 1er semestre de 1977. Cela alors que le
BGE 104 V 19 S. 24
nombre total des "vélideltistes" dépasse actuellement quelque 2000; il était de 1600 à la fin de 1976.
Néanmoins, le fait que l'assurance-accidents obligatoire assure en principe des pratiques aussi fécondes en sinistres que celles de la varappe, du ski et de la motocyclette rend difficilement admissible une discrimination dont seraient victimes les amateurs de vols au moyen de planeurs de pente. L'argument de la caisse, que varappe et ski font partie, eux, du folklore helvétique, n'est pas entièrement convaincant: plus nombreux sont ceux qui se livrent à un sport dangereux, plus lourd est l'accroissement de primes qui en résulte pour les autres assurés. Au demeurant, le vol delta peut n'être pas dénué d'intérêt pour la défense nationale, du moins indirectement. Enfin, le déroulement d'une quantité de vols, dont celui du 1er août 1975 pour les deux compagnons du recourant, montre que, lorsque le parcours est choisi soigneusement et que les conditions météorologiques sont bonnes, même un grand vol s'effectue normalement sans incident. L'atterrissage forcé de l'assuré fut provoqué par une défectuosité exceptionnelle du véhicule.
Il n'est pas sans intérêt de rappeler que certaines compagnies d'assurances privées, dans le cadre de l'assurance-accidents ou de l'assurance-vie/invalidité, couvrent depuis quelque temps sans surprime les accidents survenus à l'occasion de l'utilisation d'une aile delta.
Dans ces conditions, la Cour plénière est arrivée à la conclusion que la pratique du planeur de pente, même lorsqu'elle comprend des grands vols (soit des descentes présentant plus de 200 m. de différence de niveau), n'est pas en soi exclue de l'assurance gérée par la CNA (sauf circonstances permettant dès l'abord de qualifier l'entreprise de téméraire, dans le cas concret), lorsque l'assuré utilise un matériel adéquat, s'en tient aux parcours à sa portée, s'astreint strictement à la discipline préconisée par les organes compétents, respecte les prescriptions en vigueur et se conforme aux règles de l'art. Cela signifie donc qu'un manquement conscient de l'assuré pourra transformer un vol en principe couvert par l'assurance en une entreprise téméraire.
3.
En ce qui concerne l'accident subi par Charles Bonardi, le vol projeté ne pouvait être qualifié objectivement d'entreprise téméraire, au regard des renseignements que fournit
BGE 104 V 19 S. 25
le dossier. D'autre part, l'assuré disposait d'un matériel adéquat (le défaut d'immatriculation du planeur de pente, d'un type homologué, ne saurait jouer de rôle en l'occurrence); il avait les connaissances et aptitudes requises pour mener à chef la descente prévue, qui devait s'accomplir dans des conditions favorables. On n'est donc pas en présence d'une entreprise en principe assurée qui se soit trouvée exclue de l'assurance en raison des circonstances de son exécution.
En revanche, si le prénommé avait la réputation de contrôler toujours systématiquement son appareil avant de voler, il faut bien constater que le noeud fixant le harnais s'est desserré peu après le départ. Même si, normalement, la corde qui s'est détachée lors de l'accident est nouée une fois pour toutes, force est d'admettre que l'intéressé n'a, le jour fatidique, pas effectué un contrôle suffisant de son équipement. Un noeud de marin fait correctement ne se dénoue pas à la traction et une erreur de confection ne devrait pas échapper à un observateur très attentif. Eu égard à l'importance du harnais pour la sécurité du pilote, l'inattention du recourant est une faute qu'il y a déjà lieu de qualifier de grave. Au vrai, personne ne s'explique pourquoi le noeud en question n'a pas tenu alors qu'il n'avait pas donné lieu à des difficultés au cours des vols précédents. Cette dernière circonstance pourra jouer un rôle pour arrêter le taux de la réduction à opérer selon l'
art. 98 al. 3 LAMA
, taux qu'il incombera à la CNA de fixer dans une nouvelle décision susceptible de recours.
Il faut par conséquent admettre le recours dans le sens qui précède, sans qu'il soit nécessaire d'examiner les moyens que le recourant tire de l'inégalité de traitement et de l'inobservation des règles de la bonne foi dont, dit-il, il aurait à souffrir si la décision et le jugement attaqués étaient maintenus. En effet, la solution adoptée dans le présent arrêt est celle qu'avait annoncée la CNA dans son bulletin de presse du 21 août 1974.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis et le jugement cantonal et la décision litigieuse sont réformés dans ce sens que l'assuré a droit aux prestations légales pour les suites de son accident de vol delta du 1er août 1975, mais avec une réduction dont le taux sera fixé par la CNA dans une nouvelle décision susceptible de recours, cela conformément aux considérants. | null | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
503032ae-cc21-4706-8d6c-20b6f43893c8 | Urteilskopf
101 Ia 610
93. Auszug aus dem Urteil vom 17. Dezember 1975 i.S. Schlegel gegen Schweiz. Bundesanwaltschaft und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement | Regeste
Auslieferung. Vertrag mit Deutschland vom 24. Januar 1874
1. Hergang der Tat und Schuld des Auszuliefernden; Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2).
2. Auslieferung wegen Betrugs; gegenseitige Strafbarkeit (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 611
BGE 101 Ia 610 S. 611
Dem deutschen Staatsangehörigen Werner Schlegel werden in einem Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund u.a. ein Einbruchdiebstahl, Betrug in zwei Fällen und Brandstiftungen zur Last gelegt. Die Bundesrepublik Deutschland ersuchte die Schweiz um die Auslieferung Schlegels. Das Bundesgericht hat dessen Einsprache in den genannten Punkten abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Schlegel bestreitet, die ihm vorgeworfenen Brandstiftungen (Haftbefehl Ziff. 3, 4 und 7) sowie den Einbruchdiebstahl in Bochum (Ziff. 8) begangen zu haben. Er kritisiert die Schlüssigkeit der von den deutschen Behörden angeführten Verdachtsmomente und macht in bezug auf den Einbruchdiebstahl in Bochum geltend, er könne beweisen, dass er zur Tatzeit in Paris gewesen sei.
Nach ständiger Rechtsprechung tritt das Bundesgericht in Auslieferungssachen nicht auf Vorbringen ein, mit denen der Einsprecher darzulegen versucht, dass er die Taten nicht begangen hat, welche ihm die Anklagebehörde des ersuchenden Staates zur Last legt (
BGE 101 Ia 424
E. 5,
BGE 100 Ia 410
E. 1d;
BGE 99 Ia 554
E. 3;
BGE 95 I 467
E. 5;
BGE 92 I 113
E. 1). Der Auslieferungsrichter ist hinsichtlich des Herganges der Tat und der Schuld des Auszuliefernden an die zur Begründung des Auslieferungsgesuches vorgelegten Urkunden gebunden. Ob der in den Auslieferungsdokumenten dargestellte Sachverhalt bewiesen ist und ob der Auszuliefernde die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bestreitet, ist unerheblich (
BGE 92 I 114
E. 1). Dies bedeutet nicht, dass der Auslieferungsrichter offensichtliche Fehler, Lücken und Widersprüche in den vorgelegten Dokumenten unberücksichtigt lassen muss. Ebensowenig schliesst der erwähnte Grundsatz aus, dass das Bundesgericht die Auslieferung verweigert, wenn offensichtlich ist, dass der Einsprecher die ihm angelasteten Straftaten unmöglich begangen haben kann. Im vorliegenden Verfahren wurde ein solcher Nachweis offensichtlicher Unschuld nicht erbracht.
BGE 101 Ia 610 S. 612
Die nähere Prüfung einzelner Einwände, insbesondere die Abnahme des Alibi-Beweises durch Zeugen im Fall Ziff. 8, erübrigt sich zudem aus folgender Erwägung: Die Auslieferung eines Verfolgten, der die ihm angelasteten Straftaten offensichtlich nicht begangen hat, muss deshalb verweigert werden, weil einem offenkundig Unschuldigen die mit der Auslieferungshaft und dem Zwangstransport verbundene Unbill nicht zugefügt werden darf. Wenn sich jedoch ein Auslieferungsbegehren auf mehrere Delikte bezieht und der Verfolgte wegen einzelner (eingestandener) Taten ohnehin auszuliefern ist, besteht schon aus diesem Grunde kein Anlass, im Auslieferungsverfahren auf Vorbringen einzutreten, mit denen die Täterschaft hinsichtlich der übrigen Delikte bestritten wird. Über solche Einwendungen hat der Sach-, nicht der Auslieferungsrichter zu befinden.
3.
Unter Ziff. 1 und 5 des Haftbefehls werden dem Einsprecher zwei Sachverhalte zur Last gelegt, die nach Auffassung der deutschen Behörden als Betrug im Sinne von § 263 des deutschen StGB zu qualifizieren sind.
Schlegel bestreitet nicht, dass er von der Firma Schräer ein Fernsehgerät und einen Kassettenrecorder auf Abzahlung kaufte und seine Zahlungsverpflichtungen nicht einhielt. Er macht jedoch geltend, es sei das in Art. 148 des schweizerischen StGB enthaltene Tatbestandselement der Arglist nicht erfüllt. Schlegel wendet zudem ein, er sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Dortmund willens gewesen, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Ferner treffe nicht zu, dass er bei Abschluss der Kaufverträge unrichtige Angaben gemacht habe. Für den Auslieferungsrichter wären die zuletzt genannten Vorbringen nach dem in Erwägung 2 Gesagten nur beachtlich, wenn offensichtlich wäre, dass der Einsprecher die ihm angelasteten Taten unmöglich begangen haben kann. Dies ist indessen auch hier nicht der Fall. Hingegen ist die Einwendung zu prüfen, das in Ziff. 1 und 5 des Haftbefehls umschriebene Verhalten sei nach Art. 148 des schweizerischen StGB nicht als Betrug strafbar, weil das Tatbestandsmerkmal der Arglist nicht erfüllt sei. Damit bestreitet Schlegel die beidseitige Strafbarkeit des ihm vorgeworfenen Verhaltens.
§ 263 des deutschen StGB ist ähnlich umschrieben wie Art. 148 des schweizerischen Strafgesetzbuches, doch fehlt in jener Bestimmung das im schweizerischen Betrugstatbestand
BGE 101 Ia 610 S. 613
enthaltene Merkmal der Arglist. Dieses ist in
Art. 148 StGB
eingefügt worden, um die Fälle qualifizierter Täuschung von den Verhaltensweisen abzugrenzen, bei welchen der Täter jemanden lediglich durch eine einfache, leicht durchschaubare Lüge irregeführt hat (
BGE 100 IV 274
;
BGE 99 IV 76
E. 4 mit Hinweisen). Bedient sich der Täter indessen besonderer betrügerischer Machenschaften, so handelt er arglistig und ist nach
Art. 148 StGB
strafbar. Arglist liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts aber auch dann vor, wenn der Täter, ohne dass er ein ganzes Lügengebäude errichtet hätte, den Getäuschten von der Überprüfung der falschen Angaben abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung unterlässt (
BGE 100 IV 274
); ferner dann, wenn dem Getäuschten die Nachprüfung besondere Mühe macht, nicht zumutbar oder gar unmöglich ist, wie etwa, wenn sich die Täuschung auf eine innere Tatsache bezieht, die einer Überprüfung ihrem Wesen gemäss nicht zugänglich ist (
BGE 99 IV 75
, 84 ff.;
73 IV 225
f.). Ob eine einfache (straflose) Lüge oder eine arglistige Täuschung vorliegt, hängt nach dem Gesagten stark von den konkreten Umständen des jeweiligen Falles ab. Das in den Ziff. 1 und 5 des Haftbefehls umschriebene Vorgehen mag Grenzfälle des Betrugs im Sinne von
Art. 148 Abs. 1 StGB
betreffen; doch lässt sich nicht feststellen, das dem Einsprecher vorgeworfene Verhalten sei nach schweizerischem Recht nicht strafbar. Vielmehr ist anzunehmen, dass es den Tatbestand von
Art. 148 Abs. 1 StGB
erfüllt, weil das Fehlen effektiver Zahlungsmöglichkeiten und eines ernstlichen Zahlungswillens verschwiegen wurden. Die Auslieferung ist daher auch in diesen Punkten zu bewilligen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
5030f307-b740-4c26-82d6-2d94fd073919 | Urteilskopf
85 III 50
12. Entscheid vom 1. April 1959 i.S. Konkursamt Aarwangen. | Regeste
Konkurs; Eigentumsstreit über Liegenschaften.
Im Streit zwischen der Konkursmasse und einem Dritten über das Eigentum an einer Liegenschaft fällt die Klägerrolle der Partei zu, die den Grundbucheintrag gegen sich hat. | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 85 III 50 S. 50
Frau Zuber ist seit dem 9. August 1955 infolge Kaufs als Eigentümerin der Liegenschaft Grundbuchblatt Nr. 1463 in Langenthal im Grundbuch eingetragen. Ihr Ehemann betrieb in diesem Hause sein Treuhandbüro. Ausserdem hatten die Eheleute Zuber hier ihre Wohnung.
Nachdem der Ehemann am 10. Juni 1958 in Konkurs gefallen war, zog das als Konkursverwaltung amtende Konkursamt Langenthal diese Liegenschaft zur Masse, weil der nicht durch Aufnahme von Hypotheken bebeschaffte Teil des Kaufpreises vom Ehemann (und zwar auf deliktischem Wege) aufgebracht worden sei, und setzte der Ehefrau am 23. Februar 1959 Frist zur Klage auf Anerkennung ihres Eigentumsanspruchs.
Auf Beschwerde von Frau Zuber hat die kantonale Aufsichtsbehörde diese Fristansetzung am 13. März 1959 aufgehoben.
Diesen Entscheid hat das Konkursamt an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, die Fristansetzung sei zu bestätigen. Das Bundesgericht weist den Rekurs des Konkursamtes ab.
Erwägungen
Erwägungen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die Konkursverwaltung mit Bezug auf bewegliche Sachen nur dann im Sinne von
Art. 242 SchKG
über die
BGE 85 III 50 S. 51
Herausgabe verfügen und dem Dritten, dessen Eigentumsanspruch sie für unbegründet hält, Frist zur Klage setzen, wenn die Sachen sich im Gewahrsam der Masse befinden. Hat dagegen der Drittansprecher den Gewahrsam inne, so kommt
Art. 242 SchKG
nicht zur Anwendung, sondern muss die Masse klagen, ohne an eine Frist gebunden zu sein (
BGE 24 I 723
,
BGE 26 I 147
,
BGE 27 I 235
= Sep.ausg. 1 S. 307, 3 S. 35, 4 S. 65;
BGE 50 III 3
,
BGE 76 III 12
).
Den gleichen Grundsatz hat das Bundesgericht in einer Reihe von ältern Entscheiden auch auf Liegenschaften angewendet (
BGE 24 I 403
und 511,
BGE 25 I 115
,
BGE 32 I 235
= Sep.ausg. 1 S. 135 und 243, 2 S. 5, 9 S. 63). Nach diesen Entscheiden beurteilte sich die Frage, ob der Drittansprecher oder die Masse zu klagen habe, auch im Eigentumsstreit über Liegenschaften darnach, ob die Masse oder der Drittansprecher die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber besass, nicht darnach, wer in den öffentlichen Büchern (Grundbuch, Grundprotokoll, Kataster usw.) als Eigentümer eingetragen war. Die Rechtsprechung zu
Art. 242 SchKG
deckte sich in diesem Punkte mit derjenigen zu
Art. 106 ff. SchKG
, die für die Parteirollenverteilung im Widerspruchsprozess über gepfändete Liegenschaften in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die für den Streit über Ansprüche auf gepfändete Mobilien gelten, grundsätzlich den Gewahrsam als massgebend betrachtete (vgl. den Entscheid
BGE 30 I 221
= Sep. ausg. 7 S. 77, auf den der bereits erwähnte, zu
Art. 242 SchKG
ergangene Entscheid
BGE 32 I 231
ff. auf S. 237 oben ausdrücklich verweist, und die aus der Zeit nach dem Inkrafttreten des ZGB stammenden Entscheide
BGE 38 I 280
= Sept.ausg. 15 S. 97,
BGE 54 III 191
und
BGE 71 III 64
). Dem Registereintrag wurde nur die Bedeutung zugebilligt, dass er eine widerlegbare Vermutung für den Gewahrsam des als Eigentümer Eingetragenen begründe.
Mit Bezug auf das Widerspruchsverfahren über das Eigentum an Grundstücken hat jedoch das Bundesgericht seine frühere Praxis in
BGE 72 III 44
ff. preisgegeben und
BGE 85 III 50 S. 52
entschieden, in diesem Verfahren sei ohne Rücksicht darauf, wer über die Liegenschaft die tatsächliche Verfügungsgewalt besitze, derjenige zur Klage aufzufordern, dessen Rechtsbehauptung den Eintragungen im Grundbuch widerspreche. Massgebend war dabei vor allem die Erwägung, dass der im Grundbuch als Eigentümer Eingetragene gemäss
Art. 937 Abs. 1 ZGB
die Vermutung des Eigentums für sich habe und gemäss Art. 963/64 ZGB grundbuchlich über sein Recht verfügen könne, während im Geltungsbereich des Grundbuchsystems die tatsächliche Verfügungsgewalt bei der Beurteilung der Rechtsverhältnisse an einem Grundstück im allgemeinen keine Rolle spiele und für die Verfügung über das Recht nichts zu bedeuten habe, so dass nicht diese Verfügungsgewalt, sondern die Grundbucheintragung das einfache und der Billigkeit entsprechende Kriterium für die Parteirollenverteilung bilde, wie es die
Art. 106 ff. SchKG
nach ihrem Grundgedanken fordern. In der Tat begründet bei Liegenschaften nicht die tatsächliche Verfügungsgewalt, sondern die Eintragung im Grundbuch diejenige Beziehung zur Sache, die sich am leichtesten zuverlässig feststellen lässt und zugleich ein Urteil darüber erlaubt, wer wahrscheinlich der Eigentümer ist und daher in die vorteilhaftere Rolle des Beklagten versetzt zu werden verdient.
Diese Erwägungen treffen nun aber auch für den Eigentumsstreit über Liegenschaften im Falle des Konkurses zu. Es bestehen keine sachlichen Gründe dafür, die Parteirollen hier nach andern Gesichtspunkten zu verteilen als im Falle der Pfändung. Die Rechtsprechung hat denn auch, wie gezeigt, schon früher in beiden Fällen die gleichen Kriterien angewendet. Auch beim Konkurs hat also im Streit über das Eigentum an einer Liegenschaft der Teil als Kläger aufzutreten, der die Grundbucheintragung gegen sich hat. Dieser Auffassung sind auch REYMOND (Contribution à l'étude de la revendication en matière de faillite, 1918, S. 98 ff.), JAEGER und JAEGER/DAENIKER (Praxis II bzw. Praxis 1911-1945 N. 3 A zu
Art. 242 SchKG
) und
BGE 85 III 50 S. 53
FAVRE (Cours de droit des poursuites/Schuldbetreibungs- und Konkursrecht S. 290 bzw. 293); ebenso grundsätzlich der vom Konkursamt zitierte EMIL ZIMMERMANN (Die Aussonderung im schweiz. Konkursrecht, 1952, S. 60 ff.).
ZIMMERMANN möchte von diesem Grundsatz freilich zu Ungunsten der in Güterverbindung oder Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau eine Ausnahme machen (S. 64 oben). Er nimmt an, das eheliche Güterrecht lege die Gewahrsamsverhältnisse unabhängig vom Willen der Beteiligten fest; als Verwalter des ehelichen Vermögens, zu dem auch das Frauengut (mit Ausnahme des Sondergutes) gehöre, habe der Ehemann bei Güterverbindung und Gütergemeinschaft von Gesetzes wegen als Inhaber des Gewahrsams an auf den Namen der Ehefrau eingetragenen Grundstücken zu gelten. Diese Auffassung war auch im Kommentar von JAEGER (3. Aufl. 1911, N. 2 zu
Art. 106 SchKG
) und in den dort angeführten Entscheiden (z.B.
BGE 27 I 236
= Sep.ausg. 4 S. 66) vertreten worden. Sie ist jedoch schon deshalb abzulehnen, weil es unter der Herrschaft des eidgenössischen Grundbuchsystems bei der Verteilung der Parteirollen im Widerspruchsverfahren und in dem durch einen Konkurs veranlassten Streit über das Eigentum an einer Liegenschaft eben überhaupt nicht mehr auf den Gewahrsam im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern nur noch auf den Eintrag im Grundbuch ankommen kann. (Im übrigen kommt dem Recht des Ehemannes zur Verwaltung des ehelichen Vermögens seit dem Entscheid
BGE 57 III 179
ff. auch bei der Parteirollenverteilung im Eigentumsstreit über bewegliche Sachen, wo nach wie vor der wirkliche Gewahrsam massgebend ist, keine Bedeutung mehr zu.)
Da die Rekurrentin im Grundbuch als Eigentümerin der streitigen Liegenschaft eingetragen ist, war es also unzulässig, sie gemäss
Art. 242 Abs. 2 SchKG
zur Klage auf Anerkennung ihres Eigentumsanspruchs aufzufordern. Will die Konkursverwaltung diesen Anspruch bestreiten,
BGE 85 III 50 S. 54
so hat sie im Namen der Masse gegen die Rekurrentin zu klagen. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
50346c53-af19-4042-8057-7fead0a5f5aa | Urteilskopf
105 Ia 181
35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. August 1979 i.S. Grieder gegen Landrat des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Informationsfreiheit; Ausschluss der Öffentlichkeit von einer Landratsverhandlung.
1. Die Meinungsäusserungsfreiheit umfasst auch die Informationsfreiheit als Anspruch, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Da Parlamentsverhandlungen gemäss § 32 KV-BL grundsätzlich öffentlich sind, werden sie als allgemein zugängliche Informationsquellen in den Schutzbereich der Informationsfreiheit eingeschlossen (E. 2).
2. Für eine Einschränkung der Informationsfreiheit (Ausschluss der Öffentlichkeit von den Tribünen) fehlt im Kanton Basel-Landschaft eine genügende gesetzliche Grundlage (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 182
BGE 105 Ia 181 S. 182
§ 32 der Staatsverfassung des Kantons Basel-Landschaft (KV) vom 4. April 1892 bestimmt:
"Die Verhandlungen des Landrats, des Regierungsrats und der richterlichen Behörden sind öffentlich. Die Ausnahmen bestimmt das Gesetz."
Anlässlich der Landratssitzung vom 8. Februar 1979 wurde die dringliche Behandlung der Interpellation Adrian Müller "betreffend unhaltbare Untersuchungshaftbedingungen im Kanton Basel-Landschaft" vom nämlichen Datum beschlossen. Der Justizdirektor wurde zur Beantwortung der Interpellation gemäss
Art. 320 StGB
vom Amtsgeheimnis entbunden. Danach hiess der Rat mit 32 gegen 17 Stimmen einen Antrag gut, die Zuschauertribüne zu räumen, worauf sämtliche Zuschauer die Tribüne verliessen. Die akkreditierte Presse durfte den Verhandlungen des Rates weiter folgen und darüber berichten, wobei sie vom Ratspräsidenten auf ihren "Ehrenkodex" aufmerksam gemacht wurde. Walter Grieder, der sich unter den Tribünenbesuchern befand, erhob am 12. März 1979 staatsrechtliche Beschwerde und verlangte im wesentlichen, der Beschluss des Landrats betreffend den Ausschluss der Tribünenöffentlichkeit sei aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe einen Anspruch darauf, sich über den Gang der Parlamentsverhandlungen an Ort und Stelle zu informieren.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gewährleistet die Meinungsäusserungsfreiheit die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Meinungsäusserungsfreiheit umfasst daher auch die Informationsfreiheit als Anspruch, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten (
BGE 104 Ia 88
ff., 377 ff.). Ob Landratsverhandlungen als allgemein zugängliche Informationsquellen zu betrachten sind, ergibt sich aus dem kantonalen Recht. Gemäss § 32 KV sind Landratsverhandlungen vorbehältlich der im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen öffentlich. Diese Bestimmung schliesst
BGE 105 Ia 181 S. 183
sie daher als allgemein zugängliche Informationsquellen in den Schutzbereich der Informationsfreiheit ein.
b) Der Landrat führt in der Vernehmlassung aus, die Tribünenöffentlichkeit dürfe zwar nicht institutionell unterdrückt werden, die "volle Öffentlichkeit", das heisst die Informiertheit der gesamten Bürgerschaft bringe aber vor allem und vorwiegend die Presseberichterstattung zustande; dadurch werde der individuelle Anspruch auf Zutritt zur Tribüne wesentlich relativiert. Entscheidend sei, dass das Parlament in aller Regel nicht als Geheimzirkel tage. Da im vorliegenden Fall keine geheime Beratung stattgefunden habe und über die Sitzung und Debatte in der Presse wie üblich ungehindert Bericht erstattet worden sei, sei der Öffentlichkeitsanspruch des Bürgers nicht vereitelt worden.
§ 32 KV beschränkt indessen die Öffentlichkeit der Landratsverhandlungen nicht auf die akkreditierten Pressevertreter, sondern sieht sie in allgemeiner Weise vor, so dass auch der nicht akkreditierte Tribünenbesucher einen Anspruch darauf hat, dass ihm die Tribüne - soweit die Platzverhältnisse genügen - offensteht.
3.
Die Informationsfreiheit kann, wie die andern Grundrechte, gestützt auf eine genügende gesetzliche Grundlage eingeschränkt werden, wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse liegt und dem Gebot der Verhältnismässigkeit entspricht.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedürfen Grundrechtseinschränkungen einer gesetzlichen Grundlage. Bezüglich der Meinungsäusserungsfreiheit und der in ihr enthaltenen Informationsfreiheit fordert auch die EMRK in Art. 10 Ziff. 2, dass Einschränkungen "vom Gesetz vorgesehen" sein müssen. Sowohl die Bundesverfassung als auch die EMRK verlangen für Beschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit ein Gesetz im materiellen Sinn; solche Eingriffe können also auch in einer verfassungs- und gesetzeskonformen Verordnung enthalten sein (
BGE 104 Ia 88
, nicht publizierte E. 3).
b) Es steht freilich dem kantonalen Verfassungsgeber frei, strengere Anforderungen an die gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe zu stellen. § 32 KV sieht vor, dass das Gesetz die Ausnahmen von der Öffentlichkeit der Verhandlungen des Landrats, des Regierungsrats und der richterlichen Behörden bestimmt. Es ist zu prüfen, ob die Verfassung mit
BGE 105 Ia 181 S. 184
dieser Formulierung für Einschränkungen der Öffentlichkeit ein Gesetz im formellen Sinn verlangt. Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung kantonalen Verfassungsrechts grundsätzlich frei (
BGE 104 Ia 286
mit Hinweisen), das kantonale Recht auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe überprüft es dagegen vorliegend, da kein schwerer Eingriff in das in Frage stehende Grundrecht zur Beurteilung steht, lediglich auf Willkür (
BGE 103 Ia 431
E. 4a).
Bezüglich der Verhandlungen des Regierungsrates sind die Ausnahmen von der Öffentlichkeit in § 14 des Gesetzes über die Organisation der Staats- und Bezirksverwaltung und das Verfahren vor den Verwaltungsbehörden des Kantons und der Bezirke (Organisationsgesetz) vom 28. April 1958 enthalten, bezüglich der Verhandlungen der richterlichen Behörden in § 31 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 30. Oktober 1941. Für diese beiden Gewalten sind die Ausnahmen von der Öffentlichkeit demnach in einem Gesetz im formellen Sinn geregelt. Im Gegensatz dazu wird dem Landrat die Bestimmung seiner Geschäftsordnung unmittelbar durch § 18 Ziff. 1 KV übertragen. Aus der in der Verfassung enthaltenen Befugnis des Landrats, seine Verhandlungen selbständig zu ordnen, muss auch die Kompetenz abgeleitet werden, die Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit gemäss § 32 KV zu bestimmen. Die Verfassung begnügt sich daher für Einschränkungen der Öffentlichkeit von Landratsverhandlungen mit einer generell abstrakten Regelung in der Geschäftsordnung.
c) In § 98 der Geschäftsordnung wird unter dem Marginale "Öffentlichkeit und Presse" der verfassungsrechtliche Grundsatz wiederholt: "Die Landratsverhandlungen sind öffentlich." Abs. 2 lautet:
"Die Zuhörer und die Presse haben sich auf den ihnen zugewiesenen Tribünen aufzuhalten und sich jeder Störung zu enthalten. Wer gegen diese Ordnung verstösst, kann auf Anweisung des Präsidenten von den Weibeln weggewiesen oder von der Polizei weggeführt werden." Andere Einschränkungen der Informationsfreiheit kennt die Geschäftsordnung nicht. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Öffentlichkeit ist also nur aus sitzungspolizeilichen Gründen vorgesehen. Im vorliegenden fall haben nach den übereinstimmenden Ausführungen der Parteien keine solchen Gründe zum Ausschluss der Öffentlichkeit geführt, so dass die genannte Bestimmung keine Grundlage für den Eingriff bildet.
BGE 105 Ia 181 S. 185
d) Der Landrat ruft als gesetzliche Grundlage § 117 Abs. 2 der Geschäftsordnung an, der bestimmt, dass ausserordentliche, in der Geschäftsordnung nicht vorgesehene Verfahren vom Landrat mit der Mehrheit von 2/3 der anwesenden Mitglieder beschlossen werden können. Der Beschluss, die Öffentlichkeit auszuschliessen, kann indessen nicht mit haltbaren Gründen als ein in der Geschäftsordnung nicht vorgesehenes Verfahren im Sinne dieser Bestimmung anerkannt werden, da die Geschäftsordnung selber eine abschliessende Regelung der Öffentlichkeit der Verhandlungen und deren Ausnahmen enthält. Hinzu kommt, dass offenbar die erforderliche Zweidrittelsmehrheit im vorliegenden Fall nicht erreicht wurde. Dem angefochtenen Entscheid fehlt aus diesen Gründen die erforderliche gesetzliche Grundlage.
4.
Der Landrat vertritt in der Vernehmlassung die Auffassung, im vorliegenden Fall habe es sich um einen Gegenstand gehandelt, der sich für die öffentliche Beratung nicht eignete. Die durch eine Interpellation veranlasste Parlamentskontrolle sei Einzelfallkontrolle, sie dringe somit in Einzelheiten ein. Infolge der Dringlichkeitserklärung seien die Erhebungen nicht im Schosse einer der Öffentlichkeit entzogenen Kommission vorgenommen worden, sondern unmittelbar und ausschliesslich im Plenum. Es habe sich um ein ausserordentliches Verfahren der Oberaufsicht gehandelt, welches die Möglichkeit der Verletzung schutzwürdiger Privatinteressen in sich barg. Im vorliegenden Fall seien die Haftverhältnisse eines Untersuchungsgefangenen in Frage gestanden, der Anspruch darauf habe, nicht in grösserem Umfang als die andern Häftlinge der Öffentlichkeit ausgesetzt zu werden. Der Anspruch auf Beachtung der Privatsphäre dieses Gefangenen sei daher mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung in Konflikt geraten.
Entsteht ein solcher Konflikt im Kanton Basel-Landschaft indessen dadurch, dass wegen der dringlichen Behandlung einer Interpellation im Plenum des Rates Angelegenheiten aus der Privatsphäre Betroffener an die Öffentlichkeit gelangen könnten, so kann er gelöst werden: entweder erfolgt unter Verzicht auf die Dringlichkeit die Vorbehandlung in einer Kommission, wo die Verschwiegenheitspflicht auch für deren Mitglieder gilt, oder die kritischen Tatbestände gelangen in der öffentlichen Beratung nicht zur Darstellung oder wenigstens
BGE 105 Ia 181 S. 186
nicht unter Namensnennung. Der Einwand hält somit nicht stich. Es hat sich im vorliegenden Fall auch gezeigt, dass es gar nicht notwendig war, die Öffentlichkeit auszuschliessen; denn in der Verhandlung wurden keine wesentlichen Interessen Dritter beeinträchtigt. Es ist daher fraglich, ob selbst beim Vorliegen einer genügenden gesetzlichen Grundlage ein überwiegendes öffentliches Interesse am Ausschluss der Öffentlichkeit hätte nachgewiesen werden können. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
50358e83-98aa-498e-8b87-bbc413198e44 | Urteilskopf
121 II 245
41. Extrait de l'arrêt de la Ière Cour de droit public du 31 octobre 1995 dans la cause société X. SA contre Chambre d'accusation du canton de Genève et Office fédéral de la police (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 9 IRSG
und
Art. 69 BStP
.
Die Bezeichnung der zuständigen richterlichen Behörde für Fragen im Zusammenhang mit Siegelungen obliegt dem kantonalen Recht (E. 4d/aa).
Weder das anwendbare kantonale Recht noch das Bundesrecht stehen dem Umstand entgegen, dass über solche Fragen erstinstanzlich ein Untersuchungsrichter entscheidet (E. 4d/bb). | Sachverhalt
ab Seite 245
BGE 121 II 245 S. 245
Le 7 novembre 1994, la Chambre d'accusation de la Cour d'appel de Rennes a adressé aux autorités suisses deux commissions rogatoires pour les besoins d'une information suivie contre R., pour faux, usage de faux et trafic d'influence aggravé. Il est en substance reproché à R. d'avoir perçu des sommes d'argent de diverses entreprises pour les appuyer auprès des responsables de l'attribution de marchés publics.
Le magistrat requérant désire notamment être renseigné au sujet d'un compte bancaire ouvert en Suisse, destinataire d'un versement de 15'000'000 FF.
Par ordonnance du 18 novembre 1994, notifiée à la banque A., le Juge d'instruction genevois est entré en matière.
BGE 121 II 245 S. 246
Par lettre du 18 novembre 1994, la banque A. fit savoir que le versement de 15'000'000 FF était parvenu sur un compte clôturé en mai 1989 et avait été presque intégralement reversé, par chèque, sur un compte ouvert auprès de la banque B.
Par ordonnance du 13 janvier 1995, le juge d'instruction a invité la banque B. à remettre les documents d'ouverture du compte visé dans la demande.
Par acte du 26 janvier 1995, complété le 1er mars 1995 après consultation du dossier, la société X. SA, titulaire du compte auprès de la banque B. - compte destinataire de la somme transférée par chèque - a recouru sur le fond auprès de la Chambre d'accusation du canton de Genève contre l'ordonnance d'entrée en matière du 13 janvier 1995.
Le 20 février 1995, X. SA a remis à la Chambre d'accusation, sous pli scellé, les documents relatifs à son compte bancaire en demandant que ces documents, selon elle sans importance pour l'enquête, soient mis en lieu sûr, qu'il soit statué sur l'admissibilité de la perquisition et que leur restitution soit ordonnée.
Par ordonnance du 13 juillet 1995, la Chambre d'accusation a rejeté le recours. La demande d'entraide était suffisamment motivée, les preuves requises apparaissant pertinentes. X. SA ne pouvait se prétendre non impliquée. Dans une seconde ordonnance du même jour, la Chambre d'accusation a considéré la lettre du 20 février 1995 comme un nouveau recours contre la décision du 13 janvier 1995, et l'a déclaré tardif. Elle a estimé en outre que seul le juge d'instruction était compétent pour donner suite à la requête de X. SA.
Agissant par la voie de deux recours de droit administratif identiques, X. SA demande au Tribunal fédéral d'annuler les deux ordonnances de la Chambre d'accusation, et de dire que les documents remis sous scellés seront conservés en lieu sûr "jusqu'à ce que ladite Chambre ait statué sur l'admissibilité de l'ordonnance de perquisition et de saisie notifiée le 13 janvier 1995 à la banque B.".
Le Tribunal fédéral a rejeté les recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
d) L'art. 9, 2e phrase de la loi fédérale sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP; RS 351.1) a la teneur suivante: "Les principes établis à l'article 69 de la loi fédérale sur la procédure pénale s'appliquent à la perquisition de papiers et à leur mise sous scellés".
BGE 121 II 245 S. 247
aa) Selon l'
art. 69 PPF
, la perquisition de papiers doit être opérée de façon que les secrets de caractère privé soient respectés dans toute la mesure du possible et que le secret professionnel visé par l'art. 77 de la même loi soit sauvegardé (al. 1); les papiers ne sont examinés que s'ils contiennent apparemment des écrits importants (al. 2); leur détenteur est si possible mis en mesure d'en indiquer le contenu avant la perquisition; s'il s'oppose à celle-ci, les papiers sont mis sous scellés et déposés en lieu sûr. Dans ce cas, la décision sur l'admissibilité de la perquisition appartient à la Chambre d'accusation (du Tribunal fédéral) jusqu'aux débats et au tribunal durant les débats (al. 3).
Il résulte du texte de l'
art. 9 EIMP
que seuls "les principes" de l'
art. 69 PPF
s'appliquent en matière d'entraide judiciaire, du moins lorsque celle-ci est exercée par les autorités cantonales. Ces "principes" se rapportent en premier lieu aux règles de procédure à suivre. En revanche les règles de l'
art. 69 PPF
concernant la compétence ne sont pas directement applicables et il suffit, de ce point de vue, que la décision sur l'admissibilité de la perquisition soit prise par une autorité judiciaire (cf.
ATF 120 Ib 182
consid. 3c,
ATF 114 Ib 359
consid. 4). C'est au droit cantonal qu'il appartient, pour le surplus, de fixer la procédure à suivre et de désigner les autorités compétentes (
art. 12 et 16 al. 2 EIMP
).
bb) En vertu de l'art. 31 al. 1 lettre f de la loi genevoise d'application du code pénal, "lorsque ces mesures concernent le domaine secret et qu'elles sont contestées, le juge d'instruction place l'objet en lieu sûr et il en interdit l'accès. La Chambre d'accusation statue sur l'admissibilité desdites mesures (
art. 9 EIMP
)."
Ces dispositions ne sont pas contraires au droit fédéral. Elles n'ont pas non plus été violées par la cour cantonale. Pour le surplus, la Chambre d'accusation a estimé avec raison que la question de l'admissibilité de la mesure était discutée dans le cadre du recours contre l'ordonnance d'entrée en matière, puisque celle-ci comportait en même temps la mesure contestée de perquisition et de saisie; la démarche de la recourante, telle qu'elle était présentée, faisait partant double emploi avec son recours initial. En transmettant dès lors les documents au juge d'instruction afin qu'il les mette en lieu sûr, elle n'a pas violé le droit fédéral. | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
503795a1-2ee8-4465-82e8-d6994a90eb86 | Urteilskopf
112 Ib 381
62. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Oktober 1986 i.S. X. und Y. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Warenumsatzsteuer auf Lieferungen von historischen Wertpapieren (
Art. 17 WUStB
).
1. Die Ausnahmebestimmung von
Art. 17 Satz 2 WUStB
findet auf historische Wertpapiere keine Anwendung; sie gelten als steuerpflichtige Waren im Sinne von
Art. 17 Satz 1 WUStB
(E. 3).
2. Der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber Briefmarkenhändlern gehandhabte generelle Verzicht auf die Erhebung der Warenumsatzsteuer ist gesetzwidrig (E. 4).
3. Für eine Ungleichbehandlung der Händler mit historischen Wertpapieren gegenüber den Briefmarkenhändlern ergeben sich in bezug auf die Warenumsatzsteuer keine sachlichen Gründe (E. 5).
4. Die Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung im Unrecht sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 382
BGE 112 Ib 381 S. 382
X. ist Inhaber der Einzelfirma Galerie Z. Die Galerie betreibt den Handel mit Briefmarken, Banknoten und sogenannten historischen Wertpapieren. Geschäftszweck der Y. AG ist der Engroshandel mit historischen Wertpapieren.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung stellte die grundsätzliche Steuerpflicht von X. und der Y. AG hinsichtlich ihrer Umsätze aus dem Handel mit historischen Wertpapieren fest. Unter Berufung auf den von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber Briefmarkenhändlern gehandhabten generellen Verzicht auf die Erhebung der Warenumsatzsteuer verlangen X. und die Y. AG die Befreiung von der Steuerpflicht.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde von X. und der Y. AG gegen den Einsprache-Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung ab aus den folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
3.
Nach der Legaldefinition des
Art. 17 WUStB
gilt als Ware, was Gegenstand eines Fahrniskaufes (
Art. 187 OR
) oder eines Energielieferungsvertrages sein kann. Ausgenommen sind, solange sie als solche verwendet werden, Wertpapiere, Banknoten, Papiergeld, Geldsorten, Lotterielose und inländische amtliche Wertzeichen.
Der von den Beschwerdeführern verwendete Begriff "Historisches Wertpapier" weist darauf hin, dass sich diese Wertpapiere durch bestimmte Spezialitäten (hohes Alter, Seltenheit, Aufmachung, besonderes Sujet) von gewöhnlichen Wertpapieren unterscheiden und wegen dieser besonderen Merkmale nicht mehr in ihrer eigentlichen Funktion als Wertpapier (als Träger eines Rechtes), sondern als Sammlerobjekt und damit als Ware gehandelt werden. Sie fallen folglich nicht unter die Ausnahmebestimmung von
Art. 17 Satz 2 WUStB
. Daran vermag auch der von den Beschwerdeführern erwähnte Umstand nichts zu ändern, dass bei einzelnen der von ihnen gehandelten Titel noch die hypothetische Möglichkeit bestehen mag, sie in ihrer eigentlichen Funktion als
BGE 112 Ib 381 S. 383
Wertpapier zu verwenden. Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass die Wertpapiere im Zeitpunkt der Engroslieferung an einen Wiederverkäufer von historischen Wertpapieren als Ware im Sinne von
Art. 17 Satz 1 WUStB
gehandelt werden. Auch im Rahmen des Galeriebetriebes des Beschwerdeführers X. erfolgt die Weiterveräusserung der Wertpapiere grundsätzlich als Sammlerobjekt. Im übrigen vermögen die Beschwerdeführer nicht nachzuweisen, dass der von ihnen erwähnte hypothetische Ausnahmefall in der Praxis tatsächlich vorkommt und dass derartige Verkäufe einen Umfang annehmen, der ihre Steuerpflicht als Grossisten in quantitativer Hinsicht in Frage stellen könnte.
4.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung verzichtet bei aus dem Handel mit Briefmarken erzielten Umsätzen generell auf die Erhebung der Warenumsatzsteuer. Die Steuerverwaltung begründet diese Praxis mit erhebungstechnischen Schwierigkeiten und den sich daraus ergebenden Rechtsungleichheiten zwischen den einzelnen Briefmarkenhändlern.
Gemäss
Art. 17 Satz 2 WUStB
sind die inländischen amtlichen Postwertzeichen - entsprechend den Wertpapieren - so lange von der Qualifikation als warenumsatzsteuerpflichtige Waren ausgenommen, als sie als solche verwendet werden. Folglich müssen alle inländischen Briefmarken, die nicht als Postwertzeichen, sondern als Sammlerobjekte gehandelt werden, und grundsätzlich sämtliche ausländische Briefmarken aufgrund von
Art. 17 Satz 1 WUStB
als warenumsatzsteuerpflichtige Waren angesehen werden. Soweit ein Briefmarkenhändler die in
Art. 9 WUStB
umschriebenen quantitativen Voraussetzungen erfüllt, wäre er folglich als steuerpflichtiger Grossist im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen einzutragen. Die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung vertretene Auffassung, dass wegen erhebungstechnischer Schwierigkeiten auf die Warenumsatzsteuer aus dem Briefmarkenhandel generell zu verzichten sei, findet weder im Bundesratsbeschluss selbst noch in einem allgemeinen Rechtsgrundsatz eine Stütze; insbesondere kann die Verwaltung nicht aus Gründen der Praktikabilität vom Erfordernis der Gesetzmässigkeit abweichen. Aufgrund des klaren Wortlautes von
Art. 17 WUStB
sind die aus dem Handel mit Briefmarken zu Sammelzwecken erzielten Umsätze als warenumsatzsteuerpflichtig anzusehen. Der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber Briefmarkenhändlern generell gehandhabte Verzicht auf die Erhebung der Warenumsatzsteuer erweist sich folglich als gesetzwidrig.
BGE 112 Ib 381 S. 384
Sollten die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung behaupteten erhebungstechnischen Schwierigkeiten tatsächlich bestehen, bestünde im übrigen die Möglichkeit, im Rahmen von
Art. 34 Abs. 2 WUStB
eine annäherungsweise Ermittlung des steuerpflichtigen Umsatzes vorzunehmen; diese Möglichkeit kann jedoch nicht Grundlage für einen generellen Verzicht auf die Steuererhebung bilden.
5.
Unter Berufung auf die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber Briefmarkenhändlern gehandhabte gesetzwidrige Praxis verlangen die Beschwerdeführer, dass sie für ihre aus dem Handel mit historischen Wertpapieren erzielten Umsätze von der Warenumsatzsteuer befreit werden.
Ein derartiger Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht setzt in erster Linie voraus, dass sich für eine Ungleichbehandlung der Händler mit historischen Wertpapieren gegenüber den Briefmarkenhändlern keine sachlichen Gründe ergeben.
a) Ein gewichtiges Indiz für eine Gleichbehandlung ergibt sich aus dem Umstand, dass gemäss
Art. 17 Satz 2 WUStB
sowohl der Handel mit Briefmarken als auch mit Wertpapieren, solange sie als solche verwendet werden, nicht mit der Warenumsatzsteuer belastet werden soll. Während die Ausnahmebehandlung bei den Briefmarken jedoch darauf zurückzuführen ist, dass die von den öffentlichrechtlichen Körperschaften oder Anstalten in Ausübung ihrer Amtsbefugnis erzielten Umsätze nicht der Warenumsatzsteuer unterliegen sollen (LOOSLI, Der Begriff der Warenlieferung bei der Eidgenössischen Warenumsatzsteuer, Diss. Zürich 1949, S. 33; GURTNER, Die Umsatzsteuer auf baugewerblichen Leistungen, Diss. Bern 1947, S. 17; vgl. dazu auch METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, 1983, S. 136), soll bei den Wertpapieren eine allzu starke Belastung des mit der viel geringeren Stempelabgabe belegten Effektenhandels vermieden werden. Aus der gleichzeitigen Nennung von Briefmarken und Wertpapieren in
Art. 17 Satz 2 WUStB
kann folglich nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass für eine unterschiedliche Behandlung keine sachlichen Gründe gegeben sind. Immerhin ist jedoch ersichtlich, dass für die Steuerbefreiung der Briefmarken und Wertpapiere das Kriterium der Wertpapierqualität im zivilrechtlichen Sinne ohne Bedeutung ist.
b) Briefmarken und Wertpapiere haben insofern Gemeinsamkeiten, als beide Objekte durch bestimmte Qualitäten - wie Alter, Seltenheit, Aufmachung - von ihrer ursprünglichen Funktion
BGE 112 Ib 381 S. 385
entfremdet zum Sammlerobjekt werden können und dabei Handelspreise erzielen, die vom Wert als Postwertzeichen oder als Wertpapier in der eigentlichen Funktion erheblich abweichen. Beide Sammlerobjekte zeichnen sich alsdann dadurch aus, dass neben sehr seltenen und besonders wertvollen Objekten sog. Massenware mit niedrigem Stückpreis angeboten wird. Aus den Akten ist beispielsweise ersichtlich, dass die im September 1981 vom Beschwerdeführer X. aus den USA eingeführten historischen Wertpapiere mit einem Kilopreis von durchschnittlich ca. Fr. 6.-- (inklusive Frachtkosten) deklariert worden sind.
Im übrigen erscheint aufgrund dieser Angaben kaum zweifelhaft, dass nicht nur bei Briefmarken - wie die Eidgenössische Steuerverwaltung behauptet -, sondern auch bei historischen Wertpapieren bei der Einfuhr in die Schweiz die Bewertung der Lieferung mit einem erheblichen administrativen Aufwand verbunden sein kann und wertvolle Einzelstücke leicht unbemerkt unter Hinterziehung der Steuern ins Inland mitgebracht werden können.
Hinsichtlich der gehandelten Objekte ist folglich davon auszugehen, dass keine wesentlichen Unterschiede bestehen, die eine ungleiche Behandlung hinsichtlich der Warenumsatzsteuer rechtfertigen könnten.
c) Bezüglich der Marktsituation ergeben sich keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung: Der Tauschhandel privater Sammler schafft - soweit überhaupt eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt und die quantitativen Voraussetzungen des
Art. 9 WUStB
erfüllt sind - wegen der privaten Abwicklung bei beiden Objekten die gleichen Erfassungsprobleme. Die Beschwerdeführer sind jedoch nicht als private Tauschhändler anzusehen, sondern als gewerbsmässige Händler mit einem Angebot, das sich an Sammler bzw. an andere Händler von historischen Wertpapieren richtet. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit sind die Beschwerdeführer ohne weiteres mit einem Briefmarkenhändler auf der Detail- bzw. auf der Engroshandelsstufe zu vergleichen; auch der gewerbsmässige Briefmarkenhändler richtet sein Angebot an Sammler bzw. an andere Händler von Briefmarken zu Sammelzwecken.
Es ist der Eidgenössischen Steuerverwaltung zwar zuzugeben, dass sich der Briefmarkenmarkt durch den Briefmarkenverkauf der PTT-Betriebe, der Postwertzeichenstelle des Fürstentums Liechtenstein und der in der Schweiz domizilierten internationalen Organisationen vom Markt mit historischen Wertpapieren
BGE 112 Ib 381 S. 386
unterscheidet. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung in diesem Zusammenhang erwähnten erhebungstechnischen Schwierigkeiten eine Ungleichbehandlung von Händlern mit historischen Wertpapieren gegenüber privaten Händlern mit Briefmarken zu Sammelzwecken zu begründen vermögen.
d) Schliesslich ergeben sich auch bezüglich der Geschäftstätigkeit keine Unterschiede, die eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung in diesem Zusammenhang geschilderten Erfassungsprobleme - aufgrund der Vielzahl von formlosen Einzelgeschäften mit kleinsten Beträgen - ergeben sich beim Verkauf jeder Handelsware mit niedrigem Stückpreis und rechtfertigen keine Sonderbehandlung der Briefmarkenhändler. Mit Hilfe einer gebräuchlichen Registrierkasse wäre der Grossteil der steuerpflichtigen Briefmarkenhändler ohne weiteres in der Lage, über den steuerpflichtigen Umsatz verlässliche und überprüfbare Angaben zu liefern. Im übrigen ist aufgrund der Zahlenangabe unter E. 5b davon auszugehen, dass auch historische Wertpapiere teilweise zu niedrigen Stückpreisen gehandelt werden, sich folglich die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung geltend gemachten erhebungstechnischen Schwierigkeiten in einem gewissen Umfang auch im Bereich der historischen Wertpapiere stellen würden.
Probleme der Erfassung der steuerpflichtigen Umsätze ergeben sich bei jeder weitgehend formlosen Geschäftstätigkeit. Ob diese jedoch Briefmarken, historische Wertpapiere, Antiquitäten oder Trödlerwaren zum Gegenstand hat, vermag für sich alleine keine unterschiedliche Behandlung in bezug auf die Warenumsatzsteuer zu rechtfertigen.
In ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht weist die Eidgenössische Steuerverwaltung schliesslich auf die sich bei Briefmarkenhändlern ergebenden besonderen Abgrenzungsprobleme zwischen ihrer Tätigkeit als Händler- bzw. Herstellergrossist hin. Es ist indessen nicht auszuschliessen, dass derartige Abgrenzungsprobleme im gleichen Umfang auch bei den Beschwerdeführern bestehen. Auch der Händler mit historischen Wertpapieren wird darum bemüht sein, seine Ware in einer möglichst ansprechenden Aufmachung zum Verkauf anzubieten; dafür können jedoch - entsprechend wie beim Briefmarkenhändler - Bearbeitungen der Ware notwendig sein, die über den Rahmen der Tätigkeit eines Händlergrossisten hinausgehen.
BGE 112 Ib 381 S. 387
6.
Für eine Ungleichbehandlung der Händler mit historischen Wertpapieren gegenüber den Briefmarkenhändlern sind bezüglich der Warenumsatzsteuer keine sachlichen Gründe ersichtlich. Der im Widerspruch zu den Bestimmungen des WUStB stehende generelle Verzicht auf die Erhebung der Warenumsatzsteuer beim Briefmarkenhandel stellt gegenüber dem warenumsatzsteuerpflichtigen Handel mit historischen Wertpapieren eine gegen
Art. 4 BV
verstossende Ungleichbehandlung dar.
Die festgestellte Verletzung von
Art. 4 BV
führt vorliegend jedoch nicht zur Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geht der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung in der Regel der Rücksicht auf die gleichmässige Rechtsanwendung vor. Der Umstand, dass das Gesetz in anderen Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, gibt dem Bürger grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden. Das gilt jedoch nur, wenn lediglich in einem einzigen oder in einigen wenigen Fällen eine abweichende Behandlung dargetan ist. Wenn es hingegen die Behörden ablehnen, die in anderen Fällen ausgeübte gesetzwidrige Praxis aufzugeben, kann der Bürger unter bestimmten Voraussetzungen verlangen, dass die gesetzwidrige Begünstigung, die dem Dritten zuteil wurde, auch ihm gewährt wird (
BGE 110 II 400
E. 2;
BGE 108 Ia 214
mit Verweisungen).
Die Eidgenössische Steuerverwaltung ging bisher zu Unrecht davon aus, dass sich der Briefmarkenhandel wesentlich vom Handel mit historischen Wertpapieren unterscheidet. Das Bundesgericht hatte vorliegend auch erstmals die Gelegenheit, die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber Briefmarkenhändlern gehandhabte Praxis auf ihre Vereinbarkeit mit dem WUStB zu überprüfen. Aufgrund der bundesgerichtlich festgestellten Gesetzwidrigkeit dieser Praxis ist nicht auszuschliessen, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung ihre Praxis ändern und auch bei Briefmarkenhändlern - soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind - die Warenumsatzsteuer erheben wird. Unter diesen Umständen besteht im jetzigen Zeitpunkt keine Veranlassung, die Beschwerdeführer gestützt auf
Art. 4 BV
für ihre Umsätze aus dem Handel mit historischen Wertpapieren zu befreien. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ging folglich zu Recht davon aus, dass die Beschwerdeführer aufgrund der von ihnen deklarierten Umsatzzahlen als steuerpflichtige Grossisten im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen einzutragen seien. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
50398492-cdae-4fe2-908a-207196afb36a | Urteilskopf
85 III 38
8. Arrêt du 11 février 1959 dans la cause Kammacher. | Regeste
Art. 93 SchKG
.
Pfändung des Einkommens aus dem Betrieb einer Auto-Fahrschule nach Art einer Lohnpfändung.
Bemessung des pfändbaren Teils. | Sachverhalt
ab Seite 38
BGE 85 III 38 S. 38
A.-
Werner Rickenbach exploite un service d'autoécole, à Genève. Me Kammacher, avocate audit lieu, a dirigé contre lui une poursuite no 432 750 pour recouvrer, en qualité de cessionnaire, les frais et dépens de deux litiges qui ont divisé le débiteur d'avec sa cliente, dame Morel. L'Office des poursuites de Genève a saisi divers objets et notifié le procès-verbal de l'opération le 17 novembre 1958.
B.-
La créancière a formé à temps une plainte à l'autorité de surveillance; elle demandait qu'on ordonnât à l'office de saisir, sur présentation de la comptabilité du débiteur, 300 fr. par mois sur les gains acquis par celui-ci comme moniteur de conduite automobile et qu'on le rendît attentif à la peine de l'art. 169 CP. Appelé à donner son avis, l'office a estimé que ce revenu était insaisissable et paraissait en outre inférieur au minimum vital L'autorité de surveillance a rejeté la plainte le 16 janvier 1959. Le gain du débiteur, dit-elle, n'est pas un salaire au sens large donné à ce terme par la jurisprudence; le nombre des débiteurs du moniteur est élevé et chaque créance peu importante; en outre, le revenu est trop aléatoire pour permettre de déterminer la quotité saisissable; faute d'éléments suffisants et certains d'appréciation, le risque serait trop grand d'en arriver au système prohibé de la prison pour dette.
C.-
La plaignante recourt au Tribunal fédéral en concluant à l'annulation de la décision attaquée.
BGE 85 III 38 S. 39
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Dans un arrêt Allemann du 5 décembre 1958 (84 IV 155) la Cour de cassation pénale a jugé qu'on peut ordonner une retenue de salaire en main d'un artisan indépendant qui exploite un institut de beauté. Par salaire au sens de l'art. 93 LP, on entend toutes sommes représentant essentiellement la rétribution d'un travail personnel et notamment la rétribution d'une activité libérale (RO 48 III 153, 59 III 120, 71 III 176, 77 III 68; FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung I, 179). Sont ainsi saisissables une somme à soustraire chaque mois des honoraires d'un avocat, les gains d'un maîtrepaveur et d'un mécanicien sur automobile, les pourboires d'une sommelière (RO 79 III 157, 82 IV 189). Il n'est donc pas nécessaire que le revenu du débiteur provienne d'un emploi (ni même qu'il lui soit juridiquement dû). La loi n'entend pas réserver aux artisans non inscrits au registre du commerce et dont les prestations sont payées comptant, de sorte qu'il n'y a pas de créances à saisir, un sort meilleur qu'à l'employé réduit au seul salaire versé par le patron en leur permettant de disposer de tous leurs revenus au mépris des droits de leurs créanciers. Sans doute, les recettes d'un artisan ne constituent-elles pas un gain net. Ce n'est toutefois pas une raison d'exclure la saisie; il incombe à l'office, à la suite d'une enquête ou, si c'est nécessaire, par appréciation (RO 54 III 161), de prendre en considération, outre les besoins du débiteur et de sa famille, les charges et les aléas de l'entreprise (RO 69 III 54, 75 III 100 au milieu).
2.
La Chambre des poursuites, qui avait été amenée à donner un avis favorable à la Cour de cassation, ne peut que se rallier à cette jurisprudence. Celle-ci s'applique à la présente espèce. Le grand nombre des débiteurs de Rickenbach et le montant peu élevé de chaque créance ne changent rien à la situation. Il est pareillement sans importance que le rapport du moniteur à ses clients soit un
BGE 85 III 38 S. 40
contrat de travail ou, plus justement, un mandat; les revenus de l'artisan sont saisissables; si l'on ne devait pas faire application de l'art. 93 LP, ils le seraient simplement de façon illimitée, sous réserve de l'art. 92 LP. La décision attaquée doit donc être annulée et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle prenne ou fasse prendre, après enquête, une nouvelle décision.
3.
L'art. 93 LP étant applicable, l'autorité cantonale compétente établira ce qui est indispensable au débiteur et à sa famille; elle tiendra compte du gain de l'épouse, notamment du produit de la sous-location qu'elle revendique (210 fr. par mois). Le revenu brut sera diminué des seules dépenses nécessaires à l'exercice de la profession de moniteur de conduite automobile et à l'emploi d'un véhicule à cette fin; les frais de voiture ne seront pas décomptés dans la mesure où celle-ci sert à d'autres buts; en outre, on ne déduira pas d'amortissement; on peut réserver la question de savoir si, dans certains cas, une telle déduction serait légitime; en l'espèce, le débiteur ne prétend rien distraire, à cette fin, de ses revenus. Quant à la quotité saisissable, on la fixera de manière différente suivant les circonstances; ce sera un montant déterminé par mois ou, si les gains varient trop, l'excédent des revenus sur le minimum vital et les déductions admissibles; dans ce dernier cas, l'office pourra être amené à veiller à une certaine stabilité du montant à prélever en s'efforçant de régulariser les fluctuations prévisibles dans l'exercice de la profession du débiteur.
Dispositiv
Par ces motifs. la Chambre des poursuites et des faillites:
Admet le recours, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle procède dans le sens des considérants. | null | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
504122d4-c932-432a-abab-944e10b1dcc1 | Urteilskopf
101 V 236
49. Sentenza del 19 novembre 1975 nella causa Cassa Previdenza Winterthur contro La comunione degli eredi della fu Anna Foglia e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino | Regeste
Art. 26 KUVG
.
Berechnung der Überversicherung, wenn die von einem Drittleistungspflichtigen erbrachte Abfindung eine Genugtuungssumme umfasst. | Sachverhalt
ab Seite 236
BGE 101 V 236 S. 236
A.-
Investita e gravemente ferita da un automobilista addì 14 aprile 1970, Anna Foglia, allora settantenne, venne curata a L. (Ospedale civico) poi a M. (Ospedale neuropsichiatrico) ove morì il 19 maggio 1972.
Dalla società assicuratrice dell'investitore, contro la quale la defunta aveva incoato azione di risarcimento, gli eredi ottennero, a seguito di transazione, la somma di fr. 15'000.--, che il rappresentante della debitrice definì, con lettera del 22 maggio 1974, siccome "dati esclusivamente per spese vive direttamente causate dallo incidente (Ospedale civico, intervento medico ecc.), per perdita di guadagno e per torto morale". Il 17 ottobre 1974, lo stesso rappresentante precisava che la metà degli anzidetti fr. 15'000.-- veniva pagata per torto morale.
B.-
L'infortunio e il decesso di Anna Foglia erano stati annunciati anche alla Cassa Previdenza Winterthur (detta appresso Cassa), cui la defunta era affiliata. La Cassa venne pure informata su l'andamento del processo e le trattative transazionali con l'assicuratrice del terzo responsabile. Da ultimo ciò avvenne con lettera del 18 ottobre 1974, in cui il rappresentante degli eredi di Anna Foglia comunicava alla Cassa medesima segnatamente: "... qualora non dovessi essere in possesso di una risposta vincolante ... entro mercoledì 30 ottobre 1974 ... mi riterrò autorizzato a sottoscrivere la proposta transattiva nei termini proposti dal collega di controparte". A tale scritto la Cassa rispose il 24 ottobre 1974 che intendeva dedurre, dall'importo complessivo delle indennità da lei assicurate
BGE 101 V 236 S. 237
alla defunta, l'intera somma di fr. 15'000.-- offerta per transigere dall'assicuratore del terzo responsabile. Seguì poi il versamento delle prestazioni della Cassa, ammontanti - deduzione fatta dei suddetti fr. 15'000.-- - a fr. 6'461.45.
Dissenzienti gli eredi di Anna Foglia, la Cassa confermò tale liquidazione mediante decisione amministrativa dell'8 aprile 1975, riferendosi all'art. 33 lit. a delle proprie condizioni generali (dette appresso CGA), ove è detto:
"Le prestazioni della Cassa sono escluse dall'assicurazione quando esiste una responsabilità di terzi. Le prestazioni della Cassa basate sulla responsabilità sussidiaria vengono concesse solo qualora il membro non abbia alcun diritto al risarcimento nei confronti di un terzo o di un altro ente assicurativo anche nel caso in cui non fosse assicurato. Qualora il terzo concede delle prestazioni in contanti in sostituzione delle spese per il medico e per i medicamenti, la Cassa non è tenuta al versamento delle prestazioni."
C.-
Adìto dalla comunità ereditaria interessata, con giudizio del 17 giugno 1975 il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino pronunciò:
"1.- Il ricorso è accolto. § Di conseguenza la Cassa Previdenza Winterthur è condannata a versare alla Comunione ereditaria A. Foglia un importo di fr. 7'500.--, oltre all'importo già versato di fr. 6'461.45.
2.- Non si prelevano spese né tassa di giustizia, la Cassa verserà alla ricorrente un importo di fr. 280.-- a titolo di ripetibili."
Dei motivi di questo giudizio si dirà appresso.
D.-
La Cassa impugna il giudizio cantonale mediante ricorso di diritto amministrativo. Essa chiede la conferma della propria decisione 8 aprile 1975, insistendo sul carattere facoltativo delle sue prestazioni ai propri assicurati in caso di parziale responsabilità di terzi e allegando che all'erede della defunta Anna Foglia la società assicuratrice del terzo responsabile ha versato una somma globale senza "nessuna distinzione e nessuna definizione per l'importo fra spese vive e torto morale".
La comunità ereditaria opponente e l'Ufficio federale delle assicurazioni sociali propongono la reiezione del gravame.
BGE 101 V 236 S. 238
Erwägungen
Diritto:
1.
Le parti e il Tribunale cantonale concordano nel considerare, di massima, facoltative le prestazioni della Cassa nella presente specie. Questa Corte può pertanto limitarsi ad esaminare la sola questione controversa, cioè quella di sapere se, e in quale misura al caso, il diritto federale permetta di imporre all'opponente la liquidazione decisa dalla Cassa, in quanto essa deduce dalle proprie prestazioni l'intera somma di fr. 15'000.-- pagata dalla società assicuratrice del terzo responsabile.
2.
Come il Tribunale cantonale giustamente espone, la Cassa ha l'obbligo di trattare in modo eguale tutti gli assicurati. Siffatto obbligo procede dall'art. 3 cpv. 3 LAMI, giusta il quale le casse-malati "devono esercitare l'assicurazione contro le malattie secondo i principi della mutualità". Questi ultimi dominano l'attività delle casse-malati anche per quanto concerne le prestazioni da esse volontariamente concesse oltre i limiti minimi imposti dalle norme legali e statutarie (RU 98 V 84). Detti principi presuppongono, tra l'altro, un sistema di prestazioni che rispetti l'eguaglianza dei diritti e dei doveri (RU 97 V 65). Ne discende che, anche se praticato a titolo facoltativo, l'erogare prestazioni fissate caso per caso, senza criteri normativi generici atti ad evitare gravi disparità di trattamento, non sarebbe conciliabile con i dettami della mutualità.
Il Tribunale cantonale costata - e la Cassa ricorrente non contesta - che nell'ambito dell'art. 33 lit. a CGA la prassi di essa "consiste nel riconoscere agli assicurati le prestazioni, deducendo, dalle stesse, l'importo percepito dal terzo responsabile". In linea di massima, il Tribunale cantonale approva questa regola. Ma esso "ravvisa una disparità di trattamento nel fatto di dedurre dalle prestazioni della Cassa l'importo versato dal terzo corresponsabile a titolo di torto morale". A mente del Tribunale cantonale
"una simile prassi va a tutto svantaggio di quelli assicurati che ottengono dal terzo contemporaneamente un risarcimento per le spese di cura cagionate dal danno fisico e psichico e dal danno morale, e a tutto vantaggio di chi ottiene unicamente il risarcimento delle spese di cura.
I secondi beneficerebbero dell'intera copertura delle spese di cura (in parte ad opera del terzo e in parte ad opera della Cassa), mentre i
BGE 101 V 236 S. 239
primi sarebbero difatti chiamati a partecipare alla copertura di tali spese nella misura dell'importo da loro ricevuto a titolo di riparazione morale."
Questa Corte consente. Essa riconosce che, per raggiungere la parità di trattamento anche nell'ambito dell'art. 33 lit. a CGA (così come ai fini dell'art. 26 LAMI: RJAM 1974 no. 189), per prestazioni di terzi responsabili vanno intese soltanto quelle che, data la loro funzione, sono assimilabili alle prestazioni dell'assicurazione sociale contro le malattie. Di massima se ne devono quindi escludere, tra l'altro, le indennità per torto morale.
3.
Nella fattispecie è palese che l'indennità complessiva di fr. 15'000.--, pagata dalla società assicuratrice del terzo corresponsabile, era dovuta, in parte, per torto morale. Quanto alla misura di quest'ultima componente occorre osservare quanto segue:
a) La massima vietante alle casse-malati di dedurre, dalle prestazioni che esse assicurano nel quadro della LAMI, quanto l'assicurato riceve a titolo d'indennità per torto morale, non vincola le casse medesime in modo assoluto al risultato di libere trattazioni private in riguardo alla misura del risarcimento di tale danno immateriale. Infatti, ammettere un simile vincolo darebbe adito ad intollerabili abusi a scapito dell'assicurazione sociale contro le malattie e gli infortuni. In particolare, se l'assicurato, dopo aver chiesto al giudice civile una determinata somma per torto morale, pattuisce privatamente allo stesso titolo una indennità maggiore senza l'accordo della cassa, quest'ultima deve poter fare in modo che il giudice delle assicurazioni sociali statuisca sulla validità della transazione agli effetti della LAMI. Ora, nella presente causa la Cassa chiede appunto - implicitamente (in maiore minus) - un simile controllo di diritto amministrativo.
b) Nella petizione del 30 marzo 1972, il rappresentante di Anna Foglia aveva tra l'altro chiesto dal terzo assicuratore a titolo d'indennità per danno morale, fr. 4'000.-- "in base all'attuale giurisprudenza". A detta degli attuali opponenti, "in corso di causa è emerso che almeno parte del danno non era da ascriversi all'incidente, bensì ad uno stato di incipiente arteriosclerosi (dunque malattia) che aveva causato lo stato di quasi totale incapacità di intendere e di volere della signora". Nondimeno, contro la suddetta richiesta la Cassa, che non
BGE 101 V 236 S. 240
contesta di esser stata informata sull'andamento del processo, nulla obbiettò. È nulla permette ora di escludere che il giudice civile - se chiamato a statuire - avrebbe accolto tale richiesta. Pertanto la Cassa non può validamente esigere la deduzione di questi fr. 4'000.-- dalle prestazioni che essa riconosce aver assicurato alla defunta.
Viceversa manca pure ogni indizio atto a rendere verosimile l'ipotesi che il giudice civile, se chiamato a statuire sulla misura dell'indennità per torto morale, ne avrebbe aumentato l'importo oltre i fr. 4'000.-- chiesti dalla defunta attrice; ciò tantomeno che, come i ricorrenti stessi espongono, una parte considerevole del danno da lei patito procedeva da cause estranee all'infortunio del 14 aprile 1970. Ne discende che, a titolo d'indennità per danno morale, dalle prestazioni assicurate alla defunta la Cassa può dedurre non più di fr. 4'000.--.
Dispositiv
Per questi motivi
il Tribunale federale delle assicurazioni dichiara e pronuncia:
Il ricorso di diritto amministrativo è parzialmente accolto e il giudizio cantonale riformato nel senso che alla comunione ereditaria opponente la cassa ricorrente deve ancora, oltre all'importo già versato di fr. 6'461.45, soltanto fr. 3'500.--. | null | nan | it | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
5055478b-4664-48e8-8aa7-39b3840cf741 | Urteilskopf
140 III 251
40. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre Verein Schweizerisches Rotes Kreuz (recours en matière civile)
4A_41/2014 du 20 mai 2014 | Regeste
Art. 2 lit. d und
Art. 52 MSchG
, Art. 1, 4 und 7 des Bundesgesetzes betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes; Legitimation des Schweizerischen Roten Kreuzes, zivilrechtlich gegen die missbräuchliche Verwendung seines Zeichens vorzugehen; durch das Markenrecht gewährter Schutz.
Missbräuchliche Verwendungen des roten Kreuzes auf weissem Grund (E. 3). Das Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes hindert das Schweizerische Rote Kreuz nicht daran, gestützt auf andere die unterscheidungskräftigen Zeichen schützende Bundesgesetze zivilrechtlich gegen die missbräuchliche Verwendung seines Zeichens vorzugehen (E. 4). Legitimation des Schweizerischen Roten Kreuzes, eine Klage auf Nichtigerklärung der Marke anzuheben (
Art. 52 MSchG
), und Prüfung der Verwechslungsgefahr im zu beurteilenden Fall (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 252
BGE 140 III 251 S. 252
A.
Le 30 mars 2000, A. SA a obtenu, de l'Institut Fédéral de la Propriété Intellectuelle (IPI), l'enregistrement de la marque suisse n° b, pour des soins médicaux et des services d'une permanence médico-chirurgicale (classe 42 selon l'Arrangement de Nice du 14 juillet 1967 concernant la classification internationale des produits et des services aux fins de l'enregistrement des marques [RS 0.232.112.8]). Cette marque se présente de la manière suivante:
Le signe enregistré comporte, en haut à droite, la mention "a. sa". Il résulte de la marque déposée auprès de l'IPI que A. SA a effectué, dans sa demande d'enregistrement, une revendication partielle de couleur. Pour l'élément figuratif principal (au centre), ainsi que les deux signes plus petits situés à sa verticale (en haut et en bas), elle a revendiqué la couleur rouge vermillon. La couleur beige a été revendiquée pour le signe situé en bas à gauche, et la couleur noire pour celui situé à son opposé (...).
Depuis cette inscription, A. SA utilise l'élément figuratif "
" et la marque dans le cadre de son activité commerciale, en particulier en tant que signe distinctif sur ses façades ayant pignon sur rue à
BGE 140 III 251 S. 253
Genève ainsi que sur ses documents commerciaux (notamment papier à en-tête et site internet).
Au cours de l'année 2008, la Croix-Rouge suisse (Verein Schweizerisches Rotes Kreuzes) a été rendue attentive, par le CICR, à l'usage effectué par A. SA. A plusieurs reprises, elle a invité celle-ci à renoncer à l'utilisation sous toute forme de l'emblème de la Croix-Rouge dans son activité commerciale et à requérir la radiation de la marque n° b (...).
Le 6 septembre 2010, A. SA a obtenu la prolongation de son enregistrement pour dix ans à partir du 30 mars 2010, soit jusqu'au 30 mars 2020.
B.
Le 3 juillet 2012, la Croix-Rouge suisse, agissant par ses organes, a déposé un mémoire de demande auprès du Tribunal de commerce du canton de Berne à l'encontre de A. SA. Elle a pris les conclusions suivantes:
"1. Es sei der Beklagten zu verbieten, das nachfolgende rote Kreuz "
" in Alleinstellung oder als Bestandteil einer Marke, einer Enseigne oder eines sonstigen Kennzeichens im Geschäftsverkehr - insbesondere als Hinweis auf ihre Geschäftslokalitäten, auf ihrer Homepage und auf eigenen Geschäftsdrucksachen - zu gebrauchen.
2. Es seien sämtliche sich im Besitze der Beklagten befindlichen Geschäftsunterlagen - insbesondere Geschäftsdrucksachen - sowie Hinweistafeln auf die Geschäftslokalitäten, die das nachfolgende rote Kreuz "
" aufweisen, zu entfernen, einzuziehen und zu vernichten.
3. Das Verbot gemäss Ziffer 1 sei für den Fall der Wiederhandlung mit der Androhung der Bestrafung der Beklagten bzw. deren verantwortlichen Organen gemäss Art. 292 StGB zu verbinden.
4. Es sei festzustellen, dass die Schweizer Marke Nr. b (...) für alle registrierten Dienstleistungen nichtig ist.
5. Dem Institut für Geistiges Eigentum sei die Nichtigkeitserklärung der Schweizer Marke Nr. b (...) zwecks Löschung im Schweizer Markenregister mitzuteilen.
6. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten der Beklagten."
(...) Le Tribunal de commerce, dans son jugement du 17 octobre 2013, a rendu le dispositif suivant:
"1. constate la nullité de la marque n° CH b (...) pour l'ensemble des services annoncés;
2. ordonne la communication du présent jugement à l'Institut de la Propriété Intellectuelle en vue d'effectuer la radiation de la marque n° CH b (...);
BGE 140 III 251 S. 254
3. fait interdiction à A. SA (...) d'utiliser après un délai de trois mois dès l'entrée en force du présent jugement l'élément figuratif suivant "
" de manière isolée ou comme partie d'une marque, d'une enseigne, d'une autre désignation en matière commerciale, en particulier pour désigner ses locaux, sa page internet et ses papiers d'affaires;
4. condamne A. SA (...) à retirer et à détruire l'ensemble du matériel, en particulier les papiers d'affaires et les enseignes de ses locaux, qui contiennent l'élément figuratif suivant "
" dans un délai de trois mois dès l'entrée en force du présent jugement;
5. précise qu'en cas de violation du point 3 de la présente décision par les organes de A. SA (...), ceux-ci s'exposent à une poursuite basée sur l'art. 292 du Code pénal (...)".
La Cour cantonale a fixé les frais judiciaires à 20'000 fr. (18'000 fr. à charge de A. SA et 2'000 fr. à charge de la Croix-Rouge suisse) et les dépens à 32'000 fr. (à charge de A. SA).
C.
A. SA exerce un recours en matière civile contre la décision cantonale du 17 octobre 2013. Elle conclut à son annulation et à ce que la Croix-Rouge suisse soit déboutée de toutes ses conclusions, sous suite de frais et dépens (...).
L'intimée conclut au rejet total du recours, sous suite de frais et dépens (...).
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
La loi fédérale du 25 mars 1954 concernant la protection de l'emblème et du nom de la Croix-Rouge (RS 232.22; ci-après: la loi sur la Croix-Rouge) tend à prévenir et à réprimer l'emploi abusif par des tiers des emblèmes et des dénominations de la Croix-Rouge (cf. Message du 14 septembre 1953 concernant la révision de la loi pour la protection de l'emblème et du nom de la Croix-Rouge, FF 1953 III 110, 112).
Selon l'art. 1 al. 1 de la loi sur la Croix-Rouge, l'emblème de la croix rouge sur fond blanc et les mots "croix rouge" ou "croix de Genève" ne pourront en principe être employés, soit en temps de paix, soit en temps de guerre, que pour signaler le personnel et le matériel protégés par la Convention de Genève du 12 août 1949 pour l'amélioration du sort des blessés et des malades dans les forces armées en campagne (RS 0.518.12; ci-après: CG I) et la Convention de Genève du 12 août 1949 pour l'amélioration du sort des blessés, des malades et des naufragés des forces armées sur mer (RS 0.518.23).
BGE 140 III 251 S. 255
Selon l'art. 4 al. 1 de cette même loi, "la Croix-Rouge suisse pourra faire usage en tout temps de l'emblème et du nom de la Croix-Rouge, pour ses activités conformes aux principes formulés par les conférences internationales de la Croix-Rouge et à la législation fédérale. En temps de guerre, les conditions de l'emploi de l'emblème devront être telles qu'il ne puisse être considéré comme visant à conférer la protection des conventions de Genève; l'emblème sera de dimensions relativement petites et il ne pourra être apposé sur des brassards ou des toitures". L'alinéa 2 de cette même disposition dispose que la Croix-Rouge suisse fixe dans un règlement les conditions de l'emploi, notamment prévu à l'al. 1, de l'emblème et du nom de la Croix-Rouge, et que ce règlement est soumis à l'approbation du Conseil fédéral.
Selon l'art. 7 al. 2 de la loi sur la Croix-Rouge, les marques et les designs "contraires à la présente loi" sont exclus du dépôt. A noter que le projet "Swissness", adopté par le Parlement le 21 juin 2013, prévoit de remplacer l'actuelle teneur de cette disposition par le texte suivant, qui ne conduirait à aucun changement d'ordre matériel: "Les signes dont l'emploi est interdit en vertu de la présente loi et les signes susceptibles d'être confondus avec eux ne peuvent être enregistrés comme marque, design, raison de commerce, nom d'association ou de fondation ni comme élément de ceux-ci" (Message du 18 novembre 2009 relatif à la modification de la loi sur la protection des marques et à la loi fédérale sur la protection des armoiries de la Suisse et autres signes publics, FF 2009 7711, 7821, 7875).
Enfin, l'art. 8 al. 1 de la loi prévoit des sanctions pénales à l'encontre de "celui qui, intentionnellement et contrairement aux dispositions de la présente loi [...], aura fait usage de l'emblème de la croix rouge sur fond blanc ou des mots 'croix rouge' ou 'croix de Genève', ou de tout autre signe ou mot pouvant prêter à confusion".
Les dispositions de la loi sur la Croix-Rouge, qui mettent en oeuvre les règles instaurées par les Conventions de Genève, doivent être interprétées conformément à celles-ci (
ATF 134 III 406
consid. 5.2 p. 411). Les commentateurs de la CG I insistent sur la nécessité d'interpréter les textes nationaux de la façon la plus favorable à la Convention de Genève et à l'institution de la Croix-Rouge (JEAN S. PICTET, Le signe de la croix rouge et la répression des abus du signe de la croix rouge [commentaire du chap. VII de la CG I] [ci-après: Le signe de la croix rouge], 1951, p. 59; PAUL DES GOUTTES, Commentaire de la Convention de Genève du 27 juillet 1929, 1930, p. 200 s.).
BGE 140 III 251 S. 256
3.2
Il résulte de l'
art. 44 CG I
que "l'emblème de la croix rouge sur fond blanc et les mots 'croix rouge' ou 'croix de Genève' ne pourront, à l'exception des cas visés dans les alinéas suivants du présent article, être employés, soit en temps de paix, soit en temps de guerre, que pour désigner ou protéger les formations et les établissements sanitaires, le personnel et le matériel protégés par la présente Convention et par les autres Conventions internationales réglant semblable matière. (...) Les Sociétés nationales de la Croix-Rouge et les autres sociétés [de secours autorisées par le gouvernement] n'auront droit à l'usage du signe distinctif conférant la protection de la Convention que dans le cadre des dispositions de cet alinéa" (al. 1). "En outre, les Sociétés nationales de la Croix-Rouge (...) pourront en temps de paix, conformément à la législation nationale, faire usage du nom et de l'emblème de la Croix-Rouge pour leurs autres activités conformes aux principes formulés par les Conférences internationales de la Croix-Rouge. Lorsque ces activités se poursuivront en temps de guerre, les conditions de l'emploi de l'emblème devront être telles qu'il ne puisse être considéré comme visant à conférer la protection de la Convention, l'emblème sera relativement de petites dimensions et il ne pourra être apposé sur un brassard ou une toiture" (al. 2). "A titre exceptionnel, conformément à la législation nationale, et avec l'autorisation expresse de l'une des Sociétés nationales de la Croix-Rouge (...), il pourra être fait usage de l'emblème de la Convention en temps de paix, pour signaler les véhicules utilisés comme ambulances et pour marquer l'emplacement des postes de secours exclusivement réservés aux soins gratuits à donner à des blessés ou à des malades" (al. 4).
Selon l'
art. 53 al. 1 CG I
, "l'emploi par des particuliers, sociétés ou maisons de commerce tant publiques que privées, autres que ceux y ayant droit en vertu de la présente Convention, de l'emblème ou de la dénomination de 'croix rouge' ou de 'croix de Genève', de même que tout signe ou de toute dénomination en constituant une imitation, sera interdit en tout temps, quel que soit le but de cet emploi et quelle qu'ait pu en être la date antérieure d'adoption".
3.3
Il ressort des réglementations qui viennent d'être évoquées qu'il faut distinguer deux emplois différents de l'emblème de la croix rouge sur fond blanc (cf.
ATF 134 III 406
consid. 5.2 p. 412). Certains commentateurs laissent entendre qu'il aurait été plus approprié de créer, à l'origine, deux symboles différents, l'emblème visant deux objets qui divergent de façon profonde (PICTET, Le signe de la croix rouge, op. cit., p. 40).
BGE 140 III 251 S. 257
Dans le premier cas de figure (qui est à l'origine de l'emblème de la croix rouge et de l'institution du même nom), le signe est la manifestation visible de la protection accordée par la Convention de Genève à des personnes ou à des choses (
art. 44 al. 1 CG I
, art. 1, 2 et 3 de la loi sur la Croix-Rouge). Il a une valeur de protection (cf. FF 1953 III 110, 113; sur le "signe de protection": PICTET, Le signe de la croix rouge, op. cit., p. 35 ss).
La tâche originaire des Sociétés de la Croix-Rouge, alors auxiliaires du service de santé militaire dans de nombreux pays, s'est rapidement doublée d'une autre préoccupation, soit la mise en oeuvre d'actions secourables en temps de paix au profit de la population (cf. JEAN S. PICTET, Les principes de la Croix-Rouge, 1955, p. 116 s.; RICHARD PERRUCHOUD, Les résolutions des conférences internationales de la Croix-Rouge, 1979, p. 34 s.). L'emblème n'a alors été utilisé que pour indiquer qu'une personne ou une chose a un lien avec l'institution de la Croix-Rouge, mais sans qu'on puisse ni qu'on entende la placer sous la protection des Conventions de Genève (
art. 44 al. 2 CG I
, art. 4 de la loi sur la Croix-Rouge). Le signe est alors purement indicatif (cf. FF 1953 III 110, 113 s.; PICTET, Le signe de la croix rouge, op. cit., p. 40 ss). Dans ce cas, l'emblème est désigné comme le drapeau des Sociétés nationales de la Croix-Rouge pour l'ensemble de leurs activités (PICTET, Le signe de la croix rouge, op. cit., p. 40) ou comme un signe qui appartient à la Société nationale concernée (DES GOUTTES, op. cit., p. 181). Les abus consistent à utiliser cet emblème - parfois de façon éhontée (pour écouler du matériel pseudo-sanitaire), parfois pour une activité louable (médecins et pharmaciens) - dans un but spéculatif de publicité, pour profiter du prestige de l'institution de la Croix-Rouge (DES GOUTTES, op. cit., p. 199 et 201; PICTET, Le signe de la croix rouge, op. cit., p. 59 s.).
4.
4.1
Dans un premier grief, la recourante soutient que la loi sur la Croix-Rouge ne prévoit pas que l'intimée puisse agir civilement; elle estime qu'il s'agit d'un silence qualifié qui n'a, à tort, pas été observé par l'autorité cantonale.
4.2
On parle de silence qualifié (par opposition à la lacune) lorsque le législateur a bien identifié un problème déterminé, mais qu'il a délibérément renoncé à le réglementer dans la loi concernée (pour la définition du silence qualifié:
ATF 132 III 470
consid. 5.1 p. 478; ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, 3
e
éd. 2010, p. 201). La validité de l'argument suppose la preuve de l'intention (négative) du
BGE 140 III 251 S. 258
législateur, qui pourra généralement être apportée par les travaux préparatoires (PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2
e
éd. 2009, n. 368 p. 126 s. et les auteurs cités).
4.3
D'emblée, il faut observer qu'en l'espèce aucun indice dans les travaux préparatoires relatifs à la loi sur la Croix-Rouge ne permet de penser que le législateur, bien que s'étant posé la question de l'opportunité de prévoir des mesures sur le plan civil en lien avec l'utilisation de la croix rouge, aurait finalement décidé d'écarter cette voie judiciaire.
S'agissant en particulier du domaine des marques, on observe plutôt que si le législateur a repris dans la loi sur la Croix-Rouge (art. 7) la teneur de l'art. 14 al. 1 ch. 2 de l'ancienne loi fédérale du 26 septembre 1890 concernant la protection des marques de fabrique et de commerce (LMF; RS 2 837, aujourd'hui remplacée par la loi fédérale du 28 août 1992 sur la protection des marques et des indications de provenance [LPM; RS 232.11]) - qui vise l'interdiction de déposer une marque contraire aux dispositions de la législation fédérale -, ce n'est pas pour exclure toute application de la LMF, mais pour renseigner immédiatement le lecteur de la loi sur la Croix-Rouge quant à cette interdiction (FF 1953 III 110, 118). Le législateur entendait ainsi simplement éviter, sur ce point précis, de renvoyer le lecteur à une autre loi fédérale (la LMF) qui continuait d'être applicable malgré l'adoption de la loi sur la Croix-Rouge.
4.4
Toujours pour tenter de démontrer l'existence d'un silence qualifié, la recourante rappelle également le contenu du Règlement de la Croix-Rouge. Elle relève que le chiffre III de ce document charge le Comité central de la Croix-Rouge suisse de la mission de contrôler le respect de l'usage de l'emblème et du nom de la Croix-Rouge et qu'il prévoit, le cas échéant et en cas d'abus, la possibilité pour ce comité de déposer plainte. Elle en infère que cette réglementation ne laisse aucune place à d'autres actions et à la compétence d'un autre organe pour agir en justice en relation avec l'usage abusif de la croix rouge.
L'argumentation ne peut être suivie. Le Règlement en question vise l'emploi de l'emblème et du nom de la Croix-Rouge dans le cadre de l'organisation de la Croix-Rouge (FF 1953 III 110, 116). Dans le cas d'espèce, il ne s'agit pas d'une question liée à l'usage à l'intérieur de l'organisation, mais de l'utilisation par une tierce personne (la recourante) d'un signe qui pourrait, de l'avis de l'intimée, être confondu avec la croix rouge (sur cette question cf. infra consid. 5.3.3).
BGE 140 III 251 S. 259
L'argument avancé par la recourante ne permet pas de conclure que la loi sur la Croix-Rouge exclurait toute autre action que celle qui est dévolue, dans le Règlement, au Comité central.
A noter encore qu'il n'est pas contesté que la Croix-Rouge suisse, en tant qu'association au sens de l'
art. 60 CC
, possède la personnalité juridique et qu'elle a la capacité d'ester en justice.
Le moyen tiré de la violation de la loi sur la Croix-Rouge est infondé.
5.
La loi sur la Croix-Rouge n'empêchant pas l'intimée d'intervenir judiciairement contre l'utilisation abusive de son emblème sur la base d'autres lois fédérales protégeant les signes distinctifs, il s'agit maintenant de déterminer si elle est légitimée à agir in casu en se prévalant de l'
art. 52 LPM
.
5.1
L'action en constatation de droit peut être intentée par toute personne qui établit qu'elle a un intérêt juridique à une telle constatation (
art. 52 LPM
).
Cette action, qui a pour objet de résoudre de manière définitive une situation juridique contestée (
ATF 120 II 20
spéc. p. 21 s.), ne peut être exercée que si le demandeur établit un intérêt digne de protection à la constatation immédiate. Un tel intérêt existe lorsqu'une incertitude plane sur les relations juridiques des parties, qu'une constatation judiciaire touchant l'existence et l'objet du rapport de droit pourrait l'éliminer et que la persistance de celle-ci entrave le demandeur dans sa liberté de décision au point d'en devenir insupportable pour lui (arrêt 4A_589/2011 du 5 avril 2012 consid. 4.1, non publié in
ATF 138 III 304
; KILLIAS/DE SELLIERS, in Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, n° 56 ad
art. 52 LPM
et les arrêts cités).
La notion d'intérêt juridique doit être comprise dans une acception large. Malgré la terminologie employée à l'
art. 52 LPM
, il n'est pas exclu de prendre en considération un intérêt de fait (
ATF 61 II 377
consid. 4, cité par KILLIAS/DE SELLIERS, op. cit., n° 58 ad
art. 52 LPM
).
L'action en nullité de la marque est un cas particulier d'action en constatation, qui entraîne la radiation totale ou partielle de l'enregistrement (cf.
art. 35 let
. c LPM).
5.2
En raison de la double signification de l'emblème de la croix rouge, la question de savoir qui en est le "véritable" propriétaire est délicate. Il serait toutefois erroné d'entreprendre l'examen sous cet angle général. Cela reviendrait à ignorer la particularité de cet
BGE 140 III 251 S. 260
emblème qui vise deux objets qui divergent de façon profonde et qu'il convient de différencier (cf. supra consid. 3.3).
En l'espèce, lorsque l'intimée reproche à la recourante d'utiliser un signe qui établit un lien avec l'institution de la Croix-Rouge, elle fait référence à l'abus de la croix rouge considérée comme un signe indicatif (cf. supra consid. 3.3). Dans cette perspective, force est de constater que la Croix-Rouge suisse, en tant que société nationale, peut utiliser le signe de façon exclusive (cf.
art. 44 al. 2 CG I
et art. 4 de la loi sur la Croix-Rouge) et qu'elle est seule légitimée à en autoriser l'usage par un tiers, moyennant le respect de règles strictes (
art. 44 al. 4 CG I
). Les commentateurs de la CG I affirment d'ailleurs que l'emblème doit être considéré comme le drapeau des Sociétés nationales, celui-là appartenant à celles-ci (cf. supra consid. 3.3).
Cela étant, l'intimée dispose d'un intérêt digne de protection évident à intenter une action en nullité de la marque contre la recourante. Certes, à l'instar de la recourante, on peut observer qu'elle ne peut disposer librement de son emblème, celui-ci étant réglementé par la loi sur Croix-Rouge. En d'autres termes, l'intimée ne peut exercer, en lien avec l'emblème, les mêmes droits que ceux conférés par une marque, notamment celui de céder le signe à un tiers. L'action en constatation prévue à l'
art. 52 LPM
ne sous-entend toutefois pas l'existence d'un signe comprenant un faisceau de droits aussi étendu. Affirmer le contraire reviendrait à méconnaître la logique de cette disposition ancrée dans la LPM qui octroie, par exemple, aux personnes qui sont en droit d'utiliser une indication de provenance la qualité pour agir en nullité de la marque d'un tiers qui transgresserait les
art. 47 ss LPM
(cf. IVAN CHERPILLOD, Le droit suisse des marques, 2007, p. 215 s.). Or, il est de jurisprudence que l'indication de provenance, si elle est directe, appartient au domaine public et que les personnes légitimées à l'utiliser ne peuvent pas non plus, contrairement à une marque, en disposer librement (cf.
ATF 128 III 454
consid. 2.1 p. 458).
Le grief tiré de la violation de l'
art. 52 LPM
doit être déclaré mal fondé.
5.3
Il s'agit désormais d'examiner si la marque de la recourante est valable à la lumière de l'art. 7 al. 2 de la loi sur la Croix-Rouge, qui reflète le contenu de l'
art. 2 let
. d LPM, en lien avec les art. 1 et 4 de cette même loi.
5.3.1
Il est de jurisprudence que toute utilisation non autorisée de l'emblème de la croix rouge ou de tout autre signe pouvant prêter à
BGE 140 III 251 S. 261
confusion est exclue, quels que soient les circonstances et le but de l'utilisation (cf.
ATF 134 III 406
consid. 5.2 p. 411).
La loi sur la Croix-Rouge interdit ainsi en particulier l'utilisation de l'emblème de la croix rouge comme élément d'une marque, sans égard à sa signification en lien avec les autres éléments de la marque ou aux produits et/ou services auxquels la marque est destinée. Peu importe en particulier que l'utilisation concrète de la marque conduise ou non à un risque de confusion, par exemple que les produits et/ou services marqués puissent être pris pour des produits et/ou services protégés par les Conventions de Genève ou qu'ils puissent être mis en relation avec le Mouvement de la Croix-Rouge (
ATF 134 III 406
consid. 5.2 p. 411 s.).
Il s'agit uniquement d'examiner si l'emblème protégé - de manière absolue - par la loi sur la Croix-Rouge (ou tout autre signe susceptible d'être confondu avec lui) est perçu comme un élément du signe déposé. L'élément en question doit ainsi être considéré pour lui-même, sans égard aux autres éléments - par exemple figuratifs ou verbaux - du signe déposé, de sorte que l'impression d'ensemble qui se dégage de ce signe n'entre pas en ligne de compte. Est sans importance le but dans lequel le signe déposé est utilisé, en particulier les produits et/ou services pour lesquels la protection est revendiquée. Il n'importe également que le signe soit utilisé comme "signe de protection" ou comme "signe indicatif" (
ATF 134 III 406
consid. 5.2 p. 412).
C'est de manière intentionnelle que la loi sur la Croix-Rouge ne donne pas de définition précise ni de la forme des emblèmes protégés, ni de leur nuance de rouge, ni de leur fond blanc. Selon la jurisprudence, la loi sur la Croix-Rouge interdit l'utilisation de toute croix rouge de forme et de nuance quelconques sur un fond blanc quelconque (
ATF 134 III 406
consid. 3 p. 409 s. et 5.2 p. 412).
5.3.2
La recourante reproche à la Cour cantonale de s'être contentée d'un risque de confusion abstrait entre sa marque et l'emblème de la croix rouge, soutenant que l'intimée n'a avancé aucune circonstance qui permette de retenir que celle-ci aurait été concrètement entravée ou qu'elle serait menacée de l'être par l'existence de sa marque. En ce sens, elle ajoute que la Cour cantonale aurait dû tenir compte de l'absence de toute confusion concrète en 13 ans (soit depuis la date d'enregistrement de la marque).
A la lumière de la jurisprudence évoquée ci-dessus, il faut d'emblée observer que la critique de la recourante, présentée sous l'angle de l'utilisation concrète de la marque, tombe à faux.
BGE 140 III 251 S. 262
Quant au rapport de concurrence qui, selon la recourante, devrait exister entre les parties, cette critique se révèle, pour les mêmes raisons, sans consistance.
C'est également en vain que la recourante sous-entend que, sa marque ayant été inscrite au registre suisse tenu par l'IPI, il est exclu de considérer qu'il existerait un risque de confusion entre cette marque et l'emblème de la Croix-Rouge. La décision de l'IPI ne lie en effet pas le juge civil qui peut (et doit) statuer, sur la base des conclusions prises, sur la validité de la marque litigieuse (
ATF 128 III 447
consid. 1.4 p. 450; arrêt 4A_36/2012 du 26 juin 2012 consid. 2.3, in sic! 10/2012 p. 627; EUGEN MARBACH, Markenrecht, SIWR vol. III/1, 2
e
éd. 2009, n. 196 p. 60).
5.3.3
La recourante, qui n'exclut pas que le public puisse faire une association d'idées avec l'institution de la Croix-Rouge, reproche à la Cour cantonale de s'être contentée d'une hypothétique possibilité d'attribution à cet organisme alors qu'elle aurait dû examiner une probabilité de confusion entre l'élément figuratif litigieux de la marque et la Croix-Rouge.
La recourante tente ici de mettre en évidence un extrait, certes un peu imprécis, de la motivation cantonale pour en tirer une conclusion allant dans le sens de sa thèse. On ne saurait la suivre dans sa démarche. Il résulte en effet de l'ensemble du raisonnement de l'autorité précédente qu'elle s'est bien fondée sur le critère juridique adéquat. La Cour cantonale souligne que "l'impression générale laissée par cet élément figuratif (...) crée une confusion claire avec l'emblème protégé", ce qui montre qu'elle a retenu un risque de confusion patent, cette impression, souligne-t-elle, étant "du reste renforcée par la disposition de l'élément figuratif, sa couleur et le domaine médical dans lequel la [recourante] est active".
Contrairement à ce que laisse entendre la recourante, il ne s'agit d'ailleurs pas de savoir s'il existe un risque de confusion entre le signe litigieux (la "croix démembrée" dont l'une des branches est séparée du reste) et l'institution de la Croix-Rouge, mais bien entre le signe litigieux et une croix rouge sur fond blanc (en tant que motif) (cf. supra consid. 5.3.1).
A cet égard, il n'est pas contesté que le léger écart entre la branche droite de l'élément figuratif litigieux et le reste de cet élément (parties gauche et centrale) est la seule différence existant entre ce signe et la croix rouge. En raison de la proximité de l'élément en forme de
BGE 140 III 251 S. 263
carré rouge (branche droite) avec l'autre élément, ce léger écart ne suffit pas à reléguer au second plan l'image d'une croix rouge sur fond blanc. Le signe, bien que stylisé, apparaît toujours comme une croix rouge.
Un autre élément, pris en compte par la Cour cantonale, corrobore cette conclusion. Si l'emblème de la croix rouge est protégé indépendamment du contexte dans lequel il est utilisé, le fait qu'en l'espèce la marque enregistrée soit destinée à des soins médicaux et services d'une permanence médico-chirurgicale ne fait que renforcer le risque que son élément litigieux soit perçu comme l'emblème de la croix rouge.
L'existence d'un risque de confusion doit être retenu et le moyen tiré de la transgression de l'
art. 2 let
. d LPM est, déjà pour ce motif, infondé.
On peut au demeurant relever que si la recourante nie l'existence d'un risque de confusion avec la croix rouge, elle ne conteste pas que le public peut faire une "association d'idées" avec l'institution de la Croix-Rouge. Elle concède ainsi avoir choisi une marque qui permet au public de faire un rapprochement entre le signe litigieux et la Croix-Rouge; on ne voit pas pour quelle raison, sauf à vouloir profiter de la réputation de cet organisme, intrinsèquement liée à celle de son emblème (cf. supra consid. 3.3), la recourante ne pouvait pas remplacer sa propre marque par un signe nettement différent (sur la détermination de l'intention de l'usager de l'emblème de la croix rouge cf. PICTET, Le signe de la croix rouge, op. cit., p. 59). L'emblème de la Croix-Rouge bénéficiant d'une reconnaissance très large dans le public et jouissant d'un crédit important, on peut se demander, en partant de l'observation qui vient d'être faite, si l'intimée, pour faire constater la nullité de la marque litigieuse et faire cesser son utilisation, ne pourrait pas également invoquer une protection de même niveau que celle résultant de l'
art. 15 LPM
(marque de haute renommée). On peut toutefois renoncer à entreprendre une analyse approfondie sous cet angle, la question de la nullité de la marque étant tranchée et l'utilisation du signe litigieux par la recourante devant quoi qu'il en soit être interdite sur la base des art. 28 s. CC (cf. consid. 6 non publié). | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
5055d15c-8a1a-4a91-9332-4fad234e4279 | Urteilskopf
80 II 260
43. Sentenza della la Corte civile del 28 settembre 1954 nella causa Comune di Bellinzona contro Bianchi. | Regeste
Schenkung oder Geschäft mit gegenseitigen Leistungen? (Erw. 2 Abs. 2); Schenkung mit Auflage oder bedingte Schenkung? (Erw. 1 und 2 Abs. 1).
Schenkung mit Auflage (OR Art. 245 ff.). Vollzieht der Beschenkte die Auflage nicht, so kann der Schenker, der nicht den Widerruf der Schenkung geltendmacht, nur Anspruch auf Ersatz desjenigen Schadens erheben, der ihm aus der Nichtvollziehung der Auflage erwachsen ist (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 260
BGE 80 II 260 S. 260
A.-
Pietro Bianchi, di professione scultore, modellava nella primavera del 1948 una statua raffigurante una giocatrice di pallacanestro. Il 19 agosto 1948, scriveva alla Municipalità di Bellinzona che era sua intenzione "farne dono alla Città di Bellinzona", affinchè venisse posta "sulla colonna sita davanti allo Stadio comunale". Con lettera 3 settembre 1948 la Municipalità di Bellinzona, fatto riferimento all'avvenuta visita della Commissione edilizia per esaminare la statua offerta dallo scultore al Comune "per essere posata all'entrata del nuovo stadio comunale", gli comunicava che accettava il dono. Le autorità comunali ponevano dapprima la statua all'ingresso dell'esposizione cantonale d'agricoltura, poi la lasciavano in deposito nel cortile dell'ufficio tecnico. Con lettera 27 aprile 1950 l'attore ricordava alla Municipalità di Bellinzona l'obbligo assunto di esporre la statua all'entrata dello stadio comunale. In seguito ad ulteriori diffide, il Municipio di Bellinzona gli comunicava di aver deliberato di conservare
BGE 80 II 260 S. 261
dinanzi allo stadio la situazione immutata; intendeva, per converso, sistemare la statua presso il campo da gioco per la pallacanestro, nel cortile delle scuole nord. L'attore non aderiva a questa soluzione perchè contraria all'obbligazione assunta dal Comune di Bellinzona e lesiva del suo onore e della sua dignità professionale.
Nel frattempo la statua, rimasta nei magazini comunali, si danneggiava - a quanto pare - in seguito all'urto d'un pesante portone, in modo da non poter più essere riparata ed esposta all'aperto.
B.-
Con petizione 31 ottobre 1950 l'attore conveniva il Comune di Bellinzona avanti il Pretore di Bellinzona, chiedendo che fosse condannato a esporre la statua da lui offerta sulla colonna all'entrata del nuovo stadio comunale entro il termine di quindici giorni. Nell'allegato di replica modificava le sue conclusioni: la sola, che qui ancora interessi, è quella volta ad ottenere la condanna del convenuto a pagare all'attore la somma di 15 000 fr. a titolo di risarcimento dei danni morali e materiali.
Il convenuto concludeva per la reiezione del gravame. Con sentenza 9 settembre 1953 il Pretore condannava il convenuto a versare all'attore 5000 fr., di cui 4000 fr. a titolo di danno emergente e 1000 fr. a titolo di lucro cessante. La pretesa di un'indennità per torto morale era respinta.
C.-
Ambo le parti si aggravavano alla Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino che, con sentenza 8 febbraio 1954, confermava il giudizio pretoriale per i seguenti motivi: Il negozio giuridico concluso dalle parti è una vera e propria "donazione condizionata". La condizione a carico del Comune era costituita dall'obbligo di esporre la statua all'ingresso dello stadio comunale. Trattandosi d'una donazione manuale, il donante avrebbe potuto revocare la donazione e farsi restituire la cosa donata, avendo il donatario lasciato inadempiuto l'onere della donazione (art. 249 cp. 3 CO). Data la sopravvenuta impossibilità di restituire la cosa, il Comune - il quale
BGE 80 II 260 S. 262
non ha nemmeno tentato di provare che nè i propri organi nè il proprio personale ausiliario non avevano avuto colpa alcuna nel danneggiamento della statua - deve risarcire allo scultore il valore commerciale della stessa, stimato dal perito giudiziale arch. Tami a 4000 fr. Il convenuto deve inoltre risarcire all'attore il lucro cessante per la mancata posa della statua davanti allo stadio comunale, rettamente valutato dal Pretore in 1000 fr., il che appare tanto più equo, in quanto nel comportamento del Comune non si ravvisa solamente un inadempimento contrattuale (art. 246 cp. 1 e 97 CO combinati), bensì pure un vero e proprio atto illecito a'sensi dell'
art. 41 sgg
. CO.
D.-
Il Comune di Bellinzona ha interposto tempestivamente ricorso per riforma contro la sentenza della seconda giurisdizione cantonale, chiedendone l'annullamento e la reiezione d'ogni pretesa dell'attore.
Pietro Bianchi ha proposto la reiezione del ricorso e la conferma della sentenza querelata.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Il giudice di prime cure ha lasciato aperta la questione se il negozio intercorso tra le parti costituisca una donazione modale o una donazione condizionale. La seconda giurisdizione cantonale si è pronunciata per una donazione condizionale ma, nella determinazione del danno per inadempienza, si è rifatta al concetto di onere e, di conseguenza, ha ritenuto applicabile l'art. 249 cifra 3 CO. Occorre quindi anzitutto chiarire i concetti di donazione condizionale e di donazione modale, la diversità dei loro effetti giuridici essendo stata misconosciuta da ambedue le giurisdizioni cantonali.
Nella donazione condizionale l'obbligazione è fatta dipendere dal verificarsi della condizione (art. 151 cp. 1 CO). Ne segue che nel caso in cui non si avesse a verificare la condizione, il donatario dovrebbe restituire quanto ha ricevuto. Qualora la restituzione sia divenuta impossibile
BGE 80 II 260 S. 263
a seguito del perimento o danneggiamento della cosa donata, sono applicabili i principî di cui all'
art. 97 sgg
. CO, e il donatario ne ha quindi a rispondere. L'obbligo della restituzione potrebbe considerarsi estinto soltanto se ne fosse divenuto impossibile l'adempimento per circostanze non imputabili al debitore (art. 119 cp. 1 CO).
Diversamente avviene nella donazione modale: il donante può pretendere, in massima, l'adempimento dell'onere accettato dal donatario (art. 246 cp. 1 CO). La revoca della donazione è possibile soltanto quando il donatario abbia "senza legittimo motivo" lasciato inadempiuto l'onere (art. 249 cifra 3 CO). Se l'adempimento d'un onere diventa impossibile, il donatario risponde dell'impossibilità dell'adempimento secondo le regole generali; si tratta però allora soltanto dell'inadempimento dell'onere, e non dell'impossibilità di adempire il contratto di donazione come tale. Ne segue che nelle due ipotesi prospettate le conseguenze giuridiche non sono identiche: revoca della donazione e restituzione della cosa donata (con eventuale responsabilità per il caso in cui la cosa non potesse venire restituita) nella prima, risarcimento per inadempimento dell'onere nella seconda ipotesi.
2.
Nella fattispecie nè la formazione, nè il contenuto del contratto stipulato dalle parti consentono la qualifica di negozio condizionale. Già lo stesso tenore della lettera 19 agosto 1948 dell'attore e della lettera 3 settembre 1948 del convenuto, ambedue essenziali per la conclusione del contratto, esclude la condizionalità del negozio. Rilevante a quest'uopo è inoltre che l'attore ha intrapreso l'opera soltanto dopo essersi consigliato col capo dell'ufficio tecnico comunale; che questi lo ha aiutato nel procacciarsi il materiale; che la donazione è stata accettata dopo un sopralluogo della commissione edilizia. Se si pon mente a tutto ciò, l'asserta condizionalità del negozio dovrebbe trovar inequivoco riscontro nelle dichiarazioni di volontà delle parti, ciò che non è in concreto. Ambedue le parti si son vincolate senza far dipendere la loro obbligazione dal
BGE 80 II 260 S. 264
verificarsi d'un avvenimento incerto. Conferma ne è il fatto che in giudizio l'attore ha preteso l'adempimento dell'onere e il donatario convenuto gli ha eccepito solamente l'intervenuta impossibilità di adempirlo, vale a dire di esporre all'aperto la statua danneggiatasi nel frattempo. Nessuna delle parti ha mai ritenuto che vi fosse un vincolo condizionale e mai l'attore ha preteso la revoca della donazione.
Potrebbe tutt'al più porsi la questione se si tratti veramente d'un negozio a titolo gratuito, ossia se le parti avessero realmente inteso che la dazione della statua dovesse avvenire senza prestazione corrispondente (art. 239 cp. 1 CO). Se tale non fosse stata la loro intenzione, mancherebbe l'elemento essenziale della donazione e si sarebbe di fronte ad un negozio a prestazioni corrispettive. Ma non v'è dubbio alcuno che è stata stipulata una vera e propria donazione modale. Come già ha rilevato il prof. Merz dell'Università di Berna nel suo parere giuridico, in atti, l'elemento essenziale della donazione modale è l'accessorietà della prestazione minore (onere) e della sua funzione rispetto alla prestazione maggiore. Quest'elemento è dato in concreto, in quanto le giurisdizioni cantonali hanno stimato il valore commerciale della statua a 4000 fr. e il corrispettivo della pubblicità che l'attore poteva ripromettersi dall'esposizione della statua all'ingresso dello stadio comunale a 1000 fr. L'accessorietà dell'onere è quindi manifesta. Da un punto di vista soggettivo è possibile che l'attore si ripromettesse il conseguimento di una vera e propria prestazione corrispettiva. Ma prescindendo dalla considerazione che non si giustifica di restringere eccessivamente il campo d'applicazione della donazione modale, chè altrimenti non avrebbe più ragion d'essere la disciplina legislativa di tale istituto, il convenuto, stante la veste del negozio, segnatamente i termini usati dalle parti, poteva in buonafede ritenere - in virtù della teoria dell'affidamento - come donazione modale il negozio stipulato con l'attore (RU 64 II 11).
BGE 80 II 260 S. 265
3.
In questo connesso occorre ancora rilevare l'opinione della seconda giurisdizione cantonale, secondo cui non si tratterebbe soltanto d'un inadempimento dell'onere, ma anche d'un atto illecito. Questo è ravvisato in primo luogo nell'atteggiamento di sfregio nei confronti dell'artista, confermato con il tentativo di svalutarne l'opera attraverso una "perizia di natura artistica". Se non che è assurdo voler negare al convenuto il diritto di dubitare del valore artistico della statua e di chiederne il parere a persona competente. In secondo luogo, l'atto illecito dovrebbe consistere nel danneggiamento della statua; anche questa conclusione è senza dubbio inammissibile, già perchè l'autorità cantonale stessa ha dichiarato che le ragioni per cui la statua non è stata esposta nel luogo prestabilito sono rimaste ignote, così come sono rimaste sconosciute le cause precise e persino l'epoca del danneggiamento.
4.
Fermo stando il carattere di donazione modale del negozio litigioso e ritenuto che l'onere di porre la statua sulla colonna all'ingresso dello stadio comunale non è stato adempiuto, il donatario deve rispondere del danno che ne è risultato al donante. Giusta gli accertamenti vincolanti delle giurisdizioni cantonali, il convenuto non ha nemmeno tentato di provare che l'adempimento era divenuto impossibile per circostanze che non gli sono imputabili (art. 119 cp. 1 CO). Del resto, tale prova liberatoria non avrebbe potuto essere raggiunta: la statua è stata custodita con negligenza e la colpa grave del convenuto si può già evincere dal fatto che verosimilmente non era neanche protetta dallo sbattere d'un portone. È nemmeno il convenuto ha tentato di dimostrare che non doveva rispondere per le omissioni dei propri organi e del proprio personale.
Per quanto concerne le singole pretese di risarcimento, l'attore avendo rinunciato a impugnare la sentenza cantonale che ha respinto quella per torto morale, rimangono da esaminare soltanto quelle concernenti il danno economicamente
BGE 80 II 260 S. 266
valutabile, accolte dalle giurisdizioni cantonali sotto il duplice aspetto di danno emergente e di lucro cessante.
Partendo dalla premessa che l'attore avrebbe avuto il diritto di revocare la donazione a'sensi dell'art. 249 cifra 3 CO per inadempimento dell'onere inerente alla donazione e considerando che, in tal caso, il patrimonio dell'attore sarebbe stato reintegrato almeno del valore commerciale della statua di 4000 fr., la seconda giurisdizione cantonale gli ha attribuito anzitutto tale somma a titolo di danno emergente. All'autorità cantonale è però sfuggito che l'attore aveva fatto dono della statua al Comune, dimodochè al momento del suo danneggiamento questa non si trovava più nel patrimonio dell'artista. Occorrerebbe quindi un titolo giuridico speciale per fondare l'obbligo del convenuto di risarcirne il valore commerciale. Inoltre l'autorità cantonale ha disatteso che, fintantochè ignorava il danneggiamento della statua, l'attore ha preteso giudizialmente l'adempimento dell'onere e non già la revoca della donazione. Di conseguenza, non può avanzare pretese che potrebbero trarre origine soltanto dalla revoca della donazione, che non è stata chiesta. È dunque a torto che la seconda giurisdizione ha ammesso un obbligo del convenuto di restituire la cosa donata e, data l'impossibilità della restituzione, proceduto alla determinazione del danno nel valore commerciale della statua. A questo riguardo, la condanna del convenuto al risarcimento viola il diritto federale, un siffatto obbligo non esistendo pel convenuto.
Il convenuto è stato condannato a risarcire all'attore, oltre che il danno emergente, quello derivatogli dall'inadempimento dell'onere posto a suo carico con la donazione, designato dalla seconda giurisdizione cantonale quale "lucro cessante" e valutato in 1000 fr. Questo è l'unico pregiudizio di cui debba rispondere il convenuto. La mancata esposizione della statua all'ingresso dello stadio ha indubbiamente leso l'artista, che vive nel riconoscimento
BGE 80 II 260 S. 267
della propria opera da parte del pubblico. Per il nocumento che gli è risultato dalla mancata pubblicità, egli ha diritto ad essere risarcito. Nella valutazione di questo danno, difficilmente accertabile, l'autorità cantonale ha tenuto conto in modo equo di tutte le circostanze (art. 99 cp. 3 e 42 cp. 2 CO), vale a dire dell'ordinario andamento delle cose, dell'avvenuta temporanea esposizione della statua alla mostra cantonale d'agricoltura e soprattutto del fatto che l'attore è un artista già noto, d'una certa età, con dietro di sè bella carriera e considerata clientela. A tale proposito il diritto federale è stato rettamente applicato, sicchè non vi è ragione per modificare la valutazione discrezionale compiuta dalla secondau girisdizione cantonale.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è parzialmente accolto nel senso che, in riforma alla querelata sentenza 8 febbraio 1954 della Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino, il Comune di Bellinzona è condannato a pagare a Pietro Bianchi la somma di 1000 fr. a titolo di risarcimento danni. | public_law | nan | it | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
50582703-fc16-43fa-abe4-cf3866ee404c | Urteilskopf
111 II 429
85. Estratto della sentenza 19 dicembre 1985 della II Corte civile nelle cause Agrar- und Industriebeteiligungen AG (ricorrente) contro Officine Idroelettriche della Maggia (OFIMA) S.A. (ricorrenti), Massa in liquidazione concordataria arch. Traugott Roth, Stato del Cantone Ticino e Comune di Brissago (ricorsi per riforma) | Regeste
Verantwortlichkeit des Grundeigentümers (
Art. 679 ZGB
und 58 OR).
1. Einrede der höheren Gewalt: Begriff und Anforderungen (Erw. 1b).
2. Einrede der Verjährung: Steht die einjährige Frist des
Art. 60 Abs. 1 OR
während der Ausarbeitung eines gerichtlichen Gutachtens still? Frage offen gelassen, da die bei strafbaren Handlungen geltende längere Frist (
Art. 60 Abs. 2 OR
) auch auf eine juristische Person anwendbar ist, die den von ihren Organen verursachten Schaden zu ersetzen hat (Weiterentwicklung der Rechtsprechung; Erw. 2).
3. Eine Kausalhaftung schliesst ein zusätzliches Verschulden des Haftpflichtigen nicht aus; je nach den Umständen kann dieses ein Selbstverschulden des Geschädigten aufwiegen oder unbeachtlich werden lassen (
Art. 44 Abs. 1 OR
; Erw. 3).
4. Welche Massnahmen sich im Rahmen von
Art. 679 ZGB
zum Schutz gegen künftige Schäden aufdrängen, hat der Richter zu bestimmen; der Richter hat die sich gegenüberstehenden Interessen frei zu würdigen und darauf zu achten, dass er in seinem Entscheid kein Missverhältnis schafft zwischen dem dem klagenden Grundeigentümer erwachsenden Nutzen und den dem haftpflichtigen Grundeigentümer erteilten Auflagen. Der Anspruch auf Errichtung von Schutzbauten auf dem Grundstück, von dem der Schaden ausgeht oder droht, ist unverjährbar; derjenige auf Errichtung einer solchen Baute auf dem Grundstück des Klägers ist schadenersatzrechtlicher Natur und verjährt nach den Vorschriften des
Art. 60 OR
(Erw. 15b). | Sachverhalt
ab Seite 430
BGE 111 II 429 S. 430
A.-
La ditta Agrar- und Industriebeteiligungen AG è proprietaria, a Brissago, di numerose particelle poste sopra e sotto la strada che da Ascona conduce verso l'Italia, lungo la costa del Lago Maggiore. L'intero complesso (oltre cinque ettari) è solcato da due torrenti che sfociano nel lago: il riale Riva Bianca, al centro, e il riale Boccia, al limite ovest. La notte dal 9 al 10 settembre 1965, in seguito a forti piogge, si formò nel riale Riva Bianca una piena alluvionale che precipitò a valle un'imponente massa di acqua, detriti e fango. Due abitazioni ("Casa Polenta", riattata nel 1962, e "Casa Darsena", ultimata nel 1964) andarono distrutte; i giardini circostanti gli stabili furono devastati. Fu parzialmente demolita anche l'autorimessa di una villa che invece, appena discosta, rimase indenne. Nel crollo di "Casa Polenta" trovò la morte una dipendente del dott. Thyll, azionista maggioritario della
BGE 111 II 429 S. 431
Agrar- und Industriebeteiligungen AG. L'autorità penale non aprì alcuna inchiesta.
B.-
Il 9 settembre 1966 la società danneggiata chiese al Pretore di Locarno-Campagna che lo Stato del Cantone Ticino, le Officine Idroelettriche della Maggia (OFIMA) S.A., il Comune di Brissago e l'arch. Traugott Roth fossero condannati a rifonderle solidalmente Fr. 702'782.-- con interessi al 5% dal 10 settembre 1965 (riservato un aumento della somma in esito alle risultanze peritali), ad attuare le necessarie opere di premunizione e - per quanto concerne le OFIMA - a rimuovere il materiale trasportato dal corso d'acqua; in via subordinata propose che le fosse risarcita la svalutazione del complesso immobiliare o, eventualmente, l'importo di Fr. 4'000'000.-- oltre interessi. Al Cantone la ditta rimproverò gravi negligenze nel rilascio dei permessi per il diboscamento dei fondi superiori, una vigilanza manchevole sui guasti provocati ai terreni dalle OFIMA, l'omissione di misure di sicurezza e la carente sorveglianza delle acque pubbliche; alle OFIMA l'improvvisa deviazione, a monte, del riale Boccia nel riale Riva Bianca, il dissodamento quasi completo della zona e la formazione di pericolose discariche; al Comune di Brissago i medesimi addebiti rivolti al Cantone; all'arch. Roth ampie distruzioni di bosco, lo scavo di una strada nella montagna e l'insediamento di cantieri in totale dispregio dell'arte edilizia. Il Cantone e le OFIMA sollevarono preliminarmente l'incompetenza del giudice civile a dirimere controversie di carattere amministrativo o espropriativo; nel merito tutti i convenuti si opposero all'azione declinando ogni responsabilità, evocando la forza maggiore e imputando all'attrice colpa propria. Il 7 luglio, 9 ottobre e 11 ottobre 1980 essi eccepirono anche la prescrizione del credito con l'argomento che tra il 17 ottobre 1977 e il 20 giugno 1980, periodo durante il quale l'ing. Gianfranco Sciarini di Vira Gambarogno stava redigendo una perizia giudiziaria, il termine di un anno era trascorso senza interruzioni. L'attrice avversò le tesi liberatorie dei convenuti e nel memoriale conclusivo elevò le pretese a Fr. 1'782'185.-- con interessi al 5% dal giorno della sentenza, più le opere di manutenzione e premunizione indicate dall'esperto.
C.-
Il Pretore statuì il 7 giugno 1983. Respinse la prospettata carenza di giurisdizione, la asserita forza maggiore, l'azione verso lo Stato e contro il Comune di Brissago. Ciò premesso, stabilì che le OFIMA e l'arch. Roth avevano alterato la configurazione del terreno
BGE 111 II 429 S. 432
ed eseguito manufatti contrari alle regole dell'arte, provocando seri rischi per i fondi sottostanti. La prescrizione di cui i due convenuti si valevano appariva un evidente abuso di diritto. Gli stessi dovevano rifondere, pertanto, il valore venale dei fabbricati distrutti (Fr. 439'500.--), quello dell'arredo e del mobilio (stimato Fr. 20'000.--), i danni ai giardini (Fr. 25'000.--) e il deprezzamento del suolo (Fr. 170'000.--). Quanto alla colpa propria dell'attrice, che aveva costruito esponendosi alla minaccia riconoscibile di inondazioni, essa si compensava con la colpa aggiuntiva degli obbligati, soggetti a responsabilità causale. Lo straordinario nubifragio abbattutosi la notte del disastro imponeva, nondimeno, una riduzione del pregiudizio complessivo (Fr. 654'500.--) nella misura di un terzo (Fr. 440'000.--). Non si giustificavano, infine, misure di premunizione, le stesse costituendo un tutto unico che gli interessati non potevano realizzare su fondi altrui; del resto l'ordinamento edilizio e pianificatorio entrato in vigore nel corso del processo ostava a una ricostruzione delle case "Polenta" e "Darsena".
D.-
La sentenza del Pretore fu impugnata alla II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino sia dalle OFIMA, il 24 giugno 1983, sia dalla ditta Agrar- und Industriebeteiligungen AG, il 27 giugno successivo. Le OFIMA chiesero che la petizione nei loro confronti fosse interamente respinta, che fosse negata qualsiasi responsabilità solidale a loro carico e che l'indennità per ripetibili fissata dal Pretore a Fr. 36'000.-- fosse portata a Fr. 200'000.--. L'attrice postulò una maggiorazione del danno, in via principale, a Fr. 1'782'185.-- con interessi al 5% dal giorno del giudizio (eventualmente Fr. 764'482.-- con interessi al 5% dal 10 settembre 1965) più le opere di premunizione e, in via subordinata, a Fr. 2'310'192.-- con interessi al 5% dal giorno del giudizio (eventualmente Fr. 1'369'482.-- con interessi al 5% dal 10 settembre 1965) prescindendo dalle opere citate. Gli appellanti si pronunciarono vicendevolmente per il rigetto dei gravami. Lo Stato del Cantone Ticino e il Comune di Brissago proposero, a loro turno, di respingere il ricorso dell'attrice in quanto ricevibile. L'arch. Roth, in liquidazione concordataria, non formulò alcuna risposta. Il 22 novembre 1984 la corte cantonale accolse parzialmente entrambi i rimedi. Da un lato determinò il pregiudizio subito dall'attrice in Fr. 566'600.-- con interessi al 5% dal 10 settembre 1965 limitando la riduzione del danno a un quinto del valore attribuito agli stabili (Fr. 87'900.--), ma per il titolo di colpa concorrente; dall'altro aumentò a Fr. 90'000.-- le
BGE 111 II 429 S. 433
ripetibili di primo grado spettanti alle OFIMA.
E.-
Insorte il 18 gennaio 1985 al Tribunale federale con un ricorso per riforma, le OFIMA chiedono il rigetto completo della petizione, l'addebito integrale delle spese all'attrice, nonché il rimborso di Fr. 160'000.-- per ripetibili di prima istanza, Fr. 20'000.-- per la seconda istanza e una somma da stabilire per la sede federale. Il 19 gennaio 1985 la ditta Agrar- und Industriebeteiligungen AG ha interposto a sua volta un ricorso per riforma (accanto a un ricorso di diritto pubblico) in cui conclude per la condanna solidale delle OFIMA, del Comune di Brissago e di Traugott Roth al versamento di Fr. 1'852'800.-- più interessi al 5%, oltre all'esecuzione delle opere indicate dal perito; in via subordinata postula la condanna dei tre litisconsorti al pagamento di Fr. 2'679'800.-- con interessi al 5% senza l'obbligo di attuare misure di premunizione; in ogni caso protesta spese e ripetibili di tutte le istanze. Le OFIMA propongono di respingere il gravame dell'attrice in quanto ricevibile. Lo Stato del Cantone Ticino chiede di respingere il medesimo nella misura in cui dovesse risultare ammissibile. Identica conclusione avanza il Comune di Brissago. Circa il rimedio delle OFIMA, la ditta Agrar- und Industriebeteiligungen AG ne postula la reiezione. Lo Stato del Cantone Ticino e il Comune di Brissago si rimettono al giudizio del Tribunale federale. La Massa in liquidazione arch. Traugott Roth non ha presentato alcuna risposta. Con sentenza del 22 novembre 1985 il Tribunale federale ha respinto in quanto ammissibile il ricorso di diritto pubblico introdotto dalla ditta Agrar- und Industriebeteiligungen AG.
Erwägungen
Dai considerandi: I. SUL RICORSO PER RIFORMA DELLE OFIMA
1.
b) La forza maggiore, evento imprevedibile e straordinario che sopraggiunge con violenza cui non si può resistere, è stata riconosciuta poche volte dalla prassi (DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, II edizione, pag. 62 n. 57 segg. con rinvii). Per di più, essa configura una nozione relativa, che dev'essere valutata secondo le circostanze del caso tenendo calcolo anche dell'attività o dell'impresa esercitata dal responsabile (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, vol. I, IV edizione, pag. 119; KELLER/GABI, Das schweizerische Schuldrecht, vol. II, pag. 33). Nella fattispecie risulta che il nubifragio caduto la notte dal
BGE 111 II 429 S. 434
9 al 10 settembre 1965 è stato di eccezionale persistenza (probabilità di un anno su cento). Consta però - e il Pretore vi si è richiamato in modo esplicito - che la saturazione del terreno, intervenuta verso le 19 in seguito alle piogge dei giorni precedenti e mantenutasi fino alle ore 4 del 10 settembre, non costituisce un episodio d'eccezione e che, nonostante lo scorrimento totale dell'acqua sul suolo, il substrato cristallino avrebbe garantito al bacino imbrifero del riale Riva Bianca un'ottima stabilità generale. Certo, gli incendi divampati nella zona e - soprattutto - la forte pendenza media (58%) hanno favorito l'erosione, ma ciò non toglie che, secondo gli accertamenti della corte d'appello (
art. 63 cpv. 2 OG
) e del Pretore (che il Tribunale federale può considerare a titolo completivo,
art. 64 cpv. 2 OG
), le OFIMA hanno largamente cagionato il disastro formando un canale di derivazione e una discarica non conformi alle regole dell'arte. Ora, le OFIMA non possono prevalersi di un accadimento, quantunque straordinario, per sottrarsi a una responsabilità che esse medesime hanno contribuito a creare in modo preponderante. Un'altra questione è sapere se e in che misura si debba giudicare l'eccezionalità delle intemperie alla stregua di un caso fortuito concorrente, suscettibile di ridurre l'obbligo di rifusione. Questo problema sarà trattato in appresso. Circa la forza maggiore, giovi ancora aggiungere che i fatti rilevabili dalla sentenza impugnata non consentono di affermare un'interruzione della causalità adeguata tra i vizi dell'opera e il verificarsi del danno per il solo abbattersi del nubifragio. Intanto la discarica nel letto del torrente era idonea di per sé a produrre il danno (senza i depositi delle OFIMA non è sicuro che il disastro sarebbe avvenuto); in secondo luogo le piogge, benché persistenti oltre misura, non hanno assunto un'importanza tale da far apparire i difetti dell'opera ininfluenti ai fini del danno. Le OFIMA evocano le sentenze pubblicate in
DTF 49 II 254
e ZBJV 120/1984 pag. 290, ma in nessuno dei due casi si era riscontrato un difetto edilizio o una mancanza di manutenzione, né il proprietario dell'opera aveva minimamente concorso all'insorgere del sinistro. Per contro, proprio nell'evenienza di una responsabilità causale fondata sull'
art. 58 CO
, la qualifica di forza maggiore è stata disconosciuta a piogge torrenziali o a un temporale particolarmente violento in montagna (
DTF 91 II 474
,
DTF 100 II 141
). Non v'è motivo, in concreto, per adottare un diverso punto di vista.
BGE 111 II 429 S. 435
2.
La prescrizione del credito eccepita dalle OFIMA è stata respinta da entrambe le istanze cantonali. La convenuta ribadisce, nel ricorso per riforma, che quand'anche fosse "in obbligo di risarcire qualcosa", la pretesa dell'attrice sarebbe inesigibile, il periodo di un anno disposto dall'
art. 60 cpv. 1 CO
essendo trascorso senza interruzione alcuna.
a) La sentenza impugnata accerta che il processo ha subito una battuta di arresto dal 15 novembre 1977, data in cui l'attrice ha versato un anticipo per la perizia Sciarini destinata a stabilire il valore degli immobili distrutti e dei terreni, al 20 giugno 1980, data in cui il perito ha consegnato il referto. L'azione di risarcimento o di riparazione si prescrive in un anno decorribile dal giorno in cui il danneggiato ha conosciuto il danno e la persona responsabile, e in ogni caso nel termine di dieci anni dal giorno dell'atto che ha causato il danno (
art. 60 cpv. 1 CO
). La prescrizione si interrompe, tra l'altro, mediante atti di esecuzione, azione o eccezione aventi un giudice o un arbitro (
art. 135 n. 2 CO
), dopo di che comincia a decorrere nel corso della procedura una nuova prescrizione a ogni atto giudiziale delle parti e a ogni provvedimento o decisione del giudice (
art. 138 cpv. 1 CO
). Identico effetto ha la sollecitatoria indirizzata al giudice perché prosegua o dirima la lite (
DTF 106 II 35
; MERZ in: ZBJV 118/1982 pag. 138). L'attrice obietta di avere interrotto il periodo di inazione con una lettera alla Pretura del 23 febbraio 1979, seguita da un altro sollecito l'11 gennaio 1980, e che in entrambe le occasioni il Pretore ha invitato l'esperto a stringere i tempi. Se non che, pur rettificando d'ufficio (art. 63 cpv. 2 seconda frase OG) la constatazione dei giudici cantonali circa la stasi della causa, il termine di un anno risulta ugualmente scaduto il 15 novembre 1978 (art. 132 cpv. 2 in relazione con l'
art. 77 cpv. 1 n. 3 CO
).
b) Secondo la corte di appello la prescrizione annuale dell'
art. 60 cpv. 1 CO
è decisiva, trattandosi nella specie di una causa fondata sugli
art. 679 CC
, 41 e 58 CO (
DTF 107 II 140
). Il termine più lungo dell'
art. 60 cpv. 2 CO
era applicabile semmai agli organi delle OFIMA, che soli avrebbero potuto commettere illeciti penali. Costoro tuttavia sono estranei alla lite. Premesso che l'attrice si è rivolta al giudice per sollecitare il referto dell'ing. Sciarini quando il termine di un anno era ormai scaduto, la corte ha osservato nondimeno che, durante l'esecuzione di una perizia, le parti non hanno la possibilità di far avanzare la procedura fino al momento in cui l'esperto adempie il proprio mandato. Un'eventualità del genere dev'essere equiparata a una sospensione
BGE 111 II 429 S. 436
del processo ordinata dal giudice. La tesi dell'attrice, stando alla quale la prescrizione doveva ancora iniziare a decorrere per mancata conoscenza del danno nel suo esatto ammontare, è stata respinta dalla corte, che non ha condiviso neppure l'addebito di malafede formulato dal Pretore, le OFIMA non avendo agito in maniera abusiva o dilatoria con lo scopo di far intervenire la prescrizione né avendo mai lasciato credere di rinunciare a valersi di tale mezzo.
c) La giurisprudenza più recente ha avuto modo di precisare che con la duplice azione dell'
art. 679 CC
il proprietario leso può chiedere sia la cessazione della molestia sul fondo all'origine del pregiudizio, sia il ripristino dello stato anteriore sul proprio fondo; la prima azione è imprescrittibile, la seconda - intesa al risarcimento del danno - si prescrive in conformità all'
art. 60 CO
(
DTF 107 II 136
consid. 6), ma il termine annuale non comincia a decorrere finché l'evento dannoso è in atto (
DTF 109 II 418
). Questo perché le due azioni sono strettamente legate e la causa del danno sul fondo dell'uno è la conseguenza dell'immissione eccessiva proveniente dal fondo dell'altro, che può essere rimossa in via giudiziale senza limiti di tempo. Quando il danno è dovuto a un difetto di costruzione o a cattiva manutenzione di un'opera vicina, l'azione di risarcimento promossa secondo l'
art. 679 CC
concorre con quella dell'
art. 58 CO
(MEIER-HAYOZ in: Berner Kommentar, III edizione, nota 23 ad
art. 679 CC
; DESCHENAUX/TERCIER, pag. 131 n. 10 seg.; LIVER, Das Eigentum, in: Schweizerisches Privatrecht, vol. V/1, pag. 222 seg.;
DTF 91 II 485
consid. 2,
DTF 96 II 347
consid. 5a). Nel caso in esame una certa situazione di pericolo continua a incombere sul complesso immobiliare dell'attrice. Il perito Bonnard lo ha rilevato enumerando le misure di premunizione e la corte cantonale non lo nega, quantunque reputi che le OFIMA e l'arch. Roth non possano essere tenuti a eseguire lavori su fondi di terzi. Di converso, se il rischio di nuovi disastri non è scongiurato, l'alluvione si è estinta definitivamente il 10 settembre 1965 e l'ipotesi che una sciagura analoga abbia a ripetersi è - per l'esperto - poco attendibile, intemperie del genere verificandosi con una probabilità su cento e buona parte del materiale pericoloso essendo ormai rovinata a valle. In circostanze simili non può ritenersi che la prescrizione del credito risarcitorio debba ancora iniziare a decorrere: non ci si trova di fronte, infatti, a una situazione che evolve, bensì a una situazione che è solo suscettibile
BGE 111 II 429 S. 437
di evolvere. Pacifico è, intanto, che la pretesa volta a ottenere il compimento di opere di premunizione sui fondi delle OFIMA e dell'arch. Roth (quelle da attuare sui fondi dell'attrice medesima rientrano nella pretesa di risarcimento: cfr.
DTF 108 Ia 57
consid. 2,
DTF 107 II 137
in fine) non può essere prescritta, e in realtà la corte cantonale ha respinto l'azione per motivi diversi. Che ciò sia avvenuto a ragione o a torto, sarà esaminato nell'ambito del ricorso per riforma presentato dall'attrice. Ai fini dell'attuale rimedio occorre chiarire se l'autorità cantonale abbia respinto a giusto titolo la prescrizione eccepita dalle OFIMA contro l'azione di risarcimento.
d) I magistrati di appello hanno assimilato l'allestimento di una perizia a una sospensione del processo (sugli effetti della sospensione ordinata dal giudice v.
DTF 75 II 235
,
DTF 85 II 509
consid. 3a; GUHL, in: ZBJV 86/1950 pag. 546; assai restrittivo: STAUFFER, Note sur l'
art. 138 al. 1 CO
, in: SJ 87/1965 pag. 369). Hanno considerato, in sintesi, che l'
art. 138 cpv. 1 CO
è destinato a sanzionare l'inazione del creditore, ma non può costringere ad atti praticamente vani. Allorché il giudice conferisce a uno specialista l'incarico di stendere un referto, il creditore non ha alcuna possibilità di accelerare la causa se non scrivere al giudice. Questi, a suo turno, dispone di facoltà molto limitate, salvo revocare il perito e designarne uno nuovo (il che, di regola, ritarda ancor più il processo, soprattutto quando il compito dell'esperto riesce particolarmente difficile, complesso e di notevole impegno). La sentenza impugnata si riferisce alla prassi del Canton Friburgo (Extraits des principaux arrêts rendus par les diverses sections du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg, 1947 pag. 66, 1967 pag. 64, 1975 pag. 29), citando altresì le decisioni pubblicate in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise, vol. IV, pag. 99 e SJ 95/1973 pag. 145, che tuttavia non confermano l'opinione della corte ticinese. Quanto alla giurisprudenza del Tribunale federale, essa non specifica se l'esecuzione di una perizia sospenda - almeno di fatto - la procedura (cfr.
DTF 106 II 35
,
DTF 89 II 30
consid. 4,
DTF 85 II 187
consid. 2). In dottrina BUCHER (Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, pag. 407) e RATHGEB (L'action en justice et l'interruption de la prescription, in: Recueil de travaux publiés à l'occasion du cinquantenaire de l'Ecole des hautes études commerciales de l'Université de Lausanne, 1961, pag. 172) lo negano, mentre SPIRO (Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, vol. I, pag. 177 nota 20)
BGE 111 II 429 S. 438
è di avviso più temperato. Sia come sia, nel quadro del presente giudizio il problema può rimanere irrisolto. Anche supponendo, infatti, che durante l'assunzione di una perizia sia impossibile far avanzare la causa - nemmeno esperendo altre prove (nel caso in esame si dovevano ancora compiere ispezioni presso l'Ufficio del registro fondiario e autorità fiscali, sopralluoghi, richiami di documenti) - e che pertanto, nei limiti di tempo fissati al perito, il debitore non possa opporre la prescrizione del credito litigioso (in analogia con l'
art. 134 CO
), non bisogna dimenticare che in concreto il Pretore aveva impartito all'ing. Sciarini un termine per presentare il referto scadente il 31 gennaio 1978 (decreto del 17 ottobre 1977). Da quella data sino al 23 febbraio 1979 (prima sollecitazione dell'attrice), dunque per oltre un anno, nulla è più avvenuto in sede giudiziaria. Durante tale lasso di tempo la prescrizione non può essere rimasta in sospeso per semplice inerzia processuale. L'attrice erra quando sostiene, nelle osservazioni al ricorso per riforma, che la controversia attiene esclusivamente al diritto ticinese: l'interpretazione dell'
art. 138 cpv. 1 CO
, per vero, non dipende da norme cantonali di procedura (SJ 95/1973 pag. 151).
Il Pretore aveva osservato che, in ogni modo, le OFIMA abusavano dei loro diritti (
art. 2 cpv. 2 CC
) sollevando la prescrizione venti mesi dopo il suo compimento (15 novembre 1978 - 7 luglio 1980), quindici anni dopo l'inizio della causa e a perizia sul valore degli immobili ormai conclusa. Ora, la sola circostanza di far valere l'inesigibilità di un credito durante un processo che si protrae da tre lustri non basta per rimproverare all'eccipiente un atto di malafede. Le OFIMA, inoltre, non risultano aver ricevuto copia delle lettere 23 febbraio 1979 e 11 gennaio 1980 inviate dall'attrice al Pretore né dei solleciti 26 febbraio 1979 e 14 gennaio 1980 trasmessi dal Pretore all'ing. Sciarini, di guisa che non può essere loro imputata una reazione tardiva (il principio della buona fede consacrato dall'
art. 2 CC
si applica anche alle procedure civili cantonali:
DTF 107 Ia 211
consid. 3a). Certo, le OFIMA hanno lasciato che l'esperto ultimasse la propria relazione e rispondesse in pari tempo ai loro controquesiti. Tale comportamento, suscettivo di cagionare spese inutili, non può definirsi un esempio di correttezza, ma non può nemmeno aver generato nell'attrice il convincimento che le OFIMA intendessero rinunciare alla prescrizione (cfr.
DTF 108 II 287
consid. 5b). Per altro, non consta che le OFIMA abbiano opposto l'eccezione dopo aver provocato
BGE 111 II 429 S. 439
(anche senza mire dolose: v.
DTF 109 II 22
) un ritardo dell'esperto. Il fatto ch'esse abbiano formulato controquesiti non legittima simile deduzione. Ne segue che la corte di appello ha denegato rettamente gli estremi della malafede.
Pure a giusto titolo l'autorità cantonale ha respinto la tesi dell'attrice, secondo cui la prescrizione non era neanche cominciata a decorrere perché il danno non poteva essere quantificato (
art. 60 cpv. 1 CO
): in realtà l'attrice disponeva di tutti gli elementi essenziali per sostanziare la propria richiesta (v.
DTF 109 II 435
), la mera persistenza di una condizione di pericolo o il difetto di opere di premunizione non costituendo uno stato evolutivo e non ostando quindi a una sufficiente definizione del pregiudizio (cfr.
DTF 108 Ib 99
consid. 1c).
Resta da verificare se l'attrice non sia al beneficio dell'
art. 60 cpv. 2 CO
, il quale prevede che, ove l'azione di risarcimento derivi da un atto punibile al cui riguardo la legislazione penale stabilisce una prescrizione più lunga, quest'ultima si applica anche alla causa civile. Secondo i giudici di appello la prescrizione penale non può concernere persone giuridiche, a meno che vi sia identità economica tra l'autore dell'illecito e la società. Tale punto di vista si ispira al cosiddetto principio della trasparenza, che permette di identificare una persona fisica con una società qualora il richiamo alla personalità indipendente della ditta si riveli abusivo (
DTF 108 II 214
consid. 6a, citata anche in
DTF 110 II 365
consid. 2a; criteri analoghi reggono il principio della realtà economica in campo fiscale: v. ASA 50 pag. 375 consid. 5a). Ma una questione è far rispondere la persona giuridica di debiti a lei formalmente estranei perché l'obbligato si cela in malafede dietro la ragione sociale, un'altra è rendere responsabile la persona giuridica in virtù del diritto civile per danni provocati da terzi. In simile ipotesi non è necessario che la società si confonda dal lato economico con l'autore del pregiudizio; occorre però ch'essa sia chiamata a riparare il danno nei termini della prescrizione ordinaria (
art. 60 cpv. 1 CO
), persone fisiche o giuridiche non potendo essere tenute dopo di allora a rifondere le conseguenze di illeciti (anche penali) commessi da terzi (
DTF 55 II 28
con citazioni). Se non che, la giurisprudenza più recente non esclude una deroga a tale precetto quando la persona giuridica debba risarcire il danno cagionato dai suoi stessi organi (
DTF 107 II 155
consid. 4b). Detto punto di vista merita conferma, ove si pensi che gli organi sociali sono parte della persona giuridica e non semplici terzi per
BGE 111 II 429 S. 440
i quali la ditta risponde civilmente (
art. 55 cpv. 2 CC
;
DTF 111 II 289
; VOLKEN, Anwendung der längeren strafrechtlichen Verjährungsfristen auf die zivilrechtliche Haftung juristischer Personen, in: SJZ 80/1984 pag. 281 segg. con riferimenti alle contrastanti opinioni di dottrina). Nei limiti dei reati commessi dai propri organi la persona giuridica soggiace dunque alla prescrizione più lunga del diritto penale. Si aggiunga che l'
art. 60 cpv. 2 CO
vale sia per il termine relativo di un anno, sia per quello assoluto di dieci (
DTF 107 II 155
consid. 4a con rinvii). Esso non presuppone un'inchiesta penale né una pronunzia di condanna (
DTF 100 II 335
con citazioni): anzi, il giudice civile deve statuire sull'apprezzamento della colpa e sulla determinazione del danno senza tener conto di una sentenza penale già intervenuta (
art. 53 cpv. 2 CO
;
DTF 107 II 157
consid. 5). Nondimeno, un decreto di abbandono emesso dall'autorità penale vincola il giudice civile e non consente di applicare la prescrizione più lunga, tanto se la punibilità dell'agente è stata negata per mancanza di un elemento obiettivo quanto per difetto di un elemento soggettivo (
DTF 106 II 217
consid. 4). Nel caso in esame risulta che la Procura pubblica non ha aperto alcuna inchiesta, sicché il giudice civile può valutare liberamente la fattispecie (cfr.
art. 348 CPC
ticinese del 1924 in relazione con l'
art. 514 cpv. 2 CPC
attuale).
Per quel che riguarda i reati prospettabili, l'attrice aveva citato a suo tempo gli art. 227 n. 2 (inondazione, franamento) e 229 cpv. 2 CP (violazione delle regole dell'arte edilizia). L'assunto è pertinente. Sotto il profilo dell'
art. 227 CP
non fa dubbio che l'inondazione, il franamento e il crollo di edifici avvenuti il 9-10 settembre 1965 siano stati causati da un evento di comune pericolo (su questa nozione v. STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, vol. II, III edizione, pag. 118 nota 3 con rinvii di dottrina): basti ricordare che l'alluvione ha invaso non solo i fondi dell'attrice, ma anche la strada cantonale Ascona-Brissago, ostruendola. È stato accertato inoltre che la rovinosa piena del riale Riva Bianca si deve in misura preponderante a manufatti delle OFIMA, cioè alla diversione del riale Boccia e al tubo di deflusso posto sotto la nota discarica; entrambe le opere (a norma dell'
art. 229 CP
:
DTF 90 IV 249
) si sono rivelate difettose: la deviazione per l'insufficienza della portata (3 mc/s invece di 6: perizia Bonnard, pag. 42), il tubo di scarico per l'eseguità della sezione (appena 50 cm per una lunghezza di circa 50 m) in rapporto al nuovo bacino
BGE 111 II 429 S. 441
imbrifero (aumentato del 32%: perizia, pag. 41). Ciò rappresenta una trascuranza manifesta delle regole dell'arte, soprattutto da parte di tecnici addetti specificamente a realizzazioni idrauliche. Che, poi, una leggerezza del genere fosse idonea a minacciare l'integrità fisica delle persone (
art. 229 CP
) è indiscutibile, la tragedia avendo persino cagionato una vittima. Quanto all'aspetto soggettivo dei due illeciti - ancorché irrilevante nell'ambito di una responsabilità causale (v. altrimenti
DTF 106 II 217
consid. 4) - è fuori questione che i difetti tecnici sono frutto di un'imprevidenza colpevole nel valutare sia l'azione erosiva delle acque, sia la stabilità della discarica. Date simili premesse è superfluo appurare l'eventualità di ulteriori reati, i delitti dell'
art. 227 n. 2 e 229 cpv. 2 CP
prescrivendosi già da soli in cinque anni (
art. 70 CP
). È esatto che il termine più lungo dell'
art. 60 cpv. 2 CO
inizia a decorrere con la commissione dell'atto punibile, non con la conoscenza del danno (
art. 71 CP
per analogia;
DTF 96 II 43
consid. 3,
DTF 97 II 141
consid. 3a; di altra opinione: STARK, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Zurigo 1982, pag. 236 n. 1117), ma ciò riguarda unicamente l'infrazione dell'
art. 229 cpv. 2 CP
, nel senso ch'essa potrebbe anche essersi prescritta prima dell'inoltro della causa (SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, vol. I, IV edizione, pag. 248). Tale evenienza, estranea alla lite, non è nemmeno sostenuta dalla ricorrente. Per contro, non risulta che una prescrizione quinquennale sia intervenuta nel corso del processo, e sicuramente non si è compiuta durante l'esecuzione della perizia Sciarini. La corte cantonale assevera, in appoggio a Spiro (op.cit., vol. I, pag. 199), che l'interruzione del termine più lungo (
art. 60 cpv. 2 CO
) fa rinascere unicamente un lasso di tempo pari alla prescrizione civile dell'
art. 60 cpv. 1 CO
, di sorta che l'esistenza di reati penali non gioverebbe all'attrice. L'argomento non può essere condiviso: con l'interruzione, per vero, comincia a decorrere una nuova prescrizione (
art. 137 cpv. 1 CO
) della durata originaria (
DTF 97 II 141
consid. 3a in fine; STARK, pag. 237 n. 1121). Non si scorge per quali motivi si legittimerebbe in concreto un'interpretazione più restrittiva dell'
art. 137 cpv. 1 CO
. Rimane da verificare, a questo punto, se gli illeciti descritti siano imputabili alle OFIMA, se cioè siano stati commessi da organi sociali, il che implicherebbe per la convenuta un obbligo di risarcimento in virtù degli
art. 55 cpv. 2 CC
e - trattandosi di una società anonima - 718 cpv. 3 CO. L'attrice ha citato, nell'atto di
BGE 111 II 429 S. 442
appello, le deposizioni dell'ing. Franco Muttoni e dell'ing. Roberto Moccetti, allora direttore e vicedirettore delle OFIMA per la zona "Centrale Verbano", stando alle quali gli interventi difettosi sono stati seguiti da organi delegati appositamente. Al riguardo la sentenza impugnata non contiene alcuna precisazione. D'altro lato non è lecito, nell'esame di un ricorso per riforma, chiarire fatti essenziali sulla scorta delle prove assunte nell'istruttoria (cfr.
DTF 109 II 151
consid. 3e). La causa deve così essere rinviata alla giurisdizione cantonale di secondo grado (art. 64 cpv. 1 e 66 cpv. 1 OG) perché accerti se dagli atti si evince l'esistenza di organi sociali che, in nome delle OFIMA, fossero responsabili della costruzione delle opere dimostratesi difettose, ovvero il raccordo del riale Boccia e la discarica formata nell'alveo del riale Riva Bianca. In caso affermativo la prescrizione del risarcimento dovrà essere respinta. Considerata simile eventualità, è opportuno vagliare il merito dell'azione risarcitoria. Sarà appurato, invece, nell'ambito del ricorso per riforma dell'attrice se la corte di appello ha negato a giusto titolo la necessità di opere di premunizione sui fondi della stessa richiedente.
3.
L'obbligo di rifondere il danno è contestato dalla ricorrente per più motivi: essa afferma che eventuali colpe da parte sua sarebbero già assorbite dalla responsabilità causale degli
art. 679 CC
e 58 CO, che i numerosi fattori umani e naturali dovrebbero imporre una forte riduzione dell'indennizzo per caso concorrente, che inoltre l'attrice avrebbe contribuito ad aggravare il danno per colpa propria e che la diminuzione complessiva del risarcimento non dovrebbe calcolarsi solo sul valore degli stabili distrutti, ma anche su quello dell'inventario.
a) Dopo aver assodato - in base alla perizia Bonnard - che il rischio di un'alluvione era riconoscibile per l'attrice sia al momento di riattare la "Casa Polenta" (1962), sia al momento di costruire la "Casa Darsena" (1964), e che - d'altronde - le opere attuate dalle OFIMA e dall'arch. Roth non erano conformi alle regole dell'arte, le istanze cantonali hanno tratto conclusioni giuridiche diverse. Il primo giudice, ammessa la responsabilità causale delle OFIMA, ha compensato interamente la colpa aggiuntiva di questa con la colpa dell'attrice, che aveva sfidato la pericolosità del luogo. La corte di appello ha ritenuto invece che la colpa addizionale delle OFIMA fosse inferiore all'importanza del rischio assunto dall'attrice, donde la riduzione di un quinto calcolata sul valore degli immobili (Fr. 439'500.--). Per converso,
BGE 111 II 429 S. 443
la corte si è scostata dall'opinione del Pretore, che aveva diminuito di un terzo l'entità del risarcimento totale (Fr. 654'500.--) riferendosi al carattere straordinario delle precipitazioni; essa ha stimato che il fenomeno naturale non aveva influito sul rapporto di causalità tra il comportamento degli interessati e il danno, di modo che non si giustificava alcuna riduzione dell'indennizzo per caso fortuito.
b) Si è precisato che le OFIMA rispondono del danno giusta l'
art. 679 CC
in quanto titolari di diritti reali sui fondi all'origine del sinistro e giusta l'
art. 58 CO
in quanto proprietarie di opere difettose (per i canali di diversione in genere v.
DTF 91 II 478
consid. 2,
DTF 61 II 79
consid. 2; per i tubi di deflusso v.
DTF 100 II 137
consid. 2). Si tratta, in entrambi i casi, di responsabilità "causali" (o "obiettive"), che non presuppongono una colpa dell'autore (
DTF 76 II 133
in fine per l'
art. 679 CC
;
DTF 69 II 398
consid. 3 per l'
art. 58 CO
). Nondimeno, contrariamente alle tesi delle OFIMA, una responsabilità causale non esclude una colpa aggiuntiva dell'agente; anzi, secondo le circostanze, questa può compensare o neutralizzare una colpa concomitante della parte lesa (
art. 44 cpv. 1 CO
; DESCHENAUX/TERCIER, pag. 79 n. 5, 246 n. 28, 251 n. 11; OFTINGER, pag. 269; KELLER/GABI, pag. 106 seg. e 138; cfr.
DTF 97 II 345
consid. 4,
DTF 95 II 581
consid. 4). La corte di appello ha sottolineato, sulla scorta della perizia Bonnard, che le OFIMA avevano violato le regole più elementari dell'arte (sentenza, pag. 66 infra) e che una colpa siffatta compensava per quattro quinti la colpa dell'attrice, responsabile di aver creato una parte del rischio edificando stabili in posizione pericolosa. Tale apprezzamento non può trovare conferma. Non si vede, in realtà, per quali ragioni il rischio affrontato dall'attrice dovrebbe apparire più grave delle mancanze inescusabili (e di rilievo penale) commesse dalle OFIMA. Nemmeno la corte cantonale lo spiega. Al proposito non solo il ricorso in esame si dimostra privo di consistenza, ma quello dell'attrice dovrà essere accolto.
Circa i fattori naturali invocati dalla ricorrente, è bene ricordare che nel caso in questione non si sono ravvisati estremi di forza maggiore (consid. 1b). Deve ancora verificarsi se il nubifragio del 9-10 settembre 1965 fosse idoneo a giustificare una riduzione dell'obbligo risarcitorio per caso fortuito, per aver contribuito cioè, senza l'intervento della volontà umana e - per opposizione alla forza maggiore - senza interrompere il nesso di causalità adeguata tra il comportamento del responsabile e il danno, all'insorgere del pregiudizio. Ora, nel quadro
BGE 111 II 429 S. 444
di una responsabilità causale, l'autore deve assumersi anche il caso fortuito e può beneficiare esclusivamente di una riduzione per eventi accidentali estranei alla fattispecie di cui è chiamato a rispondere (DESCHENAUX/TERCIER, pag. 248 n. 39 segg.; OFTINGER, pag. 279; KELLER/GABI, pag. 104; STARK, pag. 75 n. 335), sempre che ciò risulti equo in rapporto alle circostanze concrete (
art. 43 cpv. 1 CO
). Dalla perizia Bonnard, ripresa dalla corte cantonale, emerge che - senza le opere delle OFIMA - il danno ai fondi dell'attrice si sarebbe forse prodotto ugualmente. È verosimile, quindi, che l'eccezionale persistenza delle intemperie abbia aggravato le conseguenze del disastro a prescindere dai difetti riscontrati nelle opere della convenuta. Non si dimostra equo, in un caso di quest'indole, far sopportare alle OFIMA l'intero danno (cfr.
DTF 57 II 110
consid. 3, 46, 47 II 431 consid. 7). La riduzione, che può ragionevolmente determinarsi nel 20%, deve comprendere anche il valore dell'inventario (mobilio e arredamento) andato distrutto (Fr. 20'000.--), come richiesto con il gravame.
Nella misura, per contro, in cui le OFIMA si prevalgono di fattori umani all'origine del sinistro, il ricorso dev'essere respinto. La mera evenienza che il danno implichi la responsabilità (causale) di terzi non legittima una riduzione, a meno che la responsabilità altrui sia tanto grave da interrompere il nesso di causalità adeguata o - ipotesi estranea alle responsabilità obiettive (
DTF 97 II 228
consid. 5,
DTF 81 II 516
consid. 3) - la colpa dell'autore sia particolarmente lieve (art. 43 cpv. 1; STARK, pag. 112 n. 518 segg. con rinvii). Nel caso in rassegna è stato appurato non solo che non vi è stata interruzione del nesso causale adeguato, ma che le opere difettose hanno avuto un'importanza preponderante nella genesi della tragedia. Una riduzione non entra perciò in linea di conto. II. SUL RICORSO PER RIFORMA DELL'ATTRICE
15.
b) Se il pericolo di una nuova alluvione appare, per i fondi dell'attrice, poco probabile, l'eventualità di altri danni non può certo definirsi remota. Minacciati sono i terreni, il cui valore venale dipende dalle possibilità edificatorie, e la villa rimasta indenne, ma - stando all'attrice - divenuta inabitabile per il rischio persistente di frane. L'esperto Bonnard ha ravvisato la situazione di pericolo. Nella planimetria ch'egli ha allestito e rielaborato dopo l'audizione in Pretura del 12 ottobre 1976 la proprietà dell'attrice è divisa verticalmente
BGE 111 II 429 S. 445
in tre settori: uno centrale, largo circa 40 metri, non fabbricabile, entro cui scorre il riale Riva Bianca, e due di lato, costruibili dopo aver eseguito le opere di premunizione enunciate nel referto. La villa si trova in una di queste due zone (in quella ovest, verso il basso). La corte cantonale non allude alla necessità di proteggere tale edificio né ai pericoli che gravano sul medesimo, quantunque l'attrice vi si sia riferita in ogni stadio di causa (petizione del 9 settembre 1966, pag. 10 infra; conclusioni del 22 febbraio 1982, pag. 9; appello del 27 giugno 1983, pagg. 15 e 16). Le OFIMA sostengono che la villa non è inabitabile, dal momento che si situa oltre il limite di una nuova alluvione; se non che, esse invocano una sentenza di appello 26 luglio 1972 emessa su una domanda di misure provvisionali. La pronunzia impugnata non contiene un accertamento del genere, che non può dunque essere considerato ai fini del giudizio. I magistrati di secondo grado osservano - come detto - che, non potendosi ordinare lavori di premunizione su fondi di terzi, l'intero complesso di misure diventa senza senso. L'argomento non è decisivo. È possibile infatti (solo il perito potrà confermarlo o smentirlo) che la realizzazione di opere limitatamente ai fondi delle OFIMA, dell'arch. Roth e della stessa attrice possa quanto meno ridurre in misure ragionevole e accettabile il fattore di rischio. Nell'ambito dell'
art. 679 CC
spetta al giudice determinare quali provvedimenti si impongono per evitare danni futuri; la parte attrice non è tenuta a formulare conclusioni precise (MEIER-HAYOZ, nota 114 ad
art. 679 CC
; HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL in: Zürcher Kommentar, II edizione, nota 20 ad
art. 679 CC
). Ne consegue che la causa dev'essere rinviata alla corte cantonale (
art. 64 cpv. 1 OG
). Questa accerterà se le misure proposte dall'esperto sui fondi delle OFIMA, dell'arch. Roth e dell'attrice siano idonee ad attenuare lo stato di pericolo che incombe sulla villa; in caso affermativo disporrà l'esecuzione di tali lavori apprezzando liberamente l'avviso del perito e ponderando gli interessi in gioco (eviterà, in specie, di creare una sproporzione tra i vantaggi che derivano al proprietario richiedente e gli oneri addossati al proprietario responsabile). Nel contempo i giudici verificheranno se opere di premunizione che non dovessero legittimarsi a tutela dell'edificio siano utili per proteggere i terreni, tenuto conto della loro inedificabilità (LIVER, pag. 230;
DTF 51 II 400
consid. 3). Giovi ricordare che, nella misura in cui debbono essere effettuati sui fondi dell'attrice, i lavori in discorso rientrano nell'azione di risarcimento (v. consid. 2c con
BGE 111 II 429 S. 446
richiami) e potranno essere ordinati, di conseguenza, solo ove la prescrizione eccepita dalle OFIMA fosse respinta. Si aggiunga altresì che, qualora i terreni divenissero fabbricabili, l'attrice potrà ancora postulare l'attuazione delle opere eventualmente omesse (
DTF 58 II 340
), riservato l'esito dell'indennizzo ricevuto per la mancata possibilità di ricostruire gli stabili (Fr. 130'000.-- per la svalutazione della particella su cui sorgeva la "Casa Darsena", mq 499, e Fr. 40'000.-- per la svalutazione di 500 mq complementari alla "Casa Polenta").
Dispositiv
Per questi motivi, il Tribunale federale pronuncia:
I ricorsi sono parzialmente accolti nella misura in cui sono ammissibili, la sentenza impugnata è annullata e la causa è rinviata all'autorità cantonale per nuovo giudizio nel senso dei considerandi. | public_law | nan | it | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
5058a053-2715-45df-9df5-336432b393b4 | Urteilskopf
108 Ib 121
22. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 3 février 1982 dans la cause S.I. Valency-Champrilly A S.A. contre Municipalité de Renens (recours de droit public) | Regeste
Quartierplan.
Kriterien für seine rechtliche Qualifikation. | Sachverhalt
ab Seite 121
BGE 108 Ib 121 S. 121
Par décision du 15 janvier 1980, la Municipalité de Renens a refusé d'accorder à la S.I. Valency-Champrilly A S.A. le permis de construire que celle-ci sollicitait pour l'édification de trois immeubles selon un plan d'extension partiel approuvé en février 1973 par le Conseil d'Etat du canton de Vaud. Cette décision était fondée sur l'art. 83 de la loi vaudoise du 5 février 1941 sur les constructions et l'aménagement du territoire, aux termes duquel la municipalité a le droit de refuser le permis, notamment, si elle a l'intention de modifier le plan d'extension en vigueur et que l'ouvrage prévu soit en contradiction avec les plans ou les dispositions projetées. Un nouveau plan d'extension partiel a effectivement été mis à l'enquête publique et adopté par le Conseil communal de Renens dans les délais prévus par la disposition précitée.
Après avoir recouru sans succès auprès de la Commission vaudoise de recours en matière de police des constructions, la S.I. Valency-Champrilly A S.A. a formé un recours de droit public pour violation des
art. 4 et 22ter Cst.
, dans lequel elle concluait à ce qu'il soit enjoint à la Municipalité de Renens de lui délivrer le permis de construire litigieux.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 108 Ib 121 S. 122
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
b) La recourante soutient qu'il y avait lieu de considérer le plan d'extension partiel du 14 février 1973 comme une décision administrative - et de soumettre dès lors sa modification aux mêmes règles que la révocation d'une telle décision -, et non comme une norme de portée générale, vu le petit nombre de propriétaires concernés et la surface restreinte, légèrement inférieure à un hectare, à laquelle il s'applique.
Selon la jurisprudence, ce qui est déterminant pour la qualification du plan dont la modification est envisagée, c'est moins la surface des parcelles concernées par la modification - qui est d'ailleurs loin d'être négligeable en l'occurrence, s'agissant de terrains sis en plein centre d'une agglomération, appartenant de surcroît à cinq propriétaires différents - que le contexte dans lequel s'inscrit cette modification (
ATF 102 Ia 333
consid. 1,
ATF 94 I 350
consid. 5; MOOR, Aménagement du territoire et propriété privée, dans RDS 1976, p. 434).
Or, dans le cas particulier, la Municipalité de Renens a précisément entrepris la modification de l'ensemble des plans de quartier concernant la commune, afin de tenir compte du changement fondamental intervenu dans les prévisions démographiques et les conceptions en matière d'aménagement du territoire depuis l'époque à laquelle ces plans avaient été adoptés. S'inscrivant dans ce contexte, la modification de plan affectant la recourante doit dès lors être envisagée selon les mêmes critères que ceux qui s'appliquent à la révision des normes de portée générale, et non à la révocation des décisions administratives (
ATF 105 Ia 317
consid. 2b). | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
50590d84-d0eb-43a2-9b51-118eb2b4a124 | Urteilskopf
84 II 409
54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. September 1958 i.S. Eheleute L. | Regeste
Ehescheidung nach Trennung.
Alleinschuld des Klägers (
Art. 148 Abs. 1 ZGB
).
Verweigerung der Wiedervereinigung durch die Beklagte? (
Art. 148 Abs. 2 ZGB
). | Sachverhalt
ab Seite 409
BGE 84 II 409 S. 409
A.-
Die seit 1946 verheirateten Eheleute L. wohnten anfänglich bei der Mutter der Ehefrau in Lyss. Der Ehemann, der früher Karrer gewesen war und um die Zeit der Heirat eine Anstellung bei den SBB erhalten hatte, arbeitete zunächst in Biel. 1948 wurde er nach Basel, 1949 nach Solothurn versetzt, während die Ehefrau vorläufig in Lyss blieb. Erst im Dezember 1950 fand der Ehemann in Solothurn eine Wohnung für seine Familie. Nach der Geburt des zweiten Kindes (1951) trat bei der Ehefrau ein Unterleibsleiden (Weissfluss) auf.
Infolge ehelicher Streitigkeiten, die nach der eigenen Darstellung des Ehemanns ihren Anfang nahmen, als er ohne besondern Grund sein Geld einzuschliessen begann, suchte sich die Ehefrau im November 1951 mit Gas das Leben zu nehmen. Der Ehemann reagierte mit Schlägen. Am 1. März 1952 wiederholte die Ehefrau ihren Versuch.
B.-
Am 24. März 1952 leitete der Ehemann beim Amtsgericht Solothurn-Lebern Scheidungsklage ein. Am 3. April 1952 misshandelte er seine Ehefrau bei einer Auseinandersetzung über finanzielle Dinge in der Weise,
BGE 84 II 409 S. 410
dass sie eine Körperverletzung erlitt. Am 8. April 1952 liess sie ihm deshalb das Betreten der ehelichen Wohnung gerichtlich verbieten. Am 4. Juni 1952 wurde er auf ihren Antrag wegen Körperverletzung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 14 Tagen und zu einer Busse von Fr. 150.-- verurteilt. Am 19. Dezember 1952 fand die Hauptverhandlung im Scheidungsprozess statt. Dabei erhob die Ehefrau Widerklage auf Trennung der Ehe für unbestimmte Zeit, während der Ehemann seine Scheidungsklage wegen Aussichtslosigkeit zurückzog. Am 22. Mai 1953 trennte das Amtsgericht Solothurn-Lebern die Ehe der Parteien gemäss dem Begehren der Ehefrau wegen schwerer Missshandlung (
Art. 138 ZGB
) für unbestimmte Zeit, sprach die Kinder unter vormundschaftlicher Aufsicht der Ehefrau zu und verpflichtete den Ehemann, Unterhaltsbeiträge für die beiden Kinder und für die Ehefrau von je Fr. 100.-- pro Monat zu bezahlen. Der Ehemann zog dieses Urteil an das Obergericht des Kantons Solothurn weiter mit dem Antrag auf Abweisung der Trennungsklage. Nachdem sein Armenrechtsgesuch u.a. wegen grundloser Prozessführung abgewiesen und der ihm auferlegte Kostenvorschuss nicht geleistet worden war, trat das Obergericht am 9. November 1953 auf seine Appellation nicht ein und stellte fest, dass das Urteil des Amtsgerichtes in Rechtskraft erwachsen sei.
C.-
Ende Februar 1954 verliess der Ehemann seine Stelle bei den SBB, wo er gemäss einem Polizeibericht vom 5. Juli 1954 zuletzt monatlich netto Fr. 610.-- nebst Fr. 54.- Teuerungszulage verdient hatte, wovon seit September 1953 jeweilen die Unterhaltsbeiträge von Fr. 300.-- abgezogen worden waren. Bei seinem Austritt zahlte ihm die Pensionskasse Fr. 3475.80 aus. Von Mitte März bis Ende Juli 1954 arbeitete er gegen einen Monatslohn von Fr. 210.-- nebst Kost und Logis als Milchführer in Schaffhausen. Hierauf begab er sich nach Frankreich, wo er eine Stelle als Karrer bei einem Landwirt annahm, der ihn mit 10 000 französischen Franken (= ca. Fr. 100.--)
BGE 84 II 409 S. 411
nebst Kost und Logis entlöhnte. Die ihm auferlegten Unterhaltsbeiträge leistete er seit seinem Austritt bei den SBB nicht mehr. Darum verurteilte ihn das Amtsgericht Solothurn-Lebern am 22. September 1954 wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten zu einem Monat Gefängnis.
D.-
Am 18. Dezember 1956 reichte der Ehemann von Frankreich aus beim Amtsgericht Aarberg als dem für seinen Heimatort zuständigen Gericht (
Art. 7 g NAG
) Klage auf Scheidung ein. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Nach der Hauptverhandlung vom 28. Mai 1957 wurde er zwecks Vollzugs der gegen ihn ausgesprochenen Strafen verhaftet. Am 17. Juni 1957 erkannte das Amtsgericht Aarberg in Anwendung von
Art. 142 und 148 ZGB
auf Scheidung der Ehe. Der Appellationshof des Kantons Bern (II. Zivilkammer), an den die Beklagte appellierte, hat dieses Urteil am 20. März 1958 gestützt auf
Art. 148 ZGB
bestätigt.
E.-
Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte Abweisung der Klage.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Sind drei Jahre vergangen, seitdem die Ehe für unbestimmte Zeit getrennt wurde, und ist keine Wiedervereinigung erfolgt, so muss nach
Art. 148 Abs. 1 ZGB
die Scheidung ausgesprochen werden, auch wenn nur ein Ehegatte sie verlangt, es sei denn, dass sie auf Tatsachen gegründet werde, die ausschliesslich den nunmehr die Scheidung verlangenden Ehegatten als schuldig erscheinen lassen. Die Scheidung ist indessen nach Art. 148 Abs. 2 auch in diesem Fall auszusprechen, wenn der andere Ehegatte die Wiedervereinigung verweigert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, die neu zu überprüfen die (damit im Einklang stehenden) Erwägungen der Vorinstanz und die (ebenfalls keine andere Auffassung verfechtenden) Vorbringen der Parteien nicht Anlass geben, kann dem nach vorausgegangener Trennung
BGE 84 II 409 S. 412
auf Scheidung beklagten Ehegatten nicht vorgeworfen werden, er verweigere im Sinne von
Art. 148 Abs. 2 ZGB
die Wiedervereinigung, wenn der klagende Ehegatte diese überhaupt nicht oder nicht ernstlich verlangt (
BGE 52 II 184
ff.). So verhält es sich hier. Wie die Vorinstanz auf Grund der vom Kläger im vorliegenden Prozess abgegebenen Erklärungen festgestellt hat, lehnt dieser heute eine Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschft mit aller Schärfe ab. Unter diesen Umständen ist nicht als bundesrechtswidrig zu beanstanden, dass die Vorinstanz gefunden hat, der Kläger könne sich zur Begründung seines Scheidungsanspruchs nicht auf
Art. 148 Abs. 2 ZGB
berufen, obwohl sich die Beklagte bei ihrer gerichtlichen Befragung nur unter gewissen, nachBGE 52 II 185kaum zulässigen Bedingungen zur Wiedervereinigung bereit erklärte und die Vorinstanz den Eindruck gewann, die Rückkehr des Mannes entspreche kaum ihrem wahren Willen. Vielmehr ist mit der Vorinstanz anzunehmen, der Prozessausgang hänge einzig davon ab, ob der Kläger im Sinne von
Art. 148 Abs. 1 ZGB
alleinschuldig sei oder nicht.
2.
Den Kläger, der durch Schikanen in Geldsachen den Ausbruch von Streitigkeiten in der nach seinem Zugeständnis anfänglich ziemlich gut verlaufenen Ehe verursachte, die Beklagte bei diesen Streitigkeiten schwer misshandelte und in der Folge seine sichere Stelle bei den SBB aufgab und seine Familie im Stich liess, trifft zweifellos ein sehr schweres Verschulden an der Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses. Gleichwohl könnte der Kläger nach
Art. 148 Abs. 1 ZGB
die Scheidung verlangen, wenn Fehler der Beklagten oder objektive (keiner Partei zum Verschulden gereichende) Umstände in mehr als nur ganz geringfügigem, neben seinem Verschulden praktisch ausser Betracht fallendem Masse zur Zerrüttung beigetragen hätten (
BGE 74 II 3
ff.). Diese Voraussetzung ist jedoch nicht erfüllt.
a) Wie die Vorinstanz mit Recht annimmt, ist der Beklagten nicht zum Verschulden anzurechnen, dass sie den
BGE 84 II 409 S. 413
Kläger wegen der - kurz nach Einleitung der Scheidungsklage durch ihn erfolgten - Körperverletzung und später wegen der Nichtleistung der ihm bei der Trennung auferlegten Unterhaltsbeiträge strafrechtlich zur Verantwortung zog. Sie war dabei im Recht. Das Verhalten des Klägers gab ihr allen Anlass, sich mit scharfen Massnahmen zu wehren.
b) Die Beklagte handelte auch nicht schuldhaft, indem sie dem Kläger die Tür wies, als er sie 1953 einmal besuchen wollte, um mit ihr zu sprechen. Damals war der erste Prozess noch hängig. Zudem stand die Beklagte damals ohne Zweifel noch unter dem Eindruck der schweren Misshandlung vom 3. April 1952. Es ist daher sehr wohl begreiflich, dass sie auf dem gerichtlichen Hausverbot beharrte, das sie erwirkt hatte, um sich vor weitern derartigen Angriffen zu schützen.
c) Dass sie in der Folge nicht die Initiative zu einer Versöhnung ergriff, kann ihr entgegen der Auffassung der Vorinstanz ebenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden. Nach allem, was vorgefallen war, durfte der Kläger von ihr ein Entgegenkommen nicht erwarten, bevor er selber seinen guten Willen bekundete. Dies tat er nicht. Im Gegenteil belud er sich bald nach der rechtskräftigen Erledigung des ersten Prozesses mit neuer Schuld, indem er seine sichere und auskömmliche Stelle bei den SBB aufgab und sich damit ausserstand setzte, die Unterhaltsbeiträge für Frau und Kinder zu leisten, so dass die Beklagte gezwungen war, um öffentliche Unterstützung nachzusuchen. Unter diesen Umständen darf die Zurückhaltung der Beklagten nicht als Zeichen für Hartherzigkeit, Gefühlskälte, Lieblosigkeit und Selbstgerechtigkeit gewürdigt werden. Ebensowenig wird dieser Vorwurf durch die Tatsache gerechtfertigt, dass sie dem Kläger, als er sie einmal misshandelte, ins Gesicht spuckte und vor Amtsgericht Aarberg erklärte, wenn sie die Kraft gehabt hätte, hätte der Kläger auch von ihr Schläge bekommen; dass sie ihn nur angespuckt habe, sei das Mindeste gewesen. Die groben
BGE 84 II 409 S. 414
Misshandlungen des Klägers einfach ohne Gegenwehr über sich ergehen zu lassen, war ihr nicht zuzumuten, und es ist ihr auch nicht zu verdenken, dass sie offen bekannte, sie hätte sich gern wirksamer gewehrt, als es ihr möglich war.
d) Dass die Parteien nach zweijähriger Dauer der Ehe infolge der Versetzung des Klägers nach Basel und Solothurn fast zwei Jahre lang getrennt leben mussten, kann entgegen dem angefochtenen Urteil nicht als praktisch ins Gewicht fallender objektiver Zerrüttungsfaktor anerkannt werden. Solche vorübergehende Trennungen aus äussern Gründen sind gerade beim gegenwärtigen Wohnungsmangel häufig und müssen von den Ehegatten wie andere unangenehme Ereignisse hingenommen werden. Im übrigen hatte der Kläger die Möglichkeit, seine freien Tage bei seiner Frau zu verbringen, da er als Bahnangestellter billig reisen konnte und die Fahrt nach Lyss von Basel aus nur ca. 11/2 Stunden, von Solothurn aus gar nur eine gute halbe Stunde dauert. Man hat es hier also mit ganz andern Verhältnissen zu tun als in dem vom Kläger erwähnten Falle P. (Urteil vom 7. November 1957), wo die Parteien wegen des Berufs des Ehemannes fast ständig getrennt leben mussten.
e) Vom Unterleibsleiden der Beklagten war im ersten Prozess überhaupt nicht die Rede. Dies hinderte den Kläger nach der Rechtsprechung (
BGE 71 II 201
ff.,
BGE 74 II 6
) freilich nicht, sich im vorliegenden Prozess darauf zu berufen. Bei seinem Vorbringen, das erwähnte (von der Beklagten an sich zugegebene) Leiden habe ihn oft angeekelt, handelt es sich jedoch um eine blosse Behauptung. Es ist schwer erklärlich, dass er diese Sache nicht schon im ersten Verfahren vorbrachte, wenn er ihr wirklich wesentliche Bedeutung beimass. Hievon abgesehen ist zu sagen, dass unverschuldete körperliche Krankheiten in aller Regel nicht als Scheidungsgrund angerufen werden können (vgl.
BGE 50 II 428
) und dass im vorliegenden Falle von diesem Grundsatz um so weniger eine Ausnahme gemacht werden darf, als es sich um ein häufiges und an sich harmloses
BGE 84 II 409 S. 415
Leiden handelte, das zudem nach der Darstellung der Beklagten unter dem Einfluss ärztlicher Behandlung mit der Zeit zurückging.
f) Die beiden Selbstmordversuche können der Beklagten nicht zum Verschulden angerechnet werden, auch wenn sie dabei nicht nur sich selber, sondern auch die in der Wohnung anwesenden Kinder in Gefahr brachte. Sie erklären sich offensichtlich daraus, dass die Beklagte wegen der schlechten Behandlung durch den Kläger in eine völlig verzweifelte Stimmung geraten war, die jede vernünftige Überlegung ausschloss. In Hinblick darauf, dass sie eine Reaktion auf das grob schuldhafte Verhalten des Klägers bildeten, dürfen sie auch nicht als objektive Zerrüttungsfaktoren gewürdigt werden, die neben dem Verschulden des Klägers zu berücksichtigen wären.
g) Andere Zerrüttungsmomente werden heute nicht mehr angerufen. Insbesondere hat sich die in der Klage aufgestellte Behauptung, dass die Beklagte den Kläger bei den SBB angeschwärzt habe, nicht bewahrheitet.
Die Klage ist daher wegen Alleinschuld des Klägers abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Scheidungsklage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
505cd777-b9ae-4276-b085-f358e1cc1dc3 | Urteilskopf
96 V 53
12. Arrêt du 26 mai 1970 dans la cause Société vaudoise et romande de secours mutuels contre Duc et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 8 Abs. 1 KUVG
.
Diese Bestimmung, welche die Freizügigkeit beschränkt, gilt auch für den Kollektivversicherten einer Betriebs- oder Berufsverbandskrankenkasse. | Sachverhalt
ab Seite 53
BGE 96 V 53 S. 53
A.-
Gustave Duc, né en 1906, a travaillé au service de l'entreprise X. SA A ce titre, il a bénéficié du contrat d'assurance-maladie collective conclu le 1er juillet 1960 entre X. SA et la Caisse-maladie de la Fédération suisse des ouvriers sur métaux et horlogers (FOMH), et modifié le 28 décembre 1967. Gustave Duc quitta la maison X. SA le 31 décembre 1968. Le 24 janvier 1969, il en avisa la caisse-maladie et lui demanda de rester assuré auprès d'elle en qualité de membre individuel. Le 4 février 1969, la caisse lui répondit qu'elle ne pouvait ni le garder comme assuré collectif, puisqu'il n'était plus au service du preneur d'assurance, ni l'accepter comme assuré individuel, parce qu'il n'était pas membre de la FOMH. Elle lui remit un certificat d'affiliation daté du 30 janvier 1969 et l'invita à s'en prévaloir pour entrer dans une autre assurance. Il est exact que Gustave Duc n'était pas membre de la FOMH.
B.-
En février 1969, Gustave Duc demanda à la Société vaudoise et romande de secours mutuels (SVRSM) de le recevoir comme membre. Par lettre du 28 février 1969, la SVRSM refusa, en alléguant que rien n'empêchait la Caisse-maladie de la FOMH de garder le requérant comme membre individuel et que, comme il avait plus de 55 ans, il ne disposait plus du droit de libre-passage.
C.-
Ni la décision de la Caisse-maladie de la FOMH ni celle de la SVRSM ne mentionnaient les voies de droit, en particulier
BGE 96 V 53 S. 54
le délai de recours. Gustave Duc les a attaquées l'une et l'autre devant le Tribunal cantonal des assurances le 16 avril 1969.
Le 15 août 1969, le Tribunal cantonal des assurances, statuant sur le fond, rejeta le recours formé contre la décision de la Caisse-maladie de la FOMH, admit le recours formé contre la décision de la SVRSM et ordonna à cette dernière de recevoir le recourant comme passant dès le jour où il a remis à l'intimée son certificat d'affiliation.
D.-
La SVRSM a recouru en temps utile contre le jugement cantonal; elle conclut au rétablissement de sa décision de refus. L'avocat de Gustave Duc conclut au rejet du recours, avec suite de dépens.
Appelée à se déterminer, la Caisse-maladie de la FOMH conclut également au rejet du recours.
L'Office fédéral des assurances sociales, dans son préavis, propose la même solution.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 6 al. 1er des statuts des 26/27 novembre 1965, revisés avec effets aux 19 septembre 1966 et 1er janvier 1968, de la Caisse-maladie de la FOMH, l'association est constituée par:
a) des membres de la FOMH;
b) des membres de la famille des sociétaires affiliés selon la lettre a;
c) des affiliés aux assurances collectives de la caisse, selon l'art. 13.
En vertu de l'art. 6 al. 2 les affiliés de la catégorie c ne peuvent s'assurer individuellement que s'ils font partie de la FOMH; tandis que, selon l'art. 6 al. 4, les affiliés de la catégorie b ont la faculté, dans les trois mois qui suivent l'extinction des liens de famille, de demander la continuation de l'assurance. La disposition de l'art. 6 al. 2 est complétée par l'art. 13 al. 3, d'après lequel les personnes assurées collectivement et qui ne sont pas membres de la FOMH peuvent néanmoins s'assurer individuellement, lorsque le contrat d'assurance collectif prend fin ou qu'elles n'en remplissent plus les conditions, pourvu qu'elles soient domiciliées en Suisse et qu'elles ne répondent aux conditions d'admission d'aucune autre caisse-maladie reconnue.
Dans la mesure où, sous réserve des exceptions prévues par
BGE 96 V 53 S. 55
les art. 6 al. 4 et 13 al. 3 précités, les statuts de la Caisse-maladie de la FOMH réservent la qualité d'assurés aux seuls membres des associations professionnelles qui constituent la FOMH, ces statuts ne sont pas contraires au droit fédéral (cf. les art. 3 al. 6, 5 al. 1er, 5bis al. 4, 7 al. 1er lettre b et 8 al. 1er LAMA).
En conséquence, comme Gustave Duc a dû sortir de l'assurance collective parce que ses conditions d'emploi se sont modifiées, qu'il n'est pas membre de la FOMH et qu'il est domicilié en Suisse, il serait en droit de demeurer assuré à titre individuel auprès de la caisse-maladie de cette fédération d'associations professionnelles dans l'hypothèse où, conformément à l'art. 13 al. 3 in fine des statuts, son admission dans toute autre caisse-maladie reconnue serait exclue.
2.
Si la loi prescrit à d'autres caisses-maladie d'accueillir un candidat qui se trouve dans la situation de Gustave Duc, ce dernier ne saurait se prévaloir de l'art. 13 al. 3 in fine des statuts de la Caisse-maladie de la FOMH pour exiger de rester assuré auprès de cette institution. Or, aux termes de l'art. 7 al. 1er lettre d LAMA, ont le droit de passer à une autre caisse les assurés qui ont été affiliés à une assurance collective pendant six mois au moins sans interruption et qui doivent la quitter sans pouvoir passer à l'assurance individuelle conformément à l'art. 5bis al. 4. Cette dernière disposition légale subordonne le passage, au sein d'une même caisse, de l'assurance collective à l'assurance individuelle à la condition - entre autres - que l'intéressé fasse partie de l'association professionnelle à laquelle la caisse limite son activité. La loi ne restreint pas expressément le droit de libre-passage de cette catégorie d'assurés, sauf dans le cas des femmes enceintes (art. 8 al. 3 LAMA). En revanche, elle n'accorde le libre-passage que jusqu'à l'âge de 55 ans révolus aux assurés qui doivent sortir d'une caisse d'entreprise ou d'une caisse d'association parce qu'ils ont quitté cette entreprise ou cette association (art. 7 al. 1er lettre b et art. 8 al. 1 et 2 LAMA).
La solution du litige dépend donc de la question de savoir si, comme le soutient la SVRSM, l'assuré qui doit sortir d'une assurance collective parce qu'il quitte l'entreprise qui l'a conclue est assimilable à l'assuré qui doit sortir d'une caisse d'entreprise parce qu'il quitte la maison dont cette caisse assure le personnel. En effet, Gustave Duc a eu 62 ans en 1968 et c'est le 31 décembre de cette année-là qu'il a quitté son employeur.
BGE 96 V 53 S. 56
3.
La Ire Chambre a soumis cette question fondamentale de droit à la cour plénière qui s'est déterminée comme il suit: Il y a tout d'abord lieu de relever que les textes français et italien et le texte allemand de l'art. 8 al. 1er LAMA s'expriment de façon différente. Alors que le texte français par le d'assurés "qui, quittant une entreprise ou une association professionnelle, doivent sortir de la caisse de cette entreprise ou de cette association professionnelle...", et le texte italien de "assicurati, che, lasciando un impresa o un associazione professionale, devono uscire dalla cassa dell'impresa o dell'associazione professionale...", le texte allemand s'exprime en ces termes: "Versicherte, die wegen Ausscheidens aus einem Betrieb oder Berufsverband aus ihrer Betriebs- oder Berufsverbandskrankenkasse austreten müssen...". Ce texte allemand soulève tout d'abord la question de savoir si l'on peut parler dans le cas des assurés collectifs de leur caisse. Or sur ce point l'art. 5bis al. 2 2e phrase LAMA est net: "Les droits de sociétaires des assurés collectifs sont fixés par les statuts des caisses." Il y a donc lieu de constater qu'entre l'assuré collectif et la caisse il n'y a non seulement un lien d'assurance mais aussi des rapports de société. Interprété littéralement, le texte allemand de l'art. 8 al. 1er LAMA permet donc d'assimiler, en ce qui concerne la limite d'âge pour le droit au libre-passage, les assurés collectifs d'une caisse d'entreprise ou d'association professionnelle aux sociétaires de celle-ci assurés à titre individuel. Certes, les textes français et italien sont plus étroits sur ce point; la manière dont les premiersjuges ont tranché le litige le montre clairement: leur solution s'inspire du fait que le texte français par le non pas de la caisse d'entreprise ou d'association professionnelle de l'assuré mais de la caisse de l'entreprise ou de l'association professionnelle que l'assuré quitte. Cependant, selon le message du Conseil fédéral du 5 juin 1961, l'art. 8 LAMA a notamment pour but d'éviter que les caisses ouvertes voient leurs charges augmentées du fait de l'affiliation à titre de passant de salariés âgés sortant des caisses d'entreprises ou d'associations professionnelles. Quant à savoir si cette protection est valable non seulement dans le cas des assurés individuels mais également dans celui des assurés collectifs, le message est muet. On ne saurait donc en tirer argument en faveur de la solution des premiers juges et de l'Office fédéral des assurances sociales. Rien ne laisse d'ailleurs supposer que le texte allemand adopté
BGE 96 V 53 S. 57
par les Chambres l'ait été par inadvertance. Dans ces circonstances, il y a lieu de s'en tenir uniquement au texte allemand, celui donc qui exprime le mieux l'idée de la protection des caisses ouvertes visées par la disposition légale en cause. Aussi faut-il relever que la solution des premiers juges aurait notamment pour effet que les caisses ouvertes devraient accepter comme passant les assurés collectifs âgés des caisses d'entreprises ou d'associations professionnelles même lorsque ceux-ci seraient malades (v. art. 8 al. 2 LAMA). Cette solution serait d'autant plus choquante que les caisses d'entreprises et d'associations professionnelles ne sont soumises à aucune restriction par rapport aux caisses ouvertes en ce qui concerne la possibilité de conclure des contrats d'assurances collectives (v. art. 5bis al. 3 LAMA). Cela étant, on pourrait même se demander si l'art. 5bis al. 4 LAMA ne devrait pas être compris dans ce sens qu'il obligerait les caisses d'entreprises ou d'associations professionnelles d'accepter à titre individuel les assurés qui résident dans leur rayon d'activité et qui cessent d'appartenir au cercle des personnes auxquelles s'étend l'assurance collective. Certes, l'art. 8 al. 3 LAMA par le non seulement de caisses d'entreprises ou d'associations professionnelles, mais aussi de l'assurance collective. On ne saurait cependant utiliser cette énumération pour interpréter l'art. 8 al. 1er dans le sens de la solution des premiers juges. La restriction au libre-passage réglée à l'al. 3 est en effet valable pour toute assurance collective alors que celle de l'al. 1er se rapporte uniquement aux assurés - individuels ou collectifs - des caisses-maladie d'entreprises ou d'associations professionnelles.
4.
Le recours de la SVRSM doit en conséquence être admis en ce sens qu'il est constaté que Gustave Duc, en vertu des art. 8 al. 4 et 5bis al. 4 LAMA, est en droit de passer dans l'assurance individuelle de la FOMH à partir du jour où il a quitté la maison X. SA
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours de la SVRSM est admis et le jugement du Tribunal des assurances du canton de Vaud, réformé dans le sens des considérants. | null | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
505e96ec-6a13-4ea1-a39f-ba74894c7283 | Urteilskopf
116 Ia 60
9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. März 1990 i.S. H. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich, Bezirksgericht Zürich sowie Anklagekammer des Obergerichts und Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
: Gerichtliche Überprüfung einer Versorgung nach
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
.
1. Prozessuales: Gegenstand der Beschwerde, Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (E. 1c und 1d).
2. Anspruch auf gerichtliche Prüfung einer Freiheitsentziehung nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
im allgemeinen (E. 2).
3. Die Verweigerung der gerichtlichen Überprüfung der streitigen Versorgung des Beschwerdeführers in einer psychiatrischen Klinik verstösst gegen
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
(E. 3a).
4. Folgen der Konventionsverletzung im vorliegenden Fall: keine Entlassung aus der Klinik; Weisung an den Kanton Zürich (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 116 Ia 60 S. 60
H. wurde am 26. April 1989 wegen des Verdachts versuchter Nötigung von der Bezirksanwaltschaft Zürich in Untersuchungshaft versetzt, welche zwecks psychiatrischer Begutachtung in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik
BGE 116 Ia 60 S. 61
Rheinau vollzogen wurde. Die Haft wurde durch den Bezirksgerichtspräsidenten mehrmals verlängert. Am 24. August 1989 stellte der Bezirksanwalt die Strafuntersuchung ein, weil H. nach einem psychiatrischen Gutachten zur Zeit der Tat nicht zurechnungsfähig gewesen sei. Mit gleicher Verfügung ordnete der Bezirksanwalt eine stationäre Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
und damit den weitern Verbleib von H. in der Psychiatrischen Klinik an. Diese Anordnung ist von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich genehmigt worden.
Am 31. Januar 1990 stellte H. bei der Direktion der Justiz des Kantons Zürich gestützt auf
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
u.a. das Begehren um gerichtliche Prüfung seiner Haft und um vorsorgliche Entlassung aus der Klinik. Die gleiche Eingabe liess er dem Obergericht des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich mit den gleichen Begehren zukommen.
Die Direktion der Justiz teilte H. am 5. Februar 1990 mit, sie sei nicht in der Lage, in dieser Sache tätig zu werden, weil die Frage der Zuständigkeit unklar sei. Der Präsident der Anklagekammer des Obergerichts befand am 2. Februar 1990, dass er die Prüfung der Haft mangels Zuständigkeit nicht vornehmen könne. Im gleichen Sinne entschied der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich am 1. Februar 1990.
Gegen die Entscheide der Justizdirektion, der Anklagekammer des Obergerichts und des Einzelrichters des Bezirksgerichts reichte H. beim Bundesgericht am 8. Februar 1990 staatsrechtliche Beschwerde ein. Er beantragt deren Aufhebung und ersucht um sofortige Entlassung aus der Klinik Rheinau. Er rügt u.a. eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
1.
c) Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen die Entscheide der Justizdirektion des Kantons Zürich vom
BGE 116 Ia 60 S. 62
5. Februar, der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. Februar sowie des Bezirksgerichts Zürich vom 1. Februar 1990. Deren Gegenstand bildete einzig die Frage, ob dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offenstehe, eine gerichtliche Haftprüfung zu verlangen.
Hingegen standen weder die Anordnung der Untersuchungshaft vom 26. April 1989 noch die Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 24. August 1989 betreffend Einstellung der Strafuntersuchung und Anordnung der Haft im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
und der bestätigende Entscheid der Staatsanwaltschaft in Frage. Für deren Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde ist die Beschwerdefrist nach
Art. 89 OG
längst verstrichen. Deshalb kann auf die Rüge nicht eingetreten werden, der Bezirksanwalt genüge den in
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
aufgestellten Anforderungen nicht und folglich stelle die Einweisung in die Klinik Rheinau am 26. April bzw. 24. August 1989 einen Verstoss gegen
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
dar. Dasselbe gilt für die Rüge, der Bezirksanwalt habe sich über die in Art. 6 Ziff. 2 verankerte Garantie der Unschuldsvermutung hinweggesetzt, indem er in der Einstellungsverfügung vom 24. August 1989 den objektiven Tatbestand der versuchten Nötigung bejaht habe. Verspätet sind ferner die Vorwürfe, die Einweisung in die Klinik Rheinau durch den Bezirksanwalt verstosse gegen
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und gegen
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
.
d) Weiter stellt sich die Frage der Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges im Sinne von
Art. 86 Abs. 2 und
Art. 87 OG
. Der Entscheid der Anklagekammer kann mit keinem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden. In bezug auf die bezirksrichterliche Verfügung sowie den Entscheid der Justizdirektion ist einzuräumen, dass es der Beschwerdeführer in beiden Fällen unterlassen hat, das im kantonalen Recht vorgesehene Rechtsmittel zu ergreifen (vgl.
§ 402 Ziff. 4 StPO
/ZH bzw. Gesetz betreffend die Organisation und Geschäftsordnung des Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1989 § 13 Abs. 2 in Verbindung mit § 22 Ziff. 1 und § 23 Ziff. 3). Es gilt indessen zu berücksichtigen, dass der vorliegende Fall nicht mit der Situation eines negativen Kompetenzkonfliktes verglichen werden kann. Es gibt keine Hinweise dafür, dass irgendeine Behörde im Kanton Zürich zuständig sein könnte. Der Beschwerdeführer erhebt seine Rüge der Verletzung von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
gerade deshalb, weil sämtliche angegangenen Stellen eine gerichtliche Prüfung der Freiheitsentziehung
BGE 116 Ia 60 S. 63
verweigert haben. Die Frage der Anfechtbarkeit der Entscheide des Bezirksgerichts und der Justizdirektion kann im vorliegenden Fall indessen offengelassen werden.
2.
Nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Ist die Entscheidung, mit der dem Betroffenen die Freiheit entzogen wird, von einem Verwaltungsorgan getroffen worden, kann dieser ohne weiteres eine gerichtliche Prüfung der Rechtmässigkeit der Haft verlangen; wenn ursprünglich der Entscheid über die Freiheitsentziehung von einem Gericht ausgeht, kann es angesichts der Natur des in Frage stehenden Freiheitsentzuges notwendig sein, dass die Rechtmässigkeit in vernünftigen Abständen überprüft wird (Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Luberti vom 23. Februar 1984, Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A, vol. 75, Ziff. 31 = EuGRZ 1985 S. 642 ff. (S. 645); Urteil i.S. Droogenbroeck vom 24. Juni 1982, Série A, vol. 50, Ziff. 45 = EuGRZ 1984 S. 6 ff. (S. 8); Bericht der Kommission i.S. Koendjbiharie vom 12. Oktober 1989 Ziff. 64 ff., in: EuGRZ 1990 S. 48). Bei der gerichtlichen Instanz nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
muss es sich nicht notwendigerweise um ein ordentliches Gericht klassischer Natur, das in die herkömmlichen gerichtlichen Einrichtungen integriert ist, handeln. Gefordert ist indessen deren funktionelle, organisatorische und personelle Unabhängigkeit. Diese gerichtliche Instanz muss tatsächliche Entscheidungsbefugnis haben und die Rechtmässigkeit mit hinreichender Kognition prüfen können. Es sind die grundlegenden Verfahrensgarantien zu beachten, welche der konkret streitigen Freiheitsentziehung sowie den besondern Umständen des Prozesses angepasst sind. Aus dem Erfordernis des gerichtlichen Verfahrens hat der Gerichtshof weiter den Anspruch auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht abgeleitet und gefordert, dass das Verfahren in hinreichender Weise kontradiktorisch ist. Die Prüfung der Rechtmässigkeit der Haft hat schliesslich nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
raschmöglichst zu erfolgen (
BGE 115 Ia 60
, 299 E. 4,
BGE 114 Ia 185
E. b, Urteil vom 28. September 1989, in: EuGRZ 1989 S. 441 E. 4, mit zahlreichen Hinweisen auf die Strassburger Rechtsprechung (insbesondere die Urteile Ashingdane, Luberti, Droogenbroeck, X., Winterwerp, Weeks, De Wilde, Ooms und Versyp sowie
BGE 116 Ia 60 S. 64
Sanchez-Reisse) und die Literatur; vgl. ferner Bericht der Kommission i. S. Keus vom 4. Oktober 1989 Ziff. 57 ff., in: EuGRZ 1990 S. 50).
3.
a) Im vorliegenden Fall hat die Bezirksanwaltschaft am 24. August 1989 eine Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
verfügt und damit den weitern Verbleib des Beschwerdeführers in der Psychiatrischen Klinik Rheinau angeordnet. Bei dieser Massnahme handelt es sich um einen Freiheitsentzug im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
. Wie oben dargelegt, ist die Anordnung dieser Massnahme am 24. August 1989 als solche nicht zu beurteilen und insbesondere nicht auf die Menschenrechtskonvention, das Strafgesetzbuch und das zürcherische Verfahren hin zu überprüfen. Der Bezirksanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft kommt keine gerichtliche Unabhängigkeit zu (vgl.
BGE 115 Ia 60
E. b, mit Hinweisen). Es handelt sich daher bei der Massnahme um eine nicht gerichtlich angeordnete.
Bei dieser Sachlage hat der Beschwerdeführer nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
einen Anspruch darauf, dass seine Freiheitsentziehung durch eine richterliche Instanz auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüft wird. Diese gerichtliche Überprüfung ist dem Beschwerdeführer durch die angefochtenen Entscheide verweigert worden, indem sich alle drei angegangenen Instanzen für unzuständig erklärt haben. Es kann ihren Entscheiden auch kein Hinweis entnommen werden, welches Gericht sich mit der Überprüfung befassen könnte. Und aus dem angefochtenen Entscheid des Bezirksgerichts geht hervor, dass das vom Beschwerdeführer gewünschte Prüfungsverfahren im Kanton Zürich nicht besteht. Es braucht nicht im einzelnen geprüft zu werden, ob jeder der angefochtenen Entscheide für sich allein genommen mit der Verfahrensordnung in Einklang steht. Unter dem Gesichtswinkel von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
ist allein massgebend, dass von keiner Stelle eine gerichtliche Prüfung vorgenommen oder eine solche in die Wege geleitet worden ist. Demnach ist dem Beschwerdeführer der Anspruch gemäss
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
auf gerichtliche Überprüfung seiner Freiheitsentziehung verweigert worden, und die Rüge der genannten Konventionsbestimmung erweist sich demnach als begründet.
b) Damit stellt sich die Frage, welches die prozessuale Folge der Bejahung der Konventionsverletzung für das vorliegende Verfahren ist. Soweit mit der staatsrechtlichen Beschwerde über die Aufhebung der angefochtenen Entscheide hinaus positive Anordnungen
BGE 116 Ia 60 S. 65
verlangt werden, kann das Bundesgericht auch andere Massnahmen treffen (
BGE 108 Ia 170
E. 3a).
Wird beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung erhoben, so hebt es im Falle der Gutheissung der Beschwerde den kantonalen Entscheid, mit dem auf ein Begehren des Betroffenen nicht eingetreten worden ist, auf und öffnet diesem damit den Weg für die materielle Beurteilung seines Anliegens. Mit dieser Situation lässt sich der vorliegende Fall indessen nicht vergleichen. Die Gutheissung der vorliegenden Beschwerde ergibt sich nicht deshalb, weil jeder der angefochtenen Entscheide für sich allein genommen mit dem Verfahrensrecht in Widerspruch stünde. Die Begründetheit der Beschwerde liegt vielmehr darin, dass das zürcherische Verfahrensrecht die nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
geforderte Überprüfung der Freiheitsentziehung nicht vorsieht und sich demnach sämtliche angegangenen Stellen als unzuständig erklärt haben. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, die angefochtenen Entscheide der Anklagekammer, des Bezirksgerichts und der Direktion der Justiz aufzuheben.
Stellt das Bundesgericht fest, eine kantonale Behörde habe die Überprüfung eines Freiheitsentzuges nicht in einer
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
genügenden Weise vorgenommen, hat das nicht ohne weiteres zur Folge, dass der Freiheitsentzug als rechtswidrig betrachtet und der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen werden müsste (
BGE 114 Ia 92
E. d, Urteil vom 28. September 1989 E. 4e, in: EuGRZ 1989 S. 443). Im vorliegenden Fall legt der Beschwerdeführer im übrigen auch nicht dar, dass die Aufrechterhaltung des Freiheitsentzuges im Zeitpunkt seines Gesuches um gerichtliche Überprüfung den materiellen Bestimmungen von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
widerspreche oder verfassungs- und konventionswidrig sei. Das Gesuch um sofortige Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik Rheinau ist daher abzuweisen.
Angesichts der Sachlage im vorliegenden Fall kann es nicht damit sein Bewenden haben, dass das Bundesgericht in teilweiser Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde mangels eines entsprechenden gerichtlichen Überprüfungsverfahrens den Verstoss gegen
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
lediglich feststellt. Wie bei einer Gutheissung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 120 f.) ist es vielmehr angezeigt, dem Kanton Zürich als dem verantwortlichen Gemeinwesen eine Weisung zu erteilen. Dabei geht es darum, dass der Beschwerdeführer in den Genuss eines
BGE 116 Ia 60 S. 66
gerichtlichen Verfahrens kommt, in dem über die Rechtmässigkeit der streitigen Freiheitsentziehung entschieden wird. Dieses Verfahren hat sich nach den oben dargelegten Kriterien zu richten (E. 2, mit Hinweisen). Angesichts des Anspruchs nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
auf eine raschmöglichste Überprüfung ist dem Beschwerdeführer ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, in dem unverzüglich über dessen Haft entschieden wird. Wie dem im einzelnen nachzukommen ist, hat das Bundesgericht nicht selbst zu entscheiden; es ist vielmehr Sache der Zürcher Behörden, den Anforderungen der EMRK Nachachtung zu verschaffen (vgl.
BGE 115 Ia 64
). Angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit ginge es indessen nicht an, zuerst das formelle Gesetz zu ändern und das Gesuch des Beschwerdeführers erst danach zu beurteilen. Demnach ist der Kanton Zürich anzuweisen, dafür zu sorgen, dass die Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers unverzüglich in einem gerichtlichen Verfahren im Sinne von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
überprüft wird.
4.
Demnach ist die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde teilweise gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um Entlassung aus der Psychiatrischen Klinik Rheinau wird abgewiesen. Hingegen wird dem Kanton Zürich eine Weisung für die Behandlung des Gesuches um Überprüfung der Freiheitsentziehung erteilt. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
506570fc-dd88-46d6-8e8b-86232d772f2d | Urteilskopf
112 IV 9
3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. April 1986 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
1.
Art. 19 Abs. 2 ZGB
.
Der urteilsfähige Entmündigte kann im Rahmen der Ausübung höchstpersönlicher Rechte, z.B. für die Erhebung einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde, durch Vollmachterteilung selbständig einen gewillkürten Vertreter bestellen und mit diesem einen das Basisverhältnis ordnenden Vertrag (Auftrag) abschliessen (E. 1).
2.
Art. 137 StGB
.
Gewahrsam des Eigentümers bejaht, der sein Portemonnaie in betrunkenem Zustand in einer Telefonkabine liegengelassen hatte (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 112 IV 9 S. 9
B. behändigte am 17. September 1984 in einer Telefonzelle das dort zuvor vom angetrunkenen A. liegengelassene Portemonnaie. Im Appellationsverfahren sprach das Obergericht des Kantons Bern B. des Diebstahls schuldig und verurteilte ihn zu 30 Tagen Gefängnis.
B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ihn bloss wegen Nichtanzeigens eines Fundes bestrafe.
B. ist bevormundet. Ende März 1985 erteilte der Vormund Herrn Fürsprecher X., der den Verurteilten schon vor Obergericht vertreten hatte, die "Erlaubnis", das Urteil des Obergerichts mit Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht anzufechten. Mit Schreiben vom 2. April 1985 zog er indessen sein "Einverständnis
BGE 112 IV 9 S. 10
zur Einreichung der Nichtigkeitsklage" zurück, weil B. inzwischen wieder straffällig geworden sei. Dessen ungeachtet meldete Fürsprecher X. am 4. April 1985 die Nichtigkeitsbeschwerde an, und am 3. Februar 1986 reichte er die Beschwerdebegründung ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Vertreter des Beschwerdeführers macht geltend, gemäss
BGE 75 IV 143
und
BGE 78 IV 21
E. 1 sei der Bevormundete unabhängig von seinem Vormund berechtigt, eine Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben und für diesen Zweck einen Anwalt zu bevollmächtigen. Diese letztere Aussage findet sich indessen in keinem der angeführten Urteile. In beiden Entscheiden ging es um die Frage, ob auch der Vormund zur Nichtigkeitsbeschwerde befugt sei und ob er dazu der Zustimmung des Bevormundeten bedürfe. Dagegen wurde nichts darüber gesagt, ob das Mündel entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen des Vormunds einen Verteidiger beauftragen dürfe. Die Frage bedarf deshalb der Prüfung.
a) Urteilsfähige entmündigte Personen sind nach
Art. 19 Abs. 2 ZGB
befugt, ohne Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Rechte auszuüben, die ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehen (s. auch
Art. 410 ZGB
). In
BGE 88 IV 115
E. 3 hat der Kassationshof entschieden, dass die Rechte, welche der strafrechtlich Verurteilte mit einem Revisionsgesuch nach
Art. 397 StGB
geltend mache, ihm unzweifelhaft um seiner Persönlichkeit willen zustünden, weshalb sie von ihm nach
Art. 19 Abs. 2 ZGB
selbständig ausgeübt werden könnten, sofern er urteilsfähig sei; dabei mache es keinen Unterschied aus, ob es sich um die Einreichung eines befristeten Rechtsmittels oder um ein an keine Frist gebundenes Wiederaufnahmegesuch handle. Diese Überlegungen müssen analog für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gelten; auch mit dieser macht der strafrechtlich Verurteilte Rechte geltend, die ihm um seiner Persönlichkeit willen zustehen.
b) Damit ist allerdings die Frage nicht entschieden, ob der urteilsfähige Entmündigte im Rahmen der Ausübung höchstpersönlicher Rechte durch Vollmachterteilung auch selbständig einen gewillkürten Vertreter bestellen und mit diesem überdies einen das Basisverhältnis ordnenden Vertrag (Auftrag) abschliessen kann. Sie ist - was die Vollmachterteilung als einseitiges Rechtsgeschäft anbelangt - ohne weiteres zu bejahen (BUCHER, Berner Kommentar, N. 199 und 313 zu
Art. 19 ZGB
). Die mit
Art. 19 Abs. 2 ZGB
BGE 112 IV 9 S. 11
angestrebte Handlungsfreiheit des beschränkt Handlungsfähigen muss aber auch die Befugnis zum selbständigen Abschluss eines Auftrags umfassen, ansonst die prozessuale Durchsetzung seiner höchstpersönlichen Rechte im Strafprozess illusorisch würde, weil Anwälte als Verteidiger in aller Regel nicht aufgrund einer blossen Vollmacht, sondern nur gestützt auf ein Auftragsverhältnis tätig werden (BUCHER a.a.O. N. 314 zu Art. 19 mit Verweisungen auf die entsprechende kantonale Rechtsprechung).
c) B. konnte somit selbständig Fürsprecher X. einen Auftrag zu seiner Verteidigung und namentlich zur Einreichung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde erteilen, sofern er insoweit als urteilsfähig anzusehen ist. Aufgrund des angefochtenen Urteils ist einzig bekannt, dass der Beschwerdeführer seit 1971 unter Vormundschaft steht. Auch geht aus einem psychiatrischen Bericht des Jahres 1977 hervor, dass er an einer Geisteskrankheit, nämlich an einer schleichenden paranoiden Schizophrenie leidet. Dagegen ist weder diesem Gutachten noch dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, ob die genannte Krankheit der Grund der Bevormundung war. Indessen ergibt sich aus den Akten, dass B. im kantonalen Verfahren zur Sache sowie zu dem Schadenersatzbegehren des A. einvernommen wurde und dabei durchaus vernünftige Antworten gegeben hat. Es besteht deshalb kein Grund zur Annahme, es habe ihm die Urteilsfähigkeit gefehlt, um sich auch über die Tragweite einer Vollmacht- und Auftragserteilung an einen Anwalt zwecks Wahrnehmung seiner Interessen im Strafverfahren Rechenschaft zu geben. Ist dem aber so, war Fürsprecher X., als er die Nichtigkeitsbeschwerde anmeldete und begründete, rechtsgültig bevollmächtigt. Demzufolge ist die Beschwerde an die Hand zu nehmen.
2.
In der Sache selbst nahm das Obergericht an, der Beschwerdeführer habe sich des Diebstahls schuldig gemacht, weil A. den Gewahrsam an seinem Portemonnaie nicht aufgegeben gehabt habe. B. bestreitet dies.
a) Wegnehmen im Sinne des
Art. 137 StGB
ist Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Dieser besteht in der tatsächlichen Sachherrschaft, verbunden mit dem Willen, sie auszuüben (
BGE 100 IV 158
,
BGE 97 IV 196
). Verlegte oder vergessene Sachen sind nicht gewahrsamslos, solange sie sich in einem der faktischen Herrschaft des Gewahrsamsinhabers unterliegenden oder der Öffentlichkeit zugänglichen Raum (z.B. einer Telefonkabine) befinden, und jener weiss oder sich doch alsbald mit Bestimmtheit
BGE 112 IV 9 S. 12
erinnern kann, wo sie sind. So wurde in
BGE 71 IV 184
der Gewahrsam in einem Falle bejaht, in dem jemand seine Uhr auf dem Tisch des Rauchersalons eines Schiffes vergass, dies jedoch kurz darauf bemerkte und sofort wusste, wo er sie liegengelassen hatte. Dagegen wurde der Gewahrsam verneint, wo eine Person, ohne sich dessen gewahr zu werden, Banknoten auf dem Ladentisch eines Geschäftes liegenliess und sich nach Entdecken des Verlustes an den Standort der Banknoten nicht zu erinnern vermochte, sondern an anderer Stelle zu suchen begann (
BGE 71 IV 90
; in diesem Sinne auch STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Besonderer Teil I, 3. Aufl. S. 195 f.; a.M. bezüglich ausserhalb des Zugriffsbereichs vergessener Sachen REHBERG, Grundriss/Strafrecht III S. 33 lit. c).
Eine vorübergehende Verhinderung an der Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft lässt den Gewahrsam nicht untergehen (
BGE 100 IV 159
,
BGE 80 IV 153
). Der Herrschaftswille, der zur tatsächlichen Herrschaftsmöglichkeit hinzutreten muss, braucht nicht ständig "auf der Wacht zu sein"; durch Schlaf oder Bewusstlosigkeit wird die Fortdauer des einmal begründeten Willens nicht aufgehoben (MAURACH, Deutsches Strafrecht, Besonderer Teil, 5. Aufl. S. 202; SCHÖNKE/SCHRÖDER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 22. Aufl., N. 30 zu § 242). Das muss analog auch für den Zustand der Trunkenheit gelten.
b) Im vorliegenden Fall steht fest, dass A. sein Portemonnaie in der Telefonkabine liegenliess und sich, als er beim anschliessenden Besuch des Restaurants "Bahnhof" die Konsumation bezahlen wollte, des Verlustes gewahr wurde. Auch realisierte er in diesem Zeitpunkt, dass er im Restaurant "Waldrand" noch im Besitz des Geldbeutels gewesen war, da er damals seine Konsumation bezahlt hatte. Dagegen konnte er sich, als er später bei der Polizei vernommen wurde, nicht mehr daran erinnern, dass er die Telefonkabine aufgesucht hatte. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz war der Grund dieser Erinnerungslücke einzig der übermässige Alkoholgenuss. Entsprechend erinnerte sich A. anderntags, als er wieder nüchtern war, an seinen Aufenthalt in der Telefonkabine, nachdem die Polizei ihm gemeldet hatte, dass das Portemonnaie dort von B. behändigt worden sei. Die Annahme des Obergerichts, wonach A. nach "erfolgter Ausnüchterung" sein Erinnerungsvermögen mit Sicherheit auch ohne das Zutun der Polizei wiedererlangt und in der Folge die Suche an der betreffenden Stelle aufgenommen hätte, ist - wie im Entscheid zur
BGE 112 IV 9 S. 13
staatsrechtlichen Beschwerde ausgeführt wurde - sachlich vertretbar. Geht man aber davon aus, kann nicht gesagt werden, der Gewahrsam des A. sei an dem in der Telefonkabine zurückgelassenen Portemonnaie aufgehoben gewesen, als B. dieses an sich nahm. Hat der Beschwerdeführer demnach mit dessen Aneignung fremden Gewahrsam gebrochen und eigenen begründet, so hat er den objektiven Tatbestand des
Art. 137 StGB
erfüllt; denn die Wegnahme geschah zumindest ohne den Willen des Geschädigten, und dass es sich um eine fremde Sache gehandelt hat, steht ausser Frage.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
50691fe5-38c7-4a23-8221-dfd85ca12582 | Urteilskopf
81 IV 60
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1955 i.S. Gross gegen Bundesanwaltsehaft. | Regeste
Art. 81 Abs. 2 ZG
schliesst nicht aus, dass jemand statt als Gehilfe als Mittäter bestraft werde. | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 81 IV 60 S. 61
A.-
David Gross und Juan Bogdanov Castillon kamen auf Vorschlag des ersteren überein, Photoapparate und Photomaterial von Deutschland nach Spanien zu schmuggeln. Gross bestellte solche Ware bei Jacobowicz in München, brachte etwa drei Viertel der Mittel auf, um sie bar zu zahlen, und verkaufte sie in Spanien weiter. Bogdanov Castillon beteiligte sich an der Finanzierung der Geschäfte zu etwa einem Viertel und sorgte für den Transport der Ware. Vom Gewinn erhielt jeder die Hälfte. In der Zeit vom 16. August 1952 bis 13. Februar 1953 führte Bogdanov Castillon auf Grund dieser Abmachung im Einvernehmen mit Gross in neun Fahrten etwa 540 kg Ware im Werte von etwa Fr. 170'280.-- in einem dazu hergerichteten Motorwagen ohne Bewilligung der Sektion für Ein- und Ausfuhr der Handelsabteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (Art. 1 BRB Nr. 65 über die Beschränkung der Einfuhr vom 3. November 1950) und unter Verletzung der Zollmeldepflicht in die Schweiz ein, wobei er ausser dem Zoll von Fr. 864.-- auch die Warenumsatzsteuer von Fr. 3283.20 und die Luxussteuer von Fr. 21'285.-- hinterzog. Nach der Einfahrt in die Schweiz traf er jeweilen in Zürich mit Gross zusammen. Meistens setzte er von dort aus die Fahrt nach Spanien in Begleitung des Gross fort, wobei die beiden die Schweiz in der Gegend von Genf verliessen, ohne die mitgeführte Ware zur Zollbehandlung anzumelden.
B.-
Am 13. Oktober 1953 verfällte das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement Gross und Bogdanov Castillon in Anwendung der Art. 74 Ziff. 3, 76 Ziff. 2, 77, 82 Ziff. 5, 85 des BG vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG), Art. 52, 53 des BRB vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer (WUStB) und Art. 41, 42 des BRB vom 13. Oktober 1942 über die Euxussteuer (LStB) in je eine Busse von Fr. 102'168.--. Die Busse gegen Gross, der gerichtliche Beurteilung verlangte, wurde am 16. Juni 1954 vom Kantonsgericht und am 5. November 1954 vom Obergericht des Kantons Schaffhausen bestätigt.
BGE 81 IV 60 S. 62
C.-
Gross führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an diese Instanz zurückzuweisen. Er macht geltend, es verletze
Art. 81 Abs. 2 ZG
in Verbindung mit
Art. 333 Abs. 1 StGB
. Nach ersterer Bestimmung, die als Sondernorm den allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorgehe, könne er entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht als Mittäter, sondern nur als Gehilfe bestraft werden; Täter sei nur Bogdanov Castillon, der die Ware über die Grenze geführt habe. Die Unmöglichkeit von Mittäterschaft bei rein subjektiver Teilnahme an der Entschliessung oder Planung im Zollstrafrecht erhelle aus der Feststellung, dass das Zollstrafrecht ursprünglich ein Verschulden des Täters gar nicht gekannt, sondern lediglich die formelle Zuwiderhandlung gestraft habe. Also habe nach Zollstrafrecht ein Nicht-Warenführer wegen Irrelevanz der subjektiven Verhältnisse unmöglich die Deklarationspflicht und Zahlungspflichten an der Grenze verletzen sondern nur Gehilfe sein können.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2.
Auch wenn sie [die Frage, ob Gross in bezug auf die dem Bogdanov Castillon zur Last fallenden Widerhandlungen Gehilfe oder vielmehr Mittäter sei] zu entscheiden wäre, könnte dem Beschwerdeführer unmöglich die Stellung eines blossen Gehilfen zuerkannt werden. Nach aussen als Käufer und Wiederverkäufer der Ware auftretend, verband er sich mit Bogdanov Castillon zu einer stillen Gesellschaft, um die Ware unter Begehung der strafbaren Handlungen von Deutschland durch die Schweiz nach Spanien zu verschieben. Er steht durch seine Teilnahme am Entschlusse, aus dem diese Handlungen hervorgegangen sind, ja als geistiger Urheber des ganzen Planes, in geradezu typischer Weise als Hauptbeteiligter da und wäre daher auch nach allgemeinem
BGE 81 IV 60 S. 63
Strafrecht als Täter (Mittäter) zu bestrafen (
BGE 69 IV 98
,
BGE 70 IV 102
,
BGE 76 IV 106
). Eine Sonderbestimmung, die gemäss
Art. 333 Abs. 1 StGB
den allgemeinen Normen vorginge, enthält
Art. 81 Abs. 2 ZG
nicht.
Art. 81 ZG
will nicht die Täterschaft von der Gehilfenschaft abgrenzen, sondern lediglich bestimmen, dass auch Anstifter, Gehilfen und Begünstiger strafbar seien. In Abs. 1 werden diese drei Formen der Beteiligung umschrieben, und Abs. 2 stellt klar, als Gehilfe gelte insbesondere, "wer Waren liefert oder vermittelt, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten oder beschränkt ist und von denen er weiss oder annehmen muss, dass sie dazu bestimmt sind, unter Verletzung bestehender Verbote oder Beschränkungen über die Grenze geschafft zu werden." Damit wird nur gesagt, dass auch schon das blosse Liefern oder Vermitteln von Schmuggelware Gehilfenschaft sein könne, dass es also nicht etwa, weil der Lieferant oder Vermittler weder die Ware selber über die Grenze schafft, noch Auftrag dazu erteilt, straflos sei. Dass jemand, der die Ware liefert oder vermittelt, immer nur als Gehilfe zu bestrafen sei, auch wenn seine Beteiligung im einzelnen Falle die Merkmale der Mittäterschaft aufweist, wird damit nicht bestimmt. Zu einer solchen Privilegierung des Mittäters hätte auch sachlich gar kein Anlass bestanden. Inwiefern sodann daraus, dass die Zollübertretungen unter altem Zollgesetz Strafe auch ohne Verschulden nach sich zogen, die Unmöglichkeit strafbarer Mittäterschaft sich ergeben sollte, ist schon an sich unverständlich, ganz abgesehen davon, dass das geltende Zollgesetz auf dem Boden des Verschuldensstrafrechts steht, obschon es freilich den Exkulpationsbeweis dem Angeschuldigten auferlegt (Art. 75 Abs. 3, 77 Abs. 4 ZG). Die Auffassung des Verteidigers, nur der Warenführer könne Täter sein, wird zudem durch
Art. 9 Abs. 1 ZG
unmissverständlich widerlegt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
5069a88b-1af1-481a-8dd3-15f1c3d9400a | Urteilskopf
117 Ia 465
72. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. November 1991 i.S. K. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit,
Art. 54 BV
;
Art. 8 und 12 EMRK
(Briefverkehr zwischen Untersuchungsgefangenen).
Das öffentliche Interesse an der Aufklärung von schweren Gewaltverbrechen und an einem ungestörten Gang des betreffenden Strafuntersuchungsverfahrens kann dem Wunsch des Angeschuldigten, einer inhaftierten Mitverdächtigen während des Untersuchungsverfahrens einen schriftlichen Heiratsantrag machen zu wollen, vorgehen. Die Zurückhaltung des fraglichen Briefes durch die Behörden im Falle von Kollusions- und Beeinflussungsgefahr verletzt weder die Bundesverfassung (persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit, Ehefreiheit) noch die entsprechenden Garantien der EMRK (E. 2-4). | Sachverhalt
ab Seite 465
BGE 117 Ia 465 S. 465
Die Bezirksanwaltschaft Zürich führt gegen K. eine Strafuntersuchung wegen verschiedenen schweren Gewaltverbrechen, darunter wegen mehrfachen Mordes. K. soll am 18./19. Februar 1990
BGE 117 Ia 465 S. 466
zusammen mit der Mitangeschuldigten L. die A. W. getötet, in mehrere Teile zerstückelt und in einem Bach beseitigt haben. Ausserdem wird K. vorgeworfen, am 26./27. September 1989 H. W. und am 28. März 1983 H. M. bewusstlos geschlagen und anschliessend mit Messerstichen in Hals, Gesicht und Oberkörper getötet zu haben. Die weiteren Delikte betreffen u.a. wiederholten Raub, versuchte Notzucht sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte.
Am 21. Februar 1990 wurden K. und L. in Untersuchungshaft gesetzt. Am 23. April 1991 schrieb K. der im Tötungsfall A. W. Mitangeschuldigten L. einen Brief, in dem er ihr Liebeserklärungen und einen Heiratsantrag machte. Mit Verfügung vom 26. April 1991 verweigerte die Bezirksanwaltschaft Zürich die Weiterleitung des Briefes gestützt auf §§ 48 und 53 der zürcherischen Verordnung über die Bezirksgefängnisse vom 19. April 1972. Ein von K. gegen diese Verfügung gerichteter Rekurs wies die Direktion der Justiz des Kantons Zürich mit Entscheidung vom 11. Juni 1991 ab. Gegen den ablehnenden Entscheid gelangte K. mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Er macht unter anderem eine Verletzung von
Art. 54 BV
sowie von
Art. 8 und
Art. 12 EMRK
geltend. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
ist ein Eingriff in das Recht auf freien Briefverkehr nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig ist. Diesbezüglich räumt der vom Beschwerdeführer ausdrücklich angerufene
Art. 8 EMRK
keine über die ungeschriebenen Verfassungsrechte der persönlichen Freiheit und der Meinungsäusserungsfreiheit hinausgehenden Rechte ein. Grundsätzlich zulässig ist insbesondere die Überwachung von Gefangenenpost durch die Behörden zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Gefängnisordnung, und bei Untersuchungsgefangenen die Briefkontrolle zur Verhinderung unangemessener Einflussnahmen auf das hängige Strafverfahren oder neuer strafbarer Handlungen (unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichtes vom 19. Januar 1988 i.S. S. K., E. 4c, S. 9 f., vom 2. November 1988 i.S. V. M., E. 3-4a, sowie vom 7. Mai 1987 i.S. A. L., E. 3b, S. 9). Indessen darf der Briefverkehr nur insoweit beschränkt werden, als dies der Zweck der Untersuchung oder die
BGE 117 Ia 465 S. 467
Anstaltsordnung erfordern (
BGE 107 Ia 149
mit Hinweisen; vgl. auch GIORGIO MALINVERNI, Le droit des personnes privées de liberté au respect de leur correspondance, in: Etudes en l'honneur de Jean Pictet, Genève/La Haye 1984, S. 90, 94). Das öffentliche Interesse am Eingriff ist dabei gegenüber dem Interesse des Betroffenen an der Achtung des Privat- und Familienlebens abzuwägen (vgl.
BGE 115 Ib 6
E. 3b, 7 f. E. 4).
In dem die Schweiz betreffenden Urteil vom 20. Juni 1988 i.S. Schönenberger und Durmaz hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass der Zweck der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen im Falle von Untersuchungsgefangenen empfindlichere Eingriffe rechtfertigen könne als bei Personen, die sich in Freiheit befinden (Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, vol. 137, Ziff. 25). Der Gerichtshof kam indessen zur Auffassung, dass der nicht weitergeleitete Brief eines Rechtsanwaltes an einen Untersuchungsgefangenen, in dem dieser auf sein Recht zur Aussageverweigerung hätte aufmerksam gemacht werden sollen, den Zweck der Untersuchung nicht gefährdete. Obwohl der betreffende Anwalt nicht formell bevollmächtigt war, betrachtete der Gerichtshof die Nichtweiterleitung des Briefes daher als nicht notwendigen und somit im Lichte von
Art. 8 EMRK
unzulässigen Eingriff in das Recht auf freien Briefverkehr (a.a.O., Ziff. 28 f.).
b) Gemäss dem vom Beschwerdeführer ausdrücklich angerufenen
Art. 12 EMRK
hat mit Erreichung des heiratsfähigen Alters jedermann das Recht, gemäss den einschlägigen nationalen Gesetzen eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Nach der Rechtsprechung der Strassburger Organe, welche insofern nicht über die Garantien von
Art. 54 BV
hinausgeht, wäre ein generelles Heiratsverbot für Strafgefangene unzulässig (vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl 1985,
Art. 12 N 2
). Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer jedoch nicht die Eingehung einer Ehe verweigert, sondern lediglich die Weiterleitung eines schriftlichen Heiratsantrages im derzeitigen Stadium des Strafverfahrens. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, sein Brief hätte im Hinblick auf die allfällige Vorbereitung einer Eheschliessung weitergeleitet werden müssen, geht seine Rüge daher nicht über diejenige der Verletzung von
Art. 8 EMRK
hinaus. Selbst wenn man die blosse Nichtweiterleitung eines Briefes dem Schutzbereich der besonderen Ehefreiheitsgarantie der EMRK
BGE 117 Ia 465 S. 468
unterstellen wollte, wäre nach der Rechtsprechung der Strassburger Organe eine Einschränkung des Rechtes auf Ehe insoweit zulässig, als überwiegende "anerkannte öffentliche Interessen" eine solche Massnahme notwendig erscheinen lassen (Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 10. Juli 1980 i.S. Draper c. GB, B 8186/78 = EuGRZ 1982, S. 532).
c) Auch
Art. 54 BV
gewährleistet dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keine über das Gesagte hinausgehenden Rechte. In einem nicht publizierten Entscheid aus dem Jahre 1981 hat das Bundesgericht zwar festgehalten, dass es grundsätzlich nicht in der Zuständigkeit der Verwaltungs- und Strafvollzugsbehörden liege, eine Eheschliessung von Strafgefangenen im Strafvollzug zu bewilligen oder zu verweigern (Urteil vom 18. November 1981 i.S. O. R. und E. S., E. 2, S. 7 f.). Im Gegensatz zum zitierten Entscheid geht es im vorliegenden Fall aber nicht um die Bewilligung einer Heirat von bereits verurteilten Häftlingen im Strafvollzug, sondern um die Beschränkung des Briefverkehrs zwischen Mitangeschuldigten während der laufenden Strafuntersuchung. Bei Kollusions- und Beeinflussungsgefahr sind gegenüber Untersuchungsgefangenen stärkere Eingriffe in die von der Bundesverfassung garantierte Ehefreiheit zulässig als gegenüber Häftlingen im Strafvollzug (vgl. DETLEV DICKE in Sammelkommentar BV, Bd. II,
Art. 54 N 53
). Zulässig ist insbesondere die Beschränkung des Besuchsverkehrs und die Überwachung von Gesprächen unter Ehegatten (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Februar 1988 i.S. R. P., E. 4).
d) Die Rüge der Verletzung von
Art. 4 BV
hat im vorliegenden Fall keine über das Dargelegte hinausgehende selbständige Bedeutung.
3.
Gemäss § 53 der zürcherischen Verordnung über die Bezirksgefängnisse vom 19. April 1972 (aGVO/ZH) unterliegen ein- und ausgehende Briefe der Kontrolle. Abs. 3 der Bestimmung lautet wie folgt:
"Der Briefverkehr mit Mitgefangenen und früheren Mitgefangenen (nahe
Angehörige ausgenommen) ist untersagt. Briefe, die den Haftzweck oder die
Sicherheit des Gefängnisses gefährden, werden nicht, Briefe, die sich auf
ein hängiges Strafverfahren beziehen, nur in der Korrespondenz mit dem
Verteidiger weitergeleitet. Der Gefangene ist zu informieren, wenn ein
Brief nicht weitergeleitet wird."
Am 1. Juni 1991 ist die revidierte Verordnung über die Bezirksgefängnisse vom 24. April 1991 (nGVO/ZH) in Kraft getreten (§ 80
BGE 117 Ia 465 S. 469
nGVO/ZH). Gemäss § 59 Abs. 4 nGVO/ZH werden Briefe, welche den Haftzweck oder die Sicherheit des Gefängnisses gefährden oder sich auf ein hängiges Strafverfahren beziehen, nicht weitergeleitet. Keiner Kontrolle unterliegt der Briefverkehr mit dem Verteidiger (§ 60 Abs. 1 nGVO/ZH). Obwohl der Entscheid der Bezirksanwaltschaft betreffend Nichtweiterleitung des Briefes an L. vom 26. April 1991 datiert, hat die Justizdirektion im vorliegenden Fall die revidierte Gefängnisverordnung zur Anwendung gebracht, weil diese für den Beschwerdeführer "günstiger" sei und der "künftige Briefverkehr (...) ohnehin nach der neuen Regelung zu beurteilen" sein werde. Da beide Verordnungen eine genügende gesetzliche Grundlage für die Beschränkung des Briefverkehrs im Sinne von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
darstellen, kann offengelassen werden, welche Regelung im vorliegenden Fall massgeblich ist. Nach der Rechtsprechung der Strassburger Organe sowie des Bundesgerichtes erfüllt auch ein materielles Gesetz, somit eine Gefängnisverordnung, die Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage für die Einschränkung des Briefverkehrs (Urteil des Gerichtshofes vom 25. März 1983 i.S. Silver u.a., Série A, vol. 61, Ziff. 86, 89 = EuGRZ 1984, S. 150; Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1975 i.S. Golder, Série A, vol. 18, Ziff. 45 = EuGRZ 1975, S. 100; betreffend aGVO/ZH vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 2. November 1988 i.S. V. M., E. 3, S. 5; Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 9. Mai 1977 i.S. X. c. CH, B 7736/77 = EuGRZ 1977, S. 298).
4.
a) Die kantonalen Instanzen begründen den Rückbehalt des Briefes vom 23. April 1991 damit, dass eine Weiterleitung den Haftzweck gefährden würde. Zwischen dem Beschwerdeführer als Absender und der Mitangeschuldigten L. als Adressatin bestehe Kollusionsgefahr. Der Beschwerdeführer wendet dagegen im wesentlichen ein, die Interessen der Verbrechensaufklärung müssten "hinter das Recht des Menschen auf freie Entfaltung, insbesondere das Recht auf Eingehen einer Ehe, zurücktreten". Ausserdem handle es sich um einen "gewöhnlichen Liebesbrief". Es sei nicht einzusehen, inwiefern dessen Inhalt den Untersuchungszweck gefährden könnte.
b) Es werden dem Beschwerdeführer ausserordentlich schwere Verbrechen vorgeworfen, darunter dreifacher Mord. Gemäss den Untersuchungsakten wird der Beschwerdeführer von verschiedenen Personen als Haupttäter belastet. Er selber bezeichnet sich als "Hauptverdächtiger". Die Adressatin des Briefes ist in einem der
BGE 117 Ia 465 S. 470
drei Tötungsfälle der Mittäterschaft verdächtig und befindet sich deswegen in Untersuchungshaft. Das Risiko einer Kollusion zwischen den beiden mutmasslichen Tatbeteiligten liegt somit auf der Hand.
Die Beeinflussungsgefahr erstreckt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch auf den Inhalt des fraglichen Briefes, der "lediglich" Liebeserklärungen und einen ausdrücklichen Heiratsantrag an L. enthält. Insbesondere ist zu befürchten, dass sich die Mitangeschuldigte unter dem Eindruck des Briefes zu Falschaussagen zugunsten des Beschwerdeführers verleiten lassen könnte. Dies gilt um so mehr, als aus den Akten eine hochgradige Beeinflussbarkeit und Labilität der Mitangeschuldigten L. im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers hervorgeht. In der untersuchungsrichterlichen Einvernahme hat sich L. dahingehend geäussert, dass sie dem Beschwerdeführer gewissermassen hörig und von ihm "abhängig" sei und "meistens" alles mache, was er ihr sage. Da der Beschwerdeführer in den untersuchungsrichterlichen Einvernahmen regelmässig keine oder nur unbrauchbare Aussagen gemacht hat, ist die Strafverfolgungsbehörde noch in besonderem Mass auf unbeeinflusste Aussagen von L. angewiesen. Liebesbeteuerungen und Heiratsanträge des Beschwerdeführers im jetzigen Zeitpunkt könnten aber geeignet sein, ihr Aussageverhalten zu beeinflussen. Aus den Untersuchungsakten ist ersichtlich, dass sich schon die heute geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers zu offenbar unrichtigen Aussagen, insbesondere zur Abgabe eines später widerrufenen Alibis zu seinen Gunsten, hat bewegen lassen.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Weiterleitung des fraglichen Briefes den Haftzweck der Verhinderung von Kollusion, das Ziel einer unverfälschten Verbrechensaufklärung und damit den Zweck der Strafuntersuchung gefährden würde. Es kann offengelassen werden, ob der schriftliche Heiratsantrag darüber hinaus in der rechtsmissbräuchlichen Absicht verfasst worden sein könnte, der Mitangeschuldigten L. während des laufenden Untersuchungsverfahrens ein allfälliges Zeugnisverweigerungsrecht zu verschaffen.
c) Das öffentliche Interesse an der Nichtgefährdung des Untersuchungszweckes ist dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an der Weiterleitung des Briefes gegenüberzustellen. Bei der entsprechenden Interessenabwägung ist insbesondere der Schwere der zu untersuchenden Straftaten Rechnung zu tragen. Zu
BGE 117 Ia 465 S. 471
berücksichtigen ist aber auch die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer entgegen seiner Darstellung nicht eine allfällige Eheschliessung mit L. zum vornherein verweigert wurde, sondern allein die Weiterleitung eines schriftlichen Heiratsantrages im jetzigen Stadium des Verfahrens. Es kann keine Rede davon sein, dass die "Braut" dazu "missbraucht" würde, den Beschwerdeführer in der Weise "unter Druck" zu setzen, dass er vor die Alternative gestellt wäre, "eine Tat (zu)zugeben" oder "nicht heiraten" zu dürfen. Das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung der erwähnten schweren Verbrechen und an einem ungestörten Gang des betreffenden Untersuchungsverfahrens geht aber dem Wunsch des Beschwerdeführers, einer inhaftierten Mitangeschuldigten während des Untersuchungsverfahrens einen schriftlichen Heiratsantrag machen zu wollen, eindeutig vor. Ein Rückbehalt von Briefen entsprechenden Inhalts hält vor der Verfassung allerdings nur so lange stand, als weiterhin Kollusionsgefahr besteht. Ob und inwieweit die Weiterleitung des Briefes vom 23. April 1991 in einem späteren Zeitpunkt geboten sein könnte, hat das Bundesgericht im übrigen nicht zu prüfen. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
5069e58e-99f5-419e-8d00-c2e6ee063955 | Urteilskopf
124 IV 106
20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. April 1998 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen K. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 270 Abs. 1 BStP
; Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons ist legitimiert, auch zugunsten des Beschuldigten Nichtigkeitsbeschwerde zu führen (E. 1).
Art. 197 Ziff. 3 StGB
; Einfuhr harter Pornographie zum eigenen Konsum.
Erwerb und Besitz harter Pornographie im Hinblick auf den eigenen Konsum sind nicht erfasst (E. 3b).
Herstellung und Einfuhr harter Pornographie sind strafbar, auch wenn der Täter ohne Verbreitungsabsicht, etwa im Hinblick auf den eigenen Konsum, handelt (E. 3c). | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 124 IV 106 S. 106
A.-
K. erstand anfangs August 1996 in Amsterdam drei Videokassetten, die sexuelle Handlungen mit Tieren und Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben. Die Kassetten sandte er zusammen mit 30 g Marihuana und 30 g Haschisch auf dem Postweg an seine Adresse in der Schweiz. Die Postsendung wurde durch das Zollamt Genf abgefangen.
BGE 124 IV 106 S. 107
B.-
Am 8. Januar 1997 verurteilte der Amtsgerichtspräsident von Solothurn-Lebern K. wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Konsum von Haschisch und Einfuhr von Haschisch und Marihuana zum Eigenkonsum) und Einfuhr von Pornographie zu 5 Tagen Haft bedingt und zu einer Busse von 300 Franken. Im weiteren ordnete er die Einziehung und Vernichtung der sichergestellten Videokassetten und Betäubungsmittel an.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft, die sich einzig gegen den Schuldspruch wegen Einfuhr von Pornographie richtete, stellte das Obergericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 10. September 1997 den Eintritt der teilweisen Rechtskraft in bezug auf die unangefochtenen Punkte des Urteilsdispositivs fest; im übrigen sprach es K. der Pornographie schuldig und verurteilte ihn zu 5 Tagen Haft, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges, sowie zu einer Busse von 300 Franken.
C.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit K. der Pornographie schuldig gesprochen wurde, und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der öffentliche Ankläger des Kantons (
Art. 270 Abs. 1 BStP
) hat öffentliche Interessen zu wahren. Verletzt seiner Meinung nach der angefochtene Entscheid Bundesrecht, ist er durch diesen beschwert und ohne Rücksicht auf seine Stellungnahme vor der kantonalen Instanz zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde sowohl zu Ungunsten als auch zu Gunsten eines Angeklagten legitimiert (
BGE 72 IV 163
; Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, Rz. 229). Voraussetzung ist indessen stets, dass ein rechtlich geschütztes Interesse an der materiellen Überprüfung des letztinstanzlichen kantonalen Entscheides besteht (SCHWERI, a.a.O., ebd.). Diese Legitimationsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt, in welchem die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft die Aufhebung des angefochtenen Entscheids im Schuldpunkt der Einfuhr harter Pornographie und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz beantragt.
BGE 124 IV 106 S. 108
2.
Gemäss Art. 197 Ziff. 3 i.V.m. Ziff. 1 StGB wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer pornographische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornographische Vorführungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht.
a) Nach Auffassung der Vorinstanz ist vorliegend der Straftatbestand der Einfuhr von pornographischen Bildaufnahmen, die sexuelle Handlungen mit Tieren und Gewalttätigkeiten zeigen, erfüllt. Im Katalog der in
Art. 197 Ziff. 3 StGB
aufgezählten Tathandlungen seien der Erwerb und der Besitz nicht enthalten. Daraus ergebe sich, dass der blosse Erwerb und Besitz harter Pornographie zum Eigenkonsum straflos seien. Bei den vom Gesetz aufgezählten Tathandlungen fehle ein die Strafbarkeit einschränkendes Tatbestandsmerkmal wie etwa das Handeln mit Verbreitungsabsicht. Der Wortlaut von
Art. 197 Ziff. 3 StGB
sei somit insoweit klar, als die Strafbarkeit der dort genannten Täterhandlungen grundsätzlich auch Verhaltensweisen umfasse, die ausschliesslich dem Eigenkonsum dienten. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergebe sich weiter, dass der Wortlaut der Bestimmung deren wahren Sinn wiedergebe. Es sei keineswegs ein Zufall oder ein Versehen, dass
Art. 197 Ziff. 3 StGB
bezüglich der Einfuhr harter Pornographie keine Verbreitungsabsicht fordere. Dieser Straftatbestand sei bewusst als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet worden. Die Intention des Gesetzgebers sei eindeutig dahin gegangen, die Schweiz soweit als möglich von solchen Erzeugnissen freizuhalten und, wie während den Beratungen in den eidgenössischen Räten mehrmals betont worden sei, diese schon an der Grenze aus dem Verkehr zu ziehen. So erkläre sich denn auch die auf den ersten Blick befremdliche Konsequenz, dass sich strafbar mache, wer harte Pornographie aus dem Ausland zum Eigenkonsum in die Schweiz bringe, hingegen straflos bleibe, wer solche Produkte in der Schweiz für denselben Zweck erwerbe; denn die Einfuhr auch ohne Verbreitungsabsicht erhöhe die abstrakte Gefahr, dass harte Pornographie auf den schweizerischen Markt gelange. Diejenigen Stimmen, welche eine Einschränkung der Strafbarkeit für sinnvoller hielten, seien mit ihrer Auffassung in den Räten nicht durchgedrungen. Zusammenfassend ergebe sich, dass auch die Einfuhr harter Pornographie mit der Absicht, sie für sich allein zu konsumieren, strafbar sei.
BGE 124 IV 106 S. 109
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe
Art. 197 Ziff. 3 StGB
bundesrechtswidrig ausgelegt. Der dort enthaltene Katalog von Tathandlungen sei abschliessend. Der von der Norm nicht erwähnte Erwerb und Besitz zum Eigenkonsum seien mithin straflos. Daraus ergebe sich weiter, dass der Gesetzgeber gerade kein absolutes Verbot der harten Pornographie habe festlegen wollen. Es gehe im Lichte von
Art. 1 StGB
deshalb nicht an, den straflosen Erwerb und Besitz harter Pornographie zum Eigenkonsum auf dem Umweg über die Einfuhr doch noch zu bestrafen. Wohl treffe es zu, dass
Art. 197 Ziff. 3 StGB
die Einfuhr harter Pornographie verbiete, ohne die Strafbarkeit ausdrücklich auf den Fall zu beschränken, dass sie in der Absicht der Weiterverbreitung erfolge. Eine ausdrückliche Nennung der Verbreitungsabsicht als Strafbarkeitsvoraussetzung sei indes gar nicht nötig, weil alle Täterhandlungen derart ausschliesslich die Angebotsseite beschlagen würden, dass bereits die Aufzählung selbst eine ausdehnende Anwendung auf den reinen Konsumenten verbieten würde. Diese Auffassung werde von der Doktrin einhellig geteilt.
3.
a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (ausführlich dazu
BGE 121 III 219
, insbesondere E. 1d/aa).
b) Fraglich ist zunächst, ob
Art. 197 Ziff. 3 StGB
in dem Sinne ein absolutes Verbot der harten Pornographie aufstellt, als auch der Erwerb und der Besitz solcher Erzeugnisse davon erfasst sind. Darauf scheint zunächst das vom Gesetzgeber mit der Strafnorm verfolgte Ziel des Jugendschutzes hinzudeuten, der es erfordere, "die harte Pornographie vollständig zu verbieten" (AB 1990 N 2331). Bereits die Botschaft des Bundesrates hatte die Bedeutung von
Art. 197 Ziff. 3 StGB
wie folgt zusammengefasst: "Ziffer 3 sieht ein absolutes Verbot der harten Pornographie vor" (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die
BGE 124 IV 106 S. 110
Sittlichkeit und gegen die Familie] vom 26. Juni 1985, BBl 1985 II 1091). Dementsprechend ist in den eidgenössischen Räten vorgebracht worden, schon das "Aufbewahren" harter Pornographie könne jugendgefährdend sein (AB 1987 S 402). Gestützt auf den Gesetzeswortlaut liesse sich sodann argumentieren, derjenige, der harte Pornographie besitze, "lagere" solches Material im Sinne von
Art. 197 Ziff. 3 StGB
. Einer derart extensiven Auslegung steht indessen entgegen, dass der Bundesrat in bezug auf die wortgleiche Umschreibung des verbotenen Verhaltens in
Art. 135 StGB
gegenüber den Räten ausdrücklich festgehalten hat, der blosse Besitz ohne Verbreitungsabsicht stelle kein "Lagern" im Sinne der Norm dar (Votum von Bundesrat Arnold Koller zu
Art. 135 StGB
, AB 1989 S 296, 299; in diesem Sinne neuerdings auch die Rechtskommission des Nationalrats in ihrer Stellungnahme zur parlamentarischen Initiative von Felten [Einführung der Strafbarkeit des Besitzes und Konsums von Kinderpornographie], AB 1996 N 910 f.). Auch nennt das Gesetz im detaillierten Katalog strafbarer Tathandlungen den Erwerb, den Besitz und den Konsum - anders als etwa Art. 19 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel (BetmG; SR 812.121) bei den Drogen - gerade nicht. Insofern ist die in
Art. 197 Ziff. 3 StGB
enthaltene Aufzählung strafbarer Verhaltensweisen als abschliessend anzusehen (Botschaft, a.a.O.,1091; GUIDO JENNY, in MARTIN SCHUBARTH/GUIDO JENNY/PETER ALBRECHT, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil, 4. Band: Delikte gegen die sexuelle Integrität und gegen die Familie, Bern 1997, Art. 197 N. 5). Auf dieser Grundlage vertritt das Schrifttum zu Recht die Auffassung, der Erwerb und Besitz harter Pornographie zum eigenen Konsum seien nach geltendem Recht straflos (URSULA CASSANI, Les représentations illicites du sexe et de la violence, ZStrR 111/1993, S. 439; JENNY, a.a.O., Art. 197 N. 5 und 23; FRANZ RIKLIN, Information Highway und Strafrecht, in RETO M. HILTY (Hrsg.), Information Highway, Bern 1996, S. 591 Fn. 126; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Aufl. Bern 1995, § 10 N. 16; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 197 N. 14; PHILIPPE WEISSENBERGER, Strafwürdiger Besitz von Kinderpornographie?, Zu den geplanten Gesetzesrevisionen im Bereich der harten Pornographie, AJP 3/98, S. 311 f.). In den eidgenössischen Räten wurde im Rahmen der jüngsten Diskussion um eine Verschärfung des Pornographieverbots die gleiche Auffassung zum Ausdruck gebracht (AB 1996 N 910; AB 1997 S 148 ff.).
BGE 124 IV 106 S. 111
c) Nach der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung ergibt sich aus der Straflosigkeit des Erwerbs und Besitzens harter Pornographie zum eigenen Konsum, dass auch das Herstellen und Einführen solcher Erzeugnisse zu diesem Zweck straflos bleiben müssten (CASSANI, ZStrR 111/1993, ebd.; dies., La responsabilité pénale du consommateur de pornographie enfantine, Medialex 1/98, S. 31; JENNY, a.a.O., Art. 197 N. 23; TRECHSEL, a.a.O., ebd.; unbestimmt STRATENWERTH, a.a.O., ebd.; a.M. WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312 Fn. 9). Dieser überwiegend vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden.
aa) Gemäss der Botschaft des Bundesrates dient die Vorschrift des
Art. 197 Ziff. 3 StGB
"in erster Linie einem vorbeugenden Jugendschutz" (Botschaft, BBl 1985 II 1091). Auch in der parlamentarischen Diskussion wurde der Gedanke des Jugendschutzes hervorgehoben (AB 1987 S 402; AB 1990 N 2331). Darin kommt die Befürchtung zum Ausdruck, die (gewollte oder unfreiwillige) Konfrontation mit den in
Art. 197 Ziff. 3 StGB
genannten Spielarten sexualbezogener Vorgänge oder Darstellungen könne die psychische und moralische Entwicklung junger Menschen nachteilig beeinflussen (JENNY, a.a.O., Art. 197 N. 23; STRATENWERTH, a.a.O., ebd.; TRECHSEL, a.a.O., Art. 197 N. 2; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312; kritisch aber CASSANI, ZStrR 111/1993, S. 437 f.). Als zentrales Rechtsgut dieser Vorschrift erscheint somit die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Insofern handelt es sich bei
Art. 197 Ziff. 3 StGB
um ein abstraktes Gefährdungsdelikt (Botschaft, a.a.O., 1089).
Als weiteren Gesichtspunkt nennt die Botschaft den Schutz der Erwachsenen, ohne freilich näher zu bestimmen, vor welchen Gefahren diese bewahrt werden sollen (Botschaft, BBl 1985 II 1091). Man wird - neben dem Gesichtspunkt des Schutzes vor ungewollter Konfrontation mit solchen Erzeugnissen - diesbezüglich auf den Gedanken abstellen müssen, den die Botschaft im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Gewaltdarstellungen im Sinne von
Art. 135 StGB
- der mit
Art. 197 StGB
eng verwandt ist - formuliert hat: Dass Gewaltanwendungen auf den Betrachter korrumpierend wirken könnten, d.h. an sich geeignet sind, beim Konsumenten die Bereitschaft zu erhöhen, selbst gewalttätig zu agieren oder doch die Gewalttätigkeit anderer gleichgültig hinzunehmen (Botschaft, BBl 1985 II 1047 f.; STRATENWERTH, a.a.O., § 4 N. 84; WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312 f.; im gleichen Sinne JÖRG REHBERG/NIKLAUS SCHMID, Strafrecht III, 7. Aufl. Zürich 1997, S. 419 § 60 Ziff. 4). Dies bedeutet
BGE 124 IV 106 S. 112
für den Tatbestand des
Art. 197 Ziff. 3 StGB
, dass die von dieser Vorschrift erfassten Tatobjekte auch wegen ihrer inhärenten Schädlichkeit im Sinne eines von ihnen wissenschaftlich nicht ausschliessbaren kriminogenen und ethisch desintegrierenden Einflusses auf die erwachsenen Konsumenten verboten sind. Dem Verbot der harten Pornographie liegt mit anderen Worten auch die Prämisse zugrunde, dass die im Gesetz genannten Darstellungen und Vorführungen beim Verbraucher u.a. die Bereitschaft erhöhen können, das Geschehen selbst nachzuahmen. In diesem Sinne will
Art. 197 Ziff. 3 StGB
insbesondere auch die potentiellen "Darsteller" harter Pornographie vor sexueller Ausbeutung, Gewalt und erniedrigender bzw. menschenunwürdiger Behandlung bewahren (WEISSENBERGER, a.a.O., S. 313; dahingehend [zu Art. 135] auch RIKLIN, Sinn und Problematik einer "Brutalonorm" im Strafgesetzbuch, in PETER GAUCH [Hrsg.], Das Menschenbild im Recht, Freiburg 1990, S. 421; a.M. CASSANI, Medialex 1/98, S. 27 und TRECHSEL, a.a.O., Art. 135 N. 2). Auch insofern geht es letzten Endes in jedem Fall um eine aus dem Konsum harter Pornographie sich ergebende abstrakte Rechtsgutsgefährdung (STRATENWERTH, a.a.O., § 4 N. 84 zu Art. 135).
bb) Wie die Beschwerdeführerin an sich zu Recht ausführt, stellt
Art. 197 Ziff. 3 StGB
Tathandlungen unter Strafe, von denen die Gefahr der Weiterverbreitung ausgehen kann ("herstellt, einführt"), oder die auf eine Verbreitung harter Pornographie ausgerichtet sind ("lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht"). Wie erwähnt, hat der Bundesrat im Rahmen der Beratungen im Sinne einer authentischen Interpretation ausgeführt, der blosse Besitz ohne Verbreitungsabsicht stelle kein "Lagern" im Sinne von
Art. 135 Abs. 1 und 197 Ziff. 3 StGB
dar. Daraus lässt sich indessen nicht ableiten, die Verbreitungsabsicht sei (auch) für die Tathandlungen des Herstellens und des Einführens ein subjektives Tatbestandsmerkmal. Denn der bundesrätliche Entwurf hat das im Vorentwurf noch enthaltene Erfordernis der Verbreitungsabsicht gerade gestrichen (dazu STRATENWERTH, a.a.O., § 10 N. 16). Ferner sind in den Räten Vorstösse gescheitert, die bei
Art. 135 StGB
einschränkend stets ein Verhalten fordern wollten, mit dem eine Verbreitungsgefahr oder doch die Gefahr verbunden ist, dass Jugendliche "Brutalos" zu Gesicht bekommen könnten, und zwar mit dem Argument, dass solchen Gefahren nur ein generelles Verbot wirksam begegnen könne (AB 1987 S 370 f.; STRATENWERTH, a.a.O., § 4 N. 98). Aus der Entstehungsgeschichte der
Art. 197 Ziff. 3
BGE 124 IV 106 S. 113
und 135 StGB
geht im weiteren hervor, dass der Gesetzgeber die Einfuhr der dort genannten Erzeugnisse in die Schweiz losgelöst von den Absichten des Täters unter Strafe stellen wollte, um damit die Grundlage für ein umfassendes Beschlagnahmen der Gegenstände zu schaffen. Auf diese Weise sollten legale Umgehungsmöglichkeiten - wie etwa der Einwand der Einfuhr zum Eigenkonsum - ausgeschlossen werden (dahingehend Botschaft, BBl 1985 II 1091, und AB 1987 S 370 f.).
Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen und den oben dargelegten Schutzzwecken der Norm ersehen lässt, sind die Herstellung und die Einfuhr harter Pornographie nicht ausschliesslich deshalb strafbar, weil sie Vorbereitungshandlungen zur Verbreitung der Erzeugnisse sein können. Vielmehr begründet auch derjenige, der ausschliesslich im Hinblick auf seinen eigenen Konsum harte Pornographie herstellt oder einführt, jedenfalls eine abstrakte Rechtsgutsgefährdung im oben (E. 3c/aa) umschriebenen Sinne. Gerade auch der vom Gesetzgeber hervorgehobene Gedanke der potentiell korrumpierenden Wirkung solcher Erzeugnisse auf den Verbraucher steht dem Ansinnen entgegen, die Strafbarkeit der fraglichen Tathandlungen generell auf die Fälle einzuschränken, in denen der Täter mit - im übrigen unter Umständen nur schwer nachweisbarer - Verbreitungsabsicht gehandelt hat (ähnlich WEISSENBERGER, a.a.O., S. 312 Fn. 9).
cc) Im vorliegenden Fall hat K. Videokassetten, die sexuelle Handlungen mit Tieren und Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, auf dem Postweg in die Schweiz eingeführt. Auch wenn die postalische Beförderung harter Pornographie als grundsätzlich zuverlässige Beförderungsart anzusehen ist, steigt mit ihr - etwa im Vergleich zu ihrem Besitz oder Erwerb in der Schweiz - die Gefahr, dass die Erzeugnisse auf dem Weg zum Adressaten oder am Bestimmungsort in Hände gelangen, für welche sie nicht bestimmt waren, und dass auf diese Weise der Inhalt der Postsendung von Dritten zur Kenntnis genommen wird.
dd) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt hat, indem sie ausgehend vom Charakter des
Art. 197 Ziff. 3 StGB
als abstraktem Gefährdungsdelikt K. wegen Einfuhr harter Pornographie verurteilt hat.
Es ist zwar einzuräumen, dass es befremdlich erscheinen mag, wenn einerseits der Erwerb und Konsum harter Pornographie straflos sind, das Einführen solcher Erzeugnisse im Hinblick auf den Konsum jedoch strafbar bleibt. Der Gesetzgeber hat aber offenbar
BGE 124 IV 106 S. 114
bei Einfuhrhandlungen die Gefahr einer nicht beabsichtigten Weiterverbreitung der Erzeugnisse höher veranschlagt, als die aus dem blossen Besitz harter Pornographie im Inland sich ergebende abstrakte Gefahr, dass Dritte vom Inhalt der fraglichen Produkte Kenntnis nehmen könnten (vgl. Botschaft, BBl 1985 II 1091 und AB 1987 S 370 f.). Daran zeigt sich, dass der geltenden Regelung kein Versehen des Gesetzgebers zugrundeliegt.
4.
(Kostenfolgen) | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
506ba425-0c6d-4b33-8a60-6710304afcbc | Urteilskopf
109 II 51
14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. März 1983 i.S. G. gegen Iren H.-M. (Berufung) | Regeste
Bäuerliches Vorkaufsrecht.
1. Zulässigkeit der Feststellungsklage des Käufers gegen den sein Vorkaufsrecht Ausübenden (E. 2).
2. Das EGG verbietet es einem nicht selbstbewirtschaftenden Vorkaufsberechtigten nicht, sein Vorkaufsrecht auch gegen einen selbstbewirtschaftenden Käufer durchzusetzen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 52
BGE 109 II 51 S. 52
Am 11. Februar 1981 schlossen M. und G. einen Kaufvertrag über das landwirtschaftliche Heimwesen ab, das M. schon seit mehreren Jahren nicht mehr selber bewirtschaftet, sondern an verschiedene Landwirte verpachtet hatte. Am 14. Juli 1981 wurde der Vertrag zum Eintrag im Grundbuch angemeldet. Der Grundbuchführer gab davon den gemäss Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vorkaufsberechtigten Nachkommen des Verkäufers Kenntnis. Am 27. Juli 1981 teilte Iren H.-M. dem zuständigen Grundbuchamt mit, dass sie das Vorkaufsrecht für das gesamte landwirtschaftliche Heimwesen ausübe.
Mit Klage an das Bezirksgericht P. stellte G. daraufhin das Rechtsbegehren, es sei richterlich festzustellen, dass das Vorkaufsrecht durch Iren H.-M. rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden und der vom Kläger mit M. abgeschlossene Kaufvertrag im Grundbuch einzutragen sei. Am 9. Januar 1982 wies das Bezirksgericht die Klage ab.
Eine dagegen erhobene Berufung an das Obergericht des Kantons Thurgau blieb ohne Erfolg. Gegen das obergerichtliche Urteil vom 23. September 1982 wendet sich G. mit Berufung an das Bundesgericht und beantragt, festzustellen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäss
Art. 6 ff. EGG
durch die Beklagte rechtsmissbräuchlich und damit ungültig sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Feststellungsklage richtet sich gegen eine gestützt auf gesetzliche Vorschrift vorkaufsberechtigte Person. Bei einer solchen
BGE 109 II 51 S. 53
Rechtslage stehen der Käufer der mit einem gesetzlichen Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaft und der Vorkaufsberechtigte, der sein Recht ausgeübt hat, in keinem Vertragsverhältnis zueinander. Sie treten nur insofern in eine rechtliche Beziehung, als es für beide um den Kaufvertrag geht, in den der sein Recht ausübende Vorkaufsberechtigte eintreten will. Das hindert indessen nicht daran, eine Feststellungsklage des Käufers gegen den Vorkaufsberechtigten zuzulassen, wenn der Feststellungskläger ein erhebliches rechtliches Interesse betreffend den Bestand oder Nichtbestand eines ausgeübten Vorkaufsrechtes nachzuweisen vermag (
BGE 101 II 187
und
BGE 96 II 131
je mit weiteren Hinweisen). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat eine Feststellungsklage des Verkäufers gegen den Käufer zugelassen (
BGE 90 II 33
E. 3). Eine entsprechende Klage einer gemäss
Art. 6 ff. EGG
allenfalls vorkaufsberechtigten Partei gegen den Käufer eines landwirtschaftlichen Grundstücks wurde in
BGE 97 II 280
f. E. 2 nur deshalb nicht als zulässig betrachtet, weil der Klägerin gegen den im Grundbuch schon eingetragenen Käufer und damit im Sinne einer Realobligation Verpflichteten auch die gleichzeitig geltend gemachte Klage auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums zustand. Im übrigen hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung in anderem Zusammenhang in Übereinstimmung mit der Lehre anerkannt, dass die Feststellungsklage nicht bloss rechtliche Beziehungen zwischen den Parteien oder einer Partei zu einer Sache sowie die daraus sich ergebenden Rechte und Pflichten, sondern auch Rechtsverhältnisse Dritter, z.B. die Rechtsbeziehung zwischen einem Dritten und einer Prozesspartei, zum Gegenstand haben kann, wenn der Kläger gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der verlangten Feststellung hat (
BGE 93 II 16
E. 2c). Ein solches Interesse ist zu bejahen, wenn es um die Frage geht, ob sich der Käufer eines Grundstücks durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht zurücksetzen lassen muss.
3.
Der Berufungskläger bestreitet nicht, dass Iren H.-M. als Tochter des Verkäufers gestützt auf
Art. 6 Abs. 1 EGG
grundsätzlich ein Vorkaufsrecht am landwirtschaftlichen Gewerbe zusteht, das ihm ihr Vater am 11. Februar 1981 verkauft hat. Indessen betrachtet er die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Berufungsbeklagte deshalb als rechtsmissbräuchlich, weil diese im Gegensatz zu ihm gar nicht daran denke, den landwirtschaftlichen Betrieb selber zu bewirtschaften. Vielmehr beabsichtige sie, dieses Heimwesen weiter zu veräussern. Bekanntlich habe ein Interesse daran
BGE 109 II 51 S. 54
bestanden, den landwirtschaftlichen Betrieb von M. in die zur Zeit noch nicht abgeschlossene Güterzusammenlegung einzubeziehen. Gerade dagegen aber habe sich der Verkäufer zur Wehr gesetzt. Iren H.-M. könne in diesem Lichte besehen nur als Strohmann gelten; sie habe das ihr zustehende Vorkaufsrecht daher für einen andern Käufer ausgeübt, was
Art. 9 Abs. 1 EGG
ausdrücklich verbiete.
a) Wenn der Berufungskläger davon ausgeht, dass die Ausübung eines Vorkaufsrechtes nach
Art. 6 Abs. 1 EGG
nicht dazu führen soll, dass der agrarpolitisch bedeutsame Grundsatz des Vorranges des Selbstbewirtschafters gegenüber dem nicht selbstbewirtschaftenden Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes missachtet wird, so mag dies ein Postulat de lege ferenda sein. Im geltenden Gesetz findet der Berufungskläger dafür keine Stütze. Zwar hat der Bundesrat in dem den Eidgenössischen Räten unterbreiteten Gesetzesentwurf zum Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 in Art. 7 Abs. 1 vorgesehen, dass das Vorkaufsrecht nur Berechtigten zustehen soll, sofern "sie das Gut selbst bewirtschaften wollen". In dieser Hinsicht ist das Parlament aber dem Bundesrat nicht gefolgt. Dies mit der Begründung, dass es in diesem Zusammenhang darum gehe, Bindungen in der Familie zu schützen (vgl. Sten.Bull. Nationalrat 1948, S. 409 f., und Ständerat 1949, S. 333 f., 432 f.). So spielt denn die Selbstbewirtschaftung im geltenden Gesetz nur insofern eine Rolle, als in
Art. 11 Abs. 2 EGG
unter ranggleichen Vorkaufsberechtigten, die alle ihr Vorkaufsrecht ausüben wollen, dem Selbstbewirtschafter der Vorzug gegeben wird. Zudem können gemäss
Art. 12 Abs. 1 EGG
Verwandte in gerader Linie das Vorkaufsrecht im Gegensatz zu andern Verwandten zum Ertragswert im Sinne des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen ausüben, sofern sie den landwirtschaftlichen Betrieb zur Selbstbewirtschaftung beanspruchen und hiefür geeignet erscheinen.
b) Zu beachten bleibt allerdings, dass der Vorkaufsberechtigte, der sein Recht ausübt, hinsichtlich einer Weiterveräusserung an beliebige Dritte nicht frei bleibt. Zum einen sieht
Art. 218 Abs. 1 OR
vor, dass landwirtschaftliche Grundstücke während einer Frist von zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden dürfen. Eine Ausnahme ist in
Art. 218bis OR
nur auf behördliche Bewilligung hin, und zwar bei Vorliegen wichtiger Gründe, vorgesehen. Zudem wäre auch in jedem Fall von Weiterveräusserung zu beachten, dass die
BGE 109 II 51 S. 55
in
Art. 6 ff. EGG
vorgesehenen Vorkaufsrechte erneut wirksam würden. Auch wenn zutreffen würde, was nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse (
Art. 63 Abs. 2 OG
) im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts durch Iren H.-M. keineswegs schon mit Sicherheit feststand, dass mit der Ausübung des Vorkaufsrechts nur bezweckt werden sollte, das landwirtschaftliche Heimwesen entgegen dem bisherigen Willen des Verkäufers in die noch nicht abgeschlossene Güterzusammenlegung einzubringen, so stünde daher noch nicht fest, ob dieses Ziel auch tatsächlich erreicht werden könnte.
c) Somit lässt sich aber auch nicht behaupten, das Vorkaufsrecht sei im Sinne von
Art. 9 Abs. 1 EGG
verbotenerweise für einen andern ausgeübt worden. Dieses gesetzliche Verbot unterstreicht den persönlichen Charakter des Vorkaufsrechts, wenn es weder einer Abtretung zugänglich sein, noch für einen andern soll ausgeübt werden können. Hingegen wurde bei dieser Bestimmung weiter nicht an den Fall der indirekten Stellvertretung gedacht, denn eine solche sollte schon auf anderem Wege in dem Rahmen ausgeschlossen bleiben, als eine Weiterveräusserung nicht anerkannten agrarpolitischen Zielen zuwiderlaufen darf. Daran ändert nichts, dass Art. 7 Abs. 2 des bundesrätlichen Gesetzesentwurfes, welcher im Gesetz als Art. 9 Abs. 1 übernommen wurde, insofern eine weitergehende Bedeutung haben konnte, als dort die Selbstbewirtschaftung im Vordergrund stand.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
506cb508-d2f5-46d7-a8e5-f8c680a7d905 | Urteilskopf
138 I 484
42. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Gemeinderat Arth, Amt für Raumentwicklung und Regierungsrat des Kantons Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_142/2012 vom 18. Dezember 2012 | Regeste
Art. 29 Abs. 1 und 2 BV
;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; Replikrecht im schriftlichen gerichtlichen Verfahren.
Es ist Aufgabe des Gerichts, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht der Parteien zu gewährleisten. Hierfür kann es genügen, eine Eingabe lediglich zur Kenntnisnahme zuzustellen (ohne Fristansetzung für eine allfällige Stellungnahme), wenn von der Partei erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nimmt oder eine Stellungnahme beantragt, sofern sie dies für erforderlich erachtet (E. 2.1-2.4).
Vorliegend durfte das Gericht einen Verzicht auf das Replikrecht annehmen (E. 2.5). | Sachverhalt
ab Seite 484
BGE 138 I 484 S. 484
A.
Das Bausekretariat der Gemeinde Arth stellte am 28. Juni 2010 fest, dass im Gewerbegebäude an der Gotthardstrasse "..." in Goldau/SZ (KTN 3040) unbewilligte Nutzungsänderungen bzw. Umbauarbeiten vorgenommen wurden. Am 25. Oktober 2010 ersuchte die X. AG um deren nachträgliche Bewilligung. Mit Beschluss vom 16. Mai 2011 erteilte der Gemeinderat Arth die Baubewilligung im Wesentlichen. Abgewiesen wurde dagegen das Gesuch um Einbau
BGE 138 I 484 S. 485
eines Wohnateliers: Dieses sei innert einer Frist von vier Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses aufzuheben und dürfe nicht weiter zum Wohnen benützt werden.
B.
Die X. AG focht den Beschluss des Gemeinderates Arth beim Regierungsrat des Kantons Schwyz an, welcher die Beschwerde am 2. November 2011 abwies, soweit er darauf eintrat. Das von der X. AG hierauf angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. Januar 2012 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Dagegen führt die X. AG beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.
Gestützt auf
Art. 23 Abs. 1 BGG
hat die Vereinigung sämtlicher Abteilungen des Bundesgerichts am 30. November 2012 über die Rechtsfrage entschieden, ob es im schriftlichen gerichtlichen Verfahren grundsätzlich geboten sei, Eingaben den Parteien, die durch einen Anwalt vertreten sind, unter Ansetzung einer Frist zur allfälligen Stellungnahme zuzustellen. Die Frage wurde im Sinne der nachstehenden Erwägungen (E. 2) entschieden.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil ihr das Verwaltungsgericht die Vernehmlassungen des Sicherheitsdepartements und des Gemeinderates Arth lediglich zur Kenntnis zugestellt habe, ohne ihr eine Frist zur Stellungnahme anzusetzen. Die Vorinstanz habe sodann rasch entschieden, so dass die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit mehr gehabt habe, sich zu den falschen bzw. unvollständigen Äusserungen des Departements und des Gemeinderates zu äussern, welche für den vorliegenden Entscheid wesentlich gewesen seien.
2.1
Gemäss
Art. 29 Abs. 1 und 2 BV
sowie
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen und strafrechtliche Anklagen) haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör und auf ein faires Gerichtsverfahren, unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit. Diese Garantien umfassen das Recht, von allen bei Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können, unabhängig davon, ob die Eingaben neue und/oder
BGE 138 I 484 S. 486
wesentliche Vorbringen enthalten (
BGE 137 I 195
E. 2.3.1 S. 197;
BGE 133 I 100
E. 4.3-4.7 S. 102 ff.). Es ist Sache der Parteien zu beurteilen, ob eine Entgegnung erforderlich ist oder nicht (Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR]
Nideröst-Huber gegen Schweiz
vom 18. Februar 1997,
Recueil CourEDH 1997-I S. 101
§ 29).
2.2
Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht dieses Replikrecht unabhängig davon, ob ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet, eine Frist zur Stellungnahme angesetzt oder die Eingabe lediglich zur Kenntnisnahme oder zur Orientierung zugestellt worden ist (
BGE 132 I 42
E. 3.3.3 und 3.3.4 S. 47;
BGE 133 I 98
E. 2.2 S. 99). Dabei wird erwartet, dass eine Partei, die eine Eingabe ohne Fristansetzung erhält und dazu Stellung nehmen will, dies umgehend tut oder zumindest beantragt; ansonsten wird angenommen, sie habe auf eine weitere Eingabe verzichtet (
BGE 133 I 100
E. 4.8 S. 105 mit Hinweisen; vgl. zuletzt Urteil 5A_42/2011 vom 21. März 2011 E. 2.2.2 mit Hinweisen, in: Pra 2011 Nr. 92 S. 657).
2.3
Die Beschwerdeführerin ist allerdings der Auffassung, die Vernehmlassungen hätten ihr mit einer Frist zur Stellungnahme und nicht lediglich mit dem Vermerk "zur Kenntnisnahme" zugestellt werden dürfen. Sie beruft sich hierfür auf das Urteil des EGMR i.S.
Schaller-Bossert gegen Schweiz
vom 28. Oktober 2010 § 42 (in: AJP 2011 S. 554).
In diesem Urteil bejahte der EGMR eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, weil die Beschwerdeführerin nicht effektiv in der Lage gewesen sei, auf die ihr zur Kenntnisnahme zugestellte Vernehmlassung spontan zu replizieren. Ausschlaggebend war der Umstand, dass der bundesgerichtliche Entscheid i.S.
Schaller-Bossert
gefällt worden war,
bevor
die neue bundesgerichtliche Praxis zum unbedingten Replikrecht der Parteien amtlich publiziert wurde. Zudem war die Beschwerdeführerin weder rechtskundig noch wurde sie im bundesgerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten.
Dagegen verneinte der EGMR eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
im Urteil
Joos gegen Schweiz
vom 15. November 2012 (insb. §§ 30-32). Er betonte, dass es Aufgabe der nationalen Gerichte sei sicherzustellen, dass die "minimal standards" i.S. von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
in jedem Einzelfall respektiert werden. Im konkreten Fall sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer Anwalt sei und von ihm erwartet werden könne, die publizierte bundesgerichtliche
BGE 138 I 484 S. 487
Praxis zum unbedingten Replikrecht zu kennen und sich entsprechend zu verhalten. Der Gerichtshof räumte ein, dass die Zustellung neuer Eingaben zur Kenntnisnahme, ohne Ansetzung einer Frist, zu Unsicherheit führen könne, weil die Partei nicht wisse, wie viel Zeit ihr für eine allfällige Eingabe zur Verfügung stehe. Diese Unsicherheit werde jedoch durch die Möglichkeit aufgewogen, eine Stellungnahme (mit Fristansetzung) zu beantragen. Das Bundesgericht habe nach Zustellung der zweiseitigen Vernehmlassung mehr als drei Wochen zugewartet. Der Beschwerdeführer habe somit genug Zeit gehabt, um den Inhalt der Vernehmlassung zu prüfen, zu entscheiden, ob er dazu Stellung nehmen wolle, und - wenn ja - eine Stellungnahme (mit Fristansetzung) zu beantragen.
2.4
Die zitierten Urteile des EGMR zu
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, wie auch die oben referierte bundesgerichtliche Praxis zu
Art. 29 BV
, gehen somit davon aus, dass es Aufgabe des Gerichts ist, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht der Parteien zu gewährleisten (vgl. auch MARKUS LANTER, Formeller Charakter des Replikrechts - Herkunft und Folgen, ZBl 113/2012 S. 167 ff., insb. S. 175 f.). Hierzu kann das Gericht einen zweiten Schriftenwechsel anordnen oder den Parteien Frist für eine allfällige Stellungnahme ansetzen (so grundsätzlich die Praxis des Bundesgericht; vgl. Urteil 5A_779/2010 vom 1. April 2011 E. 2.2, in: Pra 2012 Nr. 1 S. 1). Es kann Eingaben aber auch lediglich zur Kenntnisnahme zustellen, wenn von den Parteien erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nehmen oder eine Stellungnahme beantragen.
2.5
Vorliegend war die Beschwerdeführerin vor Verwaltungsgericht anwaltlich vertreten. Ihr Rechtsvertreter musste die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Replikrecht kennen und somit wissen, dass ihm auch bei der blossen Zustellung zur Kenntnisnahme ein Replikrecht zustand, das er innert angemessener Frist einzufordern hatte, ansonsten Verzicht angenommen würde.
Das Verwaltungsgericht stellte die dreiseitige Vernehmlassung des Sicherheitsdepartements und die zweiseitige Vernehmlassung der Gemeinde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 zur Kenntnisnahme zu. Das vorinstanzliche Urteil erging am 18. Januar 2012. Insofern stand der Beschwerdeführerin rund ein Monat zur Verfügung, um eine Stellungnahme einzureichen oder zumindest um die Ansetzung einer Frist zur Stellungnahme zu ersuchen.
BGE 138 I 484 S. 488
In ihrer Replik behauptet die Beschwerdeführerin zwar, dass dieser Zeitraum durch die Weihnachtsgerichtsferien verkürzt worden sei. Sie belegt dies aber nicht anhand des kantonalen Rechts (gemäss § 157 Abs. 2 der Justizverordnung des Kantons Schwyz vom 18. November 2009 gelten die Gerichtsferien bei Rechtsmittelverfahren in Planungs- und Bausachen nicht). Im Übrigen hätten die Gerichtsferien am 7. Januar 2012 geendet, d.h. der Beschwerdeführerin hätten noch 11 Tage bis zur Urteilsfällung am 18. Januar 2012 zur Verfügung gestanden. Schliesslich erfolgte auch im Zeitraum bis zum Versand des Urteils am 2. Februar 2012 keine Stellungnahme der Beschwerdeführerin.
Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz den Schluss ziehen, die Beschwerdeführerin habe auf ihr Replikrecht verzichtet.
2.6
Die Rüge der Verletzung des Replikrechts erweist sich daher als nicht stichhaltig. | public_law | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
50713dd4-92fd-47a3-b693-6c8f30c64ac6 | Urteilskopf
88 IV 69
21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. April 1962 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 312 StGB
.
Ein kantonaler Armeninspektor, der zu Unrecht Bedürftigkeitsausweise zum Bezuge von Armenbilletten ausstellt, verletzt wohl seine Amtspflicht, missbraucht seine Amtsgewalt aber nicht. | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 88 IV 69 S. 69
Aus dem Tatbestand:
A.-
X. hatte sich als kantonaler Armeninspektor mit der Unterstützung der Familie Z. zu befassen. Als Frau Z. schwanger wurde, entschloss sie sich im Einvernehmen mit X., die Schwangerschaft im Sinne des
Art. 120 StGB
unterbrechen zu lassen. Sie begab sich zu diesem Zwecke von Aarau nach Chur und Zürich, wo sie jeweils einen Arzt aufsuchte; X. stellte ihr für diese Reisen Transportgutscheine zum Bezuge von Armenbilletten aus.
BGE 88 IV 69 S. 70
B.-
Am 11. Dezember 1961 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau als Berufungsinstanz X. des fortgesetzten Amtsmissbrauchs im Sinne des
Art. 312 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen.
C.-
X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung, eventuell zur Ausfällung einer blossen Busse zurückzuweisen.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erklärt, auf Gegenbemerkung zu verzichten.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 312 StGB
wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer als Mitglied einer Behörde oder als Beamter seine Amtsgewalt missbraucht, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen.
Wie der Kassationshof in
BGE 76 IV 286
ausgeführt hat, geht diese Bestimmung weniger weit als Art. 53 lit. f des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 gegangen war, der einen allgemeinen Tatbestand der vorsätzlichen Verletzung der Amtspflicht enthielt.
Art. 312 StGB
erfasst nicht jede Verletzung der Amtspflicht, entgegen dem deutschen Randtitel nicht einmal jeden Missbrauch des Amtes, mag der Täter auch sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil verschaffen oder einem andern einen Nachteil zufügen wollen. Die Bestimmung verlangt vielmehr, dass die in der erwähnten Absicht vorgenommene Tat in einem Missbrauch der Amtsgewalt bestehe. Die Einschränkung der Strafbarkeit gegenüber dem frühern Bundesstrafrecht wird besonders deutlich in der Strafandrohung. Während nach der Bestimmung aus dem Jahre 1853, die übrigens bloss für eidgenössische, nicht aber für kantonale Amtspersonen galt, einfache Amtspflichtverletzungen nur mit Busse
BGE 88 IV 69 S. 71
bestraft wurden, bedroht
Art. 312 StGB
die Verletzung einer Amtspflicht durch Missbrauch der Amtsgewalt in jedem Falle mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis. Das kann nur heissen, dass der Gesetzgeber nicht jede noch so geringfügige Missachtung der Amtspflicht als Amtsmissbrauch bestraft wissen will; es ist vielmehr offensichtlich, dass er nur "einzelne Arten... besonders wichtiger Amtspflichtverletzung" (Botschaft S. 65), also solche, die durch besondere Merkmale gekennzeichnet sind, dem Strafgesetzbuch unterstellen, im übrigen aber die Ahndung von Amtspflichtverletzungen dem Disziplinarrecht und, soweit es sich um kantonale Amtspersonen handelt, dem Übertretungsstrafrecht der Kantone (
Art. 335 StGB
) überlassen wollte. Die nach
Art. 312 StGB
strafbare Amtspflichtverletzung zeichnet sich abgesehen von der Absicht, sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, dadurch aus, dass der Täter seine Amtsgewalt missbraucht. Ein solcher Missbrauch ist nach der angeführten Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn das Mitglied der Behörde oder der Beamte die Machtbefugnisse, die ihm sein Amt verleiht, unrechtmässig anwendet, d.h. kraft seines Amtes verfügt oder zwingt, wo es nicht geschehen darf.
Das hat X. dadurch, dass er Frau Z. zwei Bedürftigkeitsausweise zum Bezuge von Armenbilletten nach Chur und Zürich ausstellte, nicht getan. Freilich war der Bahnbeamte der Billetausgabestelle Aarau gegen Vorlage der Ausweise jeweils gehalten, Frau Z. ein Billet zum halben Preise abzugeben. Hiezu verpflichtet war der Beamte jedoch kraft der im Tarif der schweizerischen Transportunternehmungen enthaltenen Bestimmungen über Fahrvergünstigungen im Personenverkehr, nicht weil er der Amtsgewalt des kantonalen Armeninspektors unterworfen gewesen wäre; denn der Armeninspektor hat dem Bahnbeamten gegenüber keinerlei Befehls- oder Weisungsbefugnisse. Nur ein missbrauch von Machtbefugnissen aber,
BGE 88 IV 69 S. 72
welche das kennzeichnende Merkmal der Amtsgewalt sind, würde den Beschwerdeführer nach unbestrittener Meinung von Lehre und Rechtsprechung der Strafandrohung des
Art. 312 StGB
aussetzen (vgl. Komm. THORMANN/OVERBECK, Note 3 zu Art. 312; HAFTER, Bes. Teil II S. 831; SCHWANDER, Nr. 778; PETRZILKA, Zürcher Erläuterungen zum StGB S. 439). Was X. vorgeworfen wird, war eine Verletzung seiner Amtspflicht, nicht Missbrauch der Amtsgewalt; er ist daher von der Anschuldigung des Amtsmissbrauches freizusprechen.
2.
.....
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 11. Dezember 1961 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
50718486-00e4-413d-9103-c2b68a29b637 | Urteilskopf
112 V 229
40. Urteil vom 10. Juli 1986 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Ernst und Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich | Regeste
Art. 10 Abs. 2 lit. b, 18, 22 Abs. 1, 23 AVIG,
Art. 41 Abs. 1 AVIV
.
Anspruchsvoraussetzungen und Taggeldbemessung bei Teilarbeitslosigkeit. | Sachverhalt
ab Seite 229
BGE 112 V 229 S. 229
A.-
Die Versicherte war bei einem durchschnittlichen Arbeitspensum von 15 Wochenstunden als Aushilfstelefonistin beschäftigt, wobei die normale betriebliche Wochenarbeitszeit 43 Stunden betrug. Nach der Scheidung ihrer Ehe am 23. November 1983, anlässlich welcher ihr die elterliche Gewalt über ihre Tochter zugesprochen worden war, suchte die Versicherte vorerst erfolglos eine Ganztagesstelle. Sie meldete sich am 19. Januar 1984 bei der Arbeitslosenkasse zum Taggeldbezug ab 28. Dezember 1983 und besuchte vom gleichen Tage an bis Ende März 1984 die Stempelkontrolle. Während dieser Kontrollperioden übte sie die bisherige Teilzeitbeschäftigung weiterhin aus, womit sie im Januar 1984 Fr. 1'404.48 und in den Monaten Februar und März 1984 einen Lohn von je Fr. 1'524.82 verdiente. Auf Ende März 1984 löste sie das Teilzeitverhältnis auf, nachdem sie in einer anderen Firma eine Ganztagesstelle ab anfangs April 1984 gefunden hatte.
Die Arbeitslosenkasse nahm an, dass die Versicherte durch die Ehescheidung gezwungen gewesen sei, ihre unselbständige Erwerbstätigkeit zu erweitern. Deshalb sei sie von der Erfüllung der Beitragszeit befreit. Folglich belaufe sich ihr versicherter Tagesverdienst
BGE 112 V 229 S. 230
auf Fr. 80.--, welche Pauschale bei Versicherten ohne abgeschlossene Berufslehre oder gleichwertige Ausbildung massgeblich sei. Vom versicherten Verdienst (Fr. 80.--) stünden der geschiedenen und für die Tochter unterhaltspflichtigen Versicherten 80%, somit Fr. 64.-- je Tag zu, was bei 21 Bezugstagen einen monatlichen Anspruch von Fr. 1'344.-- ergebe. An diese Arbeitslosenentschädigung sei gemäss einer Weisung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) der während der Kontrollperioden Januar bis März 1984 erzielte Teilzeitverdienst anzurechnen. Da diese Entlöhnung (Fr. 1'404.48 bzw. Fr. 1'524.82) durchwegs höher sei als der monatliche Taggeldanspruch (Fr. 1'344.--), liege "keine entschädigungsberechtigte Differenz" vor. Mit dieser Begründung lehnte die Arbeitslosenkasse den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit vom 3. Januar bis 31. März 1984 ab (Verfügung vom 4. Mai 1984).
B.-
Die Versicherte liess hiegegen Beschwerde bei der Kantonalen Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich einreichen. Diese gelangte zur Auffassung, dass die von der Kasse angewendete bundesamtliche Weisung weder im Gesetz noch in der Verordnung eine genügende Grundlage finde, weshalb von einer Anrechnung des Teilzeitverdienstes auf die Arbeitslosenentschädigung abzusehen sei. Die für von der Erfüllung der Beitragszeit befreite Personen massgeblichen Pauschalansätze seien lediglich die Berechnungsgrundlage für das Taggeld, welches sich im übrigen nach den für alle Versicherten geltenden Bestimmungen ermittle. Da die Versicherte bei einer effektiv ausgeübten Teilarbeitszeit von 15 Wochenstunden im Verhältnis zur betrieblichen Normalarbeitszeit von 43 Wochenstunden nur im Umfange von 28 Stunden arbeitslos sei, betrage der versicherte Verdienst für sie nicht Fr. 80.--, sondern lediglich Fr. 52.10 je Tag (Fr. 80.-- : 43 x 28 = 52.10). Davon stünden ihr 80%, somit Fr. 41.70 als Taggeld zu. Die Rekurskommission hiess in diesem Sinne die Beschwerde, soweit sie darauf eintrat, gut und verpflichtete die Arbeitslosenkasse zur Zusprechung eines Taggeldes von Fr. 41.70 "ab 1. Januar 1984, sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt" seien (Entscheid vom 7. Dezember 1984).
C.-
Das BIGA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Während die Versicherte die Abweisung der Beschwerde beantragen lässt, verzichtet die Arbeitslosenkasse auf eine Vernehmlassung.
BGE 112 V 229 S. 231
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a)
Art. 8 Abs. 1 AVIG
zählt die für die Arbeitslosenentschädigung massgeblichen Anspruchsvoraussetzungen auf. Danach ist insbesondere erforderlich, dass der Versicherte ganz oder teilweise arbeitslos ist (
Art. 8 Abs. 1 lit. a AVIG
). Teilweise Arbeitslosigkeit liegt u.a. vor, wenn der Versicherte eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeitbeschäftigung sucht (
Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG
). Vorausgesetzt wird sodann ein anrechenbarer Arbeitsausfall (Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit
Art. 11 AVIG
), dessen Mindestmass bei einem Teilarbeitslosen zwei volle Arbeitstage beträgt, sofern diese innerhalb zwei Wochen ausfallen (
Art. 5 AVIV
). Im weitern muss der Versicherte die Beitragszeit erfüllen oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sein (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 13 f. AVIG). Befreit von der Erfüllung der Beitragszeit sind u.a. Personen, die wegen Scheidung ihrer Ehe gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern (
Art. 14 Abs. 2 AVIG
).
b) Von den Anspruchsnormen sind die Bestimmungen über die Bemessung der Arbeitslosenentschädigung zu unterscheiden. Diese finden sich in den
Art. 18 ff. AVIG
. Gemäss Art. 18 Abs. 1 erster Satz AVIG richtet sich der Entschädigungsanspruch nach dem anrechenbaren Arbeitsausfall während einer Kontrollperiode. Als solche gilt jeder Kalendermonat, für den der Arbeitslose Entschädigungsansprüche geltend macht (
Art. 18 Abs. 2 AVIG
). Laut
Art. 22 Abs. 1 AVIG
beträgt ein volles Taggeld 70%, für Verheiratete und ihnen durch den Bundesrat gleichgestellte Personen 80% des versicherten Verdienstes, wie er sich aus dem Bemessungszeitraum ergibt (Art. 23 Abs. 1 in fine AVIG in Verbindung mit
Art. 37 AVIV
). 80% stehen insbesondere einer geschiedenen Frau zu, welche als Inhaberin der elterlichen Gewalt für eine minderjährige Tochter zu sorgen hat (
Art. 33 Abs. 1 lit. b AVIV
in Verbindung mit
Art. 276 ZGB
). Hinsichtlich des versicherten Verdienstes gelten u.a. für von der Erfüllung der Beitragszeit befreite Personen angemessene Pauschalansätze, welche der Bundesrat festlegt (
Art. 23 Abs. 2 AVIG
). Für Personen, die sich nicht mindestens über eine abgeschlossene Berufslehre oder gleichwertige Ausbildung ausweisen können (
Art. 41 Abs. 1 lit. b AVIV
), beträgt der Pauschalansatz Fr. 80.-- im Tag (
Art. 41 Abs. 1 lit. c AVIV
).
c) Die Beschwerdegegnerin war im massgeblichen Zeitraum (Januar bis März 1984) teilweise arbeitslos. Sie hat ferner in diesen
BGE 112 V 229 S. 232
Kontrollperioden jeweils das Mindestmass des anrechenbaren Arbeitsausfalles erreicht. Auch ist sie wegen und im Rahmen der durch die Scheidung vom 23. November 1983 bedingten Erweiterung ihrer Erwerbstätigkeit von der Erfüllung der Beitragszeit befreit; deshalb hat sie insoweit als angelernte Telefonistin mit einjähriger Lehrzeit Anrecht auf einen versicherten Pauschalverdienst von Fr. 80.-- im Tag. Ob wegen zwingender Erweiterung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (
Art. 14 Abs. 2 AVIG
) die Pauschalregelung auch dann zur Anwendung käme, wenn der vom Versicherten durch seine beitragspflichtige Teilzeitarbeit im Bemessungszeitraum (
Art. 37 AVIV
) erzielte versicherte Verdienst den Pauschalansatz (
Art. 41 Abs. 1 AVIV
) übersteigen würde, kann offenbleiben; denn dies trifft im Falle der Beschwerdegegnerin unbestrittenerweise nicht zu.
Die Beschwerdegegnerin erfüllt somit sämtliche der hier näher zu prüfenden Anspruchsvoraussetzungen; auch ist ein versicherter Tagesverdienst von pauschal Fr. 80.-- ausgewiesen. Dennoch hält das BIGA dafür, dass kein Entschädigungsanspruch bestehe. Denn der von der Beschwerdegegnerin in den streitigen Kontrollperioden erzielte Teilzeitverdienst überschreite die höchstmöglichen, d.h. auf dem vollen versicherten Pauschalverdienst von Fr. 80.-- je Tag berechneten Taggeldbetreffnisse. Anders ist die Rekurskommission vorgegangen: sie hat von einer Anrechnung des Teilzeitverdienstes auf die Arbeitslosenentschädigung abgesehen, diese jedoch nicht auf dem vollen, sondern nur auf einem anteilmässigen versicherten Pauschalverdienst ermittelt. Dieser Anteil ergab sich aus dem Verhältnis des effektiven wöchentlichen teilweisen Arbeitsausfalles von 28 Stunden zum höchstmöglichen Arbeitsausfall im Umfange der betrieblichen Normalarbeitszeit von 43 Stunden. Es ist im Folgenden zu prüfen, welche dieser Auffassungen rechtmässig ist.
2.
a) Das BIGA verweist für seinen Standpunkt auf die von ihm erlassenen Weisungen im Kreisschreiben über die Arbeitslosenentschädigung (provisorische Fassung vom Februar 1984, Rz. 4.10). Das Kreisschreiben, erläutert das Bundesamt, gehe davon aus, dass Verdienste aus Teilzeitbeschäftigung von der Arbeitslosenentschädigung abzuziehen seien, "so dass der teilweise Arbeitslose insgesamt (Verdienst aus Teilzeitarbeit und Entschädigung) höchstens den Betrag erreichen" könne, "der ihm bei 100%iger Arbeitslosigkeit zustünde". Die gleiche Betrachtungsweise kommt auch in den Rz. 56 i.f., 178, 179.4 und 179.6 des
BGE 112 V 229 S. 233
überarbeiteten Kreisschreibens in der Fassung vom Juli 1985 zum Ausdruck. Diese Verwaltungsweisungen sind für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich. Er soll sie bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen (
BGE 110 V 268
oben mit Hinweisen). Er weicht anderseits insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (
BGE 111 V 259
Erw. 2 mit Hinweisen; ZAK 1986 S. 235 Erw. 2d).
b) Die Anrechnung des Teilzeitverdienstes auf das Taggeld gemäss der Verwaltungspraxis führt dazu, dass jeder Teilarbeitslose, dessen Einkommen auf den Beginn der Leistungsbezugszeit (
Art. 9 Abs. 2 AVIG
) im Vergleich zum massgeblichen Bemessungszeitraum (
Art. 37 AVIV
) nicht um wenigstens 20 bzw. 30% absinkt, keinen Entschädigungsanspruch hat; denn in diesen Fällen wird das vom Versicherten während der Teilarbeitslosigkeit erzielte Einkommen stets 80% bzw. 70% des versicherten Verdienstes (Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 23 Abs. 1 AVIG
und
Art. 37 AVIV
) übersteigen. Deshalb ergibt sich durch die Anrechnung des Teilzeitverdienstes auf die Arbeitslosenentschädigung von vornherein ein negativer Taggeldsaldo. Die gleiche Folge tritt nach der Verwaltungspraxis zwangsläufig ein, wenn die Einkünfte eines teilarbeitslosen Versicherten, der - wie die Beschwerdegegnerin - von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist, 80% bzw. 70% des für den versicherten Verdienst in solchen Fällen massgeblichen Pauschalansatzes erreichen oder übersteigen (
Art. 22 Abs. 1 und
Art. 23 Abs. 2 AVIG
in Verbindung mit
Art. 41 Abs. 1 AVIV
). Die Weisungen des BIGA schliessen somit einen Grossteil der teilarbeitslosen Versicherten zum vornherein vom Entschädigungsanspruch aus, obwohl das Gesetz ausdrücklich auch die Versicherten als anspruchsberechtigte Personen bezeichnet, welche einerseits eine Teilzeitbeschäftigung - und damit notwendigerweise auch ein Erwerbseinkommen - haben, anderseits eine Vollzeitarbeit suchen (Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 10 Abs. 2 lit. b AVIG
). Allein schon unter diesem gesetzlichen Gesichtspunkt ist die von der Verwaltungspraxis vorgesehene voraussetzungslose und undifferenzierte Anrechnung von Teilzeitverdienst auf den Taggeldanspruch unhaltbar. Soweit dem in ARV 1985 Nr. 8 S. 29 publizierten Urteil K. vom 24. Mai 1985 etwas anderes entnommen werden könnte, ist daran nicht festzuhalten.
BGE 112 V 229 S. 234
c) Das BIGA ist der Auffassung, hinsichtlich der Bemessung des Taggeldanspruches von teilarbeitslosen Versicherten liege eine Lücke vor, indem weder Gesetz noch Verordnung eine sachbezügliche Regelung aufweisen würden. Dem ist der bereits erwähnte
Art. 18 AVIG
entgegenzuhalten, welcher den Abschnitt über die Entschädigung einleitet. Das Gesetz legt hier an erster Stelle fest, dass sich der Entschädigungsanspruch nach dem anrechenbaren Arbeitsausfall während einer Kontrollperiode richtet. Der anrechenbare Arbeitsausfall ist daher ein Doppelbegriff: als Anspruchsvoraussetzung, welche das Gesetz in
Art. 11 AVIG
bzw.
Art. 5 AVIV
abschliessend umschreibt (
BGE 112 V 133
), bedeutet er ein gewisses Mindestmass an ausgefallenen Arbeitstagen; nebstdem ist er in masslicher Hinsicht die wichtigste Grundlage für den Entschädigungsanspruch als solchen (in diesem Sinne bereits zum alten Recht HOLZER, Kommentar zum Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, S. 120 f.). Dauer und Ausmass des anrechenbaren Arbeitsausfalles wirken sich daher auf den Entschädigungsanspruch aus. Der Ganzarbeitslose, der einen vollständigen Arbeitsausfall erleidet, hat einen vollen (
Art. 22 Abs. 1 AVIG
) und damit höheren Entschädigungsanspruch als der Teilarbeitslose, der - bei sonst gleichen Verhältnissen - z.B. noch halbtags erwerbstätig ist und daher nur einen hälftigen anrechenbaren Arbeitsausfall aufweist. Die Bedeutung des anrechenbaren Arbeitsausfalles für die Höhe des Entschädigungsanspruches ist auch aus
Art. 28 Abs. 4 AVIG
ersichtlich, laut dem solche Versicherte Anspruch auf ein halbes Taggeld haben, die zu mindestens 50% arbeitsfähig sind. Die gleiche Betrachtungsweise liegt dem unveröffentlichten Urteil Wisz vom 19. März 1986 zugrunde, wo das Eidg. Versicherungsgericht die Zusprechung eines halben Taggeldes an einen Versicherten bestätigte, der wegen seiner um die Hälfte verminderten Arbeitsfähigkeit nur eine Erwerbstätigkeit im Umfange von 50% ausüben konnte und daher nur in diesem Ausmass einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitt.
d) Das BIGA beruft sich im weitern auf die gesetzliche Regelung des Zwischenverdienstes. Nach Art. 18 Abs. 1 zweiter Satz AVIG wird ein allfälliger Zwischenverdienst bei der Ermittlung des anrechenbaren Arbeitsausfalles berücksichtigt. Als Zwischenverdienst gilt Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit, das der Arbeitslose innerhalb einer Kontrollperiode erzielt, wobei ein Nebenverdienst unberücksichtigt bleibt (
Art. 24 Abs. 1 AVIG
). Der Gesamtbetrag der Arbeitslosenentschädigung,
BGE 112 V 229 S. 235
auf den der Arbeitslose ohne Zwischenverdienst während der Kontrollperiode Anspruch hätte, wird um die Hälfte des Zwischenverdienstes gekürzt; ein allfälliger Restbetrag der Arbeitslosenentschädigung wird als Taggeld ausbezahlt, solange die Höchstzahl der Taggelder nicht bezogen ist, wobei jedoch der ganze Zwischenverdienst und die Taggelder zusammen 90% des versicherten Monatsverdienstes nicht übersteigen dürfen (
Art. 24 Abs. 2 AVIG
).
Zwischenverdienst erzielen jene Arbeitslosen, denen es gelingt, während der Leistungsbezugszeit eine Erwerbstätigkeit wiederaufzunehmen (Erw. 1 des in
BGE 111 V 255
Erw. 4 erwähnten Urteils Huguenin vom 19. Juni 1985). Dies trifft hier nicht zu, hat doch die Beschwerdegegnerin ihre Teilzeitarbeit bereits vor der Leistungsbezugszeit ausgeübt und während der drei streitigen Kontrollperioden beibehalten. Davon abgesehen, bestätigt die gesetzliche Regelung des Zwischenverdienstes das eben Gesagte, wonach der anrechenbare Arbeitsausfall die Höhe des Taggeldanspruches mitbestimmt. Gleichzeitig soll mit der Anrechnung von Zwischenverdienst eine Überentschädigung vermieden werden (HOLZER, a.a.O., S. 154), ein Gedanke, der beim Teilzeitverdienst ebenfalls zu berücksichtigen ist.
e) Nach dem Gesagten ist für die richtige Behandlung von Teilzeitverdienst, den ein Teilarbeitsloser während der Kontrollperioden erzielt, zunächst der Umfang des anrechenbaren Arbeitsausfalles festzustellen. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen der effektiven Teilarbeitszeit und der nach den jeweils herrschenden Umständen betriebs- oder branchenüblichen normalen Arbeitszeit. Nach Massgabe eines solchen teilweisen Arbeitsausfalles steht dem Versicherten grundsätzlich eine Arbeitslosenentschädigung zu. Für deren Bemessung wird ein versicherter Verdienst herangezogen, wie er sich aus
Art. 37 AVIV
oder - bei Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit - aus
Art. 41 AVIV
ergibt. Ist die Höhe des versicherten Verdienstes Ausdruck einer bereits im Bemessungszeitraum ausgeübten Teilzeitarbeit, so darf zwar - abgesehen von den hier nicht zutreffenden Fällen, wo dies gesetzlich vorgesehen ist (
Art. 39 und
Art. 40b AVIV
) - keine hypothetische Hochrechnung des versicherten Verdienstes erfolgen (
BGE 111 V 248
Erw. 3a). Folgerichtig hat dann aber die Anrechnung des Teilzeitverdienstes an den Taggeldanspruch zu unterbleiben; denn sonst würde der in den Kontrollperioden effektiv aufgetretene teilweise Arbeitsausfall nicht entschädigt, was das
BGE 112 V 229 S. 236
BIGA übersieht. Entspricht der versicherte Verdienst anderseits einer uneingeschränkten Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum, was im Falle der Befreiung von der Erfüllung von Beitragszeit sinngemäss auch für die Pauschalansätze gemäss
Art. 41 Abs. 1 AVIV
gilt, dann hat ebenfalls eine Anrechnung des Teilzeitverdienstes auf die Arbeitslosenentschädigung zu unterbleiben; doch ist in diesen Fällen der versicherte Verdienst nur nach Massgabe des teilweisen Arbeitsausfalles als Berechnungsgrundlage heranzuziehen, weil sonst die Taggeldzusprechung auf dem ungekürzten versicherten Verdienst zusammen mit dem Teilzeiteinkommen zu einer Überentschädigung führen könnte.
3.
Im Lichte dieser Grundsätze ergibt sich für die vorliegende Sache folgendes: Der versicherte Verdienst der Beschwerdegegnerin beträgt zufolge Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit Fr. 80.-- je Tag. Im Falle eines vollständigen anrechenbaren Arbeitsausfalles stünden ihr davon 80%, somit Fr. 64.-- je Tag als Entschädigung zu. Wegen der beibehaltenen Teilzeitarbeit von wöchentlich 15 Stunden hat sie im Hinblick auf die betriebliche Normalarbeitszeit von 43 Wochenstunden einen anrechenbaren Arbeitsausfall von 28 Stunden erlitten. Der versicherte Verdienst von Fr. 80.-- ist daher im Verhältnis des anrechenbaren Arbeitsausfalles zur betrieblichen Normalarbeitszeit, d.h. von 28/43 der Taggeldbemessung zugrunde zu legen, was Fr. 52.10 ausmacht. Davon stehen der Beschwerdegegnerin 80% zu, woraus sich ein Taggeld von Fr. 41.70 ergibt. In diesem Sinne ist die Rekurskommission richtig vorgegangen.
4.
a) Die Rekurskommission hat die Arbeitslosenkasse verpflichtet, der Beschwerdegegnerin ein Taggeld von Fr. 41.70 zu bezahlen, "sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt" seien. Damit wird die Sache richtigerweise an die Arbeitslosenkasse zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen und zur erneuten Verfügung zurückgewiesen. Das gleiche gilt hinsichtlich der 10tägigen Wartezeit gemäss
Art. 6 Abs. 3 AVIV
, welche die Beschwerdegegnerin als von der Erfüllung der Beitragszeit befreite Person - entgegen der erwähnten Rz. 56 des bundesamtlichen Kreisschreibens über die Arbeitslosenentschädigung - zu bestehen hat.
b) Mit einzubeziehen in die neue Überprüfung hat die Arbeitslosenkasse, entgegen dem diesbezüglichen Nichteintreten der Vorinstanz, auch die Zeitspanne vom 28. Dezember 1983 bis zum 2. Januar 1984, für welche Tage die Beschwerdegegnerin ebenfalls
BGE 112 V 229 S. 237
einen Entschädigungsantrag eingereicht und worüber die Arbeitslosenkasse zu Unrecht verfügungsweise nicht befunden hat. In bezug auf den 1. Januar 1984 hat die Kasse zu beachten, dass es sich hiebei um einen bezugsberechtigten Feiertag handelt (
Art. 19 AVIG
), der in die erste der vorliegend streitigen Kontrollperioden des Jahres 1984 fällt. Daher steht der Beginn der Stempelkontrolle erst am 3. Januar 1984 einer Entschädigung des Neujahrstages nicht entgegen. Anders verhält es sich mit dem 2. Januar 1984. Dieser Tag ist im Kanton Zürich kein entschädigungsberechtigter Feiertag (vgl. Verzeichnis der entschädigungsberechtigten Feiertage des BIGA, in: AlV-Praxis 86/1, Anhang). Der 2. Januar 1984 als Werktag ist daher arbeitslosenversicherungsrechtlich als gewöhnlicher Bezugstag zu betrachten.
5.
(Parteientschädigung.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
Subsets and Splits
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