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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
3e28243e-c5c1-4b96-a062-cb758ba9f5c2 | Urteilskopf
114 V 29
8. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1988 i.S. H. gegen Ausgleichskasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV | Regeste
Art. 15 und 16 IVG
: Berufliche Massnahmen; Anspruch beim Vollzug jugendstrafrechtlicher Erziehungsmassnahmen.
Der Vollzug einer Erziehungsmassnahme des Jugendstrafrechts nach
Art. 91 Ziff. 1 StGB
steht dem Anspruch auf Massnahmen beruflicher Art nicht entgegen (Bestätigung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 29
BGE 114 V 29 S. 29
Aus den Erwägungen:
1.
a) Voraussetzung für den Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung ist das Vorhandensein einer Invalidität im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 IVG
. Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat (
Art. 4 Abs. 2 IVG
).
Gemäss
Art. 15 IVG
haben Versicherte, die infolge Invalidität in der Berufswahl oder in der Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit behindert sind, Anspruch auf Berufsberatung. Die spezielle Invalidität im Sinne von
Art. 15 IVG
liegt in der gesundheitlich bedingten Behinderung in der Berufswahl oder in der Ausübung der bisherigen Tätigkeit des an sich zur Berufswahl fähigen Versicherten (ZAK 1977 S. 191 Erw. 2). In Betracht fällt jede körperliche oder psychische Beeinträchtigung, die den Kreis der für den Versicherten nach seiner Eignung und Neigung möglichen Berufe oder
BGE 114 V 29 S. 30
Betätigungen einengt oder die Ausübung der bisherigen Aufgabe unzumutbar macht. Ausgeschlossen sind geringste Behinderungen, die keine nennenswerte Beeinträchtigung zur Folge haben und deshalb die Inanspruchnahme der Invalidenversicherung nicht rechtfertigen (MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 157).
b) Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfange zusätzliche Kosten entstehen, haben nach
Art. 16 Abs. 1 IVG
Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht. Als erstmalige berufliche Ausbildung gilt laut
Art. 5 Abs. 1 IVV
jede Berufslehre oder Anlehre sowie, nach Abschluss der Volks- oder Sonderschule, der Besuch einer Mittel-, Fach- oder Hochschule und die berufliche Vorbereitung auf eine Hilfsarbeit oder auf die Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte.
Als invalid im Sinne von
Art. 16 IVG
gilt, wer aus gesundheitlichen Gründen bei einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Ausbildung erhebliche Mehrkosten auf sich nehmen muss. Bezüglich psychischer Beeinträchtigungen sind die von der Rechtsprechung zum invalidisierenden geistigen Gesundheitsschaden (
Art. 4 Abs. 1 IVG
) entwickelten Grundsätze (
BGE 102 V 165
) auch im Bereich des
Art. 16 IVG
massgeblich; dabei ist jedoch nicht die Erwerbstätigkeit, sondern der beabsichtigte Ausbildungsgang Bezugspunkt (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 162 f.).
2.
Für den Beschwerdeführer wurde bei der Invalidenversicherung einerseits um Berufsberatung (Anmeldung vom 23. September 1986) und anderseits um Beiträge an die Kosten der erstmaligen beruflichen Ausbildung (Anmeldung vom 20. Mai 1986; Abklärungsauftrag an die Regionalstelle auf Veranlassung der Jugendanwaltschaft) nachgesucht. Verwaltung und Vorinstanz haben den Anspruch des Beschwerdeführers auf berufliche Eingliederungsmassnahmen nur nach Massgabe von
Art. 16 IVG
geprüft. Gleichwohl ist der Anspruch im vorliegenden Verfahren im Lichte von
Art. 15 IVG
und
Art. 16 IVG
zu beurteilen, da alle Massnahmen beruflicher Art, die im Landheim B. durchgeführt werden, Streit- und Anfechtungsgegenstand bilden.
a) Während Invalidenversicherungs-Kommission und Vorinstanz das Vorliegen einer Invalidität im Sinne von
Art. 4 und
Art. 16 IVG
verneint haben, macht das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) geltend, eine abschliessende Stellungnahme zu dieser
BGE 114 V 29 S. 31
Frage sei noch nicht möglich, weil zunächst der Erfolg der "polizeilichen Massnahme" abzuwarten sei.
b) Diesen Auffassungen kann nicht gefolgt werden. Die Argumentation des BSV, dass "eine polizeiliche Massnahme, wie sie vorliegend erfolgte, allfälligen IV-Massnahmen immer vorgeht, weil sie u.a. in die Freiheit des Eingewiesenen eingreift und ihn einem Zwang unterwirft, der seine Kapazitäten im beruflichen Bereich durch die im Massnahmenvollzug geforderten Tätigkeiten bindet und so keinen Raum mehr für IV-Massnahmen lässt", geht am Kern der Sache vorbei. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine polizeiliche Massnahme, sondern um eine vorsorglich angeordnete Erziehungsmassnahme des Jugendstrafrechts im Sinne von
Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
(Unterbringung in einem Erziehungsheim). Nach
Art. 98 Abs. 1 und 2 StGB
hätte die Jugendanwaltschaft von dieser Massnahme absehen können, wenn die Invalidenversicherung früher geeignete berufliche Massnahmen gewährt hätte. Eine Priorität strafrechtlicher Massnahmen vor solchen der Invalidenversicherung besteht nicht. Wie das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil F. vom 27. November 1987 (ZAK 1988 S. 176) entschieden hat, sind nach
Art. 16 IVG
selbst Versicherte anspruchsberechtigt, die wegen Alkoholmissbrauchs oder Drogensucht gestützt auf Art. 44 Ziff. 1 bzw. Ziff. 6 StGB in eine Heilanstalt eingewiesen wurden. Dasselbe gilt umso mehr auch bei jugendstrafrechtlichen Massnahmen, wie das Eidg. Versicherungsgericht bereits in EVGE 1969 S. 108 und ZAK 1970 S. 120 (Massnahmen nach
Art. 92 StGB
in der damals geltenden Fassung) festgestellt hat. Der Umstand, dass die urteilende Behörde dem Jugendlichen laut
Art. 91 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
jederzeit Weisungen u.a. über die Erlernung eines Berufes erteilen kann, steht dem nicht entgegen; allerdings ist in einem solchen Falle ein Zusammenwirken oder zumindest eine Koordination der Tätigkeit der Jugendstrafbehörde mit den Organen der Invalidenversicherung erforderlich.
c) Das Gutachten der Externen Psychiatrischen Dienste des Kantons Thurgau vom 20. März 1987 enthält die Diagnosen: "Verzögerte Persönlichkeitsentwicklung mit Einschränkungen im affektiven Bereich, mit verminderter Belastbarkeit und Leistungsverminderung, mit unausgereifter Beziehungsfähigkeit. Geistige Minderbegabung. Schwerhörigkeit beidseits." Abschliessend stellen die Ärzte fest, dass wirkungsvolle Hilfe nur ein Heim mit pädagogisch-therapeutischem Rahmen geben könne. Der Beschwerdeführer
BGE 114 V 29 S. 32
sei zur Zeit nicht in der Lage, auf Dauer eine Arbeit in der freien Marktwirtschaft auszuüben. Die Regionalstelle bestätigt im Bericht vom 9. Juli 1986, dass mehrere Versuche, den Beschwerdeführer in der freien Wirtschaft auszubilden, an der verminderten geistigen Beweglichkeit und der Hörbehinderung gescheitert sind. Aufgrund dieser übereinstimmenden Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer invaliditätsbedingt auf berufliche Eingliederungsmassnahmen angewiesen ist. Das Bestehen einer Invalidität hat im übrigen die Invalidenversicherung früher selbst angenommen, als sie dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 15. Juni 1976 Sonderschulmassnahmen nach
Art. 19 IVG
gewährte. Wenn die kantonale Rekurskommission die Invalidität verneint hat, weil der Intelligenzquotient des Beschwerdeführers die Grenze gemäss
Art. 9 Abs. 1 lit. a IVV
überschreite, hat sie verkannt, dass nebst der geistigen Minderbegabung eine beidseitige Schwerhörigkeit vorliegt (
Art. 9 Abs. 1 lit. e IVV
), was nach Abs. 2 der zitierten Verordnungsbestimmung für eine (sonderschul-)leistungsbegründende Invalidität ausreicht. Im übrigen ist zu beachten, dass für berufliche Massnahmen - im Gegensatz zu den Sonderschulmassnahmen - in der IVV kein bestimmter Intelligenzquotient festgelegt ist. Im Urteil P. vom 22. Juni 1982 (ZAK 1982 S. 456) hat das Eidg. Versicherungsgericht zwar die damals geltende Verwaltungspraxis, wonach der für die Beiträge an die Sonderschulung festgelegte Intelligenzquotient in der Regel auch für berufliche Eingliederungsmassnahmen massgebend sei (Rz. 10 der Wegleitung des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Fassung vom 1. Januar 1979), nicht beanstandet, dies aber nur unter dem Vorbehalt von Ausnahmen in besonders gelagerten Fällen.
d) Gestützt auf das Gutachten der Externen Psychiatrischen Dienste des Kantons Thurgau (vom 18. Mai 1987) und die Abklärungen der Regionalstelle ist als erstellt zu betrachten, dass der Beschwerdeführer, auch ohne straffällig zu werden, aus invaliditätsbedingten Gründen berufliche Massnahmen benötigt hätte. Die Invalidenversicherung ist daher grundsätzlich leistungspflichtig. Dass die Eingliederung mit dem jugendstrafrechtlichen Massnahmenvollzug zusammenfällt, ist nach dem Gesagten unerheblich. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3e2861b3-3b04-4912-b856-28297ae6a21c | Urteilskopf
95 II 126
18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 13 mai 1969 dans la cause Hoirs de Josefa Spreuer contre Béatrice Spreuer. | Regeste
Verjährung. Begriff des Dienstboten im Sinne von
Art. 134 Abs. 1 Ziff. 4 OR
(Erw. 1).
Dienstvertrag. Entgegennahme von Diensten, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist (
Art. 320 Abs. 2 OR
). Mitarbeit der Ehefrau eines von zwei Kollektivgesellschaftern in dem von der Gesellschaft betriebenen Unternehmen (Erw. 2 u. 3).
Unwiderleglichkeit der von
Art. 320 Abs. 2 OR
aufgestellten Vermutung (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 127
BGE 95 II 126 S. 127
A.-
Edouard Spreuer, né en 1887, mécanicien, a exploité durant de nombreuses années un garage à Genève. Bien qu'il ait été inscrit au registre du commerce comme seul titulaire de l'entreprise jusqu'en 1951, il a collaboré dès 1932 avec son fils, né en 1912, mécanicien comme lui et portant le même prénom. En revanche, il est resté seul propriétaire des immeubles affectés au garage.
Spreuer fils s'est marié en 1939 avec Béatrice Berthoud, née en 1910. Aucun enfant n'est issu de leur union. Les époux Spreuer-Berthoud ont occupé un appartement de deux pièces au deuxième étage de l'un des bâtiments de Spreuer père. Celui-ci vivait avec sa femme, née Stutz, au premier étage du même bâtiment. Les deux couples prenaient leurs repas ensemble et les époux Spreuer-Berthoud bénéficiaient en fait gratuitement de la nourriture et du logement. Le loyer, toutefois, était porté en compte, à raison de 600 fr. par an pour chaque logement, lors de l'établissement des bilans de l'entreprise exploitée par le père et le fils Spreuer. Dès 1945 en tout cas, dame Spreuer-Berthoud a travaillé au garage, assumant notamment seule tous les travaux de bureau et s'occupant de la partie administrative.
Le 12 juillet 1951, Spreuer père et fils ont constitué une société en nom collectif. Le contrat constate que Spreuer fils est déjà propriétaire de la moitié du fonds de commerce et que l'apport de chacun des associés consiste en la moitié de l'actif et du passif de l'entreprise. Il prévoit que le décès d'un associé entraînera la dissolution, le survivant pouvant continuer seul l'exploitation à condition de désintéresser les héritiers du défunt. La constitution de la société n'a pas changé la position de dame Spreuer-Berthoud, qui a continué à travailler au garage comme auparavant. L'entreprise occupait six ou sept ouvriers.
Spreuer fils est décédé le 26 juin 1963, sans avoir pris de dispositions pour cause de mort et laissant comme héritiers sa veuve et ses parents. L'exploitation du garage s'est poursuivie
BGE 95 II 126 S. 128
jusqu'à fin avril 1964. L'actif de l'entreprise et les immeubles ont alors été vendus à un tiers. Le 29 mai 1964, dame Spreuer-Berthoud a reçu par l'intermédiaire d'un notaire une somme de 100 000 fr. pour solde de ses droits dans la succession de son mari.
Spreuer père est décédé le 2 octobre 1965. Sa femme, sa seule héritière, lui a survécu un peu moins de trois mois. Elle laisse comme héritiers sept frères et soeurs, qui ont accepté la succession. Dame Spreuer-Berthoud a reçu de cette hoirie une somme de 5000 fr. pour le travail accompli en faveur de ses beauxparents depuis le 1er mai 1964.
B.-
Par acte du 30 décembre 1966, dame Spreuer-Berthoud a assigné devant le Tribunal des prud'hommes de Genève les hoirs de dame Spreuer-Stutz en paiement de 75 000 fr. de salaire pour son activité dans l'entreprise du 1er mai 1959 au 30 avril 1964 et de 9000 fr., sous imputation de 5000 fr. déjà reçus, pour le travail fourni du 1er mai 1964 à fin décembre 1965. Le tribunal a admis la demande à concurrence de 12 000 fr., soit pour la période courant du 26 juin 1963 au 30 avril 1964 et l'a rejetée pour le surplus.
Statuant le 5 décembre 1968, la Chambre d'appel des prud'hommes a réformé ce jugement et alloué à la demanderesse, en plus des 12 000 fr. adjugés en première instance, un montant de 30 000 fr. pour le travail effectué du 1er mai 1959 au 26 juin 1963. Rejetant l'exception de prescription, la cour cantonale a estimé en bref que des circonstances particulières justifiaient en l'espèce l'application de l'art. 320 al. 2 CO, soit notamment l'intensité du travail, le fait qu'il était accompli non pas pour le mari seulement, mais pour une société à laquelle le mari n'était intéressé que pour moitié et de laquelle il ne recevait qu'un très modeste salaire.
C.-
Les hoirs de dame Josefa Spreuer-Stutz recourent en réforme et requièrent que la demanderesse soit totalement déboutée. L'intimée conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les recourants soutiennent que la demande est prescrite. Ils ont tort. Comme l'a relevé la cour cantonale, citant l'arrêt Brenn (RO 90 II 443 s.), il faut entendre par domestique, au sens de l'art. 134 ch. 4 CO, non seulement celui qui travaille dans le ménage, mais aussi celui qui déploie son activité dans
BGE 95 II 126 S. 129
une entreprise que l'employeur exploite en connexion étroite avec son ménage et qui vit dans la communauté domestique de l'employeur, comme un membre de la famille. Tel était le cas de la demanderesse, épouse et bru des deux associés qui recouraient à ses services et dont les deux ménages, vivant sous le même toit et prenant leurs repas ensemble, formaient une communauté domestique. Les égards que la demanderesse devait à son mari et à son beau-père lui interdisaient de formuler une réclamation contre la société sous forme d'un commandement de payer. Les considérations qui ont dicté la règle de l'art. 134 ch. 4 CO valent également pour sa situation.
2.
En l'absence d'un contrat de travail, la demanderesse ne peut fonder ses prétentions que sur la présomption instituée par l'art. 320 al. 2 CO. Il s'agit d'apprécier si, "d'après les circonstances, le travail ne devait être fourni que contre un salaire". Une jurisprudence bien établie (RO 74 II 202;
82 II 94
) approuvée par la doctrine (LEMP, Kommentar, N. 21 ad art. 159, N. 51 ad art. 161 CC) refuse en principe de mettre au bénéfice de cette présomption la femme qui collabore à l'activité professionnelle de son mari. Même lorsque son activité dépasse les limites de ce que lui impose son devoir d'assistance, la collaboration de la femme mariée n'est pas celle d'une employée, mais celle d'une épouse intéressée à la prospérité commune et légalement tenue de l'assurer (art. 159 CC). Les services que se rendent les époux ont normalement pour cause non l'attente d'une rémunération, mais bien plutôt les liens affectifs et la communauté d'intérêts qui les unissent. Les arrêts cités, toutefois, n'excluent pas que des circonstances particulières appellent une solution différente. Ils réservent au contraire expressément cette possibilité. La cour cantonale, qui ne remet pas en cause le principe, estime que la présente espèce justifie une exception.
3.
a) Du vivant de son mari, la demanderesse a fourni une activité régulière, s'exerçant toute la journée, parfois le soir, souvent le dimanche. Elle accomplissait seule tout le travail administratif et de bureau, la comptabilité, l'expédition des pièces détachées. Elle débitait l'essence.
Une telle activité excède l'aide que prévoit l'art. 161 CC, même si la demanderesse était déchargée d'une partie de ses travaux ménagers. Ce n'est cependant pas décisif pour la question à juger (RO 82 II 96).
BGE 95 II 126 S. 130
b) Dame Spreuer travaillait pour une société en nom collectif dont son mari était l'un des associés. Sans doute Spreuer était-il fils unique et l'intérêt à la prospérité de l'entreprise se confondait-il virtuellement avec son propre intérêt, puisqu'il était appelé à succéder à ses parents. Il n'en demeure pas moins qu'il n'avait qu'une part dans la société et pour le reste une simple expectative. Il percevait un salaire, fort modeste, qui ne comprenait certainement pas le travail de sa femme. Ainsi 1,"aide", au sens de l'art. 161 CC, que la demanderesse lui aurait apportée était-elle tout à fait indirecte. Pour une moitié au moins, l'activité de celle-ci profitait à son beau-père. On ignore pour le surplus si les bénéfices comptabilisés par la société étaient distribués: la cour cantonale tient pour probable qu'ils ont servi en partie à amortir le prix des immeubles, propriété de Spreuer père.
Le présente cause diffère ainsi profondément des cas précédemment jugés, où l'activité de la femme profitait directement et exclusivement au mari, soit à l'union conjugale. Ici, le travail de la demanderesse a été fourni à la société en nom collectif. Le fait que le mari était membre de cette société n'exclut pas que, selon une appréciation objective des circonstances de la cause, un tel travail ne devait être fourni que contre salaire. Si, comme en l'espèce, l'associé perçoit en vertu du contrat un salaire, qui constitue une créance contre la société (art. 558 al. 3, 560 CO), à plus forte raison le conjoint de cet associé peut-il se voir reconnaître un droit à un salaire.
c) L'arrêt déféré constate au surplus qu'à la différence des cas visés par les arrêts précités, l'activité de la demanderesse n'a guère procuré au ménage Spreuer fils l'avantage financier auquel il aurait pu prétendre en raison de la qualité d'associé du mari et du travail effectivement fourni: le salaire perçu était fort modeste, les conditions de logement l'étaient également et une partie des bénéfices au moins était affectée à l'amortissement du prix des immeubles propriété de Spreuer père. La demanderesse n'a donc pas trouvé la compensation de ses efforts dans une aisance accrue. La contrepartie du travail qu'elle a fourni à la société résidait principalement, si ce n'est exclusivement, dans l'expectative que les droits successoraux du mari représentaient. Elle était donc indirecte, à terme et éventuelle.
d) Vu ces circonstances, considérées dans leur ensemble, l'activité de la demanderesse se situe trop en dehors de l'aide
BGE 95 II 126 S. 131
qu'une femme est juridiquement tenue d'apporter à son mari pour que puisse être écartée la présomption de l'art. 320 al.2 CO. En soi, le travail qu'elle a fourni méritait salaire. Si elle avait élevé une prétention dans ce sens au cours de ses premières années d'activité, elle aurait pu invoquer cette disposition avec de bons motifs.
4.
Les défendeurs font valoir que la demanderesse n'a pas établi avoir jamais réclamé le paiement d'un salaire du vivant de son mari, soit pendant plus de quatre ans. Dame Spreuer paraît ainsi avoir considéré que les avantages qu'elle pouvait attendre d'une amélioration future de la situation du ménage constituaient la contrepartie de ses efforts. Elle devrait ainsi être présumée avoir renoncé à toute autre prétention de ce chef et ne pourrait plus, modifiant rétroactivement la cause juridique de ses prestations, réclamer le paiement d'un salaire.
Cette conclusion s'imposerait en effet si, comme le faisait l'art. 338 al. 2 a CO, l'art. 320 al. 2 se bornait à déduire de la prestation des services et de leur acceptation la présomption, réfragable, d'une convention tacite, d'une promesse tacite de rémunération. Mais, de l'avis de la doctrine, il a une autre portée. Selon OSER/SCHÖNENBERGER (Kommentar, N. 3 a 6 ad art. 320), l'acceptation d'un travail aux conditions posées par cette disposition constitue la présomption irréfragable de l'existence d'un contrat de travail et, partant, de l'obligation de rémunérer les services rendus. Dès que les conditions de l'art. 320 al. 2 CO sont réunies, la cause du travail fourni est présumée être le contrat de travail et non un autre rapport de droit. La volonté intime des parties n'est pas déterminante. VON TUHR, § 21, 7, exprime la même opinion. La doctrine allemande s'exprime aussi dans ce sens au sujet du § 612 BGB, dont la teneur est semblable à celle de l'art. 320 al. 2 CO. Ainsi LEHMANN, dans Enneccerus-Lehmann, 15e éd., Tübingen 1954,
§ 145 I 3
a) et note 3, relève que ce qui est déterminant, c'est la situation de fait objective (die objektive Sachlage) et non l'opinion des parties. LARENZ (Lehrbuch des Schuldrechts, II 5e éd., München und Berlin 1962, p. 176) et la doctrine qu'il invoque se prononcent plus nettement encore: le salaire est dû de par la loi: le § 612 n'institue pas une simple règle d'interprétation, mais une obligation légale de payer le salaire au même titre que si un contrat de travail avait été conclu.
Ainsi entendu, l'art. 320 al. 2 CO permet d'apporter, en
BGE 95 II 126 S. 132
équité, un tempérament à la rigueur de la situation de celui qui qui n'a pas réclamé de salaire parce qu'il comptait être rétribué ultérieurement d'une autre manière et qui voit déçue cette attente légitime à la suite d'un événement imprévu. Le Tribunal fédéral a déjà consacré cette interprétation, implicitement tout au moins, dans l'arrêt Brenn (RO 90 II 443 s.): un fils majeur ayant travaillé dans l'entreprise de son père n'avait pas réclamé de salaire pendant plusieurs années, "car il pouvait supposer que le commerce de son père lui reviendrait, au plus tard à la mort de celui-ci, et qu'à cette occasion il lui serait tenu compte équitablement de ses services". S'il pouvait s'attendre à être désintéressé à ce moment-là, ses services doivent être également réputés onéreux dans le cas de son prédécès. Ainsi, peu importe que les parties aient en fait renoncé momentanément de part et d'autre à une rémunération. Il faut et il suffit, pour que le salaire soit dû, qu'il s'agisse d'un travail qui, selon les circonstances objectives, devait normalement être rétribué.
Les mêmes motifs doivent conduire ici au même résultat. La demanderesse, par son activité intense et suivie, a contribué à la prospérité de l'entreprise qui constitue la plus grande part du patrimoine de sa belle-mère. Alors qu'elle pouvait raisonnablement compter que ce patrimoine reviendrait à son mari et qu'elle en tirerait indirectement un avantage qui la paierait de ses efforts, elle le voit échoir à des tiers qui n'ont en rien contribué à le constituer. L'interprétation que donne la doctrine de l'art. 320 al. 2 CO et que consacre, dans sa solution, l'arrêt Brenn, permet de corriger cette situation et conduit à reconnaître en principe le droit de la demanderesse à un salaire. | public_law | nan | fr | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3e29f300-6723-443b-af5c-6331eb3f070b | Urteilskopf
125 I 389
35. Estratto della sentenza 26 luglio 1999 della I Corte civile nella causa Beloedil SA contro Commissione paritetica cantonale dell'edilizia e del genio civile e II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Konkordatsschiedsgerichtsbarkeit; Schiedsgericht.
Begriff des Schiedsgerichts im Sinne des KSG (E. 4a).
Rechtsnatur der Entscheide des «Collegio arbitrale dell'edilizia e del genio civile» im Kanton Tessin (E. 4b).
Art. 6 KSG
und
Art. 8 KSG
: Form des Schiedsvertrags und Kompetenz des Schiedsgerichts (E. 4c).
Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zu Lasten des Kantons Tessin (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 389
BGE 125 I 389 S. 389
A.-
Nel corso dei primi mesi del 1997 la Beloedil S.A. ha ottenuto da ciascuno dei suoi ventitré dipendenti l'accordo a una riduzione del salario individuale. Questa pattuizione non è stata accettata
BGE 125 I 389 S. 390
dalla Commissione paritetica cantonale dell'edilizia e del genio civile, la quale ha invitato la datrice di lavoro a ripristinare gli stipendi precedenti, con effetto retroattivo al 1o gennaio 1997.
Adito dall'impresa, il Collegio arbitrale dell'edilizia e del genio civile ha confermato la situazione anticontrattuale creata dal citato accordo salariale.
B.-
Il ricorso per nullità presentato dalla Beloedil S.A. contro quest'ultima decisione è stato dichiarato irricevibile dalla II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino il 23 febbraio 1999. La Corte ha infatti negato la qualità di tribunale arbitrale al Collegio arbitrale e, di conseguenza, escluso la possibilità di impugnare le sue decisioni mediante il menzionato rimedio giuridico.
C.-
Postulando l'annullamento della sentenza cantonale, la Beloedil S.A. è tempestivamente insorta al Tribunale federale con un ricorso di diritto pubblico fondato sulla violazione dell'
art. 36 CA
nonché dell'
art. 4 Cost.
In accoglimento del gravame il Tribunale federale ha annullato la pronunzia impugnata.
Erwägungen
Dai considerandi:
4.
a) Giusta l'
art. 1 CA
, RS 279, il Concordato si applica ad ogni procedimento davanti a un tribunale arbitrale con sede in un Cantone concordatario. Si intende con ciò un'autorità composta da privati incaricati direttamente o indirettamente dalle parti, mediante contratto, di dirimere una controversia al posto dell'autorità giudiziaria normalmente competente (LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, Losanna 1989, n. 1.2 ad
art. 1 CA
, pag. 26). Il lodo arbitrale può dunque venir definito come un giudizio pronunciato da un tribunale non statale cui le parti hanno affidato il compito di decidere su una pretesa dipendente dalla loro libera disposizione (
art. 5 CA
).
Il Tribunale federale ha già avuto modo di definire le condizioni necessarie affinché un lodo arbitrale possa essere equiparato alle sentenze dei tribunali ordinari. Il tribunale arbitrale deve in particolare offrire sufficienti garanzie di imparzialità e d'indipendenza, così come prescritto dall'
art. 58 Cost.
; in caso contrario il lodo non può valere quale sentenza civile con forza esecutiva in tutta la Svizzera (
art. 61 Cost.
). Un tribunale che funge contemporaneamente da organo di un'associazione che partecipa al procedimento in qualità -di parte non fornisce garanzie d'indipendenza sufficienti, le sue decisioni rappresentando una semplice manifestazione di volontà
BGE 125 I 389 S. 391
dell'associazione interessata; non si tratta di atti giudiziari ma bensì di atti che riguardano la gestione dell'associazione. Simili decisioni non possono essere considerate come lodi arbitrali ai sensi del CA; esse non possono, di conseguenza, essere impugnate mediante il rimedio giuridico previsto dal Concordato (
art. 36 CA
;
DTF 119 II 271
consid. 3b con rinvii giurisprudenziali e riferimenti dottrinali).
Come pertinentemente rilevato da Jolidon (Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, Berna 1984), occorre dunque stabilire se l'organo in questione - talora definito «tribunale arbitrale», «commissione arbitrale» o «commissione paritetica» - con la sua decisione - a volte denominata «sentenza» o «giudizio» - esprime o sia chiamato ad esprimere la volontà interna di una società, di un gruppo di esse oppure di terze persone vincolate dall'impegno di rispettarne le decisioni; in questo caso si è in presenza - come appena spiegato - di un cosiddetto «Vereinsbeschluss», che non può, a priori, valere quale lodo arbitrale. Diverso è invece il caso in cui l'organo è stato costituito per dirimere definitivamente il litigio - escludendo così la competenza dei tribunali ordinari - in quanto esso non è tenuto semplicemente ad esprimere la volontà della persona giuridica in nome della quale agisce (n. 235 ad
art. 1 CA
, pag. 66 seg.).
b) Visto quanto precede, non può essere condivisa l'opinione della Corte cantonale, per la quale assurge a principio assoluto l'impossibilità di impugnare con un ricorso per nullità - ai sensi dell'
art. 36 CA
- le decisioni emanate da una commissione paritetica o da una commissione di ricorso previste nel Contratto Collettivo di Lavoro (CCL), non potendo quest'autorità valere quale tribunale arbitrale. In realtà tutto dipende dal contenuto del CCL e dal grado d'indipendenza conferito alla commissione paritetica e all'autorità di ricorso.
In concreto, il tenore delle disposizioni del CCL che regolano il Collegio arbitrale non induce a ritenere ch'esso debba esprimere la volontà interna di una - o più - delle parti vincolate dal contratto collettivo. Né si può asserire ch'esso è un'organo della commissione paritetica cantonale, costituita in associazione giusta l'art. 76 n. 1 Contratto Nationale Mantello (CNM); esso viene infatti organizzato secondo un sistema indipendente da tale commissione, la quale non partecipa alla designazione dei membri del Collegio arbitrale, il cui Presidente viene scelto dal Presidente del Tribunale d'appello del Cantone Ticino (cfr. art. 12.1.1 CCL).
La costituzione di un tale tribunale arbitrale privato non viola alcuna disposizione del diritto federale o cantonale, potendo le parti di un contratto collettivo affidare a un tribunale di questo genere il compito
BGE 125 I 389 S. 392
di statuire sulle loro controversie (STAEHELIN/VISCHER in: Zürcher Kommentar, n. 89 e 92 ad
art. 357a CO
; cfr.
DTF 107 Ia 152
). Numerose sono d'altro canto le convenzioni collettive che prevedono la competenza di un tribunale arbitrale a decidere i ricorsi interposti contro le decisioni d'un organo paritetico e che organizzano la costituzione e composizione di quest'autorità in modo da renderla indipendente dai firmatari della convenzione collettiva (STÖCKLI, Der Inhalt des Gesamtarbeitsvertrages, Berna 1990, n. 2.3.2 lett. f a pag. 77, pag. 84, pag. 89 segg., n. 3.5.2 pag. 133 segg.). A titolo di esempio basti rammentare il Tribunale arbitrale orologiero (evocato da JOLIDON, op.cit., n. 323 lett. a ad
art. 1 CA
, pag. 74).
In conclusione, il Collegio arbitrale per il settore dell'edilizia nel Canton Ticino, costituito conformemente all'art. 12 CCL, è un regolare tribunale arbitrale, cui è stato affidato il compito di dirimere le controversie al posto dei tribunali ordinari. Le sue decisioni sono dei lodi arbitrali - che non hanno nulla a che vedere con i «Vereinsbeschlüsse» - che possono venir impugnati con un ricorso per nullità ai sensi dell'
art. 36 CA
dinanzi all'autorità giudiziaria prevista dalla medesima norma. La Corte cantonale ha dunque rifiutato a torto di entrare nel merito del ricorso per nullità presentato dalla ricorrente contro la decisione emanata dal Collegio arbitrale.
c) È pur vero, come l'ammette la ricorrente, che le esigenze di forma poste al patto d'arbitrato dall'
art. 6 CA
non sono ossequiate. In effetti, giusta l'
art. 6 cpv. 2 CA
, il patto d'arbitrato - necessariamente scritto - può risultare da una dichiarazione scritta d'adesione a una persona giuridica, se detta dichiarazione si riferisce espressamente alla clausola compromissoria contenuta negli statuti o in un regolamento che ne deriva. Questi principi valgono anche per il contratto collettivo di lavoro che prevede l'arbitrato: le parti devono sottomettervisi per iscritto e il patto d'arbitrato non può fare l'oggetto di una decisione d'estensione (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 2 in fine ad
art. 6 CA
, pag. 61).
Un simile vizio può essere tuttavia sanato mediante l'accettazione tacita della competenza del tribunale arbitrale, ai sensi dell'
art. 8 CA
, quando la parte convenuta entra nel merito della lite senza eccepire la competenza del giudice adito (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 3 ad
art. 6 CA
, pag. 61). Questa circostanza si è verificata nella fattispecie in esame: né la commissione paritetica cantonale né le parti firmatarie del contratto collettivo hanno infatti contestato la competenza del Tribunale arbitrale adito dall'impresa.
BGE 125 I 389 S. 393
5.
In conclusione, la sentenza impugnata dev'essere annullata siccome in contrasto con l'
art. 36 CA
. La Corte cantonale è tenuta ad esaminare la controversia nel merito e a statuire sul ricorso per nullità.
Ritenute le ragioni che hanno condotto all'accoglimento del gravame, appare opportuno imporre al Cantone Ticino il versamento di un'adeguata indennità per ripetibili della sede federale (
art. 159 cpv. 2 OG
; cfr.
DTF 109 Ia 5
consid. 5 pag. 11); esso viene per contro dispensato dal pagamento delle spese processuali (
art. 156 cpv. 2 OG
). | public_law | nan | it | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3e2c5c7d-cf76-47e6-be10-24d686920168 | Urteilskopf
138 IV 248
37. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und A. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_93/2012 vom 26. September 2012 | Regeste a
Art. 118 ff. und 427 Abs. 2 StPO
; Kostentragungspflicht der Privatklägerschaft bei Antragsdelikten.
Dem Strafantrag stellenden Privatkläger, der sich abgesehen von der Strafklage am Strafverfahren nicht aktiv beteiligt, können bei Freispruch der beschuldigten Person nur in besonderen Fällen Verfahrenskosten auferlegt werden (E. 4.4).
Regeste b
Art. 428 Abs. 1 und
Art. 432 Abs. 2 StPO
; Kostentragung und Anspruch auf Entschädigung im Rechtsmittelverfahren.
Als private Partei kann im strafrechtlichen Verfahren nur obsiegen oder unterliegen, wer Anträge gestellt hat. Verzichtet die Privatklägerschaft darauf, können ihr keine Verfahrenskosten auferlegt werden und kann sie auch nicht zur Leistung einer Parteientschädigung verpflichtet werden (E. 5.3). | Sachverhalt
ab Seite 248
BGE 138 IV 248 S. 248
A.
Das Bezirksgericht Willisau erklärte A. am 22. Juni 2011 auf Einsprache gegen eine Strafverfügung des Amtstatthalters Sursee des
BGE 138 IV 248 S. 249
unbefugten Aufnehmens von Gesprächen schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.-, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 200.- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage). Gleichzeitig auferlegte es A. die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 3'140.- und verpflichtete ihn, dem Strafantragsteller X. eine Parteientschädigung von Fr. 3'397.35 zu entrichten.
Auf Berufung des Beurteilten sprach das Obergericht des Kantons Luzern A. am 17. November 2011 vom Vorwurf des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen frei. Gleichzeitig auferlegte es X. die erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 5'140.- sowie die Kosten der Verteidigung von A. in der Höhe von Fr. 7'999.25.
B.
X. führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei im Kostenpunkt aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Am 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) in Kraft getreten. Soweit ein Entscheid noch vor Inkrafttreten der StPO gefällt worden ist, werden dagegen erhobene Rechtsmittel nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt (
Art. 453 Abs. 1 StPO
). Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach dem 31. Dezember 2010 gefällt wurden, gilt das neue Recht (
Art. 454 Abs. 1 StPO
). Ausschlaggebend für die Anwendbarkeit des alten oder des neuen Prozessrechts ist insofern das Datum des erstinstanzlichen Entscheids (
BGE 137 IV 189
E. 1 und 219 E. 1.1 mit Hinweisen). Das Urteil des Bezirksgerichts Willisau datiert vom 22. Juni 2011. Damit findet die StPO Anwendung.
Nach
Art. 448 Abs. 2 StPO
behalten Verfahrenshandlungen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt worden sind, ihre Gültigkeit. Dies gilt auch für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer als Privatkläger konstituiert hat. Nach § 35 Abs. 2 Ziff. 1 des Gesetzes des Kantons Luzern vom 3. Juni 1957 über die Strafprozessordnung (StPO/LU) war zur Privatklage berechtigt, wer nach eidgenössischem oder kantonalem Recht zum Strafantrag befugt ist. Diese Regelung entspricht
Art. 118 Abs. 2 StPO
, wonach der
BGE 138 IV 248 S. 250
Strafantrag der Erklärung gleichgestellt ist, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger zu beteiligen. Mit seiner Strafanzeige vom 23. Dezember 2009 hat sich der Beschwerdeführer als Privatkläger konstituiert.
2.
Gemäss
Art. 81 Abs. 1 BGG
ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (lit. b). Zur Beschwerde legitimiert ist u.a. die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Ziff. 5; vgl.
BGE 137 IV 246
E. 1.3.1).
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der Privatkläger die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Zulässig sind Rügen formeller Natur, die von der Prüfung der Sache selber getrennt werden können. Nicht zu hören sind Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen (vgl.
BGE 133 II 249
E. 1.3.2;
BGE 133 I 185
E. 6.2).
Der Beschwerdeführer hat im vorliegenden Verfahren Strafantrag gestellt und ist von der Vorinstanz zur Tragung sämtlicher ordentlicher und ausserordentlicher Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens verurteilt worden. Insoweit ist der Beschwerdeführer vom angefochtenen Urteil beschwert und hat ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von
Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
(vgl.
BGE 136 IV 29
E. 1.9; ferner Urteil des Bundesgerichts 6B_89/2009 vom 29. Oktober 2009 E. 1.2.3).
Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde in Strafsachen ist einzutreten.
3.
3.1
Die Vorinstanz auferlegt dem Beschwerdeführer aufgrund des Ausgangs des Berufungsverfahrens alle Verfahrenskosten beider kantonaler Instanzen und verurteilt ihn zur Bezahlung einer Parteientschädigung an den Beschwerdegegner. Sie stützt sich dabei auf den Umstand, dass die Aufnahme des Gesprächs vom 21. Dezember 2009 durch die Drohungen des Beschwerdeführers provoziert wurden.
3.2
Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, dem Privatkläger könnten bei Antragsdelikten die Verfahrenskosten nur auferlegt
BGE 138 IV 248 S. 251
werden, wenn er das Verfahren mutwillig oder grob fahrlässig eingeleitet oder dessen Durchführung erschwert hat. Andernfalls wäre die Einreichung einer Strafklage bei Antragsdelikten mit einem nicht abschätzbaren und erheblichen Kostenrisiko verbunden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er nach dem im Zeitpunkt der Strafanzeige noch geltenden kantonalen Strafprozessrecht automatisch als Privatkläger galt. Er habe im vorliegenden Verfahren weder eine Zivilforderung noch im Anschluss an das Untersuchungsverfahren irgendwelche Beweisanträge gestellt. Er habe auch nicht an den Verhandlungen vor den kantonalen Instanzen teilgenommen. Dass der Beschwerdegegner von der Staatsanwaltschaft angeklagt und von der ersten Instanz schuldig erklärt worden sei, belege, dass die Strafklage nicht mutwillig oder grob fahrlässig erhoben worden sei. Es sei daher nicht zulässig, ihm die Kosten aller Instanzen aufzuerlegen. In Bezug auf die Auferlegung der zweitinstanzlichen Kosten bringt der Beschwerdeführer vor, ob eine Partei obsiege oder unterliege, hänge davon ab, in welchem Ausmass ihre vor dem Berufungsgericht gestellten Anträge gutgeheissen würden. Stelle eine Partei, welche kein Rechtsmittel ergriffen habe, aber zu einer allfälligen Stellungnahme eingeladen worden sei, keine Anträge, so könne sie weder obsiegen noch unterliegen und daher auch nicht kostenpflichtig werden. Da er im zweitinstanzlichen Verfahren keine Anträge gestellt habe, sei er im Verfahren nicht unterlegen, so dass ihm keine Kosten auferlegt werden könnten. Aus demselben Grund habe er auch keine Entschädigung an den Beschwerdegegner zu entrichten. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts, soweit die Vorinstanz annehme, er habe die Aufnahme des Gesprächs durch Drohungen provoziert.
4.
Zunächst ist zu prüfen, ob das angefochtene Urteil in Bezug auf die Auferlegung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf den Beschwerdeführer als Antragsteller und Privatkläger vor Bundesrecht standhält.
4.1
Gesetzliche Grundlage bildet
Art. 427 StPO
. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung können der Privatklägerschaft die Verfahrenskosten, die durch ihre Anträge zum Zivilpunkt verursacht worden sind, auferlegt werden, wenn das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen wird (lit. a), die Privatklägerschaft die Zivilklage vor Abschluss der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zurückzieht (lit. b) oder die Zivilklage abgewiesen oder auf den Zivilweg verwiesen wird (lit. c). Voraussetzung ist, dass der Privatkläger einen Antrag oder
BGE 138 IV 248 S. 252
mehrere Anträge zum Zivilpunkt gestellt hat (BÄHLER/RIEDO, Kosten kosten - Geld und Nerven, Jusletter 13. Februar 2012 Rz. 65). Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen, können gemäss
Art. 427 Abs. 2 StPO
bei Antragsdelikten die Verfahrenskosten der antragstellenden Person, sofern diese mutwillig oder grob fahrlässig die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat, oder der Privatklägerschaft auferlegt werden, soweit nicht die beschuldigte Person rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 427 Abs. 2 lit. b mit Verweisung auf
Art. 426 Abs. 2 StPO
).
4.2
4.2.1
Als Privatklägerschaft gilt nach
Art. 118 Abs. 1 StPO
die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin bzw. -kläger zu beteiligen (vgl.
Art. 104 Abs. 1 lit. b StPO
). Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung ist der Strafantrag (
Art. 30 StGB
) dieser Erklärung gleichgestellt. Damit kommt ohne weiteres der antragstellenden Person die prozessuale Stellung einer Privatklägerin zu. Die geschädigte oder die antragsstellende Person kann indes nach
Art. 120 Abs. 1 StPO
jederzeit erklären, dass sie auf die ihr zustehenden Rechte verzichtet. Dabei gilt der Verzicht auf die Beteiligung als Privatklägerschaft nicht als Rückzug des Strafantrages (MAZZUCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 6 zu Art. 118 und N. 3 zu
Art. 120 StPO
).
4.2.2
Die Bestimmung von
Art. 427 Abs. 2 StPO
differenziert hinsichtlich der Kostenauflage zwischen der antragstellenden Person und der Privatklägerschaft. Während der Privatklägerschaft die Verfahrenskosten bei Freisprechung der beschuldigten Person oder Einstellung des Verfahrens ohne Einschränkung auferlegt werden können, ist dies beim Antragsteller, der auf seine Parteistellung verzichtet hat, nur bei mutwilliger oder grob fahrlässiger Einleitung des Verfahrens oder bei Erschwerung der Durchführung desselben zulässig. In diesem Punkt stimmen der deutsche und der italienische Gesetzestext indes mit der französischen Fassung der Bestimmung nicht überein. Nach der französischen Formulierung können die Verfahrenskosten auch der Privatklägerschaft nur auferlegt werden, wenn sie die Einleitung des Verfahrens mutwillig oder grob fahrlässig bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat ("En cas d'infractions poursuivies sur plainte, les frais de procédure peuvent, aux conditions
BGE 138 IV 248 S. 253
suivantes, être mis à la charge de la partie plaignante ou du plaignant qui, ayant agi de manière téméraire ou par négligence grave, a entravé le bon déroulement de la procédure ou rendu celle-ci plus difficile...").
4.2.3
Im bundesrätlichen Entwurf zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung vom 21. Dezember 2005 lautete die einschlägige Bestimmung (Art. 434 Abs. 2 E-StPO) folgendermassen:
Bei Antragsdelikten können die Verfahrenskosten der Privatklägerschaft auferlegt werden:
a) wenn das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person freigesprochen wird; und
b) soweit die beschuldigte Person nicht nach Artikel 433 Absatz 2 kostenpflichtig ist.
Die geltende Fassung von
Art. 427 Abs. 2 StGB
geht auf einen dem Antrag seiner vorberatenden Kommission folgenden Beschluss des Ständerates zurück. Mit der vorgenommenen Änderung wollte der Ständerat in Abweichung vom bundesrätlichen Vorschlag (Art. 118 Abs. 3 E-StPO) der geschädigten Person bei Antragsdelikten den Verzicht auf die Beteiligung als Privatkläger ermöglichen, ohne dass damit zwingend der Rückzug des Strafantrags verbunden sein sollte (vgl. AB 2006 S 1011 und 1058 f.; AB 2007 N 952 und 1032; vgl. auch YVONA GRIESSER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 8 f. zu
Art. 427 StPO
; THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 9 zu
Art. 427 StPO
; vgl. auch NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2009, N. 9 zu
Art. 427 StPO
). Diese Abänderung des bundesrätlichen Entwurfs erforderte eine Anpassung der Bestimmungen über die Kostenregelung. Danach sollte die antragstellende Person, die als Privatklägerin am Verfahren teilnimmt, grundsätzlich auch das volle Kostenrisiko tragen, während diejenige Person, die nur Strafantrag stellt und sich als Privatklägerin zurückzieht, einzig bei trölerischem Verhalten kostenpflichtig wird. Dass dem Privatkläger bei einem Antragsdelikt die Kosten des Verfahrens uneingeschränkt auferlegt werden können, entspricht daher dem Willen des Gesetzgebers und ergibt sich unmissverständlich aus der Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts (BBl 2005 1327 Ziff. 2.10.2), wonach die Bestimmung (Art. 434 E-StPO) der Grundtendenz des Entwurfs folge, die einerseits darin besteht, die Verfahrensrechte der Privatklägerschaft auszudehnen, ihr
BGE 138 IV 248 S. 254
aber andererseits vermehrt Kostenpflichten aufzuerlegen (a.M. BÄHLER/RIEDO, a.a.O., Rz. 84).
4.2.4
Die Regelung von
Art. 427 Abs. 2 StPO
ist dispositiver Natur. Das Gericht kann von ihr abweichen, wenn die Sachlage dies rechtfertigt (vgl. auch Botschaft, a.a.O., S. 1327). Die Verfahrenskosten sind damit bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens nicht zwingend von der Privatklägerschaft zu tragen. Über die Gründe, nach welchen sich die Überwälzung der Verfahrenskosten auf die Privatklägerschaft richtet, schweigt sich das Gesetz indes aus. Das Gericht hat also nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (
Art. 4 ZGB
).
4.3
Der Beschwerdeführer erhob am 3. Februar 2010 Strafklage, mit der er beantragte, der Beschwerdegegner sei des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen gemäss
Art. 179
ter
StGB
schuldig zu sprechen und angemessen zu bestrafen und es seien bei ihm und bei seiner Firma Hausdurchsuchungen durchzuführen und sämtliche Mobiltelefone und Audioaufzeichnungen auf EDV-Anlagen sicherzustellen. An der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nahm er nicht teil. Mit Schreiben vom 23. Mai 2011 liess er sich lediglich zu den Beweisanträgen des Beschwerdegegners vernehmen, ohne eigene Anträge zu stellen. Er reichte auch keinerlei Beweisanträge ein und forderte weder Schadenersatz noch Genugtuung.
4.4
4.4.1
Die Verlegung der Kosten richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht. So gründet namentlich die Kostentragungspflicht des Beschuldigten im Falle eines Schuldspruchs auf der Annahme, dass er die Verfahrenskosten als Folge seiner Tat veranlasst hat (DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 426 StPO
; GRIESSER, a.a.O., N. 1 zu
Art. 426 StPO
).
Der Beschwerdeführer hat sich - abgesehen von der Erhebung der Strafklage - an dem gegen den Beschwerdegegner geführten Strafverfahren nicht aktiv beteiligt. Insofern hat er keine Kosten verursacht. Es können ihm daher grundsätzlich keine Kosten auferlegt werden. Zwischen ihm, der allein deshalb dem Privatkläger gleichgestellt wird, weil er Strafantrag gestellt hat, und dem Antragsteller, der gemäss
Art. 120 Abs. 1 StPO
ausdrücklich auf die ihm zustehenden Rechte verzichtet und infolgedessen nur bei mutwilliger oder grob fahrlässiger Einleitung des Verfahrens kostenpflichtig wird (
Art. 427 Abs. 2 StPO
), besteht im Grunde kein Unterschied. Auch in Bezug auf den Zivilpunkt können der Privatklägerschaft gemäss
Art. 427 Abs. 1 StPO
bei Freispruch des Beschuldigten Verfahrenskosten nur
BGE 138 IV 248 S. 255
auferlegt werden, wenn sie diese durch entsprechende Anträge verursacht hat.
Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Strafantrag stellende Privatkläger, der sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt, bei Freispruch des Beschuldigten generell kostenpflichtig werden soll, während bei vom Privatkläger angezeigten Offizialdelikten die Kostentragungspflicht auf Verfahrenskosten beschränkt ist, die durch dessen Anträge zum Zivilpunkt verursacht worden sind (vgl. NIKLAUS SCHMID, a.a.O., N. 3 zu
Art. 432 StPO
zur Entschädigungspflicht des Privatklägers bei Obsiegen der beschuldigten Person).
Im Übrigen verwandeln sich auch im Bereich der Antragsdelikte die aufgrund von Verfahrensanträgen der Privatklägerschaft vorgenommenen Handlungen in
behördliche
Verfahrenshandlungen, für welche grundsätzlich der Staat verantwortlich ist und daher die Kosten tragen muss (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1327; DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 427 StPO
).
Dem Privatkläger, dessen Beteiligung sich auf die Beantragung der Bestrafung (
Art. 30 Abs. 1 StGB
) beschränkt und auf die ihm zustehenden Verfahrensrechte verzichtet, können daher Kosten nur in besonderen Fällen auferlegt werden (vgl. auch BÄHLER/RIEDO, a.a.O., Rz. 77). Ein solcher ist hier nicht ersichtlich. Angesichts des Umstands, dass das Amtstatthalteramt und die erste Instanz zu Schuldsprüchen gelangt sind, lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass das Verfahren ohne Anlass und ohne hinreichende Grundlage eingeleitet worden und dessen Durchführung erschwert worden wäre.
Die Auferlegung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten verletzt schon aus diesen Gründen Bundesrecht.
4.4.2
Das angefochtene Urteil hält auch insoweit nicht vor Bundesrecht stand, als die Vorinstanz die Kostenverlegung damit begründet, die umstrittene Aufnahme des Gesprächs vom 21. Dezember 2009 sei durch Drohungen des Beschwerdeführers provoziert worden. Auch wenn der Beschwerdegegner nach Auffassung der Vorinstanz im konkreten Fall befugt war, das Gespräch mit dem Beschwerdeführer ohne dessen Zustimmung aufzunehmen, rechtfertigt dies nicht, die Verfahrenskosten auf Letzteren zu überwälzen. Der Beschwerdegegner wurde von der Staatsanwaltschaft und der ersten Instanz schuldig gesprochen. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit seinem Strafantrag kein zum vorneherein aussichtsloses Strafverfahren angestrengt hat. Dass er als Antragsteller am Verfahren als
BGE 138 IV 248 S. 256
Privatkläger beteiligt war, lag im Wesentlichen in dem zur Zeit der Antragstellung geltenden kantonalen Strafprozessrecht begründet (vgl.
§ 35 StPO
/LU). Die Interessenlage des Beschwerdeführers präsentierte sich ähnlich wie diejenige einer Person, die ein Offizialdelikt zur Anzeige bringt und die deshalb nur unter den restriktiven Voraussetzungen von Art. 427 Abs. 1 bzw.
Art. 417 StPO
zur Übernahme der Verfahrenskosten verpflichtet werden kann.
Die Vorinstanz verletzt das ihr zustehende Ermessen und damit
Art. 427 Abs. 2 StPO
, wenn sie dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bezirksgericht mit dem einzigen Argument auferlegt, dass er durch sein Verhalten den Grund dafür gesetzt hat, dass der Beschwerdegegner das umstrittene Gespräch aufgenommen hat.
5.
Zu prüfen ist weiter die Frage, ob die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu Recht die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt und ihn zur Leistung einer Entschädigung für die Kosten der Verteidigung an den Beschwerdegegner 2 verpflichtet hat.
5.1
Gemäss
Art. 428 Abs. 1 StPO
tragen die Parteien die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch diejenige Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht. Fällt die Rechtsmittelinstanz selber einen neuen Entscheid, so befindet sie darin nach Abs. 3 auch über die von der Vorinstanz getroffene Kostenregelung.
Nach
Art. 432 Abs. 1 StPO
hat die obsiegende beschuldigte Person gegenüber der Privatklägerschaft Anspruch auf angemessene Entschädigung für die durch die Anträge zum Zivilpunkt verursachten Aufwendungen. Obsiegt die beschuldigte Person bei Antragsdelikten im Schuldpunkt, so können gemäss
Art. 432 Abs. 2 StPO
die antragstellende Person, sofern diese mutwillig oder grob fahrlässig die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat, oder die Privatklägerschaft verpflichtet werden, der beschuldigten Person die Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte zu ersetzen.
5.2
Der Beschwerdeführer verzichtete mit Schreiben vom 15. November 2011 auf die Teilnahme an der zweitinstanzlichen Verhandlung. Mit Eingabe vom 4. Oktober 2011 teilte er zudem mit, dass er weder Anschlussberufung erhebe noch Antrag auf Nichteintreten stelle.
5.3
Das angefochtene Urteil hält auch in Bezug auf die Verlegung der zweitinstanzlichen Kosten und den Anspruch des
BGE 138 IV 248 S. 257
Beschwerdegegners auf eine Parteientschädigung vor Bundesrecht nicht stand. Ausgangspunkt bildet der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich nach Einreichung der Strafklage am Verfahren nicht mehr beteiligt und namentlich keine Anträge gestellt hat. Als private Partei kann im strafrechtlichen Verfahren nur obsiegen oder unterliegen, wer Anträge gestellt hat. Verzichtet sie darauf, können ihr keine Kosten auferlegt werden (DOMEISEN, a.a.O., N. 6 zu
Art. 428 StPO
; GRIESSER, a.a.O., N. 2 zu
Art. 428 StPO
mit Hinweis auf die Praxis der zürcherischen Rechtsmittelinstanzen; vgl. für das bundesgerichtliche Verfahren MARC THOMMEN, Kosten und Entschädigungen in strafrechtlichen Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht, forum poenale 2009 S. 53/54; ferner Urteil 6B_588/2007 vom 11. April 2008 E. 5). Der Beschwerdeführer hat im zweitinstanzlichen Verfahren keine Anträge gestellt. Es können ihm daher keine Kosten für das zweitinstanzliche Verfahren auferlegt werden. Dieselben Erwägungen gelten, soweit die Vorinstanz den Beschwerdeführer verpflichtet, dem Beschwerdegegner seine Aufwendungen für die angemessene Ausübung seiner Verfahrensrechte zu ersetzen (
Art. 432 Abs. 2 StPO
), weil diese Entschädigungspflicht ebenfalls an das Unterliegen anknüpft. Im Übrigen ist die Bestimmung über die Verpflichtung zum Ersatz der Aufwendungen der beschuldigten Person ebenso wie die Kostentragungspflicht der Privatklägerschaft gemäss
Art. 427 Abs. 2 StPO
dispositiver Natur. Die Verpflichtung zur Bezahlung einer Parteientschädigung ist an die pflichtgemässe Ausübung des Ermessens gebunden. Die Erwägungen zur Auferlegung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten (E. 4.4) gelten hier entsprechend.
Die Beschwerde erweist sich als begründet.
6.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdegegner, der mit seinem in der Vernehmlassung gestellten Antrag unterliegt, grundsätzlich kostenpflichtig (
Art. 66 Abs. 1 BGG
) und hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Entschädigung auszurichten (
Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG
). Angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdegegner die rechtsfehlerhafte Verlegung der Verfahrens- und Parteikosten durch die Vorinstanz nicht zu verantworten hat, rechtfertigt es sich indes, auf die Erhebung von Kosten zu verzichten (
Art. 66 Abs. 4 BGG
) und dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung zulasten des Kantons Luzern zuzusprechen (
Art. 68 Abs. 2 BGG
). | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3e2cc706-ea0b-4c4a-a27f-376dedbc8a1e | Urteilskopf
124 I 310
38. Estratto dalla sentenza 28 agosto 1998 della II Corte di diritto pubblico nella causa avv. Simona Lepori e avv. Daniele Borelli c. Camera per l'avvocatura e il notariato del Tribunale d'appello del Cantone Ticino e Commissione di disciplina dell'Ordine degli avvocati del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Art. 4 BV
und 31 BV; Tessiner Gesetz vom 15. März 1983 über die Advokatur; Standesregeln des Anwaltsverbandes des Kantons Tessin vom 4. Dezember 1971; Anbieten eines telefonischen Rechtsberatungsdienstes per Telebusiness durch Anwälte, die dem kantonalen Anwaltsverband angehören.
Zusammenfassung der im Bereich der Handels- und Gewerbefreiheit geltenden Regeln (E. 3a). Das Verbot, einen telefonischen Rechtsberatungsdienst per Telebusiness anzubieten, dessen Missachtung mit einer disziplinarischen Verwarnung geahndet wird, stellt im Lichte der ausgesprochenen Sanktion keinen schweren Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit des Anwalts dar (E. 3b).
Rechtliche Grundlage für die Standesregeln der Anwälte: Bestätigung der Rechtsprechung (E. 4).
Ist das Anbieten eines telefonischen Rechtsberatungsdienstes per Telebusiness vereinbar mit dem Erfordernis der beruflichen Würde des Anwalts? Frage offen gelassen, da jedenfalls die Annahme nicht gegen das Willkürverbot verstösst, dass eine derartige Arbeitsweise nicht vereinbar ist mit der im Tessiner Recht umschriebenen Pflicht des Anwalts, seine Tätigkeit auf gewissenhafte Art auszuüben (E. 5).
Das Verbot, Rechtsberatung unter Benutzung von Telebusiness anzubieten, verletzt die Handels- und Gewerbefreiheit des Anwalts nicht (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 311
BGE 124 I 310 S. 311
A.-
Gli avv. Simona Lepori e Daniele Borelli hanno fatto pubblicare su alcuni giornali e periodici ticinesi, nel periodo tra il 17 e il 19 settembre 1997, un'inserzione dal seguente tenore:
BGE 124 I 310 S. 312
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B.-
Il 19 settembre 1997, il Presidente dell'Ordine degli avvocati del Cantone Ticino ha informato gli avvocati Simona Lepori e Daniele Borelli di ritenere incompatibile con le norme che disciplinano la professione dell'avvocato l'offerta di un servizio di consulenza giuridica tramite sistema Telebusiness ed ha quindi chiesto loro la disattivazione di tale linea telefonica. Per le medesime ragioni, il 27 ottobre 1997, la Commissione di disciplina dell'Ordine degli avvocati ha notificato ai due legali l'apertura nei loro confronti di un procedimento disciplinare. Preso atto delle osservazioni introdotte dagli interessati, con decisione 16 dicembre 1997, la suddetta autorità di vigilanza ha giudicato quest'ultimi colpevoli di aver violato l'art. 7 della legge ticinese sull'avvocatura, del 15 marzo 1983 (LAvv), nonché gli
art. 5, 14 e 18 del
codice professionale dell'Ordine degli avvocati del Cantone Ticino, del 4 dicembre 1971 (CAvv), ed ha inflitto ad entrambi un ammonimento, a titolo di sanzione disciplinare. I provvedimenti sono stati confermati su ricorso il 19 febbraio 1998 dalla Camera per l'avvocatura e il notariato del Tribunale d'appello del Cantone Ticino.
C.-
Il 24 marzo 1998, Simona Lepori e Daniele Borelli hanno inoltrato davanti al Tribunale federale un ricorso di diritto pubblico, con cui chiedono che quest'ultima decisione cantonale sia annullata. Lamentano la violazione degli
art. 4 e 31 Cost.
BGE 124 I 310 S. 313
Il Tribunale federale ha respinto il ricorso, per quanto ricevibile.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
a) Secondo i giudici cantonali, l'offerta - da parte di avvocati affiliati all'Ordine - di un servizio di consulenza giuridica telefonica tramite sistema Telebusiness è incompatibile con i principi che disciplinano l'esercizio dell'avvocatura nel Cantone Ticino. In particolare, la Corte cantonale ha ritenuto tale metodo di consulenza lesivo della dignità professionale dell'avvocato. Inoltre la fatturazione della prestazione, mediante addebito sulla bolletta telefonica del cliente dell'importo di fr. 4,23 per ogni minuto di conversazione, violerebbe la Tariffa dell'Ordine. Da ultimo, il servizio in oggetto non rispetterebbe il principio secondo cui l'avvocato è tenuto, di massima, a prestare la propria opera di consulenza ricevendo i clienti in locali adatti a tale scopo.
b) I ricorrenti contestano le argomentazioni addotte dalle istanze cantonali e ravvisano nel giudizio impugnato una violazione della loro libertà di commercio e d'industria, nonché del divieto d'arbitrio.
3.
a) La libertà di commercio e d'industria garantita dall'
art. 31 Cost.
protegge ogni attività economica privata esercitata a titolo professionale e volta al conseguimento di un guadagno o di un reddito (
DTF 123 I 12
consid. 2a). Secondo costante giurisprudenza, l'avvocato fruisce della tutela dell'
art. 31 Cost.
, alla stessa stregua di chiunque altro eserciti una professione liberale o sia attivo nell'ambito dell'economia privata (
DTF 123 I 12
consid. 2a e rinvii). La citata norma costituzionale non impedisce tuttavia ai Cantoni di apportare delle restrizioni di polizia al diritto di esercitare liberamente un'attività economica al fine di tutelare l'ordine pubblico, la salute, i buoni costumi e la buona fede nei rapporti commerciali come pure di prevedere delle limitazioni fondate su motivi di politica sociale (
art. 31 cpv. 2 Cost
). Tali misure devono poggiare su di una base legale, essere giustificate da un interesse pubblico preponderante e limitarsi, conformemente al principio di proporzionalità, a quanto necessario per realizzare gli scopi d'interesse pubblico perseguiti (
DTF 123 I 12
consid. 2a;
DTF 122 I 130
consid. 3a con rinvii;
DTF 111 Ia 101
consid. 4 e rinvii per quanto concerne più specificatamente la possibilità per i Cantoni d'introdurre delle prescrizioni che regolamentano l'esercizio dell'avvocatura). Non sono invece consentite limitazioni basate su ragioni di politica economica, ossia misure che intervengono nel gioco della libera concorrenza per favorire certi rami
BGE 124 I 310 S. 314
di attività lucrativa e per dirigere l'attività economica secondo un piano prestabilito (
DTF 121 I 129
consid. 3b).
b) Contrariamente all'opinione dei ricorrenti, nel caso di specie, non è data una grave limitazione della loro libertà di commercio e di industria, né dal punto di vista della sanzione pronunciata, alquanto lieve, né per quanto concerne le conseguenze che la medesima esplica sulla loro attività professionale. In effetti, il divieto - sottinteso all'ammonimento - di offrire un servizio di consulenza giuridica tramite sistema Telebusiness, concerne unicamente un aspetto specifico e, tutto sommato, marginale della professione che essi svolgono: il provvedimento non impedisce infatti ai ricorrenti di prestare consulenza legale alla loro clientela, ma si limita semplicemente a proibire un determinato metodo con cui fornire questo genere di prestazioni. È dunque unicamente dal profilo dell'arbitrio che il Tribunale federale esamina se la querelata restrizione poggia su di una sufficiente base legale. È pure dal punto di vista dell'arbitrio che esso valuta l'interpretazione e l'applicazione del diritto cantonale. È per contro con pieno potere cognitivo che questa Corte esamina se l'interpretazione e l'applicazione non arbitraria del diritto cantonale sia conforme alla libertà di commercio e di industria (
DTF 122 I 236
consid. 4a;
DTF 121 I 117
consid. 3c, 326 consid. 2b con rinvii;
120 Ia 67
consid. 3b;
DTF 106 Ia 267
consid. 1 con rinvii).
4.
a) I ricorrenti censurano in primo luogo la mancanza di una base legale a fondamento dei provvedimenti adottati nei loro confronti e ravvisano in ciò una violazione del divieto d'arbitrio (
art. 4 Cost.
). Affermano in particolare che l'art. 7 LAvv, a cui fa riferimento la decisione impugnata, sancisce unicamente un obbligo generale di lealtà e probità per l'avvocato, senza enunciare alcun divieto di prestare consulenza telefonica mediante sistema Telebusiness. Contestano inoltre che le disposizioni del Codice professionale degli avvocati, pure richiamate nel giudizio impugnato, costituiscono una base legale sufficiente a limitare la loro libertà professionale. Nel caso specifico, la censura che i ricorrenti deducono dal divieto d'arbitrio, di cui all'
art. 4 Cost.
, non ha portata propria rispetto all'esigenza di una base legale di cui all'
art. 31 Cost.
e va quindi esaminata in tale ambito.
b) Giusta l'art. 7 cpv. 1 LAvv, "l'avvocato è tenuto ad esercitare la professione in modo coscienzioso ed a dimostrarsi degno della considerazione che questa esige, tanto nell'esercizio delle funzioni di cui gli è riservato il monopolio, quanto nell'ulteriore sua attività professionale e in genere nel suo comportamento". Al suo capoverso
BGE 124 I 310 S. 315
2 il suddetto articolo rinvia poi, tra le altre cose, alle norme deontologiche adottate dall'Ordine degli avvocati ticinesi per una più precisa descrizione dei vari obblighi professionali a cui è tenuto l'avvocato. Ora, il Tribunale federale ha già avuto modo di precisare che non è contrario al diritto costituzionale federale il fatto di stabilire, a livello di legge, unicamente i principali doveri professionali dell'avvocato, lasciando poi ai regolamenti emanati dalle organizzazioni di categoria e alla giurisprudenza il compito di definire nel dettaglio le singole norme volte a disciplinarne e limitarne l'attività (
DTF 106 Ia 100
consid. 7a). In tal senso è sufficiente che l'avvocato possa valutare la correttezza o meno del proprio comportamento facendo riferimento, tra l'altro, alle disposizioni e alle direttive emanate dall'Ordine professionale a cui è affiliato, alla prassi in materia disciplinare adottata dall' autorità di sorveglianza o dallo stesso Tribunale federale, nonché al diritto consuetudinario (
DTF 108 Ia 316
consid. 2b/aa concernente il par. 7 della legge sull'avvocatura del Cantone Zurigo, il cui tenore è del tutto simile a quello dell'art. 7 cpv. 1 LAvv;
DTF 98 Ia 596
consid. 1a; RDAT 1997 II n. 10 consid 5b; FELIX WOLFFERS, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Zurigo 1986, pag. 113 e seg.; MARTIN STERCHI, Kommentar zum bernischen Fürsprecher-Gesetz, Berna 1992, ad art. 8 n. 2). Per quanto concerne il caso concreto, la censura sollevata a questo proposito dai ricorrenti non può essere accolta. I provvedimenti litigiosi adottati nei confronti di quest'ultimi risultano infatti sorretti da una sufficiente base legale, essendo essi fondati sia sulla norma generale dell'art. 7 LAvv, che sulle varie disposizioni del Codice deontologico degli avvocati ticinesi, richiamate nel giudizio impugnato, il cui contenuto doveva per forza essere conosciuto ai ricorrenti, essendo tale regolamento pubblicato nella Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino. Il fatto che nessuna di queste disposizioni preveda esplicitamente per l'avvocato il divieto di fornire delle consulenze legali tramite sistema Telebusiness non basta a sovvertire una simile conclusione e a fare apparire, di conseguenza, carenti di base legale le sanzioni litigiose. In effetti, l'impossibilità oggettiva di elencare già nella legge tutti i vari comportamenti professionali suscettibili di dare luogo ad un provvedimento disciplinare nei confronti dell'avvocato, fa sì che, in questo particolare ambito, il principio di legalità, inteso quale esigenza di una base legale, si riduce sostanzialmente all'obbligo di prevedere con una certa precisione ed in maniera esaustiva a livello legislativo le varie sanzioni applicabili nei confronti del trasgressore, così come stabilito dall'art. 24 LAvv
BGE 124 I 310 S. 316
(cfr. sull'argomento DOMINIQUE FAVRE, Les principes pénaux en droit disciplinaire, in: Mélanges Robert Patry, Losanna 1988, pag. 331-332 e 334 in fine con rinvii).
5.
a) Come sopra accennato (cfr. consid. 2b), i ricorrenti contestano che l'offerta al pubblico di un servizio di consulenza giuridica tramite sistema Telebusiness sia lesiva della dignità professionale dell'avvocato. Negano inoltre che, nel caso concreto, tale servizio non rispetti la Tariffa dell'Ordine e che esso violi il principio secondo cui l'avvocato deve ricevere i clienti e fornire loro consulenza in locali adatti ad una simile attività. Lamentano, in sostanza, la scorretta interpretazione e applicazione del diritto cantonale. Già si è detto in precedenza di come una simile censura debba essere vagliata sotto l'angolo dell'arbitrio (cfr. consid. 3b). A tale proposito è utile ricordare che, per prassi costante, l'arbitrio non può essere ravvisato già nella circostanza che un'altra soluzione, diversa da quella adottata dall'autorità cantonale, sia immaginabile o addirittura preferibile. Il Tribunale federale si scosta da quella scelta dalle istanze cantonali soltanto se la stessa appare manifestamente insostenibile, in contraddizione palese con la situazione effettiva, se viola in modo evidente una norma o un principio giuridico incontestato o se contrasta in modo intollerabile con il sentimento di giustizia e di equità (
DTF 122 I 61
consid. 3a,
DTF 122 II 130
consid. 2;
DTF 121 I 113
consid. 3a e rinvii). Va poi aggiunto che una decisione non va annullata allorché è arbitraria nella motivazione, ma solo se lo è nel risultato stesso (
DTF 119 II 193
consid. 3e con rinvii).
b) aa) L'art. 7 LAvv statuisce il principio generale della "dignità professionale" dell'avvocato. Di massima, si può affermare che, con questo termine, viene comunemente intesa l'onorabilità e la credibilità di cui l'avvocato deve fruire presso le autorità e il pubblico per poter svolgere in maniera adeguata l'importante ruolo che la legge, la giurisprudenza e la dottrina gli riconoscono nell'ambito dell'amministrazione della giustizia e dell'assistenza legale (cfr.
DTF 106 Ia 100
consid. 6b; VEREIN ZÜRCHERISCHER RECHTSANWÄLTE, Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, Zurigo 1988, pag. 3 e segg.; sulla funzione dell'avvocato si confronti in particolare WOLFFERS, op.cit., pag. 37 e seg. con rinvii, nonché GIAN CARLO CRESPI, Cenni e riflessioni sul diritto professionale degli avvocati per i praticanti in Ticino in: RDAT 1987, pag. 261 e segg.). In concreto, sussistono per il vero dei dubbi sul fatto che, secondo quanto rilevato dalle precedenti istanze, la prestazione di consulenza legale tramite sistema Telebusiness configuri
BGE 124 I 310 S. 317
un'attività contraria alla dignità professionale dell'avvocato, nel senso sopra esposto del termine. In particolare, non è possibile pervenire ad una simile conclusione per il solo motivo che il servizio offerto dai ricorrenti sfrutta un'innovazione tecnica nel campo della telefonia, esulando in questo modo da quelli tradizionalmente proposti in ambito legale. Fosse vero il contrario, verrebbe in pratica impedito agli avvocati di poter ricorrere a dei metodi moderni per gestire la loro attività. Anche il fatto di corrispondere per telefono con un cliente e di fatturare immediatamente la prestazione fornitagli mediante addebito sul suo conto telefonico non appare, di per sé, lesivo dell'onorabilità dell'avvocato. Né tantomeno è determinante in questo senso l'argomento sollevato dalle istanze cantonali, secondo cui la violazione del principio della dignità professionale deriva già dal fatto che un servizio analogo potrebbe venire offerto anche da persone sprovviste della necessaria preparazione giuridica, altrimenti, a stretto rigore di logica, tutte le attività che l'avvocato svolge in concorrenza con altre professioni, al di fuori del settore di monopolio garantitogli dalla legge, dovrebbero pure essere considerate indegne dal punto di vista deontologico. Il che non è ragionevolmente sostenibile. In realtà, specialmente laddove l'attività dell'avvocato è confrontata con l'impiego di nuovi metodi di lavoro, la questione di sapere se un certo comportamento professionale sia o meno compatibile con il principio della dignità professionale dev'essere esaminata di caso in caso, senza ricorrere a schematismi eccessivi. Per quanto attiene al caso concreto, il quesito di sapere se il servizio offerto dai ricorrenti sia rispettoso del suddetto principio può restare nella presente sede aperto, in quanto indipendentemente da ciò, esso appare comunque in contrasto con un'altra regola deontologica prevista dall' ordinamento ticinese, vale a dire con l'obbligo per l'avvocato di esercitare la professione in modo coscienzioso, sancito, in via generale, dagli art. 7 LAvv e 3 CAvv e, per i suoi aspetti più specifici, pure dall'art. 18 CAvv, a cui fa riferimento la decisione impugnata.
bb) In base a tale principio l'avvocato è tenuto a consigliare il proprio cliente in modo compiuto e sicuro (MICHAEL PFEIFFER, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesellschaft in: ZSR 115 (1996) II pag. 303; DOMINIQUE DREYER, L'avocat dans la société actuelle: de la nécessité de passer du XIXe au XXIe siècle in: ZSR 115 (1996) II pag. 470; Verein Zürcherischer Rechtsanwälte, op.cit., pag. 91 e segg.). Il parere giuridico che egli è chiamato a rendere deve, di principio, essere completo e tenere conto di tutte le circostanze del caso,
BGE 124 I 310 S. 318
a meno che il cliente voglia essere consigliato unicamente in merito ad un ben determinato aspetto della questione (DREYER, op.cit., pag. 470). Tuttavia, anche in quest'ultimo caso, la risposta al cliente deve essere - perlomeno su tale punto - attendibile, conformemente a quanto ci si può aspettare da una persona provvista di specifiche conoscenze tecniche in ambito giuridico (PFEIFFER, op.cit., pag. 302 e seg.). Per poter consigliare correttamente il proprio mandante, l'avvocato deve innanzitutto conoscere a fondo i fatti sui quali si fonda il problema che gli è stato sottoposto. Da questo punto di vista egli dipende in buona misura da quanto gli viene riferito dal cliente. L'avvocato è tuttavia tenuto ad esaminare con senso critico la correttezza di queste informazioni: nel limite del possibile, egli ha il dovere di verificarne la completezza e l'esattezza. Qualora le medesime risultassero lacunose, insufficienti oppure poco chiare, egli ha quindi l'obbligo di chiedere dei chiarimenti e, se del caso, di compiere degli accertamenti (STERCHI, op. cit., ad art. 11 n. 5b; DREYER, op.cit., pag. 470). Il che comporta l'effettuazione di sopralluoghi oppure, più sovente, l'esame di documenti. Per quanto concerne in modo particolare quest'ultimi, gli stessi si trovano normalmente nelle mani del cliente o presso autorità. Per poter accedere a talune informazioni utili al corretto adempimento dell'incarico ricevuto, l'avvocato si trova quindi spesso nella necessità d'instaurare con il suo mandante una relazione personale e diretta. L'art. 18 CAvv, che fa obbligo all'avvocato di prestare opera di consulenza ricevendo la clientela in locali propri, va pertanto interpretato nel contesto di quanto appena esposto. Tale disposizione non mira infatti solo a fare sì che il legale conferisca con il cliente in un luogo dove sia garantita sufficiente tranquillità e discrezione (cfr. STERCHI, op.cit., Anhang 1 ad art. 29), ma sottintende anche la necessità di un contatto personale tra mandante e mandatario, quale premessa iniziale per il corretto adempimento dell'incarico di consulenza. Eccezioni sono certamente possibili, ma, in quanto tali, devono restare confinate a casi del tutto particolari. Ora, il metodo di consulenza proposto dai ricorrenti non tiene sufficientemente conto delle suddette esigenze. Limitando infatti la relazione tra avvocato e cliente ad un semplice colloquio telefonico, senza la possibilità di ulteriori sviluppi, esso non permette al primo di operare tutte le verifiche che, di norma, si rendono necessarie per poter fornire un parere giuridico affidabile, che sia dal punto di vista qualitativo all'altezza delle attese del cliente. Inoltre - come rilevato dalla Commissione di disciplina - è verosimile che un sistema di consultazione del genere
BGE 124 I 310 S. 319
possa indurre quest'ultimo ad affrettare i tempi della conversazione telefonica per contenerne il costo, rendendo in questo modo ancora più difficoltose le verifiche che l'avvocato deve poter compiere per potersi pronunciare con la dovuta cognizione di causa. Si deve pertanto concludere che il servizio in parola non offre sufficienti garanzie per ciò che concerne la completezza e la correttezza delle informazioni che verrebbero rilasciate ai suoi utenti. Il che non si concilia con le norme deontologiche sopra menzionate. A questo proposito va comunque ancora precisato che la consulenza che l'avvocato fornisce per telefono nel contesto di un incarico già esistente si differenzia sensibilmente dal genere di prestazione proposto dai ricorrenti, non fosse altro per il fatto che nel primo caso si è già instaurato un contatto personale con il cliente, per cui i fatti rilevanti per il parere sono, di massima, già conosciuti. Certo, possono sussistere casi in cui l'avvocato deve operare, senza aver mai avuto l'occasione d'incontrare personalmente il suo cliente. Ciò capita ad esempio allorquando quest'ultimo risiede all'estero. Si deve tuttavia considerare che in simili situazioni, il legale si pronuncia, in genere, dopo aver avuto l'occasione e il tempo di esaminare le informazioni e gli atti che gli sono stati messi a disposizione dal suo mandante.
c) In linea generale, si può certamente ammettere che, come sostengono i ricorrenti, esiste per il pubblico la necessità di poter far capo a dei sistemi di consulenza giuridica rapida, mediante i quali ottenere, senza alcun appuntamento o altre particolari formalità, delle informazioni da parte di un legale. Tuttavia, dal punto di vista deontologico, non è ammissibile che il soddisfacimento di un simile bisogno vada a scapito dell'affidabilità e della completezza della prestazione fornita. Non si deve infatti dimenticare che sovente le questioni sulle quali viene chiesto il parere di un legale concernono problemi di una certa importanza (non solo patrimoniale) per gli interessati: un eventuale errore da parte dell'avvocato, dovuto all'impossibilità per quest'ultimo di approfondire come di dovere il quesito a lui sottoposto, può dunque avere delle gravi conseguenze per il cliente. Da qui la necessità di assicurare al pubblico un metodo di consulenza che ponga il legale nella posizione di poter effettuare le verifiche e gli accertamenti del caso. Altri sistemi sono d'altra parte già stati concepiti in Svizzera al fine di soddisfare l' esigenza di ottenere in tempi rapidi delle informazioni su delle questioni legali. Si pensi, ad esempio, all'istituzione in diversi Cantoni di consultori giuridici (comunemente indicati in francese quali "permanences juridiques" o, in tedesco, con il termine di "Rechtsauskunftsdienste"),
BGE 124 I 310 S. 320
presso i quali è possibile consultare un avvocato su delle questioni poco complesse, senza appuntamento, a basso prezzo (in genere fisso) o addirittura gratuitamente. Laddove esistono, tali servizi sono stati in genere istituiti su iniziativa dei vari Ordini di categoria. Nulla impedisce comunque al singolo avvocato di allestire privatamente un servizio analogo offrendo, ad esempio, durante determinate fasce orarie della giornata e senza appuntamento, consulenza a chiunque desideri ottenere in breve tempo informazioni su problemi giuridici di semplice risoluzione. In tal modo il contatto personale e il dialogo tra cliente e avvocato si instaurano in maniera certamente più adeguata di quanto avverrebbe attraverso il sistema di consultazione telefonica proposto dai ricorrenti.
d) Stante tutto quanto precede, si deve dunque concludere che, per ciò che concerne i combinati art. 7 LAvv e 18 CAvv, l'interpretazione del diritto cantonale operata dalla precedente istanza giudiziaria non appare, nel suo complesso, arbitraria.
6.
Resta da esaminare (liberamente) se la citata interpretazione e applicazione del diritto cantonale sia rispettosa o meno della libertà di commercio e d'industria di cui all'
art. 31 Cost.
, per quanto concerne, segnatamente, l'interesse pubblico e il principio di proporzionalità.
a) In primo luogo va detto che è dato un interesse pubblico preponderante affinché i pareri forniti dagli avvocati poggino su delle basi attendibili. In caso contrario la clientela verrebbe esposta in maniera eccessiva al rischio di ottenere dei consigli errati. Rischio che, oltre una certa misura, non può essere tollerato, potendosi oggettivamente confidare nel fatto che il parere giuridico reso da uno specialista del settore, soggetto alla vigilanza disciplinare dello Stato - quale è l'avvocato - sia il più possibile attendibile.
I ricorrenti sollevano tuttavia nel loro gravame un problema piuttosto delicato, allorquando affermano che nel campo della consulenza legale gli avvocati sono esposti alla concorrenza di persone assai meno qualificate dal punto di vista professionale, le quali, non essendo soggette a sorveglianza da parte dell'ente pubblico o di un particolare ordine di categoria, non incontrerebbero alcun ostacolo a praticare un'attività consultiva tramite Telebusiness. Secondo gli insorgenti, è paradossale vietare agli avvocati, che sono pur sempre degli specialisti in materia giuridica, l'esercizio di un simile metodo di consulenza e permettere invece che il medesimo possa essere offerto da persone meno preparate dal punto di vista professionale. In verità la contraddizione denunciata dagli insorgenti non è che
BGE 124 I 310 S. 321
apparente nel senso che, proprio perché abilitati dallo Stato a svolgere una simile professione e soggetti a sorveglianza anche nel campo della consulenza, gli avvocati fruiscono presso il pubblico di una credibilità che non è propria di eventuali loro concorrenti "laici" e che quindi, nel limite del possibile, non va disattesa. La questione della concorrenza da parte di persone che operano a livello professionale in settori non soggetti al monopolio degli avvocati, senza essere sottoposti alle medesime limitazioni che toccano quest'ultimi, rappresenta comunque un problema che non deve essere sottovalutato. Se del caso talune regole professionali dovranno essere modificate al fine di garantire una certa competitività agli avvocati. Ciò detto, va comunque rilevato che, nel caso concreto, simili considerazioni non permettono ancora di prescindere dalla rigorosa applicazione dei principi deontologici sopra citati, sussistendo sufficienti ragioni per ritenere inammissibile l'offerta di un sistema di consulenza, che - per le sue caratteristiche - non sarebbe in grado di soddisfare in maniera appropriata le attese in esso riposte dal pubblico.
b) Dal punto di vista del principio della proporzionalità, la decisione litigiosa non dà adito a critiche. Per quanto concerne la sanzione inflitta ai ricorrenti, essa è la più lieve prevista dall'ordinamento cantonale (art. 24 LAvv) e non appare eccessiva per rispetto alla trasgressione loro rimproverata. Per ciò che invece attiene al divieto a far uso di un sistema di consulenza tramite sistema Telebusiness, che ne deriva, non si vede oggettivamente come potrebbero essere ovviati i rischi insiti nell'uso di un simile metodo attraverso l'adozione di misure meno incisive. Sarebbe, ad esempio, assai problematico, nonché professionalmente poco serio, obbligare gli avvocati che offrono consulenza tramite detto sistema a rendere attenti gli utenti del servizio sul fatto che le risposte loro fornite mediante Telebusiness costituiscono dei semplici pareri preliminari, senza alcuna garanzia quanto alla loro correttezza.
c) Stante tutto quanto precede, la decisione impugnata non risulta essere lesiva dell'
art. 31 Cost.
Per il che non si rende necessario esaminare se le censure sollevate dai ricorrenti in merito alla presunta disattenzione delle norme relative all'obbligo di rispettare la Tariffa dell'Ordine siano fondate o meno, non potendo comunque le medesime influire sull'esito della presente procedura. Ne consegue che il ricorso dev'essere respinto. | public_law | nan | it | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3e2ddd18-4502-46f0-9ab1-271bc2375468 | Urteilskopf
105 V 113
27. Auszug aus dem Urteil vom 27. August 1979 i.S. X AG gegen Ausgleichskasse AGRAPI und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 5 Abs. 2 und
Art. 9 Abs. 1 AHVG
,
Art. 7 lit. h AHVV
. AHV-rechtliche Qualifikation der Entschädigungen an den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft, der gleichzeitig auch als Anwalt für die Aktiengesellschaft tätig ist. | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 105 V 113 S. 113
A.-
Anlässlich einer Arbeitgeber-Kontrolle am 12./13. April 1977 wurde u.a. festgestellt, dass die X AG in den Jahren 1972 bis 1976 dem Verwaltungsrat Dr. K. Entschädigungen von insgesamt Fr. 60'033.-- ausgerichtet hatte. Auf Grund dieser Feststellungen erliess die Kasse am 28. April 1977 eine Nachzahlungsverfügung.
B.-
Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde von der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich mit Entscheid vom 19. April 1978 abgewiesen.
C.-
Die X AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, "Das Urteil der AHV-Rekurskommission sei insofern aufzuheben, als es sich auf die Nachzahlungsverfügung betreffend die Honorarfakturen von Dr. K., Rechtsanwalt,
BGE 105 V 113 S. 114
in den einschlägigen Jahren 1972-1976 bezieht". Die Begründung ergibt sich aus den nachfolgenden Erwägungen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Zahlungen an Dr. K., auf welche sich die Nachzahlungsverfügung bezieht, wurden in dem der Verfügung beigehefteten Kontrollbericht als "VR Entschädigung gemäss Zeitaufwand" bezeichnet. Die Zahlungen erfolgten auf Grund der von Dr. K. gestellten Quartalsrechnungen. Diese Rechnungen ergeben zusammen den Betrag von Fr. 60'033.--. Die Rechnungsstellung erfolgte gemäss dem zwischen der Erbengemeinschaft N. und Dr. K. abgeschlossenen Treuhand- und Mandatsvertrag vom 1. November 1971. Gemäss Ziff. 1 dieses Vertrags beteiligt sich Dr. K. "im Auftrage der Erbengemeinschaft... an der aus der erwähnten Fusion hervorgehenden neuen "X AG" mit einer Namenaktie zu Fr. 1'000.-- nom. und tritt in den Verwaltungsrat ein". Nach Ziff. 2 ist Dr. K. verpflichtet, "sein Mandat im Rahmen des Gesetzes nach den Instruktionen der Erbengemeinschaft... auszuüben". In Ziff. 3a ist für die "Stellung und Verantwortlichkeit als Verwaltungsrat der X AG" eine Jahresentschädigung von Fr. 6'000.-- vereinbart. Über diese Entschädigung hat die Beschwerdeführerin mit der Ausgleichskasse abgerechnet.
Als weitere Vergütung sieht Ziff. 3b des Vertrages vor:
"Entschädigung im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit als Verwaltungsrat sowie für die Erledigung von Sach- und Rechtsfragen der X AG und der Erbengemeinschaft: Honorar- und Auslagenersatz gemäss der Gebührenordnung des Vereins Zürcherischer Rechtsanwälte; die Fakturierung erfolgt je pro Quartal."
Die Qualifikation dieser letztgenannten Entschädigung ist umstritten.
3.
Gemäss
Art. 7 lit. h AHVV
gehören Tantiemen, feste Entschädigungen und Sitzungsgelder an Mitglieder der Verwaltung juristischer Personen zu dem für die Berechnung der Beiträge massgebenden Lohn. In Rz 107 der Wegleitung des BSV über den massgebenden Lohn wird ausgeführt, die Vermutung spreche dafür, dass ein Versicherter, der Organ einer juristischen Person ist, deren Entgelt in seiner Eigenschaft als Organ
BGE 105 V 113 S. 115
und daher als massgebenden Lohn beziehe. Dies sei auch der Fall, wenn der Versicherte seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten (als Anwalt, Treuhänder, Buchhalter) für die juristische Person einsetze. Das BSV stützt diese Rz auf den Entscheid des Eidg. Versicherungsgerichts vom 15. April 1953 i.S. C. AG (ZAK 1953, S. 461). In diesem Entscheid wird indessen die erwähnte Vermutung nicht in den Vordergrund gestellt; vielmehr wird dort die "Art der betreffenden Tätigkeit" als Kriterium betrachtet. Die Qualifikation der Entschädigung an den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft, der gleichzeitig auch als Anwalt für die Aktiengesellschaft tätig ist, hängt davon ab, ob die Tätigkeit, für welche die Entschädigung ausgerichtet wird, mit dem Amt als Verwaltungsrat verbunden ist oder ob sie ebensogut losgelöst von diesem Amt erfolgen kann. In gewissem Sinn spielt hier auch das Kriterium der Unterordnung eine Rolle. Geht man von diesen Erwägungen aus, so spricht im vorliegenden Fall für die Annahme eines unselbständigen Erwerbs, dass in Ziff. 3 des Treuhand- und Mandatsvertrags von der "Stellung als Verwaltungsrat einerseits" und von der "damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeit andererseits" gesprochen wird. Auch in lit. b von Ziff. 3 ist von der "Entschädigung im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit als Verwaltungsrat" die Rede. Diese Formulierungen sind ein Indiz dafür, dass die anwaltliche Tätigkeit des Dr. K. für die Beschwerdeführerin von seinem Amt als Verwaltungsrat abhängt.
Gegen diese Annahme spricht nun aber vor allem die Entstehungsgeschichte des Vertrags. Wie sich aus dessen "Vorbemerkung" ergibt, war Dr. K. während beinahe zwanzig Jahren als Anwalt und Berater für N. und dessen Aktiengesellschaften, die sich durch Fusion zur X AG zusammenschlossen, tätig. In dieser Eigenschaft wurde er nun von der Erbengemeinschaft in den Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin delegiert. Im Vordergrund stand offensichtlich weiterhin die Tätigkeit als Anwalt und Berater und nicht die Verwaltungstätigkeit innerhalb der Firma. Hiefür spricht, dass die Erledigung von Sach- und Rechtsfragen besonders genannt ist. Diese Tätigkeit war auch ohne weiteres losgelöst vom Verwaltungsratsmandat möglich, wie sie schon vorher während beinahe zwanzig Jahren ausgeübt wurde. Die Anwalts- und Beratungstätigkeit war also nicht ein Ausfluss des Verwaltungsratsmandats, sondern im Gegenteil
BGE 105 V 113 S. 116
war das Verwaltungsratsmandat ein Ausfluss der bisherigen anwaltlichen Tätigkeit. Am bisherigen Anwaltsmandat änderte sich durch diesen Vertrag nichts; es kam lediglich noch die Funktion als Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin hinzu.
Die Vorinstanz verweist auf die in Ziff. 2 des Vertrages erwähnten Instruktionen und schliesst daraus, dass Dr. K. arbeitsorganisatorisch von der Beschwerdeführerin weit mehr abhängig sei, als dies ein Anwalt grundsätzlich seinem Klienten gegenüber wäre. Zu Recht wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde demgegenüber geltend gemacht, dass der Anwalt stets nach den Instruktionen seines Klienten zu handeln hat und dass er bei Zuwiderhandlung gegen seine Anwaltspflichten verstösst. Im Auftragsverhältnis gilt ja allgemein, dass der Beauftragte die Besorgung der übertragenen Geschäfte nach den Vorschriften des Auftraggebers zu erledigen hat (
Art. 397 OR
). Daraus kann kein Unterordnungsverhältnis abgeleitet werden. Abgesehen davon, hat Dr. K. die Verpflichtungen des Treuhand- und Mandatsvertrags nicht gegenüber der Beschwerdeführerin übernommen, sondern gegenüber der Erbengemeinschaft. Wenn überhaupt ein Unterordnungsverhältnis vorläge, so nicht zwischen Dr. K. und der Beschwerdeführerin, sondern zwischen ihm und der Erbengemeinschaft. Das gleiche gilt hinsichtlich des wirtschaftlichen Risikos. Auch hier kommt gemäss Ziff. 4 des Vertrags nicht die Beschwerdeführerin, sondern die Erbengemeinschaft für den Schaden auf, den Dr. K. als Verwaltungsrat erleiden könnte. Gerade diese Klausel zeigt, dass die Beschwerdeführerin nicht Vertragspartnerin sein kann, denn eine Aktiengesellschaft könnte eine solche Verpflichtung gegenüber ihren Organen nicht eingehen; dies kann nur ein Aussenstehender. Vor allem ist aber zu beachten, dass diese Deckungszusage nur für die Tätigkeit des Dr. K. als Verwaltungsrat gilt. Für seine Anwalts- und Beratertätigkeit (Erledigung von Sach- und Rechtsfragen) trägt Dr. K. selbst das wirtschaftliche Risiko.
Aus dem Gesagten folgt, dass die Indizien, die für eine selbständige Erwerbstätigkeit des Dr. K. sprechen, im vorliegenden fall eindeutig überwiegen. Dies führt zur Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3e3b7355-05fd-4dd6-a25c-71f844c49011 | Urteilskopf
99 V 70
25. Arrêt du 30 mai 1973 dans la cause Société vaudoise et romande de secours mutuels contre C. et Cour de justice civile du canton de Genève | Regeste
Um Leistungen im Falle des Spitalaufenthaltes (
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG
) beanspruchen zu können, muss sich der Versicherte nicht nur in einer Heilanstalt im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Vo III aufhalten, sondern auch eine Krankheit aufweisen, die Spitalbehandlung erfordert. | Sachverhalt
ab Seite 70
BGE 99 V 70 S. 70
A.-
C., membre de la Société vaudoise et romande de secours mutuels (ci-après: SVRSM), est assuré auprès de cette caisse-maladie notamment pour les soins médicaux et pharmaceutiques en cas de maladie, avec indemnité complémentaire d'hospitalisation. L'intéressé a été hospitalisé du 22 novembre au 1er décembre 1971 à l'Hôpital cantonal de Genève pour le traitement d'une hémorragie interne. La SVRSM lui a versé pour cette période les prestations dues en cas d'hospitalisation.
Du 6 décembre 1971 au 4 janvier 1972, l'assuré a séjourné à la Clinique du "Pré du Château", à Choulex. La SVRSM a considéré que cette clinique n'était pas un établissement hospitalier, mais une maison de repos et de convalescence. Aussi,
BGE 99 V 70 S. 71
refusant les prestations dues en cas d'hospitalisation, a-t-elle versé l'indemnité journalière forfaitaire que ses conditions d'assurance prévoient en cas de séjour de convalescence, soit un montant total de 180 francs (décision du 29 mars 1972).
B.-
La Cour de Justice civile du canton de Genève, saisie d'un recours tendant à la pleine couverture des frais de séjour pour la période du 6 décembre 1971 au 4 janvier 1972, a admis que la Clinique du "Pré du Château" satisfaisait aux exigences posées par la loi et la jurisprudence pour être reconnue comme établissement hospitalier. Appliquant le tarif conventionnel valable pour l'hospitalisation en salle commune de l'Hôpital cantonal, elle a alloué à l'assuré, dans le cadre des prestations dues en cas d'hospitalisation, un montant de 900 francs, dont à déduire les 180 francs déjà versés (jugement du 6 octobre 1972).
C.-
La SVRSM interjette recours de droit administratif. A son avis, le caractère d'hôpital ne paraît guère pouvoir être reconnu à la clinique en cause. La recourante met cependant l'accent sur un autre aspect du problème et fait valoir que, même si la clinique est qualifiée d'établissement hospitalier, le séjour qu'y a fait l'assuré constitue en l'espèce un séjour de convalescence, qui ne saurait ouvrir droit aux prestations d'hospitalisation. Elle conclut donc à l'annulation dujugement cantonal et au rétablissement de la décision litigieuse.
L'intimé conclut à la confirmation dujugement cantonal, avec suite de dépens. Ilinsiste en particulier sur le fait qu'il est entré en clinique pour y suivre un traitement sous surveillance médicale, conformément à l'avis de son médecin traitant.
L'Office fedéraldes assurances sociales estime que le séjour de l'assuré en clinique doit plutôt être considéré comme une période de convalescence que comme un séjour hospitalier ayant nécessité des soins. Il propose donc d'admettre le recours de la caisse et d'annuler le jugement attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La solution du litige découle de la réponse qui sera donnée à la question de savoir si, durant le séjour en cause, l'assuré a été en traitement dans un établissement hospitalier, au sens de l'art. 12 al. 2 ch. 2 LAMA. Or cette réponse implique un double examen: celui du caractère de l'établissement et celui de la nature du séjour.
BGE 99 V 70 S. 72
2.
Selon l'art. 23 al. 1 Ord. III, "sont réputés établissements hospitaliers les établissements ou divisions d'établissements dans lesquels des malades sont traités sous direction médicale".
La jurisprudence a reconnu que l'exigence de la direction médicale concerne non l'établissement en tant que tel, mais le traitement qui y est appliqué et qui ne doit pas nécessairement l'être par des médecins attachés à l'établissement. Il n'est pas indispensable non plus que l'établissement dispose d'une salle commune. Il est essentiel, en revanche, qu'il possede en suffisance du personnel infirmier dûment formé, ainsi que des installations médicales adéquates (RJAM 1969 no 55, RO 96 V 11 consid. 3).
La Clinique du "Pré du Château", petit établissement de 16 lits, est dirigée par une infirmière diplômée, assistée d'une aideinfirmière. Son équipement médical comporte une pharmacie, avec un dépôt de médicaments injectables. Elle possede ainsi un personnel soignant qualifié et des installations médicales adéquates, en suffisance pour un établissement de taille si réduite.
Sans doute s'agit-il d'un établissement ambivalent puisque, à côté des patients qui y sont soignés sur ordre d'un médecin, la clinique accueille également - et selon toute apparence même principalement - des personnes qui viennent pour une cure de repos ou de convalescence. Mais, si l'on considère en outre qu'elle figure sur la liste des établissements hospitaliers reconnus comme tels par le Concordat des caisses-maladie suisses, de même que dans l'Annuaire médical suisse sous la rubrique des cliniques privées, il paraît difficile de lui dénier le caractère d'établissement hospitalier.
3.
Le juge cantonal a examiné uniquement le caractère de l'établissement lui-même. Or le seul fait de séjourner dans un établissement hospitalier au sens de l'art. 23 al. 1 Ord. III ne suffit pas à ouvrir droit aux prestations dues en cas d'hospitalisation. Encore faut-il qu'il y ait maladie nécessitant un traitement hospitalier (RJAM 1969 nos 40, 48 et 50; 1971 no 97).
Dans l'espèce, l'assuré avait été hospitalisé du 22 novembre au 1er décembre 1971 dans le service de chirurgie de l'Hôpital cantonal de Genève pour une hémorragie interne, hospitalisation que la SVRSM a assumée. Le certificat médical de sortie déclarait nécessaire "une convalescence à fixer par son médecin traitant". Le patient a consulté son médecin le 3 décembre, pour entrer le 6 du même mois à la Clinique du "Pré du Château". Il
BGE 99 V 70 S. 73
est vrai que le Dr B. atteste, dans son certificat médical du 9 décembre 1971, que l'état du patient nécessite un séjour à cette clinique "pour un traitement sous surveillance médicale" et qu'il confirme, dans son certificat du 22 février 1972, avoir ordonné "une hospitalisation sous surveillance et traitement médical au Pré du Château du 6 décembre 1971 au 4 janvier 1972". Iln'apparaît néanmoins guère possible d'admettre qu'il y ait eu séjour hospitalier au sens de l'art. 12 al. 2 ch. 2 LAMA.
D'une part, après son licenciement de l'Hôpital cantonal pour convalescence, l'assuré n'avait manifestement plus besoin de soins hospitaliers - à preuve l'intervalle entre cette sortie et l'entrée à la Clinique du "Pré du Château" - et il n'a jamais été fait état d'une aggravation ou rechute qui aurait nécessité une nouvelle hospitalisation. D'autre part et surtout, les factures de la clinique établissent que, pendant tout son séjour, l'assuré n'a eu besoin d'aucuns soins particuliers; il n'a supporté que des frais de pharmacie fort modiques, de 28 fr. 50. Hormis une unique visite du médecin traitant à Choulex le 9 décembre 1971, la surveillance médicale a eu lieu au cabinet du médecin. S'il y a eu traitement, celui-ci n'a été qu'ambulatoire; et encore était-il sans rapport avec le séjour en clinique, l'assuré lui-même ayant déclaré dans son recours s'être rendu chez son médecin pour "un traitement totalement étranger à son hospitalisation".
En bref, il apparaît que, dès sa sortie de l'Hôpital cantonal, l'assuré n'avait plus besoin de traitement dans un établissement hospitalier, mais de convalescence. Il ne saurait donc prétendre aux prestations dues en cas d'hospitalisation.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours est admis et le jugement attaqué, annulé. | null | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3e42628d-c760-42eb-8ef0-6a81b5dfdc6c | Urteilskopf
99 II 50
9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Februar 1973 i.S. Stierli gegen Maurer. | Regeste
Erstreckung des Mietverhältnisses.
1. Eine Kündigung gemäss
Art. 267 OR
braucht nicht begründet zu werden (Erw. 1).
2. Berufung auf Eigenbedarf im Sinne von
Art. 267c lit. c OR
, Beweis; Umstände, uniter denen der Eigenbedarf an Geschäftsräumen zu bejahen ist (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 99 II 50 S. 50
A.-
August Stierli benützt seit 1964 verschiedene Werkstatt- und Lagerräume der Liegenschaft Blumenfeldstrasse 51/Mühleackerstrasse 65 in Zürich, die der Ehefrau des Wilhelm Maurer gehört. In einem andern Teil der Liegenschaft betreibt Maurer ein Ingenieurbüro und eine Präzisions-Werkstätte.
Am 29. Oktober 1971 kündigte er dem Stierli die von diesem benützten Räume auf Ende Februar 1972, anerkannte aber später, dass die Kündigung erst auf Ende März 1972 wirksam sei.
B.-
Im November 1971 klagte Stierli gegen Maurer mit dem Begehren, das Mietverhältnis gemäss
Art. 267a OR
um zwei Jahre zu erstrecken.
Das Mietgericht des Bezirkes Zürich und auf Rekurs hin am 7. November 1972 auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage mit der Begründung ab, es liege Eigenbedarf im Sinne von Art. 267c lit c. OR vor.
Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Obergerichtes ab.
BGE 99 II 50 S. 51
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Kläger macht in erster Linie geltend, der Beklagte habe ihm nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt, sondern weil sie sich über eine Abrechnung aus ihren geschäftlichen Beziehungen nicht einig gewesen seien; mit der Kündigung habe der Beklagte ihm seine Abrechnung aufzwingen wollen. Es dürfe deshalb nicht darauf abgestellt werden, was der Beklagte nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung vor Gericht vorgebracht habe. Im Kündigungsschreiben vom 29. Oktober 1971 stehe kein Wort von Eigenbedarf.
Eine Kündigung gemäss
Art. 267 OR
braucht indes nicht begründet zu werden. Es genügt, dass der Kündigende erklärt, den Mietvertrag auf einen zulässigen Termin hin beenden zu wollen, und die Kündigung vor Beginn der Kündigungsfrist bei der andern Vertragspartei eintrifft. Aus welchen Gründen eine Kündigung erfolgt, ist unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirksamkeit unerheblich (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 30. Januar 1973 i.S. Schweizer gegen Manesse AG; VON TUHR/SIEGWART, OR II S. 603; MERZ, N. 315 zu
Art. 2 ZGB
). Dass ein Vermieter, der das Vertragsverhältnis kündigt, sich erst im Erstreckungsverfahren nach
Art. 267a ff. OR
auf Eigenbedarf beruft, schadet ihm daher nicht.
2.
Eine andere Frage ist, ob ein im Erstreckungsverfahren behaupteter Eigenbedarf wirklich vorliege oder ob der Vermieter die Behauptung bloss aufgestellt habe, um einen lästigen Mieter loszuwerden. Der Vermieter, der sich auf Eigenbedarf beruft, darf es deshalb im Bestreitungsfalle nicht bei der Behauptung bewenden lassen. Er hat vielmehr darzutun, dass und warum er die Räumlichkeiten für sich selbst, seine nahen Verwandten oder Verschwägerten benötigt. Auch steht es dem Mieter frei, Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, die auf das Fehlen eines Eigenbedarfs im Sinne von
Art. 267c lit. c OR
schliessen lassen und somit geeignet sind, die Sachdarstellung des Vermieters zu entkräften (vgl.
BGE 88 II 189
f. und dort angeführte Urteile). Ist der Eigenbedarf aber dargetan, so kommt im Erstreckungsverfahren auf allfällige weitere Beweggründe des Vermieters, das Mietverhältnis zu beenden, nichts an.
Der Eigenbedarf des Vermieters ist zu bejahen, wenn dieser nach den gegebenen Umständen ernsthafte Gründe hat, die
BGE 99 II 50 S. 52
vermieteten Räume für seine eigenen Bedürfnisse zu beanspruchen, gleichviel ob es sich um Wohnungen oder Geschäftsräume handelt (
BGE 74 I 3
und 99/100,
BGE 92 I 194
Erw. 2,
BGE 98 II 108
Erw. b).
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach dem angefochtenen Urteil herrschen im Betrieb des Beklagten, der 1972 etwa zehn Angestellte beschäftigte, so enge Arbeitsverhältnisse, dass "ein geordnetes Arbeiten in diesen Werkstatträumen geradezu unmöglich" ist. Die Feststellung des Obergerichts stützt sich auf einen Augenschein des Mietgerichtes und einen Amtsbericht des Gesundheitsinspektorates der Stadt Zürich vom 12. Juli 1972. Dem Bericht ist insbesondere zu entnehmen, dass die Raumverhältnisse im Betriebe des Beklagten gegen geltende Schutzvorschriften verstossen, weil ein freies und ungehindertes Bewegen zwischen den Werkbänken und Maschinen nicht gewährleistet, die Sicherheit der Arbeitenden vielmehr ernsthaft in Frage gestellt ist. Nach einer weiteren Feststellung des Obergerichts haben sich die Verhältnisse vor allem dadurch verschlimmert, dass die Maschinen zum Zersägen von Gussblöcken erheblich vergrössert werden mussten.
Diese Umstände lassen den behaupteten Eigenbedarf des Beklagten aber als begründet erscheinen. Der Kläger versucht dies freilich auch mit dem Einwand zu bestreiten, der Bedarf des Beklagten sei entgegen der Annahme des Obergerichts nicht dringlich, zumal der Beklagte den bestehenden Zustand seit Beginn des Mietverhältnisses gekannt und in Kauf genommen habe. Die Vorinstanz führt in der Tat aus, der Eigenbedarf müsse nicht bloss ernstlich und aus triftigen Gründen gegeben sein, sondern setze zudem voraus, "dass das behauptete Bedürfnis nach Übernahme der vermieteten Räumlichkeiten auf den Kündigungstermin auch dringlich sei". Darunter sei eine "betriebliche Zwangslage" zu verstehen, die aber "nicht existenzgefährdend zu sein brauche".
Dass der Eigenbedarf auch dringlich sein müsse, ist dem neuen Recht (
Art. 267a ff. OR
) indes nicht zu entnehmen. Es geht daher nicht an, dieses Erfordernis aus der Rechtsprechung (
BGE 73 I 174
/5,
BGE 74 I 4
) zu dem nunmehr aufgehobenen Mietnotrecht ableiten zu wollen. Eine betriebliche Zwangslage, die aber nicht existenzgefährdend sein müsse, ist übrigens eine derart unbestimmte Umschreibung, dass sie als weitere Voraussetzung des Eigenbedarfs nicht taugt. Für den Begriff des
BGE 99 II 50 S. 53
Eigenbedarfs im Sinne von
Art. 267 c lit. c OR
genügt, dass der Vermieter ernsthafte, nach den Umständen einleuchtende Gründe dafür hat, die vermieteten Räume für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte zu beanspruchen (
BGE 98 II 108
Erw. b am Ende). | public_law | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3e477f9e-2548-4ed5-8ce2-dad206558526 | Urteilskopf
125 I 394
36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Oktober 1999 i.S. M. gegen Bezirksstatthalteramt Liestal und Sissach sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 88 OG
und
Art. 5 EMRK
; Legitimation zur Haftbeschwerde, Entschädigungsverfahren.
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (E. 3).
Nach Beendigung der Untersuchungshaft fehlt es für deren Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde an einem aktuellen praktischen Interesse (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 4).
Die Rügen der Verletzung von
Art. 5 EMRK
sowie der verfassungs- und gesetzmässigen Verteidigungsrechte können im Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden (Präzisierung der Rechtsprechung); Ausgestaltung des Entschädigungsverfahrens (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 395
BGE 125 I 394 S. 395
Am 5. November 1998 ist der bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt tätige M. auf Haftbefehl des Bezirksstatthalteramtes Liestal wegen des Verdachts verschiedener Delikte in Haft genommen. Im Einzelnen wurde hierfür Flucht-, Fortsetzungs- und Kollusionsgefahr angenommen. Das Verfahren ist am 6. November 1998 dem Bezirksstatthalteramt Sissach übertragen worden. Am Nachmittag des 10. November 1998 ist M. aus der Haft entlassen worden.
Am 7. Dezember 1998 liess M. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erheben. Unter Berufung auf
Art. 4 BV
, die persönliche Freiheit,
§ 9 KV/BL
(SR 131.222.2),
Art. 5 und 6 EMRK
(SR 0.101) sowie
Art. 9 UNO-Pakt II
(SR 0.103.2) stellte er die Anträge, es sei der Haftbefehl aufzuheben und es seien verschiedene Gesetzes-, Verfassungs- und EMRK-Verletzungen festzustellen. In materieller Hinsicht macht er insbesondere geltend, ohne hinreichenden Verdacht inhaftiert, über die Gründe seiner Inhaftierung nicht informiert und erst am Nachmittag des 9. November 1998 und damit rund 96 Stunden nach seiner Verhaftung einvernommen worden zu sein; ferner beanstandet er, dass sein Rechtsvertreter trotz Kenntnis des Mandatsverhältnisses erst am Nachmittag des 10. November 1998 die haftrelevanten Akten erhielt, dass dieser den Beschwerdeführer nicht habe besuchen können und dass ein Schreiben des Rechtsvertreters vom 6. November 1998 dem Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Haftentlassung am 10. November 1998 noch immer nicht ausgehändigt worden war.
Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach
Art. 86 OG
grundsätzlich nur bei Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges zulässig.
Nach § 18 des kantonalen Gesetzes über die Gerichtsorganisation (GOG/BL, Gesetzessammlung 170) unterstehen die Statthalter in Bezug auf ihre Untersuchungstätigkeit in Strafsachen unmittelbar der Überweisungsbehörde. Hinsichtlich der Untersuchungshaft kann der verhaftete Angeschuldigte nach § 32 der kantonalen Strafprozessordnung (StPO/BL, Gesetzessammlung 251) jeder Zeit mit einem
BGE 125 I 394 S. 396
schriftlichen Gesuch um seine Freilassung ersuchen; wird das Ersuchen vom Statthalter oder von der Staatsanwaltschaft abgewiesen, sind die Akten auf Verlangen des Verhafteten mit einem Bericht an die Überweisungsbehörde weiterzuleiten, die über das Gesuch entscheidet. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass die Überweisungsbehörde gestützt auf
§ 32 StPO
/BL nur angerufen werden kann, solange sich der Betroffene noch in Haft befindet, nicht hingegen, wenn der Beschwerdeführer wie im vorliegenden Fall bereits aus der Haft entlassen worden ist. Bei dieser Sachlage bestehen ernsthafte Zweifel darüber, ob der Beschwerdeführer sich nach Beendigung der Haft an die Überweisungsbehörde hätte wenden können. Angesichts dieser Zweifel brauchte der Beschwerdeführer bei der Überweisungsbehörde keine Haftbeschwerde zu erheben und gilt der kantonale Instanzenzug im Sinne von
Art. 86 OG
nach der Rechtsprechung als erfüllt (vgl.
BGE 120 Ia 194
E. 1d S. 198;
BGE 116 Ia 442
E. 1a S. 444;
BGE 110 Ia 211
E. 1 S. 213, mit Hinweisen).
Darüber hinaus fragt sich, ob der Instanzenzug nach
Art. 86 OG
auch in Bezug auf die weiteren Vorbringen - wie die Einvernahme nach 96 Stunden, die Information über die Haftgründe, die Aushändigung bzw. die Einsicht in die haftrelevanten Akten, die Verweigerung eines Besuches des Rechtsvertreters während der Haft und die späte Weiterleitung eines Briefes an den Beschwerdeführer - ausgeschöpft worden ist. Hierfür ist wiederum von § 18 GOG/BL auszugehen, wonach die Statthalter der Überweisungsbehörde unterstehen. Weder dem Gerichtsorganisationsgesetz noch der Strafprozessordnung kann entnommen werden, dass gegen Verhalten und Untersuchungshandlungen der Statthalter eine förmliche Beschwerde an die Überweisungsbehörde gegeben ist. Daraus ist zu schliessen, dass ausschliesslich Aufsichtsbeschwerden an die übergeordnete Überweisungsbehörde ergriffen werden können. Da Aufsichtsbeschwerden nach allgemeinem Verständnis keinen Anspruch auf justizmässige Behandlung einräumen (
BGE 121 I 42
E. 2a S. 45;
BGE 121 I 87
E. 1a S. 90 mit Hinweisen), brauchte ein solcher Rechtsbehelf vor Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde nicht ergriffen zu werden. Demnach kann der kantonale Instanzenzug auch in dieser Hinsicht als erfüllt betrachtet werden.
4.
Weiter ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Sinne von
Art. 88 OG
zur Beschwerde legitimiert ist und er - trotz des Umstandes, dass die Haft als solche abgeschlossen sowie die weitern Einschränkungen nicht mehr wirksam sind - ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung seiner Beschwerde hat.
BGE 125 I 394 S. 397
a) Nach der Rechtsprechung zu
Art. 88 OG
verlangt das Bundesgericht, dass ein Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung seiner Beschwerde und an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hat. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet, und dient damit der Prozessökonomie (
BGE 110 Ia 140
E. 2a S. 141 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin). Hinsichtlich der Untersuchungshaft hat das Bundesgericht ausgeführt,
Art. 88 OG
bedeute nach konstanter Rechtsprechung, dass mit der Entlassung aus der Haft ein aktuelles Interesse an der Behandlung einer Haftbeschwerde entfalle. Ein solches aktuelles Interesse könne insbesondere auch nicht unter dem Gesichtswinkel eines späteren Entschädigungsbegehrens bejaht werden. Denn in Anbetracht der persönlichen Freiheit und von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
gehe es nicht an, Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche davon abhängig zu machen, dass bereits vorher die Unrechtmässigkeit der Haft festgestellt worden ist. Sowohl die kantonalen Verfahrensordnungen wie auch
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
räumten den Betroffenen einen Anspruch auf Schadenersatz und allenfalls Genugtuung ein, soweit die Haft unrechtmässig angeordnet oder aufrechterhalten worden ist (
BGE 110 Ia 140
E. 2a S. 141 ff.;
BGE 118 Ia 488
E. 1 S. 490 mit Hinweisen).
b) Unter dem Gesichtswinkel von
Art. 88 OG
wird ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses verzichtet. Das Bundesgericht prüft Beschwerden trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses materiell, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können und an deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und sofern diese im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich geprüft werden könnten (
BGE 110 Ia 140
E. 2b S. 143;
BGE 117 Ia 193
E. 1b S. 194 mit Hinweisen). An diesen Voraussetzungen fehlt es bei der Mehrzahl der Beschwerden, mit denen die Verfassungs- und Konventionswidrigkeit der Anordnung oder Erstreckung einer inzwischen dahingefallenen Untersuchungshaft gerügt wird. Die damit aufgeworfenen Fragen können sich in der Regel nicht mehr unter gleichen oder ähnlichen Umständen stellen, und es ist vielmehr im Einzelfall das Vorliegen von Haftgründen zu prüfen (
BGE 110 Ia 140
E. 2b S. 144). Das Bundesgericht ist demnach auch nur ganz ausnahmsweise auf Beschwerden eingetreten (vgl. etwa
BGE 107 Ia 138
und
BGE 108 Ia 261
betr. kurzfristige Festnahme und erkennungsdienstliche Behandlung,
BGE 107 Ia 253
und
BGE 125 I 394 S. 398
BGE 102 Ia 179
betr. Unabhängigkeit des zürcherischen Bezirksanwalts,
BGE 115 Ia 56
betr. Möglichkeit der Haftbeschwerde zu Beginn der Haft,
BGE 117 Ia 199
und
BGE 118 Ia 95
betr. Personalunion von Haftanordnung und Anklageerhebung,
BGE 111 Ia 341
betr. Verteidigerverkehr und
BGE 114 Ia 88
;
BGE 117 Ia 193
sowie EuGRZ 1989 S. 441 betr. Dauer des Haftprüfungsverfahrens).
c) Im vorliegenden Fall wird in erster Linie die Anordnung der Untersuchungshaft beanstandet. Es stellen sich dabei keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, die sofort höchstrichterlich beantwortet werden müssten. Es steht vielmehr der Einzelfall im Vordergrund mit den Fragen, ob die Anordnung der Haft im Einzelnen gerechtfertigt war und vor der Verfassung und der Menschenrechtskonvention standhielt. Entsprechende Fragen können sich bei jeder Haftanordnung stellen und lassen sich im Normalfall durch Haftbeschwerden bei den kantonalen Instanzen gerichtlich beurteilen. Nicht anders verhält es sich mit den Rügen betreffend die Information über die Haftgründe, den Zeitpunkt der ersten Einvernahme erst 96 Stunden nach der Inhaftierung, den mangelnden Zugang zu den Haftakten, das Besuchsrecht und die Weiterleitung eines Briefes. Auch hier sind keine grundsätzlichen Fragen ersichtlich, die einer sofortigen gerichtlichen Beurteilung bedürften.
Näher zu untersuchen ist einzig, ob der Beschwerdeführer seine Vorbringen auf anderem Wege justizmässig überprüfen lassen und für seine EMRK-Rügen eine nationale Instanz im Sinne von
Art. 5 EMRK
anrufen kann und ob daher auch in dieser Hinsicht von einer materiellen Prüfung im vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren abgesehen werden kann.
5.
a) Nach
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
hat jede Person, die unter Verletzung der Bestimmungen dieses Artikels von Festnahme oder Freiheitsentzug betroffen ist, Anspruch auf Schadenersatz. Direkt gestützt auf diese Bestimmung können sowohl Schadenersatz- als auch Genugtuungsansprüche geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass materielle oder formelle Vorschriften, wie sie sich aus Ziff. 1-4 von
Art. 5 EMRK
ergeben, verletzt worden sind; ein Verschulden braucht hierfür nicht nachgewiesen zu werden. Art. 5 Ziff. 5 stellt eine eigenständige Haftungsnorm dar und kommt unabhängig vom kantonalen Recht zur Anwendung. Materiell besteht danach Anspruch auf eigentlichen Schadenersatz ebenso wie auf Genugtuung; der Schaden kann ein rein immaterieller, ideeller sein (
BGE 124 I 274
E. 2d S. 280;
BGE 119 Ia 221
E. 6a S. 230 mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin). Wie es sich mit
BGE 125 I 394 S. 399
der Anwendung von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
auf den vorliegenden Sachverhalt verhält, ist nunmehr im Einzelnen zu prüfen.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, ohne hinreichenden Haftgrund im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK
und ohne genügende Information im Sinne von
Art. 5 Ziff. 2 EMRK
inhaftiert sowie in Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
nicht unverzüglich von einem Richter angehört worden zu sein. Diese Rügen fallen klar in den Bereich von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
und können Ausgangspunkt für ein Entschädigungsverfahren sein.
Dasselbe gilt für die Rüge, der Rechtsvertreter habe nicht rechtzeitig Einblick in die haftrelevanten Akten nehmen, den Beschwerdeführer nicht besuchen sowie seinen Brief nicht an den Beschwerdeführer richten können. Der Beschwerdeführer rügt diesbezüglich im Wesentlichen eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
. Die Garantien von
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
gelten ihrem Wortlaut entsprechend zwar nur für den formell Angeschuldigten im Hauptverfahren. Unter Beachtung der spezifischen Garantien einerseits und der konkreten Umstände andererseits hat die Rechtsprechung Garantien nach
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
auch schon auf die Phase des Ermittlungsverfahrens angewendet (
BGE 111 Ia 341
E. 3d S. 347 mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Auflage 1996, Rz. 174 zu Art. 6 mit Hinweisen). In dieser Weise haben die Strassburger Organe und das Bundesgericht den Anspruch auf freien und unbeaufsichtigten Kontakt zwischen dem Untersuchungsgefangenen und seinem Rechtsvertreter im Sinne von
Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK
sinngemäss auch auf das Ermittlungsverfahren bezogen (
BGE 111 Ia 341
E. 3d S. 347 ff.; Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission i.S. Can vom 12. Juli 1984, Ziff. 47 und 50, in: Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Serie A, Band 97 = VPB 48/1984 Nr. 87 = EuGRZ 1986 S. 276; Urteil i.S. Imbrioscia vom 24. November 1993, Serie A, Band 275, Ziff. 36 ff. = VPB 58/1994 Nr. 108; Urteil i.S. S. vom 28. November 1991, Serie A, Band 220, Ziff. 48 = VPB 55/1991 Nr. 51 = EuGRZ 1992 S. 298; Urteil Murray vom 8. Februar 1996, Recueil 1996 S. 30, Ziff. 62 ff.). Die Rechtsprechung hat weiter entschieden, für eine wirkungsvolle Anfechtung der Untersuchungshaft in einem fairen Verfahren sei die Einsichtnahme in die relevanten Haftakten grundsätzlich erforderlich (
BGE 115 Ia 293
E. 4 S. 299 mit Hinweisen; Urteil i.S. Lamy vom 30. März 1989, Serie A, Band 151, Ziff. 29 = RUDH 1989 S. 124). Desgleichen erfordert ein faires und kontradiktorisches Verfahren der Haftprüfung,
BGE 125 I 394 S. 400
dass der Betroffene zur Vernehmlassung oder Stellungnahme einer Behörde Stellung nehmen kann (Urteil i.S. Sanchez-Reisse, Serie A, Band 107, Ziff. 48 ff. = EuGRZ 1988 S. 523; Urteil Toth vom 12. Dezember 1991, Serie A, Band 224, Ziff. 84 = RUDH 1991 S. 578;
BGE 114 Ia 84
). Daraus ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der Verletzung von Verteidigungsrechten trotz der Berufung auf
Art. 6 EMRK
dem Bereich von
Art. 5 EMRK
zuzuordnen ist und daher im Entschädigungsverfahren nach
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
grundsätzlich geltend gemacht werden kann.
Darüber hinaus ist zu prüfen, ob im Entschädigungsverfahren eine Verletzung des kantonalen Rechts geltend gemacht werden kann. Mit dem Hinweis auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise des Freiheitsentzuges (
Art. 5 Ziff. 1 Satz 2 EMRK
) stellt
Art. 5 EMRK
für die Rechtmässigkeit der Haft auf das innerstaatliche Recht ab. Eine Missachtung des nationalen Rechts kann demnach eine Verletzung von
Art. 5 EMRK
darstellen (vgl. Urteil des Gerichtshofes i.S. Wassink, Serie A, Band 185-A, Ziff. 27 = RUDH 1993 S. 168; Urteil van der Leer, Serie A, Band 170-A, Ziff. 22 = RUDH 1990 S. 60; Urteil Douiyeb vom 4. August 1999, Recueil 1999, Ziff. 44; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 24 ff. zu Art. 5). Eine solche kann daher im Verfahren nach
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
vorgebracht werden (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 158 zu Art. 5). Dies zeigt, dass der Beschwerdeführer im Entschädigungsverfahren auch die Verletzung des kantonalen Rechts vorbringen und sich insbesondere auf die Kantonsverfassung, die Strafprozessordnung und das Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen vom 5. November 1992 (SR 351.71) berufen kann.
Demnach kann der Beschwerdeführer sämtliche vorgebrachten Rügen im Entschädigungsverfahren vorbringen.
c) Wie dargetan, besteht nach
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
Anspruch auf eigentlichen Schadenersatz ebenso wie auf Genugtuung; der Schaden kann ein rein immaterieller, ideeller sein (
BGE 124 I 274
E. 2d S. 280;
BGE 119 Ia 221
E. 6a S. 230, mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Doktrin; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 161 zu Art. 5). Demnach ist es möglich, dass der Beschwerdeführer wegen der behaupteten Konventionsverletzung im Entschädigungsverfahren Schadenersatz oder Genugtuung im Sinne des nationalen Rechts einklagen kann.
Darüber hinaus ist nach der Möglichkeit zu fragen, im Entschädigungsprozess eine blosse Feststellung von Konventionsverletzungen zu verlangen, falls es an den Voraussetzungen für Schadenersatz und Genugtuung mangels eines eigentlichen Schadens oder einer besondern
BGE 125 I 394 S. 401
Schwere der Persönlichkeitsverletzung fehlt. Dies ist zu bejahen. Stellt der Gerichtshof eine Verletzung der Konvention oder der Protokolle fest, so spricht er der verletzten Partei nach
Art. 41 EMRK
gegebenenfalls eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist. Im Einzelnen sieht der Gerichtshof oftmals von einer Entschädigung ab, belässt es bei der blossen Feststellung der Konventionsverletzung und erblickt darin eine ausreichende Genugtuung (vgl. etwa die die Schweiz betreffenden Urteile Minelli vom 25. März 1983, Serie A, Band 62 = EuGRZ 1983 S. 475; Zimmermann und Steiner vom 1. Juli 1983, Serie A, Band 66 = EuGRZ 1983 S. 482; Nideröst-Huber vom 18. Februar 1997, Recueil 1997 S. 101 = VPB 61/1997 Nr. 108; Camenzind vom 16. Dezember 1997, Recueil 1997 S. 2880 = VPB 61/1997 Nr. 114; Kopp vom 25. März 1998, Recueil 1998 S. 524; Jutta Huber vom 23. Oktober 1990, Serie A, Band 188 = EuGRZ 1990 S. 502; Schönenberger und Durmaz vom 20. Juni 1988, Serie A, Band 137). Vergleichbar geht das Bundesgericht in Einzelfällen vor und belässt es bei der Feststellung einer Konventionswidrigkeit in den Erwägungen als Form der Genugtuung (vgl.
BGE 124 I 327
E. 4d S. 334).
In gleicher Weise kann im Entschädigungsprozess als Form der Genugtuung die reine Feststellung der Konventionsverletzung erfolgen (vgl. Mark E. Villiger, Handbuch der EMRK, 2. Auflage 1999, Rz. 374bis). Der Betroffene hat auf Grund der EMRK einen Anspruch auf entsprechende Prüfung.
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
räumt eine Rechtsweggarantie ein (vgl. Arthur Haefliger/Frank Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Auflage 1999, S. 130). Diese erfordert, dass entsprechende Rügen und Verletzungen von einer nationalen Instanz geprüft werden. Andernfalls würde
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
verletzt (Urteil Tsirlis und Kouloumpas vom 29. Mai 1997, Recueil 1997 S. 909, Ziff. 64-66). Der Entschädigungsrichter ist daher direkt gestützt auf die EMRK verpflichtet, ein reines Feststellungsbegehren - soweit nicht eigentlicher Schadenersatz oder Genugtuung eingeklagt werden können - entgegenzunehmen und die behauptete Verletzung der Konvention zu prüfen (vgl. zur Zulässigkeit von Feststellungsbegehren im Verfahren nach
Art. 42 OG
Thomas Hugi Yar, Direktprozesse, in: Thomas Geiser/Peter Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Auflage 1998, Rz. 7.40). Der Betroffene kommt damit in den Genuss der Beurteilung durch einen nationalen Richter.
Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sämtliche seiner Anliegen im Entschädigungsprozess vorbringen und seine Konventionsrügen überprüfen lassen kann.
BGE 125 I 394 S. 402
d) Weiter ist der Frage nachzugehen, in welchem Verfahren der Haftungsprozess erfolgt. Eine entsprechende Klage kann einerseits gestützt auf
Art. 42 OG
direkt beim Bundesgericht eingereicht werden (vgl.
BGE 124 I 274
E. 3d S. 280; Urteil des Bundesgerichts vom 13. April 1999 i.S. B.; vgl. zum Verfahren HUGI YAR, a.a.O., Rz. 7.8 und 7.22). Andererseits stehen die Verfahren nach kantonalem Recht zur Verfügung. Nach
§ 38 StPO
/BL kann die Überweisungsbehörde im Falle der Einstellung und das Gericht im Falle des Freispruchs eine angemessene Entschädigung für ungerechtfertigte Haft, für anderweitige Nachteile sowie für Anwaltskosten zusprechen. Das Gericht entscheidet nach
§ 139 StPO
/BL auch über ein Entschädigungsbegehren wegen ungerechtfertigter Strafverfolgung. Vorbehalten bleiben allfällige Entschädigungsansprüche aus dem Verantwortlichkeitsgesetz (
§ 139 Abs. 2 StPO
/BL). Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane richtet sich dabei insbesondere nach
§ 13 KV/BL
sowie dem - der neuen KV offenbar noch nicht angepassten - Gesetz für Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten vom 25. November 1851 (Gesetzessammlung 105). Es ist Sache der kantonalen Behörden, für eine entsprechende Verfahrenskoordination zu sorgen.
Das Verantwortlichkeitsverfahren untersteht nach der Rechtsprechung
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und muss den Anforderungen an ein faires Verfahren und der Öffentlichkeit genügen (
BGE 119 Ia 221
E. 2 S. 223, Nichtzulassungsentscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte i.S. J.v.T. vom 16. Oktober 1996 = VPB 61/1997 Nr. 104; Urteil des Gerichtshofes i.S. Georgiadis vom 29. Mai 1997, Recueil 1997 S. 949, Ziff. 30-36; vgl. demgegenüber die unterschiedlichen Konstellationen in den Urteilen Masson vom 28. September 1995, Serie A, Band 327-A, Ziff. 48-52; Leutscher vom 26. März 1996, Recueil 1996 S. 427, Ziff. 24).
Unter Verweis auf die persönliche Freiheit und
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
hat das Bundesgericht schon im Jahre 1984 festgehalten, dass das Entschädigungsverfahren nicht von der vorherigen Anfechtung der Haft oder Feststellung von deren Rechtswidrigkeit abhängig gemacht werden dürfe (
BGE 110 Ia 140
E. 2a S. 142 f.). Der Entschädigungsprozess ist sogar zulässig, wenn die Haft vorläufig als rechtmässig anerkannt worden ist (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts i.S. Sch. vom 11. Januar 1989).
e) Die Strassburger Organe haben sich in jüngster Vergangenheit verschiedentlich mit Beschwerdeangelegenheiten befasst, in denen sich die Frage nach dem Rechtsschutz bei dahingefallenen Freiheitsentzügen
BGE 125 I 394 S. 403
oder anderen Zwangsmassnahmen stellte. Im Fall B. hat das Bundesgericht die Verweigerung der Haftprüfung durch die kantonalen Behörden nach der Entlassung bestätigt (Urteil vom 2. September 1994); die Europäische Kommission für Menschenrechte hat die entsprechende Beschwerde zugelassen (Entscheid vom 18. September 1997, Beschwerde 26899/95), obwohl die Haftungsklage nach
Art. 42 OG
wegen angeblich konventions-, verfassungs- und gesetzwidriger Haft beim Bundesgericht hängig war; das Bundesgericht hat die Klage schliesslich teilweise gutgeheissen (Urteil vom 13. April 1999 i.S. B.). Die Beschwerdesache R.M.D. betraf eine Untersuchungshaft in verschiedenen Kantonen, weshalb der Betroffene nie rechtzeitig seine Haftbeschwerde einbringen konnte; der Gerichtshof hat dementsprechend eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
festgestellt (Urteil i.S. R.M.D. vom 26. September 1997, Recueil 1997 S. 2003 = VPB 1997 Nr. 102). Schliesslich hat der Gerichtshof in der Sache Camenzind im Zusammenhang mit einer Hausdurchsuchung zwar eine Verletzung von
Art. 8 EMRK
verneint, hingegen eine Verletzung von
Art. 13 EMRK
festgestellt (Urteil Camenzind vom 16. Dezember 1997, Recueil 1997 S. 2880). Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Strassburger Organe die Einrede der Schweiz, der nationale Instanzenzug sei wegen der Möglichkeit des Entschädigungsverfahrens nicht erschöpft, nicht anerkannten.
Diesen Entscheidungen kommt für die Behandlung der vorliegenden Angelegenheit keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Fall Camenzind liegt zum Vornherein auf einer andern Ebene, weil dort keine Haft zur Diskussion stand und demnach die Rechtsweggarantie von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
nicht anwendbar war. In der Angelegenheit B. ist mit dem Urteil des Bundesgerichts über das Entschädigungsbegehren nachträglich belegt worden, dass im Entschädigungsprozess sehr wohl sämtliche vorgebrachten Rügen durch ein innerstaatliches Gericht detailliert geprüft werden konnten. Schliesslich betraf die Angelegenheit R.M.D. eine spezielle Konstellation, weil die Untersuchungshaft durch verschiedene Kantone hintereinander angeordnet und der Betroffene von einem Kanton zum andern weitergeschoben wurde.
Auf Grund der vorstehenden Erwägungen ist für den vorliegenden Fall klar gestellt, dass sämtliche Rügen und Vorbringen des Beschwerdeführers im Entschädigungsverfahren geltend gemacht werden können und vom Entschädigungsrichter nach
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
- vorbehältlich der Formalien des entsprechenden Klageverfahrens - behandelt werden müssen.
BGE 125 I 394 S. 404
f) Die Verweisung des Beschwerdeführers auf das Entschädigungsverfahren ist sowohl unter allgemeinen Überlegungen als auch unter den gegebenen Umständen sachgerecht. Auf der einen Seite zeigen die obenstehenden Erwägungen, dass der Beschwerdeführer im Entschädigungsverfahren seine Rechte voll wahren kann und im Sinne von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
zu einer Beurteilung seiner Rügen durch eine nationale Instanz gelangt. Auf der andern Seite ist es nicht die Aufgabe des Bundesgerichts, im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde als erstes Gericht und erste Instanz die wesentlichen Sachverhaltsumstände überhaupt erst zu klären und über die verschiedenen Beanstandungen zu befinden. Mit einem materiellen Entscheid des Bundesgerichts verlöre der Beschwerdeführer jeglichen nationalen Instanzenzug, der ihm überlicherweise zur Verfügung stünde. Ferner erweist sich das Vorgehen als prozessökonomisch: Im Falle einer materiellen Gutheissung der vorliegenden Beschwerde erhielte der Beschwerdeführer lediglich die Feststellung, dass das Vorgehen der Ermittlungsorgane im Widerspruch zum Recht von Konvention, Bundesverfassung und kantonalem Recht steht. Will er aber auch Schadenersatz und Genugtuung verlangen, müsste er zusätzlich mit einer neuen Klage das Entschädigungsverfahren bei den kantonalen Behörden einleiten. Das zeigt, dass er mit seiner staatsrechtlichen Beschwerde auch im Falle eines Erfolges nicht zum Ziel kommt und er daher kein rechtlich aktuelles Interesse an der Behandlung seiner Beschwerde hat. Schliesslich erlaubt es eine Klage bei den kantonalen Behörden, dass das Verfahren konzentriert und koordiniert durchgeführt wird. Der Beschwerdeführer kommt damit in den Genuss einer umfassenden Prüfung seiner Vorbringen und geht dadurch, dass seine abgeschlossene Haft nicht unmittelbar überprüft wird, keiner Rechte verlustig. Das Nichteintreten auf die Beschwerde erweist sich daher als sachgerecht.
Dieses Resultat im vorliegenden Fall schliesst es nicht grundsätzlich aus, bei andern und speziellen Konstellationen vom Erfordernis eines aktuellen Interesses im Einzelfall abzusehen und die materiellen Rügen zu behandeln.
g) Gestützt auf diese Erwägungen ist auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde mangels eines hinreichenden praktischen Rechtsschutzinteresses nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer kann alle seine Rügen im kantonalen Entschädigungsverfahren vorbringen und überprüfen lassen oder gestützt auf
Art. 42 OG
beim Bundesgericht Klage erheben. Die Gerichte haben direkt gestützt auf
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
auf entsprechende Schadenersatz-, Genugtuungs-
BGE 125 I 394 S. 405
oder Feststellungsbegehren einzutreten und dabei ein den Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
genügendes Verfahren zur Verfügung zu stellen. | public_law | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3e4969f3-5166-4f51-942a-6b76c8207566 | Urteilskopf
99 II 1
1. Arrêt de la IIe Cour civile du 15 février 1973 dans la cause Ventura contre Ventura. | Regeste
1. Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Scheidung italienischer Ehegatten ist anerkannt, wenn der Beklagte in der Schweiz Wohnsitz hat (Erw. 1).
2. Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils betreffend ausländische Ehegatten.
a) Die Anerkennung eines solchen Urteils in der Schweiz wirkt stets für beide Ehegatten (Erw. 2). Sie richtet sich nach Bundesrecht (Erw. 3).
b) Die Scheidung ausländischer Ehegatten, die im Heimatland eines der Ehegatten ausgesprochen wurde, wird in der Schweiz anerkannt, auch wenn das Heimatland des andern sie nicht anerkennt, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen die im Ausland erfolgte Scheidung schweizerischer Ehegatten anerkannt wird. Sie wird also anerkannt, wenn die Gerichte des Landes, wo die Scheidung ausgesprochen wurde, nach dem Rechte dieses Landes zuständig waren (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 99 II 1 S. 2
A.-
Armando Ventura, citoyen italien, et Irmtraut Meyer, citoyenne allemande, se sont mariés le 7 janvier 1961 à Pully, où ils se sont établis. Ils n'ont pas eu d'enfants. Ils se sont séparés définitivement, d'un commun accord, le 29 août 1965.
B.-
Le 10 février 1966, sur demande de la femme, qui était restée allemande bien qu'elle ait acquis la nationalité italienne, le Landgericht de Berlin a prononcé le divorce des époux, aux torts et griefs du mari. Le jugement constate que celui-ci, dans une déposition recueillie par un notaire, refuse sans raison de reprendre la vie commune et que l'action doit être admise conformément aux art. 43 et 52 al. 1 de la loi allemande sur le mariage pour atteinte irrémédiable au lien conjugal. Le tribunal a donné son approbation, par ailleurs, à une convention des parties passée le 8 décembre 1965 et réglant les effets accessoires du divorce.
C.-
Ventura déposa en avril 1971 auprès du Tribunal civil du district de Lausanne une demande en divorce basée sur la nouvelle loi italienne sur le divorce entrée en vigueur en décembre 1970. Il alléguait que la séparation entre lui et sa femme durait depuis 1965, que le divorce avait été prononcé en Allemagne en 1966 et qu'il n'était pas question d'une reprise de la vie commune. Il invoquait deux motifs de divorce du droit italien, soit le prononcé du divorce en Allemagne, pays d'origine de son épouse, et la séparation de fait de plus de cinq ans.
La demande fut rejetée le 27 avril 1972, attendu que le demandeur n'avait pas établi avoir son domicile dans le district de Lausanne au moment du dépôt de la demande, que les motifs de divorce invoqués étaient inconnus du droit suisse et enfin que le divorce avait déjà été prononcé en Allemagne par un jugement que la Suisse devait reconnaître.
D.-
Ce jugement a été maintenu le 22 septembre 1972 par la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois. Celle-ci a reconnu que le demandeur avait bien son domicile dans le
BGE 99 II 1 S. 3
district de Lausanne et que les motifs de divorce prévus par la loi italienne et invoqués par le demandeur constituaient aussi des motifs de divorce au regard du droit suisse, dans le cadre de l'
art. 142 CC
; mais elle déclara que le jugement de divorce prononcé en Allemagne était exécutoire en Suisse et que de ce fait les époux Ventura étaient déjà divorcés au regard du droit suisse. Ce jugement allemand enfin n'est connu que par la copie d'un extrait non signée. On pourrait de ce fait songer à en faire abstraction, mais ce serait du même coup réduire à néant la motivation de fait du demandeur, qui se borne à s'y référer. On devait dès lors admettre que le demandeur n'a rien allégué valablement qui puisse fonder son action selon le droit suisse.
E.-
Le demandeur recourt en réforme contrel'arrêt cantonal. Il conclut derechef au divorce. La défenderesse a renoncé à répondre et à participer à la procédure de recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'art. 7 h de la loi sur les rapports de droit civil des citoyens établis en séjour (LRDC) permet à l'époux étranger qui habite la Suisse d'intenter action en divorce devant le juge de son domicile, s'il établit que la loi ou la jurisprudence de son pays d'origine admettent la compétence des tribunaux suisses et connaissent la cause de divorce invoquée.
a) La cour vaudoise a admis que le motif de divorce invoqué est connu de la loi italienne (art. 3 ch. 2 litt. b de la loi italienne sur le divorce du 1er décembre 1970). Il s'agit là de l'application du droit étranger, que le Tribunal fédéral ne peut pas revoir dans le cadre d'un recours en réforme (RO 73 II 139/140; arrêt non publié Losi c. Losi, du 18 janvier 1973, consid. 1).
b) Il ressort d'une communication du Ministère italien des affaires étrangères que la compétence des tribunaux suisses pour prononcer le divorce d'époux italiens est reconnue par les autorités italiennes si le défendeur a son domicile en Suisse, ce en application des art. 1er ch. 1 et 2 ch. 1 de la Convention entre la Suisse et l'Italie sur la reconnaissance et l'exécution des décisions judiciaires, du 3 janvier 1933 (RS 12, 338; voir circulaire de la Division fédérale de la justice aux Départements cantonaux de justice, du 13 octobre 1971, reproduite dans RSJ 67, 1971, p. 332; cf. PIERRE MERCIER, La nouvelle loi italienne sur le divorce..., Revue de l'état civil 40, 1972,
BGE 99 II 1 S. 4
p. 365 ss., n. 127 ss.). En l'espèce, les époux étant domiciliés en Suisse, il y a lieu d'admettre que la compétence des tribunaux suisse sera reconnue en Italie.
Les conditions de l'art. 7 h al. 1 LRDC sont ainsi réunies.
2.
Tendant à la dissolution du mariage, l'action en divorce n'est pas recevable s'il apparaît que le mariage est déjà dissous. Cette question doit être tranchée sur la base du droit suisse exclusivement, lequel n'admet pas que le divorce produise ses effets à l'égard d'un époux seulement (RO 97 I 405/6 consid. 11 et 409 ss.). La reconnaissance en Suisse d'un jugement étranger de divorce aura donc effet pour les deux époux.
En l'espèce, il s'agit de savoir si les époux sont déjà divorcés, soit si le jugement du Landgericht de Berlin doit être reconnu en Suisse. Le demandeur allègue qu'il ne s'est prévalu de ce jugement que pour démontrer l'existence du motif de divorce prévu à l'art. 3 ch. 2 litt. e de la loi italienne et qu'il n'y a pas lieu d'accorder d'autre portée à ce jugement, qui au surplus ne remplit pas selon lui les conditions de reconnaissance posées par la Suisse.
Dès l'instant où le demandeur alléguait l'existence de ce jugement, ne fût-ce que pour le motif invoqué, l'autorité cantonale devait nécessairement résoudre la question de son existence et de sa reconnaissance. On ne saurait donc lui faire grief d'avoir examiné ce point.
3.
Avant de décider si le jugement du Landgericht de Berlin peut être reconnu en Suisse, il importe de déterminer si la reconnaissance d'un jugement de divorce d'étrangers prononcé à l'étranger doit être tranchée sur la base du droit fédéral (y compris les accords internationaux conclus par la Confédération) ou du droit cantonal. Ce n'est en effet que dans la première hypothèse que le Tribunal fédéral est compétent pour statuer (
art. 43 al. 1 OJ
).
a) La Convention germano-suisse du 2 novembre 1929 relative à la reconnaissance et l'exécution des décisions judiciaires (RS 12, p. 327) ne s'applique pas en l'espèce. Pour les réclamations non pécuniaires, en effet, elle ne vise que les litiges entre ressortissants de l'un des Etats ou des deux Etats contractants (art. 3; GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, p. 146; LEUCH, Kommentar zur ZPO für den Kanton Bern, 3e éd., n. 9 e ad art. 401, p. 404/5). Or le demandeur est italien, c'est-à-dire ressortissant d'un
BGE 99 II 1 S. 5
Etat tiers, et sa prétention n'est pas une réclamation pécuniaire au sens de la convention.
b) Depuis que la Suisse a dénoncé la Convention de La Haye du 12 juin 1902 sur le divorce et la séparation de corps, il n'existe, en dehors des conventions bilatérales conclues avec certains pays, aucune règle générale de droit fédéral régissant la reconnaissance des jugements de divorce rendus à l'étranger. La LRDC ne vise que le divorce d'époux suisses prononcé à l'étranger et le divorce des étrangers en Suisse.
Doit-on dès lors étendre le champ d'application de la LRDC à la reconnaissance en Suisse de jugements de divorce étrangers concernant des étrangers ou s'agit-il, en l'absence de réglementation fédérale, d'un point régi par le droit cantonal? Jamais tranchée par le Tribunal fédéral, cette question est débattue par la doctrine, qui, dans sa quasi-unanimité, enseigne que c'est là une matière relevant du droit fédéral (cf. MAX PETITPIERRE, La reconnaissance et l'exécution des jugements civils étrangers en Suisse, p. 25 ss.; BECK, Kommentar zu den Einführungs- und Uebergangsbestimmungen des ZGB, n. 12 ss. ad art. 7 h; PIERRE LALIVE, Les effets des divorces étrangers en Suisse, Recueil de travaux suisses présentés au Ve Congrès international de droit comparé, p. 89 ss.; GULDENER, p. 38 et 66/67 ad ch. 4; AUBERT, La transcription des divorces étrangers dans les registres de l'état civil suisse, Revue de l'état civil 1959, p. 338; contra: A. LERESCHE, L'exécution des jugements civils étrangers en Suisse, Aarau 1927, p. 78).
Cette solution est commandée par les nécessités de la pratique. C'est ainsi que PETITPIERRE (op. cit., p. 25) et GULDENER (op. cit., p. 38) soulignent avec raison à quelles conséquences insoutenables conduirait une jurisprudence différente selon les cantons, un jugement étranger étant reconnu avec force de chose jugée dans l'un et pouvant ne pas l'être dans un autre. Cela serait particulièrement impraticable lorsque, comme en l'espèce, les époux se sont mariés en Suisse et que la question pourrait se poser de la transcription du jugement de divorce étranger dans les registres suisses de l'état civil, au cas où elle serait requise en vertu des art. 52 ch. 3 et 137 ch. 1 de l'ordonnance sur l'état civil. En pareille hypothèse, la question de la reconnaissance du jugement étranger devrait être tranchée selon des règles uniformes, c'est-à-dire selon des règles de droit fédéral (AUBERT, op.cit., p. 323, 354). Or il n'est pas conce
BGE 99 II 1 S. 6
vable que la reconnaissance du jugement étranger soit régie dans certains cas par le droit cantonal, ainsi dans ce procès, où l'inscription préalable du divorce aux registres suisses de l'état civil est indifférente à la solution du litige, et dans d'autres cas par des règles fédérales, ainsi lorsque la reconnaissance du jugement est préalable à la mention du divorce au registre des mariages.
Il faut considérer également que la réglementation de la LRDC n'est pas exhaustive. Du fait qu'elle régit la reconnaissance des divorces d'époux suisses prononcés à l'étranger et le divorce des étrangers en Suisse, on peut déduire que la reconnaissance des divorces d'étrangers à l'étranger est également régie par le droit fédéral. A tout le moins, du fait que la loi autorise le divorce d'étrangers en Suisse, on doit admettre que les divorces d'étrangers prononcés à l'étranger sont reconnus, ce qui conduit à soumettre au droit fédéral les conditions de cette reconnaissance.
4.
La compétence du Tribunal fédéral pour revoir cette question étant admise, il convient d'examiner à quelles conditions le jugement de divorce d'époux étrangers prononcé à l'étranger peut être reconnu.
a) Il n'est pas nécessaire d'examiner ici la condition, exigée par certains auteurs, que le jugement ait été prononcé dans le pays d'origine des époux, qu'il soit reconnu par celui-ci ou tout au moins qu'il ait été rendu à leur domicile, même si le pays d'origine ne le reconnaît pas (cf. PETITPIERRE, op.cit., p. 26 ss.; BECK, n. 12 ss. ad. art 7 h; LALIVE, op.cit., p. 90 ss.; GULDENER, op.cit., p. 67; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4e éd., t. I, p. 375; AUBERT, op.cit., p. 344/5; W. GAUTSCHI, Die Anerkennung von ausländischen Ehescheidungsurteilen, SJZ 26, 1929, p. 5/6; STAUFFER, Von der Anmerkung ausländischer Scheidungsurteile in den schweizerischen Zivilstandsregistern, ZBJV 62, 1926, p. 476/7; VISCHER, Internationales Privatrecht, in Schweiz. Privatrecht, t. I, p. 604). En l'espèce, le divorce a été prononcé dans le pays d'origine de la femme et il s'agit de déterminer s'il peut être reconnu en Suisse en dépit du fait que le pays d'origine du mari, l'Italie, ne le reconnaît pas.
Cette question doit être résolue selon le même principe que pour la compétence des tribunaux suisses de statuer sur le divorce d'époux étrangers. Depuis l'arrêt Cardo, l'art. 7 h
BGE 99 II 1 S. 7
LRDC doit être compris en ce sens que les tribunaux suisses sont compétents si le droit national du demandeur admet le motif de divorce invoqué et reconnaît la compétence des tribunaux suisses; on ne tient plus compte du droit national du défendeur (RO 94 II 65). S'il est possible de prononcer en Suisse le divorce d'époux étrangers sans égard au droit national du défendeur, a fortiori le divorce prononcé dans le pays du demandeur doit-il être reconnu en Suisse. Il n'y a donc pas lieu en l'espèce d'attribuer une portée juridique quelconque au fait que le jugement du Landgericht de Berlin sera ou non reconnu en Italie.
b) Les conditions de la reconnaissance du jugement du Landgericht de Berlin sont à déduire par analogie de l'art. 7 g al. 3 LRDC, qui règle la reconnaissance du divorce d'époux suisses prononcé à l'étranger. Il convient donc de déterminer si, au regard du droit allemand, les juridictions allemandes étaient compétentes. Tel est le cas, ainsi que le relève l'autorité cantonale, puisque, d'après les art. 606 ss. de la loi de procédure civile allemande, il suffit que l'un des époux soit allemand pour que la compétence des tribunaux allemands soit fondée; si les parties ne sont pas domiciliées en Allemagne, l'action doit être ouverte devant le Landgericht de Berlin (cf. RO 93 II 363 consid. 6 et les citations; BERGMANN/FERID, Internationales Ehe- und Kinderschaftsrecht, t. I, Deutschland, p. 19/20).
Contrairement à ce qu'affirme le recourant, il est établi que dame Ventura avait bien la nationalité allemande au moment du divorce. En effet, en vertu de la loi du 1er avril 1953, une Allemande qui épouse un étranger conserve sa nationalité, même si elle acquiert de plein droit celle de son mari (RAAPE, Internationales Privatrecht, 5e éd., p. 266/67; BERGMANN/FERID, op.cit., t. I, Deutschland, p. 8, n. 4, dernier paragraphe). Le recourant l'a d'ailleurs admis lorsque, en première instance, il s'est réclamé du motif de divorce que son propre droit national tire du divorce préalablement obtenu par l'autre conjoint dans son pays d'origine.
c) Encore faut-il, pour qu'il soit reconnu, que le jugement étranger ne viole pas l'ordre public suisse (BECK, n. 159 ad art. 7 g et citations; GULDENER, op.cit., p. 49 et 101; AUBERT, op.cit., p. 370). Le recourant n'allègue toutefois rien de tel; il a pris part à la procédure devant le Landgericht de Berlin, comme en témoigne la convention passée à cette occasion entre
BGE 99 II 1 S. 8
les parties, et rien ne donne à penser que les règles de procédure aient été violées de façon contraire aux principes fondamentaux du droit.
5.
La reconnaissance du jugement allemand ne se heurte donc en l'espèce à aucune objection de fond. Il convient toutefois d'examiner encore si ce jugement est bien entré en force, car la reconnaissance n'est autre que la constatation de cette entrée en force (GULDENER, op.cit., p. 91 et 93). Le droit fédéral n'exige pour cela aucune procédure particulière et le juge du fond peut se prononcer préalablement sur cette question (RO 64 II 77 consid. 1; GULDENER, op.cit., p. 114/115, 118; BECK, n. 160 ad art. 7 g; cf. RO 98 I/a 546 litt. d).
Le recourant estime que le caractère définitif du jugement allemand n'est pas établi, puisqu'il n'a pas été légalisé ni inscrit au registre des mariages du lieu où le mariage a été célébré. Cette formalité n'est pas une condition de reconnaissance, pas plus d'ailleurs que la légalisation. Il suffit que l'existence et la force exécutoire du jugement soient établies de façon à en convaincre le juge du fait. Il appartient au droit cantonal et non au droit fédéral de décider de quelle façon cette conviction se forme (RO 84 II 477 consid. 3).
Le Tribunal cantonal a estimé à bon droit que la question de savoir si la production d'une copie du jugement étranger suffisait à en établir l'existence et le caractère définitif pouvait rester indécise, car la demande du recourant aurait dû être rejetée de toutes façons. En effet, même s'il se prévalait du second motif de divorce que lui offre la loi italienne, c'est-à-dire la séparation effective de plus de cinq ans, les conditions exigées par le droit suisse ne seraient pas réalisées, puisque la séparation de plus de cinq ans ne suffit pas en soi à établir une rupture profonde du lien conjugal au sens de l'
art. 142 CC
. Par ailleurs, aucun autre élément ne permet de conclure à une telle rupture.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3e4c5825-b810-4cc0-a414-204f91623159 | Urteilskopf
83 III 121
33. Entscheid vom 25. September 1957 i.S. Fratelli Tenconi. | Regeste
Zwangsliquidation von Eisenbahnunternehmungen.
Fortsetzung des Bahnbetriebs während des Liquidationsverfahrens (
Art. 22 Abs. 1 VZEG
).
Zahlung der daraus entstehenden Kosten (
Art. 40 Ziff. 1 VZEG
).
Eine vor Eröffnung der Zwangsliquidation erfolgte Lieferung aus den während des Liquidationsverfahrens erzielten Betriebseinnahmen oder andern Geldmitteln der Masse vorweg zu bezahlen, ist selbst dann nicht zulässig, wenn die gelieferten Gegenstände für die Fortsetzung des Betriebs während des Liquidationsverfahrens notwendig sind und die Bahnorgane dem Gläubiger solche Vorwegzahlung zugesichert haben. | Sachverhalt
ab Seite 121
BGE 83 III 121 S. 121
A.-
Die Firma Fratelli Tenconi erhielt im Jahre 1956 von der Elektrischen Bahn Stansstad-Engelberg AG (StEB) den Auftrag, 3909 gebrauchte Eisenschwellen,
BGE 83 III 121 S. 122
welche die StEB von der Brünigbahn gekauft hatte, instandzustellen und umzuarbeiten. In der Zeit vom 10. bis zum 21. Dezember 1956 lieferte sie die bearbeiteten Schwellen ab. Am 21. Dezember 1956 stellte sie der StEB Rechnung im Betrage von Fr. 15'716.30.
Als die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichtes am 3. Januar 1957 die Zwangsliquidation des Vermögens der StEB anordnete, war diese Rechnung noch unbezahlt. Auf den Schuldenruf des Masseverwalters hin meldete die Firma Tenconi ihre Forderung an. Gleichzeitig stellte sie das Begehren, der verlangte Betrag sei zu den Betriebskosten zu rechnen und aus den Betriebseinnahmen der Bahn oder aus dem Erneuerungsfonds zu bezahlen; eventuell sei die Forderung als im Sinne von
Art. 40 Ziff. 1 VZEG
privilegiert zu behandeln. Der Masseverwalter entschied in Anwendung von
Art. 26 VZEG
, die Forderung sei begründet. Das Begehren, sie aus den Betriebseinnahmen bzw. aus dem Erneuerungsfonds zu bezahlen, hat er dagegen mit Verfügung vom 23. Mai 1957 abgewiesen. Zum Eventualantrag auf Gewährung eines Privilegs gemäss
Art. 40 Ziff. 1 VZEG
wird in Erw. 4 dieser Verfügung und in dem gemäss
Art. 26 VZEG
erstellten Verzeichnis der Forderungen und Entscheidungen bemerkt, es werde darüber bei Aufstellung der Rangordnung gemäss
Art. 42 VZEG
zu befinden sein.
B.-
Gegen die Verfügung vom 23. Mai 1957 führt die Firma Tenconi gestützt auf
Art. 22 Abs. 3 VZEG
beim Bundesgericht Beschwerde mit dem Antrag, sie sei aufzuheben und der Masseverwalter sei anzuweisen, ihre Forderung von Fr. 15'716.30 aus den Betriebseinnahmen, eventuell zulasten des Erneuerungsfonds der StEB zu bezahlen. Sie macht geltend, die Zwangsliquidation einer Bahnunternehmung unterscheide sich von einem gewöhnlichen Konkurs dadurch, dass der Betrieb während des Liquidationsverfahrens weitergeführt werden müsse. Im Hinblick auf diese gesetzliche Pflicht habe es die Bahnverwaltung, obwohl die Anordnung der Zwangsliquidation
BGE 83 III 121 S. 123
bevorgestanden sei, aus Gründen der Betriebssicherheit für unerlässlich erachtet, die Reparatur der fraglichen Schwellen anzuordnen, die dazu bestimmt seien, den Weiterbetrieb während des Liquidationsverfahrens zu ermöglichen. Bei den Kosten dieser Reparatur habe man es also mit vorweggenommenen Kosten des Betriebes während der Liquidation zu tun. Wenn man nicht annehmen wollte, dass die Bahnverwaltung in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht gehandelt habe, wäre ihr Vorgehen als Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne von
Art. 419 ff. OR
zu betrachten. Da der Bahnmeister und später auch der Betriebsdirektor der StEB der Beschwerdeführerin auf eine Anfrage hin versichert hätten, dass ihre Forderung bei Eintritt der Zwangsliquidation aus den Betriebseinnahmen bezahlt würde, sei es auch ein Gebot von Treu und Glauben (
Art. 2 ZGB
), ihrem Begehren zu entsprechen. Den andern Gläubigern entstehe daraus kein Nachteil, weil die Reparatur, wenn sie nicht von der Bahnverwaltung angeordnet worden wäre, vom Masseverwalter hätte veranlasst werden müssen. Dass die Kosten des Betriebes während der Liquidation einschliesslich derjenigen Kosten, die ihnen hienach gleichzustellen seien, aus den Betriebseinnahmen zu bezahlen seien, ergebe sich aus
Art. 40 Ziff. 1 VZEG
und Art. 10 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896. Wenn die Betriebseinnahmen nicht ausreichen sollten, um die streitige Forderung zu decken, so sei sie aus dem Erneuerungsfonds im Sinne von Art. 11 des eben genannten Gesetzes zu bezahlen.
C.-
Der Masseverwalter beantragt Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, die streitige Forderung könne, da vor Anordnung der Zwangsliquidation entstanden, nicht als "Masseverbindlichkeit" vorweg bezahlt werden. Aus den von der Beschwerdeführerin angerufenen Gesetzesbestimmungen lasse sich kein solcher Schluss ziehen. In tatsächlicher Beziehung führt er aus, die StEB habe die Schwellen auf Grund eines günstigen Angebotes
BGE 83 III 121 S. 124
der Brünigbahn erworben in der Absicht, sie später gelegentlich einzubauen; dass sie in nächster Zeit auch nur zum Teil verwendet würden, sei höchst unwahrscheinlich. Dass die Beschwerdeführerin vor dem 3. Januar 1957 oder gar vor Ablieferung der Schwellen von Bahnorganen irgendwelche Zusicherungen über die Bezahlung der streitigen Forderung erhalten habe, treffe nach seinen Erkundigungen nicht zu.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 22 Abs. 1 VZEG
ist bei Eröffnung der Zwangsliquidation eines Bahnunternehmens dafür zu sorgen, dass dessen Betrieb nicht unterbrochen wird. Den Bahnbetrieb während des Liquidationsverfahrens weiterzuführen, ist nur möglich, wenn der mit dieser Aufgabe betraute Masseverwalter und im Rahmen der an sie delegierten Kompetenzen auch die vom Masseverwalter eingesetzte Betriebsleitung befugt sind, zur Beschaffung der für die Fortsetzung des Betriebes notwendigen Dienst- und Sachleistungen Verbindlichkeiten einzugehen, für welche die Liquidationsmasse in der Weise haftet, dass die betreffenden Gläubiger (Arbeitnehmer, Lieferanten) verlangen können, daraus vorweg befriedigt zu werden.
Art. 40 Ziff. 1 VZEG
, wonach aus dem Steigerungserlös und dem sonstigen Vermögen der Unternehmung in erster Linie die Liquidationskosten "mit Einrechnung eines allfälligen Verlustes auf dem Betriebe während der Liquidation" zu bezahlen sind, setzt diese Befugnis voraus. Indem die genannte Bestimmung nicht schlechthin die Betriebskosten, sondern einen allfälligen Betriebsverlust, d.h. einen allfälligen Überschuss der Betriebskosten über die Betriebseinnahmen, den aus dem Verwertungsergebnis vorab zu deckenden Liquidationskosten gleichstellt, setzt sie ausserdem voraus, dass die Betriebskosten soweit möglich fortlaufend aus den Betriebseinnahmen zu bezahlen sind, wie dies zu einer geordneten Betriebsführung gehört. Darüber hinaus muss
BGE 83 III 121 S. 125
es erlaubt sein, zur laufenden Bezahlung der Betriebskosten neben den Einnahmen aus dem während des Liquidationsverfahrens weitergeführten Betriebe nötigenfalls auch andere flüssige Mittel der Liquidationsmasse zu verwenden, da den Gläubigern, die nach Eröffnung der Zwangsliquidation mit ihren auf Veranlassung des Masseverwalters erbrachten Leistungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes beitragen, nicht zugemutet werden kann, bis zum Schlusse des (langwierigen) Liquidationsverfahrens auf die Befriedigung ihrer Ansprüche zu warten, wenn die Masse noch über flüssige Mittel verfügt. Der Masseverwalter hat im einzelnen Falle zu prüfen, ob man es mit einer Forderung zu tun habe, die nach diesen Grundsätzen sogleich voll zu bezahlen ist. Sein Entscheid stellt eine sog. Administrativverfügung dar, gegen die nach
Art. 22 Abs. 3 VZEG
beim Bundesgericht (und zwar bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, der nach Art. 8 Ziff. 2 lit. a des Bundesgerichtsreglementes die Leitung und Beaufsichtigung des Masseverwalters obliegt) Beschwerde geführt werden kann.
2.
Die Forderung der Beschwerdeführerin beruht nicht auf einem Auftrag, den ihr der Masseverwalter im Interesse der Aufrechterhaltung des Betriebes während des Liquidationsverfahrens erteilt hätte. Sie stützt sich vielmehr auf einen Vertrag, den die Beschwerdeführerin vor Eröffnung der Zwangsliquidation mit der Verwaltung der StEB abgeschlossen und erfüllt hat. Die Voraussetzungen, unter denen nach dem Gesagten die sofortige Bezahlung aus den Betriebseinnahmen und den übrigen Geldmitteln der Masse zulässig ist, sind also bei der Forderung der Beschwerdeführerin nicht erfüllt. Ob die von ihr reparierten Eisenschwellen für die Fortsetzung des Betriebes während des Liquidationsverfahrens notwendig seien oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn es sich so verhielte, was der Masseverwalter bestreitet, könnte die streitige Forderung nicht den bei diesem Weiterbetrieb begründeten Forderungen gleichgestellt werden. Der entscheidende
BGE 83 III 121 S. 126
Grund dafür, dass diese sogleich voll zu bezahlen sind, liegt eben nicht darin, dass ihnen eine für die Fortsetzung des Betriebes notwendige Leistung zugrunde liegt, sondern darin, dass sie auf eine Anordnung des Masseverwalters zurückgehen, der die Masse vertritt und seine Aufgabe, für die Weiterführung des Betriebes zu sorgen, nur zu erfüllen vermag, wenn er denjenigen, deren Leistungen er zu diesem Zwecke benötigt, Vollzahlung aus der Masse in Aussicht stellen kann. Eine nicht vom Masseverwalter, sondern vor Eröffnung der Zwangsliquidation von der Bahnverwaltung bestellte und bezogene Lieferung aus den Betriebseinnahmen oder andern Geldmitteln der Masse vorweg zu bezahlen, rechtfertigt sich nicht, selbst wenn der Betrieb nicht weitergeführt werden könnte, falls sie unterblieben wäre. Die Forderungen aus vor Eröffnung der Liquidation bestellten und erbrachten Leistungen, die sich als für die Fortsetzung des Betriebes notwendig erweisen, in der von der Beschwerdeführerin gewünschten Weise zu bevorrechten, geht im übrigen auch deswegen nicht an, weil die Entscheidung der Frage, ob eine Leistung für den Weiterbetrieb nötig sei, praktisch mit den grössten Schwierigkeiten verbunden wäre. Die Gläubiger, die ihre Leistungen vor Eröffnung der Liquidation erbracht haben, müssen also ohne Rücksicht auf die Bedeutung dieser Leistungen für den Weiterbetrieb der Bahn während des Liquidationsverfahrens mit dem Betreffnis vorlieb nehmen, das ihnen nach Massgabe der Rang- und Verteilungsliste im Sinne von
Art. 42 VZEG
zukommen wird. Diese Lösung entspricht auch den Grundsätzen des gewöhnlichen Konkursrechtes, das nicht zulässt, eine Konkursforderung deshalb, weil die ihr zugrunde liegende Leistung der von der ersten Gläubigerversammlung oder vom Gläubigerausschuss beschlossenen Fortsetzung des vom Gemeinschuldners betriebenen Gewerbes (
Art. 237 Abs. 3 Ziff. 2 und
Art. 238 Abs. 1 SchKG
) dient, vorweg zu bezahlen.
3.
Die Berufung auf
Art. 419 ff. OR
kann der Beschwerdeführerin nicht helfen. Das Verhältnis zwischen
BGE 83 III 121 S. 127
den Organen einer Bahnunternehmung, der die Anordnung der Zwangsliquidation droht, und dem bei Eröffnung dieser Liquidation eingesetzten Masseverwalter hat mit dem Verhältnis zwischen zwei Privatpersonen, von denen die eine ohne Auftrag ein Geschäft für die andere besorgt, nichts gemein. Selbst wenn man aber die erwähnten Bestimmungen analog anwenden wollte, ergäbe sich daraus keineswegs, dass der Dritte, der mit den Organen der Bahnunternehmung ein Geschäft abgeschlossen hat, vom Masseverwalter verlangen könne, dass seine Forderung aus der Masse vorweg bezahlt werde. Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag befassen sich überhaupt nicht mit dem Verhältnis zu Dritten, sondern regeln nur einerseits die Haftung und anderseits die Ansprüche des Geschäftsführers gegenüber dem Geschäftsherrn.
4.
Unbehelflich ist auch der Hinweis auf Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 des Bundesgesetzes über das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896 (BS 7 S. 224). Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf die Betriebsrechnung und den Erneuerungsfonds aufrechtstehender Bahnunternehmungen und sagen nichts darüber, wie im Zwangsliquidationsverfahren Forderungen von der Art der streitigen zu behandeln sind. Selbst wenn es sich aber noch anders verhielte, müssten diese im Jahre 1896 erlassenen Bestimmungen gegenüber den die Vorauszahlung der streitigen Forderung ausschliessenden Sonderregeln des VZEG von 1917 zurücktreten.
5.
Schliesslich vermöchte auch
Art. 2 ZGB
den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Vorauszahlung nicht zu stützen, selbst wenn es zuträfe, dass der Bahnmeister und der Betriebsdirektor der StEB ihr vor der Ablieferung der Eisenschwellen Zahlung aus den Betriebseinnahmen auch für den Fall zugesichert haben, dass es zur Zwangsliquidation kommen sollte, was der Masseverwalter bestreitet. Eine solche Zusicherung wäre für den Masseverwalter nicht verbindlich und könnte nichts daran ändern, dass die Beschwerdeführerin sich die gleiche Behandlung
BGE 83 III 121 S. 128
gefallen lassen muss wie andere Gläubiger, welche die StEB vor Eröffnung der Liquidation beliefert haben. Inwiefern die Verfügung des Masseverwalters gegen
Art. 2 ZGB
verstossen könnte, ist unter diesen Umständen nicht erfindlich.
6.
Von einer Kostenauflage und der Zusprechung einer Parteientschädigung ist abzusehen, da es sich um ein der Beschwerde nach
Art. 17 ff. SchKG
analoges Verfahren handelt. Dem Masseverwalter bleibt vorbehalten, seine Bemühungen in dieser Beschwerdesache in die aus der Masse vorweg zu bezahlende Rechnung für seine Bemühungen und Auslagen im vorliegenden Zwangsliquidationsverfahren einzustellen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3e4c8976-962f-4056-89a8-105dcf6d8d0c | Urteilskopf
109 Ia 55
11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Mai 1983 i.S. E. und Dr. E. gegen Dr. P., Obergericht (I. Zivilkammer) und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 59 BV
; Gerichtsstandsklausel.
Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob ein gültiger Verzicht auf den Wohnsitzrichter vorliegt. Es kann dabei nicht schlechthin zwischen geschäftserfahrenen und rechtskundigen Personen einerseits, nicht gewandten und rechtsunkundigen Personen anderseits unterschieden werden (Präzisierung der Rechtsprechung, E. 3a).
Gültigkeit der hier in Frage stehenden Gerichtsstandsvereinbarung (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 56
BGE 109 Ia 55 S. 56
Rechtsanwalt Dr. P. erhob am 31. Oktober 1980 beim Bezirksgericht Winterthur gegen Frau E. und deren Ehemann Dr. E. eine Forderungsklage über den Betrag von Fr. 40'000.-- nebst Zins und Nebenkosten. Bei der Forderung handelte es sich um eine solche betreffend das Honorar für mehrere durch Dr. P. für Frau E. in Schaffhausen geführte Prozesse in einer Erbschaftsstreitigkeit, abzüglich der geleisteten Teilzahlungen. Die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Winterthur leitete Dr. P. aus einer Gerichtsstandsklausel ab, die in der von Frau E. und ihrem Ehemann am 2. Mai 1969 unterzeichneten Anwaltsvollmacht enthalten war. Die nunmehr durch einen zürcherischen Anwalt vertretenen Eheleute E. erhoben die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Bezirksgerichtes Winterthur. Dieses Gericht wies die Einrede mit Beschluss vom 3. April 1981 ab. Einen dagegen eingereichten Rekurs verwarf die I. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich am 26. Juni 1981, und das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 12. Oktober 1981 eine gegen den Entscheid des Obergerichtes gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es auf sie eintrat.
Die Eheleute E. erhoben staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der
Art. 59 und 4 BV
. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, soweit es darauf eintreten konnte.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Es bleibt die Frage zu erörtern, ob die in der Vollmacht für Rechtsanwalt Dr. P. enthaltene Gerichtsstandsklausel den
BGE 109 Ia 55 S. 57
Anforderungen von
Art. 59 BV
, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtes entwickelt worden sind, genüge.
a) Nach dieser Rechtsprechung darf ein Verzicht auf den Richter des eigenen Wohnortes nicht leichthin angenommen werden. Es bedarf dazu einer ausdrücklichen Erklärung, deren Inhalt unmissverständlich ist und die den Willen, einen anderen als den ordentlichen Gerichtsstand zu begründen, klar und deutlich zum Ausdruck bringt. Befindet sich die Gerichtsstandsvereinbarung in einem Formularvertrag, so ist erforderlich, dass sie an gut sichtbarer Stelle angebracht ist und hervortritt. Beim Entscheid darüber, ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, hat das Bundesgericht seit jeher auch die persönlichen Verhältnisse derjenigen Partei mitberücksichtigt, die auf den Gerichtsstand nach
Art. 59 BV
verzichtet. Es hat insbesondere unterschieden zwischen Personen, die geschäftlich erfahren sind und über gewisse Rechtskenntnisse verfügen, und solchen, welche in dieser Hinsicht über keinerlei Kenntnisse verfügen. Der Grund für diese Rechtsprechung ist im Vertrauensprinzip zu suchen, das auch bei der Auslegung von Verträgen prozessrechtlichen Inhaltes zu berücksichtigen ist. Ob ein gültiger Verzicht auf den Wohnsitzrichter vorliege, hängt demnach davon ab, ob der Vertragspartner des Verzichtenden in guten Treuen annehmen durfte, sein Kontrahent habe mit der Annahme des Vertrages auch der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung zugestimmt (
BGE 104 Ia 280
;
BGE 93 I 327
f. E. 5a
;
91 I 14
E. 3). Es ist jedoch zu beachten, dass nicht schlechthin zwischen geschäftserfahrenen und rechtskundigen Personen einerseits und nicht gewandten und rechtsunkundigen Personen anderseits unterschieden werden kann. Vielmehr bestehen in dieser Hinsicht Zwischenstufen, für die je nach dem konkreten Stand der Erfahrungen der betreffenden Person sowie nach dem Grad der formellen Klarheit und der inhaltlichen Deutlichkeit der Klausel im Einzelfall die Verbindlichkeit der Vereinbarung entweder zu bejahen oder zu verneinen ist. In diesem Sinne sind die Ausführungen im Urteil vom 1. März 1978 (
BGE 104 Ia 280
/281) zu präzisieren.
b) Die umstrittene Gerichtsstandsvereinbarung findet sich in einem vorgedruckten Vollmachtsformular des Vereins zürcherischer Rechtsanwälte, das um das Jahr 1969 herum im Kanton Zürich allgemein verwendet worden zu sein scheint. Sie lautet wie folgt:
"Für Erledigung von Streitigkeiten aus diesem Auftragsverhältnis
[anerkennt der Auftraggeber die Gerichte am Geschäftssitz des
Bevollmächtigten als zuständig] und das schweizerische Recht als
BGE 109 Ia 55 S. 58
anwendbar."
Die hier eingeklammerten Wörter sind im Original kursiv gedruckt. Unmittelbar anschliessend folgen das Datum und die Unterschriften.
aa) Was die Form der Klausel anbelangt, so erscheinen hier die Anforderungen, die das Bundesgericht an einen Verzicht auf den Wohnsitzrichter stellt, als erfüllt. Im Unterschied zu dem in
BGE 93 I 323
behandelten Fall befindet sich die Bestimmung auf dem von den Auftraggebern unterzeichneten Formular selbst und nicht in der Beilage; im Unterschied zu der in
BGE 104 Ia 278
behandelten Sache ist sie nicht auf der Rückseite, sondern auf der Vorderseite angebracht, d.h. das Formular umfasst überhaupt nur eine Seite. Was die graphische Gestaltung betrifft, so liesse sich allerdings eine etwas bessere Abhebung vom übrigen Text denken. Dem Anwalt der Beschwerdeführer ist darin beizupflichten, dass z.B. die Art, wie er persönlich als Beauftragter die Gerichtsstandsvereinbarung und andere Nebenbestimmungen zur Vollmacht darzustellen pflegt, gegenüber der hier gewählten gewisse Vorteile aufweist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die zu beurteilende Gerichtsstandsklausel wegen ungenügender formeller Klarheit unbeachtlich wäre. Die Art des Druckes und die Anordnung unmittelbar über dem für die Unterschrift und Datierung vorgesehenen Raum schliessen es aus, dass der Unterzeichner, der das Formular auch nur mit durchschnittlicher Sorgfalt liest, die Bestimmung übersehen könnte. Ein Vergleich des vorliegenden Falles mit solchen, bei denen die Gerichtsstandsklausel eine unter zahlreichen sogenannten "allgemeinen Geschäftsbedingungen" darstellt, die meistens zwei oder mehr Seiten umfassen, ist angesichts der Kürze des gesamten Textes nicht angängig.
bb) Die Beschwerdeführer halten weiter dafür, die Gerichtsstandsvereinbarung entspreche auch inhaltlich dem Gebot der Klarheit nicht. Soweit sie in diesem Zusammenhang geltend machen, sie hätten die Vollmacht überhaupt nur als ein für die Legitimation des Anwaltes gegenüber den zuständigen Gerichten notwendiges Papier betrachtet und ihr für das interne Verhältnis zwischen ihnen und dem Bevollmächtigten keinerlei Bedeutung beigemessen, ist der Einwand offensichtlich unbegründet. Schon der Titel "Vollmacht" sagt für jedermann erkennbar aus, dass durch die Urkunde dem Beauftragten gewisse Rechte eingeräumt werden, was automatisch auch gewisse Verpflichtungen des Vollmachtgebers in sich schliesst. Worin diese Rechte und Pflichten im einzelnen bestehen, wird in den wenigen Sätzen, die den Inhalt des
BGE 109 Ia 55 S. 59
Formulars bilden, des näheren umschrieben. Auch der Umstand, dass der Ehegatte der als Prozesspartei auftretenden Beschwerdeführerin 1 das Formular mit zu unterzeichnen hatte, sprach für dessen verpflichtende Bedeutung.
Die Beschwerdeführer wenden ein, die Gerichtsstandsvereinbarung entbehre deshalb der erforderlichen Klarheit, weil der gewählte Gerichtsstand nicht in Form eines Ortsnamens in der Klausel selbst angeführt ist. Dass dies nicht der Fall ist, beruht offensichtlich auf dem Umstand, dass der Verein zürcherischer Rechtsanwälte ein einheitliches Formular schaffen wollte, das für alle in irgendwelchen Ortschaften des Kantons Zürich praktizierenden Anwälte verwendbar sein sollte. Dieses Motiv ändert selbstverständlich nichts daran, dass die Gerichtsstandsklausel für den Klienten verständlich sein muss, d.h. dass er ohne langes Überlegen muss erkennen können, wo er gegebenenfalls einen Rechtsstreit mit dem Anwalt auszufechten hat. Hierüber konnte aber im vorliegenden Falle keine Unklarheit bestehen. Als Gerichtsstand wird der "Geschäftssitz des Bevollmächtigten" bezeichnet. Ein Rechtsanwalt hat - im Gegensatz etwa zu einer Bank, vgl.
BGE 93 I 329
- von vereinzelten Ausnahmen abgesehen nur einen Geschäftssitz, und er wird diesen auch sozusagen immer während der ganzen Dauer seiner Berufstätigkeit beibehalten, schon deshalb, weil er auf engen Kontakt mit seiner ortsansässigen Klientschaft angewiesen ist. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall der Ort des Geschäftssitzes des Beschwerdegegners in auffälligem Fettdruck im Kopf des Vollmachtsformulars figuriert ("Rechtsanwalt Dr. P. in Winterthur"), so dass ein Zweifel daran, was unter dem "Geschäftssitz" zu verstehen sei, überhaupt nicht aufkommen konnte. Die Beschwerdeführer machen denn auch selbst nicht geltend, sie hätten sich unter diesem "Geschäftssitz" konkret etwas anderes als Winterthur vorgestellt. Die Einwendungen, die sich auf die behauptete formelle und inhaltliche Unklarheit der Gerichtsstandsvereinbarung stützen, erweisen sich somit als unbegründet.
c) Die Beschwerdeführer wenden weiter ein, sie seien beide geschäftlich unerfahren und rechtsunkundig, weshalb nach dem Vertrauensgrundsatz nicht habe angenommen werden dürfen, sie hätten bewusst auf den Gerichtsstand ihres Wohnortes verzichtet. Sie berufen sich in diesem Zusammenhang vor allem auf das Urteil
BGE 104 Ia 278
ff. Indessen besteht in tatsächlicher Hinsicht zwischen jenem Fall und dem heute zu beurteilenden ein entscheidender
BGE 109 Ia 55 S. 60
Unterschied. Dort ging es um einen Beschwerdeführer, der knapp 2 1/2 Jahre vor der Unterzeichnung des Vertrages mit Gerichtsstandsklausel als Flüchtling aus einem osteuropäischen Staat in die Schweiz eingereist war, über dessen Deutschkenntnisse keine Klarheit bestand und von dem auch abgesehen von diesem rein sprachlichen Moment die Gegenpartei nicht in guten Treuen annehmen durfte, er könne die Tragweite einer Klausel der fraglichen Art nach schweizerischem Recht ermessen. Hier liegen die Dinge anders. Das Obergericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin 1 schon vor der Unterzeichnung der streitigen Vollmacht in Rechtshändel verwickelt war, zu deren Regelung sie den Beschwerdegegner beigezogen hatte. Auch verfügte sie über eine gewisse kaufmännische Ausbildung und Praxis, wobei es für die Beurteilung der Frage, ob sie den Sinn einer Gerichtsstandsvereinbarung zu erkennen vermocht habe, nicht darauf ankommt, dass die Ausbildung wohl eher oberflächlich war und dass sie nie eine verantwortungsvolle Stelle bekleidet haben will. Schliesslich darf nicht nur die geschäftliche Erfahrung der Beschwerdeführerin 1, sondern es muss auch diejenige des Beschwerdeführers 2 berücksichtigt werden, da nach der Lebenserfahrung anzunehmen ist, die beiden Ehegatten hätten das Formular gemeinsam gelesen und ungefähr gleichzeitig unterzeichnet. Der Beschwerdeführer 2 ist ein schweizerischer Akademiker und stand zur Zeit der Unterzeichnung der Vollmacht im 65. Lebensjahr. Auch wenn man die Darstellung in der Beschwerdeschrift, wonach er nie eine haupt- oder nebenberufliche Tätigkeit ausgeübt habe, die einen Schluss auf Geschäftserfahrenheit oder Rechtskunde zuliesse, nicht in Zweifel zieht, ist es äusserst unwahrscheinlich, dass er nicht im privaten Bereich das eine oder andere Mal mit Vertragsformularen, Vollmachten usw. in Berührung gekommen sein sollte. Es fällt übrigens auf, dass in der Beschwerde sämtliche positiven Angaben über den Lebenslauf des Beschwerdeführers 2 fehlen. Hierüber wären detaillierte Angaben erforderlich gewesen, wenn man dartun wollte, er habe entgegen der allgemeinen Erfahrung in seinem langen Leben als Akademiker überhaupt keinerlei Kenntnisse über rechtliche Vorgänge erworben. Ob der Beschwerdeführer passivlegitimiert sei, ist eine Frage, die im Hauptprozess zu klären sein wird; im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Gerichtsstandsklausel genügt es, dass er die Vollmacht mitunterzeichnet hat. Im übrigen ist auf die Ausführungen in E. 3a zu verweisen, aus denen sich ergibt, dass es für die Verbindlichkeit einer Gerichtsstandsklausel
BGE 109 Ia 55 S. 61
nicht des Nachweises einer besonderen geschäftlichen oder juristischen Erfahrung bedarf. Ist die Klausel klar und eindeutig, wie dies hier zutrifft, so muss nach dem Vertrauensprinzip auch die Erfahrung eines durchschnittlich gebildeten Bürgers genügen. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
3e4eacab-64d5-4c1c-b522-f2c5a6bb3b36 | Urteilskopf
117 Ib 285
36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Juni 1991 i.S. WWF gegen Kanton Basel-Stadt und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Einsprache gegen Nationalstrassen-Ausführungsprojekt, Umweltverträglichkeitsprüfung.
Zulässiges Rechtsmittel: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist auch gegeben, wenn sich die gesamtschweizerischen Organisationen bei der Anfechtung des Nationalstrassen-Ausführungsprojektes allein auf
Art. 9 und 55 USG
stützen, da sie aufgrund von
Art. 55 Abs. 3 USG
zur enteignungsrechtlichen Einsprache im Sinne von
Art. 7 Abs. 3 EntG
berechtigt sind (E. 2a).
Legitimation der beschwerdeführenden Organisation (E. 2b). Rechtzeitigkeit der Beschwerden (E. 3).
Kognition des Bundesgerichtes (E. 4).
Das angefochtene Ausführungsprojekt kann sich auf ein vom Bundesrat genehmigtes generelles Projekt stützen (E. 6). Der vom Bundesrat im Genehmigungsbeschluss angebrachte Vorbehalt bezieht sich nicht auf den umstrittenen Zubringer und bedeutet im übrigen nicht, dass das EVED über Zahl und Ort der Anschlüsse entscheiden könnte (E. 6a). Dass der vorweg zu erstellende Zubringer bis zur Inbetriebnahme des Hauptstrangs als Entlastungsstrasse dienen soll, hat nicht zur Folge, dass für ihn zusätzlich ein separates generelles Projekt ausgearbeitet werden müsste (E. 6b).
Der etappenweisen Projektierung und Ausführung von Nationalstrassenabschnitten, die Gegenstand eines generellen Projekts bilden, steht weder das Nationalstrassengesetz noch das Umweltschutzrecht entgegen (E. 7). Die für den Nationalstrassenbau vorgesehene mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung erlaubt in der Regel, die Prüfung dritter Stufe auf das einzelne Ausführungsprojekt zu beschränken (E. 7b). Im Rahmen der Einsprache gegen das Ausführungsprojekt kann das generelle Projekt und die entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfung (zweiter Stufe) nur noch in Frage gestellt werden, wenn diese Mängel aufweisen, die sich im Ausführungsprojekt niedergeschlagen haben (E. 7c).
Das umstrittene Ausführungsprojekt lässt sich mit den Vorschriften über den Lärmschutz und der Luftreinhalte-Verordnung vereinbaren (E. 8). Ist zu erwarten, dass von einer neuen Nationalstrasse Lärmeinwirkungen ausgehen werden, die die Immissionsgrenzwerte übersteigen, so kann - soweit die zumutbaren Emissionsbegrenzungen angeordnet worden sind - nach
Art. 25 Abs. 3 USG
nur die Vornahme von Schallschutzmassnahmen an den betroffenen Gebäuden, nicht dagegen der Verzicht auf den Strassenbau verlangt werden (E. 8b). Auch
Art. 18 und 19 LRV
schliessen den Bau einer Verkehrsanlage selbst dann nicht aus, wenn diese übermässige Immissionen verursachen wird; die Behörde ist vielmehr verpflichtet, einen Massnahmenplan im Sinne von
Art. 31 LRV
zu erarbeiten (E. 8c). | Sachverhalt
ab Seite 287
BGE 117 Ib 285 S. 287
Nach dem Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz vom 21. Juni 1960 soll die Nationalstrasse N 2 Basel-Chiasso im Gebiet Basel-Lysbüchel an das französische Autobahnnetz angeschlossen werden. Dieser Anschluss bildete Gegenstand verschiedener
BGE 117 Ib 285 S. 288
staatsvertraglicher Abmachungen zwischen der Schweiz und Frankreich. So wurde am 22. September 1982 in Verhandlungen vereinbart und im Mai 1983 durch einen Notenwechsel zwischen dem Bundesrat und der französischen Regierung bestätigt, dass der Verkehr ab der französischen Autobahn A 35 bzw. ab der auf französischem Boden zu errichtenden schweizerisch-französischen Gemeinschaftszollanlage auf der Basler Seite provisorisch über die Neudorfstrasse abgenommen werde. Die Neudorfstrasse wurde in der Folge ausgebaut. Sie leitet den Verkehr vorwiegend durch Wohngebiete zur Flughafenstrasse und zum Luzernerring, von wo aus der Durchgangsverkehr entweder über die Dreirosenbrücke Kleinbasel und schliesslich die Osttangente der N 2 erreicht oder auf der Grossbasler Seite über den äusseren Ring dem Autobahnanschluss Hagnau zustrebt.
Für die definitive Verknüpfung des schweizerischen und des französischen Nationalstrassennetzes wurden mehrere Varianten geprüft. In Frage stand zunächst eine den Bahnanlagen der SBB und der SNCF folgende Süd-/Westtangente. Dieses Projekt wurde jedoch wegen der starken Belastung von Wohngebieten zugunsten einer Nordtangente aufgegeben, die die bestehende Osttangente auf kürzestem Weg mit der Gemeinschaftszollanlage und der A 35 verbindet. Die Nordtangente soll weitgehend überdeckt in Tieflage erstellt werden und im Bereich der heutigen Dreirosenbrücke den Rhein überqueren.
Das generelle Projekt für die Nordtangente, das wegen der schwierigen städtischen Verhältnisse einen hohen Detaillierungsgrad aufweist, sieht neben vier weiteren Anschlüssen unmittelbar bei der Landesgrenze den Vollanschluss Schlachthof vor, der unter anderem über die auszubauende Schlachthofstrasse erreicht werden kann. Die im Industriegebiet gelegene Schlachthofstrasse besteht heute aus zwei zu den Bahnanlagen der SNCF führenden Sackgassen, die mit einer Fussgänger-Unterführung verbunden sind. Die beiden Strassenteilstücke sollen zu einem durchgehend befahrbaren leistungsfähigen Zubringer zum Autobahnanschluss und zur Gemeinschaftszollanlage ausgebaut und die Strassenkreuzung Schlachthofstrasse/Elsässerstrasse/Kohlenstrasse entsprechend angepasst werden.
Der Bundesrat genehmigte das generelle Projekt am 25. März 1987. Hierauf wurde gemäss Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt vom 5. März 1987 im Einvernehmen mit den zuständigen Bundesstellen vorweg das Ausführungsprojekt für
BGE 117 Ib 285 S. 289
den Ausbau der Schlachthofverbindung ausgearbeitet, um rasch eine bessere Verteilung des von und zur französischen Autobahn fliessenden Verkehrs zu ermöglichen und die Wohngebiete am Luzernerring und an der Flughafenstrasse zu entlasten. Damit wird der Schlachthofverbindung als Entlastungsstrasse zunächst eine von der Nordtangente unabhängige und selbständige Bedeutung zukommen. Nach Erstellung der Nordtangente soll sie - wie bereits erwähnt - zum eigentlichen Autobahnzubringer werden, der vor allem dem direkten Anschluss des Industriegebietes beidseitig der Elsässerstrasse dient.
Das Ausführungsprojekt für die Schlachthofverbindung wurde vom 31. August bis 29. September 1987 zusammen mit einem Bericht über die Umweltverträglichkeit öffentlich aufgelegt. Gegen das Projekt erhob neben anderen auch der WWF, World Wildlife Fund Schweiz, Einsprache. Nach Eingang der Beurteilungsberichte der kantonalen Umweltschutzbehörden und der Stellungnahme des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) behandelte der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt die Einsprachen und hiess am 29. August 1989 die Einsprache des WWF im Sinne der Erwägungen teilweise gut. Mit zusätzlichem Beschluss vom gleichen Tage wurde die Umweltverträglichkeit des Nationalstrassenprojektes N 2 Nordtangente "Schlachthofverbindung" festgestellt. Damit genehmigte der Regierungsrat, wie er mit nachträglichem Beschluss vom 5. Dezember 1989 präzisierte, zugleich das Bauvorhaben.
Der Einspracheentscheid wurde dem WWF sowie dem Baudepartement des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. Der Regierungsratsentscheid über die Umweltverträglichkeit der Schlachthofverbindung wurde zusammen mit dem Umweltverträglichkeitsbericht sowie den Beurteilungsberichten der Umweltschutzfachstellen und der interdepartementalen Umweltschutzkommission vom 13. September bis 13. Oktober 1989 öffentlich aufgelegt mit dem Hinweis, dass während der Auflagefrist Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat bzw. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht geführt werden könne.
Gegen den Einspracheentscheid vom 29. August 1989 hat der WWF am 2. Oktober 1989 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und vorsorglich eine gleichlautende Beschwerde beim Bundesrat eingereicht. Mit einer weiteren, ausführlicher begründeten Beschwerde vom 6. Oktober 1989 ist auch der Regierungsratsentscheid über die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung
BGE 117 Ib 285 S. 290
sowohl beim Bundesrat als auch beim Bundesgericht angefochten worden. Beide Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der baselstädtische Regierungsrat hat mit dem Einspracheentscheid und dem Entscheid über die Umweltverträglichkeit der Schlachthofverbindung, welcher - wie nachträglich präzisiert - zugleich als Projektgenehmigungsbeschluss zu betrachten ist, in Anwendung von Bundesrecht Verfügungen über Pläne getroffen. Solche Verfügungen sind nur insoweit mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, als es sich um Entscheide über Einsprachen gegen Enteignungen oder Landumlegungen handelt (
Art. 99 lit. c OG
). Steht kein derartiger Rechtserwerb in Frage, ist in der Regel keine Weiterzugsmöglichkeit ans Bundesgericht gegeben und haben sich die Einsprecher mit verwaltungsrechtlicher Beschwerde an den Bundesrat zu wenden (
Art. 73 Abs. 1 lit. c und
Art. 74 lit. a VwVG
). Werden allerdings dieselben Pläne sowohl von Enteigneten als auch von weiteren Interessierten mit gleichen oder ähnlichen Rügen angefochten, so behandelt das Bundesgericht aus Gründen der Rechtssicherheit und der Prozessökonomie kompetenzausweitend sämtliche Beschwerden (
BGE 112 Ib 287
f. E. 2,
BGE 111 Ib 291
).
Weiter gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Entscheid der Einsprachebehörde auch gegenüber den gesamtschweizerischen Natur- und Heimatschutzvereinigungen als Entscheid über eine Einsprache gegen die Enteignung im Sinne von
Art. 99 lit. c OG
, da diese Organisationen gemäss ausdrücklicher Bestimmung von Art. 12 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG; SR 451) zur Geltendmachung von Einsprachen und Begehren gemäss Art. 9, 35 und 55 des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG; SR 711) berechtigt sind. Ebenso sind die Organisationen für befugt gehalten worden, im Verwaltungsgerichtsverfahren neben
Art. 12 NHG
Art. 55 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01) anzurufen (
BGE 112 Ib 548
E. 1b). Dagegen ist noch nicht entschieden worden, welches Rechtsmittel gegeben ist, wenn sich die allein beschwerdeführende Vereinigung - wie hier - weder auf
Art. 12 Abs. 3 NHG
noch auf
Art. 9 EntG
stützt, sondern den Einspracheentscheid einzig aufgrund der Bestimmungen
BGE 117 Ib 285 S. 291
von
Art. 9 und 55 USG
anficht. Auch in diesem Fall ist nach Auffassung des Bundesgerichts - dem der Bundesrat im Meinungsaustausch beigepflichtet hat - die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig:
Art. 55 Abs. 3 USG
ermächtigt die gesamtschweizerischen Umweltschutzorganisationen, "von den Rechtsmitteln im kantonalen Bereich" Gebrauch zu machen. Zu diesen Rechtsmitteln darf zweifellos auch die in Art. 27 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) vorgesehene Einsprache gegen das Ausführungsprojekt gezählt werden, welche unter anderem der Geltendmachung der enteignungsrechtlichen Einwendungen dient. Nun geht die Rüge, eine geplante, der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegende Anlage lasse sich mit den Umweltschutzvorschriften nicht vereinbaren, in der enteignungsrechtlichen Einwendung gemäss
Art. 7 Abs. 3 EntG
auf, der Enteigner verletze seine Pflicht, die geeigneten Vorkehren zu treffen, um die Öffentlichkeit und die benachbarten Grundstücke gegen Gefahren und Nachteile sicherzustellen, die mit dem Bau und Betrieb seines Unternehmens verbunden sind. Daraus lässt sich schliessen, der Gesetzgeber habe die im fraglichen Bereich tätigen Vereinigungen - gleich wie er sie durch
Art. 12 Abs. 3 NHG
zur Einsprache gemäss
Art. 9 EntG
ermächtigt hat - durch
Art. 55 Abs. 3 USG
zur enteignungsrechtlichen Einsprache im Sinne von
Art. 7 Abs. 3 EntG
berechtigen wollen. Können die Umweltschutzorganisationen demnach im nationalstrassenrechtlichen Auflageverfahren enteignungsrechtliche Einsprache erheben, so muss der Einsprachen- und Genehmigungsbeschluss der zuständigen kantonalen Instanz - hier des baselstädtischen Regierungsrates - auch ihnen gegenüber als Entscheid über eine Einsprache gegen die Enteignung im Sinne von
Art. 99 lit. c OG
gelten und ihnen daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht offenstehen. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Beurteilung der Beschwerden des WWF ist somit zu bejahen.
b) Nach
Art. 55 Abs. 1 USG
können die gesamtschweizerischen Umweltschutzorganisationen, sofern sie mindestens zehn Jahre vor Einreichung der Beschwerde gegründet wurden, gegen Verfügungen der zuständigen Behörden über die Planung, Errichtung oder Änderung von ortsfesten Anlagen, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach
Art. 9 USG
erforderlich ist, Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht einreichen.
BGE 117 Ib 285 S. 292
Der Beschwerdeführer ist als seit mehr als zehn Jahren bestehende gesamtschweizerische Umweltschutzorganisation anerkannt (vgl.
Art. 55 Abs. 2 USG
in Verbindung mit Ziff. 3 des Anhangs zur Verordnung vom 27. Juni 1990 über die Bezeichnung der beschwerdeberechtigten Umweltschutzorganisationen, AS 1990 S. 1086). Er ist daher befugt, das Ausführungsprojekt für die Schlachthofverbindung anzufechten, welche - wie erwähnt - als Autobahnzubringer dem Nationalstrassengesetz untersteht und damit zu den vom Bundesrat bezeichneten Anlagen gehört, die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen (
Art. 9 Abs. 1 USG
in Verbindung mit Ziff. 11.1 des Anhangs zur Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 [UVPV; SR 814.011]).
3.
Obschon der eidgenössische Gesetzgeber bei Erlass des Umweltschutzgesetzes von der Einführung einer besonderen Umweltschutzbewilligung abgesehen hat und nach Ziff. 11.1 des Anhangs zur UVPV für Nationalstrassen die dritte Stufe der Umweltverträglichkeitskontrolle im Rahmen des Einspracheentscheides zum Ausführungsprojekt vorzunehmen ist, hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt am 29. August 1989 neben dem Entscheid über die Einsprachen einen separaten Entscheid über die Vereinbarkeit des Projekts mit den Umweltschutzgeboten gefällt. Während der Einspracheentscheid den Einsprechern zugestellt worden ist und die dreissigtägige Beschwerdefrist von dessen Eröffnung an lief (
Art. 106 Abs. 1 OG
,
Art. 50 Abs. 1 VwVG
), ist der Beschluss über die Umweltverträglichkeit der Schlachthofverbindung vom 13. September bis 13. Oktober 1989 öffentlich aufgelegt und in der Publikationsanzeige angegeben worden, gegen den Entscheid könne innert der Auflagefrist Beschwerde geführt werden. Der Beschwerdeführer focht den ihm individuell eröffneten Einspracheentscheid mit Eingabe vom 2. Oktober 1989 und den Umweltverträglichkeitsentscheid mit einer weiteren, der Post am 10. Oktober 1989 übergebenen Rechtsschrift an. Unter diesen Umständen fragt sich, ob sich der Beschwerdeführer auf die in der Auflagepublikation genannte Frist berufen könne, obschon ihm individuell ein Einspracheentscheid zugestellt worden ist. Indessen ist in der amtlichen Publikation ausdrücklich festgehalten worden, dass die Auflagefrist Rechtsmittelfrist sei, und ist kein Vorbehalt hinsichtlich der Einsprecher und der für sie individuell laufenden Frist angebracht worden. Ausserdem waren die dem Beschluss zugrundeliegenden Berichte offenbar auch für die Einsprecher erst
BGE 117 Ib 285 S. 293
ab 13. September 1989 zugänglich. Es ist daher zugunsten des Beschwerdeführers anzunehmen, dass ihm das Recht zustand, innert der Auflagefrist eine zweite, ausführlicher begründete Beschwerde einzureichen, was übrigens der Kanton Basel-Stadt in seiner Vernehmlassung nicht in Frage stellt. Beide Beschwerden sind somit rechtzeitig erhoben worden.
4.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhaltes geltend gemacht werden (
Art. 104 lit. a und b OG
). Den Sachverhalt überprüft das Bundesgericht hier frei, da als Vorinstanz kein kantonales Gericht oder eine Rekurskommission, sondern eine kantonale Regierung entschieden hat (
Art. 105 OG
). Dagegen kann über die Angemessenheit des Einspracheentscheides nicht befunden werden, da das Bundesrecht die Rüge der Unangemessenheit insofern nicht vorsieht (
Art. 104 lit. c OG
).
Ob im angefochtenen Entscheid die auf dem Spiele stehenden, für und wider das Werk sprechenden öffentlichen Interessen richtig gegeneinander abgewogen worden seien, ist in erster Linie eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei zu untersuchen hat. Das Gericht auferlegt sich jedoch eine gewisse Zurückhaltung, wenn sich technische Probleme stellen und die Einsprachebehörde gestützt auf die Berichte der ihr vom Gesetzgeber beigegebenen Fachinstanzen entschieden hat, wenn weiter örtliche Verhältnisse zu würdigen sind, sofern die Vorinstanz diese besser kennt als das Bundesgericht, oder wenn andere Fragen im Grenzbereich zwischen Recht und Ermessen aufgeworfen werden. Voraussetzung für diese Zurückhaltung ist allerdings, dass es im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhaltes gibt und davon ausgegangen werden kann, dass die Vorinstanz die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte geprüft und die erforderlichen Abklärungen sorgfältig und umfassend vorgenommen hat (
BGE 112 Ib 295
f. E. 8b, 549 f. E. 1d mit zahlreichen Hinweisen; s.a.
BGE 115 Ib 135
f. E. 3, 315 f. E. 4a). Schliesslich ist, wie noch auszuführen sein wird, im Einsprache- und Plangenehmigungsverfahren für den Nationalstrassenbau der besonderen Zuständigkeitsordnung Rechnung zu tragen, nach welcher die Genehmigung des generellen Projektes in die Kompetenz des Bundesrates fällt (vgl. hinten E. 6a und 7c).
5.
Der Beschwerdeführer stellt in beiden Beschwerden den Hauptantrag, es sei zunächst die Umweltverträglichkeitsprüfung
BGE 117 Ib 285 S. 294
für das Gesamtprojekt der Nordtangente abzuschliessen, bevor das Ausführungsprojekt für die Schlachthofverbindung genehmigt werde. Sollte diesem Begehren nicht entsprochen werden, so wird gefordert, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Schlachthofverbindung ergänzt und für dieses Strassenteilstück vorerst dem Bundesrat im Sinne von
Art. 20 NSG
ein selbständiges generelles Projekt unterbreitet werde. Schliesslich wird subeventuell die Feststellung verlangt, dass die Schlachthofverbindung gemäss dem vorliegenden Prüfungsergebnis mit den gesetzlichen Anforderungen unvereinbar und nicht umweltverträglich sei.
Der Beschwerde liegt die Überlegung zugrunde, dass die Schlachthofverbindung nicht erstellt werden könne, solange nicht feststehe, ob und wie das Gesamtprojekt der Nordtangente zu realisieren sei. Der Beschwerdeführer beanstandet deshalb das eingeschlagene etappenweise Vorgehen, welches erlaubt, in einer ersten Phase die später zum Nordtangenten-Zubringer auszubauende Schlachthofverbindung als Abnehmer der französischen Autobahn A 35 auszuführen und dementsprechend die Umweltverträglichkeitsprüfung heute auf dieses Teilstück zu beschränken. Nach Ansicht des Beschwerdeführers dürfte die Schlachthofverbindung nur dann vor der Genehmigung des Gesamtprojekts gebaut werden, wenn für sie ein selbständiges generelles Projekt erstellt und vom Bundesrat genehmigt worden wäre.
6.
Vorweg zu behandeln ist der Einwand, das umstrittene Ausführungsprojekt könne sich nicht auf ein generelles Projekt stützen bzw. für die umstrittene Strassenverbindung müsse zunächst ein selbständiges generelles Projekt erarbeitet und genehmigt werden. Wäre diese Beanstandung berechtigt, so wären die Beschwerden sofort gutzuheissen und würde sich eine Prüfung der weiteren Rügen erübrigen.
a) Die Genehmigung eines Ausführungsprojekts setzt nach Nationalstrassengesetz ein vom Bundesrat gutgeheissenes generelles Projekt im Sinne von
Art. 12 ff. NSG
voraus (vgl.
Art. 21 NSG
). Aus den Plänen des generellen Projekts haben insbesondere die Linienführung der Strassen, die Anschlussstellen und die Kreuzungsbauwerke hervorzugehen (
Art. 12 NSG
). Sind diese wichtigen Bestandteile im generellen Projekt nicht enthalten, so können sie nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung im Rahmen der Ausführungsprojektierung nicht vorgesehen werden (vgl.
BGE 114 Ib 137
ff. und die in E. 5b zitierten Urteile).
BGE 117 Ib 285 S. 295
Wie im Sachverhalt erwähnt, ist im vorliegenden Fall das generelle Projekt 1:2000 vom Dezember 1984 für die städtische Nationalstrasse SN2, Abschnitt Landesgrenze F/CH bis Wiese (km 0.00 - km 3.15) vom Bundesrat mit Beschluss vom 25. März 1987 genehmigt und zur Ausarbeitung der Ausführungsprojekte freigegeben worden. In den Plänen des generellen Projektes ist die Schlachthofverbindung als Zubringer zum Vollanschluss Schlachthof der N 2 bzw. zur französischen A 35 eingezeichnet. Im technischen Bericht wird auf die neue Schlachthofstrasse und auf ihre Entlastungsfunktion hingewiesen. Die Schlachthofverbindung ist somit im generellen Projekt offensichtlich enthalten.
Unklarheit hat sich indessen aus dem Wortlaut von Ziffer 2 des bundesrätlichen Genehmigungsbeschlusses ergeben, nach welchem über die Anzahl und die Ausgestaltung der Anschlüsse erst im Rahmen des Ausführungsprojektes definitiv entschieden werden soll. Wäre dieser Vorbehalt in dem Sinne zu verstehen, dass noch nicht feststünde und erst durch das EVED bei Genehmigung des Ausführungsprojektes zu entscheiden sei, ob der Vollanschluss Schlachthof überhaupt verwirklicht werde und die Schlachthofverbindung je als Zubringer zu diesem dienen könne, so wären die Vorwürfe des Beschwerdeführers in der Tat begründet. Wie das Bundesgericht in
BGE 114 Ib 137
f. E. 5b dargelegt hat, ist die Frage, wie viele Zugänge zum Nationalstrassennetz zu schaffen und wo diese vorzusehen sind, im Hinblick auf die Funktion der Autobahnen als Schnellverbindungsstrassen und die Gewährleistung der Verkehrssicherheit von ausserordentlich grosser Bedeutung. Die Wahl der Anschlussstellen hat zudem allgemeine verkehrspolitische Auswirkungen und kann zu interkantonalen, ja sogar - wie der vorliegende Fall zeigt - zu internationalen Konflikten führen, deren Lösung dem Bundesrat vorbehalten werden muss, welcher über die nötige Übersicht über alle mit dem Projekt zusammenhängenden Fragen verfügt. Es ginge daher nicht an, den Entscheid über Anzahl und Ausgestaltung der Autobahnanschlüsse dem Departement anheimzustellen. Nun hat der Bundesrat auf Gesuch des baselstädtischen Regierungsrates die Bedeutung seines Genehmigungsbeschlusses mit Schreiben vom 24. Oktober 1990 erläutert. Er hat einerseits festgehalten, dass sich der Vorbehalt in Ziffer 2 seines Beschlusses einzig auf die Rheinanschlüsse und die Rheinbrücke beziehe, nicht dagegen auf den von Anfang an unbestrittenen Vollanschluss Schlachthof. Andererseits solle mit dem Vorbehalt lediglich signalisiert werden, dass der
BGE 117 Ib 285 S. 296
Bundesrat bereit wäre, je nach Planungsentwicklung auf seinen Entscheid betreffend die Halbanschlüsse zurückzukommen. In diesem Sinne werde sich erst später, bei Ausarbeitung des Ausführungsprojektes, erweisen, ob es beim genehmigten generellen Projekt bleibe oder ob infolge einer abweichenden Ausgestaltung der Anschlüsse ein neuer Beschluss über ein abgeändertes generelles Projekt gefasst werden müsste.
Aufgrund dieser Klarstellung des Bundesrates steht fest, dass der Vollanschluss Schlachthof und die Schlachthofverbindung Bestandteil des generellen Projektes bilden.
b) Dass die Schlachthofverbindung vorweg erstellt werden und in einer ersten Phase, bis zur Inbetriebnahme der Nordtangente, als Entlastungsstrasse für den von und zur französischen Autobahn fliessenden Verkehr dienen soll, hat nicht zur Folge, dass ein zusätzliches, auf diese Funktion der Strassenverbindung zugeschnittenes generelles Projekt erarbeitet werden müsste. Es ist durchaus üblich und mit dem Nationalstrassengesetz vereinbar, das beim Bau der Nationalstrassen gewisse Teilstücke zunächst provisorisch an das kantonale Strassennetz angeschlossen werden und vorübergehend andere als die ihnen im endgültigen Zustand zugedachten Aufgaben erfüllen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist denn heute auch nicht mehr offen, ob die N 2 im Bereiche des Schlachthofanschlusses überhaupt erstellt werde und die Schlachthofverbindung je ihre Funktion als Nationalstrassen-Zubringer übernehmen könne. Wie bereits angeführt ist schon im Beschluss der Bundesversammlung vom 21. Juni 1960 der Zusammenschluss der französischen Autobahn A 35 mit der schweizerischen Nationalstrasse N 2 angeordnet worden und hat sich die Schweiz in völkerrechtlich verbindlichen Abmachungen gegenüber Frankreich zur Abnahme des Autobahnverkehrs an der Schweizergrenze verpflichtet. Der Grenzübergangspunkt wurde in einem Notenwechsel zwischen dem Bundesrat und der französischen Regierung am 4./9. Januar 1963 festgelegt. In späteren Vereinbarungen wurden provisorische Regelungen für den Anschluss der A 35 getroffen, die 1989 bis zur Grenze fertiggestellt worden ist. Es steht daher sowohl aufgrund innerstaatlichen Rechts als auch völkerrechtlicher Vereinbarungen fest, dass die N 2 im fraglichen Grenzbereich erstellt werden muss und dass demzufolge die Schlachthofverbindung die ihr im generellen Projekt zugewiesene Aufgabe als Nationalstrassen-Zubringer wird übernehmen können.
BGE 117 Ib 285 S. 297
Die Zweifel, die der Beschwerdeführer am generellen Projekt als Grundlage für das Ausführungsprojekt Schlachthofverbindung äussert, erweisen sich demnach als unbegründet. Von mangelnder Übereinstimmung des Ausführungsprojektes mit dem generellen Projekt kann nicht die Rede sein.
7.
Zu prüfen ist weiter die Rüge, die Umweltverträglichkeitsprüfung hätte nicht auf die Teilstrecke Schlachthofverbindung beschränkt und das Ausführungsprojekt nicht genehmigt werden dürfen, bevor für das Gesamtprojekt Nordtangente die Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen sei. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob und unter welchen Voraussetzungen aus der Sicht des Nationalstrassenrechts und der Umweltschutzgesetzgebung mehrere zum selben generellen Projekt gehörende Nationalstrassen-Teilstücke gestaffelt geplant und ausgeführt werden dürften. In diesem Zusammenhang ist auch zu untersuchen, inwieweit bei der Anfechtung des Ausführungsprojektes die bei der Ausarbeitung des generellen Projektes vorgenommene Umweltverträglichkeitsprüfung noch zur Diskussion gestellt werden könne.
a) Als erstes ist allgemein festzuhalten, dass die generellen Projekte in der Regel grössere Strassenabschnitte umfassen, welche für die Detailprojektierung, die Auflage der Ausführungsprojekte und die Bauausführung üblicherweise unterteilt werden. Dieses etappenweise Vorgehen ist zweckmässig und steht mit dem Nationalstrassengesetz nicht in Widerspruch. Führen Nationalstrassen wie im vorliegenden Fall durch dicht überbautes städtisches Gebiet, so rechtfertigt sich angesichts der schwer überschaubaren Verhältnisse und der zahlreichen technischen Probleme eine Aufteilung auch kleinerer Abschnitte. Hinzu kommt hier, dass die Schlachthofverbindung zunächst die Aufgabe eines Zubringers zur französischen Autobahn zu übernehmen hat, was ohnehin eine vorweggenommene Planung und Ausführung dieses Teilstücks erfordert. Aus der Sicht der Bestimmungen über den Nationalstrassenbau lässt sich daher am eingeschlagenen Vorgehen nichts beanstanden.
b) Auch die Umweltschutzgesetzgebung steht der etappenweisen Ausführung von Nationalstrassenabschnitten nicht entgegen.
Ziffer 11.1. des Anhangs der UVPV sieht eine dreistufige Umweltverträglichkeitsprüfung vor. Eine erste Kontrolle findet grundsätzlich bei der Genehmigung der allgemeinen Linienführung und der Art der zu errichtenden Nationalstrassen durch die Bundesversammlung statt, doch ist diese Genehmigung weitgehend bereits mit dem Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz
BGE 117 Ib 285 S. 298
vom 21. Juni 1961 erfolgt. Die Prüfung zweiter Stufe ist bei der Genehmigung des generellen Projektes durch den Bundesrat gemäss
Art. 20 NSG
vorzunehmen. Schliesslich ist im Auflage- und Einspracheverfahren nach
Art. 26 NSG
unter möglicher Beteiligung der Betroffenen und der beschwerdeberechtigten Organisationen abzuklären, ob die Ausführungsprojekte den Geboten des Umweltschutzgesetzes entsprechen. Grundsätzlich genügt es, wenn der Gegenstand eines Ausführungsprojekts bildende einzelne Strassenabschnitt der Prüfung unterzogen wird und er die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Der Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung für die angrenzenden Teilstücke braucht in der Regel nicht abgewartet zu werden, sollte doch die vorangehende Untersuchung des generellen Projekts Gewähr dafür bieten, dass sich das Bauvorhaben als Ganzes umweltverträglich realisieren lässt. Ausserdem würde, müsste stets bis zur Feststellung der Umweltverträglichkeit des Gesamtprojekts zugewartet werden, die Ausführung der Teilabschnitte erschwert und verzögert, was weder im Sinne des Nationalstrassenrechts noch in jenem des Umweltschutzgesetzes wäre. Von der auf das einzelne Ausführungsprojekt beschränkten Untersuchung wäre nur dann abzugehen, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der für den entsprechenden Abschnitt erstellte Umweltverträglichkeitsbericht - wie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall zu bedenken gibt - zu falschen, bei den späteren Etappen nicht mehr zu korrigierenden Folgerungen Anlass gäbe. Eine weitergehende Kontrolle wäre zudem in Betracht zu ziehen, wenn Grund zur Annahme bestünde, dass das generelle Projekt selbst nur einer unzulänglichen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden sei. Doch stellt sich in diesem Zusammenhang vorweg die Frage, ob überhaupt und inwiefern in der Einsprache gegen das Ausführungsprojekt bzw. in der gegen den Einspracheentscheid gerichteten Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch noch am generellen Projekt und der entsprechenden Umweltverträglichkeitsprüfung Kritik geübt werden könne.
c) Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der vom Nationalstrassenbau betroffene Private im Anschluss an die Publikation des Ausführungsprojekts nur gegen dieses Einsprache bzw. Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und ist gegen das vom Bundesrat genehmigte generelle Projekt kein förmliches Rechtsmittel gegeben, da dieses vom Bundesrat beschlossen wird und Bundesratsentscheide grundsätzlich der verwaltungsgerichtlichen
BGE 117 Ib 285 S. 299
Kontrolle entzogen sind (
BGE 111 Ib 28
E. 2a, 292 E. 1c,
BGE 110 Ib 402
mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat sich daher stets geweigert, auf allgemeine Begehren um Änderung der im generellen Projekt vorgesehenen Linienführung und der Anschlussstellen einzutreten (vgl.
BGE 114 Ib 137
f. und dort zitierte Entscheide). Vom Grundeigentümer und Einsprecher wird vielmehr verlangt, dass er konkret aufzeige, inwiefern das Ausführungsprojekt im Bereiche seines Grundstückes gegen Bundesrecht verstosse. Nicht ausgeschlossen worden ist dagegen, dass die gegen das Ausführungsprojekt gerichtete Einsprache eine Änderung der durch das generelle Projekt festgelegten Linienführung nach sich ziehe (
BGE 110 Ib 402
E. 3,
BGE 99 Ib 201
).
Diese an die Beschwerdeführung gestellten Anforderungen sind in
BGE 112 Ib 550
f. E. 1d (mit Hinweis auf
BGE 97 I 578
) gegenüber der gesamtschweizerischen Organisationen gelockert worden. Es wurde festgestellt, dass die für die Einsprachen der Grundeigentümer geltenden Voraussetzungen nicht unverändert auf das Beschwerderecht der ideellen Organisationen übertragen werden könnten. Habe nämlich der Bundesgesetzgeber die gesamtschweizerischen Vereinigungen in
Art. 13 NHG
und
Art. 55 USG
mit der Wahrung der Interessen des Natur- und Umweltschutzes u.a. gegenüber den Nationalstrassen beauftragt, so müssten diese auch befugt sein, Einwände gegen das Ausführungsprojekt zu erheben, selbst wenn damit die im generellen Projekt festgelegte Linienführung in Frage gestellt werde. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich das Bundesgericht auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde der gesamtschweizerischen Organisationen hin über den Genehmigungsbeschluss des Bundesrates hinwegsetzen dürfte, und es bleibt auch für die Organisationen dabei, dass sie darzutun haben, weshalb der Entscheid über das Ausführungsprojekt wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung oder falscher Rechtsanwendung gegen Bundesrecht verstosse (
Art. 104 OG
). Das gilt auch für Rügen, die sich auf
Art. 9 USG
beziehen. Wird vor Bundesgericht geltend gemacht, die Umweltverträglichkeitsprüfung sei mangelhaft, und zwar namentlich deshalb, weil sie sich nicht auf den ganzen Nationalstrassenabschnitt beziehe, der Gegenstand des generellen Projektes bildet, so ist darzulegen, weshalb entweder die dem generellen Projekt zugrundeliegende Prüfung nicht genüge oder warum bei der Ausführungsprojektierung an der seinerzeit für das generelle Projekt angestellten Untersuchung nicht angeknüpft werden könne.
BGE 117 Ib 285 S. 300
d) Im vorliegenden Fall befasst sich der Beschwerdeführer mit der generellen Projektierung kaum und macht insbesondere nicht geltend, dass das noch vor Erlass der UVPV genehmigte generelle Projekt unter umweltschutzrechtlichen Aspekten nur unzureichend geprüft worden sei. Dieser Vorwurf wird zu Recht nicht erhoben.
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterstehenden Anlagen, um deren Bewilligung nach Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes, aber noch vor Erlass der UVPV ersucht worden ist, materiell den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen; in formeller Hinsicht muss dagegen kein Bericht im Sinne der UVPV nachgeliefert werden (vgl.
BGE 115 Ib 495
E. 3b,
BGE 114 Ib 355
E. 4b). Diese Regel ist im wesentlichen in
Art. 24 UVPV
übernommen worden, welcher präzisiert, dass sie auch für die einzelnen Verfahrensschritte bei mehrstufigen Prüfungen gelte. Nun lag dem Bundesrat seinerzeit ein ausführlicher Expertenbericht über die Überprüfung mehrerer Nordtangenten-Varianten mittels Nutzwertanalyse und Kosten-Nutzen-Analyse vor. In methodischer Sicht ging der Bericht von Überlegungen aus, von denen sich auch der vom Beschwerdeführer zitierte Bericht der Kommission Biel vom Dezember 1981 für die Überprüfung von Nationalstrassenstrecken leiten liess (vgl. Botschaft des Bundesrates betreffend die Überprüfung von Nationalstrassenstrecken vom 17. Dezember 1984, BBl 1985 I 534ff.). Dieser Expertenbericht, der der generellen Projektierung zugrunde lag, darf als ausreichende Abklärung des Sachverhaltes im Sinne von
Art. 24 UVPV
für die Beurteilung der Umweltverträglichkeit betrachtet werden. Soweit die vorgenommenen Abklärungen nicht in allen Teilen den erst später in Kraft getretenen Vorschriften der UVPV entsprachen, durften sie - was für das Ausführungsprojekt Schlachthofverbindung auch geschehen ist - im Rahmen der dritten Stufe der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt werden.
Damit steht auch fest, dass entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht mehr offen ist, ob überhaupt und wie die Nordtangente als Verbindung der A 35 mit der Osttangente erstellt wird. Wie bereits dargelegt, muss die städtische Expressstrasse im fraglichen Grenzbereich schon aufgrund der internationalen Verpflichtungen und des Bundesbeschlusses vom 21. Juni 1960 verwirklicht werden (vgl. oben E. 6b). Nach der Genehmigung des generellen Projektes steht aber der Bau der ganzen Nordtangente nicht mehr
BGE 117 Ib 285 S. 301
in Frage. Wohl können - wie erwähnt - Einwendungen zum Ausführungsprojekt auch Änderungen des generellen Projektes nach sich ziehen (
BGE 112 Ib 553
E. 3). Ein Verzicht auf die Ausführung eines genehmigten generellen Projektes könnte jedoch als Folge der Beurteilung der Umweltverträglichkeit des Ausführungsprojektes nur in Betracht fallen, wenn die der generellen Projektgenehmigung zugrundeliegenden Prüfungen krass mangelhaft wären und nachträglich festgestellt werden müsste, ein mit der Umweltschutzgesetzgebung vereinbares Projekt lasse sich nicht erstellen. Es wäre alsdann Sache des Bundesrates, die nötigen Konsequenzen hinsichtlich des Widerrufs oder der Änderung seines Genehmigungsbeschlusses zu ziehen. Kann dagegen von einer derartigen Mangelhaftigkeit der für das generelle Projekt getroffenen Abklärungen nicht gesprochen werden, so käme es einer Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmässigkeit des Verwaltungshandelns gleich, wenn auf die abgeschlossenen Stufen vorbehaltlos zurückgekommen würde, was der Beschwerdeführer offenbar anstrebt.
e) Schliesslich vermag der Beschwerdeführer auch nicht darzutun, dass und inwiefern die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Schlachthofverbindung in ihrer ersten Funktion als Zufahrtstrasse zur französischen Autobahn zu falschen Schlüssen über die Umweltverträglichkeit des Gesamtprojektes Nordtangente führen würde. Die in der Beschwerde in dieser Hinsicht aufgeworfenen Fragen und angebrachten Zweifel vermögen eine solche Annahme nicht zu begründen. Es ist denn auch nicht einzusehen, weshalb die heutigen Untersuchungen über die Umweltverträglichkeit der Schlachthofverbindung, die aller Voraussicht nach vor Inbetriebnahme der Nordtangente stärker belastet sein wird als danach, Anlass zu Fehleinschätzungen für das Gesamtprojekt bilden könnten. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass durch den vorweggenommenen Bau der Schlachthofverbindung Sachzwänge geschaffen würden und der Entscheid darüber vorweggenommen werde, ob die Nordtangente mit oder ohne die Schlachthofverbindung umweltverträglicher sei, so ist wiederum darauf hinzuweisen, dass dieser Entscheid bereits im Rahmen der generellen Projektierung getroffen worden ist und im Rahmen der Ausführungsprojektierung nicht mehr überprüft werden kann, sofern das generelle Projekt - was hier nicht zutrifft - nicht auf völlig mangelhaften Unterlagen beruht. Es wäre deshalb verfehlt, mit der Genehmigung des Ausführungsprojektes für die Schlachthofverbindung
BGE 117 Ib 285 S. 302
zuzuwarten, bis die Umweltverträglichkeitsberichte und die Ausführungsprojekte für die gesamte Nordtangente vorlägen. Dem Hauptbegehren des Beschwerdeführers kann deshalb nicht entsprochen werden.
8.
Es bleibt zu untersuchen, ob die Schlachthofverbindung tatsächlich - wie der Beschwerdeführer geltend macht - als mit den Umweltschutzvorschriften unvereinbar bezeichnet werden müsse und daher nicht wie geplant erstellt werden dürfe. Der Beschwerdeführer zieht diesen Schluss einerseits daraus, dass im Bereich der Elsässerstrasse sowie des Knotens Elsässerstrasse/Schlachthofstrasse/Kohlenstrasse die Lärmeinwirkungen schon heute die Immissionsgrenzwerte und teils auch die Alarmwerte übersteigen. Diese Anlagen seien daher sanierungsbedürftig und dürften gemäss
Art. 18 USG
nur ausgebaut oder erweitert werden, wenn sie gleichzeitig saniert würden. Der Bau der Schlachthofverbindung führe aber nicht zu einer Sanierung der bestehenden Strassenanlagen, sondern zu einer lärmmässigen Mehrbelastung von mindestens 2-3 dB(A).
Andererseits werde der Mehrverkehr in der Elsässerstrasse eine höhere Belastung der Luft mit Schadstoffen mit sich bringen. Da auch in dieser Hinsicht bereits heute die massgebenden Grenzwerte deutlich überschritten seien, widerspreche die mit der Schlachthofverbindung beabsichtigte Verkehrsführung den klaren gesetzlichen Bestimmungen.
a) Die Schlachthofverbindung ist, wie in den bisher angestellten Erwägungen bereits vorausgesetzt worden ist, als Baute und Verkehrsweg eine Anlage im Sinne von
Art. 7 Abs. 7 USG
, was übrigens in gleicher Weise für die Elsässerstrasse sowie ganz allgemein für jede Strasse zutrifft. Für bereits bestehende Anlagen, die den Vorschriften des Gesetzes oder anderer Umweltvorschriften nicht genügen, ordnet die Grundsatzvorschrift von
Art. 16 USG
an, dass sie saniert werden müssen; insbesondere dürfen solche Anlagen nach
Art. 18 USG
nur umgebaut oder erweitert werden, wenn gleichzeitig zu ihrer Sanierung geschritten wird. Beim vorliegenden Ausführungsprojekt für die Schlachthofverbindung geht es jedoch im wesentlichen um die Erstellung einer neuen, nicht um die Änderung einer bestehenden Anlage. Die Zulässigkeit einer neuen Anlage richtet sich nach der Bestimmung von
Art. 25 USG
, welche
Art. 18 USG
vorgeht (A. SCHRADE, Kommentar zu USG, N 37 zu Art. 18, P. ETTLER, a.a.O., N 4 zu Art. 25).
BGE 117 Ib 285 S. 303
b) Was die Lärmeinwirkungen anbelangt, so dürfen gemäss
Art. 25 Abs. 1 USG
ortsfeste Anlagen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten. Besteht hingegen ein öffentliches Interesse an der Anlage und würde die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt führen, so können nach Art. 25 Abs. 2 Erleichterungen gewährt werden; dabei dürfen jedoch unter Vorbehalt von Abs. 3 die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Der Vorbehalt von Art. 25 Abs. 3 bezieht sich auf die Errichtung von Strassen, Flughäfen, Eisenbahnanlagen oder anderen öffentlichen oder konzessionierten ortsfesten Anlagen. Können bei diesen Anlagen die Immissionsgrenzwerte durch Massnahmen bei der Quelle nicht eingehalten werden, so müssen auf Kosten des Eigentümers der Anlage die vom Lärm betroffenen Gebäude durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden. Im weiteren gilt für die Lärm- wie für alle anderen Emissionen, dass sie im Rahmen der Vorsorge soweit zu begrenzen sind, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (
Art. 1 Abs. 2 und
Art. 11 Abs. 2 USG
).
aa) Gemäss Art. 40 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV; SR 814.41) erfolgt die Beurteilung der Aussenlärmimmissionen ortsfester Anlagen anhand der Belastungsgrenzwerte nach den Anhängen 3 ff. der Verordnung. Diese Grenzwerte sind je nach Empfindlichkeitsstufe (
Art. 43 LSV
) unterschiedlich hoch. Nach Art. 44 Abs. 1 haben die Kantone dafür zu sorgen, dass die Empfindlichkeitsstufen den Nutzungszonen in den Baureglementen oder Nutzungsplänen der Gemeinden zugeordnet werden. Bis zur Zuordnung haben die Kantone die Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall nach Art. 43 zu bestimmen (
Art. 44 Abs. 3 LSV
; vgl.
BGE 115 Ib 351
).
Den Akten ist zu entnehmen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Schlachthofverbindung hinsichtlich der Empfindlichkeitsstufen vom Entwurf eines Stufenplans des Amtes für Kantons- und Stadtplanung ausging und die Empfindlichkeitsstufe III als gültig angenommen worden ist. Ein rechtsverbindlicher Entscheid liegt hingegen noch nicht vor. Die Umweltschutzkommission weist in ihrem Bericht darauf hin, dass in einzelnen Bereichen (Neudorfstrasse/Flughafenstrasse sowie Luzernerring) möglicherweise mit der Festsetzung der Stufe II gerechnet werden müsse. Das eingeschlagene Vorgehen entspricht somit den Anordnungen
BGE 117 Ib 285 S. 304
von
Art. 44 LSV
nicht. Eine Aufhebung des angefochtenen Entscheides aus diesem Grunde wäre jedoch - abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer keine entsprechende Rüge erhebt - unter den gegebenen Umständen unverhältnismässig, da hier die Ausnahmebestimmung von
Art. 25 Abs. 3 USG
Anwendung findet, nach welcher zugunsten von öffentlichen Werken nicht nur eine Überschreitung der Planungswerte, sondern auch der Immissionsgrenzwerte in Kauf genommen werden kann. Es ist daher für den Ausgang des Verfahrens nicht ausschlaggebend, ob die der Empfindlichkeitsstufe III oder die der Stufe II entsprechenden Belastungsgrenzwerte gelten müssten. Immerhin ist dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt zu empfehlen, das Verfahren gemäss
Art. 44 LSV
zu beachten, um inskünftig Schwierigkeiten zu vermeiden (vgl.
BGE 115 Ib 356
E. 2d).
bb) Nach
Art. 25 Abs. 3 USG
müssen, wie bereits erwähnt, bei der Errichtung von Strassen auf Kosten des Werkeigentümers die vom Lärm betroffenen Gebäude durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden, falls durch Massnahmen bei der Quelle die Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden können. Der baselstädtische Regierungsrat hat diesem Gebot in seinen Entscheiden dadurch Rechnung getragen, dass die Genehmigung des Ausführungsprojektes mit der Auflage verbunden worden ist, allfällige nach Art. 9 (recte: 10) LSV erforderliche Schallschutzmassnahmen frühzeitig, jedoch spätestens innerhalb eines Jahres nach der Eröffnung der neuen Verkehrsachse in die Wege zu leiten. Im weiteren ist im Sinne der Vorsorge angeordnet worden, für die Aushubphase seien spezielle Schallschutzmassnahmen vor allem zugunsten der Wohngebäude "am Bachgraben" vorzusehen und der Bauherr habe bei der Wahl des Deponiestandortes für das Aushubmaterial darauf zu achten, dass möglichst wenig Wohngebiet durch den Transportverkehr betroffen werde; die gewählte Route muss von der zuständigen Amtsstelle genehmigt werden. Für die Projektausführung wird allgemein ein optimaler aktiver Lärmschutz vorgeschrieben, um in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der baselstädtischen Umweltschutzkommission die Lärmimmissionen so gering als möglich zu halten.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat der Regierungsrat mit diesen in seinem Kompetenzbereich liegenden Anordnungen den lärmschutzrechtlichen Vorschriften in ausreichendem Masse Rechnung getragen. Selbst wenn nicht vermieden werden
BGE 117 Ib 285 S. 305
kann, dass die Immissionsgrenzwerte an der Elsässerstrasse weiterhin überschritten werden, steht dies trotz den Regeln von
Art. 7 und 8 LSV
der Verwirklichung der Schlachthofverbindung nicht entgegen. Ob die Verkehrszunahme auf gewissen Strassenstrecken zu wahrnehmbar stärkeren Lärmimmissionen im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 LSV
führen wird - was der Kanton in Abrede stellt -, ist nicht entscheidend, da
Art. 25 USG
selbst in diesem Fall die Realisierung des Werkes erlaubt. Das überwiegende Interesse an der Anlage, das Voraussetzung für die Gewährung von Erleichterungen gemäss
Art. 25 USG
bildet, ist für die Schlachthofverbindung in ihrer Eigenschaft als zukünftigem Nordtangenten-Zubringer bereits im Rahmen des generellen Projekts festgestellt worden. Es ist aber, wie sich aus dem folgenden ergibt, zu Recht auch für die vorübergehende Funktion der neuen Verbindung als Zufahrtstrasse zur A 35 bejaht worden.
cc) Der sich seit einigen Jahren von der französischen Autobahn A 35 ins baselstädtische Strassennetz ergiessende Verkehr führt zu einer starken Belastung der bestehenden Strassen, die sowohl Industrie- und Gewerbe- als auch Wohnquartiere erschliessen. Nach dem Bau der im wesentlichen der Landesgrenze und der Industriezone folgenden Schlachthofverbindung wird der grenzüberschreitende Verkehr aufgeteilt und zügiger abgewickelt werden können, was vor allem für die Wohngebiete an der Flughafenstrasse und am Luzernerring wesentliche Erleichterungen bringen wird, während in der Elsässerstrasse mit einigem Mehrverkehr und dem entsprechenden Ansteigen des Lärmpegels zu rechnen ist. Diese Auswirkungen der neuen Verkehrsführung sind, wie der Regierungsrat mit Recht annimmt, bei der Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Die Betrachtungsweise des Beschwerdeführers, der allein die nachteiligen Folgen des Projekts in den Vordergrund rückt, die nur ein kleineres Strassengebiet betreffen, ist deshalb zu einseitig. Ausserdem übersieht er, dass der Ausbau des Knotens Schlachthofstrasse/Elsässerstrasse/Kohlenstrasse dank der Erstellung der Tramschlaufe ebenfalls zu Verbesserungen für den öffentlichen Verkehr und die Fussgänger führen wird und dass die prognostizierte Erhöhung des Lärmpegels - sollte sie 2-3 dB(A) nicht übersteigen - bei der gegebenen Lärmsituation an der Grenze des Wahrnehmbaren liegt (vgl.
BGE 110 Ib 353
E. 6). Jedenfalls beruht die Feststellung des Regierungsrates, die Vorzüge einer auf zwei Strassenzüge aufgeteilten, flüssigeren Abwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs überwögen die
BGE 117 Ib 285 S. 306
vorübergehende Mehrbelastung der Elsässerstrasse, weder auf einer unrichtigen Abklärung des Sachverhaltes noch auf rechtswidriger Ausübung des der kantonalen Behörde zustehenden Ermessens. Der Regierungsrat durfte daher ohne Bundesrechtsverletzung davon ausgehen, dass an der Schlachthofverbindung als provisorischer Entlastungsstrasse ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von
Art. 25 USG
bestehe.
c) Insofern der Beschwerdeführer auf die Belastung der Luft mit Schadstoffen hinweist und auch in dieser Hinsicht eine Sanierung verlangt, ist einzuräumen, dass das Umweltschutzgesetz für die Luftverunreinigung keine mit Art. 25 vergleichbare Ausnahmebestimmung zugunsten der öffentlichen Werke enthält. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Bau von Verkehrsanlagen in stark oder übermässig belasteten Gebieten ausgeschlossen wäre. Die Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1) hält in Art. 2 die "stationären Anlagen" und die "Verkehrsanlagen" klar auseinander und stellt für diese beiden Anlagetypen separate Vorschriften über die Emissionsbegrenzung und die Massnahmen gegen übermässige Immissionen auf.
Art. 18 LRV
regelt die vorsorgliche Emissionsbegrenzung bei Verkehrsanlagen in dem Sinne, dass die Behörde alle technischen und betrieblichen und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen anzuordnen hat, mit denen die vom Verkehr verursachten Emissionen begrenzt werden können. Steht fest oder ist zu erwarten, dass Fahrzeuge oder Verkehrsanlagen übermässige Immissionen verursachen, so richtet sich gemäss Art. 19 das Verfahren nach Art. 31 bis 34 LRV. Diese Vorschriften verpflichten die Behörde, einen Plan der Massnahmen zu erstellen, die zur Vermeidung oder Beseitigung der übermässigen Immissionen nötig sind.
Nach der dargestellten Ordnung kann auch mit Blick auf die zu erwartenden Luftverunreinigungen nicht der Verzicht auf den Nationalstrassenbau, sondern nur verlangt werden, dass alle erforderlichen und tragbaren Massnahmen ergriffen werden, um die Immissionen möglichst gering zu halten. Welche Vorkehren im einzelnen getroffen werden müssen, ist aufgrund einer Interessenabwägung zu entscheiden, bei welcher sowohl den Bestimmungen von
Art. 5 und 41 NSG
als auch den Grundsätzen der Umweltschutzgesetzgebung Rechnung getragen werden muss.
Im vorliegenden Fall ist ein Massnahmenplan, der sich auf das Gebiet der beiden Halbkantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft erstreckt, von den Regierungsräten beider Kantone am
BGE 117 Ib 285 S. 307
20. Februar 1990 verabschiedet und zu den Akten gegeben worden. Aus der lufthygienischen Beurteilung des umstrittenen Ausführungsprojekts durch die baselstädtische Umweltschutzkommission ergibt sich für das Bauvorhaben, dass sich die heutigen Immissionen durch die Schlachthofverbindung "nicht signifikant vermindern" lassen werden. Das Projekt führt somit nicht zu einer zusätzlichen Belastung, sondern wird aller Voraussicht nach zu einer - wenn auch nur geringfügigen - Verbesserung der lufthygienischen Situation führen. Es besteht daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers jedenfalls zur Zeit kein Anlass, den Regierungsrat über den erstellten Massnahmenplan hinaus zur Ergreifung weiterer Vorkehren für den Bereich der Schlachthofverbindung zu verpflichten. Zusätzliche Abklärungen dürfen und sollen dagegen, wie der Regierungsrat festgehalten hat, im Rahmen des Gesamtprojektes beim Anschluss der Schlachthofverbindung an die Nordtangente vorgenommen werden.
d) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sich das Ausführungsprojekt für die Schlachthofverbindung sowohl in bezug auf die Lärmeinwirkungen als auch hinsichtlich der Belastung der Luft mit Schadstoffen mit den umweltschutzrechtlichen Vorschriften vereinbaren lässt und die entsprechenden Einwendungen des Beschwerdeführers unbegründet sind.
9.
Schliesslich vermag an der Rechtmässigkeit des angefochtenen Ausführungsprojektes nichts zu ändern, dass - was der Beschwerdeführer selbst nur nebenbei bemerkt - der neuen Strassenverbindung einige Ruderal- und Segetalpflanzenstandorte weichen müssen. Der fragliche Vegetationsgürtel gehört zu keiner Schutzzone; er grenzt, wie sich am Augenschein ergeben hat, an die Geleiseanlagen der SNCF und ein Industrieareal, ist nur schmal und wird teilweise als "wilde" Deponie benützt. Das Interesse an der Erhaltung dieses Grüngürtels vermag jenes an der Entlastungsstrasse und der mit ihr verbundenen Verbesserungen offensichtlich nicht aufzuwiegen. Unter diesen Umständen durfte es der Regierungsrat bei der Anordnung bewenden lassen, für den Wegfall der Naturflächen geeigneten Ersatz zu schaffen, damit sich der ursprüngliche Vegetationstypus wieder entwickeln könne. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3e549af0-3a48-4dc8-a4f1-1280ea8de895 | Urteilskopf
124 III 155
28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Oktober 1997 i.S. X. AG gegen Y. (Berufung) | Regeste
Vertrag über Beratung, Vermittlung und Verwaltung bei Erwerb und Veräusserung von börsenmässig gehandelten Terminoptionen.
Auslegung einer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der vermittelnden Gesellschaft enthaltenen Klausel über die Höhe der dem Kunden verrechneten Kommission (E. 1).
Rechtliche Qualifikation des Vertrages zwischen Kunde und vermittelnder Gesellschaft (E. 2).
Aufklärungs- und Beratungspflicht der vermittelnden Gesellschaft; Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht gegenüber dem Kunden bei Verletzung dieser Pflichten (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 155
BGE 124 III 155 S. 155
Die X. AG (Beklagte) befasst sich mit der Vermittlung von Waren- und Börsentermingeschäften. Y. (Kläger) ist ein selbständig erwerbstätiger Handwerker. Seit Oktober 1990 traten Mitarbeiter der Beklagten telefonisch an den Kläger heran, um ihn zu Investitionen in Termingeschäften zu bewegen. Im Januar 1991 fand ein Besuch des Klägers in den Geschäftsräumen der Beklagten statt.
Anfangs März 1991 zahlte der Kläger Fr. 25'000.-- auf ein erstes Konto bei der Beklagten und am 18. Juni 1991 Fr. 100'000.-- auf ein zweites Konto ein.
BGE 124 III 155 S. 156
Am 7. März 1991 unterschrieb der Kläger eine ihm von der Beklagten unterbreitete "Auftragsbestätigung (für Optionen)", in der unter anderem folgendes festgehalten wird:
"Ware/Börsenplatz: sFr./US$ IMM Chicago
Termin: Juni 1991
Preis/Prämie: sFr. 25'000.--
1. Die X. erteilt ihrem Kunden Beratung und leistet ihm Vermittlung und Verwaltung in Warentermin-Optionen gegen Bezahlung der Kommission. Die Kommission wird mit der Bestätigung des Optionsauftrages durch den Kunden fällig und ihre Bezahlung ist Bedingung der Beauftragung des Brokers durch die X. zum Optionskauf. Die Kommission der X. beträgt US$ 300 per Option, exkl. Brokerkommission und wird im vollen Umfang bei Auftragsbestätigung als Vorschuss bezogen. In diesem Zusammenhang weist die X. darauf hin, dass sich jede Kommission auf die Options-Nettoprämie gewinnschmälernd auswirkt, da dadurch der Verlustweg grösser wird.
2. Mit der Bestätigung des Optionsauftrages hat der Kunde der X. die Prämie, die Brokerkommission und allfällige Börsengebühren zu bezahlen. Nach Eingang der entsprechenden Zahlung erteilt die X. dem Broker die Kauforder für die Option des Kunden.
3. (...)
4. Mit der Unterzeichnung dieser Auftragsbestätigung erklärt der Kunde, dass er sich des Risikos bewusst ist, das bei dem hier in Frage stehenden Börsengeschäft besteht.
Sein spekulativer Optionseinsatz in keinem Missverhältnis zu seinem sonstigen Vermögen steht.
Dem Kunden sind die auf der Broschüre abgedruckten Geschäftsbedingungen der X. bekannt. Er bestätigt, diese vor Unterzeichnung dieser Bestätigung gelesen zu haben und erklärt sich mit deren Inhalt einverstanden."
In der Zeit zwischen dem 12. März und dem 23. August 1991 kaufte und verkaufte die Beklagte für den Kläger über eine Londoner Brokergesellschaft zahlreiche Put- und Call-Optionen. Für die einzelnen Kaufgeschäfte stellte sie regelmässig eine Kommission von US$ 300.-- pro Kontrakt in Rechnung. Da die meisten Geschäfte mehrere Kontrakte umfassten, führte dies je nach Höhe des Preises zu teilweise auffallend hohen Kommissionen. So betrug die Kommission für den am 12. März 1991 abgerechneten Optionskauf US$ 1'500.-- bei einem Preis ("value") von US$ 3'787.50. Ein ähnliches Verhältnis zwischen Kommission (US$ 1'500.--) und Preis (US$ 3'475.--) bestand auch beim Geschäftsabschluss, der am folgenden Tag abgerechnet wurde. Der Gesamtbetrag der verrechneten Kommissionen betrug US$ 35'700.--.
BGE 124 III 155 S. 157
Am 8. August 1991 wurde das Konto, auf das der Kläger Fr. 25'000.-- eingezahlt hatte, auf dessen Drängen hin aufgelöst und ihm der Restbetrag von Fr. 15'183.20 von der Beklagten ausbezahlt. Mit Schreiben vom 23. August 1991 wurde die Beklagte angewiesen, auch das zweite Konto zu liquidieren. Am 26. August 1991 überwies sie dem Kläger den nach der Liquidation verbleibenden Betrag von Fr. 1'337.80.--.
Am 31. Juli 1992 reichte der Kläger beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein mit dem Rechtsbegehren, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 111'441.60, eventuell von Fr. 46'332.00, subeventuell von Fr. 34'034.-- zu verpflichten, je nebst 5% Zins seit 1. August 1991. Mit Urteil vom 3. Juli 1995 verpflichtete das Handelsgericht die Beklagte, dem Kläger Fr. 108'479.-- zu bezahlen, nebst 5% Zins seit 31. Juli 1994 sowie 5% Zins auf Fr. 98'662.20 seit 9. Juli 1992 bis 30. Juli 1994. Im übrigen Umfang wies es die Klage ab.
Die Beklagte focht das Urteil des Handelsgericht mit Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich an. Dieses ordnete mit Beschluss vom 16. Dezember 1996 an, dass in teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde ein Teil der Begründung des Urteils des Handelsgerichts in dem Sinne gestrichen werde, als keine gerichtliche Feststellung darüber getroffen sei, ob der Kläger die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten erhalten habe; im übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde vom Kassationsgericht abgewiesen, soweit es auf sie eintrat.
Die von der Beklagten gegen das Urteil des Handelsgerichts eingelegte Berufung weist das Bundesgericht ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Das Handelsgericht ist zum Ergebnis gelangt, der Kläger habe auf der Gesamtsumme der getätigten Investitionen von Fr. 125'000.-- unter Berücksichtigung der Rückzahlungen von insgesamt Fr. 16'521.-- einen ihm von der Beklagten zu ersetzenden Verlust von Fr. 108'479.-- erlitten. Es unterscheidet dabei zwischen vertragswidrig verrechneten Kommissionen in der Höhe von Fr. 48'924.-- und dem Restschaden von Fr. 59'555.--. Mit der Berufung rügt die Beklagte, die vom Handelsgericht vorgenommene Berechnung der Kommissionen beruhe auf falscher Vertragsauslegung; zudem sei dessen Beurteilung auch insoweit rechtswidrig, als es ihr im Ergebnis ein Recht auf den Bezug von Kommissionen gänzlich abgesprochen habe.
BGE 124 III 155 S. 158
a) Das Handelsgericht hat auf den Text der in der Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 erwähnten Broschüre und der darin wiedergegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgestellt. In der Broschüre wird am Ende der zweitletzten Seite in Fettdruck festgehalten: "Die Kommissionen betragen für Optionen maximal 300 US$ und für Futures (Roundturn) höchstens 180 US$." In den auf der folgenden Seite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen heisst es: "Die X. AG berät ihre Kunden, vermittelt und verwaltet ihren Warentermin-Kontrakt gegen Bezahlung der Kommission. Die Kommission beträgt max. 300 US$ für Optionen und max. 180 US$ für Futures (Roundturn) per Kontrakt".
Das Abstellen auf die Geschäftsbedingungen und die Broschüre steht im Widerspruch zu der - an anderer Stelle des angefochtenen Urteils getroffenen - Feststellung des Handelsgerichts, dass die Beklagte die Zustellung der Broschüre an den Kläger nicht habe beweisen können. Insoweit ist indes die Entscheidbegründung des Handelsgerichts durch den Beschluss des Kassationsgerichts vom 16. Dezember 1996 gestrichen worden, wobei das Kassationsgericht darauf hinwies, dass die Beweisfrage nach der Rechtsauffassung des Handelsgerichts nicht entscheiderheblich sei, und bemerkte, das Bundesgericht werde zu entscheiden haben, ob der vom Handelsgericht festgestellte Sachverhalt nunmehr, das heisst nach der Streichung, im Sinne von
Art. 64 OG
ergänzungsbedürftig sei. Das ist nicht der Fall. Es wird sich vielmehr zeigen, dass der Rechtsauffassung des Handelsgerichts unabhängig vom Entscheid über die Beweisfrage im Ergebnis zugestimmt werden kann. Im folgenden wird deshalb davon ausgegangen, dass der Kläger die Broschüre samt den auf der letzten Seite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugestellt erhalten hat.
b) Nach der vom Handelsgericht angewendeten Unklarheitsregel sind mehrdeutige Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten jener Partei auszulegen, die sie verfasst hat (
BGE 122 III 118
E. 2a und
BGE 122 V 142
E. 4c, je mit Hinweisen). Dass die Geschäftsbedingungen der Beklagten hinsichtlich der Berechnung und Höhe der Kommission mehrdeutig sind, hat das Handelsgericht zu Recht bejaht. Dabei ist massgebend, wie die Bedingungen vom Kläger nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (
BGE 119 II 449
E. 3a mit Hinweisen). Nun ist dem Handelsgericht zuzustimmen, dass der über keine einschlägige Fachkenntnisse verfügende Kläger nicht erkennen konnte,
BGE 124 III 155 S. 159
welcher Sinn dem in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten Fachbegriff "Kontrakt" zukommen sollte. Dieser Begriff steht im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die börsenmässig gehandelten Optionen hinsichtlich Art und Anzahl der Basisobjekte standardisiert sind; der Begriff des Kontrakts bezeichnet die Handelseinheit im Optionsgeschäft (EMCH/RENZ/BÖSCH, Das Schweizerische Bankgeschäft, 4. Auflage, S. 454; vgl. auch ALBISETTI et al., Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 4. Auflage, Stichworte: Optionenmärkte und Optionsgeschäft; DIETER C. HAUSER, Spekulative Warentermingeschäfte, Diss. Zürich 1986, S. 7). Was der Fachbegriff in diesem Zusammenhang bedeuten sollte, war für den Kläger weder mit Hilfe der Erläuterungen in der Broschüre noch aus der Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 klar zu erschliessen. Die dortigen Formulierungen, welche das Wort "Kontrakt" nicht verwenden, waren vielmehr geeignet, bei einem Laien wie dem Kläger den Eindruck zu erwekken, dass jedes Geschäft eine einzige "Option" umfasse, das heisst die beiden Begriffe "Geschäft" und "Option" gleichbedeutend verwendet würden. Zum Mangel an Klarheit trug zudem bei, dass in den Geschäftsbedingungen und der Broschüre angegeben wird, die Kommission betrage für Optionen "maximal" 300 US$. Damit wird die Möglichkeit einer Unterschreitung des Betrages angedeutet, ohne dass erklärt würde, von welchen Faktoren dies abhängig sein soll. Daraus ergab sich für den Kläger eine zusätzliche Unsicherheit darüber, auf welcher Grundlage die Kommission abgerechnet werden sollte. Z usammenfassend kann somit festgehalten werden, dass der Kläger darauf vertrauen durfte, die Beklagte berechne ihm eine Kommission von höchstens 300 US$ für jedes für ihn getätigte Geschäft, also unabhängig davon, ob es nur einen einzelnen oder mehrere Kontrakte umfasste.
c) Es trifft zu, dass das Handelsgericht der Beklagten im Ergebnis jeden Kommissionsanspruch verweigert hat, indem es sie zum vollen Ersatz der vom Kläger geleisteten Beträge verpflichtet hat, soweit ein Teil davon nicht bereits nach der Liquidation der beiden Konten zurückerstattet worden war. Entgegen der Rüge der Beklagten liegt indes keine Verletzung von Bundesrecht vor, wie noch zu zeigen sein wird (E. 3d).
2.
Das Handelsgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 115 II 62
E. 1) offen gelassen, ob es sich bei dem Auftrag für Optionen um einen gemischten Vertrag mit Elementen des Auftrags und der Kommission handle, da die
BGE 124 III 155 S. 160
massgebenden Fragen der Weisungsgebundenheit, der Sorgfaltspflicht und der Haftung für getreue und sorgfältige Geschäftsführung sich aufgrund des Verweises in
Art. 425 Abs. 2 OR
jedenfalls nach Auftragsrecht richteten. Mit der Berufung wird gerügt, das Handelsgericht habe verkannt, dass es sich beim Vertrag mit einem Intermediate-Broker wie der Beklagten um einen Vertragstypus sui generis handle, der Elemente des Auftrags und des Kommissionsvertrags sowie des Kaufvertrags enthalte, wobei das Kaufselement überwiege, weshalb ein eigennütziger Vertrag vorliege (dazu FELLMANN, Berner Kommentar, N. 145 zu
Art. 398 OR
). Die Beklagte sei keine Bank, keine Anlage- und Vermögensberaterin, sondern blosse Optionsverkäuferin, wie die Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 deutlich zeige.
a) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass die Beklagte die einzelnen Geschäfte über Erwerb und Veräusserung von Optionen selbständig, ohne Rücksprache mit dem Kläger vorgenommen hat. Sie entschied allein darüber, mit welcher Art von Optionen, an welchem Börsenplatz und zu welchem Zeitpunkt spekuliert wurde. So stammen denn auch die Angaben betreffend "Ware/Börsenplatz" und "Termin" in der Auftragsbestätigung vom 7. März 1991 nicht vom Kläger, sondern von der Beklagten. Der Kläger hat ihr in dieser Hinsicht während der Dauer der Geschäftsbeziehung keine Weisungen erteilt und erst am Ende mit der Aufforderung eingegriffen, die beiden Konten zu liquidieren. Er wäre zur Erteilung von solchen Weisungen selbst auch gar nicht fähig gewesen, weil er nach seiner - vom Handelsgericht allerdings nicht verifizierten - Darstellung nichts vom börsenmässigen Handel mit Optionen verstand; zudem will er davon ausgegangen sein, er habe mit der Beklagten vereinbart, dass diese direkt mit Devisen (Schweizerfranken/US-Dollar) und nicht mit Optionen auf Devisen oder Waren spekulieren werde. Letzteres widerspricht freilich der vom Kläger unterschriebenen Auftragsbetätigung vom 7. März 1991, in der wiederholt darauf hingewiesen wird, dass sich der erteilte Auftrag auf börsenmässig gehandelte Optionen beziehe. Anderseits ist aber auch der Beklagten entgegenzuhalten, dass sie in der Auftragsbestätigung ausdrücklich zusicherte, sie erteile ihrem Kunden Beratung (Ziffer 1; ebenso Allgemeine Geschäftsbedingungen: "Die X. AG berät ihre Kunden, vermittelt und verwaltet ihren Warentermin-Kontrakt gegen Bezahlung der Kommission."), was im Widerspruch zu ihrer jetzigen Behauptung steht, sie sei keine Anlage- und Vermögensberaterin.
BGE 124 III 155 S. 161
b) Der vom Handelsgericht festgestellte Sachverhalt und die vertraglichen Abmachungen schliessen somit die Annahme aus, das zwischen den Parteien geltende Vertragsverhältnis sei massgeblich von kaufvertraglichen oder kaufvertragsähnlichen Elementen geprägt gewesen. Vielmehr standen die auftragsrechtlichen Elemente im Vordergrund, weil die Beklagte vom Kläger lediglich die Anweisung erhielt, mit dem anvertrauten Geld möglichst gewinnbringend an der Börse zu spekulieren, und es Aufgabe der Beklagten war, sowohl über die allgemeine Anlagestrategie als auch über die Vornahme des einzelnen Optionsgeschäftes zu entscheiden (vgl. dazu EMCH/RENZ/BÖSCH, a.a.O., S. 481; THALMANN, Die Sorgfaltspflicht der Bank im Privatrecht, insbesondere im Anlagegeschäft, ZSR 113/1994, II, S. 113 ff, S. 186 f.). Es handelt sich zur Hauptsache um Vermögensverwaltung, auf die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 115 II 62
E. 1) die auftragsrechtlichen Regeln betreffend Sorgfalts- und Treuepflicht (
Art. 398 Abs. 2 OR
) zur Anwendung kommen. Im übrigen wird in der Lehre zutreffend darauf hingewiesen, dass auch im Fall des "beratenden Vermittlers", der gegenüber dem Broker nicht in eigenem Namen auftritt, das auftragsrechtliche Element überwiegt (HAUSER, a.a.O., S. 15).
3.
Nach dem angefochtenen Urteil haftet der Vermittler von Optionsgeschäften dem Kunden sowohl für absichtlich als auch für fahrlässig zugefügten Schaden (
Art. 321e Abs. 1 OR
in Verbindung mit
Art. 398 OR
). Das Mass der Sorgfalt bestimme sich aber nach objektiven Kriterien: Es sei auf das einzelne Auftragsverhältnis unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades und insbesondere der Fachkenntnisse, die für eine solche Geschäftsbesorgung verlangt werden dürfen, abzustellen. Das Handelsgericht hält sodann fest, das Optionsgeschäft habe, wie auch der sonstige Börsenhandel, einen gewissen spekulativen Charakter, der oft zu einem Verlust führen könne. An die Fachkenntnisse des Vermittlers seien deshalb hohe Anforderungen zu stellen, weil der Kunde auf diesen angewiesen sei, wenn er an der Börse handeln wolle, und weil er sich dessen besondere Fachkenntnisse auch zunutze machen wolle. Den Anforderungen genüge nur derjenige Kundenberater, der eine der Brokerausbildung entsprechende Ausbildung - sei es durch Schulung oder längere Erfahrung - nachweisen könne. Das Handelsgericht stellt in diesem Zusammenhang verbindlich fest (
Art. 63 Abs. 2 OG
), dass das Personal der Beklagten, insbesondere die für den Kläger zuständige Mitarbeiterin, fachlich sehr schlecht qualifiziert gewesen sei;
BGE 124 III 155 S. 162
aus diesem Grund habe die Beklagte den Kläger gar nicht fachgerecht und kompetent beraten können. Das Handelsgericht ist zum Ergebnis gekommen, die Beklagte sei ihrer Sorgfaltspflicht, nämlich zum einen für eine den Gepflogenheiten des Finanzmarktes entsprechende Organisation sowie zum anderen für kompetente und fachbezogene Beratung ihrer Kundschaft besorgt zu sein, in keiner Art und Weise nachgekommen, was als Missorganisationsverschulden im Finanzbereich bezeichnet werden dürfe. Unter diesen Umständen treffe die Beklagte auch ein massives Übernahmeverschulden, was beides zusammen rechtfertige, die Beklagte den dem Kläger entstandenen Schaden tragen zu lassen.
Mit der Berufung wird geltend gemacht, entgegen der Beurteilung des Handelsgerichts fehlten die Haftungsvoraussetzungen der Vertragsverletzung, des Verschuldens und des Kausalzusammenhangs zwischen Vertragsverletzung und Schaden; zudem treffe den Kläger ein schweres Mitverschulden, das den Kausalzusammenhang unterbrochen habe oder jedenfalls zu einer bedeutenden Reduktion der Schadenersatzpflicht führen müsse.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unterstehen Personen und Unternehmen, die sich berufsmässig mit dem Anlagegeschäft befassen, bei der Anbahnung und Abwicklung von Verträgen über die Vermögensverwaltung einer besonderen Aufklärungspflicht (
BGE 119 II 333
E. 5a;
BGE 115 II 62
E. 3a). Das gilt auch für Anlageberater und -vermittler, die im Gebiet des börsenmässigen Handels mit Terminoptionen spezialisiert sind (dazu HAUSER, a.a.O., S. 64 f.; PULVER, Börsenmässige Optionsgeschäfte, Auftrag und Abwicklung, Diss. Zürich 1986, S. 122 ff.).
Einen Anlageberater oder Anlagevermittler, der im Hinblick auf die Vermögensverwaltung oder in deren Rahmen tätig wird, treffen neben der erwähnten Aufklärungspflicht auch Beratungs- und Warnpflichten, deren gemeinsame Wurzel in der auftragsrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflicht (
Art. 398 Abs. 2 OR
) liegt. Der Kunde ist hinsichtlich der Risiken der beabsichtigten Investitionen aufzuklären, nach Bedarf in bezug auf die einzelnen Anlagemöglichkeiten sachgerecht zu beraten und vor übereilten Entschlüssen zu warnen, wobei diese Pflichten inhaltlich durch den Wissensstand des Kunden einerseits und die Art des in Frage stehenden Anlagegeschäfts anderseits bestimmt werden. Dabei obliegt dem Beauftragten namentlich auch, sich durch Befragung einlässlich über den Wissensstand und die Risikobereitschaft des Kunden zu informieren (vgl. zum Ganzen FELLMANN, a.a.O., N. 433 f. zu
Art. 398 OR
; HOPT, Rechtsprobleme
BGE 124 III 155 S. 163
der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung der Schweizer Banken, in: Beiträge zum schweizerischen Bankenrecht, S. 135 ff., S. 155; WEBER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 2. Auflage, N. 26 und 29 zu
Art. 398 OR
; ROTH, Aufklärungspflichten im Vermögensanlagegeschäft der Banken, in: Banken und Bankenrecht im Wandel, Festschrift für Beat Kleiner, S. 1 ff., S. 13; für das deutsche Recht: HORN, Die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, ZBB, 1997, S. 139 ff., S. 140 f.; STAUB/CANARIS, Bankvertragsrecht, 4. Auflage, Rz. 100 ff.; HEYMANN/HORN, HGB, § 347 Rdn. 75 ff.).
Besonders ausgeprägt sind diese im Dienste des Kundenschutzes und der Markttransparenz stehenden Pflichten bei der Empfehlung und Vermittlung von erfahrungsgemäss hoch spekulativen und damit risikobehafteten Terminoptionsgeschäften. Der in solchen Geschäften unerfahrene Kunde ist klar auf das Verlustrisiko sowie die Minderung der Gewinnchancen je nach Höhe der vom Vermittler gleichzeitig mit der Vornahme des Geschäftes verrechneten Provision aufzuklären und mit der Gefahr vertraut zu machen, dass er das eingesetzte Geld in kurzer Zeit verlieren kann (vgl. PULVER, a.a.O., S. 131 ff.; BGHZ 124, 151, 154 f.). Dabei genügt es nicht, dieses Verlustrisiko bloss zu erwähnen und dazu formell die Einwilligung des Anlegers einzuholen, wenn ihm gleichzeitig unrealistische Gewinnaussichten vorgespiegelt werden. Mit entsprechend abgefassten Informationen und Behauptungen, wie sie auch in der Broschüre der Beklagten enthalten sind, vermag der Beauftragte seiner Aufklärungspflicht nicht zu genügen. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass die Angaben über die Höhe der zur Verrechnung gebrachten Kommissionen unklar formuliert waren und von der Beklagten anders gehandhabt wurden, als vom Kläger erwartet werden durfte (vgl. vorne E. 1b), weshalb allein durch die schriftlichen Unterlagen keine ausreichende Information über den Einfluss der Kommissionen auf die Gewinnchancen gewährleistet war. Die Möglichkeit, diesen Mangel durch mündliche, fachlich qualifizierte Beratung und Aufklärung von seiten der Beklagten zu beseitigen, bestand zudem nicht, da jedenfalls die für den Kläger direkt zuständige Angestellte der Beklagten, Frau Z., nach den Feststellungen des Handelsgerichts dazu nicht fähig war.
Damit ist eine Vertragsverletzung, nämlich ein Verstoss gegen die der Beklagten obliegenden Beratungs- und Aufklärungspflicht zu bejahen.
BGE 124 III 155 S. 164
b) Das Handelsgericht wirft der Beklagten sodann zu Recht ein Übernahmeverschulden vor, weil sie wegen ungenügender fachlicher Qualifikation der für den Kläger zuständigen Angestellten nicht in der Lage war, die eingegangenen Verpflichtungen - Beratung und Aufklärung des Klägers - mit der nötigen Sorgfalt zu erfüllen (vgl. dazu URS BERTSCHINGER, Sorgfaltspflichten der Bank bei Anlageberatung und Verwaltungsaufträgen, Diss. St. Gallen 1991, S. 54 ff.; THALMANN, a.a.O., S. 223 Fn. 374; PULVER, a.a.O., S. 128 f.) Dass ein solches Verschulden haftungsbegründend sein kann, ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt (
BGE 93 II 317
E. 2e/bb; FELLMANN, a.a.O., N. 358 zu
Art. 398 OR
; WEBER, a.a.O., N. 28 zu
Art. 398 OR
; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bd. II, 6. Auflage, Rz. 2757). Ob ein Übernahmeverschulden bloss für die Verschuldensfrage erheblich ist oder darin zusätzlich eine Sorgfaltspflicht- und damit Vertragsverletzung liegt (vgl. dazu WEBER, a.a.O., N. 28 zu
Art. 398 OR
; FELLMANN, a.a.O., N. 358 zu
Art. 398 OR
), ist für die Beurteilung des vorliegenden Falls nicht entscheidend und braucht deshalb nicht weiter erörtert zu werden. Die Bedeutung des Übernahmeverschuldens liegt hier vielmehr darin, dass nach dem objektivierten Verschuldensbegriff des schweizerischen Rechts der Beklagten der Einwand verwehrt ist, sie sei aufgrund des Ausbildungs- und Wissensstandes ihrer Angestellten gar nicht in der Lage gewesen, sachgerecht zu beraten und aufzuklären, und könne sich damit exkulpieren (vgl. GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 2757).
Dieses Übernahmeverschulden schliesst auch den Einwand aus, der Kläger habe sich mit dem Ungenügen der für ihn zuständigen Beraterin abgefunden, überdies nicht nach Aufklärung oder Beratung verlangt und auch den Vertrag nicht rechtzeitig durch einseitige Erklärung aufgelöst (
Art. 404 OR
), weshalb ihn ein Selbstverschulden treffe. Wer sich als Spezialist anbietet, kann sich grundsätzlich nicht mit der Begründung entlasten, der Vertragspartner hätte das Fehlen von Spezialkenntnissen erkennen müssen. Damit wäre er bloss zu hören, wenn der Partner den Mangel an Fachwissen und fachlichen Fähigkeiten tatsächlich gekannt und die daraus resultierenden Risiken bewusst in Kauf genommen hätte. Dafür fehlen im vorliegenden Fall indes jede Anhaltspunkte.
c) In den Geschäftsbedingungen der Beklagten wird einleitend festgehalten, diese übernehme in keiner Weise Verantwortung für irgendwelche Verluste in Warenterminmärkten und gebe ebensowenig irgendeine Garantie für Gewinne in Warenterminmärkten. An
BGE 124 III 155 S. 165
anderer Stelle steht geschrieben, die Beklagte übernehme keinerlei Haftung aus ihrer Beratertätigkeit und sie hafte auch nicht für Kursschwankungen.
Die Haftungsausschlüsse sind gemäss dem angefochtenen Urteil bereits dem Grundsatz nach unwirksam, weil sie der im Gesetz statuierten Haftung des Beauftragten für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes (
Art. 398 Abs. 2 OR
) widersprechen. Ob diese in der Lehre umstrittene Auffassung zutrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. dazu FELLMANN, a.a.O., N. 513 ff.; WEBER, a.a.O., N. 34 zu
Art. 398 OR
; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 2820; BERTSCHINGER, a.a.O., S. 39 f.; THALMANN, a.a.O., S. 142 ff.), da sich die Beklagte bereits aus anderem Grund nicht auf die zum voraus erklärten Haftungsausschlüsse berufen kann. Zum einen fällt eine Freizeichnung nach
Art. 100 Abs. 1 OR
ausser Betracht, da der Beklagten eine grobe Fahrlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift vorzuwerfen ist. Zum andern liegt auch kein gültiger Haftungsausschluss für Hilfspersonen im Sinne von
Art. 101 Abs. 2 OR
vor, weil die zitierten Sätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen insoweit unklar sind. Es werden vor allem allgemein formulierte Banalitäten festgehalten (keine Haftung für Kursschwankungen, keine Garantie für Gewinne in Warenterminmärkten), ohne dass klar gesagt würde, die Beklagte schliesse die Haftung für Hilfspersonen aus, die sie zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen beiziehe (vgl. dazu BJM 1978, S. 306 f.; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 2881 f.).
d) Bei der Vertragsverletzung, welche sich die Beklagte hat zuschulde kommen lassen, handelt es sich um eine Unterlassung: die Beklagte hat den Kläger nicht in ausreichendem Masse über das Verlustrisiko und den Einfluss der Kommissionen auf die Gewinnchancen aufgeklärt. Im Fall einer Unterlassung bestimmt sich der Kausalzusammenhang danach, ob der Schaden auch bei Vornahme der unterlassenen Handlung eingetreten wäre. Es geht um einen hypothetischen Kausalverlauf, für den nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit sprechen muss (
BGE 121 III 358
E. 5 mit Hinweis). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, da nach allgemeiner Lebenserfahrung anzunehmen ist, dass sich der Kläger nicht auf die Spekulationsgeschäfte mit der Beklagten eingelassen hätte, wenn er von ihr ausreichend aufgeklärt worden wäre. Auf eine entsprechende Überlegung hat das Bundesgericht in zwei neueren Entscheiden abgestellt, in denen es einerseits um die
BGE 124 III 155 S. 166
Aufklärungspflicht des Arztes aus Vertrag und anderseits um jene der Konzern-Muttergesellschaft aus dem Vertrauen in das Konzernverhalten ging (
BGE 119 II 456
E. 4;
120 II 331
E. 6). Die deutsche Rechtsprechung, auf die in der schweizerischen Literatur zum Teil Bezug genommen wird, geht vom Grundsatz aus, dass derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt, dafür beweispflichtig ist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäss verhalten hätte (BGHZ 124, 151, 159; BGH, NJW 1994, 998). Ob eine solche Beweislastverteilung bzw. Beweislastumkehr auch für das schweizerische Recht in Betracht zu ziehen ist (dazu Sandro Abegglen, Die Aufklärungspflichten in Dienstleistungsbeziehungen, insbesondere im Bankgeschäft, Diss. Bern 1995, S. 107 ff.), braucht hier nicht geprüft zu werden, da keine Umstände festgestellt oder geltend gemacht sind, welche darauf hindeuten würden, dass der Kläger die Geldbeträge der Beklagten auch dann zur Verfügung gestellt hätte, wenn sie ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen wäre.
Entsprechend den Ausführungen zur Kausalität ist der Kläger schadenersatzmässig so zu stellen, als ob er sich nicht auf die Optionsgeschäfte mit der Beklagten eingelassen hätte (vgl.
BGE 47 II 272
E. 5 S. 293 f.; ABEGGLEN, a.a.O., S. 84 ff. und S. 137; PULVER, a.a.O., S. 134; HEYMANN/HORN, HGB, § 347 Rdn. 70). Der Kläger hat deshalb Anspruch auf Ersatz des gesamten Anlagebetrages, wie die Vorinstanz im Ergebnis zu Recht angenommen hat, wozu auch die von der Beklagten verrechneten Kommissionen gehören (vgl. auch WIEGAND, Die Aufklärungspflicht und die Folgen ihrer Verletzung, in: Honsell [Hrsg.], Handbuch des Arztrechts, S. 119 ff., S. 189 f.). | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3e606c4f-ebfb-47ff-9b16-87b3c2ca8fb7 | Urteilskopf
100 Ib 233
37. Urteil vom 31. Mai 1974 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Stadt Zürich. | Regeste
Garantiegesetz.
1. Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage (Erw. 1).
2. Die zürcherische Grundstückgewinnsteuer ist eine der unter das Verbot von
Art. 10 GarG
fallenden Steuern (Erw. 2a).
3. Der Gewinn aus dem Verkauf einer Liegenschaft, der einem unter Verwaltung des Bundes stehenden und unmittelbar für einen Bundeszweck bestimmten Fonds zukommt, darf nach
Art. 10 GarG
nicht mit der zürcherischen Grundstückgewinnsteuer belegt werden (Erw. 2b und c). | Sachverhalt
ab Seite 233
BGE 100 Ib 233 S. 233
Sachverhalt:
A.-
Im Jahre 1938 schenkte Professor Dr. Aurel Stodola der Eidgenössischen Technischen Hochschule einen Teil seines Vermögens. Die Schenkung erhielt den Namen "Donationsfonds zur Förderung der maschinentechnischen und elektrotechnischen
BGE 100 Ib 233 S. 234
Wissenschaften an der ETH". Mit ihrer Verwaltung wurde die Eidgenössische Finanzverwaltung betraut. Die am 14. Mai 1969 verstorbene Tochter von Professor Stodola, Frau Professor Olga Emma Krause, hat mit letztwilliger Verfügung vom 24. Februar 1964 bestimmt, dass ihr gesamtes Vermögen nach Bezahlung verschiedener Rechnungen und Erfüllung von Auflagen in diesen Fonds fallen solle. Aufgrund dieser Verfügung hat die Eidgenossenschaft mit dem Tode von Frau Professor Krause u.a. das Eigentum an der Einfamilienhausliegenschaft Witikonerstrasse 360 in Zürich erworben. Sie hat diese Liegenschaft auf den 1. Mai 1973 veräussert. Am 16. August 1973 hat die Kommission für die Grundsteuern der Stadt Zürich beschlossen, ihr für diesen Verkauf eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 46670.-- aufzuerlegen.
B.-
Mit verwaltungsgerichtlicher Klage vom 3. September 1973 beantragt die Eidgenössische Finanzverwaltung für die Eidgenossenschaft:
"Es sei festzustellen, dass der Klägerin aus der Veräusserung der Liegenschaft Witikonerstrasse 360 in Zürich (Witikon Kat. Nr. 644) keine Grundstückgewinnsteuer auferlegt werden darf."
Zur Begründung macht sie geltend, der Donationsfonds, aus dem die Liegenschaft verkauft wurde, sei ein unter der Verwaltung des Bundes stehender Fonds im Sinne von Art. 10 des Bundesgesetzes über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft vom 26. März 1934 (GarG), der von den Kantonen nicht mit direkten Steuern belegt werden dürfe. Die zürcherische Grundstückgewinnsteuer sei eine direkte Steuer im Sinne von
Art. 10 GarG
.
C.-
Das Steueramt der Stadt Zürich beantragt für die Stadt Zürich Abweisung der Klage und Bestätigung des Beschlusses der städtischen Kommission für die Grundsteuern vom 16. August 1973. Es führt aus, die Liegenschaft habe keinem Bundeszweck dienstbar gemacht werden können. Einem Bundeszweck werde lediglich ihr Erlös zugutekommen. Dies führe zur Abweisung der Klage.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrecht des Bundes über die Befreiung von kantonalen Abgaben sind nach
BGE 100 Ib 233 S. 235
Art. 116 lit. f OG
grundsätzlich im Verfahren der verwaltungsrechtlichen Klage vor Bundesgericht auszutragen. Die zürcherische Grundstückgewinnsteuer zählt zu den kantonalen Abgaben im Sinne von
Art. 116 lit. f OG
, obschon sie gemäss § 154 des kantonalen Steuergesetzes von den Gemeinden erhoben wird (vgl. BGE 99 I/b 228 Erw. 1a). Der vorliegende Fall wird von
Art. 117 OG
nicht erfasst. Die verwaltungsrechtliche Klage des Bundes ist somit zulässig, was
Art. 15 Abs. 1 GarG
bestätigt. Die Eidgenössische Finanzverwaltung ist gemäss Art. 33 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt vom 18. Dezember 1968 befugt, die Eidgenossenschaft "zur Abwehr unbegründeter vermögensrechtlicher Ansprüche vor Gericht zu vertreten" (
Art. 119 Abs. 1 OG
). Auf die Klage ist einzutreten.
2.
Nach
Art. 10 GarG
dürfen die Bundeskasse und alle unter der Verwaltung des Bundes stehenden Fonds sowie diejenigen Liegenschaften, Anstalten und Materialien, die unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt sind, von den Kantonen nicht mit einer direkten Steuer belegt werden.
a) Die zürcherische Grundstückgewinnsteuer ist unbestrittenermassen eine direkte Steuer im Sinne von
Art. 10 GarG
, wird mit ihr doch nicht die Handänderung als Vorgang des Rechtsverkehrs, sondern deren vermögensrechtliche Folge erfasst (BGE 99 I/b 232; vgl. auch
BGE 83 I 138
ff.). Unbestritten ist auch, dass sich das Besteuerungsverbot von
Art. 10 GarG
nicht nur an die Kantone, sondern auch an die Gemeinden richtet, mithin auch die Auferlegung der von den Gemeinden erhobenen zürcherischen Grundstückgewinnsteuer ausschliesst (vgl. BGE 99 I/b 229 Erw. 3 a). Streitig ist hingegen, ob die dem Bunde von der Stadt Zürich auferlegte Grundstückgewinnsteuer einen Vermögensteil des Bundes trifft, der nach
Art. 10 GarG
nicht mit einer solchen Steuer belegt werden darf.
b) Mit der Grundstückgewinnsteuer wird der bei Veräusserung einer Liegenschaft erzielte Gewinn besteuert, nicht ein Recht an der Liegenschaft oder die Liegenschaft selbst (§ 161 des zürcherischen Steuergesetzes). Ob die Liegenschaft Witikonerstrasse 360 als solche im Sinne von
Art. 10 GarG
unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt war, ist hier deshalb belanglos, wird ja jedenfalls nicht sie mit einer direkten Steuer belegt. Gleichgültig ist für den Entscheid im vorliegenden
BGE 100 Ib 233 S. 236
Falle auch, ob Liegenschaften, die zu einem vom Bunde verwalteten Fonds gehören, grundsätzlich dieselbe Steuerfreiheit geniessen wie der Fonds selbst.
BGE 54 I 425
ff., der sich insbesondere mit dieser zweiten Frage befasst und ausserdem eine auf Liegenschaften und nicht auf Verkaufsgewinnen erhobene Steuer betrifft, bleibt hier somit bedeutungslos.
c) Der Gewinn aus dem Verkauf der Liegenschaft Witikonerstrasse 360 in Zürich fiel in den in "Aurel Stodola Fonds" umbenannten Donationsfonds. Die Besteuerung des Verkaufsgewinns würde diesen unter Verwaltung des Bundes stehenden Fonds schmälern. Der Fonds soll aber der Förderung der maschinentechnischen und elektrotechnischen Wissenschaften an der ETH dienen; er ist also unmittelbar für einen Bundeszweck bestimmt, was übrigens unbestritten ist. Selbst wenn man entgegen
BGE 54 I 427
annehmen wollte, ein unter Verwaltung des Bundes stehender Fonds geniesse auch bezüglich seines beweglichen Vermögens nur dann Steuerfreiheit nach
Art. 10 GarG
, wenn er unmittelbar für einen Bundeszweck bestimmt sei, wären die Voraussetzungen der Steuerfreiheit im vorliegenden Fall erfüllt. Die Klage ist deshalb gutzuheissen. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3e6423c3-5e16-481c-9471-1e2fe9b12466 | Urteilskopf
134 IV 1
1. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_103/2007 vom 12. November 2007 | Regeste
Bedingte und teilbedingte Strafe gemäss
Art. 42 und 43 StGB
; Strafenkombination gemäss
Art. 42 Abs. 4 StGB
.
Bei Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren ist der Strafaufschub nach
Art. 42 Abs. 1 StGB
die Regel, von der nur bei ungünstiger oder höchst ungewisser Prognose abgewichen werden darf (E. 4.2.2). Der teilbedingte Vollzug bildet dazu die Ausnahme. Vorgängig ist zu prüfen, ob der bedingte Strafvollzug, kombiniert mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (
Art. 42 Abs. 4 StGB
), spezialpräventiv ausreichend ist (E. 5.5.2).
Bei der Strafenkombination gemäss
Art. 42 Abs. 4 StGB
liegt das Hauptgewicht auf der bedingten Freiheitsstrafe, während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Sie soll nicht zu einer Straferhöhung führen (E. 4.5.2).
Die subjektiven Voraussetzungen von
Art. 42 StGB
müssen auch bei der Anwendung von
Art. 43 StGB
gelten (E. 5.3.1). Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein (E. 5.6). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 134 IV 1 S. 2
A.
Mit Urteil vom 5. Januar 2006 erklärte das Strafgericht Basel-Landschaft X. der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern (
Art. 187 Ziff. 1 StGB
) schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren.
B.
In teilweiser Gutheissung der Appellation von X. sprach das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, diesen mit Urteil vom 13. Februar 2007 der mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern (
Art. 187 Ziff. 1 StGB
) schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen à Fr. 130.-.
C.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des
BGE 134 IV 1 S. 3
Kantonsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 13. Februar 2007 sei abzuändern und X. sei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen. Die Strafe sei gemäss
Art. 43 Abs. 1 StGB
teilweise aufzuschieben, wobei der unbedingt vollziehbare Teil der Strafe zwölf Monate (ev. sechs Monate) betragen solle. Die Probezeit für den bedingt vollziehbaren Teil der Strafe sei gemäss
Art. 44 Abs. 1 StGB
auf zwei Jahre festzulegen. Eventualiter sei das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft und der Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der Beschwerde. Eventualiter stellt der Beschwerdegegner den Antrag, er sei in Gutheissung der Beschwerde mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu bestrafen, wobei der Vollzug der Strafe gestützt auf
Art. 42 Abs. 1 StGB
ganz aufzuschieben sei.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Strafsachen gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführerin wendet sich ausschliesslich gegen die Strafzumessung.
2.1
Die Vorinstanz hat erwogen, in Gesamtwürdigung der Tat- und Täterkomponenten sei von einem schweren Verschulden des Beschwerdegegners auszugehen. In Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils erscheine deshalb - wenngleich am oberen Rand liegend - eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren als grundsätzlich angemessen. Da beim Beschwerdegegner keine Anzeichen ersichtlich seien, welche die Vermutung der günstigen Prognose im Sinne von
Art. 42 Abs. 1 StGB
widerlegen würden, sei der bedingte Strafvollzug zu gewähren. Die alleinige Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe werde jedoch dem schweren Verschulden des Beschwerdegegners nicht gerecht. In Anbetracht aller wesentlichen Umstände des konkreten Falls, so insbesondere des fortgeschrittenen Alters (Jahrgang 1941) und der angeschlagenen Gesundheit des Beschwerdegegners, seines guten Leumunds und der fehlenden Rückfallgefahr, sei es sinnvoller, die bedingte Freiheitsstrafe gestützt auf
Art. 42 Abs. 4 StGB
mit einer unbedingten Geldstrafe zu verbinden, statt den Vollzug der Freiheitsstrafe gemäss
Art. 43 StGB
nur teilweise aufzuschieben. Dem schweren Verschulden des Beschwerdegegners
BGE 134 IV 1 S. 4
entsprechend erscheine es geboten, einen Viertel der grundsätzlich als angemessen qualifizierten Freiheitsstrafe von zwei Jahren in die Form der unbedingten Geldstrafe zu kleiden. Im Ergebnis sei der Beschwerdegegner zu 18 Monaten Freiheitsstrafe, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à Fr. 130.- (insgesamt Fr. 23'400.-) zu verurteilen.
2.2
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Aufteilung einer als angemessen erachteten Freiheitsstrafe von zwei Jahren in eine Geld- und Freiheitsstrafe verletze Bundesrecht.
Art. 42 Abs. 4 StGB
sei so auszulegen, dass eine Geldstrafe nur
zusätzlich
zu einer Freiheitsstrafe ausgesprochen werden könne. Eine Geldstrafe könne nicht Bestandteil der Freiheitsstrafe sein, da es sich um zwei unterschiedliche Sanktionsarten handle. Der Umrechnungsschlüssel von
Art. 36 Abs. 1 Satz 2 StGB
, wonach ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Freiheitsstrafe entspricht, könne nur dort gelten, wo die kurze Freiheitsstrafe nicht möglich sei, d.h. im Bagatellbereich. Der Gesetzgeber habe nicht die Absicht verfolgt, mehrjährige Freiheitsstrafen auch nur teilweise mit Geldstrafen zu ersetzen. Insbesondere könne es nicht dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechen, mit der Geldstrafe gewissermassen den Strafrahmen der Freiheitsstrafe einzuschränken. Aufgrund des schweren Verschuldens des Beschwerdegegners sei vorliegend eine teilbedingte Strafe auszusprechen.
3.
Am 1. Januar 2007 ist die Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Sie brachte eine grundlegende Neuordnung des Sanktionensystems (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998 [im Folgenden: Botschaft 1998]; BBl 1999 S. 1984). Zentrales Anliegen der Revision war das Zurückdrängen der kurzen Freiheitsstrafe, die Einführung alternativer Sanktionen wie der Geldstrafe oder der gemeinnützigen Arbeit als eigenständige Sanktionsform sowie die Ausdehnung des bedingten Strafvollzuges (Botschaft 1998, S. 2017 ff., 2024 ff., 2032 ff., 2048 ff.). Daneben wurde die sog. teilbedingte Strafe als Mittellösung zwischen dem vollständigen Aufschub der Strafe und deren Vollzug eingeführt.
4.
4.1
Art. 42 StGB
("bedingte Strafen") regelt die Gewährung des bedingten Strafvollzuges: Das Gericht schiebt den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei
BGE 134 IV 1 S. 5
Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (
Art. 42 Abs. 1 StGB
). Eine bedingte Strafe kann mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden (
Art. 42 Abs. 4 StGB
).
4.2
In
subjektiver
Hinsicht hat das Gericht für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges wie bisher eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters zu stellen.
4.2.1
Die vom Bundesgericht entwickelten Prognosekriterien bleiben weiterhin massgebend. Bei der Prüfung, ob der Verurteilte für ein dauerndes Wohlverhalten Gewähr bietet, ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung, Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw. Dabei sind die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit einzubeziehen. Es ist unzulässig, einzelnen Umständen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen. Wie bei der Strafzumessung (
Art. 50 StGB
) müssen die Gründe im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung des Bundesrechts überprüfen lässt (
BGE 128 IV 193
E. 3a;
BGE 118 IV 97
E. 2b).
4.2.2
Die Anforderungen an die Prognose der Legalbewährung für den Strafaufschub liegen allerdings unter neuem Recht etwas tiefer. Früher setzte der Aufschub der Strafe voraus, dass zu erwarten ist, der Verurteilte werde sich durch eine bedingt vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abhalten lassen (Art. 41 Ziff. 1 aStGB). Die Erwartung künftigen Wohlverhaltens hatte eine sehr bestimmte zu sein. Der Täter musste zureichende Gewähr für eine dauernde Besserung bieten, um auf eine positive Prognose schliessen zu können (
BGE 100 IV 9
E. 2 S. 11). Eine bloss unbestimmte Hoffnung, er werde sich künftig wohl verhalten, genügte für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs nicht (
BGE 100 IV 133
).
Nach
Art. 42 Abs. 1 StGB
hat das Gericht neu den Vollzug der Strafe in der Regel aufzuschieben, "wenn eine unbedingte Strafe nicht
BGE 134 IV 1 S. 6
notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten". Das bedeutet natürlich nicht, dass das Gericht eine Wirkungsprognose darüber abzugeben hat, ob eine unbedingte Strafe zur Verhinderung künftiger Delinquenz geeignet und notwendig ist (siehe dazu GÜNTER STRATENWERTH, Das künftige System der Sanktionen im Erwachsenenstrafrecht - ein kriminalpolitischer Fortschritt?, in: Zwischen Mediation und Lebenslang, Zürich 2002, S. 375). Die Neufassung hat eine andere Bedeutung: Während früher eine günstige Prognose erforderlich war, genügt nunmehr das Fehlen einer ungünstigen Prognose (Botschaft 1998, S. 2049). Die Lehre spricht in diesem Zusammenhang von einer Vermutungsumkehr, mit der das Hauptgewicht weiter zu Gunsten des bedingten Vollzuges verlagert werden soll (ESTHER OMLIN, Strafgesetzbuch, Revision des Allgemeinen Teils, Basel 2006, S. 9; GEORGES GREINER, Bedingte und teilbedingte Strafen, Strafzumessung, in: Zur Revision des Allgemeinen Teils des Schweizerischen Strafrechts und zum neuen materiellen Jugendstrafrecht, Felix Bänziger/Annemarie Hubschmid/Jürg Sollberger [Hrsg.], 2. Aufl., Bern 2006, S. 99; BRIGITTE TAG, Strafgesetzbuch: Ein Überblick über die Neuerungen, Plädoyer 2007 1 S. 38). Die Gewährung des Strafaufschubes setzt mit anderen Worten nicht mehr die positive Erwartung voraus, der Täter werde sich bewähren, sondern es genügt die Abwesenheit der Befürchtung, dass er es nicht tun werde. Der Strafaufschub ist deshalb die Regel, von der grundsätzlich nur bei ungünstiger Prognose abgewichen werden darf. Er hat im breiten Mittelfeld der Ungewissheit den Vorrang (Botschaft 1998, S. 2049; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2. Aufl., Bern 2006, § 5 Rz. 38 S. 139).
4.2.3
Eine Besonderheit in der Prognosebildung gilt für den Fall, dass der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt worden ist (
Art. 42 Abs. 2 StGB
). Liegt ein Rückfall im Sinne dieser Bestimmung vor, ist der Aufschub nur zulässig, "wenn besonders günstige Umstände vorliegen". Darunter sind solche Umstände zu verstehen, die ausschliessen, dass die Vortat die Prognose verschlechtert (Botschaft 1998, S. 2050). Bei
Art. 42 Abs. 2 StGB
gilt demnach die Vermutung einer günstigen Prognose bzw. des Fehlens einer ungünstigen Prognose nicht. Vielmehr kommt der früheren Verurteilung zunächst die Bedeutung eines Indizes für die Befürchtung zu, dass der Täter
BGE 134 IV 1 S. 7
weitere Straftaten begehen könnte (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, a.a.O., § 5 Rz. 42 S. 141). Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kommt daher nur in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Dabei ist zu prüfen, ob die indizielle Befürchtung durch die besonders günstigen Umstände zumindest kompensiert wird (ähnlich: GREINER, a.a.O., S. 101). Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht, oder bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters (Botschaft 1998, S. 2050; GREINER, a.a.O., S. 101; STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 42 S. 141). Jedenfalls ist bei eindeutig günstiger Prognose der Strafaufschub stets zu gewähren (vgl. STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 42 S. 141).
Die Vorschrift von
Art. 42 Abs. 2 StGB
stellt klar, dass der Rückfall für sich genommen den bedingten Strafvollzug nicht auszuschliessen vermag, im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB). Danach war der Aufschub unzulässig, wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verbüsst hat. Die neue Regelung begünstigt den bedingten Strafvollzug damit in zweifacher Hinsicht. Zum einen ist das Strafmass, das gegen eine günstige Prognose spricht, praktisch verdoppelt worden (auf sechs Monate). Zum anderen stellt selbst die Verurteilung von dieser Tragweite keinen objektiven Ausschlussgrund mehr dar, sondern ist in jedem Fall in die Prognosebildung miteinzubeziehen (STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 40 ff. S. 140 f.; zu den eher theoretischen Verschärfungen: GREINER, a.a.O., S. 100 f.).
4.2.4
Bei der Prognose über das künftige Legalverhalten ist als weiteres Indiz zu berücksichtigen, ob der Täter die zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat (
Art. 42 Abs. 3 StGB
). Zu denken ist etwa an Fälle, in denen der Täter nach einer behördlichen Aufforderung oder einer Schuldanerkennung sich trotz Ersatzfähigkeit weigert, den verursachten Schaden zu ersetzen (OMLIN, a.a.O., S. 10; vgl.
BGE 77 IV 136
E. 2).
4.3
In
objektiver
Hinsicht setzt der Aufschub einer Freiheitsstrafe einzig eine Untergrenze (mindestens sechs Monate) und eine Obergrenze (höchstens zwei Jahre) voraus, womit die
BGE 134 IV 1 S. 8
Zulässigkeitsschranke des bedingten Strafvollzuges von bisher 18 Monaten angehoben wurde.
4.4
Mit der Umschreibung der subjektiven und objektiven Voraussetzungen des bedingten Strafvollzuges hat der Gesetzgeber ein insgesamt erfolgreiches Institut ausgebaut. Dabei hat er die Ungewissheit in der Prognosestellung berücksichtigt, in der Erkenntnis, dass sich 90 Prozent der verurteilten Personen während der Probezeit bewähren, und geleitet vom Grundgedanken, dass auf die Vollstreckung der Strafe (vorerst) verzichtet werden soll, wenn dies unter spezialpräventiven Gesichtspunkten als sinnvoll erscheint (Botschaft 1998, S. 2048, 2052).
4.5
4.5.1
Aufgrund einer nachträglichen Gesetzesanpassung wurde
Art. 42 Abs. 4 StGB
eingeführt, der eine Strafenkombination erlaubt. Dadurch soll im Bereich der Massendelinquenz die Möglichkeit geschaffen werden, eine spürbare Sanktion zu verhängen. Die Bestimmung dient vorab dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen der unbedingten Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu entschärfen (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 13. Dezember 2002 vom 29. Juni 2005 [im Folgenden: Botschaft 2005]; BBl 2005 S. 4689, 4695, 4699 ff.). Insoweit, also im Bereich der leichten Kriminalität, übernimmt sie auch Aufgaben der Generalprävention.
4.5.2
Darüber hinaus erhöht die Strafenkombination ganz allgemein die Flexibilität des Gerichts bei der Auswahl der Strafart. Sie kommt in Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe gewähren möchte, ihm aber dennoch in gewissen Fällen mit der Auferlegung einer zu bezahlenden Geldstrafe oder Busse einen spürbaren Denkzettel verabreichen möchte. Die Strafenkombination dient hier spezialpräventiven Zwecken. Das Hauptgewicht liegt auf der bedingten Freiheitsstrafe, während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese soll nicht etwa zu einer Straferhöhung führen oder eine zusätzliche Strafe ermöglichen. Sie erlaubt lediglich innerhalb der schuldangemessenen Strafe eine täter- und tatangemessene Sanktion, wobei die an sich verwirkte Freiheitsstrafe und die damit verbundene Geldstrafe bzw. Busse in ihrer Summe schuldangemessen sein müssen (
BGE 124 IV 134
E. 2c/bb). Die Strafenkombination, wie sie
Art. 42 Abs. 4 StGB
vorsieht, ist im Verlaufe der Revision als "sursis qualitativement partiel" bezeichnet worden.
BGE 134 IV 1 S. 9
5.
5.1
Mit
Art. 43 StGB
(dt. "teilbedingte Strafen"; frz. "sursis partiel à l'exécution de la peine; ital. "pene con condizionale parziale") wird für die schweizerische Rechtsordnung ein bislang unbekanntes Institut eingeführt: Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (
Art. 43 Abs. 1 StGB
). Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (
Art. 43 Abs. 2 StGB
); sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil der Freiheitsstrafe muss mindestens sechs Monate betragen (
Art. 43 Abs. 3 StGB
).
5.2
Die Grundidee der teilbedingten Strafe ist in erster Linie auf den teilweisen Aufschub bzw. Vollzug von Freiheitsstrafen zugeschnitten. Das Gericht kann einen (kleinen) Teil der Strafe als unbedingt vollziehbar erklären, während der Vollzug des anderen (grösseren) Teils zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Bundesrat hat dieses Rechtsinstitut "trotz Bedenken" vorgeschlagen im Wesentlichen aus folgenden Überlegungen: (1.) Das Gericht steht mit dem
sursis partiel
nicht mehr vor dem Entscheid "Alles oder Nichts", sondern erhält einen grösseren Ermessensspielraum und kann die Strafe besser individualisieren. (2.) Der
sursis partiel
kann dazu beitragen, dass die Richter bei Strafen zwischen 18 und 36 Monaten eher zu einer günstigen Prognose neigen, wenn ein Teil der Strafe unbedingt vollzogen werden kann. Damit wird der Befürchtung begegnet, die Richter würden bei einer Anhebung des bedingten Strafvollzuges auf 36 Monate vermehrt unbedingte Strafen ausfällen (sog. ergebnisorientierte Sanktionsentscheidungen), was eine spürbare Mehrbelastung des Strafvollzuges zur Folge haben könnte. (3.) Der
sursis partiel
kann dazu führen, dass Freiheitsstrafen zwischen zwölf und achtzehn Monaten, die sonst unbedingt ausgesprochen würden, teilbedingt verhängt werden (Botschaft 1998, S. 2052 f.).
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Anhebung der Obergrenze beim bedingten Strafvollzug von achtzehn Monaten auf drei Jahre wurde vom Parlament als zu weitgehend empfunden, und es reduzierte die Obergrenze auf zwei Jahre (
Art. 42 Abs. 1 StGB
). In der parlamentarischen Beratung wurde dabei verschiedentlich Bezug genommen auf die Einführung des
sursis partiel
(Voten Cina, Leuthard und de Dardel, AB 2001 N 561 f.; zum Zusammenhang: KARL-LUDWIG KUNZ, Zur Neugestaltung der Sanktionen des Schweizerischen
BGE 134 IV 1 S. 10
Erwachsenenstrafrechtes, ZStrR 117/1999 S. 248; ANDRÉ KUHN, Le sursis et le sursis partiel selon le nouveau Code pénal, ZStrR 121/2003 S. 273).
Die Abgrenzung zwischen dem bedingten und dem teilbedingten Strafvollzug blieb im Gesetzgebungsprozess unklar. Nach der bundesrätlichen Botschaft war darauf abzustellen, ob der Aufschub der Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von weiteren Verbrechen und Vergehen abzuhalten, bzw. ob der Teilvollzug unter dem nämlichen Gesichtspunkt als notwendig erscheint (Art. 43 gemäss Botschaft 1998, S. 2309). Im Auftrag der Rechtskommission des Ständerates erarbeitete die Verwaltung in der Folge einen Vorschlag zum
sursis partiel
, der sich nicht nur auf Freiheitsstrafen, sondern auf alle Strafarten beziehen sollte. Bei dieser Gelegenheit wurde der Gesetzestext neu gefasst und die sog. Verschuldensklausel eingeführt (
Art. 43 Abs. 1 StGB
). Die Voraussetzungen des "Verschuldens" wurden nicht mehr schriftlich begründet und auch in der Rechtskommission des Ständerates nicht mehr angesprochen. Der Vorschlag wurde Gesetz - und blieb damit in einem entscheidenden Punkt ohne nähere Begründung (GREINER, a.a.O., S. 114 und Anm. 42; FRANZ RIKLIN, Strafen und Massnahmen im Überblick, in: Die Revision des Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, Brigitte Tag/ Max Hauri [Hrsg.], Zürich 2006, S. 90 f.).
5.3
5.3.1
Grundvoraussetzung für die teilbedingte Strafe im Sinne von
Art. 43 StGB
ist, dass eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Zwar fehlt ein entsprechender Verweis auf
Art. 42 StGB
, doch ergibt sich dies aus Sinn und Zweck von
Art. 43 StGB
. Wenn und soweit die Legalprognose des Täters nicht schlecht ausfällt, verlangt die Bestimmung, dass zumindest ein Teil der Strafe auf Bewährung ausgesetzt wird. Umgekehrt gilt, dass bei einer Schlechtprognose auch ein bloss teilweiser Aufschub der Strafe nicht gerechtfertigt ist. Denn wo keinerlei Aussicht besteht, der Täter werde sich in irgendeiner Weise durch den - ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub beeinflussen lassen, muss die Strafe in voller Länge vollzogen werden. Die Auffassung, dass die subjektiven Voraussetzungen von
Art. 42 StGB
auch für die Anwendung von
Art. 43 StGB
gelten müssen, entspricht ganz überwiegender Lehrmeinung (statt vieler STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 50 S. 144; GREINER, a.a.O., S. 111 ff.; SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafrecht II, 8. Aufl., Zürich 2007, S. 130 ff.; a.M. KUHN, a.a.O., ZStrR 121/2003 S. 273 und Anm. 36).
BGE 134 IV 1 S. 11
5.3.2
Die objektiven Voraussetzungen der beiden Bestimmungen stimmen hingegen nicht überein, wodurch sich der bedingte Strafvollzug (
Art. 42 StGB
) vom teilbedingten Vollzug (
Art. 43 StGB
) abgrenzt. Teilbedingte Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr sind unzulässig. Für Strafen bis zu zwei Jahren ergibt sich ein überschneidender Anwendungsbereich mit
Art. 42 StGB
, während für Strafen von zwei bis drei Jahren ausschliesslich
Art. 43 StGB
zur Anwendung gelangt. Rechtsvergleichend ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Schweiz praktisch als einzige europäische Rechtsordnung (mit Ausnahme von Österreich) für den bedingten und den teilbedingten Strafvollzug verschiedene zeitliche Begrenzungen kennt (GREINER, a.a.O., S. 110 und 119 ff.).
5.3.3
Die Voraussetzung, dass eine teilbedingte Strafe nach
Art. 43 StGB
notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen, d.h. in angemessener Weise (so der französische Wortlaut:
de façon appropriée
), ist weitgehend unklar. Unter dem Begriff des Verschuldens ist das Mass der Vorwerfbarkeit des Rechtsbruchs zu verstehen, er umfasst den gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Straftat (
BGE 129 I 6
E. 6.1). Der Begriffsinhalt richtet sich nach der Legaldefinition von
Art. 47 Abs. 2 StGB
. Gemeint ist die Strafzumessungsschuld. Das Verschulden ist daher zunächst und vor allem ein Bemessungskriterium bei der Strafzumessung.
Für die Beurteilung, ob eine teilbedingte Strafe wegen des Verschuldens des Täters und unter Berücksichtigung seiner Bewährungsaussichten als notwendig erscheint, kann es indessen auf die Strafzumessungsschuld nicht mehr in gleicher Weise ankommen. Denn im Zeitpunkt, in dem das Gericht über die Gewährung des Strafaufschubes befindet, muss die Strafhöhe bereits feststehen, und es geht nur noch um die angemessene Vollzugsform. Allerdings verknüpft das Gesetz die Frage nach der schuldangemessenen Strafe und jene nach deren Aufschub insoweit, als es den bedingten Strafvollzug für Strafen ausschliesst, die zwei Jahre übersteigen. Die Notwendigkeit einer teilbedingten Freiheitsstrafe ergibt sich dann als Folge der Schwere des Verschuldens, das sich in einer Strafhöhe zwischen zwei und drei Jahren niederschlägt. Darin liegt ein Anhaltspunkt für die Bedeutung der Verschuldensklausel.
5.4
Zu klären ist, ob für Freiheitsstrafen bis zwei Jahre (im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43 StGB) eine
BGE 134 IV 1 S. 12
ähnliche Verknüpfung im Hinblick auf anerkannte Strafzwecke zu erfolgen hat.
5.4.1
Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind die Strafzwecke gegeneinander abzuwägen und in eine Rangfolge zu bringen, wobei dem Anliegen der Spezialprävention grundsätzlich ein Vorrang zukommt. Zum einen dient das Strafrecht in erster Linie nicht der "Vergeltung", sondern der Verbrechensverhütung (
BGE 129 IV 161
E. 4.2 S. 164 mit Hinweisen). Dies bringt der Gesetzgeber nicht nur mit der Bezeichnung der Resozialisierung als Ziel des Strafvollzuges zum Ausdruck (
Art. 75 Abs. 1 Satz 1 StGB
), sondern insbesondere auch mit der Ausweitung des bedingten Strafvollzugs als ausgesprochen spezialpräventive Einrichtung (HANS SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Zweiter Band, 4. Aufl., Bern 1982, S. 96). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass im Konfliktsfall ein "Vorrang" der Generalprävention spezialpräventive Ziele zu vereiteln droht, die Bevorzugung der Spezialprävention hingegen die generalpräventiven Wirkungen einer Sanktion nicht zum Vornherein ausschliesst, sondern höchstens in einer schwer messbaren Weise abschwächt. Die Strafzwecke bilden ein komplexes Verhältnis wechselseitiger Ergänzung, wobei je nach Sachzusammenhang das eine oder das andere Kriterium stärker hervortritt (
BGE 124 IV 246
E. 2b S. 248;
BGE 120 IV 1
E. 2b S. 4, je mit Hinweisen).
5.4.2
Der Sinn des Instituts der teilbedingten Freiheitsstrafen ist vor dem Hintergrund der kriminalpolitischen Auseinandersetzung um die kurze Freiheitsstrafe zu verstehen. Vereinfachend lässt sich diese auf zwei Argumentationsmodelle zurückführen. Nach dem einen dient der Teilvollzug zur Abschreckung Dritter oder zur exemplarischen Bestrafung bei weit verbreiteten Delikten der kleineren und mittleren Kriminalität (z.B. SVG-Delikte), orientiert sich also vornehmlich an generalpräventiven und Vergeltungszwecken. Der Gefahr, dass der bedingte Strafvollzug seine Warnwirkung verliere, sei mit einer spürbaren Reaktion in Form eines kurzen Freiheitsentzuges zu begegnen (sog. short sharp shock). Das zweite Modell betont den Strafzweck der Spezialprävention und zielt auf eine Milderung strafrechtlicher Eingriffsintensität hin. Der Teilvollzug soll nur zur Anwendung gelangen, wenn eine unbedingte Freiheitsstrafe ohnehin unumgänglich ist, und dadurch einen Beitrag zur Zurückdrängung des Freiheitsentzuges und zur Entlastung der Gefängniskapazitäten leistet (zum Ganzen MARKUS HANS KNÜSEL, Die teilbedingte Freiheitsstrafe, Diss. Bern 1995, S. 92, 124, 175 ff. und passim).
BGE 134 IV 1 S. 13
5.4.3
Erklärtes Ziel der Revision war, mit teilbedingten Strafen im Sinne von
Art. 43 StGB
die Sanktion in erhöhtem Masse zu individualisieren und den Strafvollzug zu entlasten, namentlich dort, wo früher eine unbedingte Strafe verhängt werden musste. Das gilt ohne Einschränkung für zwei Jahre übersteigende Freiheitsstrafen, wobei die Möglichkeit zur Individualisierung durch die Obergrenze des bedingten Strafvollzugs (
Art. 42 Abs. 1 StGB
) bzw. die Verschuldensklausel (
Art. 43 Abs. 1 StGB
) begrenzt wird. Wohl trifft zu, dass solche Freiheitsstrafen, selbst wenn deren Aufschub unter spezialpräventiven Gesichtspunkten vorzuziehen wäre, immerhin zum Schuldausgleich teilweise vollstreckt werden müssen. Etwas anderes muss jedoch für Freiheitsstrafen gelten, die zwei Jahre nicht überschreiten (in diesem Sinn SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, a.a.O., S. 126 ff., 131, 139 ff.; MARKUS HUG, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, 17. Aufl., Zürich 2006, zu
Art. 43 StGB
; a.M. offenbar STRATENWERTH, a.a.O., § 5 Rz. 50 S. 144; vgl. aber
ders
., Die Wahl der Sanktionen, insbesondere nach revidiertem AT StGB, in: Strafjustiz und Rechtsstaat, Marcel Alexander Niggli/Nicolas Queloz [Hrsg.], Zürich 2003, S. 12). Das Gesetz statuiert hier nämlich die Regel von
Art. 42 StGB
, die vorgeht. Daran knüpft sich die Erwartung, der Verurteilte werde sich unter dem Eindruck des drohenden Strafvollzuges (und allfälliger Weisungen und Bewährungshilfen) in Freiheit selbst bessern, ohne dass ein unmittelbarer Zugriff zum Ausgleich des bewirkten Unrechts angeordnet werden dürfte. Der Strafzweck des Schuldausgleichs (das Vergeltungsprinzip) besagt denn auch nur, dass die Strafe der Grösse der Schuld entsprechen soll, was eine drastische Bestrafung des Täters bei geringem Verschulden verbietet (CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl., München 2006, § 3 Rz. 2 ff., insbes. Rz. 7 S. 72). Über diese begrenzende Funktion hinaus kommt ihm keine weitere Bedeutung zu, nicht bei der Strafzumessung und erst recht nicht beim Vollzug, weil dieser dem vorrangigen Anliegen der Spezialprävention dient. So hat das Bundesgericht in Vollzugsfragen wiederholt auf den Grundsatz "nil nocere" hingewiesen, der gebietet, den Verurteilten bei einer sich abzeichnenden Resozialisierung möglichst wenig zu gefährden (
BGE 121 IV 97
E. 2c mit Hinweis).
Ebenso wenig kann massgebend sein, ob die teilweise Vollstreckung der Strafe unter generalpräventiven Gesichtspunkten als geboten erscheint, um andere von der Begehung von Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Eine solche Vorbehaltsklausel, wie sie das
BGE 134 IV 1 S. 14
Strafgesetzbuch Österreichs zum Zwecke der Generalprävention kennt (§ 43 Abs. 1 österr. StGB), sieht
Art. 43 StGB
nicht vor. Auf eine entsprechende Anpassung des Gesetzestextes wurde ausdrücklich verzichtet (Botschaft 2005, S. 4708). Hinzuzufügen ist, dass der Gesetzgeber dem Konzept des short sharp shock eine Absage erteilt hat mit der Vorschrift, dass mindestens sechs Monate der Freiheitsstrafe (
Art. 43 Abs. 3 StGB
) zu vollziehen sind (RIKLIN, a.a.O., S. 87;
ders.
, Die Sanktionierung von Verkehrsdelikten nach der Strafrechtsreform, ZStrR 122/2004 S. 171), was nicht zulässt, zur Befriedigung generalpräventiver Bedürfnisse am individuellen Täter ein Exempel zu statuieren. Aus diesen Gründen darf die Gewährung des bedingten Strafvollzuges im Sinne von
Art. 42 StGB
nicht zugunsten anderer Strafzwecke als jenen der Spezialprävention verweigert werden.
5.5
Nach den dargelegten Grundsätzen ist der Anwendungsbereich der teilbedingten Freiheitsstrafen im Sinne von
Art. 43 StGB
zu konkretisieren.
5.5.1
Für Freiheitsstrafen, die über der Grenze für bedingte Strafen liegen (zwischen zwei und drei Jahren), sieht
Art. 43 StGB
einen eigenständigen Anwendungsbereich vor. An die Stelle des vollbedingten Strafvollzuges, der hier ausgeschlossen ist (
Art. 42 Abs. 1 StGB
), tritt der teilbedingte Vollzug, wenn die subjektiven Voraussetzungen dafür gegeben sind. Der Zweck der Spezialprävention findet seine Schranke am gesetzlichen Erfordernis, dass angesichts der Schwere des Verschuldens wenigstens ein Teil der Strafe zu vollziehen ist. Hierin liegt die "hauptsächliche Bedeutung" bzw. der "Hauptanwendungsbereich" von
Art. 43 StGB
(SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, a.a.O., S. 140; THOMAS MANHART, Bedingte und teilbedingte Strafen sowie kurze unbedingte Freiheitsstrafen, in: Die Revision des Strafgesetzbuches Allgemeiner Teil, Brigitte Tag/Max Hauri [Hrsg.], Zürich 2006, S. 131).
5.5.2
Für Freiheitsstrafen im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43 StGB (zwischen einem und zwei Jahren) gilt Folgendes: Der Strafaufschub nach
Art. 42 StGB
ist die Regel, die grundsätzlich vorgeht. Der teilbedingte Vollzug bildet dazu die Ausnahme. Sie ist nur zu bejahen, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird (ROBERT JERABEK, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Frank Höpfel/Eckart Ratz [Hrsg.], 2. Aufl., Wien 2003, N. 11 zu § 43a Abs. 3). Damit verhält es sich
BGE 134 IV 1 S. 15
ähnlich wie bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten im Fall eines Widerrufs einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe (
BGE 116 IV 97
). Ergeben sich - inbesondere aufgrund früherer Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch nicht zu begründen vermögen, so kann das Gericht an Stelle des Strafaufschubs den teilbedingten Vollzug gewähren. Auf diesem Wege kann es im Bereich höchst ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen.
Art. 43 StGB
hat die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere Prognose erlaubt. Erforderlich ist aber stets, dass der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten unumgänglich erscheint. Das trifft nicht zu, solange die Gewährung des bedingten Strafvollzugs, kombiniert mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (
Art. 42 Abs. 4 StGB
), spezialpräventiv ausreichend ist. Diese Möglichkeit hat das Gericht vorgängig zu prüfen.
5.6
Schliesslich hat das Gericht, wenn es auf eine teilbedingte Strafe erkennt, im Zeitpunkt des Urteils den aufgeschobenen und den zu vollziehenden Strafteil festzusetzen und die beiden Teile in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Nach Art. 43 muss der unbedingt vollziehbare Teil mindestens sechs Monate betragen (Abs. 3), darf aber die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Abs. 2). Im äussersten Fall (Freiheitsstrafe von drei Jahren) kann das Gericht demnach Strafteile im Ausmass von sechs Monaten Freiheitsstrafe unbedingt mit zweieinhalb Jahren bedingt verbinden. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens liegt die Festsetzung im pflichtgemässen Ermessen des Gerichts. Als Bemessungsregel ist das "Verschulden" zu beachten, dem in genügender Weise Rechnung zu tragen ist (
Art. 43 Abs. 1 StGB
). Das Verhältnis der Strafteile ist so festzusetzen, dass darin die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung des Täters einerseits und dessen Einzeltatschuld anderseits hinreichend zum Ausdruck kommen. Je günstiger die Prognose und je kleiner die Vorwerfbarkeit der Tat, desto grösser muss der auf Bewährung ausgesetzte Strafteil sein. Der unbedingte Strafteil darf dabei das unter Verschuldensgesichtspunkten (
Art. 47 StGB
) gebotene Mass nicht unterschreiten.
6.
Im zu beurteilenden Fall stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:
6.1
Wie dargelegt bildet der teilbedingte Vollzug bei Freiheitsstrafen im überschneidenden Anwendungsbereich von Art. 42/43 StGB
BGE 134 IV 1 S. 16
die Ausnahme, welche nur Anwendung findet, wenn der Aufschub wenigstens eines Teils der Strafe aus spezialpräventiver Sicht erfordert, dass der andere Strafteil unbedingt ausgesprochen wird. Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdegegner nicht vorbestraft ist, bestehen vorliegend keine ganz erheblichen Bedenken an dessen Legalbewährung, so dass der teilweise Vollzug der Freiheitsstrafe für die Erhöhung der Bewährungsaussichten nicht unumgänglich erscheint. Vielmehr ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin im zu beurteilenden Fall die Gewährung des bedingten Strafvollzugs - allenfalls in Kombination mit einer Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse (
Art. 42 Abs. 4 StGB
) - spezialpräventiv ausreichend.
6.2
Allerdings hat, wie ausgeführt, bei der Strafenkombination nach
Art. 42 Abs. 4 StGB
das Hauptgewicht auf der bedingten Freiheitsstrafe zu liegen, während der unbedingten Verbindungsgeldstrafe bzw. Busse nur untergeordnete Bedeutung zukommt.
Mit der Verhängung einer unbedingten Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen bzw. eines Viertels der schuldangemessenen Gesamtstrafe hat die Vorinstanz jedoch der Verbindungsstrafe einen zu gewichtigen Stellenwert eingeräumt und damit
Art. 42 Abs. 4 StGB
unrichtig angewendet.
6.3
Im Ergebnis ist die Beschwerde deshalb gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Bei ihrer Neubeurteilung wird die Vorinstanz auf der Grundlage der vom Bundesgericht entwickelten Kriterien zu prüfen haben, ob es dem Verschulden entspricht, den Beschwerdegegner zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 24 Monaten zu verurteilen, oder ob es angemessener erscheint, in Anwendung von
Art. 42 Abs. 4 StGB
eine Freiheitsstrafe von weniger als 24 Monaten, verbunden mit einer (untergeordneten) unbedingten Geldstrafe oder Busse auszusprechen. Dabei muss es sich insgesamt um die dem Verschulden entsprechende Sanktion handeln.
6.4
Dem Beschwerdegegner, der eventualiter die Gutheissung der Beschwerde beantragt hat, sind keine Kosten aufzuerlegen. Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (
Art. 68 Abs. 3 BGG
). | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3e699df3-bae4-4fc0-8afd-e1d86bbe330e | Urteilskopf
108 IV 112
28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1982 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 33 Abs. 3 der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge (BAV). Fahrtschreiberaufzeichnungen als Beweismittel.
Art. 33 Abs. 3 BAV
, wonach bestimmte Motorfahrzeuge mit einem Fahrtschreiber zur Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit und zur Abklärung von Unfällen ausgerüstet sein müssen, enthält keine abschliessende Aufzählung der zulässigen Verwendungsmöglichkeiten dieses Instruments und verbietet nicht die Berücksichtigung von Fahrtschreiberaufzeichnungen zu Zwecken, die in dieser Bestimmung nicht genannt sind, z.B. zum Beweis von einige Stunden vor einem Unfall begangenen Übertretungen der Vorschriften über die Höchstgeschwindigkeit (E. 1). | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 108 IV 112 S. 113
Am 10. August 1981, kurz nach 08.00 Uhr, überquerte S. mit seinem Sattelschlepper die Kreuzung Ringstrasse/Scalettastrasse in Chur bei Rotlicht. Sein Fahrzeug kollidierte mit einem korrekt von links herannahenden Personenwagen. Die Auswertung der dem Sattelschlepper zur Unfallabklärung entnommenen Fahrtschreiber-Diagrammscheibe ergab, dass dieses Fahrzeug an jenem Vormittag in der Zeit zwischen 04.05 Uhr und 08.00 Uhr mehrmals mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h gefahren worden war.
Der Kreisgerichtsausschuss Chur sprach S. auf dessen Einsprache hin am 22. April 1982 vom Vorwurf der Überschreitung der für Sattelmotorfahrzeuge auf Autobahnen und Autostrassen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (
Art. 5 Abs. 2 VRV
) frei und bestrafte ihn wegen Missachtung des Lichtsignals mit einer Busse von Fr. 100.--. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden S. am 16. Juni 1982 wegen Missachtung eines Lichtsignals und Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (
Art. 5 Abs. 2 VRV
)
BGE 108 IV 112 S. 114
gestützt auf
Art. 90 Ziff. 1 SVG
zu einer bedingt vollziehbaren Haftstrafe von 8 Tagen und zu einer Busse von Fr. 200.--.
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt S. die Aufhebung der Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, eventuell die Herabsetzung der Strafe.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er gemäss den Aufzeichnungen des Fahrtschreibers am Morgen des 10. August 1981 die für Sattelmotorfahrzeuge auf Autobahnen und Autostrassen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (
Art. 5 Abs. 2 VRV
) überschritten hat. Er macht aber geltend, die Fahrtschreiber-Diagrammscheibe dürfe in seinem Fall nicht als Beweismittel herangezogen und er könne daher wegen der allein durch das Diagramm ausgewiesenen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit nicht bestraft werden. Zur Begründung beruft er sich auf
Art. 33 Abs. 3 BAV
sowie auf die Weisungen des EJPD vom 11. September 1972 über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr.
Art. 33 Abs. 3 BAV
lautet:
"Mit einem Fahrtschreiber zur Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit und
zur Abklärung von Unfällen müssen ausgerüstet sein:
..."
bzw.
"Doivent être équipés d'un tachygraphe permettant de contrôler la
durée du travail et du repos et de déterminer les vitesses en cas
d'accident:
..."
bzw.
"Devono essere muniti di un odocronografo che permetta di controlare
la durata del lavoro e del riposo e di chiarire un infortunio:
..."
Der Beschwerdeführer zieht aus dieser Bestimmung den Umkehrschluss, "dass der Fahrtschreiber als Beweismittel für andere als die bezeichneten Verkehrsregelverletzungen nicht Verwendung finden darf". Der Fahrtschreiber darf seines Erachtens nicht zum nachträglichen Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung herangezogen werden, die zu keinem Unfall geführt hat.
Art. 33 Abs. 3 BAV
enthält nach Ansicht des Beschwerdeführers "mithin
BGE 108 IV 112 S. 115
eine gesetzliche Beschränkung der grundsätzlich freien richterlichen Beweiswürdigung". Diese Auffassung, die der Kreisgerichtsausschuss Chur namentlich gestützt auf die Weisungen des EJPD vom 11. September 1972 über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr teilte, wurde von der Vorinstanz mit Recht verworfen.
b)
Art. 33 Abs. 3 BAV
bestimmt nicht, zu welchen Zwecken bzw. in welchen Fällen die Fahrtschreiberaufzeichnungen verwendet werden dürfen, sondern gibt an, zu welchen Zwecken die dort genannten Fahrzeuge mit Fahrtschreibern ausgerüstet sein müssen.
Art. 33 Abs. 3 BAV
deutet die Gründe an, die den Gesetzgeber bewogen haben, für bestimmte Fahrzeugkategorien ein Fahrtschreiber-Obligatorium einzuführen. Der Fahrtschreiber ist ein allgemein anerkanntes Mittel zur Unfallabklärung und zur Unfallbekämpfung. Der Fahrzeuglenker wird die Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit sowie die zulässige Höchstgeschwindigkeit eher befolgen, wenn er weiss, dass deren Einhaltung mittels des Fahrtschreibers überprüft werden kann. Der Gesetzgeber erachtete es als notwendig, für bestimmte Fahrzeugkategorien, die aus verschiedenen Gründen - hohe Kilometerleistung, Einsatz zu Erwerbszwecken, System der Entlöhnung der Chauffeure usw. - verhältnismässig häufig in Unfälle verwickelt sind, den Einbau von Fahrtschreibern anzuordnen (siehe zum Ganzen etwa den Bericht des EJPD vom 31. August 1970 zum "Einbau des Fahrtschreibers in Taxis mit städtischer Sonderregelung - Eine Notwendigkeit oder überspitzter Perfektionismus?", insbes. S. 7 ff.).
Art. 33 Abs. 3 BAV
ist das Ergebnis solcher Überlegungen. Aus dieser Bestimmung geht zudem hervor, dass die Fahrtschreiber so beschaffen sein und in der Weise in Betrieb gehalten werden müssen, dass die genannten Ziele erreicht werden können. Mehr lässt sich
Art. 33 Abs. 3 BAV
nicht entnehmen.
Die Bestimmung nennt somit jene Verwendungsmöglichkeiten des Fahrtschreibers, die den Gesetzgeber zur Schaffung des Fahrtschreiber-Obligatoriums für gewisse Fahrzeugkategorien veranlassten. Indem der Gesetzgeber die für ihn massgebende Zweckbestimmung des Fahrtschreibers in
Art. 33 Abs. 3 BAV
ausdrücklich bezeichnete, hat er entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht zugleich die übrigen Verwendungsmöglichkeiten dieses Instruments, die er allenfalls gar nicht bedacht hatte und welche für ihn jedenfalls nicht bestimmend waren, als unzulässig ausgeschlossen. Dass die Ausrüstung gewisser Fahrzeugkategorien mit
BGE 108 IV 112 S. 116
Fahrtschreibern "nicht vorgeschrieben (wurde), damit nachträglich nach Geschwindigkeitsverletzungen gesucht werden kann, die nicht anderweitig festgestellt wurden", wie in den bereits erwähnten Weisungen des EJPD vom 11. September 1972 zutreffend festgehalten wird, ist demnach entgegen der Ansicht des Departements insoweit unerheblich.
Art. 33 Abs. 3 BAV
verbietet nicht die Berücksichtigung von Fahrtschreiberaufzeichnungen zu Zwecken, die in dieser Bestimmung nicht genannt sind.
Eine Einschränkung des fundamentalen Grundsatzes der freien Beweiswürdigung durch ein Beweismittelverbot bedarf einer klaren und eindeutigen gesetzlichen Regelung in dem Sinne, dass die in
Art. 33 Abs. 3 BAV
enthaltene Aufzählung der Verwendungszwecke ausdrücklich als abschliessend bezeichnet oder jede anderweitige Verwendung des Fahrtschreibers ausdrücklich als unzulässig erklärt würde. Das ist hier nicht der Fall.
Ob es zulässig wäre, anhand der Einlageblätter des Fahrtschreibers nachträglich und systematisch die gefahrene Geschwindigkeit zu überprüfen und einen Fahrzeuglenker wegen der sich aus den Einlageblättern ergebenden Geschwindigkeitsüberschreitungen zu bestrafen, nachdem die Behörden bei der Diskussion um
Art. 33 Abs. 3 BAV
mehrfach betont hatten, dass es nicht um eine derartige systematische Kontrolle und Erfassung aller Geschwindigkeitsüberschreitungen gehe (siehe etwa den bereits zitierten Bericht des EJPD vom 31. August 1970, S. 10, 17), braucht hier nicht untersucht zu werden. Die Vorinstanz bestrafte den Beschwerdeführer lediglich wegen der von ihm am Unfalltag begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen, die durch Auswertung der anlässlich des Unfalls sichergestellten Diagrammscheibe festgestellt wurden. Weder
Art. 33 Abs. 3 BAV
noch eine andere Bestimmung des Bundesrechts verbieten ein solches Vorgehen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3e6e74c4-97ac-4639-b873-2bebbe177259 | Urteilskopf
93 I 455
57. Urteil vom 29. September 1967 i.S. Hoenes gegen eidg. Steuerverwaltung. | Regeste
Warenumsatzsteuer: Das Bestimmen von Brillengläsern und das Anpassen von Kontaktlinsen durch den Optiker ist verschieden von der Tätigkeit, die der Zahnarzt ausübt, wenn er die für den Patienten bestimmten Zahnprothesen bearbeitet.
Es verstösst deshalb nicht gegen
Art. 4 BV
, die Lieferungen von Brillen und Kontaktlinsen steuerlich anders zu behandeln als den zahnärztlichen Warenaufwand. | Sachverhalt
ab Seite 455
BGE 93 I 455 S. 455
A.-
Robert Hoenes betreibt in Basel ein Spezialgeschäft für Brillen und Kontaktlinsen. Er ist seit dem 1. Januar 1957 als Grossist warenumsatzsteuerpflichtig.
In einem Zirkularschreiben vom 12. Juni 1965 unterrichtete die eidg. Steuerverwaltung (EStV) die im Grossistenregister eingetragenen Optiker über die steuerliche Behandlung der
BGE 93 I 455 S. 456
Entgelte für das Bestimmen von Brillengläsern und das Anpassen von Kontaktlinsen. Danach sind diese Beträge steuerbar, sofern der Optiker im Anschluss an die genannten Arbeiten eine Sehhilfe verkauft.
Robert Hoenes widersetzte sich der Betrachtungsweise der Verwaltung. Er machte namentlich geltend, gegenüber den Augenärzten, die überhaupt nicht steuerpflichtig seien, als Optiker rechtsungleich behandelt zu werden.
Die EStV hielt in der Folge an ihrem Standpunkt fest. Sie lud Hoenes ein, die während des massgeblichen Zeitraumes erzielten Einnahmen für Brillenglasbestimmungen und das Anpassen von Kontaktlinsen zu melden. Gestützt auf die Angaben des Steuerpflichtigen forderte die EStV von ihm einen Steuerbetrag von Fr. 668.40 nach. Auf Verlangen von Hoenes bestätigte sie ihre Forderung am 29. August 1966 in einem förmlichen Entscheid. Eine dagegen gerichtete Einsprache wies die Verwaltung am 6. Juni 1967 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, der Warenumsatzsteuer unterlägen alle geldwerten Gegenleistungen, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Warenlieferung stehen. Steuerbar seien auch Entgelte für Leistungen, welche zwar an sich keine Warenlieferungen darstellen, aber im Hinblick auf solche erbracht werden. Die auf das Bestimmen von Brillengläsern und das Anpassen von Kontaktlinsen entfallenden Kosten seien somit dann zu versteuern, wenn es im Anschluss an jene Arbeiten zu einem Verkauf der Sehhilfe gekommen sei. Die Rüge der rechtsungleichen Behandlung sei unbegründet, weil der Augenarzt im Gegensatz zum Optiker keine Ware liefere. Übrigens würden mit Bezug auf die Zahnprothesen auch Zahnarzt und Zahntechniker verschieden behandelt.
B.-
Robert Hoenes führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt dem Bundesgericht, den Einspracheentscheid der EStV aufzuheben. Im weiteren sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer für die fragliche Zeit keine Warenumsatzsteuer schulde und dass die Entgelte für Brillenglasbestimmungen und Kontaktlinsenanpassungen nicht steuerbar seien. Hoenes führt insbesondere aus, wenn der Zahnarzt im Falle der von ihm selbst angefertigten Zahnprothese nicht warenumsatzsteuerpflichtig sei, habe das Gleiche auch für den Optiker zu gelten, der Brillen und Kontaktlinsen anpasse. Wie die Zahnprothesen hätten auch die genannten Sehhilfen
BGE 93 I 455 S. 457
den Ausfall von Bestandteilen des menschlichen Körpers oder deren Funktion wettzumachen; sie seien deshalb keine Waren im Sinne des
Art. 17 WUStB
. Bestehe aber kein Grund für eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Optikern und Zahnärzten, dann verletze der angefochtene Entscheid das Gebot der Rechtsgleichheit und müsse aufgehoben werden.
C.-
Die EStV schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer ist seit dem 1. Januar 1957 als Grossist warenumsatzsteuerpflichtig. Wie der Beschwerdeantwort zu entnehmen ist, betrachtet ihn die EStV als Hersteller-Grossisten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b und 10 Abs. 2 WUStB. Der Beschwerdeführer bestreitet diese ihm beigelegte Eigenschaft an sich nicht. Nach seinen Anträgen zu schliessen, möchte er lediglich erreichen, dass die auf das Bestimmen von Brillengläsern und das Anpassen von Kontaktlinsen entfallenden Entgelte nicht zu versteuern seien. Noch in seiner Einsprache hatte der Beschwerdeführer dieses Begehren im wesentlichen damit begründet, die Bestimmungs- und Anpassungsarbeiten stellten eine von der Waren-, d.h. Brillen- oder Kontaktlinsenlieferung unabhängige sonstige Leistung dar. Wie es sich damit verhält, braucht hier nicht entschieden zu werden; denn der Beschwerdeführer hat die Frage vor dem Bundesgericht nicht mehr aufgeworfen. Die EStV beantwortete sie im angefochtenen Entscheid übrigens gemäss der bisherigen Praxis (vgl. ASA Bd. 31 S. 271 ff.).
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthält eine andere Begründung. Der Beschwerdeführer vergleicht jetzt die Tätigkeit des Optikers beim Bestimmen von Brillengläsern und Anpassen von Kontaktlinsen mit derjenigen des Zahnarztes hinsichtlich der für den Patienten bestimmten Zahnprothesen. Es wird geltend gemacht, wie die künstlichen Gebisse könnten auch Brillen und Kontaktlinsen nicht als Waren im Sinne des
Art. 17 WUStB
betrachtet werden, da sie gleich jenen dazu dienten, Funktionsmängel des menschlichen Körpers zu beheben. Wie die erwähnten Arbeiten der Zahnärzte, hätten deshalb auch diejenigen der Optiker steuerfrei zu bleiben. Die verschiedene steuerliche Behandlung der beiden gleichartigen Sachverhalte durch die EStV verstosse gegen
Art. 4 BV
.
2.
Nach
Art. 8 WUStB
ist namentlich warenumsatzsteuerpflichtig,
BGE 93 I 455 S. 458
wer als Grossist im Inland Waren liefert.
Art. 9 WUStB
bezeichnet unter gewissen, hier nicht zu erörternden Voraussetzungen insbesondere als Grossisten den Händler und den Hersteller, die jährlich für mehr als 35'000 Franken Waren liefern. Als Ware gilt, was Gegenstand eines Fahrniskaufes oder eines Energielieferungsvertrages sein kann (Art. 17 erster Satz WUStB).
Art. 4 BV
verbietet unter anderem der rechtsanwendenden Behörde, eine Norm unter gleichen tatsächlichen Voraussetzungen einmal so, ein anderes Mal aber anders auszulegen und anzuwenden (vgl. BURCKHARDT, Kommentar zur BV S. 26 lit. a). In der Tat besteuert die EStV das Herstellen und Anbringen der für den Patienten bestimmten Zahnprothesen durch den Zahnarzt nicht, während die Entgelte, die der Optiker für seine Brillen- und Kontaktlinsenlieferungen vereinnahmt, der Warenumsatzsteuer unterliegen. Eine rechtsungleiche Behandlung zulasten des Beschwerdeführers wäre somit dann anzunehmen, wenn sich die beiden genannten Sachverhalte, auf welche die Verwaltung die
Art. 8 und 9 WUStB
unterschiedlich angewendet hat, als gleich erwiesen. Das trifft indessen nicht zu.
Zwar liegt insofern Gleichheit vor, als sowohl Zahnprothesen wie auch Brillen und Kontaktlinsen Waren im Sinne von
Art. 17 WUStB
darstellen. Der Beschwerdeführer spricht ihnen diese Eigenschaft zu Unrecht ab. Sie alle können nämlich als körperliche Sachen Gegenstand eines Fahrniskaufes sein (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER N. 3 zu
Art. 184 OR
).
Die wesentliche Verschiedenheit liegt vielmehr in folgendem begründet:
Verwendet der Zahnarzt im Rahmen seiner Tätigkeit zugunsten des Kranken Waren, so tut er dies nur, um den Patienten von Zahnkrankheiten zu heilen, ihnen vorzubeugen und die Kaufähigkeit der Kiefer zu erhalten. Das ist die wesentliche Leistung, die der Kranke vom Zahnarzt erwartet, und im Hinblick darauf liess sich dieser auch in der Zahnheilkunde ausbilden. Das Verwenden einer (u.U. selbst angefertigten) Zahnprothese stellt eine der verschiedenen Behandlungsmethoden dar, mit Hilfe derer der Zahnarzt seine wesentliche Leistung erbringt. Im Verhältnis zu dieser erscheint der Warenaufwand nur als Folge. Wie die EStV in ihrer Antwort zu
BGE 93 I 455 S. 459
Recht ausführt, findet er "im Rahmen" der zahnärztlichen Heilbehandlung statt.
Demgegenüber verhält sich beim Optiker die Tätigkeit des Messens, Auswertens und Anpassens, d.h. die geistige Leistung zur Warenverwendung gerade umgekehrt. Jene wird lediglich mit Rücksicht auf diese erbracht. So nimmt der Optiker seine Messungen am menschlichen Auge in der Regel nur vor, um hernach eine Sehhilfe verkaufen zu können. Die Lieferung einer solchen Ware ist denn auch die Leistung, die der Kunde vom Optiker erwartet. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht. Insbesondere macht er zu Recht nicht geltend, der Optiker behandle, wie der Zahnarzt, den menschlichen Körper, um ihn von Krankheiten zu heilen.
Unterscheidet sich nach dem Gesagten die Tätigkeit des Zahnarztes wesentlich von derjenigen des Optikers, dann war die EStV zu einer ungleichen steuerlichen Behandlung berechtigt. Der Beschwerdeführer gibt dies insofern auch selber zu, als er seine subjektive Steuerpflicht, d.h. die ihm beigelegte Grossisteneigenschaft, nicht anficht. Von einer Verletzung des Gebotes der Rechtsgleichheit kann somit keine Rede sein.
3.
Übrigens könnte sich der Beschwerdeführer selbst dann nicht auf
Art. 4 BV
berufen, wenn die Zahnärzte zu Unrecht steuerlich anders behandelt würden. Nur die EStV wäre zuständig, eine von ihr angewandte falsche Praxis zu ändern. Das Bundesgericht hat diesen Standpunkt von jeher eingenommen, so im Fall eines Zahntechnikers, der sich - auch gegenüber dem Zahnarzt - rechtsungleich behandelt glaubte (vgl. ASA Bd. 24 S. 489).
4.
Es sei beigefügt, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung, wie die EStV sie ohne Verletzung des Gleichheitssatzes vornehmen durfte, den Zahnarzt gegenüber dem Optiker nicht etwa einseitig bevorzugt. Vielmehr hat er als Nichtgrossist die Materialien, die er beim Herstellen von Zahnprothesen benötigt, mit Ausnahme der Waren der Steuerfreiliste steuerbelastet zu beziehen, während der steuerpflichtige Beschwerdeführer die zum Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung bestimmten Waren steuerfrei erhalten kann, sofern er seinen ebenfalls steuerpflichtigen Lieferanten rechtzeitig seine Grossistenerklärung abgegeben hat (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. a und Abs. 2, 15 Abs. 3 WUStB).
BGE 93 I 455 S. 460
5.
Die im angefochtenen Entscheid bestätigte Steuerforderung ist nach dem Gesagten im Grundsatz nicht zu beanstanden. Der Höhe nach hat der Beschwerdeführer sie nicht bestritten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3e72176d-a556-4606-b3f6-2bfc3b59282d | Urteilskopf
92 II 95
16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juni 1966 i.S. Pavag AG gegen Bavag Bau- und Verwaltungs-AG | Regeste
Firmenrecht.
Anforderungen an die Unterscheidungskraft der Firma einer Aktiengesellschaft; Unterlassungsklage (Art. 951 Abs. 2, 956 Abs. 2 OR). | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 92 II 95 S. 95
A.-
Die Pavag AG ist eine seit 1926 bestehende Aktiengesellschaft mit Sitz in Nebikon (Luzern). Ihre Geschäftszwecke sind im Handelsregister wie folgt umschrieben: "Verwertung von Kraftpapier, insbesondere Herstellung und Vertrieb von
BGE 92 II 95 S. 96
Kraftpapiersäcken, sowie Beteiligung an Unternehmungen verwandter Art." Die Pavag AG verwendet das Wort Pavag schon seit ihrer Gründung als Marke. Es ist im schweizerischen Markenrechtsregister eingetragen.
Am 28. Oktober 1964 gründete Georges Theiler die Bavag Bau- und Verwaltungs-AG mit dem Zweck "Bau und Verwaltung von Liegenschaften und Tätigung aller damit zusammenhängenden Geschäfte". Ihr Sitz befindet sich in seinem Architekturbüro in Zürich. Theiler ist Hauptaktionär dieser Gesellschaft.
B.-
Im Juli 1965 klagte die Pavag AG gegen die Bavag Bau- und Verwaltungs-AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit den Begehren:
"1. Es sei der Beklagten - unter der Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer Organe im Widerhandlungsfall - gerichtlich zu verbieten, das Wort ,BAVAG' in irgendeinem Zusammenhang mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu verwenden.
2. Es sei die Beklagte - unter der Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer Organe im Unterlassungsfalle - gerichtlich zu verurteilen, den Bestandteil ,BAVAG' aus ihrer Firma zu entfernen."
Das Handelsgericht wies am 15. Dezember 1965 die Klage ab.
C.-
Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Klage gutzuheissen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Firma der Aktiengesellschaft muss sich von jeder in der Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden (
Art. 951 Abs. 2 OR
), ansonst der Inhaber der älteren Firma auf Unterlassung des Gebrauchs der neueren klagen kann (
Art. 956 Abs. 2 OR
). Dieses Klagerecht besteht selbst dann, wenn die beiden Gesellschaften nicht am gleichen Orte niedergelassen sind (
BGE 24 II 894
Erw. 3) und nicht miteinander im Wettbewerb stehen (
BGE 54 II 127
Erw. 3,
BGE 59 II 161
,
BGE 63 II 25
,
BGE 73 II 115
). Das Gebot deutlicher Unterscheidbarkeit der Firmen dient nicht der Ordnung des Wettbewerbes, sondern will das Publikum vor Irreführung schützen und den Inhaber der älteren Firma um seiner Persönlichkeit und seiner gesamten Geschäftsinteressen willen vor Verwechslungen bewahren. Der Besserberechtigte braucht sich nicht einmal den durch die Ähnlichkeit der Firma hervorgerufenen Eindruck gefallen zu lassen,
BGE 92 II 95 S. 97
er stehe mit dem anderen in rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen (
BGE 59 II 161
ff.,
BGE 88 II 294
f.). Er ist ferner z.B. auch schon dann im Sinne des
Art. 956 Abs. 2 OR
beeinträchtigt, wenn die Nachahmung seiner Firma bei Dritten, die nicht seine Kunden sind, zu lästigen Verwechslungen führen kann, etwa bei Behörden, beim Postpersonal oder bei Stellensuchenden (Bundesgericht in ZR 43 Nr. 211 S. 279).
2.
Aktiengesellschaften können unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze der Firmenbildung ihre Firma frei wählen (
Art. 950 Abs. 1 OR
). Nichts hindert sie also, dafür zu sorgen, dass sich ihre Firma von allen bereits eingetragenen deutlich unterscheide. Das Bundesgericht stellt daher an die Unterscheidungskraft der Firmen von Aktiengesellschaften strenge Anforderungen (
BGE 53 II 34
,
BGE 54 II 126
,
BGE 58 II 45
,
BGE 63 II 24
,
BGE 72 II 185
,
BGE 82 II 154
,
BGE 88 II 180
f., 295). Im Gesetz kommt der gleiche Gedanke dadurch zum Ausdruck, dass es nicht bloss Unterscheidbarkeit verlangt, sondern bestimmt, die Firma der Aktiengesellschaft müsse sich von jeder bereits eingetragenen deutlich unterscheiden.
Ob diesem Erfordernis Genüge geleistet sei, beurteilt sich grundsätzlich unter Berücksichtigung der ganzen Firma. Bestandteilen, die durch ihren Klang oder Sinn hervorstechen, kommt jedoch bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erhöhte Bedeutung zu, da sie in der Erinnerung besser haften bleiben und im Verkehr, sei es von der Gesellschaft selber, sei es von Dritten, oft allein verwendet werden, besonders im Gespräch. Daher kann schon der Gebrauch oder die Nachahmung des Hauptbestandteiles einer Firma die Unterscheidung so erschweren, dass Verwechslungen möglich werden (
BGE 25 II 37
f. Erw. 4,
BGE 36 II 70
Erw. 2,
BGE 38 II 644
Erw. 2,
BGE 53 II 34
,
BGE 59 II 158
,
BGE 61 II 123
,
BGE 72 II 185
,
BGE 73 II 112
,
BGE 77 II 324
,
BGE 82 II 154
, 341,
BGE 88 II 36
,
BGE 90 II 319
).
An die Unterscheidbarkeit von Phantasiebezeichnungen stellt die Rechtsprechung strengere Anforderungen als an die Unterscheidbarkeit von Firmen, die ganz oder teilweise aus Sachbezeichnungen, Ortsangaben oder ähnlichen zum gemeinsamen Sprachgebrauch gehörenden Ausdrücken bestehen (
BGE 37 II 538
,
BGE 40 II 603
ff. Erw. 3,
BGE 54 II 128
,
BGE 72 II 186
,
BGE 77 II 325
,
BGE 82 II 154
, 341,
BGE 90 II 319
).
Das Bundesgericht hat ferner wiederholt hervorgehoben, dass die Verwechselbarkeit zweier Firmen von der Aufmerksamkeit
BGE 92 II 95 S. 98
abhängt, die in den Kreisen üblich ist, mit denen die beiden Inhaber geschäftlich zu verkehren pflegen (
BGE 59 II 158
,
BGE 58 II 45
,
BGE 73 II 113
,
BGE 74 II 237
f.,
BGE 77 II 324
,
BGE 82 II 154
,
BGE 88 II 295
,
BGE 90 II 201
). Wenden sich beide an die gleichen Kreise, so sind naturgemäss an die Unterscheidbarkeit ihrer Firmen strengere Anforderungen zu stellen. Verschiedenheit der Geschäftszwecke und des Geschäftssitzes verringern die Gefahr von Verwechslungen oft schon deshalb, weil sie abweichende Kundenkreise zur Folge haben. Zudem können sie Dritten zum Bewusstsein bringen, dass sie nicht ein und demselben Geschäftsinhaber gegenüberstehen. Schlechthin ausschlaggebend ist das aber nicht. Dass die Rechtsprechung bei der Firmenwahl besondere Rücksichtnahme auf die am gleichen Orte niedergelassenen und gleiche Zwecke verfolgenden Geschäftsleute verlangt (
BGE 63 II 25
,
BGE 73 II 115
,
BGE 76 II 87
f.,
BGE 82 II 154
,
BGE 88 II 36
, 181, 295), hat nicht den Sinn, die Firmen von Gesellschaften mit abweichenden Sitzen und Zwecken brauchten sich voneinander nicht deutlich zu unterscheiden.
3.
Im vorliegenden Falle liegt auf der Hand, dass sich die Wörter Pavag und Bavag in den Firmen der Parteien nicht deutlich voneinander unterscheiden. Der Umstand, dass die Beklagte das Wort Bavag in besonderer Schrift und mit einem Senkblei über dem Buchstaben v zu verwenden pflegt, ändert nichts. Weder die besondere Schrift noch das Senkblei sind Bestandteil ihrer Firma, wie sie im Handelsregister eingetragen ist. Irgendwelche Gewähr dafür, dass die Firma der Beklagten nur in dieser besonderen Ausgestaltung verwendet werde, besteht nicht. Dritte halten sich von vornherein nicht daran, weder im Verkehr unter sich noch im Verkehr mit der Beklagten. Auf Postsendungen an die Beklagte wird die Anschrift regelmässig in gewöhnlicher Schrift und ohne Senkblei verfasst, und z.B. auch dem Telephonbuch sind solche unterscheidende Kennzeichen fremd. Sie entfallen auch im gesamten telephonischen, telegraphischen und mündlichen Verkehr.
Beiden Firmen ist ferner die Angabe der Gesellschaftsform durch die Buchstaben AG gemeinsam.
Wenn die Beklagte, sei es von ihr selbst, sei es von Dritten, als Bavag AG oder auch bloss als Bavag bezeichnet wird. ist die Gefahr der Verwechslung mit der Klägerin so gross, dass selbst bei weitester Nachsicht von einer deutlichen Unterscheidbarkeit im Sinne des Gesetzes nicht die Rede sein kann.
BGE 92 II 95 S. 99
Dass die Klägerin in Nebikon, die Beklagte dagegen in Zürich niedergelassen ist, ändert nichts. Einmal hat die Klägerin nachgewiesen, dass auch sie in Zürich ein Büro unterhält. Aber auch abgesehen hievon leuchtet ein, dass sich ihre geschäftliche Tätigkeit nicht auf den Ort ihres Sitzes Nebikon beschränkt und dass anderseits die Beklagte nicht bloss in Zürich tätig wird. Die Natur der Geschäftszwecke der Parteien ermöglicht ohne weiteres, dass sie an den gleichen Orten auftreten. Die Nichtübereinstimmung des Sitzes schliesst die Gefahr von Verwechslungen um so weniger aus, als weder der eine noch der andere Firmenname eine Ortsangabe enthält. Auch der Umstand, dass die Klägerin Kraftpapiere verwertet, besonders Säcke aus solchen herstellt und vertreibt, die Beklagte dagegen Liegenschaften baut und verwaltet und damit zusammenhängende Geschäfte tätigt, schützt nicht genügend vor Verwechslungen. Er besagt nur, dass die Parteien nicht miteinander im Wettbewerb stehen. Die Klägerin hat indessen nicht nur Anspruch darauf, dass ihr nicht durch Verwechslungen Kunden verloren gehen, sondern sie darf erwarten, dass ihr überhaupt im Geschäftsverkehr, z.B. im Umgang mit der Post, mit Banken, mit Behörden, die Unannehmlichkeiten und die direkt oder indirekt schädlichen Einflüsse von Verwechslungen erspart bleiben. Sie braucht sich auch nicht gefallen zu lassen, dass Dritte meinen, sie sei eine Tochter- oder Muttergesellschaft der Beklagten oder mit ihr wirtschaftlich verbunden. Berührungspunkte zwischen den beiden Gesellschaften sind um so eher denkbar, als die Klägerin unter anderem Papiersäcke zur Verpackung von Baumaterialien, wie Zement, Gips, Kalk, und solche zur Beseitigung von Kehricht absetzt. Der Zusammenhang mit dem Bau und der Verwaltung von Liegenschaften ist daher hergestellt, wenn auch nur sehr locker. Dazu kommt, dass die "Beteiligung an Unternehmungen verwandter Art" zu den Geschäftszwecken der Klägerin gehört und dass diese in der Pavatex AG eine Tochtergesellschaft hat, welche, wie früher die Klägerin selber, Faserplatten herstellt, die im Baugewerbe verwendet werden. Die Vermutung, auch die Beklagte als Herstellerin von Bauten sei eine Tochtergesellschaft der Klägerin, liegt deshalb nicht ganz fern.
4.
Der Entscheid darüber, ob die Firma der Beklagten sich von jener der Klägerin deutlich unterscheide, hängt unter diesen Umständen davon ab, ob die Bezeichnung "Bau- und
BGE 92 II 95 S. 100
Verwaltungs-AG" die durch das Wort Bavag geschaffene Verwechslungsgefahr behebe.
Das ist zu verneinen. "Bau- und Verwaltungs-AG" ist ein schwacher Bestandteil der Firma, weil er die geschäftliche Tätigkeit der Beklagten umschreibt und insofern sprachliches Gemeingut ist. Dritte werden dazu neigen, ihn wegzulassen, weil sie ihn als überflüssig erachten oder nur das Wort Bavag als eigentlichen Namen der Beklagten ansehen. Das Bestreben nach Kürzung wird sich besonders in Anschriften auf Postsendungen und im mündlichen Verkehr durchsetzen. Auch die Beklagte selber wird in Gesprächen ihrer Organe und Angestellten, besonders am Telephon, kaum jemals mit ihrem vollen Namen auftreten. Lange Firmen pflegen mit Vorliebe abgekürzt zu werden (
BGE 82 II 156
). Beibehalten werden dabei nur die charakteristischen Bestandteile, während man Zusätze, welche den Geschäftszweck, den Sitz und dgl. bezeichnen, als nebensächlich weglässt. Charakteristisch aber ist in der Firma der Beklagten das Wort Bavag. Es ist eine Abkürzung von "Bau- und Verwaltungs-AG". Die Beklagte hat es nicht in die Firma aufgenommen, um diese zu verlängern, sondern um ihr ein auffallendes Gepräge zu verleihen und sie in abgekürzter Form gebrauchen zu können. In zahlreichen Inseraten und auf ihrer Geschäftskarte hebt sie "Bavag" denn auch in besonders grosser und eigenartiger Schrift von dem nur klein geschriebenen übrigen Teil der Firma ab. Dieses Wort eignet sich um so besser, für sich allein zur Bezeichnung der Beklagten verwendet zu werden, als es ein reines Phantasiewort ist.
5.
Die Beklagte und das Handelsgericht glauben, an die Unterscheidbarkeit der Firmen seien geringere Anforderungen zu stellen, weil es sonst einer neuen Aktiengesellschaft schon lange praktisch unmöglich wäre, einen Namen zu finden. Diese Auffassung hält nicht stand. Phantasiebezeichnungen, wie die Aktiengesellschaft sie wählen dürfen, lassen sich in genügender Zahl ausdenken. Nichts nötigte die Beklagte, einer weit verbreiteten Sitte folgend, den Hauptbestandteil der Firma aus den Anfangs- bzw. Hauptbuchstaben der Sachbezeichnungen Bau, Verwaltung und Aktiengesellschaft zu bilden. Wer so unbedacht vorgeht, wird immer wieder auf Phantasiewörter von ungefähr gleicher Länge und Zusammensetzung fallen, wie sie schon in anderen Firmen vorkommen. Die
Art. 951 Abs. 2 und 956 OR
stellen indessen höhere Anforderungen.
BGE 92 II 95 S. 101
Das Erfordernis deutlicher Unterscheidbarkeit der Firmen geht dem Wunsche vor, ohne besondere Anstrengung einen gefälligen Namen zu finden.
Der Beklagten hilft auch der Einwand nicht, die Firma der Klägerin sei bereits durch andere Firmen, die ihr glichen, abgeschwächt worden, weshalb auch der Name der Beklagten sich ihr nähern dürfe. Gewiss kommen die Wörter Bawag, Bewag, Buwag, Bevag und Bauvag als Hauptbestandteil der Firmen von sechs Aktiengesellschaften vor, die an verschiedenen schweizerischen Orten niedergelassen sind. Es war jedoch Sache der Klägerin, sich schlüssig zu werden, ob sie ihre Verwendung untersagen lassen wolle oder nicht. Indem sie davon absah, den Richter anzurufen, begab sie sich des Klagerechtes gegenüber der heutigen Beklagten nicht. Es kann auch nicht gesagt werden, das Wort Pavag habe durch die wenigen nachgewiesenen Annäherungen seine Unterscheidungskraft verloren und gehöre fortan einem Wortschatz an, der Gemeingut sei. Es ist nach wie vor eine reine Phantasiebezeichnung, die der Klägerin nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes zu ausschliesslichem Gebrauche zusteht.
6.
Mit dem ersten Rechtsbegehren will die Klägerin der Beklagten verbieten lassen, das Wort Bavag in irgendeinem Zusammenhang mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit zu verwenden. Dieses Begehren ist gemäss
Art. 956 OR
begründet, soweit es auf Unterlassung des Gebrauchs als Firma oder Bestandteil einer solchen gerichtet ist. Dass die Beklagte das Wort Bavag bisher auch anders denn als Firmenbestandteil verwendet habe, ist nicht dargetan.
Ein unbefugter Gebrauch liegt unter anderem darin, dass das Wort als Teil der Firma der Beklagten im Handelsregister steht (vgl.
BGE 79 II 191
,
BGE 88 II 178
Erw. 1). Die Klägerin hat Anspruch auf Beseitigung dieses Eintrages. Das zweite Rechtsbegehren ist daher ebenfalls begründet. Immerhin ist der Beklagten, wie es in solchen Fällen üblich ist, eine angemessene Frist zu setzen, um das Wort Bavag aus dem Eintrag entfernen zu lassen.
Sowohl das Verbot gemäss Rechtsbegehren 1 als auch das Gebot gemäss Rechtsbegehren 2 sind, wie die Klägerin beantragt, mit der Androhung zu verbinden, dass Widerhandlungen für die Organe der Beklagten die in
Art. 292 StGB
vorgesehenen Strafen nach sich zögen.
BGE 92 II 95 S. 102
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 15. Dezember 1965 wird aufgehoben und die Klage wie folgt gutgeheissen:
1. Der Beklagten wird verboten, das Wort Bavag in irgend einem Zusammenhang als Firma oder Bestandteil einer solchen zu verwenden.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Handelsregisteramt des Kantons Zürich binnen dreissig Tagen um Entfernung des Wortes Bavag aus ihrer Firma zu ersuchen.
3. Für den Fall der Widerhandlung gegen das vorstehende Verbot (Ziffer 1) oder Gebot (Ziffer 2) wird den Organen der Beklagten gemäss
Art. 292 StGB
Haft oder Busse angedroht. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3e86c1e3-7e2a-45c6-851f-907219c7ed65 | Urteilskopf
84 I 56
8. Auszug aus dem Urteil vom 12. Februar 1958 i.S. Compagnie Continentale d'Importation gegen Eberle und Bezirksgerichtspräsident von Gossau. | Regeste
Art. 1 lit. e und Art. 4 Ziff. 1 des Genfer Abkommens zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927.
1. Vorbehalt der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates. Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs der Chambre Arbitrale de Paris in einem Rechtsstreit zwischen einer französischen Firma, die einem der Chambre Arbitrale angeschlossenen Verband angehört, und einer schweizerischen Firma. Bedeutung der vorbehaltlosen Einlassung vor einem Schiedsgericht, dessen Zusammensetzung zu Beanstandung Anlass geben könnte (Erw. 4).
2. Formelle Anforderungen an die mit dem Vollstreckungsbegehren vorzulegende Abschrift eines in Frankreich ergangenen Schiedsspruchs (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 56
BGE 84 I 56 S. 56
A.-
Am 24. und 26. August 1954 kaufte Viktor Eberle, der in Gossau Grosshandel mit Getreide und Futtermitteln betreibt, von der Compagnie Continentale d'Importation SA (CCI) in Paris je 100 Tonnen Weizen "aux conditions générales du contrat de Paris Nr. 14 (exportation par fer) de la Chambre syndicale des Grains et Farines et de la Meunerie de Paris sowie eventuelles Schiedsgericht der
BGE 84 I 56 S. 57
Chambre Arbitrale de Paris". Der erwähnte "Contrat de Paris Nr. 14" enthält folgende Schiedsklausel:
"Arbitrage: Tout différend survenant à l'occasion du présent contrat entre le vendeur, l'acheteur, le courtier ou entre deux d'entre eux, sera jugé par la CHAMBRE ARBITRALE DE PARIS (Bourse de Commerce, Paris 1er), qui le résoudra en dernier ressort, avec les pouvoirs d'arbitre amiable compositeur, et conformément à ses règlements que les contractants déclarent connaître et accepter."
Da Eberle die Ware im vereinbarten Zeitpunkt nicht abnahm, verkaufte die CCI sie und belangte hierauf Eberle bei der Chambre Arbitrale de Paris aus dem ersten Kaufvertrag auf SFr. 3953.10 und aus dem zweiten auf SFr. 3278.-- Schadenersatz. Die von der Commission d'arbitrage du premier degré erlassenen Urteilsentwürfe kamen zur Gutheissung beider Klagen. Der Beklagte Eberle, der inzwischen einen Anwalt in Paris mit seiner Vertretung beauftragt hatte, verlangte die Beurteilung durch eine Commission d'arbitrage du deuxième degré. Der Präsident der Chambre Arbitrale bestellte hierauf eine solche Schiedskommission aus 5 in der Schiedsrichterliste aufgeführten Personen. Diese erliess nach mehreren mündlichen Verhandlungen, an denen der Beklagte Abweisung beider Klagen beantragte, am 8. März 1956 zwei Urteile. Mit dem einen wies sie die Klage der CCI aus dem ersten Kaufvertrag wegen Verwirkung ab und verpflichtete die CCI, dem Beklagten Verfahrenskosten im Betrage von FFr. 20'000.-- zu ersetzen; mit dem andern hiess sie die Klage aus dem zweiten Kaufvertrag gut, verurteilte den Beklagten zur Zahlung von SFr. 3150.-- nebst Zins seit 17. März 1955 und verpflichtete ihn, der CCI Verfahrenskosten im Betrage von FFr. 10'000.-- sowie die allfälligen Kosten der Registrierung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zu ersetzen. Dieser Schiedsspruch wurde bei der Kanzlei des Tribunal civil de 1re instance du Département de la Seine hinterlegt, dort am 5. Juli 1956 unter Erhebung einer Gebühr von FFr. 12'052.-- registriert und vom Vizepräsidenten des Gerichts für vollstreckbar erklärt.
BGE 84 I 56 S. 58
B.-
Die CCI leitete hierauf mit Zahlungsbefehl Nr. 8328 des Betreibungsamts Gossau Betreibung ein gegen Eberle für Fr. 3 150.-- nebst 5% Zins seit 17. März 1955 und stellte, als der Betriebene Recht vorschlug, unter Berufung auf das Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 26. September 1927 das Begehren um definitive Rechtsöffnung für den genannten Betrag.
Durch Verfügung vom 25. Juni 1957 verweigerte der Bezirksgerichtspräsident von Gossau die Rechtsöffnung, im wesentlichen mit folgender Begründung: Die Vollstreckung des Schiedsgerichts in der Schweiz würde gegen die schweizerische öffentliche Ordnung verstossen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 80 I 340
und dort zitierte frühere Urteile) sei ein Schiedsspruch nicht vollstreckbar, wenn einer Partei bei der Bestellung des Schiedsgerichts eine Vorzugsstellung zukomme. Das treffe hier zu. Die CCI sei Mitglied des Syndicat des Grains et Farines et de la Meunerie de Paris, das zusammen mit andern Berufsverbänden die Chambre Arbitrale de Paris bilde. Da die Schiedsrichter auf Vorschlag dieser Verbände gewählt würden, habe die CCI direkt oder indirekt Einfluss auf ihre Wahl. Auf jeden Fall habe sie, im Gegensatz zu Eberle, im Schiedsgericht eine bevorzugte Stellung. Es fehle somit an den Vollstreckungsvoraussetzungen, wie sie in Art. 1 lit. e des Genfer Abkommens in Verbindung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung festgelegt seien. Überdies erhebe sich noch die Frage, ob die Gläubigerin die Voraussetzungen des Art. 4 des Genfer Abkommens erfüllt habe. Es sei unmöglich, die von ihr ins Recht gelegte Urkunde mit der Überschrift "Sentence arbitrale" auf deren Rechtsgültigkeit und Vollstreckbarkeit zu überprüfen; diesbezügliche Bedenken schienen sich zu rechtfertigen.
C.-
Gegen diesen Entscheid hat die Compagnie Continentale d'Importation SA am 2. Juli 1957 staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, es sei ihr in
BGE 84 I 56 S. 59
Aufhebung des angefochtenen Entscheids die definitive Rechtsöffnung für Fr. 3150.-- nebst 5% Zins seit 17. März 1955 zu gewähren. Als Beschwerdegrund wird Verletzung des Genfer Abkommens geltend gemacht.
D.-
Der Bezirksgerichtspräsident von Gossau hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdegegner Viktor Eberle beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Nach Art. 1 lit. e des Genfer Abkommens darf die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs in der Schweiz verweigert werden, wenn sie der öffentlichen Ordnung der Schweiz widersprechen würde.
a) (Verweisung auf
BGE 84 I 46
Erw. 4 und 5).
b) Nach dem Reglement der Chambre Arbitrale de Paris vom 2. April 1952 (wie schon nach demjenigen vom 25. März 1926, abgedruckt bei SCHÖNKE, Die Schiedsgerichtsbarkeit in Zivil- und Handelssachen in Europa Bd. II S. 300 ff.) können grundsätzlich nur solche Personen zu Schiedsrichtern ernannt werden, die in der vom Comité der Chambre Arbitrale (auf Vorschlag der ihr angeschlossenen Verbände) aufgestellten Schiedsrichterliste eingetragen sind und die französische Staatsangehörigkeit besitzen (Art. 5 und 6; vgl. immerhin Art. 8, wonach der Präsident der Chambre Arbitrale auch andere Personen als Schiedsrichter ernennen oder zulassen kann). Eine derartige Beschränkung auf eine geschlossene Richterliste ist, wie das Bundesgericht im Urteil vom heutigen Tag i.S. Ligna c. Baumgartner & Co. SA (
BGE 84 I 50
Erw.6a) festgestellt hat, nicht nur im englisch-amerikanischen Rechtskreis üblich, sondern auch in Europa verbreitet (vgl. die bei SCHÖNKE a.a.O. I 493 ff. abgedruckten Schiedsgerichtsordnungen der Internationalen Handelskammer, der Internationalen Filmkammer und der Internationalen Foederation der Spediteurorganisationen, ferner die bei MAYENFISCH, La clause attributive de juridiction et la
BGE 84 I 56 S. 60
clause arbitrale dans les contrats de vente de caractère international, Diss. Fribourg 1957, S. 92 ff. wiedergegebenen Schiedsgerichtsordnungen osteuropäischer Handelskammern). Dieses Listensystem mag neben Vorteilen auch Nachteile haben, verletzt jedoch als solches keinesfalls das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise.
Das Reglement der Chambre Arbitrale sieht zwei Instanzen von Schiedsgerichten vor: die untere, die nur einen Urteilsentwurf erlässt, besteht aus drei Schiedsrichtern, von denen jede Partei einen und der Präsident der Chambre Arbitrale den Obmann ernennt (Art. 13); die obere ist zusammengesetzt aus 5 Schiedsrichtern, die von Fall zu Fall vom Präsidenten der Chambre Arbitrale ernannt werden (Art. 17). Es fragt sich, ob diese Ernennung des Obmanns des untern und aller 5 Mitglieder des obern Schiedsgerichts durch den Präsidenten der Chambre Arbitrale die Unabhängigkeit der Schiedsgerichte als beeinträchtigt erscheinen lässt. Die Chambre Arbitrale de Paris ist, nach den Statuten vom 26. Mai 1955, eine Vereinigung von 42 nationalen und regionalen Berufsverbänden des Handels und der Industrie verschiedener Branchen und hat als Hauptzweck die rasche, einfache und billige Erledigung der ihr unterbreiteten Handelsstreitigkeiten. Ihr Präsident wird vom Comité gewählt, das sich aus den Präsidenten der Sektionen zusammensetzt, welche aus den Delegierten der angeschlossenen Verbände gebildet werden. Die Beschwerdeführerin, die Mitglied eines dieser Verbände ist, hatte somit im Gegensatz zum Beschwerdegegner, der es nicht ist, einen gewissen, wenn auch zweifellos nur ganz geringen und indirekten Einfluss auf die vom Präsidenten der Chambre Arbitrale getroffene Wahl der Schiedsrichter, die den vorliegenden Schiedsspruch gefällt haben. In seiner Rechtsprechung zu
Art. 61 BV
hat das Bundesgericht offen gelassen, ob ein so geringfügiger Einfluss der einen Prozesspartei auf die Bestellung eines Schiedsgerichts dessen Unabhängigkeit derart beeinträchtige, dass die Vollstreckung seiner Entscheide ausgeschlossen sei (
BGE 72 I 89
Erw. 2 a,
BGE 84 I 56 S. 61
BGE 78 I 114
). Diese Frage ist jedenfalls für Schiedsgerichte von Handelskammern, Börsen usw. zu verneinen, da diese Institutionen nicht wie die Wirtschaftsverbände, auf deren Schiedsgerichte sich jene Rechtsprechung bezieht, die Interessen einer bestimmten, meist kartellmässig organisierten Berufsgruppe vertreten. Mag auch die paritätische Wahl der Schiedsrichter durch die Parteien oder ihre Ernennung durch ein staatliches Gericht, wie sie das Bundesgericht für Verbandsschiedsgerichte empfohlen hat, im allgemeinen den Vorzug verdienen, so kann doch in der Bestellung durch eine Handelskammer, Börse usw. oder durch deren Vorsitzenden, zumal bei der im Gebiete der Urteilsvollstreckung gebotenen Zurückhaltung in der Anwendung der ordre public-Klausel (
BGE 78 II 251
,
BGE 81 I 145
), kein Verstoss gegen die schweizerische öffentliche Ordnung erblickt werden (vgl. auch
BGE 84 I 51
Erw. 6 c).
c) Wäre die Bestellung des Schiedsgerichts aus dem Gesichtspunkt der schweizerischen öffentlichen Ordnung zu beanstanden, so würde sich die Frage erheben, ob der Beschwerdegegner das Recht zur Berufung auf diesen Mangel nicht dadurch verwirkt hat, dass er die obere Schiedskommission selber angerufen und am Verfahren vor ihr teilgenommen hat, ohne ihre Zusammensetzung zu beanstanden. Das Bundesgericht hat freilich in seiner Rechtsprechung zu
Art. 61 BV
wiederholt ausgesprochen, dass auch eine Partei, die sich auf das Schiedsgerichtsverfahren vorbehaltlos einlasse, noch bei der Vollstreckung des Schiedsspruchs geltend machen könne, dem Schiedsgericht habe die erforderliche Unabhängigkeit gefehlt (
BGE 80 I 343
und dort zitierte frühere Urteile). Ob an dieser Rechtsprechung, gegen die gewichtige Einwendungen erhoben worden sind (GULDENER, Die Gerichtsbarkeit der Wirtschaftsverbände, ZSR 1952 S. 251 a ff.), festzuhalten sei, ist fraglich. Selbst wenn sie aber für Schiedssprüche von Verbandsschiedsgerichten über Streitigkeiten zwischen dem Verband und einem Mitglied beizubehalten wäre, könnte sie kaum auf Schiedssprüche wie den vorliegenden
BGE 84 I 56 S. 62
ausgedehnt werden. Es ist mit dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Prozessrecht gilt (vgl.
BGE 83 II 348
ff.), nicht wohl vereinbar, dass ein Grosskaufmann eine Schiedsklausel abschliesst und sich auf das Verfahren vor dem vereinbarten ausländischen Schiedsgericht einer Handelskammer oder Börse vorbehaltlos einlässt, um dann im Falle des Unterliegens die Zusammensetzung des Schiedsgerichts zu beanstanden unter Berufung auf Grundsätze des schweizerischen Rechts, die, wie hier, offenbar weder der Gegenpartei noch den Mitgliedern des Schiedsgerichts bekannt waren.
5.
Nach Art. 4 Ziff. 1 des Genfer Abkommens hat die Partei, welche die Vollstreckung des Schiedsspruchs verlangt, dessen Urschrift vorzulegen oder eine Abschrift, die nach der Gesetzgebung des Landes, in dem er ergangen ist, alle für ihre Beweiskraft erforderlichen Bedingungen erfüllt. Dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Urkunde diesen Anforderungen genüge, wird vom Bezirksgerichtspräsidenten und vom Beschwerdegegner zu Unrecht bezweifelt. Es handelt sich um die auf Ersuchen der Beschwerdeführerin erstellte, mit der Unterschrift des Gerichtsschreibers und dem Amtsstempel des Gerichts versehene Abschrift einer Verfügung des (Vize-) Präsidenten des Tribunal civil de première instance du Département de la Seine. Diese Verfügung stellt fest, dass der (darin samt Begründung vollständig wiedergegebene) Schiedsspruch gemäss Art. 1020 CPC am 27. März 1956 bei der Gerichtskanzlei hinterlegt worden ist, und erklärt den Schiedsspruch für vollstreckbar; dazu wird in der Abschrift bestätigt, dass das Original dieser Verfügung vom Präsidenten und Gerichtsschreiber unterzeichnet und am 5. Juli 1956 unter Erhebung einer Gebühr von FFr. 12'052.-- registriert worden ist. Diese Abschrift entspricht den Anforderungen des französischen Rechts. Nach diesem ist die Urschrift des Schiedsspruchs bei der Kanzlei des Gerichts, dessen Präsident zum Erlass der Exequaturverfügung zuständig ist, zu hinterlegen und bleibt bei dessen Akten, und der
BGE 84 I 56 S. 63
Gerichtsschreiber erstellt, wie von andern Urteilen, die erforderlichen Ausfertigungen, davon eine erste, "grosse" genannte und mit der Exekutionsformel versehene für die obsiegende Partei (vgl. GARSONNET et CEZAR-BRU, Traité de procédure III Nr. 685 und VIII Nr. 299, 302, 303; DALLOZ, Répertoire de procédure civile, 1955, unter "Expédition et Grosse" Nr. 56). Diese Ausfertigungen müssen mit der Unterschrift des Gerichtsschreibers und mit dem Gerichtsstempel versehen seien (DALLOZ a.a.O. Nr. 27). Die Angabe des Datums, an welchem die Ausfertigung (Abschrift) erstellt wurde, ist dagegen nicht erforderlich; es genügt, dass daraus der Zeitpunkt der Hinterlegung des Schiedsspruchs und der Registrierung der Exequaturverfügung ersichtlich ist. Die vorliegende Urkunde erfüllt somit alle nach dem französischen Recht für ihre Beweiskraft erforderlichen Bedingungen (Art. 4 Ziff. 1 des Genfer Abkommens). | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3e86e6ac-b833-422f-863a-ea1c90540885 | Urteilskopf
107 Ia 256
51. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Dezember 1981 i.S. I. gegen Generalprokurator-Stellvertreter und Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Persönliche Freiheit.
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
. Übermässige Dauer der Untersuchungshaft.
1. Ausnahme von der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1).
2. Überschreitung der zulässigen Haftdauer, wenn die Untersuchungshaft die mutmassliche Dauer der zu erwartenden Freiheitsstrafe übersteigt (E. 2 u. 3). | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 107 Ia 256 S. 256
Das Untersuchungsrichteramt Bern führt eine Strafuntersuchung gegen den deutschen Staatsangehörigen I. Sie erstreckt sich auf rund 145 Fälle vollendeten oder versuchten Einbruchdiebstahls in einer Reihe schweizerischer Kantone, ferner auf Betrug und Urkundenfälschung, begangen durch Einlösung gefälschter Checks, sowie auf einen Fall versuchter Erpressung. I. befindet sich seit dem 21. Mai 1979 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 2. Juli 1981 stellte er ein Haftentlassungsgesuch, das abgewiesen wurde. Eine dagegen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 31. August 1981 ebenfalls ab. Am 22. Oktober 1981 stellte I. ein weiteres Gesuch um Entlassung aus der Untersuchungshaft. Dieses wurde von der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern mit Entscheid vom 28. Oktober 1981 abgewiesen.
BGE 107 Ia 256 S. 257
Dagegen führt I. staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und es sei anzuordnen, dass er aus der Untersuchungshaft zu entlassen sei. Er beruft sich auf "bundesrechtliche und rechtsstaatliche Grundsätze", auf das Willkürverbot sowie auf "die anerkannten Normen der EMRK". Der Stellvertreter des Generalprokurators und sinngemäss auch die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern beantragen, es sei die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorischer Natur, das heisst es kann mit ihr nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, nicht aber der Erlass positiver Anordnungen durch das Bundesgericht verlangt werden. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die von der Verfassung geforderte Lage nicht schon mit der Aufhebung des kantonalen Entscheids hergestellt wird, sondern dafür eine positive Anordnung nötig ist. Das trifft hinsichtlich einer nicht oder nicht mehr gerechtfertigten Untersuchungshaft zu (
BGE 105 Ia 29
E. 1). Auf die Beschwerde ist daher auch einzutreten, soweit der Beschwerdeführer beantragt, er sei aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Gemäss
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
muss eine staatsrechtliche Beschwerde hinreichend begründet werden; namentlich muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss eine Verletzung der persönlichen Freiheit sowie des
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
geltend. Er begründet die Beschwerde nur sehr summarisch; aus dem gesamten Zusammenhang geht indessen hinreichend hervor, was er meint. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Der Beschwerdeführer ist wegen Fluchtgefahr inhaftiert. Er bestreitet diesen Haftgrund nicht. Seine Beschwerde richtet sich einzig gegen die Dauer der Untersuchungshaft, welche er für übermässig hält.
a) Gemäss
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
hat eine in Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist abgeurteilt oder während des Verfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Dass eine an sich gerechtfertigte Untersuchungshaft nicht übermässig lang dauern darf, ergibt sich auch aus der persönlichen Freiheit (
BGE 105 Ia 32
E. 4b mit Hinweisen). Eine übermässige Haft stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses
BGE 107 Ia 256 S. 258
Grundrechts dar. Wird die zumutbare Grenze der Haftdauer überschritten, so muss deshalb der Inhaftierte aus der Untersuchungshaft entlassen werden, auch wenn die ihm zur Last gelegte Tat schwer und die Fluchtgefahr erheblich sein mögen. Namentlich ist in Kauf zu nehmen, dass der Verfolgte die wiedergewonnene Freiheit dazu benutzt, sich durch Flucht dem weiteren Strafverfahren zu entziehen, und dass damit der normale Abschluss des Strafverfahrens in Frage gestellt wird.
b) Wann die Dauer einer Haft als übermässig zu betrachten ist und wo die Grenze zwischen der angemessenen und nicht mehr angemessenen Frist zu ziehen ist, lässt sich nicht leicht bestimmen. Es muss hiefür das Interesse des Verfolgten an der Wiederherstellung seiner Freiheit gegenüber dem entgegenstehenden Interesse des Staats an der wirksamen Verfolgung seines Strafanspruchs abgewogen werden (
BGE 105 Ia 32
E. 4b). Ähnlich wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. Urteile Wemhoff vom 27. Juni 1968, En droit § 5; Neumeister vom 27. Juni 1968, En droit § 5; Stögmüller vom 10. November 1969, En droit § 4; in: Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, vol. 7, 8 u. 9) sowie die Europäische Kommission für Menschenrechte (vgl. zuletzt den Bericht im Fall Bonnechaux vom 5. Dezember 1979, in: Commission européenne des droits de l'homme, décisions et rapports 18/1980 S. 115) und teilweise in Anlehnung an deren Rechtsprechung nimmt das Bundesgericht diese Wertung anhand der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falls vor (
BGE 105 Ia 33
;
BGE 105 Ia 186
ff. nicht publizierte E. 5, wiedergegeben in SJIR 1980 S. 252 f.; nicht publiziertes Urteil F. vom 26. Mai 1978 E. 9; BGE
BGE 102 Ia 379
ff. nicht publizierte E. 2c). Danach kann eine Haft die zulässige Dauer unter anderem dann überschreiten, wenn die Strafuntersuchung nicht genügend vorangetrieben wird, wobei sowohl das Verhalten der Justizbehörden als auch dasjenige des Inhaftierten in Betracht gezogen werden müssen.
Darüber hinaus liegt aber eine Überschreitung der zulässigen Haftdauer jedenfalls dann vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden Freiheitsstrafe übersteigt (
BGE 105 Ia 32
E. 4b). Der Haftrichter darf die Untersuchungshaft nur solange erstrecken, als ihre Dauer nicht in grosse Nähe der konkret zu erwartenden Strafe rückt; er darf nicht etwa auf die angedrohte Höchststrafe abstellen (Trechsel, Die Europäische Menschenrechtskonvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die
BGE 107 Ia 256 S. 259
schweizerischen Strafprozessrechte, Bern 1974, S. 262). Dieser Grenze ist auch deshalb besondere Beachtung zu schenken, weil das erkennende Gericht dazu neigen könnte, die Dauer der erstandenen Untersuchungshaft bei der Strafzumessung mit zu berücksichtigen (TRECHSEL a.a.O. S. 262; SCHUBARTH, Die Artikel 5 und 6 der Konvention, insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, in: ZSR 94/1975 I S. 489). Insofern besteht somit eine Art absolute Höchstdauer der Untersuchungshaft.
3.
a) Das Bundesgericht hat im Urteil vom 31. August 1981 darauf hingewiesen, dass die lange Dauer der Untersuchungshaft vor allem vom Beschwerdeführer zu vertreten sei, dass aber auch auf Seite der Behörden gewisse, möglicherweise vermeidbare Verzögerungen aufgetreten seien. Soweit jener Beschwerde der Sinn zukam, die Untersuchungshaft sei wegen Verzögerung des Verfahrens durch das Untersuchungsrichteramt unzulässig verlängert worden, hat es sie als unbegründet bezeichnet. Der Beschwerdeführer beanstandet nun, dass die Untersuchung, entgegen der Darstellung, von der das Bundesgericht im früheren Fall auszugehen hatte, noch nicht abgeschlossen worden und die Untersuchungshaft weiterhin aufrechterhalten worden sei. Diese Verzögerung ist indessen vorwiegend durch die Erkrankung des bisherigen Untersuchungsrichters bedingt; sie vermag daher das Ergebnis jener Beurteilung noch nicht umzustossen. Es kann sich somit einzig fragen, ob die Gesamtdauer der Untersuchungshaft, objektiv betrachtet, heute nicht die Dauer des Zulässigen überschritten hat.
b) Hinsichtlich der mutmasslichen Freiheitsstrafe hat das Bundesgericht im Urteil vom 31. August 1981 festgehalten, aufgrund der Vernehmlassung des Generalprokurators, wonach der Beschwerdeführer in mehr als 20 Fällen des Einbruchdiebstahls überführt und in weiteren 21 Fällen dringend verdächtigt sei, scheine sich zu ergeben, dass die Anklagebehörde die Sache nur hinsichtlich eines eher bescheidenen Teils der insgesamt 145 untersuchten Tatbestände vor Gericht bringen wolle. Bei der Abschätzung der zu erwartenden Strafe sei ferner zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer in keinem Fall ein mit Gewalt gegen Personen verbundenes Vorgehen zur Last gelegt werde. Das Bundesgericht hat daraus geschlossen, gesamthaft betrachtet nähere sich die Untersuchung "nun rasch der Grenze, bei deren Erreichung unabhängig vom Stand des Verfahrens und vom Grad der Fluchtgefahr eine Entlassung zu erfolgen haben wird" (E. 4c S. 8 f.). Es ging dabei von der Annahme aus, die Sache könne noch im laufenden
BGE 107 Ia 256 S. 260
Jahr - in der Vernehmlassung des Generalprokurators war vom November die Rede - vom zuständigen Amtsgericht beurteilt werden.
Die Einhaltung dieses Zeitplans war nun - vorwiegend wie erwähnt wegen Erkrankung des bisherigen Untersuchungsrichters - nicht möglich. In einem Amtsbericht vom 27. November 1981 teilt der Präsident der Anklagekammer mit, es habe eine Konferenz sämtlicher Strafbehörden stattgefunden, denen es obliege, den Fall zum Abschluss zu bringen. Dabei sei festgelegt worden, die Sache sei bis zum 12. Januar 1982 zur Überweisung zu bringen, und für die Hauptverhandlung vor Amtsgericht seien bereits die Tage vom 25. bis 28. Januar 1982 reserviert worden.
Mit diesem neuen Zeitplan wird die im früheren Urteil des Bundesgerichts in Betracht gezogene Haftdauer um rund einen Monat überschritten; die Dauer der Untersuchungshaft wird danach bis zur Beurteilung durch die erste Instanz etwas über 2 Jahre und 8 Monate betragen. Sie muss als an der äussersten Grenze des Zulässigen betrachtet werden. Einzig im Hinblick darauf, dass nun eine Erledigung der Sache innert straff bemessenen Fristen in Aussicht steht, lässt es sich verantworten, die erwähnte Haftdauer noch in Kauf zu nehmen. Indes sind die Behörden des Kantons Bern darauf hinzuweisen, dass eine über Ende Januar 1982 dauernde Haft verfassungswidrig wäre, sofern bis dahin die Hauptverhandlung vor erster Instanz nicht abgeschlossen sein wird oder nicht innert kürzester Frist zum Abschluss gebracht werden kann, falls sich nach Beginn der Hauptverhandlung begründete Verzögerungen ergeben sollten. Sofern aber bis Ende Januar die Hauptverhandlung nicht begonnen haben sollte, so muss der Beschwerdeführer in jenem Zeitpunkt auf freien Fuss gesetzt werden, auch wenn die Verzögerung des Verhandlungsbeginns objektiv begründet sein sollte. Ein Vorbehalt ist einzig für den Fall anzubringen, dass der Beschwerdeführer die Verzögerung selber in einer wider Treu und Glauben verstossenden Weise herbeiführt. Dabei wird nicht übersehen, dass durch eine solche Entlassung aus der Haft der normale Abschluss des Strafverfahrens in Frage gestellt sein dürfte; denn abgesehen von der Fluchtgefahr, die der Untersuchungshaft zugrunde liegt, ist es schwer ersichtlich, auf welchen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Beschwerdeführer in der Schweiz sein Leben in Freiheit sollte führen können. Diese Folge ist indessen, wie dargelegt, mit Rücksicht auf das hochwertige Rechtsgut der persönlichen Freiheit in Kauf zu nehmen.
BGE 107 Ia 256 S. 261
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinn der Erwägungen abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
3e8c792a-6332-47bb-880c-dfade4f3e33c | Urteilskopf
114 Ib 277
42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. Oktober 1988 i.S. Stiftung X. gegen Steuerverwaltung des Kantons Bern und Steuerrekurskommission des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Befreiung einer Stiftung von der Steuerpflicht für das Vermögen und Einkommen, das ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken dient (
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
).
1. Gemeinnützig sind nur Zwecke, die aus gesellschaftlicher Gesamtsicht als besonders fördernswert gelten. Zur Steuerbefreiung einer Stiftung nach
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
genügt nicht, dass ihre Tätigkeit allgemein staatlichen Zielsetzungen entspricht (E. 2).
2. Eine private Stiftung, welche die Förderung des preisgünstigen und qualitativ hochstehenden Wohnungsbaus bezweckt, verfolgt keine ausschliesslich gemeinnützigen Zwecke, wenn mit ihrer Tätigkeit eigene unmittelbare Interessen des ihr nahestehenden Wirtschaftskreises verknüpft sind (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 278
BGE 114 Ib 277 S. 278
Das der Baugenossenschaft Z. nahestehende Architekten-Ehepaar A. errichtete am 14. März 1984 die Stiftung X. und widmete ihr ein Kapital von Fr. 250'000.--. In Ziff. 2 der Stiftungsurkunde ist der Zweck wie folgt umschrieben:
"Die Stiftung bezweckt die Förderung des Wohnens im weitesten Sinne.
Die Stiftung soll fördern:
- den gemeinnützigen und preisgünstigen Wohnungsbau
- die Grundlagenbeschaffung für Verfahren, Gestaltung, Formen, Finanzierung und Infrastruktur des Wohnungsbaus
- Wohnexperimente
- die Information der Öffentlichkeit über Probleme des Wohnens
- Bestrebungen zur Verhinderung der Spekulation mit Grundstücken aller Art
Die Stiftung kann besondere Leistungen auf dem Gebiet der Wohnförderung durch das Prämieren ausgeführter Bauten, das Ausrichten von Zusatzpreisen bei Wettbewerben usw. auszeichnen.
Die Stiftung kann alle Massnahmen ergreifen und Geschäfte tätigen, welche geeignet sind, den Stiftungszweck zu verwirklichen.
Die Stiftung nimmt ihre Tätigkeit sofort auf."
Die Veranlagungsbehörde für die direkte Bundessteuer des Kantons Bern lehnte das Begehren der Stiftung X. um Steuerbefreiung wegen ausschliesslicher Gemeinnützigkeit ab und veranlagte sie für die Steuerperiode 1983/84 mit einem steuerbaren Vermögen von Fr. 230'000.--. Die Veranlagungsbehörde und anschliessend die Steuerrekurskommission des Kantons Bern wiesen ihre Rechtsmittel ab. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Stiftung X., der Entscheid der Steuerrekurskommission sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie von der Steuer befreit sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
a) Die direkte Bundessteuer der Stiftungen umfasst nach
Art. 51 Abs. 1 BdBSt
eine Steuer vom Einkommen und eine Ergänzungssteuer vom Vermögen, für die sinngemäss die Bestimmungen über die Besteuerung der natürlichen Personen gelten (Abs. 2). Stiftungen sind wie privatrechtliche Körperschaften von der Steuerpflicht für das Einkommen und Vermögen befreit, das Kultus- oder Unterrichtszwecken, der Fürsorge für Arme und Kranke, für Alter und Invalidität oder anderen ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken dient (
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
).
BGE 114 Ib 277 S. 279
b) Gemeinden und andere öffentlichrechtliche und kirchliche Körperschaften und Anstalten sind nach
Art. 16 Ziff. 2 BdBSt
für ihr Vermögen und Einkommen, das öffentlichen Zwecken dient, steuerbefreit. Der Begriff der öffentlichen Zwecke im Sinn dieser Vorschrift umfasst jede Tätigkeit, die einem öffentlichen Interesse entspricht (
BGE 112 Ib 22
ff. E. b).
Demgegenüber hat das Bundesgericht den Begriff der ausschliesslich gemeinnützigen Zwecke nach
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
durchwegs sehr eng interpretiert.
Art 16 Ziff. 3 BdBSt
gewährt Steuerbefreiung nicht schon bei Gemeinnützigkeit schlechthin, sondern beschränkt sie auf ausschliesslich gemeinnützige Zwecke. Gemeinnützig sind nur Zwecke, die aus gesellschaftlicher Gesamtsicht als besonders fördernswert gelten (vgl. KÄNZIG, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1982,
Art. 16 N 14
BdBSt), wie die ausdrücklich genannten Kultus- und Unterrichtszwecke, Fürsorge für Arme, Kranke, für Alter und Invalidität. Der Begriff der ausschliesslichen Gemeinnützigkeit wurde in ständiger Rechtsprechung nicht in dem weiten Sinne verstanden, der jede Betätigung im Dienste der Allgemeinheit umfasst und der auch alle Bestrebungen einschliessen würde, welche irgendwie auf wirtschaftliche oder soziale Förderung einzelner Bevölkerungskreise gerichtet sind. Keine ausschliesslich gemeinnützige Tätigkeit liegt vor, wenn mit einer gemeinnützigen Zielsetzung auch Erwerbszwecke oder sonst eigene unmittelbare Interessen der juristischen Person oder ihrer Mitglieder verknüpft sind (vgl.
BGE 113 Ib 9
E. 2b, mit Hinweisen;
BGE 109 Ib 112
E. 2).
3.
a) Der Entscheid, ob einer privatrechtlichen Körperschaft oder Anstalt im Sinne von
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
Steuerfreiheit zu gewähren ist, kann für jede Veranlagungsperiode neu überprüft werden (
BGE 113 Ib 9
E. 2a, mit Hinweis). Er steht hier zunächst nur für die Periode 1983/84, d.h. für den Rest des Steuerjahres 1984 seit der Errichtung der Beschwerdeführerin zur Entscheidung. Die Vorinstanz hat dabei zutreffend nicht bloss den Stiftungszweck nach dem Statut (Stiftungsurkunde) der Beschwerdeführerin geprüft, sondern auch berücksichtigt, wie weit ihr Vermögen und Einkommen tatsächlich in uneigennütziger Weise für einen gemeinnützigen Zweck verwendet wird (ASA 13 84 E. 2). Es ist nicht zu beanstanden, dass sie dabei nicht bloss die Tätigkeit im Gründungsjahr 1984 allein untersuchte, sondern die bis zu ihrem Entscheid verfolgte Tätigkeit miteinbezog, in der nach der eigenen Darstellung der
BGE 114 Ib 277 S. 280
Beschwerdeführerin bis dahin keine wesentliche Änderung eingetreten war.
b) Die Beschwerdeführerin bezweckt nach ihren Statuten die Förderung des Wohnens im weitesten Sinne. Ihre Tätigkeit liegt schwerpunktmässig in der Erarbeitung und Vermittlung von konzeptionellen Grundlagen des preisgünstigen und qualitativ hochstehenden Wohnungsbaus und der Wohnraumverteilung. Im November 1984 führte sie eine Tagung zum Thema "Alternative Formen für gemeinnützige Wohnbauträger" durch, an der sich besonders Vertreter von Wohnbaugenossenschaften und Wohnbauförderungsinstitutionen beteiligten. Das Resultat wurde in einer 1985 veröffentlichten Broschüre (Wohnwert in Zukunft von der Fläche zur Qualität) zusammengefasst. Die zweite Tagung vom 6. März 1987 war dem Thema "Wieviel Wohnfläche braucht der Mensch?" gewidmet. Die Beschwerdeführerin setzte im Hinblick auf die Entwicklung eines Modells der Roh- und Altbaumiete eine Arbeitsgruppe ein. 1985 zeichnete sie zwei Anteilscheine einer Wohnbaugenossenschaft in Höhe von je Fr. 3'000.-, wobei mit einer Verzinsung nicht gerechnet wurde, und 1986 leistete sie einen Beitrag von Fr. 2'000.- an die Spielplastik "Wylosaurier".
c) Die Förderung des Wohnungsbaus, vor allem des sozialen Wohnungsbaus, gehört bereits seit Jahrzehnten auch zu den staatlichen Aufgaben. Der soziale Wohnungsbau wird vor allem in grossen städtischen Agglomerationen und in neuerer Zeit auch in Randgebieten von den Gemeinden mit Unterstützung des Bundes und der Kantone selbst betrieben oder gefördert. Nach
Art. 34sexies BV
greift auch der Bund fördernd in das Wohnbauwesen ein. Er trifft namentlich Massnahmen zur Verbilligung des Wohnungsbaus und unterstützt Bestrebungen auf dem Gebiet des Siedlungs- und Wohnungswesens zugunsten von Familien, Personen mit beschränkten Erwerbsmöglichkeiten, Betagten, Invaliden und Pflegebedürftigen sowie die Bauforschung und Baurationalisierung.
d) Wo sozialer Wohnungsbau von Gemeinden, öffentlichrechtlichen Körperschaften oder Anstalten selber übernommen wird, kann diesem (öffentlichen) Zweck dienendes Vermögen und Einkommen nach
Art. 16 Ziff. 2 BdBSt
von der direkten Bundessteuer befreit werden (
BGE 112 Ib 24
E. d, e).
Wenn eine private Körperschaft oder Anstalt sozialen Wohnungsbau betreibt oder ihn fördert, kann zwar angenommen werden, dies liege im Interesse der Allgemeinheit, da dieser Zweck
BGE 114 Ib 277 S. 281
auch als staatliche Aufgabe anerkannt ist. Das zieht jedoch (wie oben E. 2b ausgeführt) nicht notwendigerweise die Befreiung von den Steuern gestützt auf
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
nach sich. So verfolgen privatrechtliche Körperschaften oder Anstalten, die selbst sozialen Wohnungsbau betreiben, keine ausschliesslich gemeinnützigen Zwecke; denn Baugesellschaften wahren mit der Anlage ihres Kapitals im sozialen Wohnungsbau gleichzeitig ihre eigenen Interessen (
BGE 74 I 312
E. 2) und Selbsthilfegenossenschaften verfolgen zugleich die Interessen ihrer Mitglieder, für welche sie Wohnungen beschaffen (MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1985,
Art. 16 N 17
S. 79; KÄNZIG, a.a.O.,
Art. 16 N 15
S. 172; in Art. 6 Abs. 1 lit. a BG vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben ist dagegen ihre Befreiung von der Emissionsabgabe ausdrücklich vorgesehen).
e) Die auf die Förderung des qualitativ hochstehenden und preisgünstigen Wohnungsbaus gerichtete Tätigkeit der Beschwerdeführerin erfüllt die Anforderungen, die nach
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
an eine ausschliesslich gemeinnützige Zwecksetzung zu stellen sind, nicht. Dazu genügt nicht, dass diese Tätigkeit allgemein staatlichen Zielsetzungen entspricht (oben E. c). Wo die private Körperschaft oder Anstalt wirtschaftlich tätig ist oder bestimmte Wirtschaftszweige fördert, lässt sich eine Steuerbefreiung nur schwer rechtfertigen, auch wenn in denselben Bereichen (wie etwa im sozialen Wohnungsbau) der Staat selbst wirtschaftlich tätig ist oder eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit (beispielsweise durch Subventionen) unterstützt. So sind Vereinigungen, welche die Förderung der Landwirtschaft oder Werbung für Kurorte bezwecken, nicht im Sinne von
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
gemeinnützig tätig, obwohl Landwirtschaft und Fremdenverkehr auch staatlich gefördert werden.
Die Beschwerdeführerin bezweckt die Förderung des Wohnungsbaus, der eine wirtschaftliche und - bei Trägern des sozialen Wohnungsbau zwar in geringerem Masse - grundsätzlich gewinnstrebige Tätigkeit ist. Sie entfaltet ihre Haupttätigkeit in enger Verbindung mit der Baugenossenschaft Z. Nicht nur bestimmt diese die Mehrheit der Stiftungsratsmitglieder, sie erhält nach Ziff. 1.3 und 1.4 des Stiftungs-Reglementes auch laufend Kenntnis von der Stiftungstätigkeit, kann auf Antrag des Stiftungsrates bei ihrer Tätigkeit mitwirken und von sich aus dem Stiftungsrat Vorschläge über seine Tätigkeit unterbreiten. Die Baugenossenschaft Z. führt auch das Sekretariat und die Buchhaltung der Beschwerdeführerin.
BGE 114 Ib 277 S. 282
Umgekehrt sind die Aktivitäten der Beschwerdeführerin auch für die Baugenossenschaft Z., ebenso wie für die übrigen Träger des sozialen Wohnungsbaus, unmittelbar von Nutzen. Sind mit der Tätigkeit der Beschwerdeführerin eigene unmittelbare Interessen von ihr nahestehenden Unternehmungen, die im Rahmen derselben Zielsetzung wirtschaftlich tätig sind, verknüpft, ist die Steuerbefreiung nach
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
ausgeschlossen (oben E. 2b). Es rechtfertigt sich nicht, einer Institution für eine Tätigkeit Steuerfreiheit zu gewähren, die im Interesse von ihr nahestehenden Unternehmungen ausgegliedert wurde, anstatt dass sie diese Unternehmungen selber ausüben.
Eine Steuerbefreiung käme nach
Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
nur in Betracht, wenn die Beschwerdeführerin mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine unmittelbaren Interessen des mit ihr verbundenen Wirtschaftskreises förderte und die wirtschaftliche Tätigkeit unmittelbar und ausschliesslich auf die Unterstützung Betagter, Invalider, Pflegebedürftiger oder weiterer Personen gerichtet wäre, die auf preisgünstige Wohnungen angewiesen sind. Auf die wirtschaftlichen und berufsethischen Bestrebungen der Beschwerdeführerin trifft dies nicht zu. Sie unterstützt solche Personen nicht unmittelbar, beispielsweise durch Gewährung zinsloser Darlehen zum Erwerb von Wohnungseigentum, Bürgschaftsleistung oder durch Zuschüsse zur Verbilligung von Miet- oder Hypothekarzinsen. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3e8db13e-e7fe-4584-8cea-dc8444a85785 | Urteilskopf
94 I 146
23. Urteil vom 3. Mai 1968 i.S. Fabrik X. AG gegen Rekurskommission des Kantons Bern. | Regeste
Wehrsteuer vom Reinertrag der Aktiengesellschaft:
Gewinne und Aufwendungen des ersten Geschäftsjahres, das nach Art. 58 WStB als Bemessungszeitraum für mehrere Veranlagungsperioden dient, sind nur bei der Berechnung der Steuer für eine dieser Perioden zu berücksichtigen, wenn sie als derart ausserordentlich erscheinen, dass durch ihre wiederholte Anrechnung die steuerpflichtige Gesellschaft über Gebühr benachteiligt oder begünstigt würde. | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 94 I 146 S. 146
A.-
Die Beschwerdeführerin, Fabrik X. AG, wurde am 1. Januar 1962 gegründet. Für das erste Geschäftsjahr (1962)
BGE 94 I 146 S. 147
wies sie einen Reinertrag von Fr. 3134.-- aus, nachdem sie vom Einstandswert des Warenlagers 1/3 = Fr. 115'523.-- abgestrichen hatte.
Entsprechend diesem Jahresabschluss setzte die kantonale Wehrsteuerverwaltung den steuerbaren Reinertrag der Beschwerdeführerin für das noch in Betracht fallende zweite Jahr (1962) der 11. Wehrsteuerperiode auf Fr. 3100.-- fest. Diese Veranlagung wurde rechtskräftig.
Bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin für die 12. Wehrsteuerperiode (1963/64) wurde der Berechnung des steuerbaren Reinertrages wieder das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde gelegt, doch wurde nun der Betrag von Fr. 115'523.--, den die Steuerpflichtige vom Einstandswert des Warenlagers abgestrichen hatte, nicht mehr zum Abzug zugelassen. Demgemäss wurde diesmal der steuerbare Reinertrag auf Fr. 118'600.-- festgesetzt. Diese Einschätzung wurde im Einspracheverfahren bestätigt. Die Beschwerde der Steuerpflichtigen gegen den Einspracheentscheid wurde von der kantonalen Rekurskommission am 30. Mai 1967 abgewiesen.
B.-
Die Steuerpflichtige ficht den Entscheid der Rekurskommission mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie beantragt, der steuerbare Reinertrag sei für die 12. Wehrsteuerperiode auf Fr. 3100.-- herabzusetzen.
Sie macht geltend, nach Art. 58 Abs. 4 WStB sei das Ergebnis ihres ersten Geschäftsjahres für die Berechnung der Steuer nicht nur der 11., sondern auch der 12. Periode massgebend. Der angefochtene Entscheid verstosse gegen diese Bestimmung. Einzig ausserordentliche, nicht auf der normalen wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft beruhende Erträge und Aufwendungen wären nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 84 I 242
) nur einmal zu berücksichtigen. Einen solchen Posten stelle aber der Abstrich eines Drittels vom Einstandswert des Warenlagers nicht dar; werde er doch von den Steuerbehörden als geschäftsmässig begründet betrachtet.
C.-
Die kantonale Rekurskommission und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Wehrsteuer vom Reinertrag der Aktiengesellschaft wird in der Regel nach dem durchschnittlichen Ergebnis der
BGE 94 I 146 S. 148
zwei Geschäftsjahre bemessen, die mit den beiden der Veranlagungsperiode vorangegangenen, die Berechnungsperiode bildenden Kalenderjahren zusammenfallen oder in der Berechnungsperiode vor Ablauf dieser Kalenderjahre abgeschlossen worden sind (Art. 58 Abs. 1-3 WStB). In Abweichung von dieser Berechnungsweise wird der Veranlagung das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde gelegt: a) bei Neugründungen während eines Steuerjahres; b) wenn bei Beginn der Veranlagungsperiode erst ein Geschäftsjahr abgelaufen ist oder wenn das erste Geschäftsjahr erst im Laufe der Veranlagungsperiode abgeschlossen wird (Art. 58 Abs. 4 lit. a und b WStB). Diese Ordnung hat zur Folge, dass das erste Geschäftsjahr im allgemeinen als Bemessungszeitraum für zwei, unter Umständen sogar für drei Veranlagungsperioden dienen muss. So ist im vorliegenden Fall das Ergebnis des ersten, mit dem Kalenderjahr 1962 zusammenfallenden Geschäftsjahres Grundlage der Berechnung der Steuer für das zur 11. Veranlagungsperiode gehörende Jahr 1962 (Art. 58 Abs. 4 lit. a WStB) wie auch der Steuern für die ganze, die Jahre 1963 und 1964 umfassende 12. Veranlagungsperiode (Art. 58 Abs. 4 lit. b WStB); wäre das erste Geschäftsjahr erst im Laufe - vor dem Ende - des Kalenderjahres 1963 abgeschlossen worden, so wäre sein Ergebnis ausserdem noch bei der Berechnung der Steuern der die Jahre 1965 und 1966 umfassenden 13. Veranlagungsperiode zu berücksichtigen (Art. 58 Abs. 1-3 WStB).
Für die periodische Ertragsbesteuerung muss jedoch im allgemeinen der Grundsatz wegleitend sein, dass jeder Ertrag einmal, aber auch nur einmal, erfasst werden soll. Dieser Grundsatz entspricht dem Postulat, dass jeder Steuerpflichtige nach Massgabe seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu belasten ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass auch der Wehrsteuerbeschluss eine in diesem Sinne gleichmässige und gerechte Besteuerung zu verwirklichen sucht. Bei seiner Auslegung ist dies zu berücksichtigen (E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts S. 19).
Die aus Art. 58 WStB sich ergebende Folge, dass eine und dieselbe Zeitspanne als Berechnungszeitraum für mehrere Veranlagungsperioden dient, gibt nicht Anlass zu Bedenken, wenn und solange die jährlichen Reinerträge in ihrer Zusammensetzung und ihrem Umfang nicht erheblich voneinander abweichen. Dagegen können Unzukömmlichkeiten entstehen,
BGE 94 I 146 S. 149
wenn der Ertrag während des Zeitraums, der wiederholt der Steuerbemessung zugrunde gelegt wird, durch ausserordentliche Gewinne oder Aufwendungen erhöht oder vermindert wird. Würden solche Faktoren für mehr als nur eine Veranlagungsperiode in Rechnung gestellt, so könnte die steuerpflichtige Gesellschaft unter Umständen über Gebühr benachteiligt oder begünstigt werden. Wo die wiederholte Berücksichtigung von Ertrags- oder Aufwandsposten zu derart stossenden Ergebnissen führen würde, ist sie nicht zulässig, weil nicht vereinbar mit den Grundsätzen der Rechtsgleichheit und der Steuergerechtigkeit, von denen der Wehrsteuerbeschluss getragen ist und die auch für die Auslegung seines Art. 58 massgebend sein müssen.
Im Sinne dieser Grundsätze hat denn auch das Bundesgericht den Fall einer Aktiengesellschaft beurteilt, die im ersten Geschäftsjahr einen ausserordentlichen, nicht aus ihrer normalen wirtschaftlichen Tätigkeit stammenden Gewinn erzielt hatte. Es hat entschieden, dass dieser Gewinn, der bei der ersten Veranlagung der Gesellschaft gemäss Art. 58 Abs. 4 lit. a WStB erfasst worden war, bei der Veranlagung für die folgende Periode nicht nochmals, gestützt auf Art. 58 Abs. 4 lit. b WStB, angerechnet werden dürfe (
BGE 84 I 242
ff.). Was in diesem Urteil über die Gewinne ausgeführt wird, muss aber entsprechend auch für die Aufwendungen gelten. Gewinne wie Aufwendungen dürfen nur für eine Veranlagungsperiode berücksichtigt werden, wenn sie als derart ausserordentlich erscheinen, dass ihre wiederholte Anrechnung dem oben dargelegten Sinne des Gesetzes widerspräche. Der durch Auslegung des Gesetzes gewonnene Rechtssatz muss in beiden Fällen angewandt werden; ob sich seine Anwendung für die steuerpflichtige Gesellschaft günstig oder ungünstig auswirkt, ist unerheblich.
2.
Nach der Verwaltungspraxis werden Abzüge, die in der Bilanz durch Unterbewertung des Warenlagers vorgenommen werden, bei der Veranlagung zur Wehrsteuer in der Regel ohne weiteres als geschäftsmässig begründet anerkannt, soweit sie einen Drittel der Gestehungskosten oder des niedrigeren Marktwertes nicht übersteigen (Kreisschreiben der eidgenössischen Steuerverwaltung vom 1. Februar und 26. November 1951, ASA Bd. 19 S. 327 und Bd. 20 S. 241). Die Beschwerdeführerin hat im ersten Geschäftsjahr 1962 vom
BGE 94 I 146 S. 150
Einstandswert der Warenvorräte einen Drittel abgestrichen. Diesen Abzug hat die kantonale Wehrsteuerverwaltung bei der - rechtskräftig gewordenen - ersten Veranlagung der Beschwerdeführerin, für das zweite Jahr der 11. Wehrsteuerperiode, gemäss jener Praxis berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin verlangt, dass der Abstrich auch noch bei der Veranlagung für die 12. Periode zugelassen werde, weil nach Art. 58 Abs. 4 WStB für beide Perioden das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres massgebend sei. Dieses Begehren ist unbegründet.
Die Unterbewertung des Warenlagers hat sich auf den Reinertrag der Beschwerdeführerin im ersten Geschäftsjahr in einem grossen Umfange ausgewirkt; das in diesem Jahr erzielte nicht unbeträchtliche Betriebsergebnis ist dadurch fast völlig aufgezehrt worden. Dagegen hat der Abstrich den Ertrag der folgenden Geschäftsjahre nicht mehr geschmälert; die Unterbewertung ist in diesen Jahren - wirtschaftlich betrachtet - jeweils aus dem Vorjahr übernommen, also nicht erneut vorgenommen worden (
BGE 91 I 291
/2). Wohl sind weitere Unterbewertungen gleicher Art möglich, wenn das Warenlager vergrössert wird; sie werden aber kaum je oder doch nur ganz ausnahmsweise das Ausmass derjenigen erreichen, die im ersten Geschäftsjahr in die Bilanz eingeführt worden ist. Der umstrittene Abstrich gehört nicht zu den Aufwendungen, die das Ergebnis eines normalen Geschäftsjahres beeinflussen. Er ist nach seinem Charakter und seinem Umfang derart ausserordentlich, dass er nicht auch noch in der 12. Veranlagungsperiode berücksichtigt werden darf, nachdem er bereits in der Vorperiode zugelassen worden ist. Seine nochmalige Anrechnung ist umsoweniger gerechtfertigt, als die durch die Unterbewertung allenfalls geschaffene stille Reserve bei ihrer späteren Auflösung auch nur einmal der Steuer vom Reinertrag unterworfen werden könnte. Würde dem Begehren der Beschwerdeführerin entsprochen, so genösse sie einen Steuervorteil, auf den sie nach den für die Anwendung des Wehrsteuerbeschlusses massgebenden Geboten der Rechtsgleichheit und Steuergerechtigkeit keinen Anspruch hat (im gleichen Sinne: nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Februar 1968 i.S. Stettler, betreffend Art. 41 WStB).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3e9b8d25-688f-47bb-83b7-7ab824bb302e | Urteilskopf
96 II 378
49. Arrêt de la Ire cour civile du 16 juin 1970 dans la cause Terrier contre Duboux. | Regeste
Verpfändung eines Wechsels.
Art. 1007 OR
.
- Jeder Wechselinhaber kann sich auf diese Bestimmung berufen (Erw. 2).
- Der Annehmende kann dem Aussteller die Einreden aus dem Grundgeschäft entgegenhalten (Erw. 2).
Art. 884 ZGB
.
- Verstecktes Pfandindossament (Erw. 3).
- Untergang des Pfandrechtes wegen Untergangs der gesicherten Forderung (Erw. 4).
Art. 8 ZGB
.
Der Wechselschuldner hat zu beweisen, dass der Wechsel für eine bestimmte Forderung verpfändet worden und dass diese Forderung untergegangen ist; dagegen obliegt dem Pfandgläubiger der Beweis, dass die Sicherung durch eine nach der Verpfändung getroffene Abrede auf neue Forderungen ausgedehnt worden ist (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 379
BGE 96 II 378 S. 379
A.-
Jean Terrier et Marcel Duboux ont été en rapports d'affaires depuis 1958-1959. Le 15 février 1966, ils ont signé une convention destinée à "procurer des disponibilités à Monsieur Marcel Duboux". A cet effet, Terrier lui remettait deux lettres de change de 100 000 fr. et 181 000 fr., acceptées par la maison Paul Terrier et fils SA et avalisées par lui. Ces effets devaient être mis en circulation en vue de l'escompte. Duboux remettait à Terrier, "en contrepartie,... une lettre de change du montant de 281 000 fr. tirée par Prêts et Escomptes SA" (société créée par Marcel Duboux à Lausanne) "sur Mademoiselle Françoise Duboux et Madame Germaine Duboux" (soeur et mère de Marcel), "qui l'ont acceptée". Cette lettre de change devait être endossée par Duboux et rester en main de Terrier, qui ne pouvait la mettre en circulation pour escompte. Sous chiffre 3 de la convention, Duboux s'engageait à rembourser les sommes de 100 000 fr. et 181 000 fr. au plus tard les 13 avril et 12 mai 1966 à Terrier, qui devait restituer l'effet de change de 281 000 fr. à réception de ces montants. Il n'était autorisé à "faire procéder à l'encaissement" dudit effet qu'"au cas où Monsieur Marcel Duboux n'aurait pas rempli, dans les délais prévus, les obligations prévues au chiffre 3".
En février 1966, Marcel Duboux a fait signer à sa mère et à sa soeur, en qualité d'accepteurs, quatre lettres de change en blanc, sans indication des sommes à payer; il s'engageait cependant à compléter ces effets en y portant les montants de 35 000 fr., 10 000 fr., 15 000 fr. et 15 000 fr. En fait, il a inscrit sur l'une de ces traites la somme de 281 000 fr., l'a signée en qualité de tireur et émise à l'ordre de Jean Terrier, puis la lui a remise. Cet effet, payable à vue, est daté du 5 octobre 1966.
B.-
Les deux lettres de change de 100 000 fr. et 181 000 fr. n'ont pas été présentées au paiement à Terrier. Celui-ci a admis au cours de la procédure cantonale qu'il ne courait aucun risque d'être actionné comme donneur d'aval en paiement de ces deux traites.
BGE 96 II 378 S. 380
C.-
La lettre de change du 5 octobre 1966 a été présentée au paiement par Terrier à Germaine Duboux; elle n'a pas été honorée. Terrier a fait notifier à Germaine et Françoise Duboux des commandements de payer auxquels elles ont formé opposition. Le 14 mars 1967, le président du Tribunal du district de Lavaux a prononcé la mainlevée provisoire de ces oppositions, à concurrence de 281 000 fr. avec intérêts à 6% dès le 13 février 1967 et frais.
D.-
Par demande du 28 mars 1967, Germaine et Françoise Duboux ont ouvert action en libération de dette.
Terrier a conclu au rejet de la demande. Il a requis, par conclusions reconventionnelles, que Germaine et Françoise Duboux fussent déclarées solidairement débitrices de 281 000 fr. avec intérêts à 6% dès le 13 février 1967, ainsi que des frais de poursuites par 77 fr. 20 et des dépens de mainlevée par 0 fr. 50. Le 28 janvier 1970, la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a admis les conclusions des demanderesses. Ses motifs sont en bref les suivants:
Les moyens tirés par les demanderesses de l'art. 1000 CO doivent être écartés: la preuve de la mauvaise foi du défendeur au moment de l'acquisition de l'effet litigieux n'a pas été apportée, puisqu'il n'est pas établi qu'il ait su alors que ledit effet avait été créé en blanc; les demanderesses ayant déjà apposé à plusieurs reprises leurs signatures sur des traites tirées par le défendeur, celui-ci n'a pas commis de faute lourde en acquérant la lettre de change litigieuse.
L'art. 1007 CO, invoqué par les demanderesses, n'exclut pas l'opposabilité des exceptions fondées sur le rapport de droit civil qui a justifié la création de la lettre de change, pour autant que ces exceptions soient opposées au porteur avec lequel ont existé les relations de droit civil alléguées.
D'après la convention du 15 février 1966, l'effet litigieux a été constitué en nantissement, afin de garantir le remboursement des montants que Marcel Duboux comptait se procurer en faisant escompter les deux traites de 100 000 fr. et 181 000 fr. Le défendeur n'a pas prouvé que ledit effet lui eût été remis en garantie d'autres engagements, comme il le prétend. La créance garantie était affectée d'une condition suspensive, consistant dans la présentation au paiement au défendeur des deux traites de 100 000 fr. et 181 000 fr. L'événement de cette condition ne s'étant jamais produit, le droit de gage sur la traite litigieuse
BGE 96 II 378 S. 381
est éteint. Partant le défendeur n'est pas fondé à réaliser le gage, qu'il devait restituer à Marcel Duboux.
E.-
Terrier recourt en réforme au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Il conclut principalement au rejet de l'action en libération de dette et à l'admission de sa demande reconventionnelle, subsidiairement au renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour nouvelle instruction et nouveau jugement.
Les intimées proposent le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La cour cantonale a écarté à juste titre l'exception tirée de l'art. 1000 CO. Il n'y a pas lieu de revenir à cette appréciation, qui n'est pas critiquée par les parties. Les griefs du recourant touchant le fardeau de la preuve relative à la mauvaise foi ou au dol du porteur, ainsi qu'au moment où l'on se reporte pour apprécier ces éléments, sont dès lors dépourvus de pertinence.
2.
Les premiers juges se sont fondés sur l'art. 1007 CO pour admettre l'action en libération de dette des demanderesses. Cette disposition, bien que figurant parmi celles qui traitent de l'endossement, ne vaut pas pour le seul endossataire; elle s'applique au bénéfice de tout porteur, et notamment à celui du preneur de la lettre de change (ARMINJON ET CARRY, La lettre de change et le billet à ordre, 1938, no 331 in fine; STRANZ, Wechselgesetz, 14e éd., 1952, 1. a al. 2 ad art. 17; LESCOT ET ROBLOT, Les effets de commerce, 1953, vol. 1, no 297).
En vertu de l'art. 1007 CO, le preneur de bonne foi ne peut se voir opposer les exceptions fondées sur les rapports personnels de l'accepteur avec le tireur. Cette disposition ne prescrit pas à l'égard du preneur l'inopposabilité des exceptions tirées du rapport de droit sur la base duquel la lettre de change a été émise. Une telle prescription ne trouverait aucun fondement dans la ratio legis.
Le principe de l'inopposabilité des exceptions consacré par l'art. 1007 CO a notamment pour but de protéger le porteur de bonne foi (ARMINJON ET CARRY, op.cit., no 331; STRANZ, op.cit., n. 1 al. 1 ad art. 17). Or le preneur connaît les exceptions qui peuvent être tirées du rapport fondamental, auquel il est partie avec le tireur, et n'a pas à être protégé contre elles. L'objection soulevée par l'arrêt RO 58 II 159 (consid. 1 in
BGE 96 II 378 S. 382
fine) contre l'opposabilité desdites exceptions à l'endossataire, qui n'est pas partie au rapport de base, ne vaut pas pour le preneur. En conséquence, l'accepteur peut opposer au preneur les exceptions qui dérivent du rapport fondamental, et paralyser de cette façon l'exercice de l'action cambiaire (ARMINJON ET CARRY, op.cit., no 334, p. 376).
3.
Il faut se reporter à la convention passée le 15 février 1966 entre le recourant et Marcel Duboux pour déterminer la nature et la portée du rapport sur la base duquel a été émise la lettre de change du 5 octobre 1966. D'après la convention, cet effet était remis au recourant en garantie d'une créance de 281 000 fr., montant correspondant aux deux traites de 100 000 fr. et 181 000 fr. qu'il avait avalisées et s'exposait ainsi à payer au porteur.
Il s'agissait donc d'un contrat de gage. Le gage a été constitué conformément aux règles sur le nantissement et l'engagement des titres à ordre (OFTINGER, n. 84 ad art. 884 CC, 30-40 et 69 ad art. 901 CC). La remise au recourant de la lettre de change par le tireur équivalait à un endossement pignoratif occulte (OFTINGER, n. 83 ad art. 901 CC).
4.
Il est constant que les deux lettres de change de 100 000 fr. et 181 000 fr. n'ont pas été présentées au paiement au défendeur et que la créance en garantie de laquelle a été remis l'effet de change litigieux est éteinte au sens de l'art. 114 al. 1 CO. Cette extinction entraîne celle du droit de gage. Le défendeur n'avait dès lors plus de droit sur l'effet de change. Il devait le restituer à Marcel Duboux, conformément à l'art. 889 al. 1 CC (ARMINJON ET CARRY, op.cit., no 242, p. 276; STRANZ, n. 9 al. 1 ad art. 19). Quant aux intimées, elles n'avaient pas qualité pour demander la remise du titre sur lequel elles ne possédaient aucun droit. Le recourant se prévaut donc à tort de leur passivité. Il se méprend sur l'opinion de CARRY (FJS 472) qu'il cite à contresens. Cet auteur mentionne l'obligation du titulaire de la créance causale - ici, le recourant - de restituer le titre intact au débiteur - soit Marcel Duboux.
5.
Le recourant soutient qu'en vertu d'un accord verbal conclu en mai 1966 avec Marcel Duboux, l'effet de change litigieux devait garantir de nouvelles créances, postérieures à la convention du 15 février 1966. Il fait grief à la cour cantonale d'avoir mis à sa charge la preuve de cet accord; selon lui, il incombait aux intimées d'en établir l'inexistence.
BGE 96 II 378 S. 383
Cette argumentation repose sur une violation prétendue de l'art. 8 CC. D'après cette disposition, il appartient au débiteur de change qui soulève une exception de prouver les faits dont il entend la déduire. Les intimées ont satisfait à cette exigence: elles ont démontré que l'effet de change litigieux avait été remis au recourant en garantie d'une créance déterminée; elles ont établi en outre l'extinction de cette créance. Elles n'avaient pas d'autre preuve à fournir. Il incombait au recourant de démontrer l'existence d'une nouvelle convention, postérieure à celle du 15 février 1966, consacrant une extension de la garantie à des créances nées après la constitution du gage (cf. par analogie STRANZ, n. 40 al. 3 ad art. 17). Or il ne prétend pas avoir apporté cette preuve ou en avoir été empêché en méconnaissance des dispositions fédérales en la matière.
Ainsi, le grief tiré de l'absence de constatations, dans l'arrêt déféré, sur l'existence des créances alléguées dans le cadre de cette prétendue convention se révèle dépourvu de toute pertinence.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement attaqué. | public_law | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3e9c4df6-b222-4544-884a-b3b1038e461b | Urteilskopf
119 II 1
1. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 22 janvier 1993 dans la cause époux X. contre Autorité tutélaire de surveillance du canton de Neuchâtel (recours en réforme) | Regeste
Adoption eines Unmündigen durch Ehegatten, wovon der eine mit der Mutter des Kindes verwandt ist (
Art. 264 ZGB
).
1. Im Unterschied zum alten erlaubt das geltende Recht grundsätzlich die Adoption eines Kindes durch seine Grosseltern. Ein entsprechendes Adoptionsgesuch ist jedoch mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen (E. 3).
2. Die den Grosseltern übertragene Vormundschaft oder die Obhut kommt für das Kind nicht einer Adoption gleich; letztere begründet ein Kindesverhältnis zu den Adoptiveltern, was bei den vorerwähnten Massnahmen nicht der Fall ist (E. 4a).
3. In der Regel ist einem Adoptionsgesuch der Grosseltern nicht zu entsprechen, wenn die leibliche Mutter bzw. der leibliche Vater im Haushalt der Grosseltern oder in deren Nähe wohnt und sie oft besucht. Auch unter den genannten Umständen kann sich indes eine Adoption als im Interesse des Kindes erweisen, wenn die leibliche Mutter bzw. der leibliche Vater angesichts des jugendlichen Alters oder des geistigen Zustandes nicht fähig ist, eine normale soziale und psychische Beziehung zum Kind aufzubauen (E. 4b). | Erwägungen
ab Seite 2
BGE 119 II 1 S. 2
Extrait des considérants:
3.
a) Sous l'empire des anciens
art. 264-269 CC
, le Tribunal fédéral, statuant le 6 mai 1964 sur un recours de droit public (le recours en réforme n'étant alors pas recevable en la matière), n'avait pas jugé insoutenable une décision du Conseil d'Etat du canton d'Argovie qui avait refusé au mari de la grand-mère maternelle d'un enfant illégitime l'autorisation d'adopter ce dernier, parce que l'adoption aurait abouti à un rapport de parenté contraire au droit et aux moeurs: il avait estimé que des points de vue généraux du droit de famille pouvaient être pris en considération, car il n'était pas admissible que l'adoptant devînt le père d'un enfant qui serait le petit-fils
BGE 119 II 1 S. 3
de sa femme, laquelle, ayant des descendants légitimes, ne pouvait pas adopter selon l'ancien
art. 264 al. 1 CC
; l'autorité argovienne, en tenant compte du rapport de parenté existant entre l'enfant et l'épouse de l'adoptant, n'avait donc pas commis arbitraire (RDT 1965, No 11, p. 107 ss, spéc. 110-111; cf. dans le même sens, in RDT 1964, No 12, p. 94, la décision de la direction de la justice du canton d'Argovie du 8 octobre 1963).
b) Sous l'empire du droit actuel, en vigueur depuis le 1er avril 1973, le Tribunal fédéral n'a pas encore eu à se prononcer sur le problème posé par la présente cause. En revanche, plusieurs décisions cantonales ont été rendues qui admettent l'adoption d'un enfant par ses grands-parents (Conseil d'Etat du canton de Zurich, 4 septembre 1974, RSJ 1975, No 32, p. 75-78; Conseil d'Etat du canton de Berne, 12 novembre 1974, RDT 1975, No 3, p. 22-28; Conseil d'Etat du canton de Thurgovie, 19 novembre 1974, RDT 1975, No 2, p. 19-22; contra: Bezirksrat Pfäffikon, 18 septembre 1973, RSJ 1974, No 33, p. 175-176, qui a estimé qu'il serait choquant que l'adopté devienne le frère de sa mère et l'oncle de ses propres frères et soeurs, que l'adoption n'était pas en l'espèce dans l'intérêt de l'enfant, car sa mère vivait avec ses autres enfants chez ses parents, et que les requérants s'occuperaient quand même de lui).
La doctrine, elle aussi, admet que l'adoption d'un enfant par ses grands-parents est possible aujourd'hui (ROLF EICHENBERGER, Die materiellen Voraussetzungen der Adoption Unmündiger nach neuem schweizerischem Recht, thèse Fribourg 1974, p. 78-79; FRIEDRICH BREITENSTEIN, Voraussetzungen der Adoption, in Beiträge zur Anwendung des neuen Adoptionsrechts, St-Gall 1979, p. 33 ss, spéc. 45; CYRIL HEGNAUER, Berner Kommentar, 1984, ad art. 264, n. 12-20a, p. 436-438; MARTIN STETTLER, Le droit suisse de la filiation, Traité de droit privé suisse, volume III, tome II, 1, Fribourg 1987, p. 96; CYRIL HEGNAUER/BERNARD SCHNEIDER, Droit suisse de la filiation, 3e éd., Berne 1990, No 11.08, p. 80-81).
On ne peut que se rallier à ce point de vue, notamment pour les motifs énoncés par le Conseil d'Etat du canton de Zurich, dans sa décision précitée du 4 septembre 1974 (RSJ 1975 p. 76-78), et par HEGNAUER dans le commentaire bernois du code civil.
Dans le droit actuel, l'adoption d'un mineur consiste à accueillir un enfant qui a besoin d'être éduqué au foyer des parents adoptifs et à l'intégrer durablement dans leur famille (Message du Conseil fédéral du 12 mai 1971, FF 1971 I 1236). Ce qui est décisif, c'est que, comme le prescrit l'
art. 264 CC
, l'établissement du lien de filiation
BGE 119 II 1 S. 4
serve au bien de l'enfant. Aucune disposition n'interdit l'adoption d'un enfant par ses grands-parents. Rien, dans le système légal, ne l'empêche en principe. L'absence de descendants légitimes n'est plus exigée comme auparavant (art. 264 al. 1 aCC). Il n'existe pas de rapport de filiation entre grands-parents et petits-enfants: dans un cas semblable, l'adopté, par opposition à ce qu'il en était dans l'ancien droit, ne continue pas à être l'enfant de son père ou de sa mère, puisque (abstraction faite de la prohibition de mariage de l'
art. 100 al. 3 CC
) l'adoption rompt tous les liens de filiation antérieurs (
art. 267 al. 2 CC
); l'adopté ne sera plus que le frère ou la soeur de ses auteurs naturels, et, en raison de l'adoption conjointe imposée aux époux par l'
art. 264a al. 1 CC
, il sera l'enfant commun des adoptants, et non pas l'enfant de l'un et le petit-enfant de l'autre. Les décisions rendues en cette matière sous l'empire de l'ancien droit sont ainsi dépassées.
Il n'en demeure pas moins que, dans un tel cas, il s'impose d'examiner la requête d'adoption avec une attention particulière (STETTLER, op.cit., p. 96; cf. Conseil d'Etat du canton de Berne, 12 novembre 1974, RDT 1975, p. 27 consid. 4 initio).
4.
a) Il apparaît d'emblée que, contrairement à ce que pense l'autorité cantonale, une tutelle, voire un droit de garde confiés aux recourants n'équivaudraient pas, pour Agnès, à une adoption. Celle-ci confère à l'adopté le statut juridique d'enfant des parents adoptifs (
art. 267 al. 1 CC
), créant ainsi des droits qu'une tutelle ou un droit de garde n'impliquent pas. Lorsque l'enfant aura atteint l'âge de la majorité, ces mesures prendront fin et Agnès se retrouverait la fille d'une mère qui l'a rejetée, et sans père; de plus, elle ne serait pas héritière des requérants.
b) Aux termes de l'
art. 265 al. 2 CC
, l'adoption ne peut avoir lieu que du consentement de l'enfant, si ce dernier est capable de discernement. Selon la jurisprudence, la capacité de discernement est considérée comme atteinte, pour ce qui concerne la portée de l'adoption, à l'âge de 14 ans révolus au plus tôt (
ATF 107 II 22
consid. 4 et les références), mais l'absence de discernement, et partant l'impossibilité de recueillir le consentement de l'enfant, n'empêche pas l'adoption jusqu'au moment où l'enfant aura acquis sa pleine capacité de discernement (
ATF 107 II 21
/22). L'autorité cantonale a rappelé avec pertinence que la mise au courant de l'enfant est souhaitable et relève des devoirs élémentaires de ceux qui ont la charge de son éducation.
Cependant, la décision déférée, qui concède que, vu son jeune âge, Agnès ne pouvait être renseignée, observe que rien n'indique qu'elle le sera dès que possible, car la mère a décidé de conserver le secret
BGE 119 II 1 S. 5
sur les circonstances de la conception, et que, de toute manière, il existe un risque d'un grave conflit puisqu'une "étape générationnelle" est "gommée" en ce sens que l'enfant deviendra la soeur de sa mère, qui réside dans la même ville: cette situation engendrera une confusion des rôles certainement préjudiciable à l'enfant.
C'est là mêler des arguments différents. En effet, le problème de savoir si l'enfant sera informée à temps de l'adoption n'est pas identique à celui de déterminer si un conflit se produira. Les recourants remarquent avec raison qu'aucune pièce du dossier ne donne à entendre qu'ils n'informeront pas la fillette du fait qu'elle est née d'une fille de dame X. et se trouve ainsi être la petite-fille de cette dernière; au contraire, on lit dans le rapport de l'Office cantonal des mineurs, du 12 mars 1992, qu'il n'existe pas dans la famille "le désir de cacher la réalité de la filiation de sang d'Agnès avec sa mère". Dès lors, l'affirmation contenue dans la décision attaquée n'apparaît pas fondée. Certes, Agnès ne connaîtra pas l'identité de son père, puisque la mère est décidée à la taire, mais ce fait n'est pas imputable à faute aux recourants.
En revanche, l'éventualité, envisagée par l'autorité cantonale, d'un risque, lorsque Agnès aura connaissance des conditions de sa naissance, de la survenance d'un grave conflit relève, elle, de l'intérêt de l'enfant, condition mentionnée à l'
art. 264 CC
. En principe, comme on l'a vu, il importe peu que l'adoption ait pour effet que l'enfant devienne le frère ou la soeur de son père ou de sa mère, et le fils ou la fille de ses grands-parents, l'adoption plénière rompant les liens de filiation antérieurs. Mais l'autorité cantonale insiste sur "le caractère très particulier de l'adoption projetée" en l'espèce; elle s'exprime en ces termes:
"... Si (la) rupture (des liens de filiation antérieurs) ne porte
généralement pas à conséquences dirimantes, s'agissant par exemple
d'enfants abandonnés du tiers monde, ou d'enfants de père inconnu, voire
sans domicile connu qui n'ont jamais noué de liens vivants avec eux, la
situation est toute différente en l'espèce. La mère d'Agnès, qui vit à
..., n'a pas rompu tous liens avec l'enfant, dès lors au contraire que,
selon le rapport d'enquête sociale, "il est clair dans l'esprit de chacun
des membres de la famille qu'Agnès restera toujours la fille de Christine"
... Une telle perspective est non seulement contraire à l'idée
fondamentale régissant l'adoption en droit suisse; elle risque aussi
d'engendrer tôt ou tard une confusion des rôles préjudiciable à l'enfant."
Ces considérations sont pertinentes. En règle générale, il ne faut pas admettre la requête d'adoption des grands-parents si le parent de
BGE 119 II 1 S. 6
sang vit dans leur ménage ou se trouve à proximité et rend fréquemment visite à l'enfant (HEGNAUER, Berner Kommentar, ad art. 264, n. 17, p. 437): il y a alors effectivement risque de conflits psychologiques et sociaux (cf. la décision du Conseil d'Etat du canton de Berne du 12 novembre 1974, RDT 1975, p. 27, consid. 4). Mais on ne peut pas conclure que la mère n'a pas rompu tous liens avec sa fille de la déclaration des membres de la famille selon laquelle l'enfant sera toujours considérée comme l'enfant de Christine. Il s'agit de deux éléments différents. Que les recourants et leurs enfants soient parfaitement au courant de la situation d'Agnès est une chose; le fait de savoir si Christine Y. a conservé des liens avec sa fille en est une autre.
Sur ce dernier point, les constatations de fait de la décision attaquée sont incomplètes. Il est constant que Christine Y. vit à ... comme les recourants. Mais on ignore quels contacts existent entre elle et ceux-ci, en particulier si elle va chez eux et, dans l'affirmative, à quel rythme ont lieu les visites (quotidiennement, hebdomadairement, mensuellement?). Or, pour déterminer avec exactitude l'intérêt de l'enfant à l'adoption, il est nécessaire de savoir si Christine Y., dont le domicile est peut-être proche de celui des recourants, se rend souvent chez eux et a ainsi fréquemment l'occasion de voir sa fille; dans cette éventualité, le refus de l'adoption pourra se justifier. Néanmoins, même dans de telles circonstances, l'adoption pourrait se révéler être dans l'intérêt de l'enfant, si la mère, en raison de son jeune âge ou de son état mental, n'était pas capable de nouer une relation sociale et psychique normale avec l'enfant (HEGNAUER, loc.cit.). | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3ea01d47-bb2e-438d-9b3b-7036afe99e79 | Urteilskopf
124 V 130
22. Auszug aus dem Urteil vom 7. April 1998 i.S. 24 Krankenkassen, alle vertreten durch den Kantonalverband Zugerischer Krankenkassen gegen Dr. med. W. und Verwaltungsgericht des Kantons Zug | Regeste
Art. 4 und
Art. 58 Abs. 1 BV
;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
;
Art. 25 Abs. 1 KUVG
;
Art. 89 KVG
: Intertemporalrechtliche Zuständigkeit.
Zur Weiterführung der bei Inkrafttreten des KVG und der entsprechenden kantonalen Ausführungsbestimmungen beim Schiedsgericht nach
Art. 25 Abs. 1 KUVG
hängigen Prozesse ist das Schiedsgericht gemäss
Art. 89 KVG
zuständig.
Der 1996 ergangene Zwischenentscheid des nach neuem Recht zuständigen Schiedsgerichts des Kantons Zug, mit welchem das Verfahren zuständigkeitshalber an das seit 1. Januar 1996 nicht mehr bestehende Schiedsgericht nach
Art. 25 Abs. 1 KUVG
überwiesen wurde, stellt eine gegen
Art. 4 BV
verstossende Rechtsverweigerung dar und verletzt überdies
Art. 58 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. | Sachverhalt
ab Seite 130
BGE 124 V 130 S. 130
A.-
Am 16. August 1995 liessen die CSS Versicherung und 23 weitere Krankenkassen beim Präsidenten des Kantonsgerichts des Kantons Zug als Obmann des Schiedsgerichts nach
Art. 25 KUVG
Klage gegen Dr. med. W. einreichen mit dem Begehren, dieser habe ihnen einen Betrag von insgesamt Fr. 103'986.05 zu bezahlen.
BGE 124 V 130 S. 131
Mit Verfügung vom 8. Mai 1996 überwies das Kantonsgerichtspräsidium Zug die Klage zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, dessen sozialversicherungsrechtliche Kammer, ergänzt durch je einen Vertreter oder eine Vertreterin der beteiligten Parteien, nach neuem Recht seit 1. Januar 1996 als Schiedsgericht amte. Mit Entscheid vom 12. Dezember 1996 trat das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mangels Zuständigkeit auf die am 16. August 1995 von den Krankenkassen eingereichte Klage nicht ein und überwies diese zuständigkeitshalber an das Kantonsgerichtspräsidium Zug zu Handen des Schiedsgerichts gemäss
Art. 25 KUVG
.
B.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen die CSS Versicherung und 23 weitere Krankenversicherer beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Zug (als Schiedsgericht) für die Beurteilung der am 16. August 1995 gegen Dr. med. W. eingereichten Klage zuständig ist und diese zu behandeln hat.
Dr. med. W. verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
(Nach
Art. 25 Abs. 1 KUVG
waren Streitigkeiten zwischen Kassen einerseits und Ärzten, Apothekern, Chiropraktoren, Hebammen, medizinischen Hilfspersonen, Laboratorien oder Heilanstalten anderseits durch ein für das ganze Kantonsgebiet zuständiges Schiedsgericht zu entscheiden. Art. 89 des seit 1. Januar 1996 in Kraft stehenden KVG bestimmt ebenfalls, dass ein Schiedsgericht Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern entscheidet. Gestützt auf diese bundesrechtlichen Bestimmungen hat der Kanton Zug § 20 EG KUVG vom 19. November 1970 und § 8 EG KVG vom 29. Februar 1996, in Kraft getreten auf den 1. Januar 1996, erlassen. Während das Schiedsgericht nach altem Recht aus dem Kantonsgerichtspräsidenten als Obmann und je einem von jeder Partei bezeichneten Schiedsrichter bestand [§ 20 Abs. 2 des EG KUVG vom 19. November 1970], amtet gemäss § 8 EG KVG vom 29. Februar 1996 die sozialversicherungsrechtliche Kammer des Verwaltungsgerichts in Dreierbesetzung, ergänzt durch je einen Vertreter oder eine Vertreterin der beteiligten Parteien, als Schiedsgericht.)
Streitig und zu prüfen ist, ob zur Beurteilung der von den Krankenkassen am 16. August 1995 anhängig gemachten Klage das alte oder das neue Schiedsgericht sachlich zuständig ist.
BGE 124 V 130 S. 132
a) Das EG KVG des Kantons Zug vom 29. Februar 1996 enthält keine Übergangsbestimmung, welche regelt, ob das alte oder das neue Schiedsgericht für die Weiterführung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts (1. Januar 1996) hängigen Fälle zuständig ist.
b) Das altrechtliche Schiedsgericht hatte seine Rechtsgrundlage in § 20 des kantonalen EG KUVG vom 19. November 1970. Durch § 9 des EG KVG vom 29. Februar 1996, in Kraft getreten auf den 1. Januar 1996, wurde das altrechtliche Schiedsgericht aufgehoben und durch das neue Schiedsgericht gemäss § 8 EG KVG des Kantons Zug ersetzt. Somit bestand bei Erlass des angefochtenen Zwischenentscheides das altrechtliche Schiedsgericht mangels Rechtsgrundlage nicht mehr. Nach (unbenütztem) Ablauf der Referendumsfrist waren die Mitglieder des unter der Herrschaft des EG KUVG bestellten Schiedsgerichts deshalb nicht mehr befugt, Streitigkeiten zwischen Versicherern und Leistungserbringern im Sinne von
Art. 89 KVG
zu entscheiden. Der Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts, wonach die einmal begründete Zuständigkeit eines Gerichts bei Rechtsänderung fortbesteht (perpetuatio fori; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl., Rz. 42; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 75), bezieht sich in erster Linie auf nach Prozesshängigkeit eintretende Änderungen des Sachverhalts, soweit dieser für die Zuständigkeit von Bedeutung war (vgl.
BGE 121 III 13
betreffend Zuständigkeit des Gerichts bei Wohnsitzwechsel der Partei; VPB 1993 Nr. 65 S. 505 betreffend Zuständigkeit des Handelsgerichts trotz Löschung im Handelsregister). Im Falle eines Rechtswechsels kann das im Zeitpunkt der Klageeinreichung zuständig gewesene Gericht den Prozess nur dann fortsetzen, wenn es nach Inkrafttreten der Rechtsänderung als gerichtliche Behörde weiterbesteht (vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts in Sachen Y. vom 20. März 1992; vgl. auch
BGE 116 II 211
f. Erw. 2b/bb). Dies trifft, wie dargelegt auf das Schiedsgericht nach § 20 EG KUVG nicht zu. Vielmehr ist das Schiedsgericht gemäss § 8 EG KVG des Kantons Zug seit 1. Januar 1996 das (einzige) kantonale Schiedsgericht im Sinne von
Art. 89 KVG
. Es ist damit seit diesem Zeitpunkt zur Beurteilung der Klage der Beschwerdeführerinnen ohne weiteres zuständig, ungeachtet des Umstandes, dass bei deren Einreichung noch die sachliche Zuständigkeit des altrechtlichen Schiedsgerichts gegeben war.
4.
Der angefochtene Zwischenentscheid verletzt Bundesrecht (
Art. 104 lit. a OG
) zunächst insoweit, als die Vorinstanz den Beschwerdeführerinnen den
BGE 124 V 130 S. 133
bundesgesetzlich vorgesehenen Rechtsweg - den Zugang zum Schiedsgericht gemäss
Art. 89 KVG
(in Kraft seit 1. Januar 1996) - verwehrt hat. Die Entscheidung der Vorinstanz, sich nicht materiell mit der Streitsache zu befassen, obwohl ihre sozialversicherungsrechtliche Kammer, ergänzt durch je eine Vertretung der beteiligten Parteien, aufgrund der geänderten Rechtslage seit 1. Januar 1996 zur Beurteilung der Klage allein sachlich zuständig war, stellt überdies eine gegen
Art. 4 BV
verstossende Rechtsverweigerung dar: Eine solche liegt vor, wenn es eine Behörde, wie hier, ausdrücklich ablehnt, eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie dazu verpflichtet ist (
BGE 107 Ib 164
Erw. 3b,
BGE 103 V 194
Erw. 3b; MÜLLER, Kommentar BV, Rz. 89 zu Art. 4; GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. I, S. 369; HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 115).
Des weiteren hat das kantonale Gericht
Art. 58 Abs. 1 BV
verletzt, wonach niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen werden darf. Diese Bestimmung kann u.a. dann angerufen werden, wenn ein Gericht entgegen seiner Zuständigkeit die Anhandnahme eines Falles verweigert, wobei die diesen Schutz gewährenden Normen nicht auf Verfassungsstufe niedergelegt sein müssen; es kann sich ebenso um in Gesetzen und Verordnungen festgehaltene generell-abstrakte Zuständigkeitsregelungen handeln.
Art. 58 Abs. 1 BV
gewährleistet also nicht nur den verfassungsmässigen, sondern ganz allgemein den gesetzlichen Richter (KÖLZ, Kommentar BV, Rz. 1 zu Art. 58 Abs. 1; MÜLLER, Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, in: ZBJV 1970 S. 253 und 258; vgl. auch
BGE 100 Ib 147
f. Erw. II/1 und
BGE 89 I 68
Erw. 1). Im nämlichen Zusammenhang als verletzt bezeichnet werden muss schliesslich
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, der denjenigen, die eine Verletzung eines (zivilen) Rechts geltend zu machen beabsichtigen, den Zugang zum (zuständigen) Gericht gewährleistet, soweit die Streitsache nicht bereits rechtskräftig entschieden wurde (Justizgewährleistung; vgl.
BGE 118 Ia 214
f. Erw. 2d; PEUKERT, EMRK-Kommentar, S. 196).
Aus diesen Erwägungen ist der angefochtene Zwischenentscheid in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben, und ist die Sache zur materiellen Beurteilung der Klage an die Vorinstanz als Schiedsgericht gemäss
Art. 89 KVG
zurückzuweisen. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3ea89d8f-b543-4300-ab49-031c0dfb7cf7 | Urteilskopf
116 IV 230
43. Urteil des Kassationshofes vom 11. Juli 1990 i.S. G. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 31 Abs. 1 SVG
,
Art. 3 Abs. 1 VRV
; Aufmerksamkeit im Strassenverkehr.
Das Mass der geforderten Aufmerksamkeit richtet sich nach den gesamten Umständen, wobei entscheidend ist, wo die Grenze des zu erwartenden Verkehrsgeschehens liegt (E. 2a).
Bei einer unklaren Situation über den weiteren Verkehrsablauf ist diese Grenze höher anzusetzen und daher eine erhöhte Aufmerksamkeit des Verkehrsteilnehmers gefordert (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 230
BGE 116 IV 230 S. 230
Am 16. März 1988 lenkte S. seinen Personenwagen auf der Steinbachstrasse in Belp dorfeinwärts und beabsichtigte, in den spitzwinklig nach rechts abbiegenden Moosblickweg zu fahren. Kurz vor der Abzweigung verlangsamte er seine Fahrt von ursprünglich 60-70 km/h, holte etwas nach links über die Strassenmitte aus und bog dann nach rechts ab. Den Blinker betätigte er bloss beim Rechtsabbiegen und zwar spät. Hinter ihm fuhr G. mit einer Geschwindigkeit von 55-60 km/h. Seine Distanz zum Fahrzeug von S. betrug ca. 50 m, als dieser nach rechts abbog. Da G.
BGE 116 IV 230 S. 231
seinen Personenwagen nicht genügend abbremste, kam es bei der Abzweigung in den Moosblickweg zum Zusammenstoss.
Der Gerichtspräsident von Seftigen verurteilte G. wegen einfacher Verkehrsregelverletzung, begangen durch unaufmerksames Führen eines Personenwagens, zu einer Busse von Fr. 80.--. Dagegen erklärte der Verurteilte Appellation und beantragte seine Freisprechung. Der Generalprokurator des Kantons Bern schloss sich diesem Antrag an. Das Obergericht des Kantons Bern wies die Appellation am 26. Oktober 1989 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid.
G. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz bejahte eine Verletzung von
Art. 31 Abs. 1 SVG
in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1 VRV
durch den Beschwerdeführer. Sie führt zur Begründung an, insbesondere das Linkshalten ohne Zeichengabe des Kollisionsgegners hätte für den Beschwerdeführer Anlass sein sollen, vorsichtiger zu überlegen, was sich eigentlich vor ihm abspiele; hellseherischer Fähigkeiten hätte es nicht bedurft, um sich zu sagen, es könnte - in Verbindung mit dem beobachteten Bremsmanöver - einen stichhaltigen Grund geben, selber ebenfalls die Geschwindigkeit herabzusetzen, um von der Verkehrssituation, wie immer sie sich entwickle, dann eben nicht überrascht zu werden; dass er das nicht getan, sondern - leichtfertig - darauf vertraut habe, der andere werde wohl irgendwo und irgendwie nach links abbiegen, sei ihm als Aufmerksamkeitsfehler und damit als Verkehrsregelverletzung anzurechnen.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass ihm Unaufmerksamkeit vorgeworfen werden könne, umsomehr es ihm nicht möglich gewesen sei, das Verhalten des Kollisionsgegners schlüssig zu interpretieren, er sich jedoch auf dessen Zeichengabe habe verlassen dürfen. Das Abbiegen in den Moosblickweg, welches einer Kehrtwendung von 180o gleichkomme, sei ein derart aussergewöhnliches Manöver, mit dem er vernünftigerweise nicht habe rechnen müssen.
2.
Die Aufmerksamkeit, die der Fahrzeugführer nach
Art. 31 Abs. 1 SVG
in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1 VRV
der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, erfordert, dass er die ganze
BGE 116 IV 230 S. 232
Strassenbreite mit seinem Blick erfasst und nicht allein das, was sich unmittelbar vor ihm auf seiner Fahrbahnhälfte ereignet. Die Rechtsprechung hat diesen Grundsatz unter bestimmten Bedingungen gemildert und insbesondere festgehalten, die Aufmerksamkeit auf eine Stelle ausserhalb des zu erwartenden Verkehrsgeschehens sei nicht verlangt. Das Mass der Aufmerksamkeit richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht, den voraussehbaren Gefahrenquellen (
BGE 103 IV 104
E. 2b).
a) Der Beschwerdeführer wurde unbestrittenermassen durch das Abbiegen des Kollisionsgegners nach rechts überrascht, was heisst, dass er eine solche Fahrweise nicht erwartete. Eine schuldhafte Unaufmerksamkeit liegt vor, wenn er mit einem solchen Fahrmanöver hätte rechnen müssen. Aus der oben genannten Einschränkung der Anforderungen an die Aufmerksamkeit folgt, dass dabei entscheidend ist, wo die Grenzen des zu erwartenden Verkehrsgeschehens liegen (SCHAFFHAUSER, Strassenverkehrsrecht I, N 404).
b) Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
) fest, der Beschwerdeführer habe eigentlich nicht gewusst, was der Kollisionsgegner vorhabe, und sie macht ihm zum Vorwurf, er habe leichtfertig darauf vertraut, der andere werde wohl irgendwo und irgendwie nach links abbiegen. Damit steht fest, dass für den Beschwerdeführer eine unklare Situation über den weiteren Ablauf des Verkehrsgeschehens vorlag. Dies hätte ihn aber zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlassen müssen (SCHAFFHAUSER, a.a.O., N 403 und 324); d.h. dass die Grenze des noch zu erwartenden Verkehrsablaufes unter den gegebenen Umständen höher anzusetzen ist. War unklar, welche Bewandtnis es mit dem Linkshalten des Kollisionsgegners und dessen Bremsmanöver hatte, verletzte die Vorinstanz Bundesrecht nicht, wenn sie verlangte, der Beschwerdeführer hätte seine Geschwindigkeit herabsetzen müssen, um von der Verkehrssituation, wie immer sie sich entwickle, nicht überrascht zu werden. Weil ein Linksabbiegen des ihm vorausfahrenden Fahrzeuges mangels entsprechender konkreter Möglichkeit nicht nahelag und vom Beschwerdeführer denn auch nur als wohl irgendwie möglich betrachtet wurde, war das Abbiegen nach rechts, das zum Unfall führte - zumal die rechtsseitige, spitzwinklige Einmündung einer Strasse für den Beschwerdeführer sichtbar war - nicht derart aussergewöhnlich, dass er damit nicht hätte rechnen müssen. Auf
BGE 116 IV 230 S. 233
BGE 103 IV 258
E. a kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen; die unklare Situation erlaubte nicht, auf die fehlende (rechtzeitige) Zeichengabe zu vertrauen und anzunehmen, der Kollisionsgegner biege nicht nach rechts ab. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird somit abgewiesen. | null | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3eaa4a35-7bc1-4cf1-9b7a-0c418510588a | Urteilskopf
105 IV 25
7. Extraits de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 22 février 1979, dans la cause J. et C. C. contre Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2;
Art. 134 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
.
Jede zu Körperverletzungen führende Misshandlung stellt eine Schädigung der Gesundheit dar und fällt unter
Art. 134 Ziff. 1 StGB
, wenn sie vom Täter an einem ihm untergebenen, noch nicht 16-jährigen Pflegling begangen wird (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 26
BGE 105 IV 25 S. 26
A.-
Dans le courant de l'année 1976 et jusqu'en avril 1977, les époux C. ont maltraité, négligé et traité avec cruauté leur fille T., née le 18 février 1969, dont ils avaient la charge et la garde. Ils l'ont notamment souvent frappée violemment et aveuglément, soit avec les mains, soit avec une ceinture. A diverses reprises, l'époux a arraché les cheveux de sa fille et il lui est arrivé de lui brûler les doigts soit avec des allumettes, soit en les appliquant sur une plaque de la cuisinière électrique, lui causant des brûlures au deuxième degré et des cloques.
Les deux époux, qui sont violents et colériques, ont fait valoir qu'ils avaient été poussés à agir par le fait que leur fille avait été conçue hors mariage. L'enfant a été hospitalisée et plusieurs rapports médicaux ont été établis.
Après une première intervention de l'autorité qui avait espéré, en octobre 1976, une modification de l'attitude des époux, une hospitalisation de l'enfant a dû être ordonnée le 18 avril 1977 sur ordre d'un médecin qui a constaté que l'enfant avait à nouveau été battue. Le même jour, une ordonnance de retrait provisoire du droit de garde aux parents a été rendue par le juge de paix compétent.
Le 18 avril au soir, les parents ont rendu visite à leur fille et ils l'ont emmenée le lendemain de force, malgré l'opposition des médecins, pour la conduire aussitôt en Espagne d'où ils sont originaires.
B.-
Reconnus coupables de mauvais traitements et de négligence envers les enfants (
art. 134 ch. 1 al. 1 CP
), les époux ont été condamnés, le mari à deux ans d'emprisonnement et l'épouse à deux ans et demi d'emprisonnement, tous deux étant expulsés du territoire suisse pour une durée de 15 ans.
Ces peines ont été réduites par la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud respectivement à 18 mois pour l'épouse et à un an pour le mari. Le jugement précédent a été maintenu pour le surplus.
Erwägungen
Extraits des considérants:
1.
a) Se référant tout d'abord aux constatations médicales faites dans la présente espèce et aux arrêts rendus par le Tribunal fédéral dans les affaires Piquerez (
ATF 80 IV 102
) et Annen (
ATF 85 IV 125
), les recourants font valoir que les traces constatées
BGE 105 IV 25 S. 27
sur l'enfant sont assimilables à des lésions corporelles, qu'elles ne peuvent être considérées comme graves, que ces lésions sont en tout point semblables à celles décrites dans l'arrêt Annen en ce sens qu'elles sont éminemment superficielles et susceptibles de guérir dans un laps de temps de quelques jours. Comme l'enfant a cependant été visiblement incapable de résister, ils admettent devoir être punis sur la base de l'
art. 123 ch. 1 al. 2 CP
.
b) Il n'est ni contesté ni contestable qu'il y a en l'espèce mauvais traitements et actes de cruauté. Il n'est pas contesté non plus que les atteintes portées à l'enfant constituent des lésions corporelles au sens de l'
art. 123 ch. 1 CP
et de la jurisprudence distinguant ces lésions des simples voies de fait (cf.
ATF 103 IV 70
et arrêts cités).
La jurisprudence instaurée par l'arrêt Piquerez (
ATF 80 IV 105
/106) a cependant considéré qu'en matière de mauvais traitement des enfants, au sens de l'
art. 134 CP
, la notion d'atteinte à la santé visée par cette disposition a une portée moins étendue que la notion de lésion corporelle, qui vise, outre l'atteinte à la santé, l'atteinte à l'intégrité corporelle. Ainsi, s'il n'y a pas eu atteinte à la santé, l'existence d'une atteinte à l'intégrité corporelle de l'enfant, même constitutive de lésions corporelles - et pour autant que l'une des autres conditions d'application de l'art. 134 ne soit pas réalisée -, ne tombe pas sous le coup de l'art. 134, mais seulement de l'
art. 123 CP
. Quant à l'atteinte à la santé, elle implique l'existence d'un trouble d'une certaine importance. Cette jurisprudence est fondée d'une part sur l'interprétation comparative des textes des
art. 123 et 134 CP
et d'autre part sur le caractère plus restrictif qui doit être reconnu à l'
art. 134 ch. 1 al. 1 CP
en raison de la peine plus lourde - emprisonnement pour un mois au moins - qu'il prévoit. Les autres arrêts rendus par le Tribunal fédéral en la matière n'ont pas remis - ou pas eu à remettre - cette jurisprudence en question (cf. arrêt Keller, du 20 mars 1956, ZR 55 (1956), p. 269-271;
ATF 85 IV 126
,
ATF 98 IV 185
).
Cette jurisprudence n'est pas satisfaisante, aussi n'a-t-elle pas manqué de soulever, à plus d'un titre, les critiques d'une partie de la doctrine (cf. FEHR, in RPS 79 (1963), p. 173 ss; BRÜHSCHWEILER, Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen, thèse Zurich 1963, pp. 97-99; STRATENWERTH, Bes. Teil I, 2e éd., p. 85). Il faut bien admettre que
BGE 105 IV 25 S. 28
la justification de son caractère restrictif par la référence au minimum plus élevé de la peine prévue à l'
art. 134 ch. 1 CP
, n'emporte guère la conviction; la relative sévérité de cette disposition légale trouve en effet avant tout sa justification dans la protection accrue qui doit être accordée aux enfants, à l'égard de ceux qui en ont la charge et auxquels ils sont soumis, en raison des répercussions plus profondes que peuvent avoir des lésions provoquées par des adultes dominants, et non évidemment dans la volonté d'appliquer cette disposition de manière restrictive (cf., à cet égard, un arrêt zurichois, in ZR 54 (1955), no 137, p. 273). De plus, la distinction qui devrait être faite entre les lésions corporelles selon qu'elles portent ou non une atteinte d'une certaine importance à la santé se révèle imprécise, peu sûre et artificielle. Il suffit pour s'en convaincre de se reporter à la jurisprudence relative à la distinction entre lésions corporelles et voies de fait (
ATF 103 IV 70
et arrêts cités) dans laquelle on cherche précisément à différencier ces deux sortes d'atteintes par les effets plus ou moins importants qu'elles exercent sur la santé. Ce qui précède, joint aux circonstances de l'espèce, démontre que cette jurisprudence ne peut être maintenue et qu'il convient dorénavant de considérer que tout mauvais traitement constitutif de lésions corporelles représente par définition une atteinte à la santé et tombe sous le coup de l'
art. 134 ch. 1 CP
, lorsqu'il est infligé à un enfant de moins de seize ans dont l'auteur a la garde.
De toute manière, même si l'on s'en tenait à la jurisprudence restrictive exposée dans l'arrêt Piquerez, on devrait admettre que les lésions subies par l'enfant C. ont porté à sa santé le trouble d'une certaine importance entraînant l'application de l'
art. 134 CP
. Cela est non seulement vrai à propos des brûlures infligées à la fillette (des brûlures même au deuxième degré, de par leurs effets et leurs traces s'étendant sur quelques jours, constituent des atteintes non négligeables à la santé); mais cela l'est aussi pour les coups et sévices répétés dont l'enfant a été victime. Les nombreuses traces laissées par ces coups, ainsi que la fréquence et la répétition de ceux-ci, excluent que l'on puisse qualifier de relativement peu importante l'atteinte qu'ils ont portée à la santé de la fillette.
Si l'on applique en outre l'
art. 134 CP
sous l'angle, non plus de l'atteinte effective à la santé, mais sous celui de la grave mise en danger de la santé ou du développement intellectuel de l'enfant,
BGE 105 IV 25 S. 29
on constate que cette autre forme de l'infraction est également réalisée. Il ressort en effet de l'expérience et des données médicales que les effets de mauvais traitements sur le développement intellectuel et moral des enfants peuvent être très graves (cf. FEHR, op.cit., p. 181; BRÜHSCHWEILER, op.cit., p. 9/10; HEGNAUER, Berner Kommentar, n. 16 et 23 ad
art. 278 CC
). Ces effets et les risques qu'ils font courir sont multipliés en cas de répétition des mauvais traitements, au point de constituer alors incontestablement une grave mise en danger au sens de la loi.
Ainsi tant sous l'angle de l'atteinte à la santé que sous celui de la grave mise en danger du développement intellectuel de la victime, les éléments constitutifs de l'
art. 134 ch. 1 CP
sont pleinement réalisés à la charge de chacun des deux recourants tant au regard de l'ancienne que de la nouvelle jurisprudence. C'est donc à juste titre qu'ils ont été condamnés en application de cette disposition. | null | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3eac3979-bd55-4ee5-8f4f-1ffed7247eb7 | Urteilskopf
118 II 291
56. Estratto della sentenza 21 aprile 1992 della II Corte Civile nella causa F.N., S.N., B.N., N.N. e F.G. contro Dipartimento delle istituzioni della Repubblica e Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo). | Regeste
Definitive Eintragung von Stockwerkeigentum. Änderung der Aufteilung in Sonderrechte und allgemeine Räumlichkeiten.
Ist während der Erstellung des Gebäudes dessen ursprüngliche Aufteilung in Sonderrechte und gemeinschaftliche Teile verändert worden, so genügt für die definitive Eintragung des Stockwerkeigentums im Grundbuch ein von allen Berechtigten unterzeichneter Plan nicht, sondern es ist eine öffentliche Urkunde erforderlich, welche die neue Aufteilung festhält. | Sachverhalt
ab Seite 291
BGE 118 II 291 S. 291
A.-
Con atto pubblico del 27 maggio 1987 S.T. ha sottoposto all'ordinamento della proprietà per piani la part. n. 171 registro fondiario definitivo (RFD) del Comune di Z. nella situazione esistente prima della ristrutturazione del fabbricato. L'iscrizione della proprietà per piani è stata effettuata il 1o giugno 1987 con la menzione "costituzione prima della riattazione". Con istanza 26 marzo 1991
BGE 118 II 291 S. 292
F.N., S.N., B.N., N.N. e F.G., comproprietari della part. n. 171 RFD di Z., hanno chiesto la cancellazione della citata menzione, osservando che la riattazione era terminata e che non vi erano modifiche da apportare alla tabella millesimale. Alla domanda sono stati annessi il piano di ripartizione della proprietà per piani, nonché la conferma ufficiale del geometra revisore, giusta l'art. 33c RRF, attestante che ogni quota costituisce un'unità economica con accesso proprio. Con decisione del 2 aprile 1991 l'Ufficiale del registro ha respinto la richiesta, affermando di aver riscontrato, nei piani di ripartizione, una modifica essenziale dei locali assoggettati al diritto esclusivo e delle parti comuni, motivo per cui l'iscrizione definitiva della proprietà per piani richiedeva un nuovo atto pubblico. Il 16 agosto 1991 l'autorità cantonale di vigilanza sul registro fondiario, ha respinto un ricorso dei comproprietari contro la decisione dell'Ufficiale.
B.-
Il 17 settembre 1991 F.N., B.N., S.N., N.N. e F.G. hanno presentato un ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale in cui chiedono che sia ordinato all'Ufficiale del registro fondiario di Lugano di provvedere all'iscrizione della proprietà per piani come all'istanza del 26 marzo 1991. L'autorità cantonale e l'Ufficio federale di giustizia propongono la reiezione del gravame.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
L'autorità di vigilanza cantonale, come già l'Ufficiale del registro, ha accertato delle differenze tra il piano di ripartizione prodotto con l'istanza di iscrizione della proprietà per piani prima della trasformazione dell'edificio e quello annesso alla domanda di cancellazione della menzione "costituzione prima della riattazione", inoltrata a lavori ultimati. In particolare la composizione delle quote n. 3 e 4 è stata modificata nel senso che, per quanto riguarda l'unità n. 3, la superficie dei solai, al piano sottotetto, è stata aumentata a scapito di parti comuni e che tale estensione riguarda pure l'appartamento n. 4, il quale, per contro, perde le terrazze al secondo e terzo piano, che diventano parti comuni. A mente delle autorità cantonali si tratta di modificazioni per nulla insignificanti, ma di sostanziale importanza per l'assegnazione di determinati locali alle quote di comproprietà e per la delimitazione tra i locali oggetto di diritto esclusivo e le parti comuni. I ricorrenti ammettono che le modifiche dei piani sono intervenute attraverso l'attribuzione in diritto esclusivo all'appartamento n. 4 di due solai nel sottotetto. Essi contestano invece
BGE 118 II 291 S. 293
l'esistenza (di altri cambiamenti) ... Tuttavia prescindendo da tale circostanza, rimane pur sempre il fatto che una modificazione ha avuto luogo per lo meno nei limiti riconosciuti dai ricorrenti...
3.
a) Giusta l'art. 712d cpv. 3 CC il negozio giuridico per la costituzione di una proprietà per piani richiede per la sua validità un atto pubblico. Tale atto deve contenere, accanto al valore in centesimi o millesimi di ciascun piano come quota del valore dell'immobile o del diritto di superficie, pure la determinazione dei piani o delle porzioni di piano (art. 712e cpv. 1 CC). L'art. 33b RRF conferma questa esigenza e prevede che l'atto costitutivo indichi "con chiarezza e precisione la descrizione, la determinazione e la composizione delle unità di piano". Infatti pur trattandosi di un fondo ai sensi dell'art. 655 CC, il contenuto del diritto esclusivo connesso alla quota di comproprietà non può risultare, come per i beni immobili, dalla mappa catastale che completa il libro mastro del registro fondiario (art. 942 cpv. 2 CC) - poiché tale mappa non esiste per la proprietà per piani - ma dev'essere descritto in primo luogo dall'atto costitutivo. È dunque essenziale che esso delimiti le parti oggetto del diritto esclusivo di ogni comproprietario, poiché la legge elenca imperativamente le parti comuni (art. 712b cpv. 3 CC). Rimane comunque riservata la facoltà di dichiarare comuni con l'atto costitutivo o con una successiva convenzione, sempre nella forma dell'atto pubblico, anche altre parti dell'edificio (art. 712b cpv. 3 CC in relazione con l'art. 712d cpv. 3 CC). È tuttavia pensabile che l'atto con cui viene costituita la proprietà per piani non possa indicare con sufficiente chiarezza e precisione le singole unità. In questo caso, l'Ufficiale del registro assegna un termine per la produzione di un piano di ripartizione firmato da tutti i proprietari (art. 33b cpv. 2 RRF). Il piano di ripartizione diviene indispensabile qualora, come accade nella fattispecie, la richiesta di iscrizione della proprietà per piani sia anteriore alla costruzione dell'edificio (art. 33c cpv. 1 RRF). Al compimento dell'edificio il predetto piano dev'essere, ove occorre, ripresentato rettificato (art. 33c cpv. 3 RRF). Ma tale piano non è che uno strumento destinato a precisare il contenuto del diritto reale e non partecipa alla fede pubblica del registro fondiario. Non esiste neppure la garanzia di un'identità fra la situazione reale e il piano di ripartizione, inoltre nemmeno l'acquisto di una quota di comproprietà può essere fondata sulle indicazioni di quest'ultimo (MEIER-HAYOZ/REY, Commentario bernese, n. 50-55 all'art. 712d CC e rinvii). Già per questo motivo il piano di ripartizione non può costituire una base giuridica sufficiente ai fini della separazione tra parti comuni
BGE 118 II 291 S. 294
e parti soggette al diritto esclusivo. La sua funzione, destinata a facilitare la descrizione delle quote di proprietà sui fogli del registro fondiario e a evitare formule troppo lunghe o complicate, deve limitarsi a precisare l'ubicazione delle parti oggetto del diritto esclusivo nell'ambito dell'edificio sottoposto al regime della proprietà per piani.
b) Quando, come nel caso in esame, le parti che prima erano considerate comuni sono attribuite in diritto esclusivo, si è in presenza di una modifica nei rapporti di proprietà risultanti dall'atto costitutivo e non semplicemente di un cambiamento nell'ubicazione o nella configurazione di una quota. Una siffatta modifica esige però la stessa forma dell'atto costitutivo - che è poi quella prevista per ogni trasferimento contrattuale di proprietà fondiaria - ossia l'atto pubblico. Del resto questa soluzione è conforme alla regola generale contemplata dall'art. 12 CO. Attraverso l'attribuzione di una parte finora considerata comune ad un'unità di piano, i diritti di tutti i comproprietari subiscono una limitazione (MEIER-HAYOZ/REY, op.cit., n. 43 all'art. 712e CC). Contrariamente all'opinione dei ricorrenti, non si giustifica restringere l'esigenza dell'atto pubblico alla sola ipotesi del cambiamento di valore delle quote, quando vi è una modifica tra parti comuni e parti oggetto del diritto esclusivo (cfr. FRIEDRICH, Das Stockwerkeigentum, Reglement für die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer, 2 ed., n. 16 al § 5 e Praktische Fragen im Zusammenhang mit der Begründung von Stockwerkeigentum, in ZBGR 1966 pag. 327). Infatti le citazioni di dottrina riportate nel gravame non hanno la portata che i ricorrenti vorrebbero loro attribuire. Il fatto che vi sia menzionato con maggior frequenza, ai fini del rispetto della forma dell'atto pubblico, il cambiamento di valore delle quote non significa che si possa rinunciare a tale forma allorché la trasformazione di parti comuni in parti oggetto di un diritto esclusivo non sia accompagnata da un cambiamento della tabella millesimale. Infatti come sottolinea il predetto autore, di decisiva importanza, giusta gli art. 712e cpv. 1 CC e 33b cpv. 1 RRF, è la delimitazione fra parti comuni e parti oggetto del diritto esclusivo (FRIEDRICH, op.cit., in ZBGR 1966 pag. 324). È perciò consono alla natura e allo spirito dell'istituto che la forma prevista dall'atto costitutivo sia rispettata nei casi in cui la separazione fra le singole parti sia successivamente modificata, con la conseguenza di stabilire rapporti di proprietà che non sono più quelli dell'atto iniziale. Il giudizio impugnato va pertanto confermato e il ricorso dev'essere respinto. | public_law | nan | it | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3eae2b59-80c7-4892-91e8-3969fd5046cc | Urteilskopf
110 II 236
48. Sentenza 16 maggio 1984 della II Corte civile nella causa Stato del Cantone Ticino contro Credito Svizzero (ricorso per riforma) | Regeste
Art. 836 ZGB
. Gesetzliches Pfandrecht des kantonalen Rechts für Steuerforderungen.
Das Bundesrecht verlangt, dass die Steuer, welche mit dem gesetzlichen Pfandrecht gesichert werden soll, eine besondere Beziehung zum belasteten Grundstück hat (E. 1).
Art. 183 Abs. 1 des tessinischen Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch ist insofern mit dem Bundesrecht unvereinbar, als es dem Kanton ein gesetzliches Pfandrecht für die Kapitalsteuer juristischer Personen gemäss Art. 78 des Steuergesetzes einräumt. Es besteht keine Beziehung zwischen der Steuer und dem belasteten Grundstück, wenngleich dieses das einzige Aktivum des Gesellschaftsvermögens darstellt. | Sachverhalt
ab Seite 237
BGE 110 II 236 S. 237
Sull'elenco oneri concernente la realizzazione di un appartamento di proprietà della debitrice E. Skory & Foletti S.A. figurano, tra l'altro, un'ipoteca legale a favore dello Stato del Cantone Ticino, a garanzia d'imposte cantonali degli anni 1978-1981 per complessivi Fr. 13'438.95, ed una cartella ipotecaria di Fr. 50'000.- in secondo rango, della quale è portatore il Credito Svizzero di Bellinzona. L'istituto bancario ha chiesto lo stralcio integrale delle pretese dello Stato, negandogli il beneficio dell'ipoteca legale. Il Pretore di Lugano-Campagna ha accolto la petizione nella misura in cui l'ipoteca legale garantiva l'imposta sul capitale delle persone giuridiche (Fr. 3'000.- per ciascuno dei quattro anni in questione); per l'imposta immobiliare (Fr. 144.30 per il 1978 e Fr. 163.95 per i tre anni successivi) l'ipoteca legale è invece stata mantenuta. Il giudizio del Pretore è stato confermato il 22 dicembre 1983 dalla II Camera civile del Tribunale di appello ticinese.
Lo Stato del Cantone Ticino è insorto davanti al Tribunale federale con ricorso per riforma, con il quale chiede che la garanzia dell'ipoteca legale sia accordata anche per l'imposta sul capitale di Fr. 3'000.- annui. Il ricorso è stato respinto.
Erwägungen
Considerato in diritto:
1.
L'
art. 836 CC
sancisce che le ipoteche legali stabilite dalle leggi cantonali, per i rapporti di diritto pubblico o altri rapporti di carattere obbligatorio generale per tutti i proprietari di fondi, non richiedono per la loro validità l'iscrizione nel registro fondiario, salvo disposizione contraria. Questa norma lascia semplicemente sussistere i diritti di pegno legali delle legislazioni cantonali, le quali sono libere nella determinazione del contenuto, dell'estensione e del grado: il diritto federale impone soltanto la forma dell'ipoteca e, trattandosi di garanzie per pretese fiscali cantonali, esige che l'imposta abbia una relazione
BGE 110 II 236 S. 238
particolare con il fondo da gravare (
DTF 85 I 37
/38;
DTF 84 II 100
segg. consid. 2a/b;
DTF 62 II 24
, in part. 29).
Nel Cantone Ticino l'art. 183 della legge d'applicazione e complemento del CC del 18 aprile 1911 (LAC) riconosce allo Stato le ipoteche legali, prevalenti sugli altri pegni immobiliari (cpv. 2), "sopra tutti e singoli gli immobili che il contribuente possiede nel Cantone per il pagamento di tutte le imposte sulla sostanza mobile ed immobile e sulla rendita dell'anno in corso al momento della dichiarazione di fallimento o della presentazione della domanda di realizzazione nonché dei due anni precedenti e dei successivi fino alla chiusura del fallimento o della esecuzione" (cpv. 1 lett. a). Nella sentenza pubblicata in
DTF 62 II 24
il Tribunale federale ha escluso che questa disposizione cantonale sia compatibile con l'
art. 836 CC
, nella misura in cui accorda il beneficio dell'ipoteca legale per pretese concernenti le imposte sulla sostanza mobiliare e sul reddito, senza rapporto con l'immobile gravato. Nella fattispecie il litigio riguarda il diritto dello Stato di beneficiare della medesima garanzia per l'imposta sul capitale delle società anonime. Per l'imposta immobiliare non v'è più contestazione davanti al Tribunale federale.
2.
Secondo l'art. 78 della legge tributaria del 28 settembre 1976 (LT) l'oggetto dell'imposta delle società di capitali e cooperative comprende il capitale azioni o il capitale sociale liberato, le riserve aperte e quelle tacite tassate come utile nonché l'ammontare dei debiti non riconosciuti dalla legge (cpv. 1); è imponibile almeno il capitale azioni o il capitale sociale liberato (cpv. 2). L'art. 80 LT stabilisce l'imposta nella misura del 3%o del capitale imponibile. La E. Skory & Foletti S.A. è stata tassata con il 3%o del capitale sociale di Fr. 1'000'000.- (Fr. 3'000.- annui). All'attivo essa dispone unicamente dell'immobile messo all'asta pubblica, i cui valori di stima ufficiali erano di Fr. 72'164.- nel 1978 e di Fr. 81'980.- per gli anni 1979-1981: nell'avviso d'incanto figura un valore peritale di Fr. 100'000.-.
Il capitale sociale, che ha determinato la somma imponibile minima, non ha alcuna relazione con l'immobile di proprietà della società. Nessun rapporto può quindi esservi fra l'imposta sul capitale in questione e il predetto immobile. Non è neppure possibile accertare in quale misura una parte dell'imposta sul capitale possa ricadere sul fondo. Certo il ricorrente, per il calcolo dell'entità dell'ipoteca legale, accenna alla ripartizione proporzionale tra gli attivi costituiti da immobili ed i
BGE 110 II 236 S. 239
rimanenti, commisurati ai fattori imponibili, il che, considerato come l'appartamento in condominio sia ormai l'unico attivo della società, condurrebbe necessariamente al valore dell'intera imposta sul capitale. Ma, per tacere del fatto che neppure il diritto cantonale prevede tale possibilità, il sistema d'imposizione è diverso: si tratta, come s'è detto, di un'imposta sul patrimonio, che tocca unicamente il capitale sociale, in quanto valore imponibile minimo. Un'imposta di questa natura non ha alcuna relazione con l'immobile di una persona giuridica determinata, anche qualora esso sia l'unico bene figurante all'attivo. L'
art. 836 CC
non conferisce allo Stato alcun diritto per garantire pretese di questo tipo. La circostanza, addotta nel ricorso, per cui il fisco sarebbe protetto in misura minore rispetto alle persone giuridiche che verso persone fisiche, è una conseguenza del sistema fiscale in vigore nel Cantone Ticino, non del diritto privato svizzero.
Per questi motivi il ricorso per riforma risulta infondato e la sentenza impugnata deve essere confermata. | public_law | nan | it | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3eb160d3-bed1-47eb-8822-933bbb0c6807 | Urteilskopf
125 I 119
14. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 9 mars 1999 dans la cause X. contre Conseil d'Etat du canton de Neuchâtel (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
. Ablehnungsbegehren eines Beamten gegen die übergeordnete Behörde im Verfahren betreffend Erteilung einer Verwarnung.
Zur Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen eine Verwarnung (E. 2a).
Rechtsprechung zum Ausstand wegen des Anscheins der Befangenheit: Unterscheidung zwischen dem Ausstand von Mitgliedern gerichtlicher Behörden gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und
Art. 58 BV
(E. 3a) und demjenigen anderer Behördenmitglieder gemäss
Art. 4 BV
(E. 3b-e).
Tragweite von
Art. 4 BV
und von den
Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG
entsprechenden kantonalen Ausstandsbestimmungen (E. 3f).
Im vorliegenden Fall erweist sich der Verdacht der Befangenheit als unberechtigt (E. 3g-h). | Sachverhalt
ab Seite 119
BGE 125 I 119 S. 119
X. est le directeur du service ... de l'Université de Neuchâtel. Nommé à cette fonction par le gouvernement cantonal, il est hiérarchiquement subordonné au rectorat de l'Université. Cet organe comprend le recteur, deux vice-recteurs et le secrétaire général.
BGE 125 I 119 S. 120
En raison de critiques répétées portant sur le fonctionnement de son service, X. a demandé des entretiens avec le recteur et le secrétaire général. Le recteur l'a informé qu'il serait reçu le 30 janvier 1998. Cette convocation précisait que l'entretien s'inscrirait dans une procédure administrative que le rectorat avait décidé d'engager à son sujet, susceptible d'aboutir à une mesure prévue par la loi sur le statut de la fonction publique. Elle était accompagnée d'un rapport d'expertise exécutée par le service d'organisation de l'Etat et consacrée à l'analyse des problèmes du service dirigé par X.; les conclusions de ce rapport mettaient en cause son style de gestion.
X. a mandaté un avocat et, par son intermédiaire, demandé l'accès au dossier préalablement à tout entretien.
Le 2 février 1998, le secrétaire général a répondu à l'avocat dans les termes ci-après:
«Le secrétaire général de l'Université déclare par la présente que la procédure administrative ouverte contre X. selon la lettre du 22 janvier 1998, à lui adressée, est levée.
«Cette décision s'applique jusqu'à celle que sera amené à prendre le rectorat au terme de l'entretien de service auquel X. doit prendre part le lundi 2 février 1998 à 14h15 avec le rectorat.»
A la suite de cet entretien, le rectorat a informé X. qu'il avait décidé de «reprendre la voie de la procédure administrative». Il élevait contre lui de nombreux et graves reproches, dont certains se rapportaient soit à des faits précis, soit au rapport d'expertise, et il lui accordait un délai de dix jours pour prendre position à leur sujet.
Lors de la consultation du dossier, X. a pris connaissance d'une lettre que le rectorat, sous la signature du recteur, avait adressée le 24 décembre 1997 au chef du Département de l'instruction publique et des affaires culturelles. Il y expliquait que le service ... présentait des signes évidents de dysfonctionnement depuis près de deux ans, dont la responsabilité était largement imputable au directeur; que les solutions préconisées par le rapport d'expertise n'étaient pas convaincantes et que le rectorat demandait, à bref délai, un entretien avec le chef du Département. Les rapports avec le directeur étaient présentés comme gravement dégradés: «les relations de confiance entre le directeur d'une part et le rectorat d'autre part [...] ont été rompues et je crains que ce soit définitif».
Après prolongation du délai fixé par le rectorat, X. a déposé un mémoire par lequel il demandait la récusation des membres de cette autorité: ceux-ci ne satisfaisaient prétendument pas à la garantie
BGE 125 I 119 S. 121
d'impartialité, en raison de l'opinion émise le 24 décembre 1997 et des revirements consistant dans l'ouverture, l'abandon puis la réouverture de la procédure administrative. Par ailleurs, X. contestait les reproches élevés contre lui.
Par décision du 19 mars 1998, le rectorat a adressé à X. l'avertissement préalable à un éventuel renvoi pour justes motifs; la demande de récusation était considérée comme «irrecevable».
X. a recouru sans succès au Département de l'instruction publique et des affaires culturelles, puis au Conseil d'Etat du canton de Neuchâtel. Il persistait à demander la récusation des membres du rectorat et se plaignait, en outre, d'une décision insuffisamment motivée. Le Conseil d'Etat a rejeté le recours le 1er juillet 1998.
Agissant par la voie du recours de droit public, X. a requis le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat. Invoquant l'
art. 4 Cst.
, il se plaignait notamment d'une application arbitraire de l'
art. 11 al. 1 let
. d de la loi neuchâteloise sur la procédure et la juridiction administratives (LPJA neuch.), concernant la récusation.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Selon la jurisprudence relative à l'
art. 84 al. 1 let. a OJ
, le recours pour violation des droits constitutionnels des citoyens n'est recevable que si l'acte attaqué, pris sous la forme d'un arrêté de portée générale ou d'une décision particulière, affecte d'une façon quelconque la situation juridique de l'individu, notamment en lui imposant une obligation de faire, de s'abstenir ou de tolérer (
ATF 121 I 42
consid. 2a p. 45, 173 consid. 2a p. 174;
ATF 120 Ia 321
consid. 3a p. 325).
Dans certaines conditions, un avertissement ou une sommation porte atteinte à la situation juridique du destinataire. Il en est ainsi lorsque l'avertissement est une étape obligatoire précédant une éventuelle mesure préjudiciable au destinataire, telle que le retrait d'une autorisation, ou lorsque, sans être impérativement nécessaire, l'avertissement prépare et favorise une mesure ultérieure qui, autrement, pourrait être jugée contraire au principe de la proportionnalité (
ATF 103 Ib 350
consid. 2 p. 352/353). Le recours de droit public peut aussi être exercé lorsque l'avertissement constitue directement une sanction disciplinaire (cf.
ATF 124 I 310
;
ATF 113 Ia 279
). En revanche, la simple menace d'une dénonciation à l'autorité compétente pour infliger la sanction n'est pas, en elle-même, un acte susceptible de recours (arrêt du 3 juillet 1987 dans la cause T., consid. 2b).
BGE 125 I 119 S. 122
D'après la réglementation cantonale précitée, l'avertissement litigieux ne constitue pas en lui-même une sanction disciplinaire; il s'agit cependant d'une étape en principe obligatoire avant le blâme, qui est clairement une sanction, ou avant la résiliation des rapports de fonction. Le recours de droit public est donc recevable au regard de l'
art. 84 al. 1 let. a OJ
.
3.
a) La garantie d'un tribunal indépendant et impartial instituée par l'
art. 6 par. 1 CEDH
, à l'instar de la protection conférée par l'
art. 58 Cst.
, permet au plaideur d'exiger la récusation d'un juge dont la situation ou le comportement est de nature à faire naître un doute sur son impartialité. Elle tend notamment à éviter que des circonstances extérieures à la cause ne puissent influencer le jugement en faveur ou au détriment d'une partie. Elle n'impose pas la récusation seulement lorsqu'une prévention effective du juge est établie, car une disposition interne de sa part ne peut guère être prouvée; il suffit que les circonstances donnent l'apparence de la prévention et fassent redouter une activité partiale du magistrat. Seules des circonstances constatées objectivement doivent être prises en considération; les impressions purement individuelles d'une des parties au procès ne sont pas décisives (
ATF 116 Ia 135
consid. 2; voir aussi
ATF 124 I 255
consid. 4a p. 261;
ATF 120 Ia 184
consid. 2b;
ATF 119 Ia 221
consid. 3).
En particulier, une partie est fondée à dénoncer une apparence de prévention lorsque, par des déclarations avant ou pendant le procès, le juge révèle une opinion qu'il a déjà acquise sur l'issue à donner au litige (
ATF 115 Ia 180
consid. 3).
Les règles cantonales sur l'organisation et la composition des tribunaux doivent être conçues de façon à assurer l'indépendance et l'impartialité des juges, conformément aux exigences de l'
art. 6 par. 1 CEDH
; les organes qui ne répondent pas auxdites exigences ne sont pas considérés comme des tribunaux au sens de cette disposition (
ATF 123 I 87
consid. 4a p. 91;
ATF 119 Ia 81
consid. 3 p. 83). Si l'apparence de la prévention ne résulte pas de circonstances particulières à la cause, mais de l'organisation judiciaire adoptée par le canton concerné, celle-ci est inconstitutionnelle (
ATF 115 Ia 224
consid. 6 p. 228). Il en est ainsi, notamment, lorsque le même juge cumule plusieurs fonctions et est donc amené à se prononcer, aux stades successifs d'un procès, sur des questions de fait ou de droit étroitement liées: on peut craindre, en effet, que ce juge ne projette dans la procédure en cours les opinions qu'il a déjà acquises, voire émises, à propos de l'affaire, qu'il ne résolve les questions à trancher
BGE 125 I 119 S. 123
selon ces opinions et, surtout, qu'il ne discerne pas des questions que se poserait un juge non prévenu (
ATF 116 Ia 135
consid. 3b p. 139; voir aussi
ATF 120 Ia 82
consid. 6c-6d p. 84 et CourEDH, arrêt Castillo Algar c. Espagne du 28 octobre 1998, ch. 46 et ss). L'indépendance et l'impartialité des magistrats se présente donc comme une maxime fondamentale de l'organisation des tribunaux.
b) Selon plusieurs arrêts du Tribunal fédéral, l'
art. 4 Cst.
confère une garantie de portée équivalente quant à l'indépendance et l'impartialité des autorités qui ne sont pas des tribunaux (
ATF 120 Ia 184
consid. 2a p. 186;
119 Ia 13
consid. 3a p. 16;
ATF 117 Ia 408
consid. 2a p. 410;
ATF 114 Ia 278
consid. 3b p. 279). Dans leur domaine d'application, les lois fédérale et neuchâteloise sur la procédure administrative prévoient d'ailleurs, par des dispositions presque identiques (
art. 10 al. 1 let
. d PA et
art. 11 al. 1 let
. d LPJA neuch.), que l'apparence de la prévention est un motif de récusation des personnes appelées à rendre ou à préparer une décision. A première vue, les critères précités relatifs à l'apparence de la prévention, concernant les membres des tribunaux, doivent donc être mis en oeuvre de façon identique lorsqu'une demande de récusation est dirigée contre un membre d'une autorité autre qu'un tribunal.
c) Cette approche ne présente normalement pas de difficulté lorsque l'autorité est composée et organisée selon des règles propres à assurer «a priori» l'impartialité de ses membres, telles que des commissions de recours, d'arbitrage ou de surveillance externes à l'administration (arrêt de la IIe Cour de droit public du 19 mai 1998 dans la cause B., consid. 2b; cf.
ATF 120 Ia 184
consid. 2). Le Tribunal fédéral a néanmoins jugé, dans le cas de l'Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision, que la jurisprudence relative aux
art. 58 Cst.
et 4 Cst. ne lui était pas sans autre transposable (
ATF 122 II 471
consid. 2a in fine p. 475). Il a constaté, à l'appui du refus de la récusation, que la participation de membres de l'Autorité à des décisions successives dans la même affaire, portant sur des questions au moins partiellement interdépendantes, était voulue par le législateur (même arrêt, consid. 3b p. 478).
d) La récusation de membres des autorités supérieures du pouvoir exécutif doit être examinée en tenant compte de la mission et de l'organisation desdites autorités. Celles-ci assument avant tout des tâches de gouvernement, de direction et de gestion; à la différence des commissions précitées, elles ne sont qu'occasionnellement impliquées dans des procédures juridiques ouvertes à l'égard ou sur requête de particuliers. Leurs tâches impliquent le cumul de fonctions
BGE 125 I 119 S. 124
diverses, qui ne pourraient pas être séparées sans atteinte à l'efficacité de la gestion et à la légitimité démocratique et politique des décisions correspondantes; en outre, elles exigent souvent des prises de position publiques (
ATF 121 I 252
consid. 2 p. 256 in medio; arrêt du 14 février 1997 in Pra 1997 p. 631, consid. 3). Ainsi, à l'égard d'un projet de route cantonale, les membres du gouvernement cantonal agissent à la fois à titre d'organe du maître d'oeuvre et d'autorité compétente pour l'approbation des plans. Dans cette seconde fonction, ils ne sont pas récusables au seul motif qu'ils ont déjà pris position, en faveur du projet, devant le parlement et dans la campagne précédant une votation populaire, car cette situation est inhérente à la réglementation légale des compétences (arrêt du 14 mars 1996 dans la cause Verkehrs-Club der Schweiz, consid. 4). Dans cette dernière affaire, le Tribunal fédéral s'est référé à la jurisprudence selon laquelle un conseiller d'Etat n'est pas récusable, dans la cause d'une société anonyme, au seul motif qu'il appartient au conseil d'administration de cette société à titre de représentant de la collectivité publique (
ATF 107 Ia 135
consid. 2b p. 137).
e) Parfois, l'autorité récusée n'a pas pour tâche de statuer dans la cause, mais d'assumer un rôle de partie. Tel est le cas d'un représentant du ministère public dans un procès pénal. Or, sa récusation ne peut évidemment pas être demandée au motif qu'il soutient activement l'accusation, car cette attitude, bien que foncièrement partiale, est inhérente à sa fonction. La récusation ne se justifie, en principe, que si le représentant commet des erreurs de procédure ou d'appréciation particulièrement lourdes ou répétées, qui doivent être considérées comme des violations graves de ses devoirs et dénotent l'intention de nuire au prévenu (arrêt du 7 janvier 1999 dans la cause M.; cf.
ATF 112 Ia 142
in fine p. 148).
f) Ces exemples montrent qu'à la différence des
art. 6 par. 1 CEDH
et 58 Cst., l'
art. 4 Cst.
n'impose pas l'indépendance et l'impartia-lité comme maxime d'organisation d'autorités gouvernementales, administratives ou de
BGE 125 I 119 S. 125
gestion. Au contraire, la répartition des fonctions et l'organisation choisies par le législateur compétent font partie des critères dont il importe de tenir compte pour apprécier si les membres de l'autorité satisfont, dans un cas concret, à la garantie d'impartialité. Les fonctions légalement attribuées à l'autorité doivent être prises en considération, en particulier pour apprécier la portée de déclarations ou prises de position antérieures dans l'affaire. En règle générale, les prises de position qui s'inscrivent dans l'exercice normal de fonctions gouvernementales, administratives ou de gestion, ou dans les attributions normales de l'autorité partie à la procédure, ne permettent pas de conclure à l'apparence de la partialité et elles ne sauraient donc justifier une récusation. A cet égard, une appréciation spécifique est nécessaire dans chaque situation particulière. L'
art. 4 Cst.
n'offre donc pas, dans ce contexte, une garantie équivalente à celle des
art. 6 par. 1 CEDH
et 58 Cst. applicables aux tribunaux (cf. arrêt du 11 juin 1996 in ZBl 1997 p. 568, consid. 3a). Cela s'explique par le fait qu'au contraire de ceux-ci, les autorités qui ont généralement pour mission principale de remplir des tâches de gouvernement, d'administration ou de gestion, ou d'assumer le rôle de partie à la procédure, n'exercent qu'occasionnellement la tâche de trancher des litiges.
Quant aux prescriptions légales cantonales libellées, sans autres précisions, sur le modèle de l'
art. 10 al. 1 let
. d PA, il n'est pas arbitraire d'admettre qu'elles permettent elles aussi de prendre en considération, dans la même mesure, les fonctions assumées par les autorités administratives auxquelles elles s'appliquent. Il est loisible aux autorités cantonales de les interpréter de façon plus restrictive, de même que le législateur cantonal peut adopter des dispositions plus sévères.
g) Légalement responsable de la gestion de l'Université, le rectorat se trouve, vis-à-vis du recourant, dans une relation permanente de collaboration et de direction hiérarchique. L'avertissement signifié au recourant en application de l'art. 46 de la loi cantonale sur le statut de la fonction publique, du 28 juin 1995, n'est nullement l'aboutissement d'une procédure indépendante de cette relation; il s'agit au contraire, typiquement, d'une mesure prise dans le cadre de la gestion de l'Université. C'est en raison de ce rapport permanent de collaboration que le rectorat peut, mieux que n'importe quelle autre instance, constater d'éventuels dysfonctionnements dans l'activité du recourant, apprécier l'opportunité d'un avertissement et surveiller l'évolution ultérieure de la situation. En tant qu'il existe formellement un cumul de fonctions entre la gestion de l'Université et la compétence pour adresser un avertissement à un fonctionnaire de cet établissement, ce cumul est justifié par des besoins organiques pertinents.
Par sa lettre du 24 décembre 1997 adressée au Département de l'instruction publique et des affaires culturelles, le rectorat faisait part de ses préoccupations concernant la gestion du service ... . La lettre suivait immédiatement l'achèvement d'une expertise sur le fonctionnement du service, et elle tendait à obtenir un entretien avec
BGE 125 I 119 S. 126
le chef du Département. A l'instar de l'avertissement signifié ultérieurement au recourant, cette démarche du rectorat était donc nettement, elle aussi, un acte de gestion de l'Université (art. 20 al. 1 de la loi sur l'Université, du 26 juin 1996), qui s'inscrivait dans les rapports réguliers de l'Université avec l'autorité de surveillance (cf. art. 20 al. 1 let. a, 20 al. 2 en liaison avec l'art. 8 de cette loi). En dépit de l'appréciation négative exprimée au sujet des relations avec le recourant, la lettre ne dénotait aucune animosité particulière contre lui; en particulier, il n'apparaît pas que le rectorat cherchât à s'en séparer pour des motifs étrangers aux rapports de fonction. Par conséquent, cette prise de position ne pouvait pas, à elle seule, justifier la récusation du rectorat dans la procédure d'avertissement.
h) Compte tenu de son contexte, la lettre du 2 février 1998, adressée au recourant sous la signature du secrétaire général, devait être interprétée en ce sens que l'entretien du même jour ne serait pas suivi d'une mesure administrative sans que le recourant eût la possibilité de consulter le dossier et faire valoir ses arguments. Cette assurance a été respectée. Certes, les termes utilisés dans la correspondance, portant sur la levée puis la réouverture de la «procédure administrative», pouvaient paraître équivoques et prêter à discussion; néanmoins, ils ne dénotent en tout cas pas l'intention de porter atteinte aux droits procéduraux du recourant. D'ailleurs, aucune règle de procédure ne semble avoir été effectivement violée. De ce point de vue également, la suspicion de prévention n'est pas justifiée.
i) Il découle de ce qui précède qu'en refusant la récusation du rectorat, le Conseil d'Etat n'a pas appliqué arbitrairement l'
art. 11 al. 1 let
. d LPJA/NE. | public_law | nan | fr | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3eb36367-0af4-4cd5-8fa7-4d942129cb60 | Urteilskopf
126 V 484
81. Urteil vom 7. Dezember 2000 i. S. Visana gegen G. und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | Regeste
Art. 41 Abs. 1 und 2,
Art. 50 KVG
: Leistungspflicht bei Aufenthalt in einem Pflegeheim.
- Die Kostenübernahme für den Aufenthalt in einem Pflegeheim richtet sich nach der Regelung für ambulante Behandlung gemäss
Art. 41 Abs. 1 Satz 2 KVG
.
-
Art. 41 Abs. 2 KVG
bestimmt abschliessend, was unter medizinischen Gründen zu verstehen ist. | Sachverhalt
ab Seite 484
BGE 126 V 484 S. 484
A.-
Der 1928 geborene G. ist bei der Visana obligatorisch krankenversichert. Er ist bevormundet. Die Vormundschaft wird von der Einwohnergemeinde X im Kanton Solothurn geführt. Diese hat E. als Vormund ernannt.
G. hält sich seit 1979 als Pensionär im Heim Y im Kanton Bern auf und ist leicht pflegebedürftig. Bis Ende 1996 hat die Visana einen Pflegeheimbeitrag von 30 Franken pro Tag ausgerichtet, wie er im Kanton Bern für leichte Pflegebedürftigkeit gilt. Ab 1. Januar 1997 gestand sie ihm nur noch den Pflegeheimbeitrag des Kantons Solothurn für leichte Pflegebedürftigkeit von 11 Franken pro Tag zu.
Nach Interventionen des Vormunds des Versicherten erliess die Visana am 8. Juni 1998 eine Verfügung, wonach für den Aufenthalt von G., mit gesetzlichem Wohnsitz in X (Kanton Solothurn), im Heim Y (Kanton Bern), ab 1. Januar 1997 bis auf weiteres der Pflegeheimbeitrag des Kantons Solothurn entsprechend der jeweiligen Pflegebedarfsstufe erbracht werde. An diesem Standpunkt hielt die Krankenkasse mit Einspracheentscheid vom 17. Juli 1998 fest.
BGE 126 V 484 S. 485
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher der Vormund des Versicherten ab 1. Januar 1997 bis auf weiteres die Ausrichtung des Pflegeheimbeitrages des Kantons Bern entsprechend der jeweiligen Pflegebedarfsstufe beantragen liess, hat das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 21. Mai 1999 gutgeheissen.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Visana die Aufhebung des Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn.
Der Vormund des Versicherten und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist, welche Leistungen die Visana dem Beschwerdegegner an den Aufenthalt im Heim Y zu entrichten hat. Unbestritten ist dabei die Einstufung in die Kategorie der leichten Pflegebedürftigkeit.
2.
Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt nach
Art. 24 KVG
die Kosten für die Leistungen gemäss den
Art. 25-31 KVG
nach Massgabe der in den
Art. 32-34 KVG
festgelegten Voraussetzungen. Die Leistungen umfassen u.a. Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchgeführt werden von Ärzten oder Ärztinnen, Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen und Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen (
Art. 25 Abs. 2 lit. a KVG
).
Nach
Art. 41 Abs. 1 KVG
können die Versicherten unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen (Satz 1). Bei ambulanter Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt (Satz 2). Bei stationärer oder teilstationärer Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gilt (Satz 3). Beanspruchen Versicherte aus medizinischen Gründen einen anderen Leistungserbringer, so richtet sich laut
Art. 41 Abs. 2 KVG
die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für diesen Leistungserbringer gilt (Satz 1). Medizinische Gründe liegen bei einem Notfall vor oder wenn die erforderlichen Leistungen
BGE 126 V 484 S. 486
bei ambulanter Behandlung am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung (Satz 2 lit. a), bei stationärer oder teilstationärer Behandlung im Wohnkanton oder in einem auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführten ausserkantonalen Spital nicht angeboten werden (Satz 2 lit. b).
Bei Aufenthalt in einem Pflegeheim (
Art. 39 Abs. 3 KVG
) vergütet der Versicherer gemäss
Art. 50 KVG
die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege und bei Krankenpflege zu Hause.
3.
Die Visana stellte sich in ihrer Verfügung vom 8. Juni 1998 und im Einspracheentscheid vom 17. Juli 1998 im Wesentlichen auf den Standpunkt, der Versicherer müsse bei stationärer oder teilstationärer Behandlung gemäss
Art. 41 Abs. 1 KVG
die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gelte. Bevormundete hätten ihren Wohnsitz laut
Art. 25 Abs. 2 ZGB
am Sitz der Vormundschaftsbehörde. Da sich der gesetzliche Wohnsitz des Beschwerdegegners demzufolge in X im Kanton Solothurn befinde, gelte der Aufenthalt im Heim Y im Kanton Bern als ausserkantonale Behandlung, was wiederum zur Folge habe, dass der Versicherer höchstens die Leistungen nach dem Tarif des Wohnkantons Solothurn erbringen müsse.
Das kantonale Gericht hat diese Ausführungen bestätigt, die gegen den Einspracheentscheid gerichtete Beschwerde jedoch mit der Begründung gutgeheissen, der Versicherte könne die erforderlichen Leistungen in einer Institution im Wohnkanton nicht beziehen und beanspruche aus medizinischen Gründen im Sinne von
Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG
einen andern Leistungserbringer. Dem 70-jährigen Mann sei nach rund 20-jährigem Aufenthalt im Heim Y ein Wohnwechsel sowohl aus medizinischer wie auch aus sozialer Sicht nicht zumutbar.
In ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde verneint die Krankenkasse das Vorliegen medizinischer Gründe gemäss
Art. 41 Abs. 2 KVG
.
4.
Was zunächst die Frage des Vorliegens medizinischer Gründe anbelangt, ist festzuhalten, dass
Art. 41 Abs. 2 KVG
abschliessend bestimmt, was darunter zu verstehen ist. Es sind dies einerseits der Notfall, d.h. die Lage, in welcher medizinische Hilfe unaufschiebbar und für die notwendige ambulante Behandlung eine Rückkehr in die Wohn- oder Arbeitsregion bzw. für die stationäre oder teilstationäre Behandlung in den Wohnkanton nicht möglich oder angemessen ist, und anderseits der Umstand, dass die erforderlichen Leistungen innerhalb der örtlichen Grenzen gar nicht angeboten werden (vgl. GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz 318).
BGE 126 V 484 S. 487
Die Vorinstanz hat sich bei der Gewährung des Tarifschutzes gemäss
Art. 41 Abs. 2 lit. b KVG
auf das Attest des Ärztlichen Dienstes des Heims Y vom 13. Oktober 1998 gestützt, wonach es für den 70-jährigen Versicherten, der in der Vergangenheit psychisch labil gewesen sei, sehr belastend und hinsichtlich seines nun seit Jahren stabilen Gesundheitszustandes kontraproduktiv und gefährdend wäre, wenn er in ein anderes Heim verlegt werden müsste. Für solche in der Person liegenden Gründe haben die Krankenkassen indessen - wie dies die Beschwerdeführerin zu Recht ausführt - nicht einzustehen. Würden in
Art. 41 Abs. 2 KVG
als Voraussetzung nur medizinische Gründe genannt, wäre die Interpretation des kantonalen Gerichts, wonach es aus medizinischen Gründen für den Versicherten vorteilhafter wäre, im Heim Y zu bleiben, durchaus in Erwägung zu ziehen. Auf Grund der - wie erwähnt - abschliessenden Definition des Gesetzgebers in
Art. 41 Abs. 2 KVG
kann es jedoch nicht darauf ankommen, ob es für die versicherte Person medizinisch ganzheitlich gesehen besser wäre, im bisherigen Heim bleiben zu können. Vielmehr kommt es, nachdem eine Notfallsituation unbestrittenermassen auszuschliessen ist, darauf an, ob im Kanton Solothurn die erforderlichen Leistungen nicht angeboten werden. Vorliegend wird nun aber weder behauptet, noch sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es im Kanton Solothurn keine Pflegeheime gäbe, welche die für den Versicherten erforderlichen Leistungen anbieten würden.
5.
a) Im Weitern ist zu prüfen, wie der Aufenthalt in einem Pflegeheim von
Art. 41 Abs. 1 KVG
erfasst wird. Krankenkasse, Vorinstanz und BSV gehen davon aus, dass diesbezüglich Satz 3 von
Art. 41 Abs. 1 KVG
zur Anwendung kommt, der die Kostenübernahme bei stationärer oder teilstationärer Behandlung regelt, dies obwohl in
Art. 50 KVG
bestimmt wird, dass beim Aufenthalt in einem Pflegeheim der Versicherer die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege vergütet.
b) Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zu Grunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren
BGE 126 V 484 S. 488
Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (
BGE 126 V 105
Erw. 3 mit Hinweisen).
c) Die Abgrenzung zwischen ambulanter Behandlung (
Art. 41 Abs. 1 Satz 2 KVG
) einerseits und stationärer oder teilstationärer Behandlung (
Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG
) andererseits wie auch die Qualifizierung des langjährigen Aufenthalts in einem Pflegeheim als stationäre oder teilstationäre Behandlung erscheinen auf den ersten Blick im deutschsprachigen Gesetzestext klar. Diskrepanzen ergeben sich jedoch bei Hinzuziehen des französischen und italienischen Gesetzestextes, wo die Gegenüberstellung "traitement ambulatoire"/"traitement hospitalier ou semihospitalier" bzw. "cura ambulatoriale"/"cura ospedaliera o semiospedaliera" lautet und demzufolge die im deutschsprachigen Text mit "stationär oder teilstationär" bezeichnete Behandlung nur spitalbezogen ist. Betrachtet man damit zusammenhängende Gesetzesbestimmungen, zeigt sich, dass diese Unterscheidung mehrmals vorkommt. So differenziert auch
Art. 25 Abs. 2 KVG
nach "ambulant/sous forme ambulatoire/ ambulatorialmente", "stationär/en milieu hospitalier/in ospedale", "teilstationär/en milieu semi-hospitalier/parzialmente in ospedale" und "in einem Pflegeheim/dans un établissement médico-social/in una casa di cura". In
Art. 39 KVG
, welcher sich auf Spitäler und andere Einrichtungen bezieht, regelt sodann Abs. 1 den Aufenthalt in Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung dienen (Spitäler), Abs. 2 die Behandlung in Anstalten, Einrichtungen oder deren Abteilungen, die der teilstationären Krankenpflege dienen, während sich Abs. 3 zu Anstalten, Einrichtungen oder deren Abteilungen äussert, die der Pflege und medizinischen Betreuung sowie der Rehabilitation von Langzeitpatienten und -patientinnen dienen (Pflegeheim). In der Botschaft des Bundesrates vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung (BBl 1992 I 93 ff., namentlich S. 166) wird zu letzterer Bestimmung erläutert, dass die Gesetzesvorlage eben zwischen drei Kategorien von Einrichtungen unterscheidet, nämlich Spitäler als Anstalten (oder Abteilungen davon) für die stationäre Behandlung, teilstationäre Institutionen und schliesslich Pflegeheime. Dieser Kontext zeigt, dass die Begriffe "stationäre oder teilstationäre Behandlung" in
Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG
dem Spital zuzuordnen sind, wie es im französischen und italienischen Gesetzestext zum Ausdruck kommt, während der deutschsprachige Text diesbezüglich missverständlich
BGE 126 V 484 S. 489
formuliert ist. Klar ist, dass ein zwanzigjähriger Aufenthalt in einem Pflegeheim im gewöhnlichen Sprachgebrauch als stationärer Aufenthalt bezeichnet wird, doch sind Pflegeheime in Bezug auf die Tarifierung - wie dies auch aus
Art. 50 KVG
hervorgeht - eben nicht wie Spitäler zu behandeln, sondern es werden an den dortigen Aufenthalt die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege erbracht. Dies entspricht auch dem Zweck der Regelung, sind doch die Hotelleriekosten (Unterkunft und Verpflegung) in einem Pflegeheim im Gegensatz zum Spital nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu übernehmen und dementsprechend nicht im Leistungsbereich gemäss Art. 7 der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) enthalten (vgl. EUGSTER, a.a.O., Rz 307; RKUV 1999 Nr. KV 86 S. 381). Aus dem Gesagten folgt, dass der vorliegende Aufenthalt in einem Pflegeheim nicht als stationäre oder teilstationäre Behandlung im Sinne von
Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG
, sondern als ambulante Behandlung im Sinne von
Art. 41 Abs. 1 Satz 2 KVG
zu qualifizieren ist.
d) Bei der ambulanten Behandlung muss der Versicherer die Kosten höchstens nach dem Tarif übernehmen, der am Wohn- oder Arbeitsort der versicherten Person oder in deren Umgebung gilt (
Art. 41 Abs. 1 Satz 2 KVG
). Unter Wohnort ist gemäss Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts - wie bereits unter altem Recht - der Aufenthaltsort, nicht etwa der Wohnsitz, zu verstehen (
BGE 126 V 17
Erw. 3 mit Hinweisen auf Judikatur, Literatur und Materialien). Der Aufenthaltsort des Beschwerdegegners ist unbestrittenermassen die Ortschaft Z im Kanton Bern, lebt er doch seit rund 20 Jahren dort in einem Pflegeheim. Daran ändert nichts, dass er bevormundet ist, da dies nur einen Einfluss auf den Wohnsitz hat. Die Frage aber, ob in
Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG
unter "Wohnkanton" ("canton où réside l'assuré", "cantone di domicilio") der "Wohnsitzkanton" ("canton de domicile", "cantone di domicilio") zu verstehen ist, kann vorliegend offen gelassen werden.
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Kostenübernahme für den Aufenthalt des Beschwerdegegners im Pflegeheim nach der Regelung für ambulante Behandlung gemäss
Art. 41 Abs. 1 Satz 2 KVG
richtet, was zur Folge hat, dass die Krankenkasse auch ab 1. Januar 1997 bis auf weiteres die Pflegeheimbeiträge des Kantons Bern, wo sich der Versicherte aufhält, zu entrichten hat. Dementsprechend hat der Versicherte auch die Prämien des Kantons Bern zu bezahlen. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3eb75e5a-b1a2-47ec-bde6-9956db471033 | Urteilskopf
114 II 264
46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Juni 1988 i.S. Firma B. gegen Firma A. (Berufung) | Regeste
Art. 163 Abs. 3 OR
. Herabsetzung der Konventionalstrafe.
Grundsätze und Umstände, die bei der Beurteilung der Frage, ob die Strafe wegen Übermässigkeit herabzusetzen sei, zu beachten sind. Bedeutung des Schadens. Beweislast. | Erwägungen
ab Seite 264
BGE 114 II 264 S. 264
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren nur gegen die Höhe der Konventionalstrafe, die entgegen der Auffassung des Handelsgerichts gemäss
Art. 163 Abs. 3 OR
erheblich zu kürzen sei.
a) Nach dieser Bestimmung hat der Richter eine übermässig hohe Konventionalstrafe nach seinem Ermessen herabzusetzen. Dabei ist schon deshalb Zurückhaltung geboten, weil die Strafe von den Parteien gemäss
Art. 163 Abs. 1 OR
an sich in beliebiger Höhe festgesetzt werden kann und Verträge zu halten sind; dieses ergibt sich aus dem fundamentalen Grundsatz der Vertragstreue, während jenes dem Grundsatz der Vertragsfreiheit entspricht. Ein richterlicher Eingriff in den Vertrag rechtfertigt sich nach diesen Grundsätzen nur, wenn der verabredete Betrag so hoch ist, dass er das vernünftige, mit Recht und Billigkeit noch vereinbare Mass übersteigt (
BGE 103 II 135
mit Hinweisen). Der wichtigste Grund für einen solchen Eingriff ist denn auch darin zu erblicken, dass die gesetzlichen Schranken der Vertragsfreiheit gemäss Art. 19/20 OR sich auf die Lage anlässlich des Vertragsschlusses beziehen, sich aber erst nach der Verletzung des Vertrages richtig abmessen lässt, wie es sich mit der Rechtfertigung der vereinbarten Strafe verhält (
BGE 69 II 79
; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 411 f.).
Eine Herabsetzung der Konventionalstrafe rechtfertigt sich insbesondere, wenn zwischen dem vereinbarten Betrag und dem Interesse des Ansprechers, daran im vollen Umfang festzuhalten, ein
BGE 114 II 264 S. 265
krasses Missverhältnis besteht. Welche Anforderungen dabei an die Rechtfertigung und an die Verhältnismässigkeit des Eingriffs zu stellen sind, entscheidet sich nicht allgemein, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (
BGE 103 II 108
mit Hinweisen). Dazu gehören insbesondere die Art und Dauer des Vertrages (
BGE 38 II 102
), die Schwere des Verschuldens und der Vertragsverletzung (
BGE 103 II 135
,
BGE 91 II 383
), das Interesse des Ansprechers an der Einhaltung des Verbots (
BGE 103 II 135
) sowie die wirtschaftliche Lage der Beteiligten (
BGE 95 II 539
f.), namentlich des Verpflichteten (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 16 zu
Art. 163 OR
). Zu berücksichtigen sind ferner allfällige Abhängigkeiten aus dem Vertragsverhältnis und die Geschäftserfahrungen der Beteiligten. Gegenüber einem Arbeitnehmer, der in der Regel auch der wirtschaftlich Schwächere ist, rechtfertigt sich eine Herabsetzung eher als unter wirtschaftlich gleichgestellten und geschäftskundigen Vertragspartnern (BECKER, N. 17 zu
Art. 163 OR
; VON TUHR/ESCHER, OR Allg. Teil II S. 285 f.).
b) Es liegt nahe, nicht nur das Interesse des Ansprechers, sondern auch die Schwere des Verschuldens nach dem entstandenen Schaden zu beurteilen. Das heisst aber nicht, eine Konventionalstrafe sei schon deshalb übermässig, weil sie den Betrag übersteigt, den der Berechtigte als Schadenersatz aus der Vertragsverletzung beanspruchen könnte. Als Indiz für das Übermass kommt denn auch nicht der entstandene, sondern der höchstmögliche Schaden in Betracht (
BGE 103 II 109
; MERZ, ZBJV 115/1979 S. 283). Die Konventionalstrafe ist Gegenstand einer selbständigen Verpflichtung, die von der Haftung für Schaden zu unterscheiden ist; das erhellt schon daraus, dass sie gemäss
Art. 161 Abs. 1 OR
selbst dann verfällt, wenn dem Gläubiger kein Schaden erwachsen ist.
Schliesslich ist zu beachten, dass nicht der Gläubiger die Angemessenheit der Konventionalstrafe darzutun, sondern der Schuldner die Voraussetzungen einer Herabsetzung zu behaupten und nachzuweisen hat (
BGE 103 II 109
mit Hinweisen). | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3ec699f2-1b8e-46c7-a859-3d75ec07a4a6 | Urteilskopf
108 Ia 203
36. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. April 1982 i.S. Frei gegen Bernhardsgrütter (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 87, 50 und 57 Abs. 5 OG
.
Ist gegen einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid mit der staatsrechtlichen Beschwerde zugleich eine nach
Art. 50 OG
zulässige Berufung erhoben worden, so ist auf die Beschwerde gemäss
Art. 87 OG
einzutreten. | Sachverhalt
ab Seite 203
BGE 108 Ia 203 S. 203
Dr. Med. Otto Bernhardsgrütter macht den Landwirt Alfred Frei für die Folgen eines Reitunfalls haftbar. Er klagt auf Fr. 104'242.05 nebst Zins, weil er wegen einer schweren Knieverletzung neun Wochen voll und vier Wochen zur Hälfte arbeitsunfähig gewesen sei und dabei einen Verdienstausfall als frei praktizierender Arzt und als Inhaber, Leiter und Lehrer einer Arztgehilfinnenschule erlitten habe. Das Bezirksgericht Arbon wies die Klage ab; der Beklagte sei zwar Tierhalter im Sinne von
Art. 56 OR
gewesen, habe jedoch alle gebotene Sorgfalt angewandt; der Unfall sei ausschliesslich vom Kläger verschuldet. Das Obergericht liess demgegenüber die Halterfrage offen, bejahte dagegen die Haftung des Beklagten aus Verschulden gemäss
Art. 41 OR
und verneinte ein Selbstverschulden des Klägers. Am 26. Mai 1981 erklärte es den Beklagten als voll haftbar, beschränkte aber seinen Entscheid vorläufig auf ein Teilurteil über die Haftungsfrage, weil bezüglich der Höhe des Schadens zu erwarten sei, dass sich die Parteien
BGE 108 Ia 203 S. 204
hierüber nach rechtskräftiger Beurteilung der Haftungsfragen gütlich einigen könnten.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
beantragt der Beklagte, dieses Teilurteil aufzuheben. Der Kläger und das Obergericht beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Gegen das Urteil des Obergerichts hat der Beklagte zudem Berufung eingereicht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid erging wohl letztinstanzlich, er ist aber kein Endentscheid, weil das Obergericht lediglich die Haftung des Beklagten bejaht, ohne zugleich betragsmässig über die Klageforderung zu entscheiden. Es handelt sich demnach um einen letztinstanzlichen Zwischenentscheid, welcher nach
Art. 87 OG
nur dann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
angefochten werden kann, wenn er für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat.
Diese Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeit dient der Prozessökonomie. Sie soll verhindern, dass das kantonale Verfahren unnötig unterbrochen wird; auch soll das Bundesgericht im gleichen Prozess nicht mehrmals angerufen werden können. Der nicht wiedergutzumachende Nachteil, welcher demgegenüber die Anfechtung von Zwischenentscheiden erlaubt, muss nach der Rechtsprechung ein solcher rechtlicher Natur sein; eine nur tatsächliche Beeinträchtigung wie beispielsweise eine Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht (
BGE 106 Ia 228
f., 233 f. mit Hinweisen). Danach wäre die vorliegende Beschwerde nicht zulässig, weil der Beschwerdeführer seine Rügen auch noch im Anschluss an den Endentscheid des Obergerichts erheben könnte.
a) Indes ficht der Beschwerdeführer den Zwischenentscheid des Obergerichts zugleich mit Berufung an. Dies ist nach
Art. 50 OG
zulässig, wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint. Vorliegend sind streitig das Ausmass der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und der Verdienstausfall des Beschwerdegegners als freiberuflich tätiger Spezialarzt und Leiter einer Arztgehilfinnenschule, wozu beide Parteien sich auf Expertisen berufen. Erfüllt ist auch das
BGE 108 Ia 203 S. 205
zweite Erfordernis, indem die Gutheissung der Berufung zur Abweisung der Klage führen könnte. Das setzt indessen, jedenfalls in der Regel, die Behandlung der staatsrechtlichen Beschwerde voraus (
Art. 57 Abs. 5 OG
); dem steht jedoch wie dargelegt die Rechtsprechung zu
Art. 87 OG
entgegen.
b) In diesem offensichtlichen Konflikt verdient
Art. 50 OG
, der die Anfechtung von Zwischenentscheiden unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich zulässt, den Vorrang. Es kann nicht angenommen werden, diese Berufungsmöglichkeit entfalle, wenn zugleich staatsrechtliche Beschwerde erhoben ist. Das muss zur Behandlung der staatsrechtlichen Beschwerde führen, sei es, dass in diesen Fällen auf das Erfordernis eines besonders gearteten rechtlichen Nachteils im Sinn der Rechtsprechung verzichtet wird, sei es, dass dieser im Verlust des Berufungsrechts aus
Art. 50 OG
erblickt wird. Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts, welche in der Sache ebenfalls betroffen ist, hat dieser Betrachtungsweise zugestimmt. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
3ec8f784-afaf-4eb4-bde7-143b54dbece9 | Urteilskopf
91 I 467
72. Urteil vom 7. Juli 1965 i.S. X. gegen Stadt und Kanton Luzern sowie Kanton Solothurn, Einwohnergemeinde Solothurn und Römisch-katholische Kirchgemeinde Solothurn. | Regeste
Art. 46 Abs. 2 BV
, Doppelbesteuerung.
1. Der Verkauf sämtlicher Aktien einer Gesellschaft, deren Hauptaktivum eine Liegenschaft ist, und der dabei erzielte Gewinn unterstehen der Steuerhoheit des Belegenheitskantons, wenn der Kaufpreis ganz oder doch zur Hauptsache den Gegenwert für das Grundstück der Gesellschaft darstellt (Erw. 2).
2.
Art. 46 Abs. 2 BV
verbietet neben der aktuellen auch die virtuelle Doppelbesteuerung (Erw. 3).
3. Die Einrede, ein Kanton habe sein Besteuerungsrecht durch verspätete Geltendmachung verwirkt, steht nur den am Doppelbesteuerungsstreit beteiligten Kantonen und nicht auch dem Steuerpflichtigen selber zu. Voraussetzungen der Einrede (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 468
BGE 91 I 467 S. 468
A.-
Die im Jahre 1937 gegründete "St. Gotthard AG" ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 91 an der Bahnhofstrasse/Pilatusstrasse in Luzern; sie betrieb das gleichnamige, seit 1870 bestehende Hotel mit Restaurant gegenüber dem Bahnhof. Seit der Gründung der Gesellschaft war der Leiter des Hotels, Y., deren Hauptaktionär; er erwarb in der Folge die Gesamtheit der Aktien. Als Y. 1957 starb, gingen sämtliche Aktien in das Eigentum der Tochter über, die mit X. in Solothurn verheiratet ist. Am 23. Dezember 1961 verkaufte die St. Gotthard AG der Alleinaktionärin Frau X. einen 340 m2 umfassenden Teil des Grundstücks Nr. 91 (das heute noch 1291,3 m2 misst) als neue Parzelle Nr. 3391. Mit Vertrag vom 29. Juni 1962 verkaufte Frau X. die Gesamtheit der Aktien der St. Gotthard AG dem Schweizerischen Bankverein (SBV) zum Preis von ... Millionen Franken. Das Hotel samt Restaurant wurde bis Ende 1963 weitergeführt. Am 18. März 1964 bewilligte der Stadtrat von Luzern der St. Gotthard AG und Frau X. die Erstellung zweier zusammengebauter Häuser auf den Parzellen Nr. 91 und 3391. Das bestehende Gebäude wurde darauf abgebrochen. Der Neubau des SBV nimmt die Filiale dieser Bank, weitere Geschäftsräumlichkeiten und ein Restaurant auf.
B.-
X. führte in seiner Steuererklärung vom 17. September 1963 für das Steuerjahr 1963, die auf dem Berechnungsjahr 1962
BGE 91 I 467 S. 469
beruht, als Bestandteil des steuerbaren Einkommens den mehrere Millionen Franken betragenden Gewinn auf, den seine Ehefrau beim Verkauf der Aktien der St.Gotthard AG erzielt hatte. Er vermerkte am Fusse der Steuererklärung: "Unter Vorbehalt der Revision im Falle einer interkantonalen Doppelbesteuerung". Die Steuerkommission des Bezirkes Solothurn liess X. am 7. Oktober 1963 die Einschätzungsmitteilung für die Staatssteuer des Steuerjahres 1963 zugehen, die das steuerpflichtige Einkommen unter Einbeziehung jenes Gewinnes festsetzte. Auf Grund dieser Einschätzung stellte die Steuerverwaltung der Einwohnergemeinde Solothurn dem Steuerpflichtigen die Gemeindesteuer-Rechnung 1963 und die Steuerverwaltung der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn vorzeitig die Kirchensteuer-Berechnung für das Steuerjahr 1964 zu. X. bezahlte die Rechnungsbeträge am 30. November bzw. 3. Dezember und 21. Dezember 1963 unter dem Vorbehalt der Rückforderung im Falle der interkantonalen Doppelbesteuerung.
C.-
Am 8. Juni 1964 teilte die Steuerkommission des Bezirkes Solothurn den luzernischen Steuerbehörden auf dem Formular der Konferenz staatlicher Steuerbeamter betreffend die "interkantonale Steuerausscheidung für natürliche Personen" die Einschätzung des Einkommens und Vermögens von X. unter Angabe der ihrer Ansicht nach auf die beteiligten Kantone Solothurn, Luzern und Bern entfallenden Anteile mit. Die luzernischen Steuerbehörden verlangten am 24. Juni und 27. Juli 1964 zusätzliche Auskünfte, die ihnen die solothurnische Steuerverwaltung erteilte. Das Finanzsekretariat der Stadt Luzern liess darauf am 11. August 1964 Frau X. wissen, dass der Verkauf der Gesamtheit der Aktien der Gotthard AG wirtschaftlich betrachtet einer Handänderung gleichkomme und daher in Luzern der Grundstücksgewinnsteuer und der Handänderungsgebühr unterliege; es setzte ihr eine Frist von dreissig Tagen an, um das Selbsteinschätzungsformular für diese Abgaben ausgefüllt und unter Beilage der Beweismittel einzureichen. X. bestritt demgegenüber mit Eingabe vom 11. September 1964, dass das Geschäft der Steuerhoheit des Kantons Luzern unterstehe und dass er eine Steuererklärung abzugeben habe. Die Finanzdirektion der Stadt Luzern beharrte mit Schreiben vom 14. September 1964 auf ihrem Standpunkt und setzte X. eine Nachfrist von zehn Tagen zur Einreichung der Steuererklärung an. Dieser bestritt mit Eingabe vom 24. September 1964 erneut die Steuerhoheit
BGE 91 I 467 S. 470
des Kantons Luzern. Am 30. November 1964 stellte die Finanzdirektion der Stadt Luzern Frau X. einen "Grundstücksgewinn-Berechnungsentwurf" zu unter Ansetzung einer bis zum 31. Dezember 1964 laufenden Frist zur Erhebung von Einwendungen. Die Eheleute X. machten mit Eingabe vom 29. Dezember 1964 von diesem Recht Gebrauch, wobei sie einen grundsätzlichen Entscheid über die Inanspruchnahme der Steuerhoheit durch den Kanton Luzern verlangten.
Der Stadtrat von Luzern hat diesen Entscheid am 28. Januar 1965 erlassen und den Verkauf sämtlicher Aktien der St. Gotthard AG durch Frau X. an den SBV als in Luzern grundstücksgewinn- und handänderungsgebührenpflichtig erklärt.
D.-
X. führt mit Eingabe vom 5. März 1965 für seine Ehefrau und in eigenem Namen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 46 Abs. 2 BV
mit dem Antrag, das Bundesgericht "möge die aus der solothurnischen Veranlagung für 1963 und der grundsätzlichen Feststellung des Steueranspruchs des Stadtrats von Luzern vom 28. Januar 1965 sich ergebende Doppelbesteuerung beseitigen".
E.-
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn schliesst, die Beschwerde sei, soweit sie sich gegen diesen Kanton richtet, abzuweisen. Er erhebt gegen Luzern die Einrede der Verwirkung des Steueranspruchs und bestreitet, dass die Besteuerung des Gewinns aus dem Verkauf der Aktien der St. Gotthard AG dem Ort der gelegenen Sache zustehe.
F.-
Der Stadtrat von Luzern beantragt, der in seinem Entscheid vom 28. Januar 1965 grundsätzlich festgestellte Steueranspruch sei zu bestätigen und die Steuerveranlagungen des Kantons, der Einwohnergemeinde sowie der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn seien, sofern und soweit sie gegen das Doppelbesteuerungsverbot verstiessen, aufzuheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales).
2.
Die Kollisionsnormen zur Abgrenzung der Steuerhoheit der Kantone, die das Bundesgericht in der Rechtsprechung zu
Art. 46 Abs. 2 BV
aufgestellt hat, haben von jeher das Recht zur Besteuerung der Liegenschaften und ihres Ertrages dem Belegenheitskanton zuerkannt. Das gleiche gilt nach der neueren Rechtsprechung grundsätzlich auch für den bei der Veräusserung einer Liegenschaft erzielten Gewinn, und zwar
BGE 91 I 467 S. 471
ohne Rücksicht darauf, ob dieser ohne Zutun des Veräusserers entstanden oder das Ergebnis seiner Bemühungen sei (
BGE 85 I 98
mit Verweisungen,
BGE 88 I 340
). Ausschlaggebend dafür ist, dass der Mehrerlös, der den persönlichen Bemühungen des Veräusserers zu verdanken ist, regelmässig so sehr hinter dem Wertzuwachs zurücktritt, den das Grundstück infolge äusserer Ursachen (wie Konjunktur- und Währungslage, Zunahme der Überbauung und der Landnachfrage) sowie der Leistungen des Gemeinwesens (Anlage von Strassen und Versorgungsnetzen, Errichtung von Schulen und anderen öffentlichen Diensten usw.) erfährt, dass sich eine Sonderbehandlung des (ausserdem meist schwer abzugrenzenden) geschäftlich bedingten Mehrerlöses nicht rechtfertigen lässt (
BGE 83 I 333
,
BGE 85 I 100
,
BGE 88 I 340
). Der Zusammenhang, der dergestalt zwischen dem erzielten Gewinn und dem Grund und Boden besteht, ist für die Begründung der Steuerhoheit des Belegenheitskantons entscheidend. Diese Bindung ist sachlicher Art; es kommt hierbei nicht auf die Stellung der Person an, die den Gewinn erzielt hat (
BGE 83 I 334
,
BGE 85 I 101
). Die Besteuerung des Grundstücksgewinns steht daher auch dann dem Belegenheitskanton zu, wenn der Gewinn nicht dem Eigentümer zufliesst, sondern einem Dritten, der kraft eines andern Rechtsverhältnisses wirtschaftlich wie ein Eigentümer über das Grundstück verfügen und den dabei erzielten Gewinn einziehen kann. In diesem Sinne hat das Bundesgericht mit Bezug auf den Gewinn aus der werkvertraglichen Fertigstellung einer im Rohbau verkauften Liegenschaft (
BGE 83 I 186
), der Veräusserung eines Kaufrechts an einem Grundstück (
BGE 83 I 332
) und dem Verkauf der Gesamtheit oder der überwiegenden Mehrheit der Aktien einer Immobiliengesellschaft (
BGE 85 I 101
f.; ASA 33 S. 347 Erw. 2 = ZBl 1965 S. 20) entschieden. Wenn bei der Ausscheidung der Steuerhoheiten in den letztgenannten Fällen auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten und nicht auf die zivilrechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses abgestellt wird, so ist dafür der erwähnte sachliche Zusammenhang zwischen dem Gewinn und der Liegenschaft massgebend und nicht, oder nur in unterstützendem Sinne, der Gesichtspunkt der Bekämpfung der Steuerumgehung (
BGE 85 I 99
). Die dargelegten Ausscheidungsgrundsätze greifen darum ohne Rücksicht auf die Gründe Platz, die den Steuerpflichtigen in der Wahl der zivilrechtlichen Form des Rechtsgeschäfts geleitet haben, das ihm den Gewinn eingebracht hat.
BGE 91 I 467 S. 472
Der Stadtrat von Luzern macht im vorliegenden Fall geltend, der Verkaufspreis der Aktien der St. Gotthard AG sei im wesentlichen durch den Wert des Grundstücks der Gesellschaft bestimmt gewesen; der Gewinn aus dem Verkauf der Aktien sei deshalb gemäss
BGE 85 I 95
ff. (nach Abzug des auf den Wert der übrigen Aktiven entfallenden Anteils) in Luzern als dem Ort der gelegenen Sache steuerbar. Die Eheleute X. und der Regierungsrat des Kantons Solothurn halten hingegen dafür, das genannte Urteil betreffe nur den Verkauf der Aktien einer reinen Immobiliengesellschaft, nicht aber die Veräusserung der Aktien eines Unternehmens, das in der eigenen Liegenschaft ein Hotel betreibe.
Aus den Akten ergibt sich, dass das Hotel St. Gotthard, das in den vorausgegangenen Jahren renoviert worden war, beim Verkauf der Aktien am 29. Juni 1962 noch in Betrieb stand. Der SBV als Käufer war jedoch von Anfang an entschlossen, das bestehende Gebäude, das sich nicht für Bankzwecke eignete, abzubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen, der in erster Linie die Filiale der Bank aufnehmen sollte. Nach dem Schreiben der Generaldirektion des SBV an X. vom 2. März 1965 war zwar zunächst ein "Hochhaus mit einem Hotel in den Obergeschossen" geplant. Wann dieses Projekt aufgegeben wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Da die Treuhandgesellschaft Visura, die der Gotthard AG als Beraterin zur Seite stand, und die Schweizerische Hotel-Treuhand-Gesellschaft eine Neuerstellung des Hotels schon 1960 als voraussichtlich unwirtschaftlich bezeichnet hatten, ist jedoch anzunehmen, dass der SBV der Möglichkeit, im Neubau auch einen Hotelbetrieb unterzubringen, von jeher nur eine geringe Bedeutung beimass. Der Kaufvertrag vom 29. Juni 1962 weist denn auch wohl auf den Abbruch des "heutigen Hotelgebäudes" hin; er enthält dagegen nichts, was auf die Weiterführung des Hotelbetriebes im Neubau Bezug hätte. Der Umstand, dass die St. Gotthard AG ein Hotel betrieb, kann daher auf die Preisbildung keinen, oder doch nur einen untergeordneten Einfluss gehabt haben.
Ziff. 2 des Kaufvertrages steht dieser Annahme nicht entgegen. Die vertragsschliessenden Parteien haben in dieser Bestimmung erklärt, der Kaufpreis von ... Millionen Franken sei "in Berücksichtigung aller Umstände" und insbesondere der Tatsachen festgesetzt worden, dass es sich um den Verkauf des ganzen Aktienpaketes handle, dass die Verkäuferin mit dem
BGE 91 I 467 S. 473
Verkauf der Aktien zwei "bewährte und ertragssichere Geschäftszweige (Hotelbetrieb und Restaurant Gotthardloch) und damit ein bis zwei wertvolle berufliche Existenzgrundlagen aufgebe", dass das Hotel und das Restaurant über einen bedeutenden "Goodwill" verfügten, dass in den letzten Jahren bedeutende Mittel in den Hotelbetrieb und die Liegenschaft investiert worden seien und dass diese Liegenschaft gut gelegen sei. Diese - in einem Kaufvertrag ungewöhnliche - Erklärung ist nicht beweiskräftig. Da das Gebäude zum Abbruch bestimmt war, mussten die Erneuerungsarbeiten, die daran vorgenommen worden waren, vollständig abgeschrieben werden; es ist nicht anzunehmen, dass der Käufer für das renovierte Haus mehr bezahlte, als er für ein unrenoviertes Gebäude aufzuwenden bereit gewesen wäre. Ein dauernder Weiterbetrieb des Hotels im alten Haus wurde von vornherein nicht in Betracht gezogen; zur Diskussion stand lediglich, ob ein Teil des neuen Gebäudes als Hotel einzurichten sei. Wegen der ganz anderen Raum- und Geschmacksverhältnisse hätte dabei nur ein kleiner Teil der Möbel, die zusammen mit der Liegenschaft übernommen wur-. den, wiederverwendet werden können; der Hauptteil des Mobiliars hätte auch in diesem Falle auf dem Occasionsmarkt wohlfeil abgestossen werden müssen. Weil eine Weiterführung des Hotels im neuen Hause nach Ansicht der Fachleute voraussichtlich unwirtschaftlich gewesen wäre, kann der "Goodwill" des Hotels und des Restaurants keinen wesentlichen Geldwert aufgewiesen haben, zumal damit zu rechnen war, dass der neue Betrieb erst lange nach der Schliessung des bestehenden eröffnet werden könne und das neuzeitlich eingerichtete Hotel eine andere Kundschaft ansprechen werde als das alte. Wenn der SBV sich entschloss, für den Erwerb der Aktien ... Millionen Franken aufzuwenden, so kann das somit nur im Hinblick auf den Wert geschehen sein, den das Grundstück der Gesellschaft an sich und für den Zweck der Erstellung einer Bankfiliale besass, nicht aber im Hinblick auf das Hotel. Von entsprechenden Erwägungen hätten sich andere Käufer leiten lassen, die bereit gewesen wären, die Aktien zu diesem Preise zu erstehen.
Für die Preisbildung war demnach, wenn nicht ausschliesslich, so doch jedenfalls weit überwiegend der Bodenwert massgebend. Dass dieser die genannte Höhe erreichte, ist nicht auf das Zutun des Veräusserers oder den Betrieb des Hotels zurückzuführen, sondern das Ergebnis der Verhältnisse, namentlich der baulichen
BGE 91 I 467 S. 474
Entwicklung der Stadt Luzern und des Bahnhofquartiers, des Konjunkturverlaufs, der Bodenteuerung und der Geldentwertung. Der sachliche Zusammenhang, der dergestalt zwischen dem Verkaufspreis der Aktien und dem Grund und Boden besteht, führt nach der in
BGE 85 I 101
f. eingeleiteten und in ASA 33 S. 347 Erw. 2 weitergebildeten Rechtsprechung dazu, das Geschäft grundsätzlich der Steuerhoheit des Belegenheitskantons zu unterstellen. Wenn der Stadtrat von Luzern sich in seinem Entscheid vom 28. Januar 1965 bereit erklärt hat, den Verkaufspreis des beweglichen Inventars vom Erlös aus dem Verkauf der Aktien in Abzug zu bringen, so wird damit dem Umstand, dass mit der Liegenschaft auch Mobiliar übernommen wurde und dass insofern nicht vom Erwerb einer "reinen" Immobiliengesellschaft gesprochen werden kann, genügend Rechnung getragen. Der Stadtrat von Luzern ist bei dieser Erklärung zu behaften.
3.
Ob der Gewinn aus einem Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich gesehen den Grund und Boden zum Gegenstand hat, durch die Einkommenssteuer oder eine besondere Wertzuwachs- oder Grundstücksgewinnsteuer erfasst werde, ist für die Steuerausscheidung ohne Belang (
BGE 83 I 333
mit Verweisung). Der Kanton Luzern, der als Belegenheitskanton zur Besteuerung des Verkaufs der Aktien der St. Gotthard AG zuständig ist, erhebt auf diesem Rechtsgeschäft die Grundstücksgewinnsteuer und die Handänderungsgebühr; die Einkommenssteuer entfällt dagegen, da es sich um den nicht gewerbsmässigen Verkauf von Privatvermögen handelt (
§ 20 Abs. 1 Ziff. 3 StG
). Der Kanton Solothurn, die Einwohnergemeinde Solothurn und die Römischkatholische Kirchgemeinde Solothurn haben demgegenüber von X. nur die Einkommenssteuer auf dem von seiner Ehefrau erzielten Verkaufsgewinn bezogen. Das steht indessen der Annahme einer unzulässigen Doppelbesteuerung nicht entgegen.
Art. 46 Abs. 2 BV
untersagt nach der Rechtsprechung nicht nur die aktuelle, sondern auch die virtuelle Doppelbesteuerung. Eine aktuelle Doppelbesteuerung liegt vor, wenn ein und derselbe Steuerpflichtige von zwei oder mehreren Kantonen für das nämliche Steuerobjekt zu Steuern herangezogen wird (BGE 18 S. 434,
BGE 36 I 579
,
BGE 46 I 46
,
BGE 90 I 296
/97); als virtuelle Doppelbesteuerung ist den Kantonen der Eingriff in die Steuerhoheit eines andern Kantons selbst dann untersagt, wenn dieser von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht, es also
BGE 91 I 467 S. 475
nicht zu einer mehrfachen Besteuerung des Steuerpflichtigen kommt (
BGE 83 I 332
Erw. 1 mit Verweisungen). Nach den bundesgerichtlichen Ausscheidungsgrundsätzen stünde es dem Kanton Luzern zu, die Einkommenssteuer vom Gewinn zu erheben, den Frau X. beim Verkauf der Aktien der St. Gotthard AG erzielte. Dass der Kanton Luzern auf Grund seiner Steuergesetzgebung diese Steuer nicht erhebt, ändert an seiner Zuständigkeit nichts. Indem der Kanton Solothurn die betreffenden Einkünfte mit der Einkommenssteuer belegt hat, hat er in die Steuerhoheit des Kantons Luzern übergegriffen und damit
Art. 46 Abs. 2 BV
verletzt.
4.
Hat ein Kanton unter Missachtung dieser Verfassungsbestimmung Steuern erhoben, so wird er grundsätzlich rückerstattungspflichtig. Das gilt allerdings nicht ausnahmslos. Im Hinblick auf die Rücksichtnahme, welche die Kantone einander schulden, wie auch im Interesse der Rechtssicherheit und zum Schutze von Treu und Glauben räumt die Rechtsprechung einem Kanton, der in Unkenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines andern Kantons formell ordnungsgemäss und in guten Treuen Steuern bezogen hat, die Befugnis ein, dem mitbeteiligten Kanton, der mit der Veranlagung ungebührlich lange zugewartet hat, die Einrede der Verwirkung des Steueranspruchs entgegenzuhalten. Wird diese Einrede, die nur dem betreffenden Kanton und nicht auch dem interessierten Steuerpflichtigen zusteht, geschützt, so entfällt mit dem Steueranspruch des säumigen Kantons auch die Rückerstattungspflicht des Gemeinwesens, das ihm in Unkenntnis dieses Anspruchs in guten Treuen und formell ordnungsgemäss in der Steuererhebung zuvorgekommen ist (
BGE 85 I 96
mit Verweisungen; ASA 29 S. 341, 31 S. 450). Diese Regel ist zunächst für Konflikte aufgestellt worden, die sich auf die periodische Besteuerung des Einkommens und Vermögens beziehen; sie ist sodann auch auf Erbschaftssteuern angewendet worden (
BGE 74 I 271
Erw. 2 a). Es besteht kein Grund, sie nicht auch auf andere nicht periodische Steuern wie die hier streitige Grundstücksgewinnsteuer und Handänderungsgebühr anzuwenden.
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn hat gegenüber der Stadt Luzern die Verwirkungseinrede erhoben. Zu prüfen ist, ob die beiden Voraussetzungen erfüllt seien, woran die Rechtsprechung die Verwirkung eines Steueranspruchs knüpft: ob einerseits der Kanton Solothurn und die solothurnischen Gemeinden
BGE 91 I 467 S. 476
die von X. erhobenen Steuern formell ordnungsgemäss, in guten Treuen und in Unkenntnis des kollidierenden Steueranspruchs des Kantons Luzern bezogen haben, und ob andererseits die Stadt Luzern die Einleitung und Durchführung des Steuerverfahrens ungebührlich verzögert habe.
a) Ein Kanton kann sich nicht schon dann auf die Unkenntnis des kollidierenden Steueranspruchs eines andern Kantons berufen, wenn seine Steuerbehörden diesen Anspruch beim Steuerbezug tatsächlich nicht kannten, sondern nur, wenn sie ihn auch bei Anwendung der zumutbaren Sorgfalt nicht kennen mussten und kennen konnten (LOCHER, Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht, § 2, IV D, Nr. 17;
BGE 74 I 275
,
BGE 80 I 333
Erw. 1; ASA 31 S. 450 Erw. 4). Von der Steuerbehörde wird damit mehr verlangt als vom Steuerpflichtigen, der sein Beschwerderecht nur verwirkt, wenn er die Steuerauflage eines Kantons (ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln) anerkennt, obschon er den kollidierenden Steueranspruch des andern Kantons tatsächlich kannte, nicht dagegen, falls er diesen Anspruch bloss hätte kennen müssen oder kennen können (
BGE 73 I 226
,
BGE 76 I 16
). Dass an die Sorgfaltspflicht der Verwaltung höhere Anforderungen gestellt werden als an die des Steuerpflichtigen, rechtfertigt sich im Hinblick darauf, dass die Behörde nicht ihre eigenen Interessen, sondern die des Gemeinwesens wahrzunehmen hat, dass sie über die umfassenderen Möglichkeiten der Sachaufklärung verfügt und sie nicht wie der Steuerpflichtige prozessualen Zwangslagen ausgesetzt sein kann (LOCHER, a.a.O., § 2, IV D, Nr. 17).
Unter den vorliegenden Umständen fällt in diesem Zusammenhang in Betracht, dass X. in der Steuererklärung, die er am 16. September 1963 in Solothurn einreichte, sich die "Revision im Falle einer interkantonalen Doppelbesteuerung" ausdrücklich vorbehielt. Einen entsprechenden Vorbehalt brachte er bei der Zahlung der Steuern im November/Dezember 1963 an. Auch ohne den in der Steuererklärung enthaltenen Hinweis konnte es übrigens den solothurnischen Steuerbehörden angesichts der ganzen Sachlage nicht entgehen, dass sich die Frage der interkantonalen Steuerausscheidung stelle. Es kann ferner vorausgesetzt werden, dass die Behörden das Urteil
BGE 85 I 95
ff. kannten und demnach wussten, dass der Gewinn aus dem Verkauf der Aktien einer Immobiliengesellschaft unter gewissen Voraussetzungen im Belegenheitskanton zu versteuern ist. Wohl
BGE 91 I 467 S. 477
trat die St. Gotthard AG nicht als Immobiliengesellschaft in Erscheinung; auch war nach dem Kaufvertrag vom 29. Juli 1962 nicht klar, ob und wieweit das Grundstück der Gesellschaft den Verkaufspreis bestimmte. Aus dem erwähnten Urteil kann zudem nicht ohne weiteres entnommen werden, dass die darin entwickelten Ausscheidungsgrundsätze auch auf die Sachlage anwendbar sind, vor welche die solothurnische Steuerverwaltung sich gestellt sah. Es kann somit nicht gesagt werden, sie habe den kollidierenden Steueranspruch des Kantons Luzern gekannt oder kennen müssen; wohl aber ist festzustellen, dass sie bei Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können, dass Luzern sachliche Gründe zur Geltendmachung eines Steueranspruchs habe. Die Ungewissheit über die Absichten der luzernischen Behörden und über die objektive Rechtslage hätten die solothurnische Steuerverwaltung zu einem Meinungsaustausch veranlassen sollen. Dass das nicht geschah, ist schwer verständlich und mit den Geboten einer ordnungsgemässen Verwaltung kaum vereinbar. Es ist deshalb zweifelhaft, ob dem Kanton Solothurn und den solothurnischen Gemeinden zugebilligt werden könne, dass ihnen der kollidierende Steueranspruch des Kantons Luzern trotz Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt entgangen sei und dass sie demgemäss die Steuerzahlungen von X. in guten Treuen entgegengenommen hätten.
b) Selbst wenn diese Fragen zu bejahen wären, müsste die Verwirkungseinrede indessen abgewiesen werden, da es an der zweiten Voraussetzung für deren Gutheissung, der übermässigen Verzögerung des Steuerverfahrens durch den mitbeteiligten Kanton, fehlt. Nach der Rechtsprechung gilt die Veranlagung periodischer Steuern in der Regel als verspätet, wenn sie nach Ablauf der in Frage stehenden Steuerperiode erfolgt (
BGE 50 I 98
;
BGE 54 I 306
;
BGE 63 I 236
Erw. 3;
BGE 68 I 138
Erw. 1;
BGE 74 I 118
, 272;
BGE 76 I 13
Erw. 2;
BGE 79 I 221
Erw. 1;
BGE 80 I 333
Erw. 1). Bei den nicht periodischen Steuern fällt diese Art der Befristung von vornherein ausser Betracht. Das Bundesgericht hat in dieser Hinsicht in
BGE 74 I 272
erkannt, dass der Erbschaftssteueranspruch, um nicht verspätet zu sein, "in der Regel innert Jahresfrist seit dem Erbfall" geltend zu machen ist. Die Frage, ob statt des Erbganges nicht die Kenntnis desselben die Frist auslöse, stellte sich dabei dem Bundesgericht nicht; wäre sie zu entscheiden gewesen, so wäre (aus den in
BGE 74 I 275
und
BGE 80 I 333
Erw. 1 aufgeführten Gründen) der Zeitpunkt der Kenntnisnahme
BGE 91 I 467 S. 478
als Anfang der Jahresfrist zu bezeichnen gewesen. Mit dieser Verdeutlichung ist der Grundsatz auch auf die übrigen nicht periodischen Steuern anwendbar; um rechtzeitig zu sein, muss der Steueranspruch innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden, seit die Steuerbehörde den Steuertatbestand kannte. Der tatsächlichen Kenntnis ist hierbei wiederum der Fall gleichzustellen, da die Steuerbehörden den Tatbestand bei Aufwendung der zumutbaren Sorgfalt hätten kennen müssen oder kennen können (
BGE 74 I 275
,
BGE 80 I 333
Erw. 1; ASA 31 S. 450 Erw. 4).
Zu den zumutbaren Vorkehrungen gehört nach der Rechtsprechung die Überwachung der öffentlichen Register (Handelsregister, Grundbuch, Einwohnerkontrollen usw.) des eigenen Kantons (LOCHER, a.a.O., § 2, II D, Nr. 19). Dagegen kann von den Steuerbehörden im allgemeinen nicht erwartet werden, dass sie auf andere Weise ständig das wirtschaftliche Geschehen verfolgen, um steuerbare Tatbestände sogleich erfassen zu können. So hat das Bundesgericht entschieden, dass die Steuerbehörden nicht gehalten sind, regelmässig in die öffentlichen Register anderer Kantone Einsicht zu nehmen oder sich auf Grund der Firmentafeln über geschäftliche Veränderungen auf dem Laufenden zu halten (LOCHER, a.a.O., § 2, IV D, Nr. 19). Entsprechendes hat von Zeitungsmitteilungen und -berichten zu gelten, da die Kenntnis der privaten Presse nicht in den Pflichtenkreis der Steuerbehörden fällt. Eine Ausnahme kann höchstens für besonders wichtige wirtschaftliche Geschehnisse gelten, die durch die Behandlung in der Presse eine eigentliche Notorietät erlangt haben. Dabei genügt es freilich nicht, dass das Geschehnis als solches durch die Berichterstattung in den Zeitungen offenkundig wird; es müssen vielmehr auch seine steuerlich erheblichen Seiten allgemein bekannt werden.
Im vorliegenden Fall veröffentlichten die Luzerner Tageszeitungen am 21. und 22. Dezember 1962 eine Mitteilung des SBV über den Kauf der Aktien der St. Gotthard AG und die beabsichtigte künftige Verwendung der Liegenschaft, die sie mit redaktionellen Ergänzungen und Kommentaren versahen. Dass es beim Kauf der Aktien im wesentlichen um eine Verschiebung von Grundwerten ging, trat in den Artikeln jedoch nicht so greifbar in Erscheinung, dass auch dieser Punkt an der Notorietät des Geschäftes teilgehabt hätte. Das Gesuch um einen Vorentscheid über die Eröffnung von Gaststätten im Neubau,
BGE 91 I 467 S. 479
das Frau X. und die St. Gotthard AG am 30. April 1963 dem Staatswirtschaftsdepartement des Kantons Luzern einreichten und das dieses dem Stadtrat von Luzern zur Vernehmlassung unterbreitete, warf kein zusätzliches Licht auf diese Seite der Angelegenheit. Gleiches gilt vom Baugesuch, das der Stadtrat von Luzern am 18. März 1964 genehmigte. Es kann somit nicht gefolgert werden, die städtischen Steuerbehörden hätten auf diesem Wege vom streitigen Steuertatbestand Kenntnis erhalten oder bei gehöriger Sorgfalt davon Kenntnis nehmen können.
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Handänderung enthielt vielmehr erst die Zusammenstellung über die interkantonale Steuerausscheidung, welche die Steuerkommission des Bezirkes Solothurn am 8. Juni 1964 den luzernischen Steuerbehörden sandte. Diese verlangten am 24. Juni 1964 und 27. Juli 1964 zusätzliche Auskünfte, die ihnen die solothurnische Steuerverwaltung erteilte. Am 11. August 1964 liess das Finanzsekretariat der Stadt Luzern Frau X. wissen, dass der Verkauf der Gesamtheit der Aktien der St. Gotthard AG wirtschaftlich einer Handänderung gleichkomme und daher in Luzern der Grundstücksgewinnsteuer und der Handänderungsgebühr unterliege; es setzte ihr eine Frist von dreissig Tagen an, um das Selbsteinschätzungsformular für diese Abgaben ausgefüllt und unter Beilage der Beweismittel einzureichen. X. bestritt darauf mit Eingabe vom 11. September 1964, dass das Geschäft der Steuerhoheit des Kantons Luzern unterstehe und dass er eine Steuererklärung abzugeben habe. In ihren Schreiben vom 14. und 24. September 1964 hielten beide Seiten an ihrem Standpunkt fest. Am 30. November 1964 stellte die Finanzdirektion der Stadt Luzern Frau X. einen "Grundstücksgewinn-Berechnungsentwurf" zu unter Ansetzung einer bis zum 31. Dezember 1964 laufenden Frist zur Erhebung von Einwendungen. In einer Eingabe vom 29. Dezember warfen die Eheleute X. zahlreiche Rechts- und Tatfragen auf; sie verlangten einen grundsätzlichen Entscheid über die Inanspruchnahme der Steuerhoheit durch den Kanton Luzern. Dieser Entscheid erging am 28. Januar 1965, nicht ganz acht Monate nach der erwähnten Mitteilung der solothurnischen Steuerverwaltung. Nachdem die luzernischen Steuerbehörden vom Steuertatbestand Kenntnis erhalten hatten, trieben sie das Steuerverfahren mithin so rasch voran, als es die Umstände erlaubten. Es kann ihnen keine Säumnis
BGE 91 I 467 S. 480
vorgeworfen werden. Es fehlt somit auch an dieser Voraussetzung für eine Gutheissung der Verwirkungseinrede.
5.
Zusammengefasst ergibt sich, dass der Verkauf der Aktien der St. Gotthard AG und der dabei erzielte Gewinn der Steuerhoheit des Kantons Luzern unterstehen und dass dieser seinen Steueranspruch nicht verwirkt hat. Soweit die staatsrechtliche Beschwerde sich gegen die Stadt und den Kanton Luzern richtet, ist sie deshalb abzuweisen. Soweit die Einschätzungsmitteilung der Steuerkommission des Bezirkes Solothurn vom 7. Oktober 1963 für die Staatssteuer des Steuerjahres 1963 den genannten Gewinn dem im Kanton Solothurn steuerbaren Einkommen des X. zurechnet, verstösst sie gegen
Art. 46 Abs. 2 BV
und ist darum aufzuheben. Gleiches gilt von der Gemeindesteuerrechnung 1963 der Steuerverwaltung der Einwohnergemeinde Solothurn und der Kirchensteuer-Berechnung für das Steuerjahr 1964 der Steuerverwaltung der Römisch-katholischen Kirchgemeinde Solothurn. Sache der solothurnischen Steuerbehörden wird es sein, das Einkommen des X. für das Steuerjahr 1963 (bzw. bezüglich der Kirchensteuer für das Steuerjahr 1964) unter Ausschluss des Gewinns aus dem Verkauf der Aktien der St. Gotthard AG (der lediglich bei Bemessung der Progression berücksichtigt werden darf) neu einzuschätzen, die geschuldeten Steuerbeträge auf Grund der bereinigten Einschätzung neu festzusetzen und X. die Differenz nebst Zins zurückzuerstatten. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3ed0900b-d1d7-4a83-81d2-fd94b15c378d | Urteilskopf
137 II 17
3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_334/2010 vom 22. November 2010 | Regeste
Art. 40 Abs. 1 MWSTV
;
Art. 149a Abs. 1 SchKG
; Mehrwertsteuer; Verjährung der im Verlustschein verurkundeten Forderung (MWST 1995/96).
Anwendbares Recht (E. 1).
In Bezug auf Mehrwertsteuerforderungen, für welche ein Verlustschein ausgestellt wurde, gilt die zwanzigjährige Verjährungsfrist von
Art. 149a Abs. 1 SchKG
und nicht die fünfjährige von
Art. 40 Abs. 1 MWSTV
(E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 137 II 17 S. 18
A.
Mit Ergänzungsabrechnung vom 12. Juni 1996 schätzte die Eidgenössische Steuerverwaltung X. nach pflichtgemässem Ermessen ein und forderte für die Abrechnungsperiode vom 1. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 Mehrwertsteuern im Betrag von Fr. 20'000.- nebst Verzugszinsen nach. Für die Abrechnungsperiode vom 1. Januar 1996 bis zum 18. November 1996 deklarierte der Steuerpflichtige mit eigener Abrechnung Mehrwertsteuern von Fr. 19'398.55.
Am 18. November 1996 wurde über X. der Konkurs eröffnet. Nach durchgeführtem Konkurs erhielt die Eidgenössische Steuerverwaltung einen Verlustschein vom 26. Mai 1999 über Fr. 56'489.70 (umfassend u.a. die beiden Mehrwertsteuerforderungen nebst Zins bis Konkurseröffnung). Gestützt auf diesen leitete die Eidgenössische Steuerverwaltung mit Zahlungsbefehl vom 28. November 2005 die Betreibung gegen den Steuerpflichtigen ein. Dieser erhob (...) dagegen Rechtsvorschlag mit der Einrede des mangelnden neuen Vermögens. Mit Urteil vom 22. Februar 2006 bewilligte das Gerichtspräsidium Zofingen den Rechtsvorschlag nicht, worauf die Eidgenössische Steuerverwaltung (...) den Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl im Umfang von insgesamt Fr. 40'328.- (Mehrwertsteuer 1. Juli 1995 bis 18. November 1996 nebst Zinsen) aufhob. Mit Einspracheentscheid vom 7. Dezember 2006 bestätigte sie die ihr von X. geschuldete Mehrwertsteuer.
Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 25. Februar 2010 ab.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X. dem Bundesgericht u.a., das (...) Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Mehrwertsteuerforderungen verjährt seien. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Am 1. Januar 2010 trat das Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 2009 (MWSTG; SR 641.20) in Kraft. Der vorliegende Sachverhalt ereignete sich noch unter der Geltung der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (MWSTV; AS 1994 1464), die somit
BGE 137 II 17 S. 19
noch anwendbar ist (Art. 93 und 94 aMWSTG; AS 2000 1300). Dies gilt auch für die hier streitige materiell-rechtliche Frage der Verjährung (
Art. 112 Abs. 1 MWSTG
i.V.m. Art. 93 aMWSTG; vgl. dazu
BGE 126 II 1
E. 2a mit Hinweisen).
1.2
Am 1. Januar 1997 trat das revidierte Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1; AS 1995 1307) in Kraft. Der Konkurs über den Beschwerdeführer wurde zwar noch unter der Geltung des alten Rechts eröffnet. Massgebend ist im vorliegenden Fall indessen die Ausstellung des Verlustscheines, welche nach Inkrafttreten des neuen Rechts erfolgte, sodass sich kein übergangsrechtliches Problem stellt (Art. 2 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der Änderungen vom 16. Dezember 1994 SchKG). Im Zusammenhang mit dem am 26. Mai 1999 ausgestellten Verlustschein ist daher
Art. 149a Abs. 1 SchKG
anwendbar.
2.
2.1
Streitig ist im vorliegenden Fall einzig, ob bezüglich der in Frage stehenden Mehrwertsteuerforderung, für die ein Verlustschein ausgestellt worden ist, die (relative) fünfjährige Verjährungsfrist für Mehrwertsteuerforderungen gemäss
Art. 40 Abs. 1 MWSTV
(ebenso Art. 49 Abs. 1 aMWSTG) zur Anwendung gelangt oder die zwanzigjährige Verjährungsfrist gemäss
Art. 149a Abs. 1 SchKG
.
Gemäss
Art. 40 Abs. 1 MWSTV
verjährt die Steuerforderung fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist. Die Verjährung wird durch jede Einforderungshandlung und durch jede Berichtigung durch die zuständige Behörde unterbrochen (Abs. 2).
Nach
Art. 149a Abs. 1 SchKG
verjährt die durch den Verlustschein verurkundete Forderung 20 Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheines.
2.2
Nach unbestrittener Darstellung der Vorinstanz hat die Eidgenössische Steuerverwaltung erst mehr als fünf Jahre nach der Ausstellung des Verlustscheins vom 26. Mai 1999 gestützt auf diesen die Betreibung der Mehrwertsteuerforderung eingeleitet. Bis zu diesem Zeitpunkt hat sie auch keine Handlungen vorgenommen, welche geeignet gewesen wären, eine allfällige Verjährung zu unterbrechen.
2.3
Art. 40 MWSTV
enthielt - wie damals im übrigen Bundessteuerrecht üblich - lediglich eine relative Verjährungsfrist; auf die Aufnahme einer absoluten Frist wurde - wie schon zuvor im
BGE 137 II 17 S. 20
Warenumsatzsteuerrecht (
Art. 28 WUStB
; DIETER METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, 1983, N. 877; WILHELM WELLAUER, Die Eidgenössische Warenumsatzsteuer, 1959, N. 868) - bewusst verzichtet; es gab daher keine absolute Verjährung der Steuerforderung (Kommentar des Eidgenössischen Finanzdepartements zur Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994, S. 39). Wurde die Selbstveranlagung durch den Steuerpflichtigen nicht seitens der Steuerverwaltung berichtigt oder die mit Ergänzungsabrechnung vorgenommene Steuernachforderung vom Steuerpflichtigen nicht bestritten, war die Veranlagung nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist somit unanfechtbar (vgl. DIETER METZGER, a.a.O., N. 891). Diese Verjährungsregelung ist von Art. 128 WStB bzw.
Art. 128 BdBSt
übernommen worden (HANS HEROLD, Praxis des Umsatzsteuerrechts, 1983, N. 1 zu
Art. 28 WUStB
), wobei es sich unbestrittenermassen um eine Veranlagungs- oder Festsetzungsverjährung - d.h. um eine Frist, innert welcher eine Veranlagung vorzunehmen bzw. der Steueranspruch festzustellen ist - und nicht um eine Bezugs- oder Vollstreckungsverjährung handelt (vgl.
BGE 126 II 1
; Urteil 2A.293/2001 vom 21. Mai 2002 E. 4b, mit Hinweisen auf die Lehre). Es ist somit davon auszugehen, dass diese Frist zwar für die Festsetzung der Steuer, hingegen nicht für den Steuerbezug gilt.
Eine absolute Verjährungsfrist - von 15 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Steuerforderung entstanden ist - wurde erst mit dem Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 2. September 1999 (aMWSTG), welches am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, eingeführt (Art. 49 Abs. 4).
2.4
Bei der Mehrwertsteuer als Selbstveranlagungssteuer entsteht die Steuerforderung bei Lieferungen und Dienstleistungen von Gesetzes wegen - d.h. unabhängig davon, ob die steuerpflichtige Person rechtzeitig und richtig abrechnet - im Normalfall bereits mit der Rechnungstellung, ausnahmsweise mit der Vereinnahmung des Entgelts (
Art. 34 lit. a MWSTV
[SR 641.201]). Eine eigentliche Veranlagung, wie sie bei den direkten Steuern zwingend erforderlich ist, findet nicht statt. Die Steuerverwaltung kann die unaufgefordert einzureichende Steuerabrechnung des Steuerpflichtigen entweder akzeptieren oder - wenn dieser die zu entrichtende Steuer nicht richtig berechnet - seine fehlerhafte Abrechnung korrigieren und die so ermittelte Steuernachforderung in Form einer Ergänzungsabrechnung geltend machen. In den Fällen ohne Anfechtung erwächst die Mehrwertsteuer zwar nicht in formelle Rechtskraft, sie kann
BGE 137 II 17 S. 21
jedoch nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist weder durch die Steuerverwaltung noch durch den Steuerpflichtigen korrigiert werden (Urteil 2A.121/2004 vom 16. März 2005 E. 5.3); sie wird damit inhaltlich unabänderlich und in diesem Sinn materiell rechtskräftig (IVO P. BAUMGARTNER UND ANDERE, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, 2010, § 8 N. 40).
Der Beschwerdeführer bestreitet die von ihm gemäss Selbstdeklaration bzw. Ergänzungsabrechnung geschuldeten Mehrwertsteuern nicht. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer die Ergänzungsabrechnung bestritten hat, ist davon auszugehen, dass beide Veranlagungen in Bezug auf die geschuldeten Steuerbeträge unangefochten geblieben sind. Das Steuerfestsetzungsverfahren war somit mit der Selbstdeklaration bzw. der Ergänzungsabrechnung abgeschlossen und die geschuldeten Mehrwertsteuern betragsmässig festgelegt.
2.5
Die Ausstellung eines Verlustscheins lässt die ursprüngliche Forderung zwar grundsätzlich bestehen. Neben den betreibungsrechtlichen Folgen bewirkt der Verlustschein aber, dass die Forderung nunmehr nach den betreibungsrechtlichen Bestimmungen verjährt. Bis zum 1. Januar 1997 waren Verlustscheinforderungen gemäss
Art. 149 Abs. 5 SchKG
unverjährbar (
BGE 102 Ia 363
E. 2a mit Hinweis), während sie nunmehr der zwanzigjährigen Verjährungsfrist gemäss
Art. 149a Abs. 1 SchKG
unterliegen (Urteile 5P.434/2005 vom 21. März 2006 E. 2.3 und 4P.126/2003 vom 25. August 2003 E. 2.3; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 8. Aufl. 2008, § 31 N. 18 und 24 f.).
2.6
Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs sind entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers grundsätzlich auch auf öffentlich-rechtliche Geldforderungen wie namentlich Steuern und Abgaben anwendbar (
BGE 115 III 1
E. 3).
Für die direkten Steuern ist denn auch anerkannt, dass mit der Ausstellung eines Verlustscheines für die darin verurkundete Steuerforderung eine neue Verjährungsfrist gemäss
Art. 149a Abs. 1 SchKG
von 20 Jahren zu laufen beginnt(ZWEIFEL/CASANOVA, Schweizerisches Steuerverfahrensrecht, direkte Steuern, 2008, § 29 N. 54; PETER AGNER UND ANDERE, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Ergänzungsband, 2000, N. 2a zu
Art. 121 DBG
, sowie
dieselben
, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, 1995, N. 2 zu
Art. 121 DBG
).
BGE 137 II 17 S. 22
Auch der Bundesrat weist in seiner Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer denn darauf hin, dass sich - obwohl der Entwurf neu ausdrücklich eine absolute Bezugsverjährungsfrist von zehn Jahren vorsehe - für Steuerforderungen, für die ein Verlustschein bestehe, die Verjährung - "wie bei allen anderen Forderungen auch" - nach
Art. 149a SchKG
richte (BBl 2008 7012). Die entsprechende Bestimmung des Entwurfes ist nunmehr als
Art. 91 Abs. 5 und 6 MWSTG
am 1. Januar 2010 in Kraft getreten.
2.7
Das Mehrwertsteuerrecht selbst regelt die Vollstreckung von Forderungen ebenso wenig wie das Zivilrecht. Hierfür kommt grundsätzlich das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht zur Anwendung (
Art. 38 SchKG
). Wenn aber die Forderungen gemäss diesem Erlass zwangsvollstreckt werden, müssen auch dessen Vorschriften - einschliesslich der Verjährungsnorm von
Art. 149a Abs. 1 SchKG
- zur Anwendung gelangen. Die Vorinstanz verweist denn auch zu Recht darauf, dass bei zivilrechtlichen Forderungen die allgemeinen Verjährungsregeln des Obligationenrechts gegenüber jenen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts zurücktreten müssen, weil es sich bei Forderungen, für welche ein Verlustschein ausgestellt wurde, um eine besondere Art von Forderungen handle. Der Gesetzgeber habe für solche eine längere als die zivilrechtlich nach Obligationenrecht geltende Verjährungsfrist gewähren wollen (vgl. BBl 1991 III 104).
Dem entspricht, dass das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10) ausdrücklich festlegt, dass für die Vollstreckung von Beitragsforderungen aArt. 149 Abs. 5 SchKG nicht anwendbar sei (
Art. 16 Abs. 2 AHVG
), was ebenfalls für den neuen
Art. 149a Abs. 1 SchKG
gilt (vgl. dazu CARL JAEGER, Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2006, N. 7 zu
Art. 149a SchKG
). Die Vorinstanz schliesst denn auch aus dieser Bestimmung zutreffend, dass Mehrwertsteuerforderungen gerade nicht von
Art. 149a Abs. 1 SchKG
ausgenommen sind, da dies im Mehrwertsteuerrecht nirgends vorgesehen ist.
2.8
Die Folgerung der Vorinstanz, in Bezug auf Mehrwertsteuerforderungen, für welche ein Verlustschein ausgestellt wurde, gelte die Verjährungsfrist von
Art. 149a Abs. 1 SchKG
und nicht jene von
Art. 40 Abs. 1 MWSTV
- weshalb die Mehrwertsteuerforderung der
BGE 137 II 17 S. 23
Eidgenössischen Steuerverwaltung gegen den Beschwerdeführer nicht verjährt sei, weil die zwanzigjährige Verjährungsfrist gemäss
Art. 149a Abs. 1 SchKG
erst mit Ausstellung des Verlustscheins zu laufen begonnen habe - verletzt demnach kein Bundesrecht. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3ed71ba6-a2c1-455d-a105-fb8dabb2c352 | Urteilskopf
107 II 349
55. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. September 1981 i.S. Baumgartner und Mitbeteiligte gegen Schweiz. Krankenkasse für das Bau- und Holzgewerbe und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Aktienrechtliche Verantwortlichkeit.
1.
Art. 50 Abs. 1 OG
. Berufung gegen einen Zwischenentscheid, der sich auf vier von sechs Beklagten beschränkt (E. 2).
2.
Art. 754 Abs. 1 OR
. Als mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betraut gelten auch Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (sog. stille Verwaltungsräte). Umstände, die für eine solche Mitbestimmung sprechen (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 350
BGE 107 II 349 S. 350
A.-
Im Mai 1970 wurde die Bauunternehmung Zumbrunn AG in Unterseen durch Umwandlung der Einzelfirma des Eduard Zumbrunn gegründet. Das Aktienkapital von 525'000.-- Franken wurde durch Sacheinlage von Zumbrunn voll liberiert. Die Verwaltung bestand aus Zumbrunn als Präsidenten und seiner Frau. Als diese sich 1971 zurückzog, blieb Zumbrunn einziges Verwaltungsratsmitglied. Zugleich war er mit der Geschäftsführung betraut.
Am 12. Juni 1970 wurde das Aktienkapital von Fr. 525'000.-- auf Fr. 750'000.-- erhöht. Die Soliva AG, eine Tochtergesellschaft des Schweizerischen Bankvereins (SBV), beteiligte sich daran mit Fr. 225'000.--. Bereits am 26. Mai 1970 hatten Zumbrunn und die Soliva AG einen Vertrag "betreffend Minderheitsbeteiligung" geschlossen. Darin verpflichtete sich Zumbrunn u.a., die Aktien der Soliva AG in fünf Tranchen zu je Fr. 45'000.-- zurückzukaufen. Die Soliva AG erhielt ein auf die Dauer ihrer Beteiligung befristetes Beratungsmandat, wofür sie jährlich mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen war. Im Zusammenhang damit wurde ihr Recht zur "stillen Einsitznahme in den Verwaltungsrat" der Zumbrunn AG festgehalten. Zumbrunn hatte ferner schon bei der Gesellschaftsgründung mit der Generaldirektion des SBV einen auf Ende 1983
BGE 107 II 349 S. 351
befristeten Vertrag abgeschlossen, in welchem dem SBV gegen ein jährliches Honorar von Fr. 6'600.-- die Beratung in allen Fragen der finanziellen Führung des Unternehmens übertragen wurde; der SBV hatte dem Verwaltungsrat Bericht zu erstatten.
Am 12. Juni 1970 vereinbarte Zumbrunn ausserdem mit dem SBV als Garantie für bereits gewährte und künftige Kredite eine Globalzession, durch welche "sämtliche gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Lieferung von Waren, Leistungen an Kunden, einschliesslich der Rechte und Ansprüche aus Bau- und Werkvertrag" abgetreten wurden.
Im Herbst 1974 wurde das Aktienkapital der Zumbrunn AG ein zweites Mal von Fr. 750'000.-- auf 1'000'000.-- erhöht. An dieser Kapitalerhöhung beteiligte sich die Spezialfinanzierungen AG, Basel, eine weitere Tochtergesellschaft des SBV, mit einem Betrag von Fr. 150'000.--. Auch mit dieser Gesellschaft hatte Zumbrunn am 13. November 1974 einen Vertrag "betreffend Minderheitsbeteiligung" geschlossen; er vereinbarte mit ihr insbesondere, dass sie die Aktien, welche die Soliva AG von der Zumbrunn AG besass, sowie auch das Beratungsmandat gegen ein neu auf Fr. 6'600.-- festgesetztes Honorar mitübernahm. Zumbrunn verpflichtete sich, die zweijährlichen Rückkaufsquoten ab 1976 auf Fr. 65'000.-- zu erhöhen und räumte der Spezialfinanzierungen AG die "stille Einsitznahme in den Verwaltungsrat" der Zumbrunn AG ein.
Am 28. März 1977 reichte die Zumbrunn AG ein Gesuch um Nachlassstundung ein, die am 18. April 1977 für eine Dauer von 4 Monaten bewilligt wurde. Am 23. Juni 1977 wurde der Konkurs über sie eröffnet.
B.-
Im März 1979 erhoben die Schweizerische Krankenkasse für das Bau- und Holzgewerbe sowie 16 Mitbeteiligte als Zessionare von Rechten der Konkursmasse der Zumbrunn AG eine Verantwortlichkeitsklage gemäss
Art. 754 ff. OR
. Die Klage richtete sich gegen den Verwaltungsrat Zumbrunn, gegen Thöni als Kontrollstelle der Gesellschaft sowie gegen Schmutz, Egli, Keiser und Baumgartner als Vertreter des SBV. Die vier Letztgenannten bestritten ihre Passivlegitimation mit der Begründung, dass sie nicht zum Personenkreis gehörten, der den aktienrechtlichen Haftungsnormen unterstehe. Sie seien keine mit der Verwaltung ohne Geschäftsführung betraute Personen im Sinne von
Art. 754 OR
. Das Verfahren wurde deshalb vorläufig auf diese Streitfrage beschränkt.
BGE 107 II 349 S. 352
Mit "Zwischenentscheid" vom 23. März 1981 bejahte der Appellationshof des Kantons Bern die Frage. Er stellte gestützt auf Sitzungsprotokolle fest, dass bei der Zumbrunn AG Entscheidungen mit finanzieller Tragweite regelmässig vom Verwaltungsrat getroffen wurden, die vier beklagten Vertreter des SBV daran seit Herbst 1970 jeweils zu zweit oder zu dritt massgeblich mitwirkten, mit Zumbrunn auch administrative und geschäftliche Fragen der Gesellschaft besprachen und seine Willensbildung beeinflussten; als die Gesellschaft sich in Schwierigkeiten befand, sei sie von Baumgartner intensiv betreut und überwacht worden. Die vier Vertreter bezeichneten sich noch heute als "stille Verwaltungsräte" der konkursiten Gesellschaft. Wer die Beschlüsse fasste, sei den meisten Protokollen nicht zu entnehmen; in einigen Fällen seien sie darin als "einstimmig" bezeichnet worden.
C.-
Die vier beklagten Vertreter haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt mit den Anträgen, es aufzuheben und festzustellen, dass sie nicht den aktienrechtlichen Bestimmungen über die Organhaftung im Sinne von
Art. 754 ff. OR
unterstehen, weshalb die Klage ihnen gegenüber abzuweisen sei. Sie verweisen auf ein Rechtsgutachten, das sie der Berufung beilegten und zu deren Bestandteil erklärten.
Die Kläger beantragen, die Berufung abzuweisen und das ihr beigelegte Gutachten aus den Akten zu entfernen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Berufung der vier Beklagten richtet sich gegen einen Zwischenentscheid, mit welchem ihre aktienrechtliche Verantwortlichkeit bejaht wurde. Eine solche Berufung ist zulässig, wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint (
Art. 50 Abs. 1 OG
). Ist die Berufung begründet, so ist die Klage gegen die vier Beklagten abzuweisen und entfällt nach dem angefochtenen Urteil ein erheblicher Teil des weitläufigen Beweisverfahrens. Dieses müsste aber ohnehin gegenüber zwei weiteren Beklagten, deren Organstellung vom Appellationshof unangefochten bejaht wurde, fortgesetzt werden. Die vorliegende Berufung kann deshalb nur zu einem Teilentscheid, nicht aber zu einem Endentscheid im Sinne von
Art. 48 OG
führen.
Das Bundesgericht lässt seit langem Berufungen gegen Teilurteile,
BGE 107 II 349 S. 353
mit welchen nur einzelne von mehreren Rechtsbegehren erledigt werden, im Interesse der Prozessökonomie nicht zu, weil es sich nur einmal mit einem Prozess befassen will und deshalb die Rügen gegen den Teilentscheid mit der Berufung gegen den Endentscheid vorzubringen sind; ausgenommen wurden nur Fälle, in welchen die verbleibenden Rechtsbegehren in ein separates, von Anfang an neu beginnendes Verfahren verwiesen werden (BIRCHMEIER, S. 167;
BGE 62 II 216
,
BGE 100 II 429
,
BGE 104 II 287
u.a.). Galt dieser Grundsatz vorerst nur für mehrere Rechtsbegehren zwischen den nämlichen Prozessparteien (objektive Klagenhäufung), nicht aber für Klagen gegen mehrere Beklagte (subjektive Klagenhäufung;
BGE 63 II 348
), so wurde er mit
BGE 91 II 59
auch auf letztere ausgedehnt.
In der neueren Rechtsprechung wird die Frage der Prozessökonomie etwas anders beurteilt. Deshalb wird die Berufung gegen Teilurteile zugelassen, mit welchen über Begehren entschieden wird, die zum Gegenstand eines besonderen Prozesses hätten gemacht werden können und deren Beurteilung für den Entscheid über die verbleibenden Begehren präjudiziell ist (
BGE 104 II 287
mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung lässt sich zwar nicht ohne weiteres auf die subjektive Klagenhäufung übertragen, zeigt aber doch, dass der grundsätzliche Ausschluss der Berufung gegen Teilurteile Ausnahmen erfahren muss, wie dies
Art. 50 Abs. 1 OG
bei Vor- und Zwischenentscheiden zum Ausdruck bringt. In diesem Sinn verstand sich denn auch
BGE 91 II 59
ausdrücklich nur als Regel, welche damals zur Verneinung der Berufung führte, weil keinerlei praktische Gründe für ihre Zulassung sprachen und mit ihr auch die Kosten des Beweisverfahrens nicht vermindert werden konnten (S. 62 E. 2). Vorliegend verhält es sich anders, da nach dem angefochtenen Urteil der Umfang des Beweisverfahrens über die Schadenshöhe in erheblichem Mass davon abhängt, ob alle sechs oder nur zwei der Beklagten zur Verantwortung gezogen werden. Auf die Berufung ist daher einzutreten, ohne dass im übrigen zu
BGE 91 II 59
Stellung zu nehmen ist.
5.
Gemäss
Art. 754 Abs. 1 OR
sind alle mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betrauten Personen insbesondere der Gesellschaft und deren Gläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Pflichten verursachen.
a) Als mit der Verwaltung oder Geschäftsführung betraut im Sinne dieser Bestimmung gelten nicht nur Entscheidungsorgane,
BGE 107 II 349 S. 354
die ausdrücklich als solche ernannt worden sind; dazu gehören auch Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (
BGE 102 II 359
,
BGE 65 II 5
E. 3). Diese Rechtsprechung, die von keiner Seite beanstandet wird, deckt sich mit der herrschenden Lehre (BÜRGI, N. 119 zu Art. 753/54; SCHUCANY, N. 1 zu
Art. 754 OR
; PEDRAZZINI, Die Verantwortung des Verwaltungsrates in der AG, Zürich 1978, S. 30 ff.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das schweizerische Aktienrecht, 2. Auflage, S. 137 und 184; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich 1978, S. 23 und 125 ff.; HENGGELER, Die zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten im Bankgesetz und im neuen schweizerischen Aktienrecht, S. 30 ff.).
Nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht, kann im Ernst nicht bestritten werden, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. Das erhellt vorweg aus den Verträgen, welche Zumbrunn und seine Gesellschaft mit dem SBV und dessen Tochtergesellschaften geschlossen haben. Diese Gesellschaften sicherten sich dadurch als Ausgleich für ihre finanziellen Leistungen eine Minderheitsbeteiligung am Aktienkapital der Zumbrunn AG. Auch der SBV verstand es, seine Interessen innerhalb der Zumbrunn AG zu wahren, war die Gesellschaft doch insbesondere "verpflichtet", dem neuen Aktionär einen "Beratungsvertrag" anzuvertrauen und ihm eine "stille Einsitznahme in den Verwaltungsrat" zu ermöglichen. Der SBV und seine Tochtergesellschaften erhielten dadurch gewichtige Einflussmöglichkeiten; ihre Vertreter konnten insbesondere an den Verwaltungsratssitzungen der Zumbrunn AG teilnehmen und sich zu allen Verhandlungsgegenständen äussern. Die Bedeutung ihrer Teilnahme ergibt sich vor allem daraus, dass seit 1971 der Verwaltungsrat der Gesellschaft nur noch aus einem Mitglied bestand; seine Sitzungen hatten zudem nur noch den Zweck, die Vertreter des SBV über die Verhandlungsgegenstände zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu den vorgesehenen Beschlüssen zu äussern. Die Vorinstanz schliesst daraus zu Recht auf eine erhebliche Einflussnahme auf die oder aktive Teilnahme an der Willensbildung und damit auf eine materielle Organstellung der Bankvertreter. Ob formelle Abstimmungen stattgefunden haben oder nicht, ist deshalb belanglos, zumal sie sich wegen der persönlichen Überzeugungskraft oder Machtstellung der Vertreter zum vorneherein erübrigen konnten und jeweils mindestens zwei
BGE 107 II 349 S. 355
davon einem einzigen Verwaltungsratsmitglied gegenüberstanden.
b) Dagegen ist auch mit den weiteren Einwänden der Beklagten nicht aufzukommen. Gewiss können auch gesellschaftsfremde Personen die Willensbildung einer Gesellschaft entscheidend beinflussen, z.B. wenn Finanzinstitute ihre Kredite von einer bestimmten Finanz- und Geschäftspolitik, Berater oder andere Beauftragte der Gesellschaft ihre Leistungen von ähnlichen Voraussetzungen abhängig machen. Solches Verhalten Dritter lässt sich indes nicht mit der gesellschaftsinternen Tätigkeit von Personen vergleichen, denen rechtlich oder faktisch Organstellung zukommt; es vermag daher auch keine Verantwortlichkeit im Sinne von
Art. 754 Abs. 1 OR
zu begründen. Anders verhält es sich, wenn ein Kreditgeber sich wie hier als Aktionär in die Gesellschaft aufnehmen lässt und an ihrer Willensbildung wie ein Organ teilnimmt.
Das Privatgutachten der Beklagten hilft darüber nicht hinweg. Der Gutachter beruft sich auf die Lehrmeinung, dass der "stille Verwaltungsrat", der an den Sitzungen teilnimmt, nicht zur Verantwortung gezogen werden könne, wenn er kein Stimmrecht habe (FORSTMOSER, a.a.O., S. 127; VON GREYERZ, Die Verantwortung des Verwaltungsrates in der AG, S. 67). Während er vorerst diese Meinung zu teilen scheint, hält er später richtigerweise den tatsächlichen Einfluss der Person für entscheidend. Diese Auffassung liegt bereits
BGE 65 II 6
zugrunde, wo das Bundesgericht die Verantwortlichkeit eines Bankdirektors unbekümmert um dessen Stimmrecht bejaht hat. Sie erweist sich auch im vorliegenden Fall als zutreffend. Eine formelle Abstimmung erübrigte sich schon, wenn der einzige Verwaltungsrat sich nach den Umständen der Meinung des einen oder anderen Mitbeteiligten unterziehen, seine Entscheidung folglich nach dem Willen der "stillen Verwaltungsräte" ausrichten musste, die ihm stets auch zahlenmässig überlegen waren.
c) Ebensowenig befreit die Beklagten, dass sie in erster Linie die Interessen des SBV und nicht diejenigen der Zumbrunn AG gewahrt hätten. Sie verkennen, dass sie sich deswegen nicht nur in gesellschaftsinterne Verhältnisse, sondern auch in die Entscheidungsbefugnisse eines Organs eingemischt haben und ihren eigenen Willen durchsetzen konnten. Richtig ist dagegen, dass ihre Verantwortung gemäss
Art. 754 OR
auf Handlungen zu beschränken ist, an denen sie persönlich teilgenommen haben. Wie es sich damit verhält, hängt von den Fehlern oder Unterlassungen ab, die ihnen vorgeworfen werden, aber erst noch näher abzuklären sind.
BGE 107 II 349 S. 356
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 23. März 1981 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3ed920bb-cda9-44c3-9496-aa1713752495 | Urteilskopf
85 II 177
28. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Mai 1959 i.S. Obrecht gegen Säuberli. | Regeste
Grunddienstbarkeit (Gewerbeverbot), begründet unter dem alten kantonalen Recht, wurde im Zuge des Übergangs vom Fertigungsprotokoll über das Interimsregister und das Bereinigungsverfahren zum eidg. Grundbuch textlich neu und inhaltlich (bezügl. räumlicher Ausdehnung) abweichend formuliert. Massgebend ist der neue Wortlaut (Art. 17 Abs. 2, Art. 43 SchlT/ZGB, 738 ZGB).
Umfang des Gewerbeverbotes (Kolonial- und Tabakwarenhandel); nicht darunter fällt der Verkauf von Rauchwaren in der Wirtschaft und von Schokolade u.dgl. im Kino an die Besucher. | Sachverhalt
ab Seite 178
BGE 85 II 177 S. 178
A.-
An der zur Rheinbrücke führenden Strasse in Stein (AG) liegen nebeneinander die Parzelle 771 mit dem Hause Nr. 99, in dem K. Obrecht das Restaurant zur Rheinbrücke und einen Kino betreibt, und die Parzelle 772 mit dem (an Nr. 99 angebauten) Hause Nr. 100, das den Kolonialwarenladen des A. Säuberli enthält. Bei der Teilung der ursprünglichen Gesamtliegenschaft aus der Erbschaft des J. Tröndle im Jahre 1911 hatten die Käufer der beiden Liegenschaften gegenseitige beschränkte Gewerbeverbote als Dienstbarkeiten vereinbart; das die Wirtschaftsliegenschaft belastende wurde bei der Fertigung wie folgt formuliert:
"Solange im Hause Nr. 100 eine Spezerei-, Colonialwaren-, Cigarren- und Tabakhandlung betrieben wird, darf im Hause
BGE 85 II 177 S. 179
Nr. 99 kein gleichartiges oder ähnliches Geschäft betrieben werden."
Entsprechend lautete das zu Gunsten der Wirtschaft auf "dem Hause Nr. 100" lastende Konkurrenzverbot.
Mit diesem Wortlaut wurden die Dienstbarkeiten in das als Übergang zum Grundbuch dienende Interimsregister aufgenommen, dann jedoch anlässlich der materiellen Bereinigung im Jahre 1948 vom Grundbuchverwalter neu formuliert und in einem Auszug den Grundeigentümern zur Stellungnahme unterbreitet, die Servitut zu Gunsten des Spezereiladens wie folgt gefasst:
Auf Parz. 771: "Last: Gewerbeverbot, beschränkt auf Spezerei-, Colonial- und Tabakwaren, zu Gunsten Parz. 772",
und
auf Parz. 772: "Recht: Gewerbeverbot, beschränkt auf Spezerei-, Colonial- und Tabakwaren, zu Lasten Parz. 771."
Sowohl der Eigentümer der Wirtschafts- (J. Tröndle) als derjenige der Ladenliegenschaft (Säuberli) anerkannten die Dienstbarkeit in dieser Formulierung unterschriftlich als richtig.
B.-
In der Folge nahm K. Obrecht, der 1954 die Liegenschaft 771 mit der Wirtschaft und dem inzwischen angebauten Kino erworben hatte und ausserdem auf derselben einen Kiosk zu erstellen beabsichtigte, den Standpunkt ein, das Gewerbeverbot laste nur auf dem Hause Nr. 99, nicht aber auf der übrigen Liegenschaft 771, und es berühre zudem nicht den Verkauf von Rauchwaren, Schokolade u. dgl. in seinem Restaurant und im Kino.
Dem opponierte der Spezereihändler Säuberli mit der Behauptung, das Gewerbeverbot belaste nicht nur das Haus Nr. 99, sondern die ganze Parzelle 771, und schliesse im Hause Nr. 99 (Wirtschaft und Kino) auch den Verkauf von Tabakwaren, Schokolade u. dgl. aus.
C.-
Obrecht erhob Klage mit dem Begehren auf Feststellung,
1. dass die Dienstbarkeit betr. Gewerbeverbot nicht
BGE 85 II 177 S. 180
auf der ganzen Parzelle 771 laste, sondern örtlich auf das Gebäude Nr. 99 beschränkt sei,
2. dass ihm die Dienstbarkeit nicht verbiete, in seinem Restaurationsbetrieb und Kino Rauchwaren, Schokolade u. dgl. im üblichen Rahmen an seine Gäste zu verkaufen.
Der Beklagte Säuberli beantragte Abweisung der Klage und widerklageweise, es sei dem Kläger zu verbieten, auf der Liegenschaft Nr. 771, sei es im Wohnhaus, Restaurant, Kino oder sonstwo, Spezerei-, Kolonial- und Tabakwaren zu verkaufen oder durch Dritte verkaufen zu lassen, insbesondere sei ihm der Verkauf von Tabakwaren, Schokolade u. dgl. an Gäste des Restaurants und an Kinobesucher zu untersagen.
D.-
Das Bezirksgericht Rheinfelden wies die Klage ab und schützte die Widerklage.
In teilweiser Gutheissung der Appellation des Klägers hat das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 22. August 1958 diesen Entscheid aufgehoben und wie folgt erkannt:
1. Es ist dem Kläger nicht verboten, in seinem Restaurationsbetrieb Rauchwaren und in seinem Kino Schokolade u.dgl. im üblichen Rahmen an seine Gäste zur Konsumation (resp. zum Beginn der Konsumation) an Ort und Stelle zu verkaufen.
2. Im übrigen ist es dem Kläger verboten, auf seiner Liegenschaft (771) Spezerei-, Kolonial- und Tabakwaren zu verkaufen oder durch Dritte verkaufen zu lassen.
3. Soweit Klage und Widerklage mehr oder etwas anderes fordern, sind sie abgewiesen.
(Die Kosten beider Instanzen wurden zu 3/4 dem Kläger und zu 1/4 dem Beklagten auferlegt).
E.-
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung an das Bundesgericht eingelegt; beide halten an ihren Klage- und Widerklagebegehren fest.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die streitige Grunddienstbarkeit wurde im Jahre 1911 begründet, also unter dem alten aargauischen Recht. Die Bestimmung in Art. 17 Abs. 2 SchlT/ZGB, wonach die unter dem alten Rechte begründeten beschränkten
BGE 85 II 177 S. 181
dinglichen Rechte in Bezug auf ihren Inhalt unter dem neuen Rechte stehen, bezieht sich, entsprechend Art. 3 SchlT, nur auf den gesetzlichen, nicht auch auf einen rechtsgeschäftlichen Rechtsinhalt; letzterer beurteilt sich nach wie vor nach altem Recht (
BGE 79 II 403
). Indessen handelt es sich vorliegend nicht, wie im zitierten Falle, nur um die Auslegung des unter altem Recht vereinbarten Wortlauts der Servitut, sondern in erster Linie um die Frage, welcher Wortlaut des Gewerbeverbotes massgebend ist, der 1911 vereinbarte oder der in der Zwischenzeit abgeänderte, heute im Grundbuch eingetragene. Dies ist eine Frage des intertemporalen Rechts, eventuell eine solche der Auslegung des
Art. 738 ZGB
, dessen Verletzung denn auch dem vorinstanzlichen Urteil vorgeworfen wird. In beiderlei Hinsicht ist das Bundesgericht gemäss
Art. 43 OG
zur Überprüfung befugt und daher auf die Berufung einzutreten.
2.
Nach der Umschreibung von 1911 belastete das Verbot eines der Spezerei- und Tabakhandlung "gleichartigen oder ähnlichen Geschäftes" nur das Haus Nr. 99, während die heutige Fassung die ganze Parzelle 771 erfasst. Die Vorinstanz stellt fest, wie es im Zuge des Übergangs von den Fertigungsprotokollen über das Interimsregister und das Bereinigungsverfahren zur neuen Formulierung der Servitut gekommen ist. Danach hatte das aargauische Bereinigungsverfahren zum Zwecke, nicht nur alle Rechte, nämlich auch die im Fertigungsprotokoll bezw. nachher im Interimsregister nicht eingetragenen, zu Handen des Grundbuches festzustellen bezw. zu bestätigen, sondern auch alle Widersprüche und Unklarheiten zu beheben, damit hernach, was in das Grundbuch eingetragen wird, nicht streitig sei. Demnach komme den schriftlichen Erklärungen der Beteiligten im Bereinigungsverfahren, in denen eine bisherige Dienstbarkeit anders umschrieben werde, bei Übereinstimmung der Erklärungen rechtsbegründende, d.h. konstitutive Wirrkung zu, was bedeute, dass von der Abgabe der Anerkennungserklärung
BGE 85 II 177 S. 182
an der neue Wortlaut der Grunddienstbarkeit und nicht mehr die alte, im Fertigungsprotokoll oder im Interimsregister enthaltene Formulierung gelte.
Bei dieser Darstellung des Funktionierens und der Wirkung des im Kanton Aargau mit der Übertragung der bestehenden dinglichen Rechte in das eidgenössische Grundbuch (gemäss
Art. 43 SchlT ZGB
) verbundenen Bereinigungsverfahrens handelt es sich um kantonales Recht; die bezüglichen Feststellungen der Vorinstanz sind daher für das Bundesgericht verbindlich. Dasselbe trifft auf die weiteren tatsächlichen Feststellungen zu, dass sowohl der Rechtsvorgänger des Klägers als der Beklagte 1948 ein Zirkular des Grundbuchamtes erhalten haben unter Beilage je eines Auszuges aus dem betreffenden Blatte des Interimsregisters mit der neuen Formulierung der Last bezw. des Rechts, und dass beide den Auszug an das Grundbuchamt unterzeichnet zurückgesandt haben, wobei auf demjenigen Säuberlis die Unterschrift noch die gestempelte Erklärung deckte: "Weitere Rechte werden nicht beansprucht... Vorstehender Text ersetzt bei Abweichung Stichwort und Umschreibung in den Belegen". Damit hätten sie ihre Zustimmung zu der vom Grundbuchverwalter vorgenommenen Formulierung der Grunddienstbarkeit erklärt.
Diese Folgerung aus der - mit der Überführung bisheriger Rechte in das Grundbuch nach kantonalem Recht verbundenen - Bereinigung verstösst nicht gegen Bundesrecht. Freilich erscheint wenig verständlich, wieso der Grundbuchverwalter dazu kam, von sich aus die Servituten textlich neu zu formulieren, ohne den inhaltlichen Unterschied gegenüber der bisherigen Fassung zu merken. Die Eigentümer hätten damals darauf beharren können, dass der genaue Wortlaut der Vereinbarung von 1911 in das Grundbuch aufgenommen werde oder dass wenigstens eine stichwortweise Eintragung entweder alle Elemente jener Vereinbarung enthalten oder dann auf einen entsprechenden
BGE 85 II 177 S. 183
Beleg bei den Grundbuchakten verweisen müsse. Indem sie dies nicht getan, vielmehr vorbehaltlos die neue Fassung als richtig anerkannt haben, haben sie auf eine allenfalls aus der früheren Formulierung abzuleitende örtliche Einschränkung der Last verzichtet. Die Grundbuchbereinigung hatte ja gerade den Zweck, Unklarheiten zu beseitigen, einen für beide Beteiligte verbindlichen Text zu formulieren und ihn von beiden unterschriftlich bestätigen zu lassen.
Somit ist für beide Parteien der Wortlaut des jetzigen Grundbucheintrages massgebend, auf Grund dessen übrigens der Kläger 1954 die Liegenschaft 771 erworben hat, und dieser Eintrag ist aus sich heraus auszulegen, ohne dass auf die Formulierung von 1911 zurückzugreifen wäre. Der neue Eintrag stellt auch nicht eine bloss stichwortartige und daher weiterer Auslegungselemente bedürftige Inhaltsangabe dar, sondern ist in sich vollständig und klar, weshalb er allein für den Umfang des Rechts massgebend ist (
Art. 738 Abs. 1 ZGB
); für den Rückgriff auf den früheren Wortlaut ist daher "im Rahmen" des geltenden Eintrags kein Raum (Abs. 2).
Angesichts der Eindeutigkeit der Funktion und des Hergangs der Bereinigung ist daher die Unterlassung der Einvernahme des damaligen Grundbuchverwalters und des Rechtsvorgängers des Klägers, Josef Tröndle, nicht zu beanstanden.
Ob der Kläger die von seinem Rechtsvorgänger 1948 erklärte Anerkennung der neuen Formulierung wegen Irrtums heute noch anfechten und Berichtigung des Grundbuchs verlangen könne, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen, das nur die Frage der Massgeblichkeit und der Auslegung des jetzigen Eintrags zum Gegenstande hat. Auch eine Sistierung des vorliegenden Prozesses bis zum Entscheid über die angeblich vom Kläger beim Bezirksgericht bereits eingeleitete, aber dort ihrerseits sistierte Berichtigungsklage ist abzulehnen. Es bleibt dem
BGE 85 II 177 S. 184
Kläger anheimgestellt, jene weiter zu betreiben, nachdem der vorliegende Prozess über die Auslegung des heutigen Eintrags erledigt ist.
Ohne Belang für die Auslegung ist auch der Umstand, dass der Beklagte keinen Einspruch erhoben habe, als im Jahre 1929 auf einem von der früheren Parzelle 771 abgetrennten Teil ein Kolonialwarengeschäft eröffnet worden sei. Es ist nicht streitig, dass der frühere Wortlaut nur das Haus Nr. 99 belastete. Die Bereinigung mit der Neuformulierung des Umfangs der Servitut fand aber lange nach jener Abtrennung und Eröffnung eines Konkurrenzgeschäftes statt. Übrigens liesse sich daraus, dass der Beklagte 1929 gegen das Konkurrenzgeschäft nicht Einspruch erhob, nicht ableiten, die Servitut habe den abgetrennten Teil der Parzelle 771 nicht, also nur das Haus belastet; denn es steht einem Servitutsberechtigten zu, auf die Geltendmachung der Servitut bezüglich eines Teils des belasteten Grundstücks oder in einem Einzelfalle zu verzichten, ohne dass dadurch der Bestand und Umfang des Rechtes an sich berührt würde (Urteile des Bundesgerichts vom 15. Februar 1957 und vom 25. September 1958 i.S. Spieler c. Gambaro betr. "Villenstil"-Servitut).
Bezieht sich mithin der heutige, allein massgebliche Grundbucheintrag auf die ganze Parzelle 771 und nicht nur auf das Haus Nr. 99, so ist der auf gegenteilige Feststellung abzielende Berufungsantrag 1 der Klägers abzuweisen.
3.
Die Vorinstanz hat eine Durchbrechung der Servitut insoweit zugelassen, als der Kläger in seinem Restaurationsbetrieb Rauchwaren und in seinem Kino Schokolade u. dgl. im üblichen Rahmen an seine Gäste zur Konsumation an Ort und Stelle verkaufen darf. Mit der Berufung verlangt Säuberli Beseitigung dieser Ausnahme vom Verbot, Obrecht dagegen Erweiterung derselben dahin, dass er im Restaurationsbetrieb ausser Rauchwaren auch Schokolade u. dgl. verkaufen dürfe.
Auszugehen ist von der Formulierung der Servitut als
BGE 85 II 177 S. 185
"Gewerbeverbot, beschränkt auf Spezerei-, Colonial- und Tabakwaren". Nun ist "Gewerbe"-Verbot nicht gleichbedeutend mit Verkaufsverbot schlechthin, d.h. es ist nicht jeder Verkauf solcher Waren verboten, nur der Betrieb eines Gewerbes, d.h. eines existenzbietenden Geschäftes. Unzulässig wäre somit die Eröffnung eines Ladens oder eines Kioskes mit solchen Waren. Mit Recht nimmt die Vorinstanz an, der Sinn eines Gewerbeverbotes sei, die Konkurrenz auszuschliessen, wobei jedoch das Verbot nicht absolute Geltung beanspruchen könne, sondern nur wirtschaftlich erhebliche Konkurrenzierung verhindern wolle. Es solle im vorliegenden Fall auf der Parzelle 771 kein Gewerbe wie dasjenige auf Parzelle 772 betrieben werden, also keine Spezerei- und Rauchwarenhandlung, die das Geschäft Säuberlis konkurrenzieren würde. Es entspreche aber allgemeiner Übung, dass in Wirtschaften Rauchwaren an Gäste abgegeben werden.
Dieser Auffassung von Sinn und Umfang des Gewerbeverbotes ist beizupflichten. Der Betrieb einer Wirtschaft auf Parzelle 771 ist durch das beschränkte Gewerbeverbot nicht untersagt oder eingeschränkt. Wenn zum Betrieb einer Wirtschaft aber von alters her, jedenfalls im Aargau - und dabei handelt es sich um eine der Überprüfung des Bundesgerichts entzogene tatsächliche bezw. kantonalrechtliche Frage - die Abgabe von Rauchwaren an Gäste gehört, so kann dieser nebensächliche Verkauf eines zur Wirtschaftskonsumation übungsgemäss gehörenden Genussmittels nicht gegen das Gewerbeverbot verstossen. Wohl aber träfe dies zu auf die Abgabe von Schokolade und ähnlichen Süssigkeiten, deren Verkauf in einer Wirtschaft nicht üblich ist. Anderseits dürften von diesem Verbot ausgenommen sein Süssigkeiten wie Glace, Eiscreme, etc., deren Abgabe in einem Restaurant - sei es als Dessert nach dem Essen, sei es als Einzelkonsumation - heute üblich ist und zum Wirtschaftsbetrieb gehört.
Umgekehrt werden im Kino Rauchwaren nicht benötigt, da dort das Rauchen überhaupt verboten ist, dagegen
BGE 85 II 177 S. 186
nach allgemeiner Übung Schokolade, Eiscreme u. dgl. konsumiert, übrigens zu einer Zeit, wo der Spezereiladen des Beklagten meist geschlossen sein wird, sodass eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Konkurrenzierung desselben nicht anzunehmen ist.
Wenn so die Vorinstanz der Natur und dem legitimen Bedürfnis eines Wirtschafts- und Kinobetriebes Rechnung trägt, verletzt sie kein Bundesrecht; direkt nicht, weil "Gewerbeverbot" kein bundesrechtlicher Begriff ist wie Wohnrecht, Baurecht, Quellenrecht; indirekt nicht, weil die im Grundbucheintrag zum Ausdruck kommende übereinstimmende Willensäusserung gemäss
Art. 18 OR
und der dazu ergangenen Rechtsprechung so auszulegen ist, wie sie nach Treu und Glauben im Verkehr verstanden werden durfte oder musste. Treu und Glauben bei der Auslegung entspricht es aber, wenn weder der Ausdruck "Gewerbeverbot" allzu extensiv auf jede Art des Verkaufes der fraglichen Waren, sondern nur auf die gewerbsmässige, den Hauptgegenstand des Gewerbes bildende Art angewendet, noch die Zulässigkeit gewisser Geschäfte mit solchen Waren in einer das legitime Schutzinteresse des Berechtigten schädigenden Weise ausgeweitet wird.
An der rechtlichen und wirtschaftlichen Richtigkeit dieser Interpretation ändert es nichts, dass nach seiner Behauptung in der Berufungsschrift dem Beklagten Säuberli beim Kauf der Ladenliegenschaft gesagt worden sein soll, wenn die benachbarte Wirtschaft Rauchwaren verkaufen wolle, müsse sie diese von ihm beziehen. Daraus ergibt sich im Gegenteil, dass das "Gewerbeverbot" sich auf einen solchen Verkauf in der Wirtschaft schon damals nicht bezog. Die Verpflichtung zum Tabakbezug im Geschäft Säuberli aber ist nirgends verbrieft worden und könnte, wenn überhaupt einmal von einem früheren Eigentümer der Wirtschaftsliegenschaft mündlich eingegangen, dessen Rechtsnachfolger nicht, erst recht nicht auf Jahrzehnte hinaus binden.
Richtig ist schliesslich (Berufung Säuberli S. 5), dass
BGE 85 II 177 S. 187
- nach erfolgter Bereinigung des Eintrags - nicht auf den Erwerbsgrund oder auf die langjährige Ausübung (
Art. 738 Abs. 2 ZGB
) zurückgegriffen werden muss; aber auch das ändert am vorstehenden Ergebnis nichts, das, wie dargetan, aus dem massgeblichen Eintrage selbst folgt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Beide Berufungen werden abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 22. August 1958 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3edf9844-f412-4a7a-abca-f163d5aa7c5e | Urteilskopf
123 III 193
33. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. März 1997 i.S. Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie FH gegen Titoni AG (Berufung) | Regeste
Ausschlussautonomie des Vereins im Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht des einzelnen Mitglieds auf wirtschaftliche Entfaltung (
Art. 72 Abs. 2 ZGB
und
Art. 28 ZGB
).
Tritt ein Verein in der Öffentlichkeit wie auch gegenüber Behörden, potentiellen Kunden seiner Mitglieder usw. als massgebende Organisation des betreffenden Berufsstandes oder Wirtschaftszweigs auf, so verfügt er nicht über die umfassende Ausschlussautonomie des
Art. 72 Abs. 2 ZGB
. Ein Mitglied eines solchen Vereins kann angesichts seines Persönlichkeitsrechts auf wirtschaftliche Entfaltung nur aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 194
BGE 123 III 193 S. 194
A.-
Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie FH ist ein Verein im Sinne von
Art. 60 ff. ZGB
. Mit Beschluss seiner Generalversammlung vom 24. November 1994 schloss er eines seiner Mitglieder, die Titoni AG, in Anwendung von
Art. 72 ZGB
aus mit der Begründung, dieses Unternehmen habe durch sklavische Nachahmung der Produktereihe eines andern Mitgliedes (Rolex Oyster) eines der zentralen Vereinsziele verletzt. Die Titoni AG erhob beim Appellationshof des Kantons Bern Klage mit dem Begehren, den besagten Beschluss nichtig zu erklären, eventuell ihn aufzuheben, und verlangte gleichzeitig Schadenersatz.
B.-
Mit Urteil vom 17. April 1996 hiess der Appellationshof die Anfechtungsklage gut und hob den angefochtenen Beschluss auf. Das Begehren um Schadenersatz wies er jedoch ab.
C.-
Dagegen hat der Beklagte beim Bundesgericht unter anderem Berufung eingereicht mit dem Antrag, das Urteil des Appellationshofs aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt ihrerseits, die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
2.
a) Die Vorinstanz hat die Ausschliessung der Klägerin aus dem Beklagten aufgehoben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, bei einer Berufs- oder Standesorganisation verletze die Ausschliessung eines Mitgliedes dessen Persönlichkeitsrecht auf wirtschaftliche Entfaltung und berufliches Ansehen in gravierender Weise; ein Ausschluss könne daher nur dann als zulässig gelten, wenn im Einzelfall das Interesse des Vereins an der Ausschliessung höher zu werten sei als dasjenige des Mitgliedes an der Beibehaltung
BGE 123 III 193 S. 195
der Mitgliedschaft; er dürfe mit anderen Worten nur aus wichtigen Gründen erfolgen. Die Vorinstanz hat solche Gründe verneint und dazu festgehalten, die Klägerin habe ihre Uhren "Genre Rolex" während Jahrzehnten produziert, ohne dass Rolex oder der Beklagte, die beide davon hätten wissen müssen, bis 1990 je eingeschritten seien. Abgesehen davon habe sich die Klägerin in ihrer Tätigkeit in Gesellschaft mehrerer Mitglieder des Beklagten befunden und sich qualitativ von diesen nicht unterschieden. Wie alle anderen Hersteller und Brancheninsider habe sie davon ausgehen dürfen, dass Rolex Oyster im Fernen Osten als modèle public gelte, und sich dabei auf ein Urteil i.S. Rolex c. Sicura stützen können. Die zwiespältige Haltung von Rolex ihren Nachahmern gegenüber sei auch nicht dazu angetan gewesen, die Klägerin an ihrem Vorgehen zu hindern. Da auch nicht bewiesen sei, dass sie sich mit ihrer Produktion mengenmässig von derjenigen anderer Mitglieder des Beklagten abgehoben habe, könne ihr für die Zeit vor 1990 keine schwerwiegende Verletzung der Statuten oder der Verbandsinteressen vorgeworfen werden. Nach 1990 habe sich die Klägerin in durchaus vernünftigem und angemessenem Rahmen kompromissbereit gezeigt, was vom Beklagten ja auch unterstützt worden sei. Dass sie sich nicht bereit erklärt habe, ein rechtliches Schuldbekenntnis abzulegen, könne ihr angesichts der schweizerischen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Zwei Instanzen hätten in dem von Rolex gegen die Klägerin angestrengten Verfahren zu deren Gunsten entschieden. Auch die in der Schlussphase von der Klägerin an Rolex gestellte Forderung, ebenfalls gegen die anderen Nachahmer vorzugehen, sei angesichts der wirtschaftlichen Konsequenzen eines Rückzuges der Klägerin aus dem Markt des "Genre Rolex" im Fernen Osten durchaus gerechtfertigt. Nachdem der Beklagte lange Zeit die Position eines Schiedsrichters eingenommen habe, sei er von dieser Position abrupt abgewichen und habe sich im Frühling 1994 ohne jeden ersichtlichen Grund gegen die Klägerin gestellt. Er habe ihr die Schuld am Fehlen einer gütlichen Lösung zugewiesen, obwohl von ihm nie ein eigener Kompromissvorschlag unterbreitet worden sei, an dem sie das Verhandlungsverhalten und die Kompromissbereitschaft der Parteien hätte messen können. Nachahmungen von Rolex durch andere seiner Mitglieder seien vom Beklagten, ohne sich auf Untersuchungen stützen zu können, bagatellisiert und nicht als Entschuldigung für das Verhalten der Klägerin akzeptiert worden. Abgesehen davon habe der Beklagte sich bei seinem Ausschliessungsentscheid weder mit der in der Stellungnahme
BGE 123 III 193 S. 196
der Klägerin vom 18. Oktober 1994 geltend gemachten langjährigen Produktion ihrer Linie Cosmo noch mit dem in der Stellungnahme ebenfalls erwähnten Urteil vom 31. März 1994 des Amtsgerichtes Solothurn-Lebern auseinandergesetzt. Mithin könne der Klägerin auch für die Zeit nach 1990 nicht vorgeworfen werden, sie habe durch ihr Verhalten in den Verhandlungen mit Rolex die Statuten oder die Interessen des Beklagten in schwerwiegender Weise verletzt. Gesamthaft gesehen sei damit das Interesse der Klägerin daran, nicht ausgeschlossen zu werden, als grösser zu gewichten als dasjenige des Beklagten an der Ausschliessung.
Überdies verletze der gegenüber der Klägerin verfügte Ausschluss das Gebot der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder, da der Beklagte um die Nachahmung von Rolex-Uhren durch andere Mitglieder gewusst habe, den entsprechenden Vorwürfen aber nicht nachgegangen sei.
b) Der Beklagte erblickt einen Verstoss gegen
Art. 72 ZGB
, weil die Vorinstanz trotz
Art. 72 Abs. 2 ZGB
den Ausschliessungsentscheid nicht allein unter dem Gesichtswinkel des Rechtsmissbrauchs geprüft habe, der im konkreten Fall zu verneinen sei; abgesehen davon, dass er keinen Verein mit wirtschaftlicher Zwecksetzung darstelle, sei auch die Auffassung der Vorinstanz unzutreffend, bei atypischen Vereinen, insbesondere solchen mit wirtschaftlicher Zwecksetzung, könnten die Mitglieder nur aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden. Solche würden im übrigen zu Unrecht verneint, und es treffe auch nicht zu, dass er mit seinem Vorgehen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen habe.
c) aa) Gemäss
Art. 72 Abs. 1 ZGB
können die Vereinsstatuten Gründe bestimmen, aus denen ein Mitglied ausgeschlossen werden darf, oder aber die Ausschliessung ohne Angabe von Gründen gestatten. Gemäss
Art. 72 Abs. 2 ZGB
ist in diesen Fällen eine Anfechtung der Ausschliessung wegen ihres Grundes nicht statthaft, wobei dies allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts lediglich unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots i.S.v.
Art. 2 Abs. 2 ZGB
gilt (
BGE 51 II 237
E. 2 S. 242;
BGE 85 II 525
E. 8 S. 541;
BGE 90 II 346
E. 1 S. 347); ausserdem schliesst
Art. 72 Abs. 2 ZGB
eine Anfechtung der Ausschliessung wegen vereinsinterner Verfahrensmängel nicht aus (
BGE 51 II 237
E. 2 S. 242; vgl. auch
BGE 114 II 193
ff.). Soweit im Zusammenhang mit
Art. 72 ZGB
eine Anfechtungsklage erhoben wird, richtet sich diese grundsätzlich - insbesondere auch hinsichtlich der Frist - nach
Art. 75 ZGB
.
BGE 123 III 193 S. 197
Gemäss Art. 8 der Statuten des Beklagten kann dessen Generalversammlung ein Mitglied ausschliessen, wenn dieses eine Politik verfolgt oder Tätigkeiten ausübt, die mit den allgemeinen Zielen des Verbandes unvereinbar sind, oder wenn es seinen Verpflichtungen gegenüber dem Verband nicht nachkommt. Gestützt darauf erfolgte am 24. November 1994 die Ausschliessung der Klägerin.
Vorliegend ist unbestritten, dass diese Ausschliessung unter den ersten Teil von
Art. 72 Abs. 1 ZGB
fällt und daher aufgrund von
Art. 72 Abs. 2 ZGB
nicht anfechtbar ist; einig sind sich die Parteien und die Vorinstanz ferner darin, dass kein Fall von Rechtsmissbrauch vorliegt, Verfahrensmängel nicht zur Diskussion stehen und die formellen Anfechtungsvoraussetzungen gemäss
Art. 75 ZGB
erfüllt sind.
bb) In der neueren Lehre wird indessen überwiegend die Ansicht vertreten, bei Berufs- und Standesorganisationen bzw. Wirtschaftsverbänden würden der Ausschliessungsbefugnis des Vereins auch durch den Schutz der Persönlichkeit des Mitgliedes (
Art. 28 ZGB
) Grenzen gesetzt: Angesichts der wirtschaftlichen bzw. beruflichen Bedeutung einer derartigen Vereinsmitgliedschaft für das einzelne Mitglied, insbesondere auch im Hinblick auf seinen geschäftlichen Ruf, könne die Ausschlussautonomie des Vereins nicht so (weitgehend) schrankenlos sein wie bei einem "gewöhnlichen" Verein; vielmehr sei in solchen Fällen eine Abwägung zwischen den Interessen an der Ausschliessung des Mitgliedes und dessen Interessen an der Mitgliedschaft vorzunehmen; ein Ausschluss könne nur bei überwiegenden Interessen des Vereins - und damit im Ergebnis nur aus wichtigen Gründen - erfolgen (vgl. RIEMER, BERNER KOMMENTAR, N. 44 ff. zu
Art. 72 ZGB
; HEINI, Das Schweizerische Vereinsrecht, Basel 1988, S. 65; derselbe, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch I, Basel 1996, N. 11/12 zu
Art. 72 ZGB
; ANDREAS KELLER, Die Ausschliessung aus dem Verein, Diss. Freiburg i.Ue. 1979, S. 120/121; THOMAS BÜTLER, Der Persönlichkeitsschutz des Vereinsmitglieds, Diss. Basel 1986, S. 72 ff.; HANS BODMER, Vereinsstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit, Diss. St. Gallen 1989, S. 191 ff.; in Erwägung gezogen auch von MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des Schweizerischen Gesellschaftsrechts, 7. Aufl., Bern 1993, § 16 N. 43, und VON TUOR/ SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl., Zürich 1995, S. 142 Anm. 31). Die gegenteilige Meinung wird von Beat Badertscher (Der Ausschluss aus dem Verein nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1980, S. 216/217, 218/
BGE 123 III 193 S. 198
219) vertreten. Die vorherrschende Auffassung entspricht dem Standpunkt, welcher in der neueren kantonalen Rechtsprechung und in der Literatur betreffend Sportvereine eingenommen wird, sobald bei diesen erhebliche wirtschaftliche Interessen des Mitgliedes eine Rolle spielen (vgl. ZBJV 124/1988, S. 311 ff.; SJZ 84/1988, Nr. 13 S. 85 ff. und auch schon SJZ 75/1979, Nr. 13 S. 78; KUMMER, Spielregel und Rechtsregel, Bern 1973, S. 55 ff.; MARGARETA BADDELEY, L'association sportive face au droit, Basel 1994, S. 97 f.).
Das Bundesgericht hat sich zu dieser Frage nicht abschliessend geäussert. In einem nicht publizierten Entscheid vom 22. November 1996 i.S. C./GST hat es die Anwendbarkeit von
Art. 28 ZGB
gegenüber
Art. 72 ZGB
eher bejaht (E. 4b), in einem weiteren, ebenfalls nicht publizierten Urteil vom 28. Februar 1997 i.S. B./SVMD hingegen eher verneint (E. 3), wobei es allerdings in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Prüfung nach
Art. 28 ZGB
als nicht gegeben erachtet hat.
cc) Der herrschenden Lehrmeinung, welche auch dem vorinstanzlichen Urteil zugrunde liegt und in der Sache überzeugt, ist zu folgen. Tritt ein Verein in der Öffentlichkeit wie auch gegenüber Behörden, potentiellen Kunden seiner Mitglieder usw. als massgebende Organisation des betreffenden Berufsstandes oder Wirtschaftszweigs auf, so kann er für sich nicht dieselbe umfassende Ausschlussautonomie gemäss
Art. 72 Abs. 2 ZGB
beanspruchen, wie sie etwa einem Geselligkeitsverein oder dergleichen zugestanden wird; vielmehr verlangt hier das Persönlichkeitsrecht der Mitglieder auf wirtschaftliche Entfaltung (
Art. 28 ZGB
) nach einer Beschränkung des Rechts auf Ausschliessung; andernfalls lägen der geschäftliche bzw. berufliche Ruf der betreffenden Mitglieder (und ihrer Unternehmen) und weitere für sie wichtige wirtschaftliche Rahmenbedingungen, wie Marktzutritt mittels Ausstellungen, Marktinformationen usw., zu einem beträchtlichen Teil in der Macht des Vereins.
Beim Beklagten handelt es sich offensichtlich um einen Verein im vorgenannten Sinn; dabei erweist sich allerdings die Umschreibung mit "wirtschaftlicher Zweck" als ungenau, da es sich in Wirklichkeit um einen wirtschaftspolitischen Zweck handelt. Das ergibt sich ohne weiteres aus Art. 2 der Statuten, wonach der Verband die repräsentative Organisation der gesamten schweizerischen Uhrenindustrie darstellt, und wird vom Beklagten auch eingeräumt. Die Vorinstanz hat mithin zu Recht die Ausschliessung nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs überprüft, sondern
BGE 123 III 193 S. 199
aufgrund von
Art. 28 ZGB
eine Interessenabwägung vorgenommen und abgeklärt, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Sie hat dies aufgrund der vorstehend (E. 2a) wiedergegebenen, für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen (vgl.
Art. 55 Abs. 1 lit. c und
Art. 63 Abs. 2 OG
) verneint und damit das ihr in dieser Frage zustehende Ermessen (
Art. 4 ZGB
) weder überschritten noch missbraucht (
BGE 119 II 197
E. 2 a.E. mit Hinweis; zum Umfang der Prüfung bei Ermessensentscheiden:
BGE 118 II 50
E. 4 S. 55).
dd) Ist aber der angefochtene Entscheid in dieser Hinsicht nicht zu beanstanden, so kann offenbleiben, ob der Beklagte mit seinem Entscheid auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Mitglieder verstossen hat. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3ee42a02-8bac-4279-b8b1-2dc6cb793470 | Urteilskopf
141 II 307
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Gemeinde U. und WEKO gegen Gemeinde U. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_919/2014 / 2C_920/2014 vom 21. August 2015 | Regeste
Art. 89, 95 und 110 BGG
,
Art. 3, 5 und 9 Abs. 2
bis
BGBM
. Öffentliches Beschaffungsrecht; Einladungsverfahren; Beschwerdebefugnis der Anbieterin, die an einem Einladungsverfahren teilgenommen hat; Rechtsanwendung von Amtes wegen.
Zulässigkeit des Einladungsverfahrens (E. 5).
Die Beschwerdelegitimation richtet sich auch für das kantonale Verfahren mindestens nach
Art. 89 BGG
. Das schutzwürdige Interesse, welches die Legitimation begründet, besteht dabei im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn die Beschwerdeführerin mit ihren Anliegen obsiegt. Sind die Voraussetzungen von
Art. 89 BGG
erfüllt, ist die Beschwerdeführerin mit sämtlichen in
Art. 95 BGG
vorgesehenen Rügen zum Verfahren zugelassen. Diese allgemeinen Regeln gelten auch im Beschaffungsrecht (E. 6.1- 6.4). Muss das gesamte Verfahren wiederholt werden, könnte die im Einladungsverfahren unterlegene Anbieterin ein neues Angebot einreichen und ihre Chancen auf den Zuschlag erhöhen sich; es entsteht ihr ein praktischer Nutzen. Sie ist deshalb befugt, die Durchführung eines offenen Verfahrens zu beantragen. Tritt das kantonale Gericht auf die Beschwerde ein, hat es das Recht von Amtes wegen anzuwenden und muss offensichtliche rechtliche Mängel bei der Wahl des Vergabeverfahrens selbst ohne entsprechende Rüge der Beschwerdeführerin beseitigen (E. 6.5-6.8). | Sachverhalt
ab Seite 308
BGE 141 II 307 S. 308
A.
Die Gemeinde U. lud mit Schreiben vom 6. Februar 2014 sechs Unternehmen, worunter die B. AG und die C. AG, ein, eine Offerte für die Beschaffung, Installation und Einführung von Gemeinde-Fachapplikationen (neue Softwareinfrastruktur) einzureichen. Innert Frist gingen fünf Angebote ein, worunter je eines der Firma B. AG und der A. AG, welche durch Vermittlung der C. AG offeriert hatte und in der Folge ebenfalls zum Verfahren zugelassen worden war. Am 28. April 2014 erteilte die Gemeinde den Zuschlag der Firma B. AG.
B.
Dagegen erhob die A. AG Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und beantragte, die angefochtene Vergabe
BGE 141 II 307 S. 309
aufzuheben und den Zuschlag an sie zu erteilen, eventuell die Sache zu neuer Entscheidung, subeventuell zur Durchführung einer Ausschreibung im offenen Verfahren, an die Vergabestelle zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht untersagte mit Präsidialverfügung vom 14. Mai 2014 der Gemeinde einstweilen, den Vertrag abzuschliessen. Mit Urteil vom 28. August 2014 wies es sodann die Beschwerde ab. Es erwog, die Anbieterin sei zur Rüge, es sei zu Unrecht ein Einladungsverfahren durchgeführt worden, nicht legitimiert, da sie dadurch keine Nachteile erlitten habe. Die Vergabe sei auch materiell nicht zu beanstanden.
C.
C.a
Die A. AG erhob am 6. Oktober 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_919/2014) mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vergabestelle zurückzuweisen, wobei diese anzuweisen sei, die Bewertung der Kriterien Lösungskonzept sowie Wirtschaftlichkeit und Kosten in einer für die Anbieter nachvollziehbaren Weise nachzuholen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an die Vergabestelle zur Durchführung einer neuen Ausschreibung im offenen Verfahren durchzuführen, subeventualiter sei festzustellen, dass der angefochtene Entscheid rechtswidrig sei. (...)
C.b
Die Wettbewerbskommission (nachfolgend: WEKO) erhob am 6. Oktober 2014 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_920/2014) mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil den freien Zugang zum Markt in unzulässiger Weise beschränkt.
C.c
Das Verwaltungsgericht beantragt, beide Beschwerden abzuweisen. Die Gemeinde U. beantragt, auf die Beschwerde der A. AG sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen; die Beschwerde der WEKO sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die B. AG hat keine Stellungnahme eingereicht. (...)
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde im Verfahren 2C_919/2014 nicht ein. Die Beschwerde im Verfahren 2C_920/2014 heisst das Bundesgericht in dem Sinne gut, als festgestellt wird, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Bundesrecht verletzt hat, indem es den Antrag auf Rückweisung zur Durchführung eines offenen Verfahrens nicht beurteilt hat.
(Auszug)
BGE 141 II 307 S. 310
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
5.1
Gemäss
Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02)
sorgen Kantone und Gemeinden sowie andere Träger kantonaler und kommunaler Aufgaben dafür, dass die Vorhaben für umfangreiche öffentliche Einkäufe, Dienstleistungen und Bauten sowie die Kriterien für Teilnahme und Zuschlag amtlich publiziert werden. Sie berücksichtigen dabei die vom Bund eingegangenen staatsvertraglichen Verpflichtungen. Das Übereinkommen vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement der WTO [GPA; SR 0.632.231.422]) findet gemäss seinem Art. I Abs. 1 i.V.m. Anhang I Annex 2 i.V.m. Art. 2 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68) auch auf die Vergabeverfahren der schweizerischen Gemeinden Anwendung, sofern die darin genannten Schwellenwerte (für Lieferungen und Dienstleistungen Fr. 200'000.-) überschritten werden. Es sieht in seinem Art. VII die drei Verfahrensarten des offenen, des selektiven und des freihändigen Verfahrens vor. Ausser in den Fällen, in denen nach Art. XV das freihändige Verfahren zulässig ist, veröffentlichen die Beschaffungsstellen für jede geplante Beschaffung eine Einladung zur Teilnahme (Art. IX Abs. 1 GPA). Diese Vorgaben werden für kantonale und kommunale Beschaffungen durch Art. 12 Abs. 1, Art. 12
bis
Abs. 1 sowie Anhang 1 der Interkantonalen Vereinbarung vom 25. November 1994/15. März 2001 über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB; AS 2003 196) umgesetzt. Die IVöB kennt daneben das Einladungsverfahren, in welchem die geplante Beschaffung nicht öffentlich ausgeschrieben wird, sondern die Vergabestelle eine Anzahl von Anbietern direkt zur Angebotsabgabe einlädt (Art. 12 Abs. 1 lit. b
bis
IVöB). Dieses Einladungsverfahren ist gemäss
Art. 12
bis
Abs. 2 IVöB
nur im Nicht-Staatsvertragsbereich und unterhalb der Schwellenwerte gemäss Anhang 2 IVöB zulässig (für Lieferungen und Dienstleistungen Fr. 250'000.-).
5.2
Vorliegend hatte die Gemeinde das Einladungsverfahren gewählt. In ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht hatte die A. AG subeventualiter beantragt, die Sache sei zur Durchführung einer Ausschreibung im offenen Verfahren an die Gemeinde zurückzuweisen. Sie begründete dies damit, der Schwellenwert von Fr. 250'000.- sei
BGE 141 II 307 S. 311
überschritten, so dass das Einladungsverfahren nicht zulässig sei. Das Verwaltungsgericht erwog, die Beschwerdeführerin sei zum Verfahren zugelassen worden; es erwachse ihr aus der Durchführung des Einladungsverfahrens kein Nachteil. Sie sei daher nicht berechtigt zu rügen, die Submission sei zu Unrecht im Einladungsverfahren erfolgt.
5.3
Die WEKO trägt vor, die streitige Beschaffung liege über dem massgeblichen Schwellenwert und hätte gemäss
Art. 5 Abs. 2 BGBM
amtlich publiziert werden müssen. Die Durchführung des Einladungsverfahrens verstosse gegen
Art. 5 BGBM
. Gemäss
Art. 16 IVöB
sowie
Art. 9 Abs. 1 und 2 BGBM
müsse es einer beschwerdelegitimierten Partei möglich sein, einen Rechtsverstoss gegen
Art. 5 BGBM
geltend zu machen. Indem das Verwaltungsgericht gestützt auf das kantonale Verfahrensrecht diese Prüfung verweigert habe, verletze es das BGBM und damit auch
Art. 49 BV
. Das Verwaltungsgericht hätte von Amtes wegen prüfen müssen, ob das Einladungsverfahren zulässig gewesen sei oder eine öffentliche Ausschreibung erforderlich gewesen wäre. Nur so könne eine Umgehung von
Art. 5 BGBM
wirksam verhindert werden. Mit der Konzeption des Verwaltungsgerichts könnte die falsche Wahl einer Vergabeart nie gerichtlich angefochten werden, da die nicht zugelassenen Dritten mangels Kenntnis des Verfahrens faktisch keine Möglichkeit zur Anfechtung hätten und die eingeladenen die falsche Wahl der Vergabeart nicht rügen könnten.
5.4
Die Beschwerdegegnerin ist demgegenüber der Auffassung, die Wahl des Einladungsverfahrens sei zulässig gewesen, da die ex ante geschätzten Kosten des Projekts unter dem Schwellenwert gelegen seien. Zudem sei der Rechtsschutz gewährleistet. Es sei nicht bundesrechtswidrig, wenn die Vorinstanz gestützt auf das kantonale Verfahrensrecht angenommen habe, die A. AG habe kein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung der Frage, ob anstelle des Einladungsverfahrens eine Ausschreibung hätte erfolgen müssen.
6.
6.1
Die WEKO wie auch die Beschwerdegegnerin gehen davon aus, dass sich die Legitimation zur Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht nach kantonalem Recht richte. Das ist insofern zu präzisieren, als nach
Art. 111 Abs. 1 BGG
die Legitimation im kantonalen Verfahren mindestens so weit gefasst sein muss wie vor Bundesgericht. Da gegen Entscheide im Bereich des öffentlichen
BGE 141 II 307 S. 312
Beschaffungswesens unter gewissen Voraussetzungen die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht zulässig ist, muss zumindest dann, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, auch vor dem kantonalen Verwaltungsgericht die Legitimation des nicht berücksichtigten Anbieters von Bundesrechts wegen mindestens im gleichen Umfang wie nach
Art. 89 BGG
zugelassen werden (GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 642 f. Rz. 1298; POLTIER/CLERC, in: Commentaire romand, Droit de la concurrence, Martenet/Bovet [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 94 zu
Art. 9 BGBM
). Nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
ist zur Beschwerde legitimiert, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Ob das kantonale Recht diese Mindestanforderungen einhält, ist als Frage des Bundesrechts vom Bundesgericht frei zu prüfen (
Art. 95 lit. a BGG
; Urteil 2C_596/2014 vom 6. März 2015 E. 2.2).
6.2
Das die Legitimation begründende schutzwürdige Interesse besteht im praktischen Nutzen, der sich ergibt, wenn der Beschwerdeführer mit seinem Anliegen obsiegt und dadurch seine tatsächliche oder rechtliche Situation unmittelbar beeinflusst werden kann. Die Beschwerde dient nicht dazu, abstrakt die objektive Rechtmässigkeit des staatlichen Handelns zu überprüfen, sondern dem Beschwerdeführer einen praktischen Vorteil zu verschaffen. Das blosse Anliegen, dem Prozessgegner einen (behaupteterweise) rechtswidrigen Vorteil zu verwehren, kann nicht zur Legitimation ausreichen, wenn es nicht mit einem eigenen schutzwürdigen Vorteil für den Beschwerdeführer korreliert (
BGE 141 II 14
E. 4.4 S. 29 f.).
6.3
Für das Beschaffungsrecht gilt keine Sonderregelung. Die einschlägigen internationalen Abkommen (Art. XX GPA; Art. 5 und Anhang V des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens) sehen zwar eine Beschwerdemöglichkeit der "Anbieter" vor, regeln aber nicht im Einzelnen, wer unter welchen Voraussetzungen zur Beschwerde legitimiert ist; dies richtet sich nach nationalem Recht. Auch der von der WEKO angerufene
Art. 9 BGBM
enthält - abgesehen von der Beschwerdebefugnis der WEKO (Abs. 2
bis
) - keine
BGE 141 II 307 S. 313
Sonderregeln zur Legitimation; diese richtet sich vielmehr nach den allgemeinen Regeln (
BGE 141 II 14
E. 2.3 S. 25 f.;
BGE 137 II 313
E. 3.2 S. 320; MARTIN BEYELER, Öffentliche Beschaffung, Vergaberecht und Schadenersatz, 2004, S. 311 f. Rz. 399; THOMAS LOCHER, Wirkungen des Zuschlags auf den Vertrag im Vergaberecht, 2013, S. 168; ETIENNE POLTIER, Droit des marchés publics, 2014, S. 259 f.). Nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
bzw.
Art. 48 Abs. 1 VwVG
(SR 172.021) kann die Legitimation nur bejaht werden, wenn dem Beschwerdeführer bei Gutheissung seiner Begehren ein effektiver praktischer Vorteil erwächst (
BGE 141 II 14
E. 4.5 S. 30). Das Interesse des nicht berücksichtigten Anbieters ist in der Regel primär darauf gerichtet, anstelle des Zuschlagsempfängers selber den Zuschlag zu erhalten. Sekundär besteht ein Feststellungsanspruch, wenn sich das Rechtsmittel als begründet erweist, aber mit dem Anbieter bereits ein Vertrag abgeschlossen worden ist (
Art. 9 Abs. 3 BGBM
;
Art. 18 Abs. 2 IVöB
;
BGE 132 I 86
E. 3 S. 87 ff.). Der Feststellungsentscheid eröffnet dem nicht berücksichtigten Anbieter gegebenenfalls einen Schadenersatzanspruch (Art. XX Ziff. 7 lit. c GPA;
Art. 34 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen [BöB; SR 172.056.1]
). Die Legitimation sowohl für den Primäranspruch auf Aufhebung des Zuschlags als auch für den sekundären Anspruch auf Schadenersatz setzt voraus, dass der nicht berücksichtigte Anbieter bei Obsiegen seiner Anträge eine reelle Chance auf den Zuschlag hätte (
BGE 141 II 14
E. 4.6-4.8 S. 31 ff.). Ferner ist legitimiert, wer zu Unrecht gar nicht die Möglichkeit erhalten hat, am Verfahren teilzunehmen (Art. 89 Abs. 1 lit. a zweite Satzhälfte BGG). Ein nicht eingeladener potenzieller Anbieter kann Beschwerde erheben und geltend machen, es sei zu Unrecht ein freihändiges oder Einladungsverfahren durchgeführt und ihm so die Einreichung eines Angebots verunmöglicht worden, sofern er geltend macht, dass er das zu beschaffende Produkt hätte anbieten können (
BGE 137 II 313
E. 3.3.2 S. 321 f.; LOCHER, a.a.O., S. 174 ff.; KASPAR LUGINBÜHL, Die Beschaffungsbeschwerde, 2014, S. 70 f.; POLTIER, a.a.O., S. 262 Rz. 408). Hier zur Diskussion steht jedoch, ob auch ein eingeladener Anbieter, der am Verfahren teilgenommen und ein Angebot eingereicht hat, geltend machen kann, es hätte anstelle des Einladungsverfahrens ein offenes Verfahren durchgeführt werden müssen.
6.4
Die Vorinstanz hat erwogen, die Anbieterin sei zum Einladungsverfahren zugelassen gewesen und habe aus dessen Durchführung
BGE 141 II 307 S. 314
anstelle des offenen oder selektiven Vergabeverfahrens keinen Nachteil erlitten. Sie sei deshalb zur Rüge, die Submission sei zu Unrecht im Einladungsverfahren erfolgt, nicht legitimiert. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Mit ihrer rügespezifischen Beurteilung vermengt die Vorinstanz Beschwerdelegitimation (bzw. Beschwerdebefugnis) und Beschwerdegründe. Die Beschwerdelegitimation richtet sich ausschliesslich nach
Art. 89 BGG
. Sind dessen Voraussetzungen wie hier erfüllt, ist die Beschwerdeführerin
mit sämtlichen
der in
Art. 95 ff. BGG
aufgeführten Rügen zum Verfahren zuzulassen (
BGE 137 II 30
E. 2.3 S. 34). Die Beschwerdeführerin kann daher die Überprüfung des angefochtenen Entscheids im Lichte all jener Rechtssätze verlangen, die sich rechtlich oder tatsächlich in dem Sinne auf ihre Stellung auswirken, dass ihr im Falle des Obsiegens ein praktischer Nutzen entsteht.
6.5
Ist auf eine Beschwerde einzutreten, muss sodann nach
Art. 110 BGG
mindestens eine gerichtliche Instanz im Kanton das Recht von Amtes wegen anwenden. Das gilt auch in Submissionsangelegenheiten (POLTIER/CLERC, a.a.O., N. 105 zu
Art. 5 BGBM
), hier für das zürcherische Verwaltungsgericht, da es als einzige gerichtliche Instanz im Kanton entscheidet.
Art. 110 BGG
schliesst zwar nicht aus, dass eine Beschwerde - wie auch vor Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht (
Art. 52 VwVG
,
Art. 42 BGG
) - als Zulässigkeitsvoraussetzung überhaupt eine rechtliche Begründung enthalten muss (BERNARD CORBOZ, Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 22 zu
Art. 110 BGG
; BERNHARD EHRENZELLER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 20 zu
Art. 110 BGG
; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 2012, S. 274 Rz. 1135 und S. 292). Daraus wird abgeleitet, dass eine Rechtsmittelinstanz trotz Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht verpflichtet ist, wie eine erstinstanzliche Behörde alle möglicherweise relevanten Rechtsfragen von Amtes wegen aufzugreifen, sondern sie sich grundsätzlich darauf beschränken kann, sich mit den Argumentationen der Parteien auseinanderzusetzen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (
BGE 138 I 274
E. 1.6 S. 280 f.;
BGE 135 II 384
E. 2.2.1 S. 389; CORBOZ, a.a.O., N. 30 zu
Art. 106 BGG
; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, a.a.O., S. 30 Rz. 101 und S. 275 Rz. 1139; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 54 f. Rz. 159; MOOR/POLTIER, Droit administratif, Bd. II, 3. Aufl. 2011, S. 300 f. und 820 f.). Indessen ist eine eigentliche Rügepflicht, wie sie vor
BGE 141 II 307 S. 315
Bundesgericht in bestimmten Fällen gilt (
Art. 106 Abs. 2 BGG
), im kantonalen Verfahren nicht zulässig (EHRENZELLER, a.a.O., N. 19 zu
Art. 110 BGG
).
6.6
Im Submissionsrecht ist die legitimationsbegründende Interessenlage des nicht berücksichtigen Anbieters in dem Sinne von dessen Vorbringen abhängig, als er beantragen muss, dass die vor ihm platzierten Anbieter ausgeschlossen oder tiefer rangiert werden, so dass seine eigene reelle Chance auf den Zuschlag erhöht wird (
BGE 141 II 14
E. 4.7 und 4.8 S. 31 ff.). Rügt der Anbieter formelle Mängel, verfügt er nur dann über ein schutzwürdiges Interesse, wenn sich durch die Gutheissung der Beschwerde seine Rechtsstellung verbessert. Wurden z.B. in einem Einladungsverfahren zu wenige Anbieter eingeladen, so kann der nicht berücksichtigte Anbieter kein schutzwürdiges Interesse daran haben, dass neben den zugelassenen Anbietern noch weitere Anbieter am Verfahren teilnehmen können; denn dadurch wird seine eigene Chance auf den Zuschlag nicht grösser, sondern noch kleiner (DOMINIK KUONEN, Das Einladungsverfahren im öffentlichen Beschaffungsrecht, 2005, S. 229; ROBERT WOLF, Die Beschwerde gegen Vergabeentscheide, ZBl 104/2003 S. 13 f. insb. Fn. 69). Anders präsentiert sich die Situation jedoch, wenn der unterlegene Anbieter derart schwere Verfahrens- oder Zuständigkeitsmängel formeller Natur geltend macht, die eine Wiederholung des ganzen Verfahrens zur Folge haben. In einem neuen Verfahren könnte er ein neues Angebot einreichen und seine Chancen auf den Zuschlag erhöhen sich dadurch. Die Beschwerdelegitimation des unterlegenen Anbieters muss in dem Fall bejaht werden (Urteile 2P.261/2002 vom 8. August 2003 E. 4.6; 2P.176/2003 vom 6. Februar 2004 E. 3.3; vgl.
BGE 141 II 14
E. 4.7 S. 33 f. in fine; BEYELER, a.a.O., S. 316 f.; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 646 f.; WOLF, a.a.O., S. 11, 14; KUONEN, a.a.O., S. 225, 229; MARTIN BERTSCHI, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Alain Griffel [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 42 zu § 21 VRG).
6.7
Vorliegend hat die unterlegene Anbieterin primär den Zuschlag an sich beantragt; subeventualiter hat sie beantragt, die Sache sei zur Durchführung eines offenen Verfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht erwog zunächst, nicht berücksichtigte Anbieter seien zur Beschwerde befugt, wenn sie bei Gutheissung eine realistische Chance haben, mit dem eigenen Angebot zum Zuge zu kommen, oder wenn die Gutheissung der Beschwerde zu einer Wiederholung des Submissionsverfahrens führte,
BGE 141 II 307 S. 316
in welchem sie ein neues Angebot einreichen können. Dies steht im Einklang mit dem vorne (E. 6.6) Dargelegten. Alsdann erwog die Vorinstanz jedoch, die A. AG sei zur Rüge, die Vergabe sei zu Unrecht im Einladungsverfahren erfolgt, nicht befugt, da ihr aus der Durchführung der Vergabe im Einladungsverfahren kein Nachteil entstanden sei. Das ist zwar insofern richtig, als die Anbieterin am Einladungsverfahren teilnehmen konnte. Massgebend ist jedoch nicht, ob ihr durch die bisherige Durchführung des Verfahrens ein Nachteil entstanden ist, sondern ob sie aus dem Obsiegen ihrer Anträge einen praktischen Nutzen erzielen könnte (vorne E. 6.2 und 6.4). Bei Obsiegen ihres Subeventualantrags auf Wiederholung des Verfahrens hätte die Anbieterin ein neues Angebot einreichen können und damit ihre Chance auf den Zuschlag gewahrt. Sie hätte damit einen praktischen Nutzen gehabt (vorne E. 6.6). Die unterlegene Anbieterin war somit zum Antrag, die Sache sei zur Durchführung eines offenen Verfahrens an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, ebenfalls befugt. Ist auf die Beschwerde einzutreten, muss die Vorinstanz in der Folge das Recht von Amtes wegen anwenden, falls sich für entsprechende Fehler Anhaltspunkte aus den Parteivorbringen oder den Akten ergeben oder die rechtlichen Mängel offensichtlich sind (E. 6.5). Die Beseitigung offensichtlicher Mängel durch die richterlichen Behörden soll sicherstellen, dass nicht aufgrund fehlerhafter Voraussetzungen Recht gesprochen wird. Im vorliegenden Fall bestehen offenkundige Hinweise für die Wahl des falschen Vergabeverfahrens (nicht publ. E. 2.3), so dass die Vorinstanz diesen rechtlichen Mangel selbst ohne entsprechende Rüge des Beschwerdeführers hätte berücksichtigen müssen (vgl. zur kantonalen Praxis GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 150 f. Rz. 337 f.). Aus Treu und Glauben mag sich umgekehrt zwar ergeben, dass offensichtliche Mängel frühzeitig schon bei der Ausschreibung zu beanstanden wären. Angesichts des Zeitdrucks, der beschränkten Rechtskenntnisse der Anbietenden sowie der Furcht vor der Verringerung der Chancen im Vergabeverfahren sind hier allerdings keine strengen Anforderungen zu stellen (
BGE 130 I 241
E. 4.3 S. 246 f.; vgl. GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 290 Rz. 668; WOLF, a.a.O., S. 10).
6.8
Eine andere Frage ist, ob ein kantonales Gericht auch dann einen Vergabeentscheid wegen falscher Wahl des Vergabeverfahrens von Amtes wegen aufheben muss, wenn kein legitimierter Beschwerdeführer diesen Antrag gestellt hat. Das ist nicht eine Frage der Rechtsanwendung von Amtes wegen, sondern eine Frage der Bindung an die
BGE 141 II 307 S. 317
Parteianträge. Auch der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen gilt nur im Rahmen des Streitgegenstands, der dem Gericht zur Entscheidung vorliegt (Urteile 2C_356/2013 vom 17. März 2014 E. 6.1; 2C_124/2013 vom 25. November 2013 E. 2.2.2, in: ASA 82 S. 379). Auf die Frage, ob eine Aufhebung des Verfahrens von Amtes wegen den Streitgegenstand unzulässig ausdehnen würde, wenn kein solcher Antrag gestellt wurde, braucht hier jedoch nicht eingegangen zu werden; denn die Anbieterin hat subeventualiter den Antrag auf Rückweisung zur Durchführung eines offenen Verfahrens gestellt.
6.9
Die Beschwerde der WEKO ist somit in dem Sinne gutzuheissen, als festzustellen ist, dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie den Antrag auf Rückweisung zur Durchführung eines offenen Verfahrens nicht beurteilt hat. | public_law | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3ee80bf3-7abe-415f-9836-ca32e6c9acfd | Urteilskopf
99 Ib 115
14. Sentenza 16 marzo 1973 nella causa Crameri contro Divisione federale dell'agricoltura. | Regeste
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verwaltungsrechtliche Klage; Art. 117 lit. c, 102 lit. a, 116 OG.
Art. 117 lit. c OG
betrifft nur die Fälle, in denen eine der in Art. 98 lit. b-h aufgeführten Behörden durch eine besondere Bestimmung des Bundesrechts ermächtigt ist, eine Verfügung zu treffen (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 1).
Verwaltungsrechtlicher Vertrag.
1. Begriff. Der Umstand, dass die Parteien Private sind, ändert die Natur des Vertrages nicht (Erw. 2).
2. Irrtum. Die Wesentlichkeit des Irrtums, unter dem ein verwaltungsrechtlicher Vertrag geschlossen worden ist, muss sich aus einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ergeben. Das Interesse der sich auf den Irrtum berufenden Partei muss gegenüber dem der Gegenpartei überwiegen (Erw. 3).
3. Eine Bestimmung des Bundesrechts, nach der zu Unrecht bezogene Beiträge zurückzuerstatten sind, vermag die Rückerstattung einer Leistung, die aufgrund eines unter einem unwesentlichen Irrtum geschlossenen verwaltungsrechtlichen Vertrages erbracht wurde, nicht zu rechtfertigen (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 116
BGE 99 Ib 115 S. 116
A.-
La legge federale concernente il promovimento della vendita di bestiame d'allevamento e da reddito, di cavalli e di lana, del 15 giugno 1962 (designata in seguito: la legge del 1962) autorizza la Confederazione a favorire la vendita degli animali summenzionati a prezzi remuneratori ai sensi della legge federale sull'agricoltura (art. 1). In particolare, la Confederazione partecipa finanziariamente alle azioni dirette ad eliminare il bestiame di cui non si giustifichi il mantenimento. Nelle regioni montane essa accorda ai Cantoni un aiuto finanziario per sopperire alle spese loro derivanti dalla macellazione di capi di bestiame inetti o giovani di qualità inferiore (art. 2 cpv. 1). Fuori delle regioni montane, essa può assegnare, ove ricorrano certe condizioni, sussidi ai detentori di vacche (art. 3 cpv. 1-3). Nel primo caso, i Cantoni organizzano le azioni di eliminazione (art. 2 cpv. 4); nel secondo, la Confederazione le affida ai Cantoni o alle organizzazioni idonee (art. 3 cpv. 5).
L'11 ottobre 1962 il Consiglio federale ha emanato una ordinanza d'esecuzione della legge del 1962 (designata in seguito: l'ordinanza del 1962). Il suo art. 26 prescrive la restituzione dei sussidi ricevuti indebitamente. L'art. 27 prevede che le decisioni delle organizzazioni cooperanti all'esecuzione dell'ordinanza possono essere impugnate mediante ricorso alla Divisione dell'agricoltura. Le decisioni di quest'ultima sono, ai sensi dell'art. 29, impugnabili mediante ricorso al Dipartimento federale dell'economia pubblica. L'art. 31 cpv. 2 autorizza la Divisione dell'agricoltura a dare le istruzioni necessarie all'attuazione dell'ordinanza.
Fondandosi sulla competenza attribuitale, la Divisione dell'agricoltura emanava il 9 aprile 1970 istruzioni in virtù delle quali il prezzo massimo da accordare in caso di macellazione d'une giovenca di razza bruna che abbia abortito durante i primi sette mesi di gravidanza, è fissato in fr. 2'500.--. Tale
BGE 99 Ib 115 S. 117
massimo è elevato a fr. 2'700.-- per le giovenche della stessa razza che abbiano abortito più tardi; esse sono assimilate alle vacche.
B.-
Federico Crameri, domiciliato a San Carlo, nel Cantone dei Grigioni, era proprietario di una giovenca che aveva abortito il 19 luglio 1971, dopo sei mesi e otto giorni di gravidanza. Intenzionato a includere l'animale nell'azione di eliminazione, egli si rivolgeva all'Ufficio cantonale per la consulenza agraria, a Landquart (designato qui appresso: l'Ufficio cantonale). Senza essere stato informato previamente dei prezzi massimi previsti dalle predette istruzioni della Divisione dell'agricoltura, Crameri era invitato dall'Ufficio cantonale a presentarsi a Poschiavo l'8 novembre 1971.
Alla data menzionata, Crameri sottometteva la giovenca all'esame dei periti. Il processo verbale d'acquisto No 8227, allestito lo stesso giorno, accertava la vendita dell'animale. Il documento, che porta la menzione della Federazione svizzera dei produttori di bestiame, è firmato due volte dallo stesso consulente regionale agricolo, la prima volta quale perito, la seconda in nome del proprietario dell'animale. Il valore totale di quest'ultimo era indicato con fr. 2'690.--, ciò che corrispondeva al prezzo massimo per le giovenche assimilate alle vacche.
La giovenca venduta da Crameri era rimessa lo stesso giorno a Silvio Iseppi, che la faceva macellare il 14 dicembre 1971.
C.-
Il 9 dicembre 1971, la Banca cantonale grigionese a Coira versava a Crameri, per incarico della Commissione per il collocamento del bestiame dell'Unione contadini grigionesi, l'ammontare di fr. 2'490.--.
Il 13 dicembre 1971 Crameri reclamava all'Ufficio cantonale la differenza di fr. 200.-- tra la somma figurante sul processo verbale d'acquisto e quella che gli era stata versata. Egli confermava la propria richiesta il 4 gennaio 1972. Lo stesso giorno, l'Ufficio cantonale lo informava che il prezzo massimo autorizzato per le giovenche era di fr. 2'500.--; la commissione aveva erroneamente considerata la giovenca di Crameri quale vacca, sicchè, dovendosi correggere l'errore, il versamento effettuato era di soli fr. 2'490.--.
Dopo un infruttuoso scambio di corrispondenza tra Crameri e l'Ufficio cantonale, il primo ricorreva il 7 marzo 1972 alla Divisione federale dell'agricoltura. Tale autorità invitava il
BGE 99 Ib 115 S. 118
7 aprile 1972 Crameri a farle sapere se intendesse mantenere il proprio ricorso, che essa reputava infondato. Poichè l'interessato si rifiutava di desistere dalla propria pretesa, la Divisione federale dell'agricoltura gli esponeva il proprio punto di vista con lettera del 15 giugno 1972 e gli chiedeva di precisare le sue intenzioni per quanto concerneva il procedimento da lui avviato. Senza accettare la tesi sostenuta dall'autorità, Crameri reclamava successivamente i documenti che le aveva trasmesso: essi gli venivano restituiti il 28 giugno 1972.
Dopo nuovi interventi presso l'Ufficio cantonale, Crameri si rivolgeva il 28 agosto 1972 al Tribunale federale, il quale, in assenza d'una decisione impugnabile, invitava il 12 settembre 1972 la Divisione federale dell'agricoltura a prendere una decisione formale sul ricorso ancora pendente dinnanzi ad essa.
D.-
Con decisione 24 ottobre 1972 la Divisione federale dell'agricoltura respingeva il ricorso di Crameri, addossandogli le spese di procedura. Essa rilevava che la validità del processo verbale d'acquisto doveva essere esaminata alla stregua del diritto pubblico; gli errori commessi nell'applicazione di quest'ultimo potevano essere corretti dagli organi d'esecuzione, che avevano con ragione ridotto il prezzo fissato in violazione delle istruzioni del 9 aprile 1970. Riservata doveva rimanere un'eventuale domanda di risarcimento di danni che Crameri poteva presentare nei confronti dell'autorità cantonale e sulla quale la Divisione dell'agricoltura non poteva pronunciarsi, esulando tale questione dalla sua competenza.
E.-
Con tempestivo ricorso di diritto amministrativo Crameri chiede l'annullamento della decisione della Divisione federale dell'agricoltura, e la condanna dell'Ufficio cantonale a pagargli l'intero prezzo convenuto ai sensi del processo verbale dell'8 novembre 1971, come pure un importo di fr. 400.-- per spese stragiudiziali e ricorsuali. Egli fa valere in particolare che, se fosse stato avvisato a tempo dell'errore dei periti, avrebbe potuto riprendere la giovenca e rivenderla ad un prezzo superiore a fr. 2'490.--.
La Divisione federale dell'agricoltura postula il rigetto del ricorso. Essa rileva che, essendo stato l'animale rivenduto lo stesso giorno in cui era stato comprato, il ricorrente non aveva il diritto di rivendicarlo ulteriormente.
L'Ufficio cantonale chiede anch'esso la reiezione del gravame.
BGE 99 Ib 115 S. 119
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
In virtù dell'art. 116 cpv. 1 lett. b OG, il Tribunale federale giudica in linea di principio come istanza unica le azioni fondate sul diritto amministrativo della Confederazione concernenti le prestazioni derivanti da contratti di diritto pubblico della Confederazione, dei suoi istituti o aziende o di organismi nel senso dell'art. 98 lett. h. Come si vedrà più innanzi, la pretesa litigiosa deriva da un contratto di diritto pubblico ai sensi della citata disposizione. Deve quindi porsi preliminarmente la questione se tale pretesa non debba essere giudicata secondo la procedura disposta dagli art. 116 ss OG. In virtù dell'art. 102 lett. a OG, il ricorso di diritto amministrativo non è infatti ammissibile ove sia possibile l'azione di diritto amministrativo conformemente all'
art. 117 OG
. Quest'ultima procedura non risulta tuttavia applicabile nella fattispecie. Secondo l'art. 117 lett. c OG, l'azione di diritto amministrativo è esclusa quando la trattazione della vertenza spetta a un'autorità nel senso dell'art. 98 lett. b-h. L'art. 117 lett. c OG ha per oggetto solamente i casi in cui una disposizione speciale del diritto federale attribuisca ad una delle autorità enumerate dall'art. 98 lett. b-h OG la competenza di emanare una decisione (se così non fosse, esisterebbe una contraddizione, certamente non voluta, tra l'art. 102 lett. a e l'art. 117 lett. c OG; v. in argomento, GRISEL, Droit administratif suisse, p. 513, nonchè, in un caso concreto, RU 98 I b 354/355). Nella fattispecie è data l'ipotesi prevista dall'art. 117 lett. c OG: come già osservato, l'art. 27 dell'ordinanza del 1962 prevede che le decisioni delle organizzazioni cooperanti all'esecuzione della medesima possano essere impugnate mediante ricorso alla Divisione federale dell'agricoltura, le cui decisioni erano a loro volta, giusta l'art. 29 della stessa ordinanza, impugnabili mediante ricorso al Dipartimento federale dell'economia.
Ai sensi dell'attuale art. 98 lett. c OG, emanato successivamente all'ordinanza, è ammissibile il ricorso di diritto amministrativo contro le decisioni dei servizi dell'amministrazione federale dipendenti dai Dipartimenti, purchè non sia prima competente una commissione federale di ricorso. Poichè, nella materia in esame, contro le decisioni della Divisione federale dell'agricoltura non è possibile un gravame avanti una commissione federale di ricorso, l'impugnazione dinnanzi al Dipartimento federale dell'economia pubblica, prevista dall'art. 29 dell'ordinanza, è stata sostituita dal ricorso di diritto amministrativo
BGE 99 Ib 115 S. 120
dinnanzi al Tribunale federale. Il ricorso di diritto amministrativo presentato da Crameri è pertanto ricevibile come tale.
2.
Il processo verbale dell'8 novembre 1971 concerne la vendita di una giovenca. Quale venditore è espressamente menzionato Crameri. Acquirente risulta essere, secondo l'indicazione apposta nella testata del processo verbale e secondo quanto dichiarato nella decisione impugnata, la Federazione svizzera dei produttori di bestiame.
La compravendita dell'8 novembre 1971 costituisce un contratto di diritto amministrativo. Nel diritto svizzero (come pure in quello germanico) un tale contratto si distingue principalmente per il suo oggetto (ZWAHLEN, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, vol. 77, p. 510 a s.; Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, vol. 22, 140; Deutsches Verwaltungsblatt, vol. 86, p. 396). L'oggetto d'un siffatto contratto deve essere regolato dal diritto pubblico. Le vendite effettuate nel quadro di una azione di eliminazione del bestiame di scarto sono fondate sul diritto pubblico, ed in particolare sulla legge e sull'ordinanza del 1962, nonchè sulle istruzioni emanate in base a quest'ultima dalla Divisione federale dell'agricoltura. La natura amministrativa inerente a tali vendite spiega perchè, a norma dell'art. 28 dell'ordinanza, le decisioni adottate in proposito dall'autorità cantonale siano impugnabili con ricorso amministrativo alla Divisione federale dell'agricoltura. La circostanza che tanto il venditore quanto l'acquirente siano privati, non può modificare la natura del contratto (v. Deutsches Verwaltungsblatt, vol. 87, p. 155); l'acquirente ha d'altronde agito nell'esercizio di una funzione di diritto pubblico affidatagli dallo Stato.
3.
Alla stessa stregua del contratto di diritto privato, anche il contratto di diritto amministrativo è obbligatorio. Le parti contraenti non possono recederne se non alle condizioni previste dal diritto pubblico o in virtù di disposizioni del diritto privato che, quali espressione di principi generali, si applichino ai distinti campi del diritto (IMBODEN, Zeitschrift für Schweizerisches Recht, vol. 77, II, p. 94 a ss.; ZWAHLEN, op.cit., p. 614 a ss.). Nella fattispecie il compratore non può desumere nè dal diritto pubblico nè da quello privato un motivo che gli consenta di sottrarsi alle sue obbligazioni contrattuali.
a) Aperta può rimanere la questione se, in assenza d'una disposizione espressa, il contratto di diritto amministrativo
BGE 99 Ib 115 S. 121
debba o no assumere la forma scritta (cfr. ZWAHLEN, op.cit. p. 725 a ss.; Giurisprudenza delle autorità amministrative della Confederazione, vol. 25 No 94 p. 184, 186, vol. 29 No 101 p. 179). Infatti, nel caso in esame, il processo verbale dell'8 novembre 1971 fa le veci d'un contratto scritto. E'inoltre irrilevante che esso sia stato firmato dallo stesso perito per ambedue le parti. Ove, per contestare la validità della vendita, invocasse tale circostanza, imputabile ad un suo rappresentante, il compratore violerebbe il principio della buona fede. Egli non può quindi prevalersi d'un vizio di forma.
b) Determinante appare nella fattispecie la questione di sapere se l'errore che ha dato origine alla successiva rettifica del prezzo della compravendita sia da ritenersi essenziale ai sensi dell'art. 23 CO, ossia se il venditore potesse sottrarsi parzialmente agli obblighi contrattuali, mediante una modificazione del prezzo convenuto, in ragione del vizio della volontà (RU 96 II 106-107).
In un contratto di diritto amministrativo, l'essenzialità dell'errore è valutata secondo criteri propri del diritto pubblico (v. sul problema dei vizi del consenso nei contratti di diritto amministrativo, ZWAHLEN, op.cit., p. 619 a). Essa deve risultare da una ponderazione degli interessi in gioco, in cui vanno considerati, in particolare, l'interesse all'osservanza delle prescrizioni amministrative, da un canto, e l'interesse alla certezza dei patti retti dal diritto amministrativo, dall'altro. Perchè l'errore sia essenziale, l'interesse a prevalersene della parte che lo adduce deve essere superiore a quello contrario della controparte.
Nella fattispecie, l'interesse della parte che invoca l'errore si riferisce materialmente ad un importo di fr. 200.--, che, a norma delle istruzioni della Divisione federale dell'agricoltura, non avrebbe dovuto essere compreso nel prezzo di fr. 2'690.-- contrattualmente convenuto.
Per quanto concerne l'interesse del ricorrente a veder mantenuto integralmente il prezzo stipulato l'8 novembre 1971, vanno rilevate le circostanze seguenti. L'errore in cui i periti sono incorsi non appare dovuto ad un fatto del venditore; l'autorità a cui questi si era rivolto non l'aveva informato previamente e specialmente in ordine ai prezzi massimi stabiliti per le singole categorie di giovenche; egli non aveva pertanto avuto occasione di cercare altrove eventuali ulteriori interessati all'acquisto; la consegna ed immediata rivendita della giovenca
BGE 99 Ib 115 S. 122
hanno altresì escluso che egli, una volta avvisato dell'errore, potesse riprendersi l'animale e disporre altrimenti.
In una situazione siffatta, l'interesse di chi ha fatto valere l'errore non appare superiore a quello del ricorrente. Ciò significa che l'errore allegato non può essere considerato come essenziale e che non esistevano ragioni tali da giustificare una pura e semplice modificazione successiva e unilaterale del prezzo stipulato, ancorchè il medesimo si basasse su di un elemento manifestatosi poi come erroneo.
4.
A torto la Divisione federale dell'agricoltura invoca l'art. 26 dell'ordinanza del 1962, la quale prevede che "i sussidi ricevuti indebitamente devono essere rimborsati, rimanendo impregiudicata l'applicazione delle disposizioni penali". Se è indiscutibile che il venditore non può esigere una prestazione indebita, non è tuttavia meno certo che, nella fattispecie e per le ragioni menzionate nel considerando precedente, il ricorrente può esigere l'integrale adempimento del contratto, quale stipulato l'8 novembre 1971. In altri termini, egli pretende unicamente quanto gli è dovuto, sicchè non può parlarsi qui d'indebito ai sensi della norma citata.
5.
Discende da quanto sopra che la decisione impugnata, con cui è stata respinta la pretesa dell'intero prezzo convenuto di fr. 2'690.-- e considerata legittima la deduzione di fr. 200.-- operata dall'Ufficio cantonale, deve essere annullata. Incombe all'Ufficio cantonale, il quale ha fatto versare a nome dell'acquirente l'importo di fr. 2'490.-- al ricorrente, provvedere a che la differenza litigiosa sia versata a quest'ultimo.
Poichè il ricorrente non si è valso per il suo gravame dell'opera di un legale, non gli può essere accordata, secondo la costante giurisprudenza del Tribunale federale, un'indennità a titolo di ripetibili. | public_law | nan | it | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3eeb221b-a4e3-449c-87d6-6fa6f839cc78 | Urteilskopf
120 Ib 156
23. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 24 mai 1994 dans la cause X. contre Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 64 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über Radio und Fernsehen; Zwischenentscheid über Verfahrenssistierung.
Die Sistierung eines Beschwerdeverfahrens vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz ist nicht zu beanstanden, wenn ein zivilrechtliches Verfahren hängig ist, das den Beteiligten ausreichend schützt, und seine privaten Interessen nicht durch eine weitere Ausstrahlung der umstrittenen Sendung bedroht erscheinen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 156
BGE 120 Ib 156 S. 156
A.-
Le notaire X. a été inculpé et incarcéré à Genève le 16 septembre 1992. Au début octobre 1992, la Radio-Télévision Suisse Romande (RTSR) a prévu de réaliser un reportage sur "l'affaire X." et de le diffuser dans l'émission "Tell Quel". X. s'y est opposé. Le 29 octobre 1992, il a adressé une requête de mesures provisionnelles au Tribunal de première instance de Genève. Fondé notamment sur l'art. 28c al. 1 CC, il a demandé qu'interdiction soit faite à la RTSR de diffuser pareille émission, qui, selon lui, portait atteinte aux droits de la personnalité et à la présomption d'innocence. Par ordonnance du 11 novembre 1992, ledit tribunal
BGE 120 Ib 156 S. 157
a fait interdiction à la RTSR de diffuser, au cours de l'émission "Tell Quel" ou de toute autre émission du même type, toute information sur les activités de X. en relation avec la procédure pénale en cours jusqu'à droit jugé sur celle-ci. En dépit de cette interdiction, la RTSR a diffusé les 13 et 15 novembre 1992 dans l'émission "Tell Quel" le reportage incriminé, sous le titre "Grandeur et décadence du notaire 'X.'".
Le 14 décembre 1992, X. a ouvert action au fond contre la RTSR en prévention de trouble et constatation du caractère illicite au sens de l'art. 28a CC pour valider l'ordonnance de mesures provisionnelles du 11 novembre 1992. Il demandait l'interdiction sous la menace des sanctions prévues à l'art. 292 CP de la rediffusion de l'émission incriminée ou de la diffusion d'informations sur lui-même en relation avec la procédure pénale en cause jusqu'à droit connu sur celle-ci, ainsi que la constatation de l'illicéité de l'atteinte résultant de la diffusion de l'émission en cause.
Saisie d'un appel sur mesures provisionnelles, la Cour de justice du canton de Genève a annulé, le 17 décembre 1992, le dispositif de l'ordonnance du 11 novembre 1992 devenu sans objet. Elle a donné acte à la RTSR de son accord de ne pas rediffuser l'émission incriminée et l'y a condamnée sous la menace des sanctions prévues à l'art. 292 CP. Elle a également prononcé une amende de procédure de 1'500 fr. à l'encontre de la RTSR pour avoir violé l'interdiction de diffusion prononcée le 11 novembre 1992.
B.-
En raison de la diffusion de l'émission "Grandeur et décadence du notaire 'X.'", X. a adressé le 27 novembre 1992 une plainte à l'Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision (ci-après: Autorité indépendante). Cette plainte a d'abord été traitée comme réclamation par le Médiateur pour la Radio-Télévision Suisse Romande, mais la conciliation n'a pas abouti. X. a alors de nouveau déposé le 1er février 1993 une plainte identique auprès de l'Autorité indépendante, en alléguant une violation de l'art. 4 de la concession de la Société suisse de radiodiffusion et télévision (ci-après: SSR).
Par décision incidente du 4 juin 1993, l'Autorité indépendante a suspendu la procédure consécutive au dépôt de la plainte du 1er février 1993 dans l'attente du jugement civil, en relevant notamment que, dans le cas concret, les faits invoqués dans la plainte sont en partie les mêmes que ceux qui sont à la base de la procédure civile.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit administratif, X. conclut à l'annulation de la décision prise le 4 juin 1993 par l'Autorité
BGE 120 Ib 156 S. 158
indépendante et à la poursuite de la procédure consécutive au dépôt de la plainte du 1er février 1993. Il demande en outre la constatation de l'existence d'un intérêt public suffisant justifiant une décision de l'autorité de plainte.
X. a par la suite produit un jugement rendu le 29 novembre 1993 par le Tribunal de première instance. Statuant sur le fond, celui-ci a constaté l'illicéité de l'atteinte portée à X. par la diffusion les 13 et 15 novembre 1992 de l'émission intitulée "Grandeur et décadence du notaire 'X.'". Il a fait interdiction à la RTSR, sous la menace des sanctions de l'art. 292 CP, de diffuser dans quelque émission que ce soit les informations recueillies sur les activités passées de X. en rapport avec la procédure pénale en cours et jusqu'à droit jugé sur celle-ci. X. n'allègue pas que le jugement du 29 novembre 1993 soit définitif et exécutoire, ni que la procédure civile y relative soit close.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) L'art. 64 al. 3 de la loi fédérale du 21 juin 1992 sur la radio et la télévision (LRTV; RS 784.40) dispose:
"L'autorité de plainte peut refuser ou suspendre le traitement d'une plainte, pour autant que les voies du droit civil ou du droit pénal soient ouvertes ou n'aient pas été utilisées."
Le recours de droit administratif peut être formé pour violation du droit fédéral, y compris l'excès et l'abus du pouvoir d'appréciation (art. 104 lettre a OJ). En revanche, il ne s'agit pas d'un cas où le grief de l'inopportunité peut être soulevé (art. 104 lettre c OJ). Dès lors, dans la mesure où l'art. 64 al. 3 LRTV donne une certaine latitude à l'Autorité indépendante, le Tribunal fédéral doit se limiter pour l'essentiel à examiner si celle-ci a abusé de son pouvoir d'appréciation, en tout cas s'il s'agit comme en l'espèce d'une décision de suspension de la procédure et non pas d'un refus définitif de se saisir du cas, ce qui priverait le plaignant de la possibilité d'obtenir une décision.
b) L'art. 64 al. 3 LRTV a été introduit sur proposition du Conseiller aux Etats Rhinow, pour qui, en matière de violation des droits de la personnalité, l'Autorité indépendante ne doit pas devenir une voie meilleur marché pour trancher des problèmes que des tribunaux civils et pénaux sont mieux à même de traiter (BO 1990 CE 615/617). Selon MARTIN DUMERMUTH (Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Bâle et
BGE 120 Ib 156 S. 159
Francfort-sur-le-Main 1992, p. 252/253), il s'agit de permettre à l'Autorité indépendante de se consacrer à ses tâches propres et d'éviter des abus par des plaintes concernant des intérêts privés exclusivement. Pour cet auteur, l'abus de la plainte comme instrument meilleur marché par rapport à d'autres moyens existe moins lorsqu'une action civile ou une plainte pénale est déjà intervenue. On peut en tout cas constater que l'art. 64 al. 3 LRTV consacre une certaine priorité de l'action civile lorsqu'elle est possible (cf. PIERRE TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zurich 1984, n. 1309, p. 177). Toutefois, la suspension ou le refus d'intervenir ne saurait être systématique, car le texte légal n'a précisément pas exclu la plainte lorsque la voie civile ou pénale est ouverte. De plus, une telle pratique priverait en bonne partie l'art. 63 al. 1 lettre b LRTV de son objet, puisque la plainte est ouverte à ceux qui sont touchés de près par l'objet de l'émission incriminée. On notera que la question de la suspension de la procédure devant l'Autorité indépendante (voire du refus d'entrer en matière) se pose lorsqu'une procédure civile (ou pénale) a été introduite ou que cette voie n'a pas été utilisée mais reste possible. En revanche, seule se posera le cas échéant la question du refus de se saisir de la plainte, lorsque la procédure civile introduite est terminée ou que cette voie possible n'a pas été utilisée en temps utile et ne peut plus l'être.
c) En l'espèce, il faut d'abord relever qu'une procédure civile, qui se recoupe partiellement avec la plainte à l'Autorité indépendante, est encore en cours. Certes, la procédure de mesures provisionnelles est terminée. De plus, la procédure au fond ne porte pas, du moins apparemment pas directement, sur le fait que l'émission en cause a été diffusée en dépit d'une interdiction judiciaire. En revanche, il semble bien que les conclusions au fond vont actuellement tout au moins au-delà d'une simple validation de mesures provisionnelles, telles qu'elles résultent de la décision de la Cour de justice du 17 décembre 1992. De toute façon, il suffit de constater qu'au moment où a été rendue la décision attaquée une procédure civile au fond était pendante. Elle s'est du reste poursuivie jusqu'au jugement du Tribunal de première instance du 29 novembre 1993, dont le recourant ne prétend pas qu'il soit devenu définitif et exécutoire. Certes, les faits qui sont à la base de la procédure civile se recoupent en bonne partie avec ceux qui justifient la plainte. Cette circonstance n'est pas sans importance, car il s'agit d'éviter si possible que les faits soient établis de manière différente; cependant, pareille situation ne
BGE 120 Ib 156 S. 160
saurait à elle seule justifier une suspension de la procédure de plainte, car les autorités concernées statuent à partir de considérations juridiques fort différentes (TERCIER, op.cit., n. 1310, p. 177): il faut en effet garder à l'esprit que dans la plainte ne peut être dénoncée qu'une violation des dispositions relatives aux programmes contenues dans la présente loi ou dans ses prescriptions d'exécution ou encore dans la concession (art. 62 al. 2 LRTV); il n'appartient pas à l'Autorité indépendante de dire s'il y a eu atteinte à l'honneur pénalement répréhensible ou violation des droits de la personnalité protégés par le droit civil.
Si l'on admet avec la doctrine une certaine priorité de l'action civile, il faut constater ici que cette voie a été suivie et que la procédure n'est pas terminée. De plus et surtout, dans le cas particulier en tout cas, la voie civile assure déjà une protection du recourant, qui ne paraît pas menacé actuellement par la diffusion ou la rediffusion d'émissions qui pourraient le cas échéant porter atteinte à ses droits. Dans ces conditions, on ne saurait dire que l'autorité intimée ait abusé de son pouvoir d'appréciation en suspendant la procédure introduite devant elle. Certes, on peut se demander si, au-delà de l'intérêt privé du recourant, il n'y avait pas en l'espèce un intérêt public à se prononcer sans plus tarder sur la plainte adressée à l'Autorité de surveillance. En effet, selon l'art. 63 al. 3 LRTV, s'il appert qu'une décision d'intérêt public doit être prise, l'autorité de plainte pourra trancher le cas signalé sans même l'appui de vingt cosignataires, comme l'exige en principe l'art. 63 al. 1 lettre a LRTV (pour les plaintes déposées sans que soient remplies les conditions de l'art. 63 al. 1 lettre b LRTV). Dans ce cas cependant, l'auteur de la plainte n'a aucun des droits reconnus à la partie. On ne peut donc admettre que l'auteur d'une plainte déposée en vertu de l'art. 63 al. 1 lettre b LRTV recourt contre une décision de suspension admissible dans son cas particulier en faisant valoir des arguments d'intérêt public contre la suspension.
Le recours doit dès lors être rejeté dans la mesure où il est recevable. Est entièrement réservée l'appréciation d'un éventuel refus de l'Autorité indépendante de se saisir de la plainte une fois la procédure civile terminée, y compris la question de savoir si la procédure civile a englobé tous les aspects de la question sous l'angle de l'intérêt privé du recourant à intervenir comme personne touchée de près par l'émission incriminée. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3eec6e7a-838e-48cf-a425-eb39e492ca01 | Urteilskopf
108 Ib 419
73. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. November 1982 i.S. O. gegen Eidg. Militärdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Dienstverhältnis des Bundespersonals: Zuweisung einer anderen Tätigkeit.
1. Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Zuweisung einer anderen Tätigkeit (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 1).
2. Voraussetzungen für eine nicht strafweise Zuweisung einer andern Tätigkeit (E. 2a, 3 und 4).
3. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 420
BGE 108 Ib 419 S. 420
O. trat am 1. Dezember 1976 in den Dienst der Kriegsmaterialverwaltung (KMV), Abteilung Elektronikbetriebe ein. Er wurde auf den 1. Juni 1977 zum ständigen Angestellten ernannt und in die 5. Besoldungsklasse eingereiht. Im März 1978 wurde er der Gruppe für Rüstungsdienste (GRD), Dienst für Systemanalyse (DSA), zugeteilt, verblieb jedoch im Bestand der KMV. Wegen Sachzwängen, die sich aus dem Personalstopp ergaben, kamen die KMV und die GRD im Verlaufe des Jahres 1980 überein, O. endgültig in die GRD zu versetzen. Bei dieser Gelegenheit wurde sein Pflichtenheft angepasst. Da O. sich dieser Versetzung widersetzte und mit ihm keine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte, verfügte das Eidg. Militärdepartement (EMD) am 12. Juni 1981, dass er mit Wirkung ab 1. August 1981 aus dienstlichen Gründen in die GRD, Abteilung DSA, versetzt werde.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügt O. Missbrauch und Überschreiten des Ermessens sowie eine falsche Anwendung der Angestelltenordnung. Er bestreitet die Voraussetzungen für seine Versetzung. Diese sei weder von seiner beruflichen Ausbildung und Qualifikation, noch vom Bedürfnis der Verwaltung, das Personal rationell einzusetzen, gerechtfertigt. Im weiteren rügt er eine Anzahl Aktenwidrigkeiten, ohne aber zu sagen, inwiefern diese eine Verletzung von Bundesrecht oder eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes zur Folge haben. Diese Rügen fallen vielmehr zusammen mit der Rüge der falschen Anwendung der Angestelltenordnung im konkreten Fall.
Das EMD schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene Entscheid des EMD ist eine Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
. Gegen solche von einem Departement des Bundesrates getroffene Verfügungen ist nach
Art. 97 Abs. 1 und
Art. 98 lit. b OG
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, es sei denn, dass ein Ausschlussgrund gemäss
Art. 99-102 OG
vorläge. Das trifft hier nicht zu, liegt doch keine Ausnahme vor, die
Art. 100 lit. e OG
auf dem Gebiete des Dienstverhältnisses von Bundespersonal vorsieht. Namentlich ist der Ausschlussgrund von
Art. 100 lit. e Ziff. 3 OG
nicht gegeben, denn die Verpflichtung, sich einer Versetzung zu unterziehen, wurde beim Beschwerdeführer nicht ausdrücklich in die Anstellungsbedingungen aufgenommen (
BGE 101 Ib 205
), noch ergibt sich diese Verpflichtung
BGE 108 Ib 419 S. 421
aus der Natur des vorliegenden Anstellungsverhältnisses.
2.
a) Die nicht strafweise Versetzung im Amte und die Zuweisung einer anderen Tätigkeit wird für die Angestellten des Bundes in Art. 11 der Angestelltenordnung (SR 172.221.104; AngO) geregelt. Diese Bestimmung entspricht Art. 9 des Beamtengesetzes.
Art. 11 AngO
bestimmt:
"Der Angestellte kann jederzeit an einen andern Dienstort versetzt
oder es kann ihm eine seinen Fähigkeiten entsprechende andere Tätigkeit
zugewiesen werden, wenn es der Dienst oder die wirtschaftliche Verwendung
der Arbeitskräfte erfordert."
Aus dieser Bestimmung ist zu schliessen, dass eine Versetzung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie einerseits entweder aus dienstlichen oder aus Gründen des rationellen Einsatzes des Personals notwendig ist und wenn andererseits die neu zugewiesene Tätigkeit, welche die Versetzung mit sich bringt, den Fähigkeiten des Angestellten entspricht (vgl. VPB 1970-71, Heft 35, Nr. 22, S. 69). Die nicht strafweise Versetzung darf zudem nicht eine Disziplinarmassnahme verbergen, weil man die Unannehmlichkeiten eines Disziplinarverfahrens umgehen will (VPB 1970-71 a.a.O.). Schliesslich wäre eine Versetzung auch unzulässig, wenn sie gegen verfassungs- oder gesetzesmässig geschützte Persönlichkeitsrechte verstiesse, einschliesslich des Rechts auf Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft.
b) Ob die Voraussetzungen für eine Versetzung gegeben sind, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei, denn es handelt sich um Begriffe des Bundesrechts. Allerdings geht es um unbestimmte Rechtsbegriffe wie Eignung des Beamten oder Bedürfnis der Verwaltung, welche schwer überprüfbar sind. Zur Würdigung von Leistung und gesamten Verhalten eines Beamten wie auch seines wirtschaftlich besten Einsatzes sind am besten die Vorgesetzten imstande. Die Behörde ist verantwortlich für ein möglichst reibungsloses Funktionieren der Verwaltung und für den bestmöglichsten Einsatz des Personals. Ihrem Ermessen ist es deshalb zu überlassen, ob eine Versetzung angezeigt ist. Sie hat aber ihr Ermessen wie in jedem anderen Bereich pflichtgemäss auszuüben. Das Bundesgericht überprüft, ob die Verwaltungsbehörde das ihr von der AngO eingeräumte und von der Natur der Sache zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht habe. Es auferlegt sich dabei grosse Zurückhaltung, weil es nicht das Ermessen der Verwaltung durch sein eigenes ersetzen kann. Nur sachlich nicht
BGE 108 Ib 419 S. 422
haltbare, willkürliche Versetzungen und solche, die gegen Grundrechte des Persönlichkeitsschutzes verstossen, sind im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren aufzuheben (vgl. auch
BGE 108 Ib 210
).
3.
a) Der Beschwerdeführer beklagt sich nicht so sehr darüber, dass er die Fähigkeiten für den neuen Posten nicht besitze, als vielmehr darüber, dass er sich in Zukunft an ein Pflichtenheft halten soll, welches seiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung zu wenig Rechnung trage. So habe er sich bis jetzt vornehmlich mit mathematischen Logistikmodellen befasst und sich auf diesem Gebiet einige Erfahrung angeeignet, was er nach dem neuen Pflichtenheft nicht genügend zur Geltung bringen könne. Auf der anderen Seite sei er für die neu zugewiesenen Aufgaben, insbesondere physikalisch-ballistische Tätigkeit, nicht ausgebildet. Insgesamt würden die Anforderungen des neuen Pflichtenhefts bedeutend unter seinen Fähigkeiten liegen. Das EMD bestreitet diese Darstellung. Das neue Pflichtenheft sehe zu 75% eine Beschäftigung mit mathematischen Modellen, aufgeteilt in mathematische Logistikmodelle (30%) und übrige mathematische Modelle (45%), vor. Physikalisch-ballistische Tätigkeiten seien nicht vorgesehen.
b) Der Angestellte hat nach dem klaren Wortlaut von
Art. 11 AngO
bei einer nicht strafweisen Versetzung Anrecht auf die Zuweisung einer "seinen Fähigkeiten entsprechenden anderen Tätigkeit". Er muss es sich demnach nicht gefallen lassen, dass er von einer Stelle, für die er sich aufgrund seiner Fähigkeiten beworben hatte und für die er nach Bestehen der Probezeit als geeignet angestellt worden war, an eine andere versetzt wird, wo er eine grundlegend andere Tätigkeit, welche eine andere Eignung bedingt, ausüben muss.
Dies trifft aber im Falle des Beschwerdeführers nicht zu. Dieser ist Inhaber eines Abschlusses in "Statistics and Computing" des "Polytechnic of North London", der laut BIGA in der Schweiz dem HTL-Diplom gleichzustellen ist. Das EMD schreibt in seiner Replik zu Recht, dass es keine erhebliche Änderung des Pflichtenheftes bedeute, wenn der Beschwerdeführer am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr ausschliesslich mit Logistikprogrammen, sondern auch mit anderen, teils einfachen, teils komplizierten Programmen, betraut werde. Eine Verletzung des pflichtgemässen Ermessens, weil die beruflichen Fähigkeiten des Beschwerdeführers zu wenig berücksichtigt worden seien, kann darin jedenfalls nicht gesehen werden.
BGE 108 Ib 419 S. 423
c) Auch die Rüge, er werde durch diese Versetzung sozial degradiert, weil er administrativ nicht mehr unmittelbar dem Dienstchef, sondern einem wissenschaftlichen Adjunkten unterstehe, ist unbegründet. Diese Rüge betrifft eine Frage der internen Organisation der Verwaltung, aus welcher der Beschwerdeführer kein Hindernis für eine Versetzung im Sinne einer nicht seinen Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit gemäss
Art. 11 AngO
abzuleiten vermag. Zwar hat das Bundesgericht in einem Entscheid vom 14. Juli 1932 i.S. G. (ZBl 33, S. 495), welcher vom Beschwerdeführer zitiert wird, entschieden, dass bei einer Versetzung Rücksicht zu nehmen sei auf die Art der Tätigkeit und deren soziale Wertung. Es kann aber offen bleiben, wie weit aus diesem Entscheid Parallelen zum Fall des Beschwerdeführers gezogen werden können (G. wurde vom Posten eines Bereiteraspiranten zu jenem eines Pferdepflegers versetzt) und wie weit an diesem Entscheid heute noch festzuhalten wäre. Der Beschwerdeführer erfährt gar keine soziale Schlechterstellung. Er wurde als Berater des Chefs der Abteilung Elektronikbetriebe bei der KMV auf dem Gebiete der Logistikmodelle abgelöst und zum mathematischen Sachbearbeiter der gleichrangigen Abteilung DSA bei der GRD ernannt. Besoldungseinreihung und Stellenbezeichnung (technischer Beamter) bleiben gleich, und es ist nicht ersichtlich, worin eine soziale Herabsetzung bestehen sollte.
4.
Der Beschwerdeführer rügt weiter, seine Versetzung entspreche weder einem dienstlichen Erfordernis, noch sei sie der wirtschaftlichen Verwendung der Arbeitskräfte zuträglich. Was er diesbezüglich vorbringt, vermag aber nicht durchzuschlagen. Die Verwaltungsbehörden sind verantwortlich für das gute Funktionieren ihrer Verwaltungszweige. Ihnen obliegt es, die vorhandenen Arbeitskräfte rationell einzusetzen. Dabei ist zu beachten, dass sie beim geltenden Personalstopp die Wünsche der Mitarbeiter nur beschränkt berücksichtigen können. Es kann nicht Sinn des Beschwerdeverfahrens sein, in die Verwaltungsorganisation einzugreifen und die grösstmögliche Wirkung eines Mitarbeiter zu untersuchen. Dazu ist die Verwaltung viel besser imstande, gilt es doch nebst den beruflichen Fähigkeiten eines Mitarbeiters auch dessen charakterliche Eigenschaften, sein Verhältnis zu Vorgesetzten, Mitarbeitern und Untergebenen, sein Initiativvermögen, seine Zuverlässigkeit und so weiter zu berücksichtigen. Eine Versetzung kann auch notwendig sein aus Gründen, die von der Person des Betroffenen unabhängig sind, aber sich beispielsweise aus Gründen
BGE 108 Ib 419 S. 424
der Prioritätensetzung aufdrängt. Eine Versetzung wäre nur dann aufzuheben, wenn kein vernünftiger Grund sie als notwendig erscheinen liesse. Dies behauptet aber der Beschwerdeführer zu Recht nicht. Was er bezüglich der Anstellung des P. und der Wiederbesetzung der seit dem Abgang von Q. nicht besetzten Stelle vorbringt, betrifft Organisationsfragen, in die das Bundesgericht eben gerade nicht eingreift.
Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, seine Versetzung verberge in Wirklichkeit eine Umgestaltung des Dienstverhältnisses gemäss
Art. 77 AngO
. Da er aber diese Rüge nicht weiter begründet und sich für seine Behauptung auch in den Akten keine Anhaltspunkte ergeben, ist auch diese Rüge als unbegründet abzuweisen.
5.
Nach ständiger Praxis erhebt das Bundesgericht in Beamtensachen keine Kosten. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3eed1b4c-72d4-4258-b102-6ce8dad1789d | Urteilskopf
100 V 83
21. Urteil vom 26. August 1974 i.S. Lips gegen Eidgenössössische Militärversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Zusammenfallen von Renten der In validenversicherung mit solchen der obligatorischen Unfallversicherung oder Militärversicherung (
Art. 45 Abs. 1 IVG
und
Art. 39bis Abs. 4 IVV
).
Kürzungsverfahren, wenn die Ehefrau nach
Art. 33 Abs. 3 IVG
Anspruch auf die halbe Ehepaarrente hat. | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 100 V 83 S. 83
A.-
Der 1911 geborene Versicherte leidet an Myeloencephalitis nach TPT-Impfung sowie an schwerer neurozirkulatorischer Dystonie. Wegen völliger Erwerbsunfähigkeit bezieht er seit Jahren eine Rente der Eidgenössischen Militärversicherung (MV) sowie eine Invalidenrente. Für die Zeit ab 1. Januar 1973 ermittelte die MV bei einem massgebenden Jahresverdienst von Fr. 25 764.-- eine Rente von Fr. 1824.95 im Monat, kürzte diese jedoch im Sinne von
Art. 45 IVG
um Fr. 277.95, nachdem sich zusammen mit der Rente der Invalidenversicherung (Ehepaar-Invalidenrente von Fr. 600.-- im Monat) Bezüge ergeben hätten, welche den entgangenen Ver dienst überstiegen.
BGE 100 V 83 S. 84
Der Versicherte erhob hiegegen Einspruch mit der Begründung, die Ehepaar-Invalidenrente - welche mit Wirkung ab 1. September 1973 nach
Art. 33 Abs. 3 IVG
zwischen den Ehepartnern aufgeteilt wurde - sei nur zur Hälfte anzurechnen, womit eine Kürzung der Militärrente entfalle. Mit Verfügung vom 15. November 1973 hielt die MV unter Hinweis auf
Art. 39bis Abs. 4 IVV
an ihrem Entscheid fest.
B.-
Der Betroffene beschwerte sich bei der kantonalen Rekursinstanz mit dem Begehren, die Rente der MV sei ihm ab 1. September 1973 ungekürzt auszurichten. Die der Ehefrau zustehende halbe Ehepaarrente sei rechtlich als ihr Sondergut zu betrachten.
Art. 39bis IVV
lasse unberücksichtigt, dass der Ehefrau nach den geänderten Bestimmungen des IVG ein selbständiger Rechtsanspruch auf die halbe Ehepaarrente zustehe; die Verordnungsbestimmung sei daher rechtswidrig.
Mit Entscheid vom 28. Februar 1974 wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab. Anlässlich der auf den 1. Januar 1973 erfolgten Änderung von
Art. 33 Abs. 3 IVG
sei bewusst auf eine Anpassung von
Art. 39bis IVV
verzichtet worden. Dies rechtfertige sich schon deshalb, weil der Ehemann im Ausmass der an die Ehefrau ausbezahlten halben Rente von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht befreit werde. Eine andere Regelung würde zu einer ungleichen Behandlung der Versicherten führen und die Kürzung der Militärrente von der zufälligen Geltendmachung des Teilungsanspruches durch die Ehefrau abhängig machen.
C.-
Der Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben. In der Begründung hält er daran fest, mit der auf den 1. Januar 1973 erfolgten Änderung von
Art. 33 Abs. 3 IVG
sei die Verordnungsbestimmung von
Art. 39bis IVV
rechtswidrig und damit unbeachtlich geworden, soweit sie nicht berücksichtige, dass die Ehefrau des Bezügers einer Ehepaarrente einen selbständigen Rechtsanspruch auf die Hälfte der Rente besitze. Nach ihrem Wortlaut beziehe sich die Kürzungsbestimmung des
Art. 45 Abs. 1 IVG
auf die Bezüge des Rentenberechtigten, nicht dagegen auf die von der Ehefrau beanspruchte halbe Ehepaarrente, welche Sondergut der Ehefrau darstelle. Bei der Rentenkürzung sei daher nur die dem Ehemann zustehende Hälfte der Ehepaarrente in Rechnung zu stellen. Nachdem der Bundesrat es unterlassen habe, die Verordnungsbestimmung an die veränderte Rechtslage anzupassen,
BGE 100 V 83 S. 85
sei es Sache des Richters, diesem Umstand Rechnung zu tragen.
Die MV beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 45 Abs. 1 IVG
werden die Renten der obligatorischen Unfallversicherung und der Militärversicherung gekürzt, soweit sie zusammen mit der Rente der Invalidenversicherung den entgangenen mutmasslichen Jahresverdienst übersteigen. Gestützt auf eine am 1. Januar 1968 in Kraft getretene Ermächtigungsnorm (
Art. 45 Abs. 3 IVG
) hat der Bundesrat in
Art. 39bis IVV
hiezu Ausführungsvorschriften erlassen. Gemäss Abs. 4 dieser Bestimmung ist bei Ablösung der einfachen Invalidenrente durch eine Ehepaar-Invalidenrente lediglich jenes Rentenbetreffnis anzurechnen, "das zu diesem Zeitpunkt der Ehepaar-Invalidenrente zuzüglich allfälliger Zusatzrenten, berechnet allein aus den Beiträgen des Versicherten, entsprochen hätte". Keine ausdrückliche Regelung findet sich hinsichtlich der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Rechtsfrage, ob eine nach
Art. 33 Abs. 3 IVG
aufgeteilte Ehepaar-Invalidenrente auch bezüglich der der Ehefrau ausgerichteten Rentenhälfte in die Kürzung einzubeziehen sei. Die Frage erhebt sich in gleicher Weise auch bezüglich der Altersrenten (vgl.
Art. 22 Abs. 2 AHVG
und
Art. 48 AHVG
in Verbindung mit
Art. 66quater AHVV
).
2.
Anlässlich der auf den 1. Januar 1973 erfolgten Einführung des uneingeschränkten Teilungsanspruches der Ehefrau gemäss
Art. 22 Abs. 2 AHVG
und
Art. 33 Abs. 3 IVG
wurden auch die Auswirkungen dieser Änderung auf die Kürzungsbestimmungen der
Art. 48 AHVG
und 45 IVG in Betracht gezogen. In der Botschaft des Bundesrates zur 8. AHV-Revision heisst es hiezu, die Neuregelung habe "voraussichtlich auch Auswirkungen auf... die Kürzung der Renten der obligatorischen Betriebsunfallversicherung oder der Militärversicherung. Im Hinblick auf den virtuellen Anspruch der Ehefrau auf die halbe Rente, den sie nach freiem Belieben geltend machen kann, stellt sich die Frage, ob bei der Berechnung des für die Rentenkürzung massgebenden Betrages die ganze Ehepaarrente angerechnet werden darf. Nötigenfalls ist
BGE 100 V 83 S. 86
in den Vollzugsbestimmungen eine Regelung zu treffen, wofür der Bundesrat gemäss
Art. 48 Abs. 3 AHVG
und Art.. 45 Abs. 3 IVG die Befugnis besitzt" (BBl 1971 II S. 1091).
Wie das Bundesamt für Sozialversicherung in einer Stellungnahme zuhanden der MV vom 19. Oktober 1973 ausführt, wurde in der Folge gemäss einem Beschluss der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission auf eine Änderung der Kürzungsbestimmungen verzichtet in der Meinung, eine Nichtanrechnung der von der Ehefrau beanspruchten halben Ehepaarrente würde zu stossenden Überversicherungen führen und sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Ehemann im Umfange der an die Ehefrau ausbezahlten Rente von seiner Unterhaltspflicht befreit werde. Damit erweist sich der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, die Anpassung der Bestimmung von
Art. 39bis IVV
sei versehentlich unterlassen worden, als unbegründet. Der Beschwerdeführer kann sich umso weniger auf die Ausführungen in der Botschaft vom 11. Oktober 1971 berufen, als die streitige Rechtsfrage dort lediglich erwähnt, nicht aber konkret beantwortet wird. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich das Problem bereits unter der Herrschaft der altrechtlichen Bestimmung von
Art. 33 Abs. 3 IVG
stellte und durch die Gesetzesänderung lediglich im Geltungsbereich erweitert worden ist. Den Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft kommt daher auch aus diesem Grunde nur beschränkte Bedeutung zu.
3.
Das Rentensystem der AHV und IV folgt weitgehend der familienrechtlichen Konzeption des Zivilgesetzbuches und ist, was die versicherungsrechtliche Stellung Verheirateter anbetrifft, in besonderem Masse von der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht des Ehemannes geprägt (
Art. 160 Abs. 2 ZGB
). Mit der Einführung des voraussetzungslosen Teilungsanspruches der Ehefrau bei Ehepaarrenten erfolgte zwar eine Änderung in Richtung einer Gleichstellung der Geschlechter. Danach kann die Ehefrau die Ehepaarrente, welche bisher grundsätzlich dem Ehemann zugestanden hat, zur Hälfte in eigenem Namen beanspruchen. Der Verfügungsanspruch eines jeden Rentenbezügers findet indessen eine Schranke in der allgemeinen Zweckbestimmung der Rentenleistungen, welche darin besteht, dem Versicherten bzw. dessen Hinterlassenen den Lebensunterhalt zu gewährleisten bei Wegfall des Erwerbseinkommens zufolge Alters, Todes oder Invalidität. Kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (
Art. 45 AHVG
und
Art. 76
BGE 100 V 83 S. 87
AHVV
sowie
Art. 50 IVG
) kann die Verfügungsbefugnis des Rentenberechtigten denn auch eingeschränkt werden, sofern dieser die Rente nicht für den Unterhalt seiner selbst und der Personen verwendet, für welche er zu sorgen hat. Zudem ist der Rentenanspruch nach
Art. 20 AHVG
und
Art. 50 IVG
unabtretbar, unverpfändbar und der Zwangsvollstreckung entzogen. Diese Bestimmungen gelten auch hinsichtlich des Anspruchs der Ehefrau auf die halbe Ehepaarrente, weshalb die Rente nur unter diesen Einschränkungen Sondergut der Ehefrau darstellt. Im übrigen ändert die getrennte Ausrichtung der Ehepaarrente grundsätzlich nichts an deren sozialer Zweckbestimmung, welche den allgemeineren zivilrechtlichen Regeln vorzugehen hat.
4.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im Rentenkürzungsverfahren gemäss
Art. 45 IVG
(
Art. 48 AHVG
) - vorbehältlich
Art. 39bis Abs. 4 IVV
(
Art. 66quater Abs. 4 AHVV
) - stets die ganze Ehepaarrente anzurechnen ist. Wie die Vorinstanz mit Recht ausführt, lässt sich nur auf diese Weise eine Gleichbehandlung der Versicherten gewährleisten. Andernfalls würde die Rentenkürzung von der sachlich und rechtlich nicht zu begründenden Zufälligkeit abhängen, ob die Ehefrau ihren Teilungsanspruch nach
Art. 33 Abs. 3 IVG
bzw.
Art. 22 Abs. 2 AHVG
geltend macht oder nicht. Die streitige Verordnungsbestimmung ist daher auch unter dem Gesichtspunkt des auf den 1. Januar 1973 erweiterten Teilungsanspruches der Ehefrau nicht zu beanstanden.
5.
Hieran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Wortlaut von
Art. 45 IVG
nichts zu ändern. Der Ehemann, dessen Frau die Teilung der Ehepaarrente beansprucht, bleibt zwar lediglich für die halbe Rente bezugsberechtigt. Beim Rentenanspruch der Ehefrau handelt es sich jedoch insofern lediglich um einen abgeleiteten Anspruch, als dieser vom Bestand des Grundanspruches abhängig bleibt. Es rechtfertigt sich daher, unter dem gesetzlichen Ausdruck des "Rentenberechtigten" gemäss
Art. 45 IVG
denjenigen Versicherten zu verstehen, bei welchem der Grundanspruch gegeben ist. Somit steht auch der Wortlaut von
Art. 45 IVG
einer Anrechnung der ganzen Ehepaarrente nicht entgegen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3ef2f97d-c3dc-48b9-b546-4d565dbe2fed | Urteilskopf
106 IV 64
22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. März 1980 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 138 ff. VZV
. Feststellung der Angetrunkenheit.
Kann die Blutprobe nicht vorgenommen werden, besteht keine Pflicht, den Verdächtigten im Sinne von
Art. 140 VZV
ärztlich zu untersuchen. | Erwägungen
ab Seite 64
BGE 106 IV 64 S. 64
Aus den Erwägungen:
2.
Nach
Art. 55 SVG
sind Fahrzeugführer mit Anzeichen von Angetrunkenheit geeigneten Untersuchungen zu unterziehen. Als wichtigstes Beweismittel zur Feststellung der Angetrunkenheit erachtete der Bundesgesetzgeber die Blutprobe, weshalb sie in
Art. 55 SVG
besonders erwähnt und der Bundesrat angewiesen wurde, Vorschriften über das Vorgehen bei der Blutentnahme und die technische Auswertung der Blutprobe sowie über die zusätzliche ärztliche Untersuchung des Verdächtigten zu erlassen. Diese bundesrechtlichen Vorschriften über die Blutprobe sind in
Art. 138-142 VZV
enthalten. Sie sind im vorliegenden Fall aber nicht anwendbar, weil wegen der wiederholten und kategorischen Weigerung des Beschwerdeführers, sich der Blutentnahme zu unterziehen, eine Blutprobe nicht durchgeführt werden konnte. Entgegen der in der Beschwerde geäusserten Meinung waren daher die kantonalen Behörden nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer - der Vorschrift des
Art. 140 VZV
entsprechend - durch den mit der Blutentnahme beauftragten Arzt auf medizinisch feststellbare Anzeichen von Angetrunkenheit untersuchen zu lassen. Dass diese im Zusammenhang mit der Blutprobe stehende zusätzliche ärztliche Untersuchung auch an Verdächtigten vorzunehmen sei, welche die Blutentnahme verweigern, wird in der Verordnung nirgends vorgeschrieben, auch in
Art. 138 Abs. 6 VZV
nicht. Davon abgesehen bestand auch Grund zur Annahme, der Beschwerdeführer werde sich ausser der Blutentnahme auch jeder anderen ärztlichen Kontrolle seines Alkoholisierungsgrades widersetzen. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3efd2e98-99cb-427e-b62c-be80202dfb6f | Urteilskopf
98 IV 224
45. Urteil des Kassationshofes vom 4. Juli 1972 i.S. Weiss gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich | Regeste
Parkieren auf dem Trottoir.
1.
Art. 43 Abs. 2 SVG
,
Art. 41 Abs. 1 VRV
. Kurze Engpässe fallen nicht unter den Begriff der schmalen Fahrbahn (Erw. 3).
2.
Art. 55 Abs. 1 SSV
gilt auch für das Trottoir (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 224
BGE 98 IV 224 S. 224
A.-
Die Zweierstrasse in Zürich besitzt eine Fahrbahnbreite von 6,2 m, ausser bei der Einmündung der Birmensdorferstrasse, wo der eine Trottoirrand auf eine Länge von 7 m so
BGE 98 IV 224 S. 225
weit ausgebuchtet ist, dass sich die Strasse an dieser Stelle bis auf 4,5 m verengt. Anschliessend an diese Ausbuchtung ist dem Trottoir entlang das Parkieren erlaubt; die Parkfläche ist als solche markiert. Zu der Ausbuchtung führen von zwei Seiten Fussgängerstreifen.
Am Morgen des 2. März 1971 stellte Ernst Weiss, der auf der markierten Parkfläche kein freies Feld gefunden hatte, einen Personenwagen bei der erwähnten Ausbuchtung auf dem an dieser Stelle rund 8 m breiten Trottoir ab.
B.-
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte Weiss wegen Übertretung von
Art. 43 Abs. 2 SVG
zu einer Busse von Fr. 20.-.
Eine von Weiss gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 24. April 1972 ab. Es legte dem Gebüssten zur Last,
Art. 43 Abs. 2 SVG
in Verbindung mit
Art. 41 Abs. 1 VRV
und 55 Abs. 1 SSV übertreten zu haben.
C.-
Weiss ficht diesen Entscheid mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an. Er ersucht das Bundesgericht, ihn von Schuld und Strafe freizusprechen.
Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales.)
2.
Nach
Art. 43 Abs. 2 SVG
ist das Trottoir den Fussgängern vorbehalten, und gemäss
Art. 41 Abs. 1 VRV
, in der bis zum 31. Juli 1972 gültigen Fassung, dürfen auf dieses Fahrzeuge gestellt werden, wenn für die Fussgänger genügend freier Raum bleibt; Motorwagen überdies nur, wenn die Fahrbahn schmal und das Trottoir genügend tragfähig ist. Diese drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, um eine Ausnahme von der Regel zu begründen.
3.
Der Beschwerdeführer hat auf der 8 m breiten und 7 m langen Ausbuchtung des Trottoirs parkiert. Die Vorinstanz hält dies für unzulässig, weil die Fahrbahn nicht schmal sei. Wo die Breite der Fahrbahn das Parkieren von Motorwagen auf einer Seite ohne Behinderung des Verkehrs zulasse, könne von einer schmalen Fahrbahn im Sinne von
Art. 41 Abs. 1 VRV
nicht die Rede sein. Daran ändere nichts, dass das Trottoir an der Einmündung ausgeweitet und deswegen die Fahrbahn
BGE 98 IV 224 S. 226
nur 4,5 m breit sei. Die Ausweitung des Trottoirs an Einmündungen ermögliche eine saubere Trennung des ruhenden vom fliessenden Verkehr, schaffe zusätzliche Abstellflächen für Autos, indem auf die 10 m lange Haltverbotslinie vor Fussgängerstreifen verzichtet werden könne, und verbessere die Übersicht für Fussgänger. Die begrenzte Ausweitung des Trottoirs könne deshalb nicht bestimmend sein für die Fahrbahnbreite nach
Art. 41 Abs. 1 VRV
.
Demgegenüber stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt, massgebend seien die Verhältnisse an der Stelle, an der parkiert werde. Es gehe nicht an, die weiter entfernt bestehende Fahrbahnbreite als massgeblich zu betrachten. Nachdem der Personenwagen an einer Stelle parkiert gewesen sei, wo die Fahrbahn bloss eine Breite von 4,5 m, das Trottoir aber eine solche von 8 m aufweise, sei die Voraussetzung der schmalen Fahrbahn erfüllt.
a) Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, als für die Entscheidung der Frage, ob die Fahrbahn im Sinne von
Art. 41 Abs. 1 VRV
schmal ist, nicht willkürlich deren Breite an irgendeiner Stelle der Strasse herangezogen werden darf. Die Fahrbahnbreite eines Strassenzugs kann sich ändern, und es widerspräche dem Sinn dieser Vorschrift, ein schmales Strassenstück von einer gewissen Länge, auf dessen Höhe das Trottoir zum Parkieren benutzt wurde, ausser acht zu lassen und das Parkieren dort als unzulässig zu bezeichnen, weil vor oder nach jenem Strassenstück die Fahrbahn breiter wird. Damit ist indessen nicht gesagt, dass jede noch so kurze Verengung der Fahrbahn, wie sie durch eine kleinere Baustelle, eine mitten in der Strasse angelegte Verkehrsinsel und dergleichen entsteht, dazu führt, die Fahrbahn als schmal zu betrachten. Da die Verordnung nicht von schmalen Strassenstellen, von Engpässen, spricht, sondern den weiteren Begriff der schmalen Fahrbahn verwendet, entspricht es dem Sinn der Vorschrift, derartige Verengungen im Rahmen von
Art. 41 Abs. 1 VRV
zu vernachlässigen und auf die Breite der Fahrbahn vor und/oder nach einem solchen Engpass abzustellen. Gleich ist im vorliegenden Fall bezüglich der Ausbuchtung des Trottoirs zu verfahren; denn einmal erreicht sie nur eine Länge von 7 m und zum andern verengt sie nur auf einem Teil dieser Strecke die Fahrbahn in solchem Masse, dass diese als schmal bezeichnet werden kann (s.
BGE 91 IV 37
).
BGE 98 IV 224 S. 227
b) Selbst wenn man annehmen wollte, nach
Art. 41 Abs. 1 VRV
fielen auch kurze Engpässe unter den Begriff der schmalen Fahrbahn, so wäre das Parkieren des Beschwerdeführers nach dieser Bestimmung deswegen unzulässig gewesen, weil von zwei Seiten her Fussgängerstreifen zu der Trottoirausbuchtung führen, die in ihrer Verlängerung in der Zone zusammentreffen, in welcher der Wagen des Beschwerdeführers stand. Berücksichtigt man, dass namentlich zu Stosszeiten gerade an diesem Punkt von vier Seiten her Fussgänger zusammenströmen, dann erhellt ohne weiteres, dass das Fahrzeug an jener Stelle stören musste und dem Fussgängerverkehr den freien Raum nahm, auf den er Anspruch hat.
4.
Das Obergericht hat dem Beschwerdeführer ausserdem eine Widerhandlung gegen
Art. 55 Abs. 1 SSV
zur Last gelegt. Davon ausgehend, dass die Ausnahmeregelung des
Art. 41 Abs. 1 VRV
ein Parkieren auf dem Trottoir nur gestatte, wenn nicht besondere Anordnungen dem entgegenstünden (
Art. 27 Abs. 1 Satz 2 SVG
), stellte es fest, dass eine solche an der Zweierstrasse bestanden habe, indem längs des Fahrbahnrandes, anschliessend an das verbreiterte Trottoir, auf dem Weiss parkiert hatte, die für den ruhenden Verkehr bestimmte Fläche durch entsprechende Bodenmarkierungen gekennzeichnet gewesen seien. Das Parkieren auf dem angrenzenden Trottoir, also ausserhalb der Markierungen, sei deshalb nach
Art. 55 Abs. 1 SSV
unzulässig gewesen.
Demgegenüber wendet der Beschwerdeführer ein, diese Bestimmung gelte nur für die Fahrb hn, nicht für das Trottoir. Auf dieses finde die Sondernorm des
Art. 41 Abs. 1 VRV
Anwendung.
Nach
Art. 55 Abs. 1 VRV
dürfen, wo Parkfelder markiert sind, Fahrzeuge nur innerhalb dieser Felder abgestellt werden. Schon unter der Herrschaft des alten Rechtes wurde entschieden, dass die Abgrenzung des Parkraums durch weisse Linien nicht bloss den Sinn eines Hinweises darauf hat, wo stationiert werden darf, sondern gleichzeitig besagt, dass das Aufstellen von Fahrzeugen auf diese Fläche beschränkt und ausserhalb davon untersagt ist (
BGE 84 IV 26
/27). Dieser nunmehr in
Art. 55 Abs. 1 SSV
verankerte Grundsatz gilt nicht nur für die Fahrbahn. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers, die übrigens weder im Wortlaut noch im Sinn dieser Vorschrift einen Anhalt findet, lässt ausser acht, dass Parkfelder nicht nur
BGE 98 IV 224 S. 228
auf der Fahrbahn, sondern auch auf von dieser gesonderten Flächen markiert werden können. Sodann verkennt sie, dass
Art. 55 Abs. 1 SSV
infolge des ausschliesslichen Charakters, den diese Bestimmung markierten Parkflächen beimisst, das Abstellen von Fahrzeugen ausserhalb derselben schlechthin untersagt. Wo immer deshalb öffentliche Parkplätze markiert sind, ob auf der Fahrbahn oder ausserhalb derselben, wirkt das in der genannten Vorschrift enthaltene Verbot auf den angrenzenden Raum und findet auf alle öffentlichen Verkehrsflächen Anwendung, die als Parkplätze in Betracht fallen könnten. Dazu gehören auch die Trottoire, weshalb die Vorinstanz dem Beschwerdeführer, der auf der unmittelbar an den markierten Parkraum angrenzenden Ausbuchtung des Trottoirs parkierte, zu Recht eine Übertretung von
Art. 55 Abs. 1 SSV
zur Last gelegt hat.
Inwiefern sich aus
Art. 41 Abs. 1 VRV
eine für den Beschwerdeführer günstigere Lösung ergeben sollte, ist nicht ersichtlich. Wo das Trottoir wegen der Vorschrift des
Art. 55 Abs. 1 SSV
zum vornherein nicht zum Parkieren benützt werden darf, da vermag auch
Art. 41 Abs. 1 VRV
dies nicht zu gestatten. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, gehen nach
Art. 27 Abs. 1 SVG
die Markierungen den allgemeinen Regeln vor, und damit auch die Gebote und Verbote, die in jenen zum Ausdruck kommen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3efef966-bb1e-451b-9125-0f2823c52816 | Urteilskopf
105 II 215
36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. Juni 1979 i.S. X. gegen X. (Berufung) | Regeste
Scheidungsklage einer im ausländischen Heimatstaat wohnenden schweizerisch-ausländischen Doppelbürgerin beim Richter des schweizerischen Heimatortes.
1. Das Abkommen zwischen der Schweiz und Belgien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 29. April 1959 vermag die Anwendung des NAG nicht auszuschliessen (E. 2).
2.
Art. 7g Abs. 1 NAG
gilt auch für den im ausländischen Heimatstaat wohnenden schweizerisch-ausländischen Doppelbürger (E. 1 und 4) (Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 215
BGE 105 II 215 S. 215
Der belgische Staatsangehörige A. X. und B. Y., Bürgerin von Horgen und Wetzikon, schlossen am 3. August 1957 in Horgen die Ehe. Die Ehefrau, die zuvor gemäss Art. 9 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts (BüG)
BGE 105 II 215 S. 216
die Erklärung abgegeben hatte, ihr Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen, erwarb durch die Heirat die belgische Staatsangehörigkeit. Die Eheleute X.-Y. begründeten in der Folge ihren Wohnsitz in Belgien.
Mit Eingabe vom 20. April 1977 reichte die nach wie vor in Belgien wohnhafte B. X.-Y. beim Bezirksgericht Horgen Klage ein auf Scheidung der Ehe gestützt auf
Art. 142 ZGB
.
A. X. erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit.
Das Bezirksgericht Horgen (III. Abteilung) schützte die Einrede des Beklagten und beschloss am 6. Juli 1978, auf die Klage werde nicht eingetreten.
Den von der Klägerin hiegegen erhobenen Rekurs hiess das Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) mit Beschluss vom 29. Januar 1979 gut. Es wies die Sache zum Eintreten auf die Scheidungsklage an das Bezirksgericht zurück.
A. X. hat gegen den zweitinstanzlichen Entscheid beim Bundesgericht Berufung eingereicht mit dem Antrag, es sei die Unzuständigkeit des Richters am schweizerischen Heimatort der Klägerin festzustellen.
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 7g Abs. 1 NAG
kann ein im Ausland wohnender schweizerischer Ehegatte eine Scheidungsklage beim Richter seines Heimatortes anbringen. Diese Bestimmung gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch dann, wenn der Kläger Doppelbürger ist und seinen Wohnsitz im andern Heimatstaat hat (vgl.
BGE 84 II 469
ff.). In einem späteren Entscheid hat das Bundesgericht freilich beiläufig bemerkt, es möge dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des
Art. 7g Abs. 1 NAG
auf schweizerisch-ausländische Doppelbürger angesichts der sich mehrenden internationalen Zuständigkeitskonflikte als dem wahren Sinne des Gesetzes entsprechend betrachtet werden könne und ob die weite Auslegung der genannten Bestimmung beizubehalten sei oder ob nicht vielmehr bei Wohnsitz des Doppelbürgers im ausländischen Heimatstaat der Gerichtsbarkeit jenes Staates der Vorrang einzuräumen sei (
BGE 89 I 309
).
Der Beklagte macht in erster Linie geltend, einer Anwendung des
Art. 7g Abs. 1 NAG
auf das von der Klägerin in
BGE 105 II 215 S. 217
Horgen eingeleitete Verfahren stehe auf jeden Fall das am 29. April 1959 geschlossene und am 15. Oktober 1962 in Kraft getretene Abkommen zwischen der Schweiz und Belgien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.721) entgegen; diese Konvention sei dem Willen der beiden Staaten entsprungen, Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden und gehe daher den innerstaatlichen Kollisionsnormen vor;
Art. 7g Abs. 1 NAG
könnte demnach nur dann angewendet werden, wenn das vom schweizerischen Richter zu füllende Urteil in Belgien anerkannt würde, was jedoch gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b und Art. 2 Abs. 1 lit. a des erwähnten Abkommens nicht der Fall sei.
2.
Das schweizerisch-belgische Abkommen vom 29. April 1959 regelt einzig die Bedingungen, unter denen gerichtliche Entscheide (und Schiedssprüche) des einen Vertragsstaates im andern anerkannt und vollstreckt werden sollen (vgl. die Präambel). Es enthält keine Gerichtsstandsordnung und sieht demnach auch nicht etwa vor, dass die Zuständigkeitsnormen des einen Staates der Frage der Anerkennung der Urteile durch den andern Staat Rechnung zu tragen hätten. Entgegen der Auffassung des Beklagten vermag der Staatsvertrag eine Anwendung der Bestimmungen des NAG somit nicht auszuschliessen (vgl.
Art. 34 NAG
).
3.
Dass die Klägerin auch in Belgien die Scheidung erlangen könnte, ist ohne Belang. Der Beklagte vermag im übrigen nicht darzutun, dass das dortige Recht einen der tiefen Zerrüttung im Sinne von
Art. 142 ZGB
entsprechenden Scheidungsgrund kennt. Dies ist denn auch offensichtlich nicht der Fall (vgl. Art. 229 ff. des belgischen Bürgerlichen Gesetzbuches, bei BERGMANN/FERID, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, I. Bd., Belgien S. 33).
4.
Wie das Obergericht mit Recht ausführt, besteht trotz der in
BGE 89 I 309
geäusserten Bedenken kein Anlass zur Änderung der Rechtsprechung zu
Art. 7g Abs. 1 NAG
(Anwendung auch bei Doppelbürgern), die im Schrifttum zumindest stillschweigend gebilligt wird (vgl. VISCHER, Internationales Privatrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, I. Bd. S. 541; STAUFFER, Nachtrag 1977 zur Praxis zum NAG, Anm. 3 zu Art. 7g; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. A., I. Bd., S. 377; BÜHLER, Berner Kommentar, Einleitung zur Ehescheidung, N. 132; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. A., S. 192).
BGE 105 II 215 S. 218
Die Erwägungen in
BGE 84 II 473
ff. haben nach wie vor ihre Gültigkeit. Mit der im Bürgerrechtsgesetz geschaffenen, durch nichts eingeschränkten Möglichkeit der Erklärung, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen (
Art. 9 Abs. 1 BüG
), wurde in Kauf genommen, dass eine Schweizerin, die bei der Heirat mit einem Ausländer dessen Staatsangehörigkeit erwirbt, zur Doppelbürgerin werden kann und dass dadurch im internationalen Verhältnis Schwierigkeiten entstehen können. Es ist daher nicht Sache der Rechtsprechung, einer schweizerisch-ausländischen Doppelbürgerin, die im ausländischen Heimatstaat wohnt, unter Berufung auf die Vermeidung internationaler Konflikte den schweizerischen Scheidungsgerichtsstand vorzuenthalten oder von ihr - entsprechend der Regelung in
Art. 7h Abs. 1 NAG
- den Nachweis der Anerkennung des Urteils im ausländischen Wohnsitz- und Heimatstaat zu verlangen. Dem Gesichtspunkt der Anerkennung des Urteils im ausländischen Heimatstaat hat das Bundesgericht in seiner neueren Rechtsprechung übrigens auch im Zusammenhang mit andern eherechtlichen Fragen zu Gunsten der inneren Harmonie der schweizerischen Rechtsordnung immer weniger Bedeutung beigemessen (vgl.
BGE 102 Ib 1
ff.;
BGE 97 I 389
ff., insbesondere 410;
BGE 94 II 65
ff.).
Dass sich im vorliegenden Fall auch die Nebenfolgen einer Scheidung nach schweizerischem Recht bestimmen (
Art. 7g Abs. 2 NAG
) und dass der Beklagte als in seinem Heimatstaat wohnender Belgier in der Schweiz ins Recht gefasst werden kann, ist die Folge der bestehenden schweizerischen Rechtsordnung. Der Beklagte hat sich damit abzufinden. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f0499e0-1b47-4962-848c-5be6a33af90a | Urteilskopf
138 III 705
107. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_249/2012 vom 22. Juni 2012 | Regeste
Sistierung des Verfahrens vor der Mietschlichtungsstelle über die Fristen nach
Art. 203 Abs. 1 und 4 ZPO
hinaus. Anfechtungsobjekt der Rüge der Rechtsverzögerung und Beschwerdefrist (Art. 319 lit. b Ziff. 1 und lit. c sowie
Art. 321 Abs. 1, 2 und 4 ZPO
).
Anfechtungsobjekt der Rüge der Rechtsverzögerung (E. 2.1 und 2.2).
Berechnung der Frist nach
Art. 203 Abs. 4 ZPO
bei Rückweisung des Verfahrens an die Schlichtungsstelle (E. 2.3.1).
Sistierung des Verfahrens ohne Rücksicht auf
Art. 203 Abs. 4 ZPO
bis zum Entscheid des Bundesgerichts über ein Ausstandsbegehren (E. 2.3.2). | Erwägungen
ab Seite 705
BGE 138 III 705 S. 705
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine kantonale Beschwerde habe sich entgegen der Annahme der Vorinstanz klarerweise nicht gegen den Sistierungsbeschluss und damit gegen eine auf einem formellen Entscheid beruhende Rechtsverzögerung gerichtet, sondern gegen das Verstreichenlassen der Frist nach
Art. 203 Abs. 1 und 4
BGE 138 III 705 S. 706
ZPO
(SR 272). Hätte der Beschwerdeführer die Sistierungsverfügung angefochten, wäre die Frist nach
Art. 203 ZPO
nicht abgelaufen gewesen, so dass er keine entsprechende Rüge hätte erheben können.
2.1
Wird eine prozessleitende Verfügung angefochten, so beträgt die Frist zur Einreichung einer Beschwerde im Sinne von
Art. 319 ff. ZPO
zehn Tage, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (
Art. 321 Abs. 2 ZPO
). Gegen Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde eingereicht werden (
Art. 321 Abs. 4 ZPO
). Die Frist zur Anfechtung der Sistierungsverfügung vom 12. Januar 2012 war am 3. April 2012 bereits abgelaufen, zumal die jederzeitige Anfechtbarkeit nach
Art. 321 Abs. 4 ZPO
die Fälle vor Augen hat, in denen kein anfechtbarer Entscheid erging (NICOLAS JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 12 zu
Art. 321 ZPO
; FREIBURGHAUS/AFHELDT, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 6. zu
Art. 321 ZPO
), und nicht zum Zuge kommt, sofern die Verzögerung durch einen den Parteien selbständig eröffneten anfechtbaren Entscheid bewirkt wird (SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 10 zu
Art. 319 ZPO
; IVO W. HUNGERBÜHLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 14 zu
Art. 321 ZPO
).
2.2
Gemäss den Bestimmungen über das Schlichtungsverfahren hat die Verhandlung innert zwei Monaten seit Eingang des Gesuchs oder nach Abschluss des Schriftenwechsels stattzufinden (
Art. 203 Abs. 1 ZPO
). Mit Zustimmung der Parteien kann die Schlichtungsbehörde weitere Verhandlungen durchführen. Das Verfahren ist spätestens nach zwölf Monaten abzuschliessen (
Art. 203 Abs. 4 ZPO
). Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich in seiner Beschwerde nicht gegen den Sistierungsentscheid gewandt, sondern gegen das Verstreichenlassen der Fristen nach
Art. 203 ZPO
. Dem Sistierungsentscheid konnte der Beschwerdeführer indessen entnehmen, dass das Verfahren bis zum Entscheid des Bundesgerichts sistiert werden sollte. Wie lange das Verfahren vor Bundesgericht dauern würde, war nicht abzusehen. Für den Beschwerdeführer war daher erkennbar, dass beim Erlass des Sistierungsentscheides keine Rücksicht auf die Fristen nach
Art. 203 ZPO
genommen wurde. Damit hätte bereits die Sistierungsverfügung Anlass zu den vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen gegeben. Bereits aus diesem Grund ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden.
BGE 138 III 705 S. 707
2.3
Aber auch davon abgesehen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Nach
Art. 126 Abs. 1 ZPO
kann das Gericht das Verfahren sistieren, wenn die Zweckmässigkeit dies verlangt, namentlich wenn der Entscheid vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängig ist. Auch im Schlichtungsverfahren muss eine Sistierung zulässig sein, wenn die sofortige Durchführung der Verhandlung unzweckmässig erscheint. Die Botschaft erwähnt ausdrücklich die Möglichkeit, das Verfahren während der Jahresfrist von
Art. 203 Abs. 4 ZPO
pendent zu halten, um den Parteien Vergleichsverhandlungen zu ermöglichen, wobei das Verfahren allerdings auch in diesem Fall binnen Jahresfrist abzuschliessen ist (Botschaft zur ZPO, BBl 2006 7331 Ziff. 5.13 zu Art. 200 Abs. 4 E-ZPO). Eine Sistierung, die zu einer längeren Hängigkeit des Verfahrens vor der Schlichtungsstelle führen kann, ist daher nur mit Zurückhaltung anzuordnen.
2.3.1
Zu beachten ist allerdings, dass die in
Art. 203 Abs. 4 ZPO
vorgesehene Jahresfrist die Verfahrensdauer vor der Schlichtungsbehörde regelt, nicht die Dauer eines allfälligen Rechtsmittelverfahrens. Der Beschwerdeführer wandte sich am 31. Mai 2011 an die Schlichtungsbehörde. Bereits am 9. Juni 2011 fällte diese ihren Nichteintretensentscheid. Erst mit dem Entscheid des Obergerichts vom 9. Dezember 2011 gelangte das Verfahren erneut vor die Schlichtungsstelle. Vor dieser dauert das Verfahren damit selbst zusammengerechnet noch keine 12 Monate.
2.3.2
Die Sistierung des Verfahrens ist aber auch davon abgesehen nicht zu beanstanden. Sowohl die ZPO (
Art. 50 Abs. 2 ZPO
) als auch das BGG (
Art. 92 BGG
) sehen die sofortige Anfechtbarkeit der Entscheide über Ausstandsbegehren vor, im Bestreben diese Fragen rasch zu klären, damit das Verfahren, für welches ein Ausstandsbegehren gestellt wurde, korrekt seinen Fortgang nehmen kann. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Sistierung zweckmässig. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass er im kantonalen Verfahren prozesskonform Umstände angeführt hätte, die einen materiellen Entscheid über die Streitfrage als dringlich erscheinen liessen. Führt die Schlichtungsbehörde die Verhandlung durch, bevor das Bundesgericht über die bei ihm hängige Beschwerde betreffend die korrekte Zusammensetzung und das Ausstandsbegehren (Verfahren 4A_3/2012) entschieden hat, besteht kein Anlass, das vom Beschwerdeführer abgelehnte Mitglied C. vom Verfahren auszuschliessen, da das Obergericht die Zusammensetzung der Schlichtungsbehörde nicht beanstandet hat. Der Beschwerdeführer beantragt aber vor Bundesgericht die
BGE 138 III 705 S. 708
Durchführung der Schlichtungsverhandlung ohne C., was er mit Hinweis auf die von ihm als verletzt gerügten Fristen nach
Art. 203 ZPO
ohnehin nicht erreichen kann. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3f0abe12-f107-4e89-9d72-50785b2d0f96 | Urteilskopf
126 III 36
10. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 18 octobre 1999 dans la cause Centre de gestion hospitalière contre La Mobilière Suisse (recours en réforme) | Regeste
Art. 126 KVV
; Verpflichtung des zivilrechtlich haftpflichtigen Dritten, dem Leistungserbringer die Differenz zu bezahlen, welche zwischen dem für ihn geltenden Tarif und dem mit gewissen Krankenversicherern vereinbarten Tarif besteht.
Mit der Einführung dieser Ausführungsbestimmung, welche eine neue Verpflichtung zu Lasten des Haftpflichtigen und seiner Haftpflichtversicherung schafft, hat der Bundesrat den Rahmen der ihm durch
Art. 79 Abs. 3 KKG
delegierten Regelungskompetenz überschritten (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 37
BGE 126 III 36 S. 37
A.-
Le 13 mars 1997, Odile Studer, qui circulait au guidon de son cyclomoteur, a été renversée par une voiture conduite par sa détentrice, Sandra Grohens, qui a obliqué à droite sans précaution. Elle a été transportée en ambulance à l'Hôpital régional de Porrentruy (ci-après: HRP), où elle a séjourné jusqu'au 5 avril 1997.
Odile Studer était assurée contre le risque d'accidents, selon les règles de la Loi fédérale sur l'assurance-maladie du 18 mars 1994 (LAMal; RS 832.10), par sa caisse-maladie, la Chrétienne sociale suisse assurances. Sandra Grohens était assurée contre le risque de sa responsabilité civile par La Mobilière Suisse.
Le Centre de gestion hospitalière, établissement public de droit cantonal, dont l'HRP est l'une des succursales, a réclamé à La Mobilière Suisse la somme de 15'874 fr.10 en capital, représentant la différence entre le tarif applicable aux assurances privées et le tarif conventionnel réservé aux caisses-maladie affiliées à la Fédération jurassienne des assureurs-maladie. Il s'est fondé, d'une part, sur une cession de créance accordée par Odile Studer le 3 juin 1997 et, d'autre part, sur la subrogation prévue par l'art. 126 de l'Ordonnance sur l'assurance-maladie du 27 juin 1995 (OAMal; RS 832.102).
La Mobilière Suisse a refusé de payer cette somme, faisant valoir que la prétention ne reposait sur aucune base légale suffisante.
B.-
Le 2 avril 1998, le Centre de gestion hospitalière a ouvert action contre La Mobilière Suisse en paiement de 15'874 fr.10 plus intérêts à 5% dès le 25 mai 1997.
Par jugement du 9 mars 1999, le Président du Tribunal du district de Porrentruy a fait droit aux conclusions de la demande.
Statuant sur appel de la défenderesse, la Cour civile du Tribunal cantonal jurassien, par arrêt du 2 juin 1999, a réformé ce jugement et débouté le demandeur de toutes ses conclusions.
C.-
Le Centre de gestion hospitalière exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral. Invoquant une violation des art. 43, 44, 47, 49, 79 LAMal et 126 OAMal, il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et reprend ses conclusions sur le fond.
BGE 126 III 36 S. 38
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Le recourant agit tout d'abord en qualité de cessionnaire des droits de la victime (cf.
art. 164 al. 1 CO
).
Le cédant ne peut cependant transférer plus de droits qu'il n'en a lui-même. Il faut donc s'interroger sur l'étendue des droits de la cédante, à savoir la cyclomotoriste blessée.
En cas de lésions corporelles, la partie qui en est victime a droit au remboursement des frais et aux dommages-intérêts qui résultent de son incapacité de travail totale ou partielle, ainsi que de l'atteinte portée à son avenir économique (
art. 46 al. 1 CO
). Par remboursement des frais, il faut entendre notamment le remboursement des frais hospitaliers (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, vol. I, Allg. Teil, 5e éd., n. 110 p. 282; ROLAND BREHM, Commentaire bernois, n. 10 à 13 ad
art. 46 CO
).
En l'espèce, il n'est pas litigieux que la victime était assurée contre le risque d'accidents par sa caisse-maladie selon les règles de la LAMal (cf.
art. 1er al. 2 let. b LAMal
). Dans le système de la LAMal, l'hôpital doit fournir ses prestations selon un tarif (
art. 43 al. 1 LAMal
). Que l'on adopte le système du tiers garant (
art. 42 al. 1 LAMal
) ou du tiers payant (
art. 42 al. 2 LAMal
), le fournisseur de prestations ne peut pas facturer à l'assuré davantage que le montant dû par la caisse-maladie selon le tarif (système de la protection tarifaire:
art. 44 al. 1 LAMal
; Message du Conseil fédéral, FF 1992 I p. 157s). Il était donc exclu - ce qui n'est d'ailleurs pas contesté - que le recourant ait pu facturer à la lésée davantage que ce qui a été pris en charge par sa caisse-maladie. En conséquence, la victime n'avait aucun frais supplémentaire à assumer, dont elle aurait pu demander le remboursement au responsable ou à son assureur en responsabilité civile (
art. 65 al. 1 LCR
; RS 741.01).
Dans la mesure où le recourant se fonde sur la cession d'une créance inexistante, il ne peut qu'être débouté.
b) aa) En second lieu, le demandeur base sa prétention sur l'
art. 126 OAMal
, qui prévoit que le tiers responsable doit, dans les limites de son obligation de réparer le dommage, rembourser au fournisseur de prestations l'éventuelle différence entre le tarif valable pour lui et le tarif appliqué par l'assureur-maladie.
La cour cantonale a retenu que cette disposition était dépourvue de base légale suffisante. C'est de cette question qu'il convient maintenant de débattre.
BGE 126 III 36 S. 39
bb) Comme le montre son préambule, l'OAMal est une ordonnance d'exécution fondée sur l'
art. 96 LAMal
, lequel a la teneur suivante: "Le Conseil fédéral est chargé de l'exécution de la présente loi. Il édicte des dispositions à cet effet".
Une ordonnance d'exécution a pour fonction de concrétiser les dispositions légales et, le cas échéant, de combler des lacunes d'importance secondaire, dans la mesure où l'exécution de la loi l'exige; les normes d'exécution doivent cependant s'en tenir au cadre légal et ne peuvent en particulier adopter des règles nouvelles qui limiteraient les droits des administrés ou leur imposeraient de nouveaux devoirs, même si ces règles sont compatibles avec le but de la loi (
ATF 124 I 127
consid. 3b et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral est compétent pour contrôler la légalité d'une ordonnance du Conseil fédéral, c'est-à-dire pour examiner si elle n'empiète pas sur la compétence du législateur en violation du principe de la séparation des pouvoirs (cf.
ATF 124 II 241
consid. 3, 581 consid. 2a;
ATF 123 II 472
consid. 4a).>
Comme l'observe le recourant, certains auteurs ont déjà signalé que l'
art. 126 OAMal
leur paraissait dépourvu de base légale (ALFRED MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, Bâle 1996, p. 129 ss; GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, Le droit de recours contre le tiers responsable selon la LAMal, in: Recueil de travaux en l'honneur de la Société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, p. 629). Il leur oppose cependant l'opinion de l'OFAS, qui est probablement à l'origine de la disposition, celle d'un auteur qui semble proche des caisses-maladie (ANDREAS KUMMER, Obligation d'avance des prestations et recours, in: Organe du concordat des assureurs-maladie suisseS (CAMS actuel) de mai 1998 p. 82 et 83), ainsi que celle de GEBHARD EUGSTER (Krankenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, n. 401 p. 222). Les opinions invoquées par le recourant se fondent cependant sur des considérations économiques: les hôpitaux publics sont largement subventionnés par les collectivités et ces subventions doivent profiter aux assurés obligatoires, mais non pas aux responsables des accidents (et à leurs assureurs en responsabilité civile). Ces considérations n'ont toutefois aucun rapport avec l'exigence d'une base légale pour fonder une disposition d'exécution. Comme on l'a vu, une ordonnance d'exécution ne peut pas créer des obligations qui ne sont pas prévues par la loi.
L'
art. 126 OAMal
est classé, avec les art. 123 à 125, sous le titre "Subrogation". Or, la subrogation est le transfert d'une créance par
BGE 126 III 36 S. 40
le seul effet de la loi. Les art. 123 à 125 OAMal traitent d'ailleurs effectivement de la subrogation de l'assureur dans les droits de l'assuré. Dans le cas de l'
art. 126 OAMal
, on ne discerne aucune forme de subrogation. Ainsi qu'on l'a vu précédemment (consid. 2a), la personne assurée obligatoirement en vertu de la LAMal n'est pas tenue de verser à l'hôpital une somme supérieure à celle qui sera couverte par l'assureur-maladie sur la base du tarif prévu par l'
art. 43 LAMal
; pour la différence de tarifs, il n'existe donc aucune dette de l'assuré qui puisse fonder une créance en réparation à l'encontre du responsable ou de son assureur en responsabilité civile. On ne voit ainsi pas quelle personne pourrait avoir une créance de ce chef qui pourrait être légalement cédée à l'hôpital en application de l'
art. 126 OAMal
.
Cette dernière disposition précise que le responsable est tenu "dans les limites de son obligation de réparer le dommage". Il en résulte qu'elle n'a pas pour but d'étendre l'obligation qui incombe à ce dernier de réparer le préjudice et, partant, l'obligation d'indemniser de l'assureur en responsabilité civile, ce qui est conforme à sa nature de norme du droit des assurances sociales.
En définitive, l'
art. 126 OAMal
ne prévoit pas une subrogation au sujet d'une créance préexistante, mais crée une obligation nouvelle, en instituant un rapport juridique direct entre le fournisseur de prestations et le responsable, dont on ne perçoit pas le fondement. Il faut rappeler que l'hôpital a fourni ses prestations à la victime, qui est sa débitrice dans les limites de la protection tarifaire (
art. 42, 43 et 44 al. 1 LAMal
), de sorte qu'il ne peut s'adresser directement à l'assureur-maladie que si le système du tiers payant a été convenu (
art. 42 al. 2 LAMal
). En revanche, l'hôpital n'a aucun rapport de droit avec le responsable et son assureur en responsabilité civile. Le recourant en est in casu tellement conscient qu'il a requis et obtenu une cession de créance. Cependant, qu'il y ait cession de créance ou subrogation, ces mécanismes ne permettent pas d'acquérir plus de droits que n'en avait la victime elle-même. Or, celle-ci ne peut pas réclamer au responsable et à son assurance en responsabilité civile (en vertu de l'action directe:
art. 65 al. 1 LCR
) davantage que son dommage; elle ne saurait ainsi requérir le paiement d'une différence de tarifs qui ne lui est pas opposable et dont elle ne subit aucun préjudice. L'
art. 126 OAMal
crée donc une obligation nouvelle, ce qui rend la disposition contradictoire, puisqu'elle dispose expressément que le responsable n'est tenu que "dans les limites de son obligation de réparer le dommage". Il semble que l'on ait voulu, en créant
BGE 126 III 36 S. 41
un rapport juridique direct entre le fournisseur de prestations et le responsable, obliger ce dernier à un versement supplémentaire dans le but d'alléger les charges générées par les hôpitaux subventionnés. Un tel mécanisme ne trouve aucun point d'appui dans la LAMal. Les dispositions citées par le recourant ne permettent en rien de le déduire. L'
art. 79 al. 3 LAMal
charge certes le Conseil fédéral d'édicter des prescriptions détaillées pour l'exercice du droit de subrogation prévu en faveur de l'assureur-maladie (
art. 79 al. 1 LAMal
), mais il n'est pas question, dans cette disposition, d'une subrogation en faveur du fournisseur de prestations. En conséquence, c'est à juste titre que la cour cantonale a constaté que la disposition d'exécution était dépourvue de base légale.
Si une telle obligation, conçue apparemment dans le seul intérêt des hôpitaux subventionnés, était prévue par une loi, on pourrait douter qu'elle relève du droit privé et puisse donner lieu à une "contestation civile" susceptible d'un recours en réforme (cf.
art. 46 OJ
). | null | nan | fr | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3f0edecc-c692-425d-bd56-1d742c8ecce6 | Urteilskopf
100 IV 258
65. Urteil des Kassationshofes vom 26. August 1974 i.S. X. gegen Polizei-Inspektorat Basel-Stadt. | Regeste
Art. 91 Abs. 3 SVG
; Vereitelung der Blutprobe.
1. Diese Bestimmung erfasst nicht nur die Fahrzeugführer, sondern alle Personen, die sich auf Grund von
Art. 55 Abs. 1 SVG
einer Blutprobe unterziehen müssen (Erw. 3).
2. Zur Vereitelung der Blutprobe genügt, dass der Täter mit einer solchen rechnete oder rechnen musste (Erw. 4, Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 259
BGE 100 IV 258 S. 259
A.-
Am 9. Dezember 1972 genossen X., Y. und Z. zwischen Mittag und 19 Uhr in zwei Basler Restaurants reichlich Alkohol. Anschliessend begaben sie sich zum Personenwagen von X., um gemeinsam nach Aesch zu fahren und dort noch etwas zu trinken. Alle drei standen unter erheblichem Alkoholeinfluss.
Y., der keinen Führerausweis besass, steuerte das Fahrzeug, während X. neben ihm Platz nahm. In einer Rechtsbiegung verlor Y. die Herrschaft über den Wagen. Dieser gelangte nach Überquerung einer Schutzinsel in der Strassenmitte auf die Gegenfahrbahn und anschliessend wieder auf die rechte Seite. X. griff dem Lenker korrigierend ins Steuer. Beim Überfahren der Schutzinsel riss der Wagen die vorne angebrachten Wegweisertafeln aus ihrer Verankerung, so dass sie auf die Fahrbahn geschleudert wurden. Ohne anzuhalten fuhr Y. mit Zustimmung von X. nach Aesch weiter.
Auf dieser Fahrt verfolgte sie ein anderer Automobilist. Als sie wegen eines Rotlichts anhielten, klopfte er an ihre Fensterscheibe. Weder Y. noch X. reagierten; sie setzten ihre Fahrt fort, obwohl die Ampel auf Rot geschaltet war.
In Aesch genossen alle drei in einem Restaurant erneut alkoholische Getränke. Anschliessend wurde die Fahrt nach Therwil fortgesetzt, wo Z. ausstieg. Nachdem Y. in Oberwil das Fahrzeug verlassen hatte, führte X. seinen Wagen selber nach Basel.
B.-
Mit Urteil des Strafgerichtspräsidenten Basel-Stadt vom 25. Oktober 1973 wurde X. der groben Verletzung von Verkehrsregeln (Motorfahrenlassen in angetrunkenem Zustand), des Fahrens in angetrunkenem Zustand, der Vereitelung der Blutprobe, des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall, des Motorfahrenlassens ohne gültigen Fahrausweis sowie der Diensterschwerung schuldig erklärt und in Anwendung von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
und weiterer Bestimmungen zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 40 Tagen verurteilt.
BGE 100 IV 258 S. 260
Auf Appellation von X. änderte das Appellationsgericht Basel-Stadt am 15. Mai 1974 das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass dem Verurteilten für die Freiheitsstrafe der bedingte Strafvollzug mit einer Probezeit von drei Jahren gewährt und ihm zusätzlich eine Busse von Fr. 500.-- auferlegt wurde.
C.-
X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes aufzuheben, soweit er wegen Vereitelung der Blutprobe schuldig erklärt werde, und die Sache zur Freisprechung in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Polizeidepartement Basel-Stadt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, auf der Unglücksfahrt von Basel nach Aesch habe ausschliesslich Y. den Personenwagen geführt. Dieser sei zu Recht wegen Vereitelung der Blutprobe verurteilt worden. Y. habe sich aus eigenem Antrieb durch Führerflucht der Verantwortung und auch der Blutprobe entziehen wollen. Der Beschwerdeführer sei in seinem alkoholisierten Zustand auch gar nicht in der Lage gewesen, auf den Entschluss des Fahrzeugführers einzuwirken. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass allein der Fahrzeugführer, nicht auch der Mitfahrer wegen Vereitelung der Blutprobe im Sinne von
Art. 91 Abs. 3 SVG
bestraft werden könne. Diese Auffassung stützt er auf den Randtitel des
Art. 91 SVG
und die Rechtsprechung zu dieser Gesetzesbestimmung. Ferner sei das rein passive Verhalten des Beschwerdeführers nicht daraus zu erklären, dass er mit einer Blutprobe habe rechnen müssen, da er ja von ihr nichts zu befürchten gehabt habe. Er habe nur aus Furcht, den Führerausweis zu verlieren, weil er das Fahrzeug einem angetrunkenen Kollegen überliess, nicht eingegriffen.
2.
Verschiedene Behauptungen des Beschwerdeführers stehen im Gegensatz zu den für den Kassationshof gemäss
Art. 277 bis BStP
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz. Danach war der Beschwerdeführer nicht so sehr betrunken, dass er die Lage nicht mehr hätte realisieren können. Auch war er sich des Unfallgeschehens durchaus bewusst. Aus Angst, es werde ihm wegen des vorangegangenen Alkoholkonsums der Führerausweis entzogen, war er stillschweigend einverstanden,
BGE 100 IV 258 S. 261
möglichst schnell und heimlich von der Unfallstelle zu verschwinden.
3.
Art. 91 Abs. 3 SVG
stellt das Verhalten desjenigen unter Strafe, der eine Blutprobe verhindert. Trotz des Randtitels, dessen Ungenauigkeit während der Vorarbeiten zum Gesetz anerkannt worden war, fallen nicht nur die Fahrzeugführer unter diese Bestimmung (BUSSY und RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, N. 1 und 8 zu Art. 91; SCHULTZ, Strafbestimmungen des SVG, S. 201). Vielmehr sind alle Personen erfasst, die sich auf Grund von
Art. 55 Abs. 1 SVG
einer Blutprobe unterziehen müssen. Dazu gehören neben dem Fahrzeugführer auch alle anderen am Unfall beteiligten Strassenbenützer.
Dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Unfalles Mitfahrer war, ist somit nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob er am Unfallgeschehen beteiligt war oder nicht. Die Mitfahrereigenschaft an sich sagt nichts darüber aus, ob
Art. 91 Abs. 3 SVG
anwendbar ist, wie man auf Grund von
Art. 51 Abs. 2 SVG
und 54 Abs. 1 VRV meinen könnte (BUSSY und RUSCONI, op.cit., N. 1.5 i.f. zu Art. 51; SCHULTZ, op.cit., S. 214).
Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist an einem Unfall beteiligt, wer in irgendeiner Weise am Unfallgeschehen mitgewirkt hat, unabhängig davon, ob er den Unfall verschuldete oder auch nur verursachte (
BGE 79 IV 179
,
BGE 83 IV 48
). Selbst eine mittelbare Mitwirkung genügt. Beteiligte sind mithin alle diejenigen, deren Verhalten für das Zustandekommen und deswegen auch für die Abklärung des Unfalles von Bedeutung sein kann (SCHULTZ, op.cit., S. 214). Auf Grund dieser Definition, die genau dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht, unterliegt es keinem Zweifel, dass der Beschwerdeführer am Unfall beteiligt war. Sein Verhalten zeigt dies in mehrfacher Hinsicht. Einmal bestand zwischen dem Überlassen des Personenwagens durch den Beschwerdeführer an den angetrunkenen Führer und dem Unfallgeschehen ein adäquater Kausalzusammenhang. Eine solche Beziehung zum Unfall bewirkte auch der Griff des Beschwerdeführers in das Lenkrad; dieses Verhalten konnte ihn sogar einem Fahrzeugführer gleichstellen (
BGE 60 I 160
). Ferner war er Halter des Wagens und daher haftbar.
Demnach war der Beschwerdeführer im Sinne des Gesetzes
BGE 100 IV 258 S. 262
am Unfall beteiligt, weshalb seine Verhinderung der Blutprobe unter
Art. 91 Abs. 3 SVG
fällt.
4.
Gemäss ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes bezieht sich
Art. 91 Abs. 3 SVG
auf alle Fälle, in denen die Blutprobe vereitelt wird, selbst wenn eine amtliche Anordnung derselben nicht erfolgt ist. Es genügt, dass der Täter nach den Umständen des Falles mit einer Blutprobe rechnete oder rechnen musste (
BGE 95 IV 144
und
BGE 90 IV 94
). Dass der Beschwerdeführer eine solche Massnahme erwartet hatte, ergibt sich aus dem vorinstanzlichen Urteil. Dort wird ausdrücklich festgehalten, dass er subjektiv erkannt habe, die Polizei würde wahrscheinlich eine Blutprobe anordnen. Das ist eine tatsächliche Feststellung, die den Kassationshof bindet (
Art. 277 bis BStP
).
Da der Beschwerdeführer das Fahrzeug nicht verliess, als es mit abgestelltem Motor vor dem Rotlicht der Kreuzung Heiligholz stillstand, und da er auch beim Halt in Aesch sich nicht der Polizei stellte, muss geschlossen werden, dass er die gemeinsame Flucht mit Y. billigte. Damit hat er die Blut-. probe im Sinne des Gesetzes vereitelt.
Demgemäss ist der Beschwerdeführer zu Recht nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
verurteilt worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3f0f38f8-2567-4795-a231-3e873e87fa67 | Urteilskopf
108 II 369
70. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 23 septembre 1982 dans la cause dame X. contre Y. (recours en réforme) | Regeste
Art. 156 Abs. 1 ZGB
. Zuweisung der elterlichen Gewalt.
1. Von der Regel, dass vor allem kleine Kinder der Mutter zuzuweisen sind, darf der Scheidungsrichter nur abweichen, wenn eine erhebliche Gefährdung der Kinder besteht (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 3a).
2. Der Umstand, dass die Mutter lesbisch ist, bildet an sich noch keine solche Gefährdung. Es muss dazukommen, dass die Homosexualität die Kinder einer ernsten Gefahr für ihre Entwicklung und Erziehung aussetzt; zum Beispiel wenn die Freundin die Mutter übermässig in Anspruch nimmt. Die Wahrnehmung dieser Abhängigkeit kann für halbwüchsige Mädchen ungute Folgen haben (E. 3b). | Erwägungen
ab Seite 370
BGE 108 II 369 S. 370
Extrait des considérants:
3.
a) L'
art. 156 al. 1 CC
charge le juge du divorce de prendre les mesures nécessaires concernant l'exercice de l'autorité parentale et les relations personnelles entre parents et enfants. Il ne lui impose aucune règle rigide, mais lui laisse un large pouvoir d'appréciation (
ATF 38 II 14
consid. 4), dont il doit user conformément à l'
art. 4 CC
, soit en appliquant les règles du droit et de l'équité.
Au sujet de l'attribution de l'autorité parentale et de la garde à l'un ou l'autre des parents, la jurisprudence (
ATF 93 II 158
in fine,
ATF 85 II 228
ss,
ATF 79 II 241
ss,
ATF 65 II 132
,
ATF 62 II 11
,
ATF 53 II 195
et les arrêts cités) et la doctrine (EGGER, n. 4 ad
art. 156 CC
; BÜHLER/SPÜHLER, n. 79-82 ad
art. 156 CC
; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3e éd., p. 153, supplément pp. 50/51; DESCHENAUX/TERCIER, Le mariage et le divorce, 2e éd., p. 127; TUOR/SCNNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9e éd., p. 160; BÜHLER, Das Ehescheidungsverfahren, RDS 1955 II 405a; BARDE, Le procès en divorce, RDS 1955 II 536a) accordent une importance décisive à l'intérêt de l'enfant. Cet intérêt doit être apprécié dans chaque espèce en fonction des circonstances particulières: il faut choisir une solution qui assure à l'enfant la stabilité dont il a besoin pour se développer harmonieusement (
ATF 94 II 3
consid. 2), d'après la situation de fait existant au moment où statue le juge du divorce et en considération de l'évolution probable (
ATF 65 II 132
).
Les enfants en bas âge, auxquels l'affection et les soins maternels sont spécialement nécessaires, sont généralement confiés à leur mère, lorsqu'elle est à même de s'occuper d'eux et de se vouer personnellement à leur éducation (
ATF 85 II 231
consid. 1). S'agissant d'enfants plus grands, d'autres éléments doivent être pris en considération, tels que le sexe, l'état de santé, les rapports affectifs avec chacun des parents, la religion, le nombre des enfants (EGGER, n. 5 ad
art. 156 CC
). Du côté des parents, les qualités éducatives sont déterminantes, ainsi que l'aptitude à assurer la
BGE 108 II 369 S. 371
garde et l'entretien de l'enfant, à surveiller son instruction, le milieu dans lequel il sera appelé à vivre, les conditions de logement, les circonstances propres à favoriser son développement physique et moral ou les inconvénients qui pourraient nuire à son épanouissement (EGGER, n. 6 ad
art. 156 CC
; HINDERLING, p. 154 s.).
L'attribution des enfants à la mère est une solution dont le juge doit s'écarter quand des raisons impérieuses le commandent: il ne faut notamment pas que les enfants soient exposés, en vivant auprès de leur mère, à un danger sérieux pour leur développement et leur éducation (
ATF 85 II 231
,
ATF 79 II 241
). La cour cantonale a expressément adopté ce critère; la seule question qui se pose est de savoir si elle l'a correctement appliqué d'après les faits établis.
b) A soi seul, le fait que la mère est homosexuelle ne constitue pas une raison impérieuse de ne pas lui attribuer l'autorité parentale: on peut parfaitement concevoir qu'une lesbienne sache mener sa vie intime avec discrétion, sans que ses enfants en soient perturbés. Mais tel n'est pas le cas en l'espèce. S'il n'est pas établi que la recourante se soit mal conduite en présence de ses filles, il n'en reste pas moins que dame Z. est omniprésente, sans même que dame X. cherche à se soustraire à cette emprise lors de l'exercice du droit de visite: le spectacle d'une telle soumission est malsain pour des enfants au seuil de l'adolescence.
Mais il y a plus. De 1979 à 1981, les experts, dont la juridiction cantonale résume les conclusions dans l'arrêt attaqué, ont toujours été d'avis que les enfants devaient être confiées au père. Leur opinion, d'abord exprimée avec beaucoup de nuances dans l'idée que dame X. serait capable d'améliorer son comportement, n'a fait que se renforcer. Selon eux, la recourante "ne parvient pas à situer les intérêts de ses enfants par rapport aux siens", ni "à être consciente du fait que la rupture conjugale ne signifie pas nécessairement une rupture familiale": cette constatation du rapport du 4 juin 1980 est confirmée dans celui du 28 avril 1981. De telles considérations donnent à craindre qu'il n'y ait danger sérieux pour le développement et l'éducation d'enfants qui risquent d'être élevées de manière trop possessive, sinon égoïste.
Le père, en revanche, fait preuve de plus de stabilité. Selon le rapport du 28 avril 1981, il y a "une évolution constante dans sa démarche personnelle qui améliore son approche des enfants et sa relation éducative"; l'assistant social a "l'impression qu'il manifeste une meilleure maîtrise de ses pulsions".
BGE 108 II 369 S. 372
4.
D'après ce qui précède, il n'y a pas eu violation du droit fédéral en l'espèce: la cour cantonale n'a pas outrepassé le pouvoir d'appréciation que lui confère l'
art. 156 al. 1 CC
, en attribuant l'autorité parentale au père. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f0fdd33-4e49-43bb-827e-b5b2577c3330 | Urteilskopf
117 II 321
58. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Juli 1991 i.S. Valser Mineralquellen AG gegen Passugger Heilquellen AG (Berufung) | Regeste
Markenschutz.
1. Über allgemein bekannte Tatsachen muss nicht Beweis geführt werden (E. 2).
2. Voraussetzungen der Schutzfähigkeit von Marken, die aus Ortsbezeichnungen gebildet werden, insbesondere für Produkte, deren Qualität massgeblich von der Bodenbeschaffenheit abhängt (E. 3).
3. Verwechselbarkeit von Marken (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 322
BGE 117 II 321 S. 322
A.-
Die Valser Mineralquellen AG (früherer Firmenname: Valser St. Petersquelle) gewinnt seit 1961 in Vals Mineralwasser, das sie unter der Marke Valser auf den Markt bringt. Sie ist Inhaberin der 1976 ins Markenregister eingetragenen Schweizermarke Nr. 282 713 Valser für Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer, andere alkoholfreie Getränke, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.
Die Passugger Heilquellen AG befasst sich ebenfalls mit der Gewinnung und dem Vertrieb von Mineralwasser. Im Zusammenhang mit Bestrebungen, in Vals eine Quelle zu erwerben, hinterlegte sie am 15. Februar 1988 beim Bundesamt für geistiges Eigentum die Marken Optima Vals, Optima Valsertal, Piz Ault Vals, Piz Ault Valsertal, Primus Vals und Primus Valsertal für Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer aus Vals beziehungsweise aus dem Valsertal und damit hergestellte andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte, Sirupe und Präparate zur Herstellung von Getränken schweizerischer Herkunft. Die Marken wurden in der Folge unter den Nummern 365 358 bis 365 363 ins Register eingetragen.
B.-
Am 12. September 1989 erhob die Valser Mineralquellen AG beim Kantonsgericht von Graubünden Klage gegen die Passugger Heilquellen AG mit folgendem Antrag in der Sache:
"1. Es seien die Schweizer Marken 365 358 OPTIMA VALS, 365 359
OPTIMA VALSERTAL, 365 360 PIZ AULT VALS, 365 361 PIZ
AULT VALSERTAL, 365 362 PRIMUS VALS und 365 363
PRIMUS VALSERTAL der Beklagten nichtig zu erklären.
2. Es sei der Beklagten unter Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer verantwortlichen Organe gemäss
Art. 292 StGB
mit Haft oder Busse im Widerhandlungsfall - gerichtlich zu untersagen, die Marken
OPTIMA VALS, OPTIMA VALSERTAL, PIZ AULT VALS, PIZ
AULT VALSERTAL, PRIMUS VALS oder PRIMUS VALSERTAL
im Geschäftsverkehr, insbesondere zur Kennzeichnung von Mineralwasser zu verwenden.
3. Die Klägerin sei zu ermächtigen, das Urteil auf Kosten der Beklagten je einmal in zwei schweizerischen Tageszeitungen ihrer Wahl in der Grösse einer Viertelsseite zu veröffentlichen."
BGE 117 II 321 S. 323
Die Beklagte beantragte am 10. Januar 1990 die Abweisung der Klage. Am gleichen Tag ersuchte sie das Bundesamt für geistiges Eigentum, die umstrittenen Marken im Register wieder zu löschen.
Mit Urteil vom 19. Juni 1990 schrieb das Kantonsgericht die Klage ab, soweit sie infolge der Löschung der Marken im Register gegenstandslos geworden war, und wies sie im übrigen ab.
C.-
Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung teilweise gut, hebt den kantonsgerichtlichen Entscheid auf und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Unbegründet ist die Rüge der Klägerin, das Kantonsgericht habe
Art. 8 ZGB
verletzt, weil es seinem Urteil, ohne Beweise zu erheben, die bestrittene Behauptung der Beklagten zugrunde gelegt habe. Mineralwasser sei ein Naturprodukt, dessen Qualität von der Bodenbeschaffenheit abhänge. Dass die Bodenbeschaffenheit auf die Eigenschaften von Quellwasser einen massgebenden Einfluss hat, ist allgemein bekannt. Über allgemein bekannte Tatsachen aber braucht nicht Beweis geführt zu werden (VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl. 1988, S. 190 Rz. 17; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990, S. 381 Rz. 636; KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl. 1984, S. 122). ...
3.
Das Kantonsgericht hält dafür, der Bezeichnung Valser gehe die Schutzfähigkeit als Marke ab. Das Markenrecht gebe deshalb keine Handhabe, der Beklagten die Verwendung des Ortsnamens Vals zur Kennzeichnung eines dort gewonnenen Mineralwassers zu untersagen. Die Klägerin beanstandet diese Auffassung als bundesrechtswidrig.
a) Zeichen, die als Gemeingut anzusehen sind, geniessen den gesetzlichen Schutz als Marken nicht (
Art. 3 Abs. 2 und
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
). Als Gemeingut gelten nach der Rechtsprechung unter anderem geographische Namen, soweit sie nicht offensichtlich als blosse Phantasiebezeichnungen verwendet werden, die nichts darüber aussagen, aus welcher Ortschaft oder Gegend die Ware kommt (
BGE 92 II 274
E. 2 mit Hinweisen).
An sich nicht schutzfähige Zeichen können jedoch zu gültigen Marken werden, wenn sie sich im Verkehr als Kennzeichen eines bestimmten Produzenten oder Händlers durchgesetzt haben
BGE 117 II 321 S. 324
(MATTER, Kommentar zum MSchG, S. 62 ff.; DAVID, Kommentar zum MSchG, N. 35 zu Art. 3). So kann insbesondere auch ein geographischer Name, der die Herkunft der Ware angibt, die Natur eines Freizeichens verlieren und zum Individualzeichen werden, wenn er während langer Zeit nur von einem einzigen Unternehmer als Marke verwendet wird (
BGE 92 II 274
E. 2;
BGE 82 II 355
E. 3a, je mit Hinweisen).
Nach TROLLER (Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1983, S. 331), auf den sich das Kantonsgericht beruft, kann das Alleinrecht an einer derartigen Ortsbezeichnung allerdings nur erworben werden, wenn die Warenqualität der Arbeitsleistung zuzuschreiben ist. Hängen die Eigenschaften der Ware dagegen von der Bodenbeschaffenheit ab, so kann nach der Auffassung dieses Autors das Recht, den Ortsnamen zu verwenden, den andern Produzenten gleicher Erzeugnisse nicht entzogen werden. Dem kann indessen nicht uneingeschränkt gefolgt werden.
TROLLER stützt seine Ansicht auf
BGE 38 II 697
f. Im dort beurteilten Fall, in welchem es um die Verwendung des Ortsnamens Brûlefer als Marke für Weine ging, war jedoch entscheidend, dass der Wein von Brûlefer schon seit langer Zeit als guter Tropfen bekannt war und der Beklagte den von ihm hergestellten Wein bereits mit Brûlefer bezeichnet hatte, bevor der Kläger diesen Namen zu seinen Gunsten ins Markenregister hat eintragen lassen. Daraus, dass das Bundesgericht es abgelehnt hat, unter diesen Umständen ein Markenrecht des Klägers anzuerkennen, lässt sich demnach keine Sonderregel für Waren ableiten, deren Qualität nicht auf die Arbeitsleistung des Herstellers, sondern auf die Bodenbeschaffenheit zurückzuführen ist. Der Entscheid beruht vielmehr auf dem allgemeinen Grundsatz, dass Namen und Begriffe, die bereits als Bezeichnung für eine bestimmte Gattung von Waren bekannt sind, nicht als Marken monopolisiert werden können.
Die Tatsache, dass auch Handelsmarken ins Markenregister eingetragen werden können, zeigt denn auch, dass der Gesichtspunkt der Arbeitsleistung für den Markenschutz jedenfalls nicht allein ausschlaggebend sein kann. Es kommt nicht etwa darauf an, ob ein Hersteller den Schutz seiner Marke aufgrund der für die Herstellung seines Produkts aufgewendeten Mühe gewissermassen verdient hat. Wesentlich ist vielmehr einzig, dass das als Marke dienende Zeichen genügend unterscheidungskräftig ist und dass der Anerkennung eines ausschliesslichen Rechts auf seine markenmässige
BGE 117 II 321 S. 325
Verwendung kein überwiegendes Freihaltebedürfnis entgegensteht.
Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts kann es deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass eine aus einer Ortsbezeichnung gebildete Marke für ein Erzeugnis, dessen Qualität massgeblich von der Bodenbeschaffenheit abhängt, Schutzfähigkeit erlangt, indem sie sich im Verkehr als Individualzeichen eines bestimmten Unternehmens durchsetzt. Das heisst indessen umgekehrt nicht, dass für die Frage der Schutzfähigkeit einer Ortsbezeichnung als Marke ohne jede Bedeutung wäre, wie stark die Eigenschaften des Produkts vom Boden und von den übrigen Umweltbedingungen (Klima, Sonneneinstrahlung, Regenmenge usw.) beeinflusst werden. Denn je stärker die Abhängigkeit der Warenqualität von der Bodenbeschaffenheit oder von anderen örtlichen Gegebenheiten ist, desto ausgeprägter ist auch der beschreibende Charakter der aus dem Ortsnamen gebildeten Marke und desto gewichtiger ist daher das einer markenrechtlichen Monopolisierung der Ortsbezeichnung entgegenstehende Freihaltebedürfnis. An das Mass der Verkehrsdurchsetzung werden deshalb umso höhere Anforderungen zu stellen sein (
BGE 87 II 352
E. a; vgl. ferner JENE-BOLLAG, Die Schutzfähigkeit von Marke und Ausstattung unter dem Gesichtspunkt des Freihaltebedürfnisses, Diss. Basel 1981, S. 121; MARBACH, Die eintragungsfähige Marke, Diss. Bern 1989, S. 78; MATTER, a.a.O., S. 63).
b) Die Schützbarkeit von Ortsbezeichnungen als Marken für Mineralwasser ist im übrigen auch gewohnheitsrechtlich anerkannt. Es ist in der Schweiz allgemein üblich, Mineralwassermarken aus Ortsnamen zu bilden. Das Bundesamt für geistiges Eigentum hat die Eintragung solcher Marken seit jeher zugelassen. Ferner ist auch das Bundesgericht in
BGE 82 II 355
E. 3a davon ausgegangen, dass die aus dem Ortsnamen Weissenburg gebildete Mineralwassermarke Weissenburger des Markenschutzes fähig ist.
c) Für den vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass die Marke Valser für das von der Klägerin vertriebene Mineralwasser grundsätzlich schutzfähig sein kann. Voraussetzung ist allerdings, dass sich diese Bezeichnung als Kennzeichen der Klägerin im Verkehr hinreichend durchgesetzt hat. Dazu fehlen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Dieses ist deshalb gestützt auf
Art. 64 Abs. 1 OG
aufzuheben und die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 117 II 321 S. 326
4.
Sollte das Kantonsgericht bei der erneuten Beurteilung der Streitsache zum Ergebnis gelangen, dass die Marke der Klägerin infolge Verkehrsdurchsetzung schutzfähig ist, so wird es weiter zu prüfen haben, ob die von der Beklagten beanspruchten Warenbezeichnungen mit dieser Marke verwechselbar sind. Dabei wird von folgenden Grundsätzen auszugehen sein.
Ob sich die jüngere Marke durch genügende Merkmale von einer älteren unterscheidet (
Art. 6 Abs. 1 MSchG
), hängt vom Gesamteindruck ab, den die Zeichen beim kaufenden Publikum hinterlassen, wobei dieser Gesamteindruck allerdings durch einen einzelnen Bestandteil entscheidend beeinflusst werden kann (
BGE 112 II 163
E. 2 mit Hinweisen). Ein strenger Massstab ist insbesondere anzulegen, wenn die Waren weitgehend identisch sind (
BGE 102 II 125
E. 2 mit Hinweisen) und wenn es sich um Massenartikel des täglichen Gebrauchs handelt (
BGE 96 II 404
E. 2 mit Hinweisen).
Ist eine Ortsbezeichnung zufolge Verkehrsdurchsetzung zur Marke eines Unternehmens geworden, so kann Konkurrenzunternehmen, die sich nachträglich am gleichen Ort niederlassen, zwar nicht untersagt werden, auf die Herkunft ihrer Ware hinzuweisen. Sie haben aber für genügende Unterscheidbarkeit gegenüber der prioritätsälteren Marke zu sorgen. Die Rechtslage ist ähnlich wie beim Gegenüberstehen der Marken von Gleichnamigen (TROLLER, a.a.O., S. 296). Auseinandersetzungen zwischen zwei am selben Ort ansässigen Unternehmen um die markenmässige Verwendung des Ortsnamens lassen sich nicht schematisch nach einheitlichen Regeln beurteilen. Wie beim Gegenüberstehen der Marken von Gleichnamigen ist in jedem Einzelfall ein Abwägen der gegenseitigen Interessen erforderlich (
BGE 116 II 619
E. d). Dem Interesse des Ortsansässigen an der Verwendung des Ortsnamens wird dabei allerdings erheblich weniger Gewicht beizumessen sein, als der aus dem Namensrecht fliessenden Befugnis des Namensträgers zukommt, den eigenen Namen bei allen sich bietenden Gelegenheiten als Mittel der Identifizierung zu verwenden (vgl.
BGE 102 II 170
mit Hinweisen). | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f100ad2-eb24-464c-8523-6133cc4327fe | Urteilskopf
138 III 461
68. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. SA et Y. SA contre Z. SA (recours en matière civile)
4A_139/2012 du 8 juin 2012 | Regeste
Art. 2, 4, 6 und 8 DesG; Prinzip der Hinterlegungspriorität, Nichtigkeitsgrund, Schutzumfang des zuerst hinterlegten (prioritären) Designs.
Nichtig ist nach
Art. 6 DesG
die Eintragung eines Designs, das hinterlegt wurde, als eine erste Hinterlegung (eines Designs, das Priorität geniesst) bereits vollzogen worden war; dass das zuerst hinterlegte Design noch nicht eingetragen wurde, ist unerheblich (E. 2).
Die Nichtigkeit der Eintragung, die sich aus
Art. 6 DesG
ergibt, erfasst sowohl mit dem zuerst hinterlegten identische Designs als auch ähnliche, die den gleichen Gesamteindruck erwecken (vgl.
Art. 8 DesG
; E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 461
BGE 138 III 461 S. 461
A.
X. SA et Y. SA (ci-après: les demanderesses), sociétés soeurs actives dans le domaine de l'horlogerie, ont réalisé des inventions dans
BGE 138 III 461 S. 462
le domaine du tourbillon. Certains de leurs mouvements intégrant ce dispositif mécanique sont logés dans un boîtier qui présente une protubérance de forme arrondie venant casser le cercle de la boîte. Le design de ce boîtier a fait l'objet d'un dépôt, par les demanderesses, auprès de l'Institut Fédéral de la Propriété Intellectuelle le 25 janvier 2005; il y a été enregistré le 8 mars 2005, puis a été publié le 31 mars 2005 (design suisse n
o
1).
A la fin de l'année 2008, les demanderesses ont constaté que la société Z. SA (ci-après: la défenderesse) lançait un modèle de montre présentant une boîte munie d'une protubérance.
B.
Devant la Cour civile du Tribunal cantonal neuchâtelois, les demanderesses, se fondant sur leur design, ont notamment conclu à ce qu'il soit ordonné à la défenderesse de cesser de mettre dans le commerce une montre dont le boîtier présente une protubérance (conclusion n
o
1), de fournir le nom des fabricants de la boîte litigieuse (n
o
2), ainsi que tous les documents utiles permettant de déterminer le chiffre d'affaires réalisé par la défenderesse (n
o
3), à la condamnation de celle- ci à restituer le gain brut réalisé (n
o
4) et à ce que la confiscation et la destruction du stock de montres en sa possession soient ordonnées (n
o
5).
La défenderesse, dans sa réponse et demande reconventionnelle, a notamment conclu au rejet de la demande et à ce que soit déclaré nul le design suisse n
o
1. Elle est d'avis que son boîtier laisse une impression générale différente de celle du design des demanderesses. Invoquant une tierce antériorité, elle fait également valoir le principe de la priorité du dépôt; selon elle, le design suisse n
o
2 de A. SA, déposé le 23 novembre 2004 (et enregistré le 8 février 2005, puis publié le 28 février 2005), est prioritaire sur celui des demanderesses, de sorte que celles-ci ne peuvent se prévaloir d'aucun droit.
Par jugement sur moyen séparé du 9 février 2012, la Cour civile du Tribunal cantonal neuchâtelois a rejeté les conclusions n
os
1 et 2 de la demande principale et, donnant suite à la demande reconventionnelle, constaté la nullité du design suisse n
o
1. En substance, elle a admis que la nullité de l'enregistrement, invoquée par voie d'exception, pouvait être fondée sur l'art. 6 de la loi fédérale du 5 octobre 2001 sur la protection des designs (loi sur les designs, LDes; RS 232.12). Elle a expliqué que la priorité d'un dépôt antérieur valait aussi bien pour des designs identiques que pour des designs similaires qui créent la même impression d'ensemble. Elle a alors observé que le design
BGE 138 III 461 S. 463
déposé par les demanderesses présentait les mêmes caractéristiques que le design déposé antérieurement par A. SA et conclu qu'en raison de cette (tierce) antériorité l'enregistrement des demanderesses était nul.
C.
Les demanderesses exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral. Elles concluent à l'annulation du jugement entrepris et au renvoi de la cause à la cour précédente. Les recourantes reprochent à celle-ci d'avoir fait une interprétation erronée de l'
art. 6 LDes
, accordant à cette disposition une portée trop large.
L'intimée conclut au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.1
Aux termes de l'
art. 9 al. 1 LDes
, le droit à un design confère à son titulaire le droit d'interdire aux tiers l'utilisation du design à des fins industrielles. Par utilisation, on entend notamment la fabrication, l'entreposage, l'offre, la mise en circulation, l'importation, l'exportation, le transit et la possession à ces fins. Le droit prend naissance avec l'enregistrement du design dans le registre suisse (
art. 5 al. 1 LDes
), ou, si la Suisse est désignée, avec un enregistrement international effectué selon l'Arrangement de La Haye (
art. 29 LDes
).
Outre l'enregistrement, la protection légale suppose que le design soit nouveau et original (
art. 2 al. 1 LDes
). Dès le dépôt de la demande d'enregistrement, le design est présumé nouveau et original (
art. 21 LDes
).
2.2
Sur la base de l'
art. 33 LDes
, celui qui y a un intérêt juridique peut agir en justice afin de faire constater qu'un design enregistré ne bénéficie pas de la protection légale. Ainsi, l'action peut être menée non seulement par le titulaire d'un design antérieur, mais par toute personne qui, en raison du design enregistré, pourrait être entravée dans sa liberté économique (cf. PETER HEINRICH, DesG/HMA, Kommentar, 2002, n
o
33.79 ad
art. 33 LDes
).
Le demandeur peut notamment faire valoir, le cas échéant, que ce design n'est pas nouveau ou pas original; il lui incombe de prouver le défaut de nouveauté ou d'originalité. Il peut notamment présenter des objets au design identique et prouver que ces objets étaient commercialisés en Suisse déjà avant le dépôt de la demande d'enregistrement (
ATF 134 III 205
consid. 3 p. 208 et les références).
BGE 138 III 461 S. 464
En l'occurrence, les recourantes intentent une action contre l'intimée dans le but qu'elle cesse son activité économique portant sur des montres dont le boîtier présente une protubérance. Il est ainsi patent que l'intimée dispose d'un intérêt juridique à faire déclarer nul le design des demanderesses, ce qui n'est d'ailleurs pas contesté.
Il est de jurisprudence que l'action en nullité de l'enregistrement peut aussi être exercée par voie d'exception contre une action fondée sur le design litigieux et tendant à l'interdiction prévue par l'
art. 9 al. 1 LDes
(
ATF 134 III 205
consid. 3 p. 208;
ATF 129 III 545
consid. 1 p. 548).
En l'espèce, l'intimée a invoqué la nullité de l'enregistrement et la cour cantonale lui a donné raison. Les recourantes reprochent à cette dernière d'avoir retenu à tort la nullité de leur design (n
o
1).
2.3
Lorsqu'un design entre en collision avec un design déposé antérieurement, celui-ci a le plus souvent déjà été enregistré dans le registre suisse. Le design antérieur est alors considéré comme divulgué au public (cf.
art. 2 al. 2 et 3 LDes
; HEINRICH, op. cit., n
o
2.14 ad
art. 2 LDes
, qui, n
o
2.08 ad
art. 2 LDes
, souligne à juste titre que le critère de la divulgation s'applique aussi bien à l'al. 2 qu'à l'al. 3 de l'
art. 2 LDes
; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, Designgesetz, 2006, n
o
77 ss ad
art. 2 LDes
); le design postérieur, qui ne remplit alors pas les conditions fixées à l'
art. 2 LDes
au moment de son dépôt, est exclu de la protection (cf.
art. 4 let. b LDes
).
La situation d'espèce est toutefois différente. Sa particularité tient au fait que le design n
o
1 (dont les recourantes sont titulaires) a été déposé alors même que le design n
o
2 (tierce antériorité invoquée par l'intimée), déposé antérieurement, n'avait pas encore été enregistré. Cette situation particulière implique nécessairement de réfléchir sur l'application de l'
art. 6 LDes
(cf. infra).
Les recourantes considèrent que l'
art. 4 LDes
énumère les motifs d'exclusion de la protection de manière exhaustive. Elles sont d'avis qu'un design uniquement déposé mais pas encore enregistré ne peut pas être connu du public (cf.
art. 2 LDes
) et que, sur la base de l'
art. 4 let. b LDes
, il ne peut donc pas entraîner la nullité d'un design déposé postérieurement dans l'ignorance du premier dépôt. Les recourantes soutiennent que l'
art. 6 LDes
doit être compris dans ce cadre. Selon elles, l'antériorité du droit découlant du premier dépôt ne peut ruiner la nouveauté (ou l'originalité) du second dépôt que si elle a pu être connue des milieux spécialisés du secteur concerné en Suisse ou si elle a été divulguée au public avant la date de dépôt du second
BGE 138 III 461 S. 465
design. Autrement dit, l'enregistrement du premier design déposé n'ayant pas encore eu lieu, il ne peut être compris dans l'"état du design" et ce premier design n'est pas susceptible, de l'avis des recourantes, de causer la nullité du design déposé postérieurement.
2.4
On ne saurait suivre les recourantes lorsqu'elles tentent de se prévaloir du caractère exhaustif de l'
art. 4 LDes
pour donner à l'
art. 6 LDes
une portée s'inscrivant restrictivement dans le cadre de l'
art. 4 let. b LDes
. Cela reviendrait à ignorer le contenu de l'
art. 6 LDes
, disposition pourtant située au même niveau normatif que l'
art. 4 LDes
(cf. HEINRICH, op. cit., n
o
4.02 ad
art. 4 LDes
; SASKIA ESCHMANN, Rechtsschutz von Modedesign, 2005, p. 106 note de pied 506).
Selon l'
art. 6 LDes
, le droit sur un design appartient à la personne qui a effectué le dépôt en premier. Le principe de la priorité du dépôt est ainsi clairement exprimé (cf. MICHAEL A. MEER, Das neue Designgesetz - ein Überblick, PJA 8/2002 p. 938). Le droit appartenant au premier déposant, il en résulte logiquement que le deuxième déposantne peut s'en prévaloir. Pour celui-ci, la protection du design est d'emblée exclue; on peut donc en déduire que l'
art. 6 LDes
crée un motif de nullité (MARKUS WANG, Designrecht, SIWR vol. VI, 2007, p. 140; HEINRICH, op. cit., n° 6.07 ad
art. 6 LDes
; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, op. cit., n° 14 ad
art. 6 LDes
; KAMEN TROLLER, Précis du droit suisse des biens immatériels, 2
e
éd. 2006, p. 271, observe qu'à l'
art. 4 LDes
la nullité du dépôt a également été
déduite
du texte de la loi, celle-ci se limitant à énumérer des motifs d'exclusion; cf. également l'ordonnance de la Cour de justice de Genève du 28 juillet 1995, in SMI 1996 p. 378, qui parle d'un deuxième dépôt "dénué de valeur").
Ce motif de nullité est indépendant de l'
art. 2 LDes
et la divulgation (en l'occurrence l'enregistrement, cf. supra consid. 2.3) du design antérieur ne joue donc aucun rôle dans l'application de l'
art. 6 LDes
. On observe que cette dernière règle prend toute son importance dans l'hypothèse d'un dépôt suisse effectué avant la divulgation d'un design antérieur, mais après le dépôt de celui-ci, le premier déposant ne pouvant, dans cette hypothèse, pas invoquer l'
art. 4 let. b LDes
(cf. supra consid. 2.3; WANG, op. cit., p. 141).
Certes, le Message du 16 février 2000 relatif à l'Acte de Genève de l'Arrangement de La Haye concernant l'enregistrement international des dessins et modèles industriels et à la loi fédérale sur la protection des designs indique, dans le commentaire relatif à l'
art. 4 LDes
, que la "P/LDes énumère de façon exhaustive les motifs d'exclusion" (FF 2000 2599 ch. 2.2.1.1; cf. également
ATF 130 III 636
consid. 2.1.2
BGE 138 III 461 S. 466
p. 640). Cela signifie simplement que le juge ne peut se fonder sur d'autres motifs d'exclusion que ceux expressément prévus par la loi. Le caractère exhaustif de ces motifs ne saurait par contre se rapporter à la seule énumération de l'
art. 4 LDes
, le législateur ayant lui-même prévu, à l'
art. 6 LDes
, un motif d'exclusion supplémentaire par rapport à ceux inscrits à l'
art. 4 LDes
.
Le simple fait que l'
art. 4 LDes
, qui contient les "motifs d'exclusion" de la protection (cf. note marginale), n'a pas fait l'objet d'une adaptation formelle au cours du processus législatif, pour y englober expressément le motif inscrit à l'
art. 6 LDes
(cf. HEINRICH, op. cit., n
o
6.07 ad
art. 6 LDes
), ne permet pas d'adhérer à la thèse défendue par les recourantes. Il s'agit là d'une simple question rédactionnelle; la volonté du législateur d'inscrire dans la loi un motif de nullité supplémentaire n'en demeure pas moins reconnaissable à la lecture de l'
art. 6 LDes
(STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, op. cit., n
o
14 ad
art. 6 LDes
et les références).
2.5
Les recourantes ajoutent qu'elles ne pourraient admettre que la divulgation du design antérieur ne joue aucun rôle dans l'application de l'
art. 6 LDes
que si la LDes prévoyait une dérogation expresse aux al. 2 et 3 de son art. 2. Elles en veulent pour preuve que le législateur, en matière de droit des brevets, a expressément indiqué qu'en ce qui concerne la nouveauté, l'état de la technique comprend également le contenu d'une demande antérieure, dont la date de dépôt est antérieure à la date de dépôt de la seconde demande, rendue accessible au public au plus tôt à la date du dépôt de la seconde demande (cf.
art. 7 al. 3 LBI
qui correspond pour l'essentiel à l'art. 7a de l'ancienne LBI en vigueur au moment de l'adoption de la LDes).
La comparaison ne convainc pas puisqu'elle permet tout au plus de montrer que le législateur n'a pas utilisé la même technique législative lors de la rédaction de la LDes. Au cours des travaux préparatoires relatifs à la LDes, le législateur a en effet sciemment renoncé à reprendre dans cette loi une réglementation similaire à celle prévue à l'art. 7a aLBI, l'effet juridique visé (la nullité de l'enregistrement du design déposé postérieurement) pouvant aisément être déduit du seul texte de l'
art. 6 LDes
(cf. HEINRICH, op. cit., n° 6.07 ad
art. 6 LDes
).
2.6
On peut encore observer qu'il n'existe aucune controverse doctrinale sur la portée ainsi définie de l'
art. 6 LDes
, les auteurs étant unanimes à ce sujet (WANG, op. cit., p. 140 s.; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, op. cit., n° 14 ad
art. 6 LDes
; ANNETTE OBOLENSKY, in Designrecht -
BGE 138 III 461 S. 467
Kommentar, Staub/Celli [éd.], 2003, n
os
15 et 17 ad
art. 6 LDes
; ESCHMANN, op. cit., p. 106 note de pied 506; HEINRICH, op. cit., n
o
6.07 ad
art. 6 LDes
est du même avis, même si les explications qu'il donne, n
os
2.33 et 2.14 ad
art. 2 LDes
, peuvent prêter à confusion). Plusieurs auteurs soulignent la nécessité d'adopter une telle interprétation en rappelant que, dans l'hypothèse d'un ajournement de la publication au sens de l'
art. 26 LDes
, il peut s'écouler jusqu'à trente mois entre le premier dépôt et sa publication (entre autres auteurs: HEINRICH, op. cit., n
o
6.06 ad
art. 6 LDes
). Dans cette hypothèse, le design est inscrit dans le registre (art. 25 al. 2 let. b de l'ordonnance du 8 mars 2002 sur la protection des designs [ordonnance sur les designs, ODes; RS 232.121]), mais cette inscription ne peut être consultée par le public (
art. 26 al. 1 ODes
); le design n'est donc pas encore divulgué au sens de l'
art. 2 LDes
.
Les recourantes contestent l'argumentation fournie par ces auteurs, estimant que la particularité de l'ajournement ne justifie pas de retenir une priorité de droit "automatique", c'est-à-dire indépendante de la divulgation du design antérieur. Selon elles, il incombe au premier déposant qui demande l'ajournement de la publication de supporter le risque de ne pas pouvoir faire constater la nullité (pour défaut de nouveauté/d'originalité sur la base de l'
art. 2 LDes
) d'un second dépôt intervenu avant la divulgation du premier dépôt.
La critique des recourantes ne convainc pas à deux points de vue. Premièrement, même si la procédure d'enregistrement d'un design est relativement rapide (cf. ESCHMANN/THOUVENIN, Das revidierte Schweizer Designrecht, sic! 6/2002 p. 468), il peut quand même se passer - comme cela a été le cas en l'espèce - plusieurs semaines entre le moment du dépôt et celui de l'inscription dans le registre (qui vaut divulgation), en dehors de toute demande d'ajournement de la publication (cf. HEINRICH, op. cit., n
o
6.06 ad
art. 6 LDes
). On ne peut donc parler, comme le font les recourantes, d'un "risque inhérent à l'ajournement" que le premier déposant "prend sciemment" et qu'il doit alors supporter.
Deuxièmement, même dans l'hypothèse d'une demande d'ajournement, on ne saurait faire supporter au premier déposant ce "risque inhérent". Cela serait contraire au système adopté par le législateur dans la LDes. Celui-ci a octroyé au déposant la possibilité de demander l'ajournement de la publication sans apporter aucune correction quant à l'effet (ordinaire) du dépôt (cf.
art. 6 LDes
); il n'était en particulier
BGE 138 III 461 S. 468
pas question de lier la demande d'ajournement à un éventuel report de la date de dépôt (pour un exemple de report explicitement prévu par le législateur, cf.
art. 29 al. 2 LPM
[RS 232.11]; cf. LUCAS DAVID, Lexikon des Immaterialgüterrechts, SIWR vol. I/3, 2005, p. 17). Dans son Message, le Conseil fédéral l'a d'ailleurs exprimé sans aucune ambiguïté puisqu'il indique, en parlant de l'ajournement, que les "designs non divulgués [déploient] néanmoins des effets juridiques" (FF 2000 2609 ch. 2.2.2.3 ).
On ne saurait d'ailleurs pas non plus faire supporter au déposant ce "risque inhérent" en tirant argument de la protection de l'utilisateur de bonne foi qui peut être entravé par l'existence de designs non divulgués. Cela reviendrait à ignorer que le législateur a tenu compte des intérêts d'un tel utilisateur par un procédé différent, qui consiste à lui donner le droit de poursuivre son utilisation dans les conditions fixées à l'
art. 12 LDes
(cf. HEINRICH, op. cit., n
o
26.03 ad
art. 26 LDes
; TROLLER, op. cit., p. 195; VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3
e
éd. 2008, n. 536 ss p. 111 s.).
2.7
L'argument fondé sur l'absence d'intérêt public "important", soulevé par les recourantes, tombe à faux. L'
art. 6 LDes
a pour fonction d'éviter que le registre des designs contienne deux droits portant sur un design identique ou similaire (sur cette dernière notion, cf. infra consid. 3) (cf. STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, op. cit., n
o
13 ad
art. 6 LDes
; OBOLENSKY, op. cit., n
os
15 et 17 ad
art. 6 LDes
). Le législateur a ainsi estimé qu'il était opportun de laisser la possibilité au premier déposant d'exclure de la protection, et donc du registre, le second design en procédant devant le juge civil (cf. OBOLENSKY, op. cit., n
o
19 ad
art. 6 LDes
). Il a laissé entendre que l'action du premier déposant permet alors d'augmenter "la sécurité juridique, puisque la réponse à la question de savoir qui est le titulaire d'un design doit en principe ressortir du registre" (FF 2000 2600 ch. 2.2.1.2). Le législateur a entrepris un choix et l'a concrétisé dans la LDes et la question, contrairement à ce que pensent les recourantes, n'est plus de savoir si le procédé choisi correspond à un "intérêt public important".
Quant à la comparaison avec la LBI, elle fournit plutôt des arguments supplémentaires en défaveur de la thèse des recourantes. En effet, reconnaître celle-ci reviendrait à admettre des "droits dépendants sur le design", soit des droits (postérieurs) valablement inscrits dans le registre, mais dont l'utilisation implique la violation d'un droit antérieur (cf. HEINRICH, op. cit., n
o
6.12 ad
art. 6 LDes
), terminologie qui n'est
BGE 138 III 461 S. 469
pas sans rappeler la notion d'"inventions dépendantes" utilisée en droit des brevets. Or, si le législateur a mis sur pied une réglementation adéquate pour ce dernier cas de figure à l'
art. 36 LBI
(RS 232.14), il n'a précisément rien prévu de tel en droit des designs (cf. HEINRICH, op. cit., n
o
6.12 ad
art. 6 LDes
).
S'agissant enfin de l'argument tiré de l'
art. 3 al. 3 LBI
, il ne convainc pas. Le simple fait de faire référence à une norme du droit des brevets traitant de la priorité du dépôt n'apporte encore aucun argument décisif. Pour trancher le litige d'espèce, il est indispensable d'adopter une réflexion faisant intervenir, à côté de la question du dépôt, celle du champ de protection (
Schutzumfang
) du design (cf. infra consid. 3). A cet égard, il serait inapproprié de tirer des enseignements de la LBI, les dispositions concernées figurant dans cette loi se rapportant déjà à un objet de protection (cf.
art. 1 LBI
) différent de celui visé par les règles contenues dans la LDes (
art. 1 LDes
) (cf. OBOLENSKY, op. cit., n
o
7 ad
art. 8 LDes
).
Le premier grief soulevé par les recourantes se révèle infondé.
3.
3.1
Dans une argumentation subsidiaire, les recourantes soutiennent que le premier dépôt de A. SA ne peut avoir aucun effet sur leur propre dépôt (postérieur), celui-ci n'étant pas identique ou quasi identique à celui-là. Ils présupposent que la portée de l'
art. 6 LDes
doit être limitée aux designs identiques, à l'exclusion des designs similaires créant la même impression d'ensemble (ci-après: designs similaires).
Les recourantes s'appuient sur l'avis d'un auteur de doctrine (HEINRICH, op. cit., n
o
6.11 ad
art. 6 LDes
) qui postule que la lettre de la loi ("droit sur un design") désigne
un
design et que, partant, l'exclusion ne peut viser qu'un design postérieur
identique
.
La position de cet auteur reste toutefois isolée, la doctrine majoritaire professant que le premier déposant peut, sur la base de son dépôt prioritaire au sens de l'
art. 6 LDes
, exclure tout design identique ou similaire, soit tout design qui tombe dans son champ de protection (WANG, op. cit., p. 142; OBOLENSKY, op. cit., n
os
15 et 17 ad
art. 6 LDes
; STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, op. cit., n
o
13 ad
art. 6 LDes
).
3.2
Le raisonnement adopté par les recourantes, sur la base d'une position doctrinale isolée, ne convainc pas. Il consiste en réalité à isoler un mot (
un
design) de son contexte pour en tirer une conclusion
BGE 138 III 461 S. 470
(portée de la priorité du premier dépôt limitée aux designs identiques) favorable à la thèse émise. Cette façon de procéder ne trouve aucune justification dans l'"interprétation littérale" prétendument entreprise par les recourantes.
La recherche du sens littéral d'une règle suppose de confronter les mots composant un texte avec le sens de l'entier du texte (PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, p. 91 n. 271; cf. ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, 3
e
éd. 2010, p. 78 et la référence). Or, il est patent que, à l'
art. 6 LDes
, le législateur a simplement voulu indiquer que le premier déposant dispose d'un droit ("droit sur un design"). La portée de ce droit ne résulte par contre pas du sens littéral de l'
art. 6 LDes
; elle doit être recherchée à l'
art. 8 LDes
("Etendue de la protection"), disposition qui indique que la protection conférée par le "droit sur un design" s'étend aux designs similaires dégageant la même impression d'ensemble (cf.
art. 8 LDes
;
ATF 134 III 205
consid. 6 p. 210 ss;
ATF 129 III 545
consid. 2 p. 548 ss; ROBERT M. STUTZ, Individualität, Originalität oder Eigenart? Schutzvoraussetzungen des Design, 2002, p. 239; NICOLAS MEYER, Der designrechtliche Schutz von Ersatzteilen, 2004, p. 162 et les auteurs cités).
Dans ce contexte, la doctrine relève très justement qu'elle n'a identifié aucun motif qui obligerait à retenir que l'effet de l'exclusion - qui découle du dépôt du premier design - selon l'
art. 6 LDes
aurait une portée plus restreinte que le champ de protection (cf.
art. 8 LDes
) de ce même design (WANG, op. cit., p. 142). Une conclusion contraire aurait d'ailleurs pour effet, non désirable, d'admettre que le design postérieur similaire est valablement né, alors même que toute utilisation future qui en serait faite violerait le design antérieur (cf. déjà consid. 2.7).
Quant à la référence faite à l'
art. 3 al. 3 LBI
, elle appelle la même observation que celle émise en rapport avec le premier moyen soulevé par les recourantes (cf. supra consid. 2.7).
Enfin, c'est à tort que les recourantes soutiennent encore que la défense des droits du titulaire, souci du législateur lors de l'adoption de la LDes, ne nécessite pas une protection plus large. Le titulaire d'un design antérieur déposé mais pas encore divulgué au moment du dépôt d'un second design similaire ne peut pas invoquer la nullité de celui-ci en se fondant sur l'
art. 2 LDes
(cf. supra consid. 2.4). Ce titulaire a donc bel et bien besoin de pouvoir invoquer l'
art. 6 LDes
, qui s'applique également aux designs similaires.
BGE 138 III 461 S. 471
Ainsi, la nullité de l'enregistrement fondée sur l'
art. 6 LDes
vise aussi bien les designs identiques que les designs similaires dégageant la même impression d'ensemble (cf.
art. 8 LDes
).
Le moyen subsidiaire se révèle également infondé. | null | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3f1017ff-5529-4d3b-ac72-ffa9c1cd43c8 | Urteilskopf
134 III 71
12. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. gegen Y. und Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_481/2007 vom 6. November 2007 | Regeste
Art. 82 Abs. 1 SchKG
; Schuldbrief als provisorischer Rechtsöffnungstitel.
In der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Schuldbrief Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht und auch für die Grundpfandforderung, soweit der betriebene Schuldner im Titel aufgeführt ist (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 72
BGE 134 III 71 S. 72
Die Bank X. betrieb Y. und Z. auf Grundpfandverwertung. Als Forderungsurkunde nannte sie einen ihr sicherungsübereigneten Namenschuldbrief.
Der erstinstanzliche Richter gewährte die provisorische Rechtsöffnung, jedoch nur für die Forderung gestützt auf die Darlehensverträge, nicht aber für das Pfandrecht mit der Begründung, Y. und Z. seien im Schuldbrief nicht als Schuldner aufgeführt.
Mit kantonaler Beschwerde machte die Bank geltend, es sei Rechtsöffnung auch für das Grundpfandrecht zu erteilen. Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde ab.
Dagegen hat die Bank Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit dem Begehren um Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für das Pfandrecht.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht hat erwogen, die Bank habe Betreibung auf Grundpfandverwertung eingeleitet und als Rechtsöffnungstitel den sicherungsübereigneten Namenschuldbrief im 1. Rang angerufen. Der dort aufgeführte Schuldner stimme nicht mit den Betriebenen überein und es liege auch keine schriftliche Schuldübernahmeerklärung für die Schuldbriefforderung vor, weshalb richtigerweise auch für die Grundpfandforderung keine Rechtsöffnung hätte gewährt werden dürfen. Diesbezüglich hätten indes Y. und Z. Beschwerde führen müssen. Weil sich das Grundpfandrecht aber auf die Grundpfandforderung und nicht auf die Grundforderung beziehe bzw. zwischen Grundpfandforderung und Grundpfandrecht eine strenge Einheit bestehe, sei jedoch die Rechtsöffnung für das Grundpfandrecht zu Recht verweigert worden und könne sie auch in appellatorio nicht erteilt werden.
Die Bank sieht in diesen Erwägungen Bundesrecht verletzt. Sie macht geltend, indem die Gegenpartei auf ein Rechtsmittel verzichtet habe, sei die Rechtsöffnung für die Forderung in Rechtskraft
BGE 134 III 71 S. 73
erwachsen. Da Rechtsöffnung immer in einer bestimmten Betreibung erteilt werde, sei diese rechtskräftig nicht für die Grund-, sondern für die Grundpfandforderung erteilt worden. Ob die rechtliche Begründung hierfür zutreffend sei, könne nicht massgeblich sein; vielmehr hätte das Obergericht als Folge der Rechtskraft des erstinstanzlichen Entscheides bezüglich der Grundpfandforderung die Frage, was für eine Art von Rechtsöffnungstitel hierfür erforderlich sei, gar nicht mehr aufwerfen dürfen, sondern zwingend auch für das Grundpfandrecht die Rechtsöffnung erteilen müssen.
3.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (
Art. 106 Abs. 1 BGG
). Es prüft mit anderen Worten, ob der angefochtene Entscheid angesichts der vorgetragenen Beanstandungen (vgl.
Art. 42 Abs. 2 BGG
) vor Bundesrecht standhält, und es ist dabei insbesondere nicht an die materiellen Erwägungen im angefochtenen Entscheid gebunden.
Wird als Sicherheit für eine - beispielsweise im Rahmen eines Darlehens bestehende - Grundforderung ein Schuldbrief übereignet, so wird der Empfänger Gläubiger der Grundpfandforderung und des Grundpfandrechts sowie Eigentümer des Grundpfandtitels (STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 15 zu
Art. 855 ZGB
); dabei wird das Grundverhältnis nicht noviert, weil die Sicherungsabrede einen Novationsausschluss gemäss
Art. 855 Abs. 2 ZGB
beinhaltet (STAEHELIN, a.a.O., N. 11 zu
Art. 855 ZGB
; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, Diss. Zürich 2000, S. 378). Der Fiduziar ist dann gleichzeitig Gläubiger der parallel bestehenden Forderung aus dem Grundverhältnis und der Grundpfandforderung (
BGE 119 III 105
E. 2a S. 107; LEEMANN, Berner Kommentar, N. 12 zu
Art. 855 ZGB
; STAEHELIN, a.a.O., N. 11 zu
Art. 855 ZGB
), und er hat - unter Vorbehalt des beneficium excussionis realis (
BGE 106 III 6
; STAEHELIN, a.a.O., N. 23 zu
Art. 855 ZGB
; STÜCHELI, a.a.O., S. 379) - die Wahl, für die Grundforderung die Betreibung auf Pfändung einzuleiten und als Rechtsöffnungstitel den gegengezeichneten Darlehensvertrag vorzulegen oder für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht die Betreibung auf Grundpfandverwertung anzuheben. Im letzteren Fall kann er als Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht den Schuldbrief einreichen; wurde dieser nicht durch den Schuldner selbst unterzeichnet, ist er doch eine öffentliche Urkunde (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, Zürich 1984, § 20, Rz. 2), weshalb er gegenüber dem in der Skriptur bezeichneten
BGE 134 III 71 S. 74
Schuldner - soweit dieser aufgeführt ist, was nur bei den bis 31. Dezember 1996 errichteten Schuldbriefen durchwegs der Fall ist - als Rechtsöffnungstitel im Sinn von
Art. 82 Abs. 1 SchKG
gilt (STAEHELIN, a.a.O., N. 6 zu
Art. 856 ZGB
; STÜCHELI, a.a.O., S. 380 f.; VOLLENWEIDER, Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg 1994, S. 144). Stimmt der im Schuldbrief bezeichnete Schuldner nicht mit dem Rechtsöffnungsgegner überein, weil ein späterer Schuldnerwechsel im Papier nicht nachgetragen worden ist, so gebricht es an der notwendigen Identität zwischen dem Betriebenen mit dem Verpflichteten und der Schuldbrief allein ist als Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung ungenügend. Diesfalls gilt er aber im Sinn einer zusammengesetzten Urkunde gemeinsam mit der gegengezeichneten Sicherungsvereinbarung als Rechtsöffnungstitel, sofern darin die persönliche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Schuldbrief anerkannt worden ist (STÜCHELI, a.a.O., S. 381; VOLLENWEIDER, a.a.O., S. 149). Gleiches gilt für Schuldbriefe, die nach dem 1. Januar 1997 errichtet worden sind und den Schuldner nicht aufführen; hat kein Schuldnerwechsel stattgefunden, kann der Gläubiger als Alternative beim Grundbuchamt eine beglaubigte Kopie des Errichtungsaktes besorgen, in dem das Schuldbekenntnis enthalten ist (STAEHELIN, a.a.O., N. 7 zu
Art. 858 ZGB
).
Wie die Bank selbst festhält, hat sie vorliegend die Grundpfandforderung geltend gemacht; etwas anderes könnte im Verfahren auf Grundpfandverwertung auch gar nicht in Betreibung gesetzt werden. Sodann anerkennt sie, jedenfalls sinngemäss, dass hierfür der Darlehensvertrag nicht als Rechtsöffnungstitel in Frage kommt, sondern zufolge der Verkörperung der Grundpfandforderung im Schuldbrief einzig dieser selbst, allenfalls in Verbindung mit einer - nach expliziter Sachverhaltsfeststellung nicht vorliegenden - schriftlichen Schuldübernahmeerklärung für die Grundpfandforderung in einem anderen Dokument. Die Bank macht geltend, dies alles sei aber insofern belanglos, als ihr mangels Anfechtung des erstinstanzlichen Entscheides durch die Gegenpartei für die im Schuldbrief inkorporierte Grundpfandforderung rechtskräftig Rechtsöffnung erteilt worden sei und ihr als notwendige Folge davon in zweiter Instanz auch für das Grundpfandrecht Rechtsöffnung erteilt werden müsse. Dieser Standpunkt ist mit materiellem Bundesrecht unvereinbar:
BGE 134 III 71 S. 75
Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag und die Verbriefung in einem Wertpapier in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher Höhe bestehen; vielmehr bilden sie eine notwendige Schicksalsgemeinschaft (vgl.
BGE 64 II 284
E. 2a S. 286; Urteil 5C.36/2006 vom 1. Juni 2006, E. 3.3; STAEHELIN, a.a.O., N. 5 zu
Art. 842 ZGB
; GUHL, Vom Schuldbrief, in: ZBJV 92/1956 S. 10 ff.). Zufolge dieser materiell-bundesrechtlichen Ausgestaltung des Schuldbriefes und des Umstandes, dass der Schuldbrief notwendiger und hinreichender Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht bildet, ist von vornherein ausgeschlossen, dass die Rechtsöffnung für das eine Element vorab in Rechtskraft erwachsen könnte und gestützt hierauf für das andere Element in zweiter Instanz aus rein prozessualen Gründen die Rechtsöffnung erteilt werden müsste. Es wäre daher wohl angezeigt gewesen, dass das Obergericht aus seinen zutreffenden Erwägungen die Konsequenzen gezogen und den erstinstanzlichen Entscheid von Amtes wegen kassiert hätte. Jedenfalls hat es aber nach dem Gesagten und vor dem Hintergrund, dass das Vorliegen eines gültigen Rechtsöffnungstitels von Amtes wegen zu prüfen ist, kein Bundesrecht verletzt, wenn es die Rechtsöffnung für das Grundpfandrecht verweigert hat, nachdem für die Grundpfandforderung unbestrittenermassen nie ein tauglicher Rechtsöffnungstitel vorgelegt worden war. | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3f106ab2-3b36-4a0b-b5a6-325e382998c2 | Urteilskopf
96 I 53
9. Urteil vom 11. Februar 1970 i.S. Y. gegen Zürich, Kanton und Verwaltungsgericht. | Regeste
Erbschaftssteuer für Adoptivkinder.
Art. 4 BV
und 2 Üb.-Best. BV.
Abstufung der Erbschaftssteuer nach dem Verwandtschaftsgrad. Behandlung der Adoptivkinder. Ein kantonales Gesetz, das für Adoptivkinder einen viermal höheren Steuersatz als für leibliche Kinder vorsieht und bei ihnen einen wesentlich kleineren Betrag steuerfrei lässt, verstösst weder gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit noch gegen denjenigen der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. | Sachverhalt
ab Seite 53
BGE 96 I 53 S. 53
A.-
Nach dem Zürcher Gesetz vom 26. April 1936 über die Erbschafts- und Schenkungssteuer (ESchG) unterliegen Vermögensanfälle von Todes wegen der Erbschaftssteuer. Bei Nachkommen und Eltern des Erblassers ist ein Vermögensanfall von je Fr. 20'000.-- steuerfrei, bei Nachkommen, die das 18. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben oder die dauernd pflege- und verwahrungsbedürftig sind, Fr. 10'000.-- mehr; bei Geschwistern, Adoptivkindern, Verlobten, Patenkindern und Grosseltern sind nur je Fr. 3000.-- steuerfrei (§ 8 lit. a und b). Der Steuersatz ist nach der Höhe des Vermögensanfalls sowie nach dem Verwandschaftsgrad abgestuft. Die einfache Steuer beträgt je nach dem Vermögensanfall 2 bis 6% (§ 10). Kinder, Enkel und Urenkel zahlen den einfachen, Eltern und Grosseltern den doppelten, Geschwister den dreifachen, Adoptivkinder und- enkel den vierfachen, Stiefkinder, Onkel, Tante, Nachkommen von Geschwistern, Adoptiv- und Stiefeltern den fünffachen und die übrigen erbberechtigten Personen sowie
BGE 96 I 53 S. 54
Nichtverwandte den sechsfachen Betrag der sich aus § 10 ergebenden Steuer (§ 11 lit. a-f).
B.-
Die Ehegatten X. in Zürich haben im Jahre 1941 die heutige Beschwerdeführerin adoptiert, die 1933 geboren ist und sich mit Y. verheiratet hat. Die 1958 verstorbene Frau X. hat den Ehemann als Vorerben und die Adoptivtochter als Nacherbin eingesetzt. Herr X. starb 1967 und hinterliess die Adoptivtochter als einzige Erbin.
Die Finanzdirektion des Kantons Zürich auferlegte der Beschwerdeführerin, unter Berücksichtigung eines besteuerten Vorempfangs von Fr. 33'000.-- und eines steuerfreien Betrages von Fr. 3000.-- (§ 8 lit. b ESchG), für den Anfall der Nacherbschaft von Fr. 135'000.-- und der Erbschaft von Fr. 192'800.-- Erbschaftssteuern von Fr. 22'800.-- und Fr. 41'472.-- (§ 10 und 11 lit. d ESchG).
Hiegegen rekurrierte die Beschwerdeführerin an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, die Erbschaftssteuern entsprechend dem für leibliche Kinder geltenden Satz auf Fr. 4750.-- und Fr. 10'148.-- herabzusetzen. Das Verwaltungsgericht wies den Rekurs am 29. April 1969 ab mit der Begründung, dass die Veranlagung gesetzmässig sei und die vom kantonalen Gesetzgeber angeordnete stärkere Belastung der Adoptivkinder im Verhältnis zu den leiblichen Kindern weder gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit (
Art. 4 BV
) noch gegen denjenigen der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb.-Best. der BV) verstosse.
C.-
Gegen diesen Rekursentscheid hat Frau Y. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Als Beschwerdegründe macht sie Verletzungen der
Art. 4 BV
und 2 Üb.-Best. der BV geltend. Die Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen.
D.-
Das Verwaltungsgericht und der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales).
2.
Die streitigen Erbschaftssteuern sind unbestrittenermassen gesetzmässig, denn sie entsprechen den in §§ 8 lit. b, 10 und 11 lit. d ESchG enthaltenen Bestimmungen. Die Beschwerdeführerin macht indessen geltend, dass das ESchG insoweit gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit und denjenigen
BGE 96 I 53 S. 55
der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verstosse, als es für Adoptivkinder einen kleineren steuerfreien Betrag und viermal höhere Steuersätze vorsehe als für leibliche Kinder.
Das Bundesgericht hatte sich schon wiederholt mit der Frage zu befassen, ob es dem kantonalen Gesetzgeber gestattet sei, Adoptivkinder inbezug auf die Erbschaftssteuer schlechter zu behandeln als leibliche Kinder. In einem Urteil vom 18. Dezember 1931 (ZBl 33/1932 S. 314 ff.) stand die damalige Ordnung des Kantons Glarus in Frage und war zu entscheiden, ob es mit
Art. 4 BV
vereinbar sei, bei einem Adoptivsohn, der zugleich Neffe der Erblasserin war, den für Neffen geltenden Satz von 5% und nicht den Satz von 1% für leibliche Kinder anzuwenden. Das Bundesgericht hat die Frage bejaht. In
BGE 87 I 168
E. 4 a wurde beiläufig festgestellt, dass die Regelung des Kantons Basel-Landschaft, wonach die Erbschaftssteuer für ein aussereheliches Kind dann, wenn es adoptiert wurde, 4%, wenn es dagegen mit Standesfolge anerkannt worden sei, wie für ein leibliches Kind 1% betrage, aus dem Gesichtswinkel des
Art. 4 BV
nicht zu beanstanden sei. In einem Urteil vom 17. Oktober 1962 (ASA 32 S. 116 ff.) hat das Bundesgericht schliesslich inbezug auf das Luzerner Recht unter Hinweis auf die beiden erwähnten Urteile mit eingehender Begründung entschieden, dass es weder gegen
Art. 4 BV
noch gegen die Eigentumsgarantie noch gegen das Bundesrecht verstosse, von einem Adoptivkind eine Erbschaftssteuer von 18% zu verlangen, wenn für leibliche Kinder ein Satz von 2% gilt.
Obwohl sich die Beschwerdeführerin mit dieser Rechtsprechung des Bundesgerichts, auf die sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid berufen hat, nicht auseinandersetzt, rechtfertigt es sich, die Beschwerde nicht einfach unter Hinweis auf die früheren Urteile abzuweisen, sondern die beiden von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen näher zu prüfen.
3.
Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (
Art. 4 BV
) richtet sich, wie das Bundesgericht stets angenommen hat, auch an den Gesetzgeber. Diesem steht jedoch ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Der Verfassungsrichter hat diese Befugnis zu achten. Er darf nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des kantonalen Gesetzgebers setzen und nicht schon einschreiten, wenn die erlassene Ordnung unbillig ist oder auf gesetzgebungspolitischen Erwägungen beruht, welche er für unzutreffend
BGE 96 I 53 S. 56
erachtet, sondern nur dann, wenn die kantonale Ordnung sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist (
BGE 95 I 134
E. 5 mit Hinweis auf frühere Urteile).
a) In den drei erwähnten Urteilen ist das Bundesgericht davon ausgegangen, dass es nicht gegen
Art. 4 BV
verstosse, die Erbschaftssteuer nach dem Verwandschaftsgrad abzustufen. Diese Abstufung, die allen kantonalen Erbschaftssteuergesetzen gemeinsam ist, erscheint als sachlich begründet und wird denn auch von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.
b) Die Behandlung der Adoptivkinder hat in den kantonalen Erbschaftssteuergesetzen die verschiedensten Lösungen gefunden. Soweit ersichtlich, stellen nur die Kantone Nidwalden, Solothurn, Basel-Stadt, Schaffhausen und Tessin die Adoptivkinder den leiblichen Kindern ausdrücklich gleich. Der Kanton Genf sieht die Gleichstellung vor für den Fall, dass die Adoption vor Vollendung des 22. Lebensjahres des Adoptierten erfolgt ist, während sonst ein Steuersatz von 20-26% gilt (vgl. Art. 17 Abs. 7 der Loi sur les droits de succession du 26 novembre 1960). In den übrigen Kantonen, deren Gesetze die Adoptivkinder ausdrücklich erwähnen, haben diese das zwei- bis vierfache der für leibliche Kinder geltenden Erbschaftssteuer zu entrichten, oder es werden die leiblichen Kinder von der Erbschaftssteuer befreit und nur die Adoptivkinder mit einer solchen belastet (vgl. Steuern der Schweiz, III. Teil A 1-25).
c) In Erw. 4 a des Urteils vom 17. Oktober 1962 hat das Bundesgericht unter Hinweis auf die erwähnten früheren Urteile ausgeführt, dass keine dieser Lösungen gegen
Art. 4 BV
verstosse, da die Adoption als nur rechtliches, nicht auch natürliches Verwandschaftsverhältnis eine Sonderstellung einnehme, die eine verschiedene Behandlung inbezug auf die Erbschaftssteuer als sachlich gerechtfertigt erscheinen lasse. Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was zu einer Änderung dieser Rechtsprechung Anlass geben könnte. Sie macht im wesentlichen geltend, nach dem ZGB stelle die Adoption eine so weitgehende Nachbildung des ehelichen Eltern- und Kindesverhältnisses dar, dass eine unterschiedliche Behandlung der leiblichen und der adoptierten Kinder gegen den Grundsatz
BGE 96 I 53 S. 57
der Rechtsgleichheit verstosse. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin hat der Bundeszivilgesetzgeber indessen das Adoptionsverhältnis dem ehelichen Eltern- und Kindesverhältnis keineswegs in allen wesentlichen Beziehungen gleichgestellt. Abweichungen bestehen nicht nur, was die verwandtschaftlichen Beziehungen, das Bürgerrecht und das Erbrecht betrifft, sondern auch wegen der Möglichkeit der Auflösung der Adoption (
Art. 269 ZGB
). Die in Angriff genommene Revision des Adoptionsrechts scheint freilich in der Richtung einer stärkeren Angleichung des Adoptionsverhältnisses an das eheliche Eltern- und Kindesverhältnis zu gehen (vgl. HEGNAUER, Die Revision des Adoptionsrechts, SJZ 65/1969 S. 85 ff.). Hieraus lässt sich jedoch für das geltende Recht nichts ableiten. Solange der Bundesgesetzgeber leibliche und adoptierte Kinder nicht völlig gleich, sondern in wesentlichen Beziehungen verschieden behandelt, kann dem kantonalen Gesetzgeber nicht Verletzung des Gebots der rechtsgleichen Behandlung vorgeworfen werden, wenn er sie im Erbschaftssteuerrecht nicht gleich stellt.
In dem vom Bundesgericht am 17. Oktober 1962 beurteilten Falle machte die Belastung des Adoptivkindes das Neunfache derjenigen des leiblichen Kindes aus. Nach der von der Beschwerdeführerin angefochtenen Zürcher Ordnung ist der Unterschied, sowohl was den Steuersatz als auch was den steuerfreien Betrag betrifft, geringer. Das Verhältnis 4:l, in dem die Steuersätze zueinander stehen, entspricht demjenigen einer Reihe anderer Kantone, kann nicht als unvernünftig bezeichnet werden und verstösst daher nicht gegen
Art. 4 BV
. Der Umstand, dass der Regierungsrat des Kantons Zürich dem Kantonsrat kürzlich vorgeschlagen hat, im Zuge einer Revision des StG und des ESchG den Steuersatz für Adoptivkinder auf das Doppelte (statt bisher das Vierfache) des für leibliche Kinder geltenden Satzes herabzusetzen und adoptierte und leibliche Kinder inbezug auf den steuerfreien Betrag gleich zu behandeln (Botschaft vom 6. November 1969 S. 130/33), zeigt nur, dass die bisherige Ordnung als unbillig empfunden wird, lässt sie aber noch nicht als mit
Art. 4 BV
unvereinbar erscheinen.
4.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen zur Frage der rechtsgleichen Behandlung erweist sich auch die Berufung der Beschwerdeführerin auf den Grundsatz der derogatorischen
BGE 96 I 53 S. 58
Kraft des Bundesrechts als unbegründet. Wie das Verwaltungsgericht mit Recht ausführt, kann nicht gesagt werden, dass die angefochtene Besteuerung die Anwendung der Adoption als einer Einrichtung des Bundesrechts verunmögliche oder übermässig erschwere. Wer ein Kind adoptieren möchte, wird davon nicht deshalb absehen, weil sein Nachlass später einmal mit einer verhältnismässig hohen Erbschaftssteuer belastet wird, und für den Anzunehmenden dürfte die Höhe der späteren Besteuerung einer Erbschaft, die ohne die Adoption entweder ihm überhaupt nicht zufiele oder aber, bei testamentarischer Zuwendung, mit dem noch höheren Satz für Nichtverwandte belastet würde, nicht von Bedeutung sein. Was die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, ist unbehelflich. Zu Unrecht beruft sie sich auf einige Urteile des Bundesgerichts, mit denen gewisse kantonale Steuern als verfassungswidrig erklärt wurden. Die dort beurteilten Tatbestände lassen sich mit dem vorliegenden nicht vergleichen. InBGE 73 I 376ff. stand eine als "Taxe" bezeichnete Steuer in Frage, die für die Eröffnung eines Testaments erhoben wurde und zur ordentlichen Erbschaftssteuer hinzutrat, obwohl die gesetzliche Erbfolge durch das Testament nicht abgeändert worden war. In
BGE 84 I 134
ff. wurde die ganz andere Frage, ob eine Handänderungssteuer mit dem Bundesrecht vereinbar sei, offen gelassen (E. 3) und die Beschwerde wegen widersprüchlichen Verhaltens der Behörden aufgrund von
Art. 4 BV
gutgeheissen. Auch aus den weiteren, in der Beschwerde erwähnten Urteilen lässt sich nichts zugunsten des Standpunktes der Beschwerdeführerin ableiten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3f10e104-8ad0-41de-839a-3241f78c7477 | Urteilskopf
108 Ib 374
65. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. August 1982 i.S. Streit gegen Staat Bern und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 6 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Anfechtung eines im Enteignungsverfahren abgeschlossenen Vergleiches.
Über die Verbindlichkeit eines nach Einleitung des Enteignungsverfahrens abgeschlossenen Vergleiches entscheidet erstinstanzlich die Schätzungskommission bzw. jene Instanz, vor welcher die Sache vor Verfahrensabschluss hängig war. | Erwägungen
ab Seite 374
BGE 108 Ib 374 S. 374
Erwägungen:
1.
Am 31. März 1982 schloss der Staat Bern mit verschiedenen Grundeigentümern einen Vergleich über die Höhe der Entschädigungen ab, welche der Staat als Enteigner und Werkeigentümer der Nationalstrasse N 12 für die Unterdrückung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche zu leisten habe. Nach diesem
BGE 108 Ib 374 S. 375
Vergleich sollten unter anderem an Ernst Streit, Eigentümer eines Grundstücks in Wabern, Fr. 54'000.-- einschliesslich Zinsen ausgerichtet werden. Mit Entscheid vom 14. April 1982 genehmigte die Eidg. Schätzungskommission, Kreis 6, die Vereinbarung und schrieb das Verfahren, unter Festsetzung der vom Enteigner zu bezahlenden Kosten und Parteientschädigungen, als durch Vergleich erledigt vom Geschäftsverzeichnis ab.
Ernst Streit hat gegen den Abschreibungsbeschluss der Schätzungskommission am 28. Mai 1982 Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und verlangt, dass dieser aufgehoben und der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich als hinfällig erklärt werde, dass im weiteren dem Staat Bern die Pflicht zur Erstellung von Schutzmassnahmen aufzuerlegen, die Enteignungsentschädigung nach Ergreifung dieser Massnahmen neu festzusetzen und die Sache mit entsprechenden Weisungen zur Neubeurteilung an die Schätzungskommission zurückzuweisen sei.
2.
Der Enteignete ficht nicht den Abschreibungsbeschluss der Schätzungskommission an sich an, sondern macht geltend, er habe sich über die Grundlagen des von ihm angenommenen Vergleichsvorschlages geirrt. Ob in der Tat ein Grundlagenirrtum vorliege, hat aber das Bundesgericht nicht als erste Instanz zu beurteilen. Über die Verbindlichkeit eines Vergleiches entscheidet diejenige Instanz, vor welcher die Sache vor Vergleichsabschluss hängig war (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 242). Dies gilt auch für Vereinbarungen, die während des Enteignungsverfahrens getroffen werden, und zwar unabhängig davon, ob sie vor der Schätzungskommission an der Einigungsverhandlung (
Art. 53 Abs. 1 EntG
) oder ausserhalb dieser Verhandlung geschlossen werden (vgl.
Art. 54 Abs. 1 EntG
). Die Partei, die die Gültigkeit eines Enteignungsvergleiches bestreitet, hat daher die Schätzungskommission um Wiederaufnahme des Verfahrens zu ersuchen (
Art. 66 lit. b EntG
), welche über diesen Streitpunkt als Vorfrage entscheidet (HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 4 zu Art. 53 und N. 10 zu
Art. 54 EntG
; vgl. auch zur altrechtlichen Regelung
BGE 52 I 34
ff.).
Auf die eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann somit mangels Zuständigkeit des Bundesgerichtes nicht eingetreten werden. Die Beschwerde wird indessen in Anwendung von
Art. 8 VwVG
an den Vizepräsidenten der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 6, zur Erledigung überwiesen. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3f1b5eb2-e164-4d4f-8de6-174e9bc3dab1 | Urteilskopf
100 Ib 86
15. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1974 i.S. Secchi gegen Regierungsrat des Kantons Luzern | Regeste
Gewässerschutz: Bewilligungen für Bauten ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes. Art. 20 eidg. Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 (GSchG); Art. 25 und 27 Allgemeine Gewässerschutzverordnung des Bundesrates vom 19. Juni 1972 (Allg. GSchV).
1. Unter
Art. 20 GSchG
fallen auch Umbauten (Erw. 2).
2. Ist Art. 25 Allg.GSchV (Begriff des Umbaus) auf Ersatzbauten analog anwendbar? Frage offengelassen (Erw. 3 und 7).
3. Begriff des sachlich begründeten Bedürfnisses (
Art. 20 GSchG
, Art. 27 Allg.GSchV; Erw. 2-4).
4. Fall eines Ehepaars, welches das von ihm erworbene kleine Landgut selber bewirtschaften und als Ersatz für das vom Verkäufer zurückbehaltene alte Wohnhaus einen Neubau errichten will. Sachlich begründetes Bedürfnis mit Vorbehalt bejaht (Erw. 5-8). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 100 Ib 86 S. 87
Aus dem Tatbestand:
A.-
Die Eheleute Aldo und Silvia Secchi-Piazza, die in der Stadt Luzern wohnen, kauften am 28. Juli 1971 von Fräulein Josy Gut, geb. 1896, den grössten Teil des Gehöftes "Fürten", das in Udligenswil (Luzern) ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt dieser Gemeinde abgegrenzten Gebietes liegt. Sie erwarben rund 2,6 ha samt der Scheune. Die Verkäuferin behielt eine Parzelle von 424 m2 mit dem Wohnhaus, das sie weiterhin bewohnt. Den Eheleuten Secchi wurde ein Kaufsrecht an dieser Parzelle eingeräumt, das sie nach dem Tode von Fräulein Gut ausüben können. Sie schafften eine Baubaracke an, um sie auf "Fürten" aufzustellen und zu einem Wohngebäude für sich auszubauen. Sie betreiben auf dem gekauften Land selber Landwirtschaft. Aldo Secchi, der am Lehrerseminar in Luzern Biologieunterricht erteilt, will mit der Landwirtschaft wissenschaftliche Tierbeobachtungen (Verhaltensforschung) verbinden.
Am 27. Januar 1972 erteilte der Gemeinderat von Udligenswil den Eheleuten Secchi die Baubewilligung für das Aufstellen der Wohnbaracke. Hiegegen rekurrierte das kantonale Amt für Gewässerschutz an den Regierungsrat mit der Begründung, die häuslichen Abwässer dürften nicht landwirtschaftlich verwertet werden.
Am 10. April 1972 entschied das kantonale Polizeidepartement, für das Bauvorhaben der Eheleute Secchi könne eine Ausnahmebewilligung nach § 6 Abs. 1 des kantonalen Gewässerschutzgesetzes nicht erteilt werden. Diese Bestimmung sieht vor, dass eine solche Bewilligung erforderlich ist, wenn Abwässer aus nichtlandwirtschaftlichen Gebäuden und Betrieben nicht an eine Kanalisation angeschlossen werden sollen.
Die Eheleute Secchi fochten den Entscheid des Departementes mit Beschwerde beim Regierungsrat an. Dieser wies die Beschwerde am 19. März 1973 ab. Er führte aus, ein sachlich begründetes Bedürfnis im Sinne des
Art. 20 GSchG
und des Art. 27 Allg.GSchV sei nicht nachgewiesen. Das Eidg. Amt
BGE 100 Ib 86 S. 88
für Umweltschutz habe ein solches Bedürfnis für Neubauten auf landwirtschaftlichen Zwergbetrieben, die lediglich aus Liebhaberei geführt werden, stets verneint. Hier handle es sich um einen Fall dieser Art. Wohl übe Aldo Secchi auf "Fürten" eine landwirtschaftliche Tätigkeit aus, aber nur als "Hobby", das jederzeit aufgegeben werden könne. Die Beschwerdeführer seien auf das in Frage stehende neue Wohnhaus nicht dringend angewiesen. Auch sei der gewählte Standort der Baute weder durch deren Zweckbestimmung bedingt noch im öffentlichen Interesse erwünscht. Ein zusätzliches Wohnhaus sei für die Bewirtschaftung der Liegenschaft "Fürten" nicht erforderlich. Das alte Wohnhaus, das angeblich baufällig sei, werde immerhin noch bewohnt; nur genüge es den Ansprüchen der Beschwerdeführer nicht.
B.-
Aldo und Silvia Secchi-Piazza erheben Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben, und die Luzerner Behörden seien anzuweisen, ihnen die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen. Es wird geltend gemacht, die Beschwerdeführer übten auf "Fürten" eine eigentliche landwirtschaftliche Tätigkeit aus, und dazu sei ein neues Wohngebäude an Ort und Stelle erforderlich, da das alte ausfalle. Ob Aldo Secchi sich im Haupt- oder im Nebenberufals Landwirt betätige, sei gleichgültig. Die Beschwerdeführer hätten sich von Anfang an bereit erklärt, eine moderne Kläranlage für die häuslichen Abwässer einzurichten.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragt Abweisung, das Eidg. Departement des Innern Gutheissung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach
Art. 19 und 20 GSchG
dürfen Baubewilligungen nur erteilt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Art. 19 betrifft Bauten innerhalb der Bauzonen oder, wo solche fehlen, innerhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes, Art. 20 Bauten ausserhalb dieses Gebietes. Hier ist Art. 20 anwendbar, da das Land, das die Beschwerdeführer gekauft haben, ausserhalb des Kanalisationsrayons der Gemeinde Udligenswil liegt.
Art. 20 bestimmt im ersten Satz, dass Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen ausserhalb des Kanalisationsbereiches nur erteilt werden dürfen, "sofern der Gesuchsteller
BGE 100 Ib 86 S. 89
ein sachlich begründetes Bedürfnis nachweist". Der zweite Satz des Art. 20 schreibt vor, dass die Bewilligung erst erteilt werden darf, wenn die Ableitung und Reinigung oder eine andere zweckmässige Beseitigung der Abwässer festgelegt ist und die Zustimmung der kantonalen Fachstelle für Gewässerschutz vorliegt. Im gegenwärtigen Beschwerdeverfahren ist streitig und vom Bundesgericht zu prüfen, ob ein sachlich begründetes Bedürfnis nachgewiesen sei.
Nach
Art. 20 GSchG
ist es Sache des Gesuchstellers, diesen Nachweis zu leisten. Der Gesuchsteller muss dartun, dass er selber ein genügendes Interesse an der Baute oder Anlage hat. Das Bedürfnis muss aber nach dem Gesetzestext auch "sachlich (objectivement, oggettivamente) begründet" sein. Dem
Art. 20 GSchG
liegt gemäss Botschaft des Bundesrates die Überlegung zugrunde, dass die ausserhalb des Kanalisationsrayons erstellten, "mit mehr oder weniger behelfsmässigen und schwer zu kontrollierenden Einzelkläreinrichtungen oder mit abflusslosen Abwassergruben versehenen Gebäude erfahrungsgemäss eine stetige Gefahr für ober- und unterirdische Gewässer bedeuten", und dass daher das nationale Werk der Abwassersanierung in Frage gestellt würde, "sofern Bauten mit derartigen als definitive Lösung gedachten Abwasserbeseitigungen überall uneingeschränkt bewilligt würden". Es soll der Tendenz, "die abseits der bestehenden Siedlungen gelegenen Gebiete unseres Landes mit Einfamillien- und Ferienhäusern zu überbauen", entgegengewirkt werden, weil sonst damit gerechnet werden müsste, "dass die Zahl der Verunreinigungs- und Gefahrenherde ins Unermessliche wachsen würde" (BBl 1970 II 543). Der Gesuchsteller, der ausserhalb des Kanalisationsbereiches bauen will, muss sich daher auf Gründe berufen können, die so gewichtig sind, dass sich eine Ausnahme von der zum Schutz der Gewässer aufgestellten Regel des Ausschlusses der Bewilligung abgelegener Bauten verantworten lässt (BGE 99 I/b 154 E. 2 a).
Im ersten Satz des
Art. 19 GSchG
steht die Wendung "Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art", während im folgenden Satz von "kleineren Gebäuden und Anlagen" und in Art. 20 einfach von "Gebäuden und Anlagen" die Rede ist. Zweifellos ist mit der kurzen Wendung "Gebäude und Anlagen" dasselbe gemeint wie mit der ausführlichen Umschreibung im ersten Satz des Art. 19. Es kann nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass Art. 20 im Gegensatz zu Art. 19 nur Neubauten und
BGE 100 Ib 86 S. 90
nicht auch Umbauten erfasst. Der Zweck des Art. 20 erfordert, dass die Bestimmung auch auf Umbauten anwendbar ist. Offenbar wollte man bei der Redaktion der Art. 19 und 20 Wiederholungen jener ausführlichen Wendung vermeiden, um den Text nicht zu schwerfällig werden zu lassen. Es ist daher nicht gesetzwidrig, dass die Allg.GSchV in Art. 25 vom "Umbau im Sinne der Art. 19 und 20 des Gesetzes" spricht und in Art. 27 das von
Art. 20 GschG
geforderte sachlich begründete Bedürfnis in gleicher Weise für Neubauten wie für Umbauten umschreibt.
3.
Nach dem ersten Satz des Art. 27 Abs. 1 Allg.GSchV gilt das Bedürfnis für einen Neu- oder Umbau ausserhalb der Bauzonen bzw. des durch das generelle Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes als sachlich begründet, "wenn der Gesuchsteller auf das geplante Gebäude oder eine Anlage dringend angewiesen ist und deren abgelegener Standort durch ihre Zweckbestimmung bedingt oder im öffentlichen Interesse erwünscht ist". Der Schlussatz des Art. 27 Abs. 1 Allg.GSchV bestimmt, dass die Möglichkeit des Anschlusses an eine Kanalisation in keinem Fall ein sachliches Bedürfnis begründet. Der nachfolgende Abs. 2 nennt Beispiele von Bauten oder Anlagen, für die ein sachlich begründetes Bedürfnis "bestehen kann" (Landwirtschaftsbetriebe usw.).
Das Bundesgericht hat in BGE 99 I/b 153 ff. (E. 2) die in Art. 27 Allg.GSchV enthaltene Umschreibung des sachlich begründeten Bedürfnisses als gesetz- und verfassungsmässig befunden unter der Voraussetzung, dass die Bestimmung so verstanden wird, wie es sie ausgelegt hat. Es hat insbesondere ausgeführt (E. 2 b, Abs. 1), in subjektiver Beziehung entsprächen dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes der deutsche und der italienische Text des Art. 27 Abs. 1 Allg.GSchV ("dringend angewiesen", "necessità urgente"), während die französische Fassung ("nécessité absolue") dem Gesuchsteller zu viel zumute; der Nachweis eines bedeutenden, aktuellen und intensiven Interesses des Gesuchstellers genüge. Anderseits hat das Gericht dargelegt (E. 2 b, Abs. 2), in objektiver Beziehung hätten alle drei Fassungen des Art. 27 Abs. 1 Allg.GSchV - trotz gewissen Abweichungen - denselben Sinn; namentlich sei den im deutschen und im italienischen Text stehenden Ausdrücken "bedingt" und "condizionata" die gleiche Bedeutung beizumessen, die das im französischen Text gebrauchte Wort "justifié" habe.
Nach Art. 25 Allg.GSchV gilt als Umbau im Sinne der Art. 19
BGE 100 Ib 86 S. 91
und 20 des Gesetzes "jede baupolizeilich wesentliche Veränderung an Bauten und Anlagen, die eine Vergrösserung des Nutzraumes, eine Erhöhung der Anzahl Wohnungen oder eine andere Art von Gebrauch oder Nutzung bezweckt". Auch diese Bestimmung ist als gesetz- und verfassungsmässig zu betrachten. Für die Beseitigung der Abwässer aus bestehenden Bauten und Anlagen ist
Art. 18 GSchG
massgebend (vgl. dazu Art. 24 Allg.GSchV). Es entspricht der gesetzlichen Ordnung,
Art. 19 und 20 GSchG
nur auf solche Umbauten anzuwenden, durch die der bestehende Zustand wesentlich - wie in Art. 25 Allg.GSchV umschrieben - verändert wird. Umbauten ausserhalb des Kanalisationsbereiches fallen demnach nicht unter
Art. 20 GSchG
, wenn keine der in Art. 25 Allg.GSchV genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Wenn der Eigentümer eines Gebäudes findet, es genüge seinen Ansprüchen nicht oder nicht mehr, kann er sich veranlasst sehen, es durch einen Neubau zu ersetzen, statt es umzubauen. Mit der Erstellung einer Ersatzbaute kann unter Umständen im wesentlichen das gleiche Ergebnis wie mit einem Umbau erreicht werden. Man kann sich deshalb fragen, ob es sich nicht rechtfertige, Art. 25 Allg.GSchV auf Ersatzbauten analog anzuwenden. Die Frage kann indessen hier offengelassen werden, da das Urteil dann, wenn ihm ausschliesslich
Art. 20 GSchG
und Art. 27 Allg.GSchV zugrunde gelegt werden, nicht anders ausfällt als dann, wenn Art. 25 Allg. GSchV mitberücksichtigt wird.
4.
Bei der Schaffung des
Art. 20 GSchG
wurde bewusst ein Ziel der Raumplanung verfolgt. Man wollte namentlich verhindern, dass ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebietes weit verstreut zahlreiche Wohnhäuser (insbesondere Wochenend- und Ferienhäuser), die nicht an einen solchen abgelegenen Standort gebunden sind, gebaut werden. Nichts deutet aber darauf hin, dass der Gesetzgeber mit
Art. 20 GSchG
auch eine allmähliche Verminderung der Zahl der ausserhalb des Kanalisationbereiches vorhandenen bäuerlichen Streusiedlungen habe anstreben wollen. Nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist ein sachlich begründetes Bedürfnis auf jeden Fall dann zu bejahen, wenn lediglich die bauliche Sanierung eines bestehenden landwirtschaftlichen Heimwesens geplant ist und keine nach der Art und Grösse des Betriebes nicht gerechtfertigten neuen Räume errichtet werden sollen.
Es besteht jedoch die grosse Gefahr, dass finanzkräftige Leute
BGE 100 Ib 86 S. 92
sich durch Kauf und entsprechende bauliche Umgestaltung landwirtschaftlicher Kleinheimwesen eine Wohnung ausserhalb des Baugebietes zu verschaffen suchen, ohne dass sie die Landwirtschaft ernstlich weiterzuführen gedenken. Die verkappte Errichtung von Dauerwohnungen und Ferienwohnungen ausserhalb des Baugebietes in Liegenschaften, die bisher der Landwirtschaft gedient haben, ihr aber voraussichtlich nicht mehr dienen werden, ist nicht zu bewilligen. Wegen dieser Gefahr von Missbräuchen darf aber nicht jede bauliche Sanierung eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes durch einen Liebhaber abgelehnt werden, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob nach den gesamten Umständen nur das Wohnen auf dem Land angestrebt wird oder ob die Führung des standortgebundenen Landwirtschaftsbtriebes beabsichtigt ist und lediglich die hiefür notwendigen Räumlichkeiten erstellt werden sollen. Um- oder Ersatzbauten, die mit einer offenen oder verborgenen Zweckentfremdung des Gebäudes verbunden sind und - ohne Zusammenhang mit der Landwirtschaft - unverkennbar nur der Schaffung schön gelegener Wohnungen dienen, stehen mit
Art. 20 GSchG
im Widerspruch und dürfen daher nicht bewilligt werden.
5.
Das Gut "Fürten" wird von jeher landwirtschaftlich genutzt. Auch die Beschwerdeführer widmen sich dort der Landwirtschaft, was nicht bestritten ist; sie halten auf "Fürten" Gross- und Kleinvieh. Darauf, ob die Landwirtschaft im Haupt- oder im Nebenberuf und ausschliesslich oder vorwiegend aus ökonomischen oder ideellen Gründen (aus Liebhaberei, zu Forschungszwecken) betrieben wird, kommt es nicht an. Damit ein landwirtschaftliches Gewerbe, insbesondere wenn Vieh gehalten wird, in gehöriger Weise betrieben werden kann, ist aber erforderlich, dass sich die Wohnung des Betriebsinhabers auf dem Gehöft oder doch in dessen unmittelbarer Nähe befindet.
Freilich ist auf "Fürten" bereits ein Wohnhaus vorhanden, doch konnten die Beschwerdeführer es aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, vorläufig nicht erwerben. Die betagte Verkäuferin des Landes, Fräulein Gut, wollte sich von ihrer angestammten Wohnung nicht mehr trennen. Den Beschwerdeführern wurde deshalb lediglich ein Kaufsrecht an der Wohnhausparzelle eingeräumt, das sie nach dem Tode von Fräulein Gut ausüben können. Sie sind daher auf die Errichtung eines neuen Wohnhauses angewiesen; sie haben daran ein bedeutendes, aktuelles und intensives Interesse.
BGE 100 Ib 86 S. 93
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es den Beschwerdeführern darum geht, später auf "Fürten" zwei Wohnhäuser zu besitzen, das eine als Bestandteil des Landwirtschaftsbetriebes und das andere zum Zwecke der Vermietung (z.B. als Ferienwohnung). Wie der Gemeinderat von Udligenswil in einem Bericht an das kantonale Gewässerschutzamt feststellt, ist das alte Bauernhaus baufällig und könnte nach dem Ableben derjetzigen Eigentümerin nicht mehr bewohnt werden, wenn nicht wesentliche bauliche Veränderungen vorgenommen würden; nach der Auffassung des Gemeinderates sollte aber dannzumal eine Bewilligung für den Umbau nicht erteilt werden. Immerhin erscheint es nicht als völlig ausgeschlossen, dass das Gebäude nach dem Tode von Fräulein Gut doch wieder zu Wohnzwecken verwendet werden könnte. Indessen haben die Beschwerdeführer sich im Verfahren vor dem Regierungsrat ausdrücklich bereit erklärt, die Verpflichtung zu übernehmen, das Kaufsrecht auszuüben und dann die alte Baute nicht mehr als Wohnhaus, sondern höchstens noch als Lagerraum und Keller zu benützen. Sie sind bei dieser Erklärung zu behaften; durch eine Auflage in geeigneter Form ist dafür zu sorgen, dass das alte Haus nach dem Tode der jetzigen Eigentümerin nicht mehr zu Wohnzwecken verwendet werden kann.
Unter den gegebenen Umständen lässt sich nicht mit Grund bestreiten, dass die Beschwerdeführer ein dringendes Bedürfnis für die Errichtung der projektierten Baute haben.
6.
Als Standort der Baute ist das Land vorgesehen, das die Beschwerdeführer gekauft haben. Er ist durch die Zweckbestimmung der Baute gerechtfertigt. Da das neue Wohnhaus dem Betrieb der Landwirtschaft dienen muss, gehört es wenn immer möglich auf das Gehöft. Ein anderer Standort käme angesichts der Zweckbestimmung des Hauses nur in Betracht, wenn es in der Nähe der Scheune und zugleich in der Bauzone oder im Kanalisationsbereich erstellt werden könnte. Dass ein solcher Standort möglich wäre, wird aber von keiner Seite geltend gemacht und lässt sich den Akten nicht entnehmen.
Es besteht auch kein Grund zur Annahme, dass das Bauprojekt den Umfang einer angemessenen baulichen Sanierung des von den Beschwerdeführern gekauften landwirtschaftlichen Kleinbetriebes überschreitet.
7.
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass für den in Frage stehenden Bau ein sachlich begründetes Bedürfnis
BGE 100 Ib 86 S. 94
im Sinne des
Art. 20 GSchG
und des Art. 27 Allg.GSchV besteht. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die geplante Ersatzbaute schon auf Grund einer analogen Anwendung des Art. 25 Allg.GSchV zuzulassen wäre...
8.
Dagegen stellt sich noch die Frage, in welcher Form dafür zu sorgen ist, dass das alte Bauernhaus nach dem Tode der jetzigen Eigentümerin nicht mehr zu Wohnzwecken benützt wird. Ferner ist noch zu untersuchen, wie die aus dem neuen Haus anfallenden Abwässer beseitigt werden sollen. Es ist Sache der kantonalen Behörden, die von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen Lösungen zu beurteilen und die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Die Angelegenheit ist deshalb an den Regierungsrat zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird insofern gutgeheissen, als der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückwiesen wird. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3f1c0fe8-5556-4f02-b5e4-301cf18b0d4d | Urteilskopf
125 II 79
8. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Oktober 1998 i.S. Deutsche Bank (Suisse) SA gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 38 BEHG
,
Art. 35 Abs. 2 BEHG
und
Art. 34 BEHG
,
Art. 103 lit. a OG
,
Art. 6 VwVG
,
Art. 23 Abs. 4 BankG
,
Art. 12 lit. a Ziff. 4 EBK-GebV
; Amtshilfe an das deutsche Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe), Kostenpflicht der Bank.
Die Eidgenössische Bankenkommission kann die Herausgabe der für die Amtshilfe erforderlichen Informationen im Auskunftsverfahren durch eine förmliche (Zwischen-)Verfügung erzwingen (E. 3a).
Da die Bank den Amtshilfeentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechten kann, verliert sie - eine ausdrückliche Abstandserklärung vorbehalten - ihre Parteistellung im anschliessenden Übermittlungsverfahren nicht, weshalb ihr gestützt auf
Art. 12 lit. a Ziff. 4 EBK-GebV
Kosten auferlegt werden können (E. 3b u. 4). | Sachverhalt
ab Seite 79
BGE 125 II 79 S. 79
Im Zusammenhang mit einem Amtshilfeersuchen des deutschen Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe) lud die
BGE 125 II 79 S. 80
Eidgenössische Bankenkommission die Deutsche Bank (Suisse) SA ein, ihr verschiedene Angaben zu liefern. Diese widersetzte sich vorerst der Übermittlung der entsprechenden Informationen und deren Weiterleitung ins Ausland, kam - im Einverständnis mit ihrem Kunden - in der Folge der entsprechenden Aufforderung indessen nach.
Die Bankenkommission verfügte hierauf, dass dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Amtshilfe geleistet werde und diesem Name, Adresse und Geburtsdatum von X. übermittelt würden. Die Verfahrenskosten von Fr. 1'610.- auferlegte sie der Deutschen Bank (Suisse) SA.
Diese hat hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, die angefochtene Verfügung aufzuheben und festzustellen, dass sie nicht Verfahrenspartei sei und ihr deshalb keine Kosten auferlegt werden dürften.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
In Anwendung des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG; SR 954.1) ergangene Verfügungen der Aufsichtsbehörde unterliegen unmittelbar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (
Art. 39 BEHG
; Art. 97 in Verbindung mit
Art. 98 lit. f OG
und
Art. 5 VwVG
). Die Beschwerdeführerin ist als Adressatin der Verfügung der Bankenkommission ohne weiteres legitimiert, ihre Parteistellung und Kostenpflicht in jenem Verfahren zu bestreiten (
Art. 103 lit. a OG
; vgl.
BGE 123 II 115
E. 2). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Eingabe ist demnach einzutreten. Die Beschwerdeführerin ficht den Entscheid der Bankenkommission indessen nicht mehr an, soweit diese angeordnet hat, dass Name, Adresse und Geburtsdatum ihres Kunden an das Bundesaufsichtsamt weitergeleitet würden. Nachdem der Betroffene seine Beschwerde seinerseits zurückgezogen hat, ist auf die Rechtmässigkeit des entsprechenden Entscheids deshalb nicht mehr einzugehen.
3.
Nach
Art. 38 Abs. 2 BEHG
kann die Eidgenössische Bankenkommission ausländischen Aufsichtsbehörden nicht öffentlich zugängliche Auskünfte und Unterlagen übermitteln. Das Gesetz macht die Mitteilung vertraulicher Informationen von einer Reihe von Voraussetzungen abhängig. Soweit die zu übermittelnden Informationen einzelne Kunden von Effektenhändlern betreffen, gilt das
BGE 125 II 79 S. 81
Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021;
Art. 38 Abs. 3 BEHG
).
a) Die für die Amtshilfe erforderlichen Informationen müssen, soweit die Bankenkommission nicht bereits darüber verfügt, vorerst beschafft werden. Gemäss
Art. 35 Abs. 2 BEHG
sind Personen und Gesellschaften, die der Aufsicht unterstehen, verpflichtet, der Bankenkommission alle Auskünfte und Unterlagen zu liefern, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt. Da die Leistung von Amtshilfe ebenfalls hierzu gehört, bezieht sich diese Verpflichtung auch auf alle entsprechenden Informationen. Werden die Angaben verweigert, kann die Bankenkommission die Auskunft durch förmliche Verfügung erzwingen ("Auskunftsverfahren"; ANNETTE ALTHAUS, Amtshilfe und Vor-Ort-Kontrolle, Diss. Bern 1997, S. 173 f., 204; URS ZULAUF, Rechtshilfe - Amtshilfe, SZW 1995, S. 59 N. 44; ROLF WATTER/RALPH MALACRIDA, Das Börsengesetz im internationalen Kontext, in: Christian J. Meier-Schatz [Hrsg.], Das neue Börsengesetz der Schweiz, Bern 1996, S. 166). Dabei hängen das Verfahren zur Informationsbeschaffung und jenes zu deren Weiterleitung, das einzuleiten ist, wenn Kunden von Effektenhändlern betroffen sind, eng zusammen, da die Informationsbeschaffung ausschliesslich dem Übermittlungsverfahren und damit der eigentlichen Amtshilfe dient. Sofern eine Auskunftsverfügung erlassen werden muss, beendet diese das Verfahren nicht. Sie stellt vielmehr lediglich einen Schritt auf dem Weg zum Erlass der Übermittlungsverfügung dar, die ihrerseits das Amtshilfeverfahren abschliesst. Der zum Zweck der Gewährung von Amtshilfe erlassene Auskunftsentscheid ist demnach blosse Zwischenverfügung (ALTHAUS, a.a.O., S. 204; vgl.
BGE 123 II 268
E. 1;
BGE 116 Ib 235
E. 2;
BGE 108 Ib 377
E. 1b S. 381, mit Hinweis).
b) Als Parteien gelten gemäss
Art. 6 VwVG
Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht (vgl.
BGE 121 II 176
E. 2a S. 177). Im Auskunftsverfahren ist die Bank (bzw. der Effektenhändler) ohne weiteres Partei, wird sie doch darum ersucht bzw. nötigenfalls durch Verfügung gezwungen, die einverlangten Informationen herauszugeben. Zwar hat die Beschwerdeführerin vorliegend nach einigem Zögern die einverlangten Kundendaten schliesslich geliefert, ohne dass die Bankenkommission eine Auskunftsverfügung erlassen musste. Dadurch verlor sie ihre Parteistellung im anschliessenden Übermittlungsverfahren indessen nicht: Einerseits hatte sich die
BGE 125 II 79 S. 82
Beschwerdeführerin, wie sie in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde einräumt, nicht nur der Herausgabe der Informationen an die Bankenkommission, sondern auch deren allfälligen Übermittlung ins Ausland widersetzt, weshalb es widersprüchlich erscheint, wenn sie sich nunmehr nachträglich nicht mehr als Partei des Verfahrens verstehen will. Andererseits hat das Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen entschieden, dass auch die vom ausländischen Strafverfahren nicht selber betroffene Bank, über deren Finanzoperationen und Kontenbewegungen Auskünfte in Form herauszugebender Dokumente oder durch Befragung von Angestellten bzw. Organen verlangt werden, hierdurch selber berührt bzw. beschwert ist und somit ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
hat. Dasselbe gilt, wenn die Bank gegen die sie treffende Vollzugsverfügung Beschwerde führt, um das Bankgeheimnis ihrer Kunden und die zwischen diesen und ihr bestehenden vertraglichen Beziehungen zu schützen (
BGE 118 Ib 442
E. 2c S. 447, mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung lässt sich auf die internationale Amtshilfe übertragen (ALTHAUS, a.a.O., S. 218). Die Bank oder der Effektenhändler sind deshalb durch das Amtshilfeverfahren nicht nur insoweit betroffen, als sie die Informationen an die Bankenkommission herausgeben müssen, sondern auch insofern, als diese die Weiterleitung an die ausländische Aufsichtsbehörde anordnet. Die Übermittlung berührt nicht nur den Kunden, sondern auch die Bank selber in der Regel nachhaltiger als die Herausgabe der Information an die schweizerische Aufsichtsbehörde als solche. Sind die Bank oder der Effektenhändler somit aber zur Beschwerdeführung legitimiert, kommt ihnen auch im Verfahren vor der Bankenkommission grundsätzlich Parteistellung zu. Zwar ist denkbar, dass die Bank oder der Effektenhändler die von der Bankenkommission verlangten Informationen ohne weiteres herausgibt und zugleich erklärt, sich am weiteren Verfahren nicht beteiligen zu wollen, während sich der Kunde der Weiterleitung der Informationen an die ausländische Aufsichtsbehörde widersetzt. In diesem Fall wäre das Verfahren nur noch mit dem Kunden fortzuführen. Eine entsprechende Abstandserklärung hätte allerdings ausdrücklich und unmissverständlich zu erfolgen (vgl.
BGE 119 V 36
E. 1b S. 38), woran es hier zum Vornherein fehlte, nachdem sich die Beschwerdeführerin gerade unzweideutig auch der Weiterleitung der Informationen an das Bundesaufsichtsamt widersetzt hatte.
4.
Nach Art. 23 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0), worauf
Art. 34 BEHG
verweist,
BGE 125 II 79 S. 83
werden die Kosten der Bankenkommission und ihres Sekretariats durch Gebühren gedeckt, deren Einzelheiten der Bundesrat regelt. Die von diesem gestützt hierauf erlassene Verordnung vom 2. Dezember 1996 über die Erhebung von Abgaben und Gebühren durch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK-GebV; SR 611.014) sieht in Art. 12 lit. a Ziff. 4 eine Spruchgebühr von bis zu 15'000 Franken für sogenannte "andere Verfügungen" vor, worunter ohne weiteres auch solche im Rahmen der Amtshilfe subsumiert werden können. Die Auferlegung der Verfahrenskosten an die Beschwerdeführerin, die nach dem Gesagten Verfahrenspartei war, erscheint damit aber - entgegen deren Einwänden - nicht als bundesrechtswidrig. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach unbegründet und deshalb abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f24629e-b125-4238-8bbf-72f3ecab48a8 | Urteilskopf
81 II 431
67. Urteil vom 3. Oktober 1955 i.S. Schlageter gegen Huber und Konsorten. | Regeste
Einbau von Material in ein fremdes Grundstück. Akzessionsprinzip. Entschädigungsanspruch des bauenden Materialeigentümers.
Art. 671 und 672 ZGB
. Anwendung dieser Regeln auf den Fall, dass der Bauende einer von mehreren Gesamteigentümern der Liegenschaft ist.
Entschädigungsansprüche nach
Art. 672 ZGB
verjähren nach den für die ungerechtfertigte Bereicherung oder allenfalls nach denfür die unerlaubten Handlungen aufgestellten Bestimmungen (Art. 67, allenfalls 60 OR). | Sachverhalt
ab Seite 432
BGE 81 II 431 S. 432
A.-
Die Liegenschaft Lörracherstrasse 111 in Riehen stand im Gesamteigentum der sieben Geschwister Huber als Erben ihres Vaters. Einer der Beteiligten, Paul Huber, ging am 20. Mai 1946 daran, den auf dieser Liegenschaft hinter dem Wohnhause stehenden Schopf zum Einstellen von Fahrrädern und Gartengeräten durch ein neues Schopfgebäude zu ersetzen. Die Geschwister waren mit seinem Bauvorhaben nicht einverstanden. Sie schrieben ihm am 24. Mai 1946, "dass wir unsere Einwilligung zum Bau dieses Schopfes nur geben, wenn du Dein Bauvorhaben auf eigene Verantwortung und auf eigene Kosten ausführst". Gleichwohl erstellte Paul Huber den neuen Schopf, um ihn benützen und später mit der Liegenschaft erwerben zu können. Dessen Wert ist gutachtlich auf Fr. 14'016.-- geschätzt.
B.-
Indessen kam es im Zuge der Teilung der väterlichen Erbschaft schon am 28. Mai 1947 zur Versteigerung der Liegenschaft unter den Miterben. Sie ging für Fr. 73'000.-- an die Geschwister des Paul Huber über, die sie mit je einem Sechstel zu Miteigentum übernahmen.
C.-
Im Scheidungsprozess der Eheleute Paul und Mina Huber-Schlageter trat der Ehemann durch gerichtlich
BGE 81 II 431 S. 433
genehmigten Vergleich vom- 8. Januar 1953 die "Hälfte der allfälligen Ansprüche gegen die Geschw. Huber betr. Schopf in Riehen" der Ehefrau ab.
D.-
Diese belangte mit Klage vom 18. Februar 1954 die Geschwister des geschiedenen Ehemannes auf Zahlung von Fr. 4000.-- nebst Zins und Betreibungskosten (für die am 24. November 1953 eingeleiteten, durch Rechtsvorschlag gehemmten Betreibungen). Sie behielt die Geltendmachung weiterer Forderungen vor. Die Klage stützte sie darauf, dass die Beklagten als Gesamteigentümer der Liegenschaft um 6 /7 des Wertes des von Paul Huber erbauten Schopfes bereichert worden seien. Bei der erbrechtlichen Auseinandersetzung, die zur Aufhebung des Gesamteigentums an der Liegenschaft führte, habe man diese Bereicherung nicht ausgeglichen. Die Beklagten seien daher zur Entschädigung verpflichtet, sei es nach
Art. 672 ZGB
oder nach Art. 422, eventuell 423 OR.
E.-
Die Beklagten trugen auf Abweisung der Klage an. Sie verneinten eine Bereicherung; denn bei der Ersteigerung der Liegenschaft hätten sie mit dem Gantpreis auch den Schopfbau bezahlt. Im übrigen hätten sie eine Pflicht, Paul Huber für die Erstellung des Schopfes zu entschädigen, nie übernommen, sondern immer abgelehnt. Die Forderung der Klägerin ermangle jeden Rechtsgrundes; Paul Huber habe den Bau entgegen ihrem, der Beklagten, ausdrücklichen Willen begonnen; mit dem Briefe vom 24. Mai 1946 hätten sie sich gegenüber spätern Ansprüchen aus dem Schopfbau gesichert. Übrigens wäre eine Forderung längst verjährt.
F.-
Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt wie auch das Appellationsgericht, an das die Klägerin die Sache weiterzog, wiesen die Klage ab. Die erste Instanz verneinte den Bestand einer Forderung, die zweite erklärte den Klageanspruch bei Berücksichtigung aller in Betracht fallenden Rechtsgründe als verjährt.
G.-
Gegen das Urteil des Appellationsgerichtes vom 6. Mai 1955, zugestellt am 15. August 1955, hat die Klägerin
BGE 81 II 431 S. 434
Berufung an das Bundesgericht eingelegt, mit der sie das Klagebegehren erneuert.
Die Beklagten beantragen die Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Dem Appellationsgericht ist darin beizustimmen, dass sich die Klägerin nicht auf vertragliche Verpflichtungen der Beklagten zu berufen vermag. Diese widersetzten sich dem Bauvorhaben zuerst und willigten alsdann dazu nur unter der Bedingung ein, dass Paul Huber es auf eigene Verantwortung und auf eigene Kosten ausführe. Fraglich ist, ob mit dieser Erklärung auch für die Zukunft, namentlich für den Fall einer Veräusserung der Liegenschaft, eine Entschädigungspflicht der Beklagten für den im Schopfbau enthaltenen Mehrwert, also insbesondere die Pflicht, dem Erbauer des Schopfes den diesem zuzuschreibenden Mehrpreis zuzuweisen, wegbedungen war. Sollte dies zu verneinen sein, so bestünde aber doch keine vertragliche Pflicht zu solcher Leistung, sondern es wären nur allfällige gesetzliche Entschädigungsansprüche vorbehalten geblieben.
2.
Unter diesem Gesichtspunkt zieht das Appellationsgericht Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (nach
Art. 62 ff. OR
), aus Geschäftsführung ohne Auftrag (
Art. 419 ff. OR
) und aus dem Einbau von Material in ein fremdes Grundstück (
Art. 671 ff. ZGB
) in Betracht. Richtigerweise sind die letztern Vorschriften, namentlich diejenigen von Art. 672, anzuwenden, da sie die infolge des Akzessionsprinzips des
Art. 671 ZGB
eintretende Entschädigungspflicht speziell ordnen. Das schliesst freilich nicht aus, dass
Art. 672 ZGB
, der nur die Voraussetzungen und den Umfang des Anspruches bestimmt (mit besonderer Berücksichtigung eines bösen Glaubens des bauenden Grundeigentümers oder des bauenden Materialeigentümers gemäss Abs. 2 und 3), in verschiedener Hinsicht durch andere Vorschriften ergänzt werden muss,
BGE 81 II 431 S. 435
und dass insoweit gerade die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung und über die Geschäftsführung ohne Auftrag herangezogen werden mögen.
Der Anwendung der
Art. 671 ff. ZGB
steht nicht etwa entgegen, dass Paul Huber am Gesamteigentum mitbeteiligt, das Grundstück also für ihn kein schlechthin fremdes war. Er hatte allerdings gleichwie jedes seiner sechs Geschwister einen unausgeschiedenen Anteil an der ganzen Liegenschaft (
Art. 652 ZGB
). Allein das Akzessionsprinzip wirkte sich beim Schopfbau gleichwohl aus, indem das von Paul Huber eingebaute Materiel Bestandteil des Grundstücks und damit gemeinschaftliches Eigentum aller sieben Anteilhaber wurde. Wird das Material nicht nachträglich wieder abgetrennt (und kommt es auch nicht zur Zuweisung des Grundstücks an den Materialeigentümer gemäss
Art. 673 ZGB
), so muss der nun auf sein blosses Anteilsrecht beschränkte Materialeigentümer gleichfalls gemäss
Art. 672 ZGB
Entschädigung verlangen können. Bei deren Bemessung ist natürlich seinem Anteilsrecht Rechnung zu tragen, da er eben das Eigentum am Material nicht in vollem Umfange verloren hat.
3.
Über die Verjährung der aus
Art. 672 ZGB
hervorgehenden Entschädigungsansprüche ("angemessene Entschädigung", "voller Schadenersatz", "dasjenige, was der Bau für den Grundeigentümer allermindestens wert ist") wird in diesem Artikel nichts bestimmt. Da es sich keineswegs um ein dingliches Recht (wie das Eigentum oder den Eigentumsfreiheitsanspruch, vgl. HAAB, N. 37 und 44 zu
Art. 641 ZGB
) handelt, man es vielmehr mit Forderungen zu tun hat, ist kein Zweifel, dass diese Ansprüche wie alle Forderungen (mit Vorbehalt von Ausnahmebestimmungen wie
Art. 807 ZGB
und
Art. 149 Abs. 5 SchKG
) der Verjährung unterliegen. Streitig ist denn auch nur die hiefür massgebende Frist. Nach der grundlegenden Regel von
Art. 127 OR
verjähren "mit Ablauf von zehn Jahren ... alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt". Die Frage geht nun dahin, ob es für
BGE 81 II 431 S. 436
Entschädigungsansprüche aus Art. 672 bei dieser Regel bleibe, oder ob die für unerlaubte Handlungen und für die ungerechtfertigte Bereicherung vorgesehene (relative) einjährige Verjährungsfrist (Art. 60 bezw. 67 OR) Platz greife, die im vorliegenden Fall ohne Unterbrechung abgelaufen wäre.
Das Appellationsgericht hält
Art. 67 OR
(und eventuell auch
Art. 60 OR
) auf die Ansprüche aus
Art. 672 ZGB
für analog anwendbar, weil diese Ansprüche denen aus ungerechtfertigter Bereicherung (und gegebenenfalls solchen aus unerlaubter Handlung) "wesensgleich" seien. Das trifft nun freilich nicht in vollem Masse zu, denn die Akzession nach
Art. 671 Abs. 1 ZGB
, auf die sich der Entschädigungsanspruch stützt, ist eine gesetzliche Folge des Einbaues, also nicht im Sinne der
Art. 62 ff. OR
"ungerechtfertigt", d.h. eines gültigen oder jeden Rechtsgrundes entbehrend ("sans cause légitime", "senza causa legittima"). Aber so rechtmässig der sachenrechtliche Zuwachs als Bestandteil des Grundstücks auch ist, so ist doch die Auswirkung dieses Vorganges auf den Vermögensstand des bisherigen Material- und des Grundeigentümers, also eben des erstern "Entreicherung" und des letztern "Bereicherung", grundsätzlich in einem der Umgangssprache geläufigen weitern Sinne ungerechtfertigt, d.h. unverdient (vgl. die Übersetzung des Wortes "ungerechtfertigt" bei SACHS-VILLATTE, Deutsch-Französisch S. 1001, und im Taschenwörterbuch von LANGENSCHEIDT, Deutsch-Italienisch: "non justifié", "ingiustificato"). Deshalb eben ist diese Vermögensveränderung nach Massgabe von
Art. 672 ZGB
durch "angemessene Entschädigung" (mit den sich unter Umständen aus Abs. 2 und 3 daselbst ergebenden Modalitäten) auszugleichen. Dass
Art. 672 ZGB
(abgesehen von einem allfällig weitergehenden Schadenersatz nach Abs. 2) auf Wettmachung einer Bereicherung geht, ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzestext und ist allgemein anerkannt (vgl. WIELAND, N. 1 Abs. 2 zu Art. 672; LEEMANN, N. 4 zu den Art. 672 und 673; HAAB, N. 3 zu
BGE 81 II 431 S. 437
den Art. 671-673; ferner VON THUR OR § 52 II 1 a; OSER-SCHÖNENBERGER, N. 10 am Ende zu
Art. 62 OR
). Damit ist nun aber diese Bereicherung grundsätzlich (mit den sich aus
Art. 672 ZGB
ergebenden Besonderheiten) ebenso der Korrektur durch eine Geldleistung unterworfen wie eine im Sinne der
Art. 62 ff. OR
ungerechtfertigte. Infolge dieses gleichermassen auf Wertausgleichung (und allenfalls weitergehend auf Schadenersatz) gerichteten Zweckes der einen wie der andern Ansprüche ist es vollauf am Platze, die Ansprüche aus
Art. 672 ZGB
inbezug auf die Verjährung dem
Art. 67 OR
(neben
Art. 60 OR
) zu unterstellen. Dies um so mehr, als das Gesetz selbst in andern Fällen eines von Rechts wegen eintretenden Rechtsverlustes, namentlich in den mit der Akzession des
Art. 671 ZGB
verwandten Fällen der Verarbeitung (Art. 726) und der Verbindung und Vermischung (Art. 727), ausdrücklich "die Ansprüche auf Schadenersatz und aus Bereicherung" vorbehält, was ohne weiteres der Anwendung der entsprechenden Verjährungsnormen von
Art. 60 und 67 OR
ruft. Die in dieser Beziehung in
Art. 672 ZGB
bestehende Lücke ist sachentsprechend in gleichem Sinne auszufüllen.
4.
Hätte der Gesetzgeber von einer selbständigen Regelung der Akzessionsfolgen, wie sie
Art. 672 ZGB
enthält, absehen wollen, so wäre wohl wie in den soeben erwähnten Art. 726 und 727 auf die Vorschriften des OR über die unerlaubten Handlungen und über die ungerechtfertigte Bereicherung verwiesen worden. Ja, wenn auch dies unterblieben wäre, würde sich ernstlich fragen, ob nicht eine analog den Art. 726 und 727 auszufüllende Lücke vorliege. MARTIN WOLFF (Der Bau auf fremdem Boden, S. 63 /64 mit Fussnote 8) nimmt allerdings inbezug auf das deutsche BGB an, die Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung könnten bei einem des gültigen Rechtsgrundes nicht ermangelnden, auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Rechtsverluste nicht angewendet werden, wenn sie nicht in § 951 BGB vorbehalten wären. Eine solche Schlussfolgerung wäre aber mit Bezug
BGE 81 II 431 S. 438
auf die Akzession nach
Art. 671 ZGB
nicht ohne Bedenken zu ziehen, zumal eben nicht einzusehen ist, weshalb der Rechtsverlust in diesem Fall in Kauf zu nehmen sein sollte, während in Art. 726 und 727 für ähnliche Tatbestände Ansprüche auf Schadenersatz und aus Bereicherung vorbehalten worden sind. Das kann aber offen bleiben; denn in Wirklichkeit gibt ja das ZGB Schadenersatz und Bereicherungsausgleich auch bei der Akzession infolge Materialeinbaues nach
Art. 671 ZGB
. Wenn er dabei, statt wie die Art. 726 und 727 (und wie § 951 Abs. 1 BGB) sich mit dem Hinweis auf schuldrechtliche Normen zu begnügen, in Art. 672 das Mass des Schadenersatzes oder des Bereicherungsausgleiches näher ordnet, ist doch die Natur der Ansprüche gleich, weshalb diese auch in gleicher Weise verjähren.
Dieser Betrachtungsweise kann endlich nicht entgegengehalten werden,
Art. 7 ZGB
biete für eine analoge Anwendung obligationenrechtlicher Normen auf Ansprüche aus
Art. 672 ZGB
keine Handhabe. Jene Bestimmung sieht allerdings nur vor, dass "die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes über die Entstehung, Erfüllung und Aufhebung der Verträge" auch auf andere zivilrechtliche Verhältnisse Anwendung finden. Damit ist aber weder eine ausnahmslos geltende noch eine erschöpfende Ordnung getroffen. Einerseits finden zum Beispiel die zu den genannten Bestimmungen des Obligationenrechtes gehörenden Verjährungsregeln keine Anwendung auf dingliche Rechte, da diese ihrer Natur nach keiner Verjährung unterliegen. Anderseits sind auch andere als die in
Art. 7 ZGB
genannten Bestimmungen des OR (vor allem des allgemeinen, aber auch des besondern Teils, wie etwa über die Geschäftsführung ohne Auftrag) der Anwendung auf Verhältnisse des ZGB fähig, sei es unmittelbar oder auf dem Wege der Analogie. Es bedarf dazu gar nicht der ausdehnenden Auslegung des
Art. 7 ZGB
. Vielmehr bleibt ganz unabhängig von dieser Vorschrift Raum für die Anwendung schuldrechtlicher Normen, wo immer sie sich
BGE 81 II 431 S. 439
sachlich als zutreffend erweist (vgl. HAFTER, 2. Auflage, N. 2 und 3 b zu
Art. 7 ZGB
). Das trifft nun nicht nur für das Rechtsinstitut der Verjährung mit seinem allgemeinen Inhalte zu, wie es in den
Art. 127 ff. OR
geordnet ist, sondern auch für die besondern Verjährungsfristen, wie sie (in
Art. 60 OR
) für Ansprüche aus unerlaubter Handlung und (in
Art. 67 OR
) für solche aus ungerechtfertigter Bereicherung aufgestellt sind.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Mai 1955 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f2a164e-61dc-4321-9d2d-1deb00e37dea | Urteilskopf
117 V 275
37. Auszug aus dem Urteil vom 28. August 1991 i.S. R. gegen Ausgleichskasse Schreiner und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 22, 23 und 24 IVG
,
Art. 18 und 21 IVV
: Eingliederungstaggeld, Betriebszulage.
- Auch im Rahmen von
Art. 18 Abs. 1 IVV
bezieht sich das Erfordernis der Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent auf die vom Versicherten bis zum Eintritt des Gesundheitsschadens ausgeübte Erwerbstätigkeit (Erw. 2a).
- Der Umstand, dass ein in seiner gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähiger Versicherter während der Zeit, in der sich Umschulungsmöglichkeiten abzuzeichnen beginnen, in Erfüllung der Schadenminderungspflicht eine Erwerbstätigkeit ausübt, schliesst den Anspruch auf Wartetaggeld grundsätzlich nicht aus (Erw. 2b).
- Die Regeln für die Bemessung des Eingliederungstaggeldes gemäss
Art. 21 IVV
sind für die Bemessung des Wartetaggeldes sinngemäss anwendbar (Erw. 3a).
- Der Zweck der Betriebszulage im Rahmen des Taggeldes der Invalidenversicherung besteht darin, die aus selbständiger Erwerbstätigkeit während der Eingliederung weiterhin anfallenden Betriebskosten teilweise zu decken (Erw. 4a).
- Der Anspruch auf eine Betriebszulage setzt voraus, dass der Versicherte vor Eintritt des Gesundheitsschadens selbständigerwerbender Betriebsinhaber und in dieser Zeit nicht etwa überwiegend unselbständigerwerbend war und dass er während der Warte- und Eingliederungszeit weiterhin mit anfallenden Betriebskosten belastet ist, welche er infolge gesundheitsbedingter Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht mehr decken kann (Erw. 4b).
- Auch für die Betriebszulagenberechtigung ist es grundsätzlich unerheblich, dass der Versicherte während der Wartezeit eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Dies ist nur masslich von Bedeutung, indem das Taggeld einschliesslich der Betriebszulage zu kürzen ist und allenfalls, je nach den massgeblichen Verdienstverhältnissen, infolge gänzlicher Kürzung entfallen kann (Erw. 4b). | Erwägungen
ab Seite 277
BGE 117 V 275 S. 277
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Versicherte hat während der Eingliederung Anspruch auf ein Taggeld, wenn er an wenigstens drei aufeinanderfolgenden Tagen wegen der Eingliederung verhindert ist, einer Arbeit nachzugehen, oder in seiner gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig ist (Art. 22 Abs. 1 erster Satz IVG). Der Bundesrat bestimmt, unter welchen Voraussetzungen Taggelder u.a. für Wartezeiten gewährt werden können (
Art. 22 Abs. 3 IVG
). Gestützt auf diese Ermächtigung hat er
Art. 18 IVV
mit dem Randtitel "Wartezeiten im allgemeinen" erlassen. Nach dessen Abs. 1 hat der Versicherte, der zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähig ist und auf den Beginn bevorstehender Eingliederungsmassnahmen warten muss, für die Wartezeit Anspruch auf ein Taggeld. Der Anspruch beginnt im Zeitpunkt, in welchem die Kommission aufgrund ihrer Abklärungen feststellt, dass Eingliederungsmassnahmen angezeigt sind, spätestens aber vier Monate nach Eingang der Anmeldung (Abs. 2).
Zumindest 50 Prozent arbeitsunfähig im Sinne von
Art. 22 Abs. 1 IVG
ist der Versicherte, wenn er die gewohnte Erwerbstätigkeit zur Hälfte nicht mehr ausüben kann (
BGE 112 V 16
Erw. 2b). Auch im Rahmen von
Art. 18 Abs. 1 IVV
bezieht sich das Erfordernis der Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent auf die vom Versicherten bis zum Eintritt des Gesundheitsschadens ausgeübte Erwerbstätigkeit.
Der Anspruch auf Taggeld während der Wartezeit setzt weiter voraus, dass subjektiv und objektiv Eingliederungs- und nicht bloss Abklärungsmassnahmen angezeigt sind (ZAK 1991 S. 178). Der Anspruch auf Wartetaggeld nach Ablauf von vier Monaten seit Eingang der Anmeldung (
Art. 18 Abs. 2 IVV
) verlangt anderseits nicht, dass die Kommission bereits die Durchführung der Eingliederungsmassnahmen beschlossen hat, sondern es genügt, dass diese ernsthaft in Frage kommen (unveröffentlichtes Urteil V. vom 16. Juli 1990).
BGE 117 V 275 S. 278
b) Die Vorinstanz hat den Anspruch auf Wartetaggeld ab 11. Mai 1989, dem ersten Tag nach Ablauf der Frist von vier Monaten seit Eingang der Anmeldung zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung am 10. Januar 1989, mit der Begründung verneint, das "nach der Aufgabe des eigenen Schreinereibetriebes" (Verkauf des Geschäftes vom 31. März 1989) "erzielte Einkommen (liege) jedenfalls nicht unter demjenigen, welches (der Beschwerdeführer) als selbständigerwerbender Schreiner" erreicht habe.
Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden. Der Umstand, dass ein in seiner gewohnten Tätigkeit zu mindestens 50 Prozent arbeitsunfähiger Versicherter während der Zeit, in der sich Umschulungsmöglichkeiten erst abzuzeichnen beginnen, in Erfüllung der generell in der Sozialversicherung geltenden Schadenminderungspflicht (vgl.
BGE 115 V 53
,
BGE 114 V 285
Erw. 3, 347 Erw. 2b; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 377; MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 131) eine Erwerbstätigkeit ausübt, schliesst den Anspruch auf Wartetaggeld grundsätzlich nicht aus. In einem solchen Fall kann weder von selbstverschuldeter Herbeiführung einer Wartezeit (
BGE 114 V 141
Erw. 2b) noch von selbstverschuldeter Hinauszögerung der Eingliederungsmassnahmen und damit verbundener Verlängerung der Wartezeit (EVGE 1963 S. 152 Erw. 2) gesprochen werden. Vielmehr sind vorliegend sämtliche Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Wartetaggeldes (andauernde, mindestens 50 Prozent betragende Arbeitsunfähigkeit; subjektive Eingliederungsbereitschaft und objektive Eingliederungsfähigkeit) erfüllt, weshalb der diesbezügliche Anspruch ab 11. Mai 1989 im Grundsatz nicht verneint werden kann.
3.
Eine andere Frage ist, ob der für die Wartezeit ab 11. Mai 1989 bis zum Beginn der Eingliederungsmassnahme (5. Februar 1990) grundsätzlich in Betracht fallende Anspruch auf Wartetaggeld berechnungsmässig entfällt.
a) Für Taggelder gelten die gleichen Ansätze, Bemessungsregeln und Höchstgrenzen wie für die entsprechenden Entschädigungen und Zulagen gemäss Bundesgesetz vom 25. September 1952 über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee und Zivilschutz (
Art. 24 Abs. 1 IVG
). Bemessungsgrundlage der Taggelder für Erwerbstätige bildet das Erwerbseinkommen, das der Versicherte durch die zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit erzielt hat (
Art. 24
BGE 117 V 275 S. 279
Abs. 2 IVG
). Der Bundesrat erlässt ergänzende Vorschriften über die Bemessung der Taggelder und lässt durch das zuständige Bundesamt verbindliche Tabellen mit aufgerundeten Beträgen aufstellen. Er kann für bestimmte Verhältnisse Kürzungen vorsehen (
Art. 24 Abs. 3 IVG
).
Der Bundesrat hat von der an ihn delegierten Kompetenz Gebrauch gemacht und in
Art. 21 IVV
folgendes bestimmt: Für die Bemessung der Taggelder sind unter Vorbehalt von u.a.
Art. 24 Abs. 2 IVG
die Bestimmungen der Verordnung vom 24. Dezember 1959 zur Erwerbsersatzordnung (EOV) sinngemäss anwendbar (Abs. 1). Liegt die vom Versicherten zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit mehr als zwei Jahre zurück, so ist auf das Erwerbseinkommen abzustellen, das der Versicherte, wenn er nicht invalid geworden wäre, durch die gleiche Tätigkeit unmittelbar vor der Eingliederung erzielt hätte (Abs. 2). Mit dieser Verordnungsbestimmung wird der in
Art. 24 Abs. 2 IVG
enthaltene Grundsatz präzisiert (nicht veröffentlichtes Urteil S. vom 17. Juli 1990). Übt ein Versicherter während der Eingliederung eine Erwerbstätigkeit aus, so wird das Taggeld einschliesslich Eingliederungszuschlag gekürzt, soweit es zusammen mit dem aus dieser Tätigkeit erzielten Einkommen das gemäss den Abs. 1 und 2 massgebende Erwerbseinkommen übersteigt (Abs. 3).
Diese Regeln finden auf die Bemessung des Wartetaggeldes sinngemäss Anwendung.
b) Während der Beschwerdeführer eine Erwerbseinbusse geltend macht, verneinte die Vorinstanz eine solche, indem sie den Monatslohn von Fr. 3'800.-- als Verkaufs- und Technischer Berater bei der Firma G. vom 28. März bis 31. August 1989 und den Stundenlohn von Fr. 18.-- bei der Firma M. M. vom Herbst bis zum 8. Dezember 1989 mit dem als selbständiger Schreiner seinerzeit erzielten Einkommen verglich. Massgebende Vergleichsbasis gemäss
Art. 21 Abs. 3 IVV
bildet aber im Falle des Beschwerdeführers, dessen zuletzt voll ausgeübte Tätigkeit als Schreiner mehr als zwei Jahre zurückliegt (
Art. 24 Abs. 2 IVG
in Verbindung mit
Art. 21 Abs. 2 IVV
), nicht der effektiv zuletzt erzielte Verdienst, sondern dasjenige Einkommen, welches er bei voller Leistungsfähigkeit im angestammten Beruf unmittelbar vor der Eingliederung, d.h. hier während der Wartezeit, hätte verdienen können.
Wie hoch dieses hypothetische Erwerbseinkommen ist, welches auch der Berechnung des ab 11. Mai 1989 grundsätzlich in Betracht fallenden Wartetaggeldes zugrunde zu legen ist, und in
BGE 117 V 275 S. 280
welchem Masse das Wartetaggeld wegen der während der Wartezeit 1989 erzielten Löhne gestützt auf
Art. 24 Abs. 3 IVG
in Verbindung mit
Art. 21 Abs. 3 IVV
- teilweise oder gänzlich - gekürzt werden muss, lässt sich aufgrund der bestehenden Aktenlage nicht schlüssig beurteilen. Die Sache ist daher, entgegen der vorinstanzlichen Verfahrensweise, auch in diesem Punkt an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, damit sie, nach erfolgter Abklärung der massgebenden Verdienstverhältnisse, über den Wartetaggeldanspruch ab 11. Mai 1989 neu verfüge.
4.
Im weiteren streitig und zu prüfen ist, ob in den Taggeldanspruch eine Betriebszulage miteinzubeziehen ist, wie der Beschwerdeführer beantragt.
a) Nach
Art. 23 Abs. 1 IVG
werden die Taggelder als Haushaltungsentschädigungen, Entschädigungen für Alleinstehende, Kinder-, Unterstützungs- und Betriebszulagen ausgerichtet. Für die einzelnen Taggeldarten gelten die gleichen Anspruchsvoraussetzungen wie für die entsprechenden Entschädigungen und Zulagen gemäss Bundesgesetz vom 25. September 1952 über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee und Zivilschutz (
Art. 23 Abs. 2 IVG
).
Nach dem bereits in Erw. 3a dargelegten
Art. 24 Abs. 1 IVG
gelten für Taggelder die gleichen Ansätze, Bemessungsregeln und Höchstgrenzen wie für die entsprechenden Entschädigungen und Zulagen gemäss EOG. Damit verweist das IVG u.a. auf
Art. 8 Abs. 1 EOG
, der wie folgt lautet: Anspruch auf Betriebszulagen haben die Dienstleistenden, die als Eigentümer, Pächter oder Nutzniesser einen Betrieb führen oder als Teilhaber einer Kollektivgesellschaft, als unbeschränkt haftender Teilhaber einer Kommanditgesellschaft oder als Teilhaber einer andern auf einen Erwerbszweck gerichteten Personengesamtheit ohne juristische Persönlichkeit an der Führung eines Betriebes aktiv beteiligt sind, sofern sie nicht aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ein höheres Einkommen erzielen.
Der Versicherte, der grundsätzlich - wenn auch mit invaliditätsbedingter Behinderung - die Voraussetzungen eines Betriebsführers nach
Art. 8 Abs. 1 EOG
erfüllt und sich einer Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung unterzieht, hat Anspruch auf eine Betriebszulage, solange er Taggelder bezieht und wegen der Durchführung dieser Massnahme seine Betriebsleiterfunktionen nicht erfüllen kann (ZAK 1973 S. 201). Der Zweck der Betriebszulage im Rahmen des Taggeldes der Invalidenversicherung
BGE 117 V 275 S. 281
besteht darin, die aus selbständiger Erwerbstätigkeit während der Eingliederung weiterhin anfallenden Betriebskosten teilweise zu decken (
BGE 96 V 130
; EVGE 1954 S. 312). Der Betriebsinhaber, der überwiegend unselbständig erwerbstätig ist, kann demgegenüber nach Art. 8 Abs. 1 in fine EOG keine Betriebszulage beanspruchen, weil er für den dienstlichen Erwerbsausfall bereits durch die Entschädigungsarten der
Art. 4 ff. EOG
, bemessen nach dem durchschnittlichen vordienstlichen Erwerbseinkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (
Art. 9 Abs. 1 und 2 EOG
), entschädigt wird (
BGE 115 V 322
Erw. 2d).
b) Entgegen der Auffassung von Vorinstanz und Verwaltung ist es aufgrund der dargestellten Rechtslage für den Anspruch auf eine Betriebszulage im Grundsatz unerheblich, dass der Beschwerdeführer während der Wartezeit eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Dieser Gesichtspunkt ist auch im vorliegenden Zusammenhang nur masslich insofern von Bedeutung, als das während der Wartezeit grundsätzlich auszurichtende Taggeld einschliesslich der Betriebszulage zu kürzen ist (
BGE 96 V 129
) und, wie dargelegt, je nach dem Ergebnis der noch zu treffenden Abklärungen gestützt auf
Art. 24 Abs. 3 IVG
in Verbindung mit
Art. 21 Abs. 3 IVV
zufolge einer allfälligen 100%igen Kürzung entfallen könnte.
Materiellrechtlich ist für die Frage der Betriebszulagenberechtigung vielmehr entscheidend, ob der Beschwerdeführer tatsächlich vor Eintritt des Gesundheitsschadens selbständigerwerbender Betriebsinhaber und in dieser Zeit nicht etwa überwiegend unselbständigerwerbend war; ferner, ob er während der Warte- und Eingliederungszeit weiterhin mit anfallenden Betriebskosten belastet war, welche er infolge gesundheitsbedingter Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht mehr decken kann.
Der Beschwerdeführer verabgabte vor Eintritt des Gesundheitsschadens ein Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit von bis zu Fr. 45'062.--). Sodann war er auch nach Eintritt des Gesundheitsschadens ab 1. April 1989 der Ausgleichskasse des Kantons Graubünden als Selbständigerwerbender angeschlossen. Ferner ergibt sich aus einer Bestätigung des Natur-Museums B. vom 29. November 1990, dass die (am 5. Februar 1990 begonnene) Umschulung zum zoologischen Hilfspräparator ebenfalls auf eine selbständige Erwerbstätigkeit abzielt. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die erwähnte Ausgleichskasse in ihrer Beitragsverfügung vom 21. Juni 1990 betreffend die Zeit vom 1. April bis
BGE 117 V 275 S. 282
31. Dezember 1989 von einem im Betrieb investierten Eigenkapital von immerhin Fr. 25'000.-- ausging und der Beschwerdeführer gemäss Baugesuch vom 28. November 1990 im Hinblick auf seine aufrechterhaltene Tätigkeit als Selbständigerwerbender daran ist, Arbeitsraum und Werkstatt umzubauen. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann der Anspruch auf eine Betriebszulage grundsätzlich nicht verneint werden. Für die Zeit vom 11. Mai bis 8. Dezember 1989, während welcher der Beschwerdeführer Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erzielte, könnte allerdings nach dem Gesagten, je nach dem Ergebnis der Abklärungen (Erw. 3b), der Fall zutreffen, dass der Taggeldanspruch einschliesslich Betriebszulage zufolge Überversicherung entfällt. Hingegen ist die Betriebszulagenberechtigung für die Wartezeit ab 9. Dezember 1989 und für das Eingliederungstaggeld ab 5. Februar 1990 ausgewiesen. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3f2c5064-4e9b-4493-b454-a80b9c233819 | Urteilskopf
106 II 114
21. Estratto della sentenza della II Corte civile del 19 giugno 1980 nella causa Fondazione Opera Pia San Giovanni Bosco c. Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Stiftungen.
Teilweise kirchlicher Zweck einer Stiftung; im vorliegenden Fall Vorherrschen des sozialen Zweckes und deshalb vollständige Unterstellung der Stiftung unter die Aufsicht der zivilen Behörden. | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 106 II 114 S. 114
Mediante atto pubblico del 3 marzo 1937 fu istituita, con sede a Mezzovico, la fondazione Pia Opera S. Giovanni Bosco. Quale scopo fu indicato "quello di erigere o di acquistare un fabbricato dove si possano raccogliere i parrocchiani d'ambo le parrocchie suddette a conferenze, a corsi d'istruzione, a trattenimenti onesti, ricreativi ed a manifestazioni religiose (escluse assemblee parrocchiali) come pure per raccogliere bambini sotto la direzione di persone competenti e giudiziose onde dare aiuto e sollievo alle famiglie distratte dai lavori dei campi e del bestiame".
Le due parrocchie menzionate sono quelle di Mezzovico e di Vira. L'atto di costituzione precisava che la fondazione sarebbe stata sempre ed esclusivamente opera parrocchiale e, come tale, soggetta alla sorveglianza dell'Ordinario diocesano. Il regolamento contenente le norme per il funzionamento della fondazione doveva essere approvato dall'autorità ecclesiastica. L'amministrazione veniva affidata al parroco pro tempore di Mezzovico. La fondazione fu iscritta nel registro di commercio di Lugano il 2 dicembre 1937.
Il 16 agosto 1966 il Consiglio di Stato del Cantone Ticino emanò una decisione con la quale sottoponeva la Fondazione Pia Opera S. Giovanni Bosco alla vigilanza del Municipio di Mezzovico-Vira, quale autorità inferiore, ed a quella dello stesso Consiglio di Stato, quale autorità superiore. La decisione fu impugnata.
BGE 106 II 114 S. 115
Il 5 luglio 1979 la Fondazione, dichiarandosi fondazione di diritto ecclesiastico, chiese di essere esonerata dalla vigilanza delle autorità civili.
Con decisione 24 ottobre 1979 il Consiglio di Stato accertò che la Fondazione Pia Opera S. Giovanni Bosco, in Mezzovico, costituiva una fondazione mista di diritto privato e ne confermò l'assoggettamento alla vigilanza del Municipio di Mezzovico-Vira, quale autorità inferiore, e dello stesso Consiglio di Stato, quale autorità superiore.
La Fondazione insorge con un ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale, chiedendo l'annullamento della decisione del Consiglio di Stato.
Erwägungen
Considerando in diritto:
2.
L'autorità cantonale ammette che lo scopo perseguito dalla ricorrente è parzialmente ecclesiastico e che inoltre essa presenta un legame organico con le autorità ecclesiastiche. E, difatti, la fondazione venne costituita per adempiere uno scopo di assistenza spirituale (conferenze, corsi di istruzione, manifestazioni religiose, trattenimenti destinati ai parrocchiani di Mezzovico-Vira). D'altra parte, i fondatori la sottoposero alla sorveglianza dell'Ordinario diocesano e stabilirono che il regolamento dovesse essere approvato dall'autorità ecclesiastica.
Ma a ragione l'autorità cantonale richiama anche l'altro scopo della fondazione, che è quello di affidare (durante una parte della giornata) a persone competenti i bambini i cui genitori sono occupati nei lavori agricoli e, quindi, di portare aiuto e sollievo alle famiglie. Trattasi di uno scopo tipicamente sociale, suggerito, come si legge nell'introduzione all'atto pubblico di costituzione della fondazione, dal fatto che nel territorio delle parrocchie di Mezzovico-Vira non esisteva "alcun asilo d'infanzia, né comunale, né privato", e non concepito come un mezzo per adempiere un compito di assistenza spirituale religiosa o di attività pastorale. È inesatto affermare, come fa la ricorrente, che il fine di riunire i bambini fosse quello di favorirne l'educazione e la manifestazione religiosa o di istruirli ai sacri sacramenti. Una siffatta interpretazione non trova appoggio nello scopo della fondazione definito nell'atto di costituzione. Del resto, non risulta neppure che dei bambini dovesse necessariamente occuparsi il parroco od altra persona
BGE 106 II 114 S. 116
ecclesiastica, l'atto di fondazione parlando unicamente di persone "competenti e giudiziose".
Da questo profilo, e pur ammettendo che le due fattispecie non siano identiche, vi è da chiedersi se la sentenza pubblicata in
DTF 81 II 577
abbia operato le necessarie distinzioni. Comunque, contrariamente a quel giudizio, non si può ritenere che il fatto di mettere a disposizione di bambini di genitori occupati altrove un locale e personale qualificato, rappresenti un'attività specifica dell'azione cattolica, quando nulla permette di sostenere che tale tempo libero sia essenzialmente riservato all'istruzione ed all'educazione religiose.
Se quindi la fondazione ricorrente presenta un carattere misto, essa rimane soggetta alla vigilanza degli enti pubblici giusta l'
art. 84 CC
(RIEMER, Die Stiftungen, in Berner Kommentar zum Personenrecht, parte sistem. n. 204 e 365; EGGER, n. 2 all'
art. 87 CC
).
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto. | public_law | nan | it | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f2e2b99-0812-4bcb-88c9-ee3cddd42a34 | Urteilskopf
105 II 110
20. Arrêt de la Ire Cour civile du 14 mars 1979 dans la cause Haeberli contre Weston-Lewis (recours en réforme) | Regeste
Hinterlegung bei Gastwirten (
Art. 487-488 OR
).
Haftung des Gastwirtes gegenüber dem Reisenden, der dem Nachtportier gegen Empfangsschein einen Umschlag mit Geld und weiteren Wertgegenständen übergibt. | Sachverhalt
ab Seite 111
BGE 105 II 110 S. 111
Le 23 novembre 1974 vers 23 h., Anthony Weston-Lewis est descendu à l'Hôtel Victoria à Lausanne. Il a été reçu par le portier de nuit Mohamed Haha. Le personnel de la réception avait achevé son travail peu auparavant et n'était plus présent. Weston-Lewis remit au portier contre reçu une enveloppe dans laquelle il avait placé en sa présence 275'000 fr. belges, 2 livres sterling et 2 carnets de chèques, pour la déposer dans le coffre-fort de l'hôtel.
René Haeberli est le propriétaire de l'Hôtel Victoria. Lorsqu'il y arriva, le lendemain matin, le chef de la réception l'informa que le portier de nuit Mohamed Haha avait quitté son travail à 6 h. 30 au lieu de 7 h. et que le client de la chambre 405 - Weston-Lewis - réclamait l'enveloppe précitée.
Mohamed Haha ne devait plus revenir à l'Hôtel Victoria. Haeberli trouva dans le tiroir du portier de nuit une enveloppe portant le No 405, ni collée, ni déchirée. Il y récupéra 2 carnets de chèques et 2 livres sterling, mais aucune monnaie belge.
Weston-Lewis ouvrit action le 24 mai 1975 contre Haeberli en paiement de 20900 fr. avec intérêts à 18% dès le 24 novembre 1974. Cette somme correspond à la valeur des billets de banque belges au jour du dépôt.
Le 1er novembre 1978, le Tribunal cantonal du canton de Vaud a condamné Haeberli à payer la somme réclamée en capital, mais avec intérêts à 5% l'an dès le 24 novembre 1974.
Haeberli a déposé un recours en réforme; il conclut au rejet de la demande, éventuellement à la réduction de la somme due.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé le jugement attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le Tribunal cantonal a tenu pour constant que le demandeur avait remis diverses valeurs dont 275'000 fr. belges au portier de nuit de l'hôtel appartenant au défendeur et que cet employé s'était enfui le lendemain avec cet argent. Il a jugé en droit que le défendeur avait valablement reçu un dépôt au sens des
art. 487 et 488 CO
, le portier de nuit apparaissant aux clients de l'hôtel - en l'absence du personnel de réception - comme habile à conclure des contrats de dépôt d'hôtellerie au nom de son employeur.
BGE 105 II 110 S. 112
Le Tribunal cantonal a considéré qu'il importait peu de savoir quelles étaient les fonctions et les compétences du portier dans le cadre de l'organisation interne de l'hôtel. A son avis, seule était déterminante la qualité en laquelle cet employé apparaissait au client, au regard des règles de la bonne foi. Or, ce soir-là, Mohamed Haha assurait seul la réception et faisait office de préposé, ce qui - même vers 23 h. - est normal dans un hôtel situé près de la gare d'une ville comme Lausanne. C'est Mohamed Haha qui a loué la chambre. Le demandeur n'avait aucune raison de penser qu'il n'avait affaire qu'à un employé subalterne, ne disposant d'aucune responsabilité, à l'instar d'un veilleur de nuit ou d'un nettoyeur.
2.
Le recourant dénie que l'intimé ait pu - du point de vue subjectif - croire de bonne foi que le portier de nuit était réellement habile à recevoir en dépôt des objets de valeur pour le compte de l'hôtelier. Selon lui, dans tout hôtel du rang du Victoria, c'est-à-dire de première classe d'après les indications affichées à la réception, on devrait distinguer entre le concierge de jour et de nuit et la réception. La caisse de l hôtel et le service du coffre-fort sont confiés exclusivement au personnel administratif de la réception. Quant au portier, il ne serait, pas plus d'ailleurs que le concierge, habilité à recevoir des dépôts au nom de l'établissement. Cette organisation était - de l'avis du recourant - bien connue de l'intimé qui, de par sa profession, est appelé à voyager beaucoup. En remettant à Mohamed Haha l'enveloppe contenant des billets de banque et d'autres valeurs, le demandeur n'aurait pas conclu un contrat de dépôt valable avec l hôtelier et ne saurait dès lors lui demander la réparation du dommage.
3.
a) L'opinion du Tribunal cantonal n'est nullement contraire au droit fédéral. L'on ne saurait prétendre que le cas d'espèce est comparable à celui publié aux
ATF 33 II 424
. Dans ce précédent, le client avait oublié des bijoux à l'hôtel et avait donné mandat au portier de l'hôtel, à la gare au moment de son départ, de les faire suivre. Il ne s'agissait alors évidemment pas d'un dépôt hôtelier, et le client n'avait aucune raison de croire qu'il obligeait l'hôtelier en confiant ce mandat au portier; le comportement de ce portier était d'ailleurs demeuré sans incidence sur la solution du litige, puisque le portier avait transmis le mandat à la secrétaire de l'hôtel, laquelle engageait du même coup la responsabilité de l'hôtelier dans l'exécution de ce
BGE 105 II 110 S. 113
contrat. On ne saurait donc inférer de ce précédent qu'un portier n'est jamais habile à recevoir un dépôt au nom de son employeur, ni que seule la répartition objective des charges de l'hôtel sur le plan interne serait déterminante, à l'exclusion de l'idée subjective que peut s'en faire le client. Peu importe que le reçu remis par Mohamed Haha ait été écrit d'une main malhabile, qu'il ait été rédigé dans un style rudimentaire avec des fautes d'orthographe. Ces circonstances ne suffisaient pas à faire douter de sa qualité pour recevoir des valeurs en dépôt au nom de l'hôtelier, et cela même compte tenu de la situation d'espèce, de la réputation de l'hôtellerie suisse et du rang de l'hôtel Victoria.
b) En réalité, faute d'avoir clairement dégagé sa responsabilité par l'apposition d'une pancarte bien visible pour les clients à leur arrivée, l'hôtelier répond envers la clientèle des éventuels abus de confiance commis par son portier chargé de la réception nocturne.
En l'absence d'avertissement explicite et précis, le client n'a aucune raison de douter que l'employé qui le reçoit et qui a pouvoir de louer les chambres au nom de l hôtelier n'est pas ipso facto également habile à prendre en charge les valeurs que le client entend déposer. En l'occurrence, la pancarte affichée dans la chambre 405 ne contenait aucune limitation des compétences du portier. Elle indiquait que la direction de l'hôtel n'était responsable que des valeurs et objets précieux déposés à la réception contre reçu. C'est à cet avis que le demandeur s'est conformé.
4.
Le Tribunal cantonal a considéré - au surplus - que l'hôtelier avait l'obligation de donner aux voyageurs la faculté de déposer leurs valeurs en lieu sûr. Or, lorsque l'intimé est descendu à l'Hôtel Victoria, il n'y a trouvé qu'une seule personne à laquelle il a pu confier son argent, le portier de nuit, qui lui a remis son reçu.
Le recourant reproche au Tribunal cantonal d'avoir exagéré l'étendue de ses obligations en jugeant que l'hôtelier doit donner aux voyageurs la possibilité de déposer leurs valeurs à n'importe quelle heure lorsqu'il loue une chambre. Il estime qu'il y aurait lieu d'assigner une limite horaire à cette obligation comme le suggère BECKER (n. 3 ad
art. 488 CO
), selon lequel le dépôt doit intervenir à un moment où l'hôtelier lui-même ou son personnel habilité est de service.
BGE 105 II 110 S. 114
Cette question peut toutefois rester indécise puisque la motivation principale du Tribunal cantonal résiste à l'examen et ne viole pas la loi. Rien d'ailleurs n'empêche l'hôtelier de limiter dans le temps les heures d'ouverture de ses coffres en le précisant clairement lors de la conclusion du contrat hôtelier.
5.
Dans l'hypothèse où sa responsabilité serait admise, le recourant conteste devoir des dommages-intérêts, attendu que l'intimé aurait commis une faute grave en confiant des valeurs au portier de l'hôtel; le lien de causalité aurait été ainsi rompu.
Aucun des arguments avancés en défense ne saurait infirmer l'appréciation selon laquelle le demandeur pouvait de bonne foi penser que l'employé qui le recevait dans cet hôtel de première classe était habilité à recevoir un dépôt de valeurs. L'écriteau placardé dans la chambre louée mentionnait le "dépôt fait auprès de la réception contre reçu". Il n'était de nature ni à faire douter le demandeur de la validité du dépôt qu'il venait d'effectuer, ni à l'inciter à le retirer immédiatement, même si les textes français, italien et allemand de l'écriteau évoquaient un dépôt fait à la "caisse", et non à la "réception".
6.
Le recourant n'a pas motivé sa conclusion en réduction de l'indemnité. Ce moyen est néanmoins recevable, du moment que les faits invoqués à l'appui de la rupture du lien de causalité sont également propres à justifier une réduction des dommages-intérêts. Il n'y a toutefois pas lieu d'appliquer les
art. 44, 99 al. 3 CO
, aucune faute n'étant imputable au demandeur. | public_law | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f33348b-0e5b-49f3-b928-2220045c8c5a | Urteilskopf
109 IV 63
18. Urteil der Anklagekammer vom 3. Mai 1983 i.S. C. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft | Regeste
Verjährung von Entschädigungsansprüchen gemäss
Art. 122 BStP
. Die absolute Verjährung von Entschädigungsforderungen für die ausgestandene Untersuchungshaft und damit verbundene Nachteile im Sinne von
Art. 122 BStP
tritt 10 Jahre nach Entlassung aus der Untersuchungshaft ein. | Sachverhalt
ab Seite 63
BGE 109 IV 63 S. 63
A.-
Am 24. Mai 1972 wurde C. aufgrund eines Haftbefehls des Bundesanwalts u.a. wegen Verdachts des Herstellens, Verbergens und Weiterschaffens von Sprengstoffen (
Art. 226 StGB
) in Untersuchungshaft gesetzt. Da ihm eine strafbare Handlung nicht nachgewiesen werden konnte, wurde er am 6. Juli 1972 aus der Haft entlassen und das Verfahren wegen Verletzung von
Art. 226 StGB
eingestellt. Bezüglich anderer Verdachtspunkte, deren Verfolgung und Beurteilung an die Behörden des Kantons Zürich delegiert wurden, erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich am 22. November 1982 wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eine Einstellungsverfügung.
B.-
Mit Eingabe vom 14. April 1983 ersucht C. für die Untersuchungshaft und damit verbundene weitere Nachteile ("politischer, beruflicher, moralischer und finanzieller Schaden") um Ausrichtung einer Entschädigung in der Höhe von Fr. 10'000.--.
C.-
In ihrer Vernehmlassung vom 27. April 1983 beantragt die Bundesanwaltschaft, das Begehren sei abzuweisen, da der Anspruch auf Entschädigung verjährt sei.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.
Art. 122 BStP
sieht vor, dass dem Beschuldigten, gegen den die Untersuchung eingestellt wird, auf dessen Begehren eine Entschädigung für die Untersuchungshaft und für andere Nachteile, die er erlitten hat, auszurichten ist. Zur Frage der Verjährung dieser Entschädigungsansprüche enthält die genannte Gesetzesbestimmung
BGE 109 IV 63 S. 64
nichts. Das Institut der Verjährung wird indessen aufgrund eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch dann anerkannt, wenn eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt (
BGE 108 Ib 151
E. 4a mit Verweisungen); dies gilt sowohl für Forderungen des Gemeinwesens an den Bürger wie auch für solche des Bürgers an das Gemeinwesen (
BGE 97 I 626
E. 6a).
Sofern im massgeblichen Erlass Vorschriften über Beginn und Dauer der Verjährung sowohl für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch als auch für vergleichbare Forderungen fehlen, sind die gesetzlichen Fristenregelungen anderer Erlasse für verwandte Ansprüche heranzuziehen (
BGE 108 Ib 151
E. 4a).
2.
Als Erlass, der vergleichbare Entschädigungsansprüche regelt und überdies Bestimmungen zur Verjährung aufweist, bietet sich hier das Verantwortlichkeitsgesetz an, das in Art. 20 für Begehren auf Schadenersatz und Genugtuung eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung vorsieht. Diese Regelung entspricht im übrigen derjenigen in
Art. 60 Abs. 1 OR
. Gründe, welche gegen die analoge Heranziehung der Verjährungsvorschriften in Art. 20 Verantwortlichkeitsgesetz sprächen, liegen nicht vor; vielmehr trägt die Dauer der absoluten Verjährungsfrist von 10 Jahren für Entschädigungsforderungen aus
Art. 122 BStP
sowohl den Interessen des Beschuldigten nach einer nicht zu kurz bemessenen Frist als auch den öffentlichen Interessen an der Wahrung der Rechtssicherheit Rechnung.
3.
Im vorliegenden Fall verlangt der Gesuchsteller eine Entschädigung für die ausgestandene Untersuchungshaft und damit verbundene Nachteile. Ausgehend davon, dass die Untersuchungshaft als Schadensursache anzusehen ist, rechtfertigt es sich, die absolute Verjährung mit dem Tag der Haftentlassung beginnen zu lassen. In concreto wurde C. am 6. Juli 1972 aus der Untersuchungshaft entlassen. Die 10jährige Verjährungsfrist lief deshalb am 7. Juli 1982 ab. Im Zeitpunkt des Entschädigungsbegehrens vom 14. April 1983 war die Forderung demnach verjährt.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch um Ausrichtung einer Entschädigung gemäss
Art. 122 BStP
wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3f3c6d35-069d-425e-9829-efd4e0309bef | Urteilskopf
112 II 145
26. Arrêt de la Ire Cour civile du 25 juin 1986 dans la cause P.V. Papeterie de Versoix S.A. contre Callahan N.V. et Procureur général du canton de Genève (recours en réforme) | Regeste
Art. 697 und 699 Abs. 3 OR
;
Art. 44-46 OG
.
1. Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit (E. 1).
2. Der Streit über die richterliche Einberufung einer Generalversammlung ist keine Zivilrechtsstreitigkeit (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 2a).
3. Der Entscheid über ein im Verhältnis zum Begehren um Einberufung der Generalversammlung bloss akzessorisches Begehren eines Aktionärs um Auskunftserteilung ist kein berufungsfähiger Endentscheid (E. 2b).
4. Fehlen der Voraussetzungen, die es erlauben, eine unzulässige Berufung als staatsrechtliche Beschwerde zu behandeln (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 112 II 145 S. 146
A.-
Le 18 octobre 1984, Callahan N.V., société de droit néerlandais enregistrée à Curaçao, se fondant sur l'
art. 699 al. 3 et 4 CO
, a requis le Tribunal de première instance du canton de Genève d'ordonner la convocation d'une assemblée générale de la société anonyme "P.V. Papeterie de Versoix S.A.", dont elle déclarait détenir 3200 des 4000 actions au porteur de 1'000 francs chacune; invoquant l'
art. 697 al. 3 CO
, elle a également conclu à ce que le conseil d'administration soit invité à mettre à sa disposition, dix jours avant l'assemblée, les comptes et rapports y relatifs.
Le 31 mai 1985, le tribunal a fait droit à la requête.
La société a appelé de cette décision. Le Procureur général a déclaré intervenir dans le procès.
Par arrêt du 20 décembre 1985, la Cour de justice du canton de Genève a annulé le jugement attaqué. Statuant à nouveau, elle a sommé le conseil d'administration de convoquer une assemblée générale avant le 3 mars 1986, en a fixé l'ordre du jour, et a ordonné la production préalable de divers documents qui devaient être soumis pour discussion à ladite assemblée.
B.-
Parallèlement à un recours de droit public, P.V. Papeterie de Versoix S.A. interjette un recours en réforme contre cet arrêt en concluant à ce qu'il soit dit que Callahan N.V. n'a pas qualité pour requérir la convocation de l'assemblée générale.
L'intimée conclut à l'irrecevabilité du recours.
Le Procureur général n'a pas présenté de réponse.
Le Tribunal fédéral déclare le recours irrecevable.
BGE 112 II 145 S. 147
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les
art. 43 ss OJ
ne prévoient pas expressément de recours contre les décisions rendues en application des
art. 697 et 699 al. 3 CO
. Le recours en réforme ne serait dès lors recevable à l'égard de ces décisions que si elles revêtaient le caractère de contestations civiles au sens des art. 44 à 46 OJ.
Par contestation civile, il faut entendre une procédure contradictoire visant à provoquer une décision définitive sur des rapports de droit civil, et cela quelle qu'ait été la procédure, contentieuse ou gracieuse, suivie par l'autorité cantonale, pourvu que les parties au litige se prétendent titulaires de droits privés (
ATF 110 II 12
consid. 1b et les arrêts cités).
2.
a) Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, qu'il n'y a pas de raisons de remettre en cause, le différend relatif à l'ordre judiciaire de convoquer une assemblée générale (
art. 699 al. 4 CO
) n'est pas une contestation civile (
ATF 102 Ia 210
, TF in SJ 1929 p. 424 s., arrêt non publié du 23 août 1984 en la cause S. A.G. c. G. et consorts). En effet, dans une telle procédure, le juge n'examine qu'à titre préjudiciel et provisoirement la qualité d'actionnaire du requérant pour savoir si celui-ci peut exiger la convocation de l'assemblée générale de la société anonyme, conformément à l'
art. 699 al. 3 CO
. Partant, son prononcé constitue une mesure provisionnelle qui ne lie ni l'assemblée générale ni le juge statuant sur une demande en annulation d'une décision de ladite assemblée.
b) Revenant sur sa jurisprudence antérieure (
ATF 77 II 282
en haut,
ATF 53 II 75
/76), le Tribunal fédéral a en revanche reconnu implicitement, dans l'arrêt
ATF 82 II 216
s., le caractère autonome du droit de l'actionnaire à l'obtention de renseignements (
art. 697 CO
). Il l'a fait expressément depuis lors (
ATF 109 II 48
consid. 2,
ATF 95 II 161
/162 consid. 4). Ainsi, lorsqu'il se prononce sur l'existence et l'étendue de ce droit, le juge rend une décision définitive dans une contestation civile. Cette décision peut dès lors faire l'objet d'un recours en réforme pour autant que les autres conditions auxquelles est subordonnée l'ouverture de cette voie de droit soient réalisées (cf.
ATF 109 II 48
consid. 2 précité; dans ce cas, le recours en réforme n'était pas recevable, car la décision avait été prise par une autorité inférieure statuant comme juridiction cantonale unique -
art. 48 al. 1 lettre a OJ
).
BGE 112 II 145 S. 148
Toutefois, dans le cas particulier, la requête visant à la production de pièces comptables, telle qu'elle a été présentée par son auteur et traitée par la Cour de justice, n'avait qu'un caractère accessoire par rapport à la demande de convocation de l'assemblée générale. Elle n'était qu'une mesure préparatoire et n'avait pas pour but l'obtention de renseignements autres que ceux que la société entendait communiquer aux actionnaires, puisqu'elle n'avait trait qu'aux documents qui devaient être soumis pour discussion à l'assemblée générale. Sur le point où il y avait contestation, soit la détermination de la qualité d'actionnaire, la cour cantonale ne s'est pas prononcée. On peut donc se demander si, du point de vue matériel, la décision attaquée ne relève pas de l'
art. 696 CO
plutôt que de l'
art. 697 CO
. En tout état de cause, cette décision n'avait pas de caractère propre et ne constituait qu'une mesure préparatoire en vue de la convocation de l'assemblée générale qui formait, elle, le véritable objet de la requête de la demanderesse et, conséquemment, de l'arrêt cantonal. Il ne s'agissait donc pas en l'occurrence d'une décision finale touchant l'existence et l'étendue du droit aux renseignements.
c) Le recours en réforme se révèle donc irrecevable. Il ne peut pas non plus être traité comme un recours de droit public (cf.
ATF 95 II 378
consid. 3, 93 I 167 consid. 2), plus précisément comme un complément au recours de droit public formé par acte séparé, car il n'a pas été transmis au Tribunal fédéral, conformément à l'
art. 32 al. 3 OJ
, avant l'expiration du délai de recours (
art. 89 al. 1 OJ
; cf.
ATF 103 Ia 53
) et ne satisfait du reste pas aux exigences de motivation propres à cette voie de droit (
art. 90 al. 1 lettre b OJ
; cf. ATF
ATF 110 Ia 3
/4 consid. 2a). | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f3ed0ae-eb46-44ca-8cca-2f85a7dc0b59 | Urteilskopf
103 IV 152
45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Juli 1977 i.S. B. und S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau | Regeste
1. Kognition des Kassationshofes (Erw. I 4).
2.
Art. 117 StGB
. Fahrlässige Tötung in einer chemischen Fabrik? Verantwortlichkeit der Betriebschemiker. Rückweisung zur Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse (Erw. I 1-5). | Sachverhalt
ab Seite 152
BGE 103 IV 152 S. 152
A.-
Heinz S., der in der Produktionsabteilung 2 (Entwicklung) der Schweiz. Sprengstoff-Fabrik AG in Dottikon als Chemiker tätig ist, hatte im Jahre 1971 nach einem von der Sandoz AG in Basel entwickelten Verfahren die Herstellung von Tiophen-2-aldehyd im halbtechnischen Verfahren erprobt und die Betriebsvorschrift für die industrielle Produktion verfasst. Als sich bei der ersten und zweiten Charge der industriellen Herstellung, die in der unter der Leitung von Paul B. stehenden Produktionsabteilung 1 erfolgt, unerwünschte Nebenerscheinungen zeigten, liess Betriebsleiter Bruno M. bei den folgenden Chargen nach Rücksprache mit S. und Orientierung des B. u.a. das Eis anders als in der Betriebsvorschrift vorgesehen zugeben. Bei der fünften Charge vom 3. Juli 1972 überschäumte plötzlich nach begonnener Eiszugabe der Inhalt des Rührkessels, was bei fünf Arbeitern zu Verätzungen der Haut und Vergiftung der Atmungsorgane führte, an deren Folgen einer der Arbeiter starb.
B.-
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach B. und S. - die Untersuchung gegen M. war eingestellt worden - am
BGE 103 IV 152 S. 153
27. Januar 1977 der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte B. zu zehn, S. zu sieben Tagen Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug.
C.-
Sowohl B. wie S. führen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen Aufhebung des Urteils des Obergerichts und Rückweisung der Sache an dieses zu ihrer Freisprechung.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Beschwerden.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
I.1.
Beschwerde B.
Die Vorinstanz führt in ihren Urteilserwägungen aus, der Beschwerdeführer sei Leiter der Abteilung, in welcher das Tiophen-2-aldehyd im industriellen Verfahren produziert wurde. Das dabei einzuhaltende Verfahren sei nach entsprechenden Prüfungen durch den Mitangeklagten S. bzw. die Produktionsabteilung 2 verbindlich festgelegt worden. Es stehe ausser Frage, dass diese Betriebsvorschrift in der Produktionsabteilung 1 in einem wesentlichen Punkt, nämlich bezüglich der Eiszufuhr, abgeändert wurde und dass gerade diese Änderung den Unfall verursachte. Wohl sei diese Änderung durch den Betriebsleiter M. vorgenommen worden. Es stehe aber fest, dass der Beschwerdeführer nach der dritten oder vierten Charge orientiert wurde. Er hätte sich nicht mit dem Hinweis zufrieden geben dürfen, man habe über diese Änderung mit dem Mitangeklagten S. gesprochen und dieser habe keine Einwendungen erhoben. Vielmehr hätte ihn diese Orientierung veranlassen müssen, vorerst die Fortsetzung der Produktion nach dem abgeänderten Verfahren zu stoppen, womit auch die nochmalige Abänderung in der Charge 5 verhindert worden wäre, und sich direkt mit dem Mitangeklagten S. über diese Änderung des Verfahrens zu besprechen. Für ihn wie für M. sei nach wie vor die übergebene Betriebsvorschrift verbindlich gewesen, von der, aus welchen Gründen auch immer, nur hätte abgewichen werden dürfen, wenn der betreffende Sachbearbeiter (der Mitangeklagte S.) dies ausdrücklich angeordnet oder wenigstens genehmigt hätte. In der Anklageschrift habe die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer als weitere Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen, die
BGE 103 IV 152 S. 154
erforderlichen Sicherheitsvorkehren nicht eingehalten zu haben. In der Hauptverhandlung sei jedoch klargestellt worden, dass für die Anordnung dieser Vorkehren der Betriebsleiter M. direkt verantwortlich war. Dem Beschwerdeführer könne lediglich vorgeworfen werden, in dieser Hinsicht seiner Kontrollpflicht nicht nachgekommen zu sein. Aufgrund der Betriebsvorschrift sei ihm bekannt gewesen oder hätte ihm bekannt sein müssen, dass beim fraglichen Produktionsvorgang verschiedene hochgiftige Chemikalien beteiligt seien. Bei seiner Ausbildung und Erfahrung sei für ihn voraussehbar gewesen, dass chemische Verarbeitungsprozesse schwer überblickbar seien und kleinste Unsorgfalt verheerende Folgen haben könne.
Der Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit treffe ihn daher zu Recht. Der adäquate Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem eingetretenen Tod eines Mitarbeiters sei unbestritten und aufgrund der Akten ebenfalls erwiesen.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe in Verletzung von Bundesrecht das Vorliegen eines fahrlässigen und für die eingetretene Todesfolge ursächlichen Verhaltens angenommen.
I.2.
Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer als für den Tod eines Arbeiters kausale Sorgfaltspflichtverletzung in erster Linie vor, die Fortsetzung der Produktion im abgeänderten Verfahren nach der Orientierung durch M. nicht gestoppt und sich direkt mit S. über die Änderung des Verfahrens besprochen zu haben. Für ihn wie für M. sei nach wie vor die übergebene Betriebsvorschrift verbindlich gewesen, von der nur im Falle ausdrücklicher Anordnung oder der Genehmigung durch den Sachbearbeiter hätte abgewichen werden dürfen.
Diesem Schuldvorwurf entzieht die Vorinstanz selber den Boden, indem sie in tatsächlicher Hinsicht feststellt, S. habe gegen die Abänderung des Verfahrens keine Einwendungen erhoben (Erwägungen betreffend B.), er habe, als er von M. um Rat gefragt worden sei, eine Beschleunigung der Eiszufuhr im Sinne der in der Produktionsabteilung 2 angestellten Versuche als zulässig bezeichnet, sofern die Reaktionstemperatur von 40o eingehalten werde, er habe sein Placet erteilt (Erwägungen betreffend S.). Darin lag eine grundsätzliche Genehmigung des gegenüber der Betriebsvorschrift veränderten, bereits
BGE 103 IV 152 S. 155
praktizierten Verfahrens durch den Sachbearbeiter, wie sie die Vorinstanz für eine zulässige Abweichung von derselben voraussetzt. Wenn S. sie mit einer gewissen Einschränkung erteilte, so konnte das den Beschwerdeführer nicht berühren, weil die Vorinstanz nicht feststellt, er habe durch M. von ihr Kenntnis erhalten.
Sich nicht direkt mit S. über die Verfahrensänderung besprochen zu haben, geht als Schuldvorwurf fehl. Die Versäumnis einer solchen Besprechung wäre im Rahmen von
Art. 18 Abs. 3 StGB
nur von Belang, wenn aufgrund von ihr vom Beschwerdeführer gewisse Vorkehren zu treffen gewesen wären, deren Unterlassung als pflichtwidrig erschiene. Dahin geht der Vorwurf der Vorinstanz indessen nicht, und sie führt in tatsächlicher Beziehung auch nicht an, was diesbezüglich eine Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers begründen könnte.
I.3.
Den zweiten Schuldvorwurf, der Beschwerdeführer habe in bezug auf die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsvorkehren seiner Kontrollpflicht nicht genügt, hat die Vorinstanz in keiner Weise konkretisiert, und sie hat insbesondere offen gelassen, auf welche tatsächlichen Grundlagen er sich abstützt. Ob dem Beschwerdeführer in dieser Hinsicht zu Recht Fahrlässigkeit vorgeworfen wird, lässt sich unter diesen Umständen nicht nachprüfen. Eine Aufhebung des angefochtenen Entscheides in Anwendung von
Art. 277 BStP
ist unausweichlich. Die Vorinstanz hat im übrigen auch nicht dargelegt, inwiefern ein Ungenügen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Überwachungspflicht für die eingetretene Todesfolge kausal gewesen wäre.
I.4.
Der Kassationshof prüft sämtliche innerhalb der gestellten Anträge sich ergebenden Fragen eidgenössischen Rechts von Amtes wegen (
BGE 89 IV 119
/20; BIRCHMEIER, S. 569). Er ist dabei weder an die Begründung der Rechtsbegehren durch die Parteien gebunden (
Art. 277bis Abs. 2 BStP
) noch auf die von der Vorinstanz vorgenommene rechtliche Würdigung der für ihn verbindlich festgestellten tatsächlichen Verhältnisse (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
) eingeschränkt. Wenn zu entscheiden ist, ob ein Täter fahrlässig handelte, kann er sich demzufolge nicht damit begnügen, zu prüfen, ob die von der Vorinstanz erhobenen Vorwürfe, rechtlichen Inhaltes vor
Art. 18 Abs. 3 StGB
haltbar seien, sondern er hat die Prüfung ohne Bindung an diese umfassend dahin vorzunehmen, ob
BGE 103 IV 152 S. 156
nicht überhaupt, d.h. auch aus andern als den angeführten Gründen nach dem festgestellten Sachverhalt eine Fahrlässigkeit vorliege. Dasselbe gilt hinsichtlich der Adäquanz des Kausalzusammenhanges.
Eine derartige Prüfung des angefochtenen Urteils auf die richtige Anwendung von Bundesrecht durch die Vorinstanz ist deshalb unmöglich, weil es an hiefür wesentlichen Feststellungen tatsächlicher Natur gebricht. Es steht vor allem nicht fest, welches die Ursache der unerwarteten und schlagartigen Reaktion der Unglückscharge war, in welcher Weise bei den in Abweichung von der Betriebsvorschrift produzierten oder zu produzieren begonnenen Chargen im einzelnen vorgegangen wurde, ob einzig die Eiszufuhr und wie diese geändert oder ob noch weitere Änderungen vorgenommen und inwiefern bei der 5. anders als bei der 3. und 4. Charge verfahren wurde. Bereits im Berufungsverfahren war geltend gemacht worden, die schlagartige Reaktion sei ausschliesslich auf die durch M. selbständig vorgenommene weitere Verfahrensänderung bei der 5. Charge zurückzuführen, zu welchem Einwand tatsächlicher Natur die Vorinstanz überhaupt nicht Stellung genommen hat. Erst gestützt auf genaue Ermittlungen werden die einzige oder allenfalls die mehreren Unfallursachen und ihr Verhältnis untereinander auszumachen sein.
Sodann ist der Inhalt der Unterhaltung zwischen Betriebsleiter M. und dem Beschwerdeführer nicht genau bestimmt, da deren Aussagen hiezu auseinandergehen. Wesentlich ist insbesondere, in welcher Weise der Beschwerdeführer durch M. orientiert wurde, wie ihm dieser die ganze Situation darlegte, was er allenfalls fragte, was der Beschwerdeführer ihm zur Antwort gab und was sonst noch ausgeführt wurde.
Es fehlt schliesslich an tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich der gesamten Umstände und der persönlichen Verhältnisse sowohl des Beschwerdeführers wie des M., die für die Beurteilung, ob eine Fahrlässigkeit vorliege, von Gesetzes wegen entscheidend sind.
Weil die ungenügende Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse durch die Vorinstanz die Überprüfung der von ihr vorgenommenen Gesetzesanwendung nicht zulässt, ist das angefochtene Urteil in Anwendung von
Art. 277 BStP
aufzuheben. Zur Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse wird teilweise besonderes Fachwissen erforderlich sein ebenso wie zur
BGE 103 IV 152 S. 157
Erarbeitung der für die Beantwortung der Rechtsfrage notwendigen Grundlagen, ob der Beschwerdeführer jene Vorsicht ausser acht liess, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet war, und ob der eingetretene Erfolg vorausgesehen werden konnte. Der Beizug eines Experten dürfte sich daher als unumgänglich erweisen.
I.5.
Die Voraussehbarkeit des tatbestandsmässigen Erfolges wird entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht danach zu beurteilen sein, ob chemische Verarbeitungsprozesse schwer überblickbar sind und auch kleinste Unsorgfältigkeiten verheerende Folgen haben können, also nach ausschliesslich allgemeinen und abstrakten Kriterien, sondern vielmehr nach den gesamten konkreten, noch festzustellenden Umständen des Falles. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3f40c82f-94d9-48c0-9928-154266cda8b7 | Urteilskopf
112 II 463
76. Estratto della sentenza 24 febbraio 1986 della II Corte civile nella causa Sabesa S.A. contro "Continentale" Compagnia Generale di Assicurazioni S.A. (ricorso per riforma) | Regeste
Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Haftung des Versicherers im Sinne von
Art. 21 Abs. 2 VVG
.
Der Versicherungsnehmer hat ausser der rückständigen Prämie die Verzugszinsen und Kosten auch dann zu zahlen, wenn diese Beträge gering sind. | Erwägungen
ab Seite 463
BGE 112 II 463 S. 463
Dai considerandi:
1.
L'assicurato che non versa il premio stabilito contrattualmente alla scadenza o nel periodo di rispetto concesso dalla
BGE 112 II 463 S. 464
polizza "dev'essere diffidato per iscritto a sue spese e sotto comminatoria delle conseguenze della mora, ad effettuarne il pagamento entro quattordici giorni dall'invio della diffida"; se la diffida rimane senza esito l'obbligazione dell'assicuratore è sospesa a datare dalla scadenza di questo termine (art. 20 cpv. 1 e 3 LCA). Ove l'assicuratore abbia richiesto il premio nelle vie legali entro due mesi dalla scadenza del termine o abbia accettato il premio più tardi, "la sua responsabilità rinasce dal momento in cui il premio arretrato venga pagato con interessi e spese" (art. 21 cpv. 2 LCA). Quand'anche simili accessori siano di modesta entità, il pagamento dev'essere totale, in difetto di che il contratto non si ripristina (ROELLI/KELLER, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, vol. I, II edizione, pag. 363; KOENIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, III edizione, pag. 124; MAURER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, II edizione, pag. 275; VIRET, Diritto delle assicurazioni private, Zurigo 1986, pag. 122 supra; cfr. sentenza del 10 maggio 1928 in re "Helvetia" pubblicata in: Sentenze di tribunali civili svizzeri nelle contestazioni di diritto privato in materia d'assicurazione, VI raccolta, pag. 229 n. 111 consid. b). Rimane salva l'ipotesi che una diversa volontà dell'assicuratore abbia a emergere dalle circostanze (
art. 69 e 85
cpv. 1 CO). | public_law | nan | it | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f414750-816b-413e-b5a3-33b722af8aae | Urteilskopf
119 II 208
42. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 juin 1993 dans la cause W. contre dame F. et consorts (recours en réforme) | Regeste
Teilweise Ungültigerklärung einer testamentarischen Anordnung wegen Motivirrtums.
1. Die Verfügungen von Todes wegen, die der Erblasser unter dem Einfluss eines Irrtums errichtet hat, sind ungültig (
Art. 469 Abs. 1 ZGB
); sie können gemäss
Art. 519 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
für ungültig erklärt werden. In Betracht fallen kann jeder Motivirrtum, der die Verfügung entscheidend beeinflusst hat, sofern als wahrscheinlich dargetan wird, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage die Aufhebung der Verfügung ihrem unveränderten Fortbestand vorgezogen hätte. Eine mangelhafte Verfügung kann teilweise ungültig erklärt werden (Zusammenfassung der Rechtsprechung und Lehre) (E. 3bb).
2. Der Pflichtteilserbe, der sich durch eine letztwillige Verfügung benachteiligt fühlt, kann in erster Linie die Ungültigerklärung der Verfügung verlangen, wenn er diese für mangelhaft hält, und subsidiär deren Herabsetzung; dringt er mit seinem Hauptantrag durch, erlangt er nicht nur seinen Pflichtteil, sondern vielmehr seinen gesetzlichen Erbteil (E. 3cc). | Sachverhalt
ab Seite 209
BGE 119 II 208 S. 209
A.-
a) Pierre W. est décédé le 21 septembre 1985. Ses héritiers légaux sont ses cinq enfants: Françoise S., Julie F., Claire W., Louis W. et Paul W.
b) Pierre W. a laissé un testament olographe, daté du 13 novembre 1980 à ..., contenant, entre autres, les dispositions suivantes:
"...
Article 2e
J'institue mes cinq enfants pour héritiers à égalité entre eux des biens qui constitueront ma fortune successorale. En cas de prédécès de l'un d'eux, je lui substitue ses descendants à égalité entre eux. A défaut de descendance, la part du décédé accroîtrait celle de ses frères et soeurs.
Article 3e
J'émets les règles de partage suivantes:
Rapport successoral:
Je rappelle que, par un acte de donation signé le 24 novembre 1976, j'ai transféré à mon fils Paul W., ..., la propriété de la parcelle ... que je possédais, parcelle comprenant notamment un rural et chambre que mon fils a transformé en habitation. Cette donation a été convenue rapportable en moins prenant à ma succession. Je fixe à Fr. 50'000.-- (cinquante mille francs) la valeur de ce rapport successoral. Par un acte signé le 1er septembre 1977, j'ai fait donation à mon fils Louis W., ..., de la parcelle ..., ..., d'une surface totale de 53'829 m2, comprenant notamment un rural et chambre ... que mon descendant a également transformé en habitation. Cette donation a également été convenue rapportable en moins prenant à ma succession. Je fixe l'importance de ce rapport à la somme de Fr. 60'000.-- (soixante mille francs).
BGE 119 II 208 S. 210
..."
c) Devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, Julie F., Françoise S. et Claire W. ont conclu principalement à la nullité de l'article 3e du testament de feu Pierre W.; subsidiairement, à la nullité du même article dans la mesure où il fixe les rapports successoraux de Paul et Louis W. respectivement à 50'000 francs et 60'000 francs; à la dévolution de la succession du défunt par parts égales à chacun de ses héritiers après rapport des donations en faveur de Paul et Louis W.; plus subsidiairement, à l'octroi de leur réserve héréditaire et à la réduction des libéralités faites par le de cujus à Paul et Louis W. jusqu'à reconstitution des réserves.
Paul et Louis W. ont conclu au rejet des conclusions des demanderesses.
d) L'instruction de la cause a établi qu'à l'ouverture de la succession la valeur des rapports était respectivement de 886'740 francs à la charge de Paul W. et de 453'000 francs à la charge de Louis W. Par ailleurs, les actifs successoraux nets s'élevaient à 2'333'078 fr. 15, la part de chacun des héritiers calculée par égalité entre eux à 466'615 fr. 60 et la réserve successorale de chaque héritier à 349'961 fr. 70.
B.-
Par jugement du 11 janvier 1993, la Cour civile a déclaré nul l'article 3 du testament de feu Pierre W. dans la mesure où les rapports successoraux en faveur des défendeurs Paul et Louis W. sont fixés respectivement à 50'000 francs et 60'000 francs et elle a renvoyé les parties à faire trancher par le juge du partage leurs contestations relatives aux modalités des rapports et du partage.
C.-
Paul W. a recouru en réforme au Tribunal fédéral. Il demandait que les conclusions prises par Julie F., Françoise S. et Claire W. fussent rejetées et que ses conclusions libératoires fussent admises.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
bb) D'après l'
art. 469 al. 1 CC
, les dispositions pour cause de mort que leur auteur a faites sous l'empire d'une erreur sont nulles; elles peuvent être annulées en vertu de l'
art. 519 al. 1 ch. 2 CC
. Toute erreur sur les motifs peut être retenue, dans la mesure où elle a exercé une influence déterminante sur les dispositions. Selon la jurisprudence, l'annulation d'un testament pour cause d'erreur sur les motifs est subordonnée à la condition que le demandeur rende vraisemblable
BGE 119 II 208 S. 211
que le testateur, s'il avait connu la situation réelle, aurait préféré supprimer la disposition plutôt que de la maintenir telle quelle; point n'est besoin que l'erreur soit essentielle au sens des
art. 23 ss CO
(
ATF 94 II 140
/141, qui confirme
ATF 74 II 284
ss; cf. ESCHER, ad art. 469, p. 134 ss; PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, Volume IV, p. 201/202; DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 3e éd., Berne 1992, p. 142). L'erreur peut notamment porter sur l'objet ou l'étendue d'une libéralité (GUINAND/STETTLER, Droit civil II, Successions, Fribourg 1990, p. 40 no 77) ou sur l'omission d'héritiers légaux ou encore de la réserve héréditaire (ESCHER, n. 8 ad art. 469, p. 136/137).
L'annulation d'une disposition viciée peut être partielle (RIEMER, Nichtige (unwirksame) Testamente und Erbverträge, in Festschrift für Max Keller, Zurich 1989, p. 258). Dans ce cas, il faut interpréter la volonté hypothétique du testateur pour déterminer ce qui doit subsister (DRUEY, op.cit., p. 148 no 58).
cc) L'héritier réservataire qui se considère comme lésé par une disposition de dernière volonté peut, principalement, demander l'annulation de ladite disposition, s'il estime que celle-ci est viciée, et, subsidiairement, sa réduction, l'action en réduction ne pouvant être dirigée que contre une disposition de dernière volonté valable; s'il obtient gain de cause à titre principal, il ne reçoit pas seulement sa réserve, mais bien sa part successorale légale (ESCHER, p. 496 no 3). C'est cette voie que les intimées ont choisi de suivre en concluant, dans l'instance cantonale, principalement à l'annulation de l'article 3 du testament et, subsidiairement, seulement à la réduction des libéralités faites en faveur de leurs frères. La Cour civile a dès lors examiné avec raison en premier lieu la question de la validité de la disposition contestée. Sur ce point, elle a constaté en fait, de manière à lier le Tribunal fédéral (
art. 63 al. 2 OJ
), que le de cujus avait la volonté de traiter sur un pied d'égalité tous ses héritiers, que le montant des rapports qu'il avait fixé à l'article 3 de son testament ne permettait pas de respecter ce principe, retenu comme "fondamental", et que le testateur n'aurait pas imposé de telles valeurs s'il en avait réalisé les conséquences. Cela étant, la cour cantonale, avec raison également, a annulé, pour erreur sur les motifs, la disposition litigieuse dans la mesure où elle concerne le montant des rapports (
ATF 94 II 140
/141). L'annulation étant prononcée, la demande subsidiaire de réduction est devenue sans objet, ce qui dispensait les juges cantonaux de l'examiner. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f4c3b24-ed0e-4532-a470-b6a4a8c0f031 | Urteilskopf
96 V 58
13. Arrêt du 4 juin 1970 dans la cause R. M. et R. M. SA contre Caisse de compensation AVS de la FBMA ROTA | Regeste
Art. 4, 8 und 9 AHVG
und
Art. 22 ff. AHVV
.
Der Preis für "Goodwill", der nach der Übergabe eines Geschäftes in Teilzahlungen zu entrichten ist, unterliegt der persönlichen Beitragspflicht. Festsetzung dieser Beiträge. | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 96 V 58 S. 58
A.-
R. M., né en 1906, exploitait une entreprise de carrosserie, dans un immeuble dont il est propriétaire. Désireux de réduire son activité professionnelle, pour des raisons d'âge et de santé, et de préparer sa retraite, il créa le 22 mars 1967 une société anonyme, R. M. SA, à laquelle il céda l'exploitation des ateliers de carrosserie avec effet au 1er janvier 1967. La société, au capital-actions de fr. 200 000.--, reprit du fondateur des actifs pour un montant équivalent, à savoir: avoir en banque, fr. 80 000.--; stock de marchandises, fr. 50 000.--; matériel et machines fr. 70 000.--. Propriétaire de la totalité des actions, R. M. en vendit dans les trois mois 336 sur 400 à des tiers, en particulier à ses employés. Il resta membre du conseil d'administration et conserva une certaine activité dans les ateliers, moyennant un salaire mensuel de fr. 1000.--. L'immeuble demeura propriété de l'intéressé, auquel la société paie un loyer et qui le considère désormais comme un élément de sa fortune privée, soit non commerciale. Enfin, l'acte de remise de commerce conclu entre la société et R. M. contient les dispositions suivantes:
"2.- En paiement de la valeur immatérielle de l'affaire ('good will') la
société anonyme paiera à M. R... M... un montant annuel
BGE 96 V 58 S. 59
de fr. 43 200.-- (quarante trois mille
deux cents) pendant dix ans, soit jusqu'en 1976.
3.-
La valeur du 'good will' au 1er janvier 1967 est ainsi -
escomptée à 6% l'an - de fr. 241 000.-- (deux cent quarante
et un mille francs)."
Cette prestation de la société figure au pied du bilan d'ouverture, sous la rubrique "engagements hors bilan".
B.-
R. M. et la société R. M. SA sont affiliés à la Caisse de compensation AVS de la FBMA ROTA. La dite caisse inclinait à ne pas considérer la redevance annuelle de fr. 43 000.-- comme un revenu soumis à cotisations. Cependant, elle s'adressa à l'Office fédéral des assurances sociales, qui exprima le 13 décembre 1968 un avis opposé et lui enjoignit de réclamer des cotisations sur les versements de 1967 et 1968. Par décision du 24 janvier 1969, la caisse ordonna à R. M. de payer pour 1967 une cotisation de fr. 2135.85, frais compris, sur les fr. 43 200.-- qu'il avait reçus cette année-là.
L'assuré recourut. En se prévalant entre autres de ce que le fisc avait traité les prestations litigieuses comme un bénéfice en capital, il conclut à ce qu'elles fussent exemptées de toute cotisation AVS/AI/APG.
En cours de procédure, le Tribunal cantonal des assurances invita la caisse à réclamer la cotisation en cause non seulement à R. M. mais encore - pour le cas où le revenu déterminant serait réputé provenir de l'exercice d'une activité dépendante - à la société R. M. SA La caisse prit le 28 mars 1969 une décision dans ce sens, contre laquelle la SA recourut.
Le 14 mai 1969, le Président du Tribunal cantonal des assurances admit que la redevance de fr. 43 200.-- versée en 1967 par la société à R. M. était un revenu provenant d'une activité lucrative dépendante et soumise à ce titre à cotisations. Il rejeta les deux recours et confirma les décisions attaquées.
C.-
R. M. et R. M. SA ont déféré en temps utile ce jugement au Tribunal fédéral des assurances. Les recourants concluent derechef à ce que le versement litigieux soit déclaré franc de cotisations.
Dans son préavis, l'Office fédéral des assurances sociales conclut au rejet du recours.
Les parties ont été invitées, avec l'Office fédéral des assurances sociales, à s'exprimer sur la solution consistant à considérer le montant obtenu en escomptant les dix annuités prévues
BGE 96 V 58 S. 60
comme un bénéfice en capital, soumis à une cotisation unique. Elles ont donné suite à cette invitation.
D.-
Le fisc cantonal a traité les redevances dues par la société R. M., à titre de prix du "good will", comme un bénéfice en capital. Il en a escompté la valeur au 1er janvier 1967 au taux de 5 1/2%, et a frappé le bénéfice ainsi obtenu (de fr. 252 906.--) de l'impôt unique et distinct prévu par la loi cantonale, à des taux réduits de 50%. Quant à l'administration de l'IDN, elle semble avoir perçu, sur le bénéfice en capital total, un impôt annuel entier, selon l'art. 43 AIN.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Pour évaluer une entreprise, il ne suffit pas d'additionner la valeur des biens matériels (marchandises, machines, espèces, créances, etc.) qui lui appartiennent. Il faut aussi, dans bien des cas, tenir compte de biens immatériels, tels que la raison de commerce, la réputation, la clientèle, les relations d'affaires, les fournisseurs, les méthodes de travail et peut-être le fait même d'exister, d'être organisé et de fonctionner depuis un certain temps. Ces biens immatériels, qu'on désigne communément du terme anglais de "good will", résultent de l'activité lucrative du chef d'entreprise, au même titre que l'accroissement de la valeur des biens matériels. Ils sont réalisables lors de la vente de l'entreprise; il s'agit alors de savoir s'ils constituent un revenu sur lequel sont dues les cotisations AVS/AI/APG, c'est-à-dire s'ils font partie du "revenu provenant de l'exercice de toute activité dépendante et indépendante", selon l'art. 4 LAVS.
2.
D'après l'art. 17 lettre d RAVS, sont réputées revenu provenant d'une activité indépendante, au sens de l'art. 9 al. 1er LAVS, "les augmentations de valeur et les bénéfices en capital obtenus et portés en compte par des entreprises astreintes à tenir des livres". Le Tribunal fédéral des assurances a déclaré conforme à la loi cette disposition du règlement (ATFA 1949 p. 166). Il l'a confirmé implicitement dans l'arrêt RCC 1950 p. 249, en insistant sur le fait que la règle ne concernait que la fortune commerciale et qu'elle ne saurait être étendue à l'augmentation de la fortune privée de l'assuré (cf. cependant ATFA 1965 p. 67). Par la suite, la jurisprudence s'est surtout préoccupée, lorsqu'il s'est agi d'appliquer l'art. 17 lettre d RAVS, de distinguer entre fortune commerciale et fortune privée.
BGE 96 V 58 S. 61
En l'occurrence, le "good will" que la société R. M. SA doit payer à R. M. provient d'une augmentation de la fortune commerciale de ce dernier. D'autre part, R. M. était astreint à tenir des livres, lorsqu'il exploitait individuellement l'entreprise. Cependant, le chiffre 84 des directives de l'Office fédéral des assurances sociales sur les cotisations des travailleurs indépendants et des non-actifs s'exprime en ces termes:
"Les bénéfices en capital soumis à l'impôt annuel prévu par l'art. 43 AIN si l'assujettissement à l'impôt sur le revenu cesse ou s'il est procédé à une taxation intermédiaire (art. 96 AIN) ne font pas partie du revenu de l'activité indépendante, faute d'une disposition légale permettant de les assujettir."
Ces conditions sont précisément réalisées en l'espèce. Mais les directives susmentionnées ne sont pas conformes à la loi. En effet, la Cour plénière, saisie de la question, a déclaré qu'un "good will" payable par acomptes après remise d'un commerce est soumis à cotisations personnelles, ces dernières devant être acquittées en une fois, sur la valeur totale du "good will", sans aucune déduction. Car le "good will" constitue le revenu d'une activité lucrative indépendante (cf. p.ex. Blumenstein, "System des Steuerrechts", vol. 1, 1951, pp. 112-113). Et ce revenu est soumis à cotisations en vertu des art. 4, 8 et 9 de la LAVS, qui ne présente pas de lacune sur ce point. Il le serait même si le RAVS ne contenait aucune disposition sur ce sujet. La circonstance que la communication de l'administration de l'impôt ne mentionne pas un tel revenu ne saurait être déterminante puisque, selon la jurisprudence, le juge des assurances n'est pas lié par la taxation fiscale dans une semblable hypothèse. Au demeurant, le RAVS règle les diverses situations possibles, cela de la façon suivante:
a) s'il y a lieu d'appliquer l'art. 25 al. 1er RAVS, le "good will" doit être inclus dans le revenu, déterminé selon la procédure extraordinaire, en vertu des art. 4 et 8 LAVS;
b) s'il n'y a pas lieu d'appliquer l'art. 25 al. 1er RAVS, ou bien:
ba) l'assuré continue à exercer une activité lucrative indépendante; il faut recourir alors à l'art. 23 al. 3 RAVS, la taxation fiscale suivant l'art. 43 AIN constituant une taxation intermédiaire "sui generis" (on pourrait peut-être appliquer l'art. 22 al. 3 RAVS, le cas échéant); ou bien:
BGE 96 V 58 S. 62
bb) l'assuré n'a plus d'activité indépendante principale; il faut alors appliquer l'art. 22 al. 3 RAVS, dans la mesure tout au moins où l'on peut admettre l'existence d'une activité lucrative.
En outre le montant soumis à cotisations est celui du "good will" dans son entier. S'agissant d'aliénation de la source de gain, on ne saurait dire qu'il existe encore un capital propre, autrefois investi et maintenant aliéné, au moment où le "good will" devient réalisable. Il n'y a donc pas lieu de déduire un intérêt.
Enfin, la totalité du "good will" doit être soumise à cotisations au moment de son apparition, soit lorsque la remise de l'entreprise ou du commerce a eu lieu. Peu importent les modalités de paiement arrêtées par les parties en présence, modalités qui pourraient conduire dans certains cas à éluder l'obligation légale d'acquitter les cotisations. On tiendra compte de ces modalités en taxant le "good will" à la valeur qu'il représente le lendemain de la remise.
3.
En l'espèce, il faut admettre que R. M., devenu l'employé de R. M. SA, n'a plus d'activité indépendante principale; en revanche, en tant que vendeur et liquidateur de sa propre entreprise, il avait, au moment où a eu lieu la remise et où le "good will" est apparu, une activité indépendante accessoire justifiant l'application de l'art. 22 al. 3 RAVS. Peu importe à cet égard la circonstance que d'autres éléments, la conjoncture par exemple, jouent également un rôle quant à la fixation du prix du "good will". Il faut donc renvoyer la cause à la caisse de compensation, pour qu'elle rende une nouvelle décision, conformément aux principes exposés au considérant 2. La caisse fixera les cotisations personnelles AVS/AI/APG dues pour 1967 sur la totalité du "good will", à la valeur qu'il représentait le lendemain de la remise. Le tribunal de céans ne voit pas de motif impérieux de préciser d'ores et déjà le taux d'escompte applicable en l'occurrence. Tout au plus peut-on mentionner ici que le taux de capitalisation de 3 1/2% fixé par le Tribunal fédéral des assurances dans l'arrêt ATFA 1946 p. 131 est manifestement dépassé aujourd'hui.
Reste en outre réservé l'examen de la question soulevée par l'Office fédéral des assurances sociales dans sa détermination du 27 février 1970 (transfert d'un immeuble commercial au patrimoine privé du recourant).
BGE 96 V 58 S. 63
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: I. Le recours de R. M. SA est admis; cette société ne doit pas de cotisations AVS/AI/APG sur les annuités de fr. 43 000.-- qu'elle a versées et qu'elle versera à R. M. en vertu du contrat du 22 mars 1967.
II. Le recours de R. M. est rejeté.
III. Le jugement et les décisions attaqués sont réformés d'office, dans ce sens que R. M. doit à la caisse intimée, sur la valeur escomptée au 1er janvier 1967 du prix du "good will", une cotisation AVS/AI/APG unique en tant que personne exerçant une activité indépendante, conformément aux considérants.
4. La cause est renvoyée à la caisse de compensation, pour exécution. | null | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3f565142-41e5-4b07-b906-8907b1555086 | Urteilskopf
106 IV 194
55. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 6 juin 1980 dans la cause F. contre Ministère public du canton du Valais (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 277ter Abs. 2 BStP
. Wenn der Kassationshof eine kantonale Entscheidung aufgehoben und die Sache zur Beurteilung bestimmter Punkte an die Vorinstanz zurückgewiesen hat, so kann eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen den neuen kantonalen Entscheid sich nur auf jene Punkte beziehen, die gemäss dem Urteil des Kassationshofes Gegenstand der Rückweisung bildeten (E. 1c).
Art. 307 Abs. 3 StGB
. Diese Bestimmung ist nur dann anwendbar, wenn die falsche Zeugenaussage in ihrer Abstraktheit von Anfang an ungeeignet war, den Richter zu beeinflussen; dabei ist belanglos, ob auf sie abgestellt wird oder nicht (E. 2a).
Art. 307 StGB
. Selbst wenn sie offensichtlich falsch erscheint, bleibt eine falsche Erklärung vor Gericht eine falsche Zeugenaussage, wenn sie von einem Zeugen und zur Sache gemacht wird (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 195
BGE 106 IV 194 S. 195
A.-
a) Le 3 juin 1969, dame X. et l'hoirie Y. ont signé une promesse de vente, instrumentée par le notaire F., portant sur un appartement à construire pour le prix de 85'000 fr. L'acte authentique comporte une clause 14 prévoyant: "Sont réservées les augmentations officielles des prix." L'acheteuse a ouvert action aux vendeurs pour faire constater qu'elle ne devait rien de plus que le prix de 85'000 fr., pour le motif qu'elle n'était selon elle pas liée par la clause 14 qui ne figurait pas dans l'acte authentique lors de son instrumentation. F. a été interrogé comme témoin à ce sujet le 4 février 1972 et la question suivante lui a été posée par le juge civil:
"Vous avez instrumenté la promesse de vente du 3 juin 1969 entre l'hoirie Y. d'une part et dame X. et Z. d'autre part. La défenderesse affirme que la clause No 14 - sont réservées les augmentations officielles des prix - n'a pas été lue. Il est manifeste que cette clause n'a pas été écrite en même temps que les autres conditions de la promesse de vente. Veuillez dire à quel moment vous avez ajouté cette clause dans l'acte de promesse de vente du 3 juin 1969?"
F. a répondu en ces termes:
"L'acte a été fait en plusieurs temps. J'ai d'abord rédigé les conditions et les clauses. Ensuite l'introduction, soit la première page de l'acte. Enfin j'ai rédigé les stipulations, à proprement parler, pour dame X. et Z. L'acte a ainsi été préparé une dizaine de jours avant la stipulation. Je prétends que la clause 14 a été écrite en même temps que les autres qui la précèdent. Lors de l'instrumentation de l'acte, dame X. était à mes côtés. J'ai donné lecture de toutes les clauses, soit de l'acte entier!"
BGE 106 IV 194 S. 196
Un expert mis en oeuvre dans le procès civil a déposé le 28 novembre 1973 un rapport d'où il résulte que la clause litigieuse n'a pas été dactylographiée en même temps que le contexte. Selon l'expert:
"La mention "14" a été dactylographiée avec la même machine à écrire que les dispositions précédentes, mais après que la feuille a été extraite de la machine puis y a été réintroduite, et après que le ruban carbone eut été mis en service et sans que l'on prenne soin d'aligner correctement. Quant à la mention "sont réservées les augmentations officielles de prix", elle doit avoir été écrite avec une autre machine, équipée des mêmes caractères, mais munie d'un autre ruban et actionnée mécaniquement, tandis que celle utilisée pour le contexte devait être électrique."
b) Renvoyé en jugement pour faux témoignage et faux au sens de l'
art. 317 CP
, F. a été reconnu coupable de ces infractions par le Tribunal du IIe arrondissement qui, le 26 avril 1976, l'a condamné à onze mois d'emprisonnement, peine complémentaire à celle infligée par le Tribunal cantonal les 14/18 novembre 1975, l'a mis au bénéfice du sursis avec un délai d'épreuve de 3 ans, mais lui a interdit d'exercer le notariat pour deux ans. Sur appel, le Tribunal cantonal valaisan a modifié, le 9 décembre 1976, le jugement qui précède. Il a reconnu F. coupable de faux témoignage (
art. 307 al. 1 CP
), l'a condamné à cinq mois d'emprisonnement, peine complémentaire à celle des 14/18 novembre 1975 et lui a accordé le sursis avec délai d'épreuve de 3 ans. F. s'étant pourvu en nullité au Tribunal fédéral, son pourvoi a été partiellement admis, le 18 octobre 1977, dans la mesure où il était recevable; l'arrêt cantonal étant annulé en application de l'
art. 277 PPF
et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. Un recours de droit public déposé par F. contre le jugement du 9 décembre 1976 a été rayé du rôle, faute d'objet, ensuite de l'admission partielle du pourvoi.
B.-
Le Tribunal cantonal valaisan a statué à nouveau par arrêt du 28 janvier 1980 notifié par écrit le 5 mars et reçu le 7 mars 1980. Il a derechef reconnu F. coupable de faux témoignage au sens de l'
art. 307 al. 1 CP
et l'a condamné à nouveau à la peine complémentaire de cinq mois d'emprisonnement avec sursis pendant 3 ans.
C.-
Le recourant a déposé contre ce nouvel arrêt un recours de droit public qui a été déclaré le 27 mai 1980 irrecevable.
BGE 106 IV 194 S. 197
Il s'est en outre pourvu en nullité au Tribunal fédéral en prenant les conclusions suivantes:
- acquitter le prévenu de toute condamnation;
- casser le jugement pour prescription de l'action pénale;
- casser le jugement pour violation des
art. 307 et 308 CP
;
- casser le jugement pour défaut d'assermentation.
Le Ministère public propose quant à lui de rejeter le pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Le pourvoi est irrecevable dans la mesure où il tend à ce que la Cour de cassation acquitte le recourant. La Cour ne peut que casser et renvoyer la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision (
art. 277 et 277ter PPF
).
b) Il est irrecevable aussi dans la mesure où il conclut à la cassation pour défaut d'assermentation. L'omission d'une règle de procédure cantonale ne peut faire comme telle l'objet d'un pourvoi en nullité dont l'objet est seulement le contrôle de l'application du droit fédéral (
art. 269 al. 1 PPF
).
c) Le seul point qui puisse être encore examiné, à la suite de l'arrêt du 18 octobre 1977 par lequel la cause a été renvoyée à l'autorité cantonale, est de savoir si l'
art. 307 al. 3 CP
est éventuellement applicable, à l'exclusion de l'
art. 307 al. 1 CP
. En effet, l'arrêt du 18 octobre 1977 liait aussi bien le Tribunal cantonal valaisan (
art. 277ter al. 2 PPF
;
ATF 103 IV 74
) que la Cour de céans (
ATF 101 IV 105
/6). Il s'ensuit que les moyens du recourant consistant à soutenir qu'il avait qualité de partie et que de toute manière il aurait dû être au bénéfice de l'
art. 308 al. 2 CP
sont irrecevables.
2.
a) Le recourant se fonde sur le jugement civil rendu le 13 avril 1978 entre dame X. et les hoirs Y., qui a reconnu la validité de la promesse de vente du 3 juin 1969, la fausseté de l'acte authentique dans sa clause 14 n'étant pas établie. En effet, alors même que dans l'arrêt du 18 octobre 1977 le Tribunal fédéral lui avait suggéré d'attendre "le cas échéant, l'issue du procès civil, pour autant que cela ne risque pas d'entraîner la prescription de l'action pénale", l'autorité cantonale ne s'est guère préoccupée du jugement civil si ce n'est en considérant qu'"il ne saurait y avoir application de l'
art. 307 al. 3 CP
, même si le juge civil a finalement admis que la preuve de l'adjonction de la clause 14 après la signature de la promesse de
BGE 106 IV 194 S. 198
vente n'avait pas été rapportée". Bien que cette affirmation paraisse à première vue avoir été émise en violation de l'
art. 277ter al. 2 PPF
, il faut donner raison à l'autorité cantonale. En effet, savoir si une déclaration a trait à des faits qui ne peuvent exercer une influence sur la décision du juge ne dépend nullement du point de savoir si, au vu des constatations auxquelles le juge est finalement parvenu, les éléments sur lesquels s'est exprimé le témoin étaient dénués de toute pertinence. Au contraire, la peine atténuée de l'
art. 307 al. 3 CP
n'entre en considération que si les faits constitutifs du faux témoignage sont par nature inaptes à influencer le jugement (
ATF 70 IV 82
;
ATF 75 IV 65
;
ATF 93 IV 26
). Il s'ensuit que, contrairement à ce qui a été dit dans l'arrêt du 18 octobre 1979, le sort du procès civil ne pouvait avoir une incidence que sur la quotité de la peine infligée au recourant, et non sur la qualification de l'infraction qui lui était reprochée dans le cadre de l'
art. 303 CP
. En effet, si le jugement civil a clairement démontré que la fausse déclaration du recourant ne pouvait avoir aucune influence sur la solution du litige, ce point est dénué de toute pertinence, puisqu'il s'agit uniquement en l'espèce de décider si la fausse déclaration était, abstraitement et à priori, de nature à influencer le juge civil (cf. LOGOZ, p. 753; SCHWANDER, no 767 lettre b, contra STRATENWERTH, Tome II p. 322).
b) Pour répondre à cette question, il convient de rappeler qu'il est démontré que la clause 14 n'a pas été frappée immédiatement après les 13 premières clauses, mais que la feuille sur laquelle l'acte authentique a été rédigé a été sortie de la machine à écrire électrique après la dactylographie de la clause 13, puis y a été réintroduite et que les signes "14.-" ont alors été frappés sur la même machine dont le ruban avait été commuté. Puis la feuille a de nouveau été sortie de la machine électrique, et introduite dans la machine mécanique sur laquelle le texte de la clause 14 "sont réservées les augmentations officielles des prix" a été frappé. On sait en outre par l'acte lui-même et par les déclarations du recourant non contestées du 4 février 1972 que la double feuille sur laquelle l'acte authentique est couché a été ensuite à nouveau sortie de la machine, et que le recourant l'a complété à la main, en ce qui concerne tout d'abord l'introduction, soit la première page de l'acte, puis en ce qui concerne les stipulations à proprement parler, pour dame X. sur la page 3 et pour le tiers Z. sur la page 4. L'acte a
BGE 106 IV 194 S. 199
ainsi été rédigé en plusieurs temps, selon les déclarations non contestées du notaire, une dizaine de jours avant la stipulation. Il n'est ainsi pas établi que la clause 14 a été ajoutée à l'acte après les signatures, ou qu'elle ne figurait pas dans l'acte lors de la séance de stipulation au cours de laquelle les signatures furent apposées après lecture aux parties. C'est ce qui explique la libération du chef de faux au sens de l'
art. 317 CP
et le jugement civil reconnaissant la pleine validité de l'acte, faute de preuve du contraire.
Le faux témoignage retenu contre le recourant consiste donc uniquement à avoir caché et contesté qu'il avait sorti la feuille à plusieurs reprises de la machine à écrire au moment où il préparait l'acte, qu'il avait même employé une autre machine pour frapper le texte de la clause 14, au moment de la confection de l'acte avant la séance de stipulation, peut-être même une dizaine de jours avant cette séance.
c) Il saute aux yeux que si le faux témoignage porte certes sur un point très accessoire, il n'était pas moins de nature à exercer une influence sur la décision du juge. En effet, dès lors que le point à éclaircir était de savoir si la clause "14" avait été introduite dans l'acte avant ou après la stipulation, si le tribunal avait suivi le recourant, il n'aurait pas poursuivi ses investigations, alors qu'en disant la vérité le recourant pouvait amener les juges à croire que la clause litigieuse avait été introduite non seulement après coup, mais après la stipulation. Par ses affirmations fausses, il était donc en mesure d'influencer le sort du procès.
Dans ces conditions, c'est en vain que le recourant reproche à l'autorité cantonale d'avoir violé l'
art. 307 CP
en faisant application de l'alinéa premier de cette disposition. Le premier moyen du recourant doit ainsi être rejeté.
3.
Le recourant soutient ensuite que les juges cantonaux auraient en réalité bien appliqué l'
art. 307 ch. 3 CP
puisqu'ils ont prononcé une peine inférieure à six mois d'emprisonnement. Il oublie cependant que l'
art. 307 ch. 1 CP
ne prévoit pas de peine d'emprisonnement minimum. La peine prononcée de cinq mois se trouve donc bien dans le cadre légal prévu par cette disposition. Comme par ailleurs les premiers juges se sont expressément référés à l'
art. 307 ch. 1 CP
dans leur dispositif, le moyen du recourant est proprement insoutenable.
Au reste, comme les premiers juges prononçaient une peine
BGE 106 IV 194 S. 200
complémentaire au sens de l'
art. 68 ch. 2 CP
, ils n'auraient pas été tenus par le minimum légal de six mois d'emprisonnement, même s'ils avaient fait application de l'
art. 307 ch. 2 CP
, dès l'instant que l'ensemble des deux peines dépassait six mois.
4.
Le recourant invoque la prescription de l'action pénale. Mais la question n'aurait pu se poser que si l'
art. 307 ch. 3 CP
avait été applicable. Dès lors en revanche qu'il ne l'est pas, ce moyen est mal fondé, puisque l'
art. 307 ch. 1 CP
prévoit une peine de réclusion avec cette conséquence, au regard de l'
art. 70 CP
, que le délai de prescription est de 10 ans et que la prescription n'aurait pu être atteinte que le 4 février 1982.
5.
Enfin le recourant affirme que son témoignage ne pouvait avoir aucune portée dès lors que le juge qui l'interrogeait savait que la clause 14 n'avait pas été écrite en même temps que les autres, ce qu'il a déclaré manifeste en posant sa question. Ce moyen est également mal fondé. Une déclaration en justice évidemment fausse demeure un faux témoignage si elle porte sur les faits de la cause et si elle émane d'un témoin. La qualification ne dépend pas du point de savoir si la fausseté de la déclaration est aisée à démontrer ou non.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi dans la mesure où il est recevable. | null | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3f5af565-5cda-474c-8678-c4c0d4194c9a | Urteilskopf
122 V 85
14. Urteil vom 18. März 1996 i.S. W. gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern | Regeste
Art. 21 Abs. 6 KUVG
, Art. 2 Vo VI KUVG und Art. 1 Abs. 1 Vo 7 KUVG,
Art. 101 Abs. 1 KVG
,
Art. 34bis BV
,
Art. 4 und 31 BV
.
- Art. 2 Vo VI ist gesetz- und verfassungsmässig.
- Nichtzulassung eines medizinischen Masseurs mit zweijähriger Ausbildung und mehrjähriger Praxiserfahrung im Bereich der passiven physikalischen Therapie zur Betätigung für die Krankenversicherung trotz kantonaler Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung. | Sachverhalt
ab Seite 86
BGE 122 V 85 S. 86
A.-
Der 1955 geborene W. erwarb nach einjährigem Besuch der Fachschule für Medizinische Massage (Tagesschule) und einem einjährigen Praktikum an der Klinik R. am 16. April 1981 das Diplom eines medizinischen Masseurs/Bademeisters. In der Folge arbeitete er von 1981 bis 1986 unter fachlicher Anleitung von Ärzten als medizinischer Masseur in der bernischen Höhenklinik H. Daneben besuchte er verschiedene Weiterbildungskurse, u.a. einen Kurs für therapeutische Lymphdrainage am Lehrinstitut für Lymphologie an der Klinik F. in Deutschland. Seit 1986 führt er eine eigene Praxis für Massage.
Am 20. September 1988 stellte W. bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern das Gesuch um Erteilung der kantonalen Bewilligung für die selbständige Ausübung des Berufes des medizinischen Masseurs. Die Gesundheitsdirektion und in der Folge der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern lehnten seinen Antrag ab. Gegen diesen Gerichtsentscheid erhob W. staatsrechtliche Beschwerde, welche das Bundesgericht mit Urteil vom 27. September 1991 wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit teilweise guthiess. Das höchste Gericht stellte insbesondere fest, W. könne die selbständige Ausübung des Berufs des medizinischen Masseurs nicht aus gesundheitspolizeilichen Gründen verboten oder von einer Zusatzausbildung als Physiotherapeut abhängig gemacht werden. Die Verweigerung der nachgesuchten Bewilligung allein deshalb, weil der Gesuchsteller nicht über die Ausbildung eines Physiotherapeuten verfüge, erweise sich als unverhältnismässiger Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit.
Unter Hinweis auf das bundesgerichtliche Urteil vom 27. September 1991 beantragte W. beim Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Anerkennung als medizinische Hilfsperson im Sinne des Krankenversicherungsgesetzes. Mit Verfügung vom 7. April 1994 wies das BSV das Begehren ab mit der Begründung, die Zulassung zur Kassenpraxis setze seit jeher zwingend eine
BGE 122 V 85 S. 87
Ausbildung in Physiotherapie voraus. Diesem Erfordernis genüge die Ausbildung zum medizinischen Masseur nicht.
B.-
W. erhob Verwaltungsbeschwerde beim Eidg. Departement des Innern (EDI) und beantragte, die Nichtzulassungsverfügung sei aufzuheben und er sei zur Betätigung für die Krankenversicherung als medizinischer Masseur zuzulassen. Er rügte eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit sowie die Missachtung der vom Bundesgericht geforderten Gleichstellung des medizinischen Masseurs mit dem Physiotherapeuten, soweit es um die passive Therapie gehe. Zudem wies er darauf hin, dass ihm der Kanton Bern im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichts vom 27. September 1991 die kantonale Bewilligung erteilt und seither sich die Zulassung des medizinischen Masseurs zur selbständigen Berufsausübung gesamtschweizerisch durchgesetzt habe. In seiner Vernehmlassung machte das BSV unter anderem geltend, die Zulassung zur Kassenpraxis gemäss KUVG könne nicht durch eine kantonale Berufsausübungsbewilligung ersetzt werden.
Mit Entscheid vom 30. März 1995 wies das Departement die Beschwerde ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert W. das im Verfahren vor dem Eidg. Departement des Innern gestellte Begehren um Zulassung zur Betätigung für die Krankenversicherung als medizinischer Masseur.
Das BSV beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das EDI hat sich ebenfalls in abweisendem Sinne vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Die angefochtene Verfügung des BSV betrifft die Nichtzulassung des Beschwerdeführers zur Betätigung für die Krankenversicherung als medizinischer Masseur. Solche Verwaltungsakte sind mangels einer anderslautenden Bestimmung im Krankenversicherungsgesetz durch Verwaltungsbeschwerde gemäss
Art. 44 und 47 Abs. 1 lit. c VwVG
beim Eidg. Departement des Innern anfechtbar. Dessen Entscheide unterliegen nach Art. 98 lit. b in Verbindung mit
Art. 128 OG
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht. Auf die vorliegende Beschwerde, welche den formellen Erfordernissen entspricht, ist daher einzutreten (vgl. RKUV 1984 Nr. K 567 S. 34 Erw. 1; ferner
BGE 106 V 101
).
BGE 122 V 85 S. 88
2.
In formellrechtlicher Hinsicht wirft der Beschwerdeführer die Frage auf, ob im vorliegenden Fall nicht
Art. 16 OG
anwendbar sein könnte. Die Durchführung eines Verfahrens nach dieser Bestimmung sei allenfalls geboten, weil die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Ergebnis den Entscheid der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 27. September 1991 unterlaufen würde.
a) Will das Eidg. Versicherungsgericht eine Rechtsfrage abweichend von einem früheren Entscheid einer Abteilung oder mehrerer vereinigter Abteilungen des Bundesgerichts oder des Gesamtgerichts entscheiden, darf es nur mit Zustimmung der andern Abteilung oder auf Beschluss der Vereinigung der beteiligten Abteilungen oder des Gesamtgerichtes geschehen (Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 127 Abs. 2 OG
). Diese Bestimmung kommt zum Zuge, wenn das Eidg. Versicherungsgericht die gleiche, vom Bundesgericht schon beurteilte Rechtsfrage abweichend entscheiden und damit eine Praxisänderung vornehmen will. Mit diesem verfahrensrechtlichen Institut soll die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sowie die Rechtsgleichheit in der Rechtsanwendung gewährleistet werden (vgl.
BGE 111 Ia 354
unten,
BGE 109 Ia 254
Erw. 4a am Ende; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 114). Dagegen bezweckt
Art. 16 OG
nicht die Identität von Einzelfallösungen (POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. I, N. 3 zu Art. 16). Nebenbei bemerkt schliesst diese Koordinationsbestimmung nicht aus, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts einerseits und jene des Eidg. Versicherungsgerichts anderseits in bezug auf eine Rechtsfrage voneinander abweichen (vgl.
BGE 115 V 314
Erw. 4b).
b) Im erwähnten Urteil vom 27. September 1991 (
BGE 117 Ia 440
) hatte das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerde hin zu prüfen, ob die Verweigerung der kantonalen Bewilligung zur selbständigen Ausübung der Tätigkeit eines medizinischen Masseurs mit der Handels- und Gewerbefreiheit (
Art. 31 BV
) vereinbar sei. Es gelangte dabei zur Auffassung, dass die seinerzeitige Regelung im Kanton Bern, welche die selbständig ausgeübte medizinische Massage den Physiotherapeuten vorbehielt, einen unverhältnismässigen, insbesondere mit gesundheitspolizeilichen Gründen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit darstelle.
Demgegenüber hat das Eidg. Versicherungsgericht in diesem Verfahren zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer aufgrund der (im Anschluss an das
BGE 122 V 85 S. 89
Bundesgerichtsurteil erteilten) kantonalen Bewilligung zur selbständigen Ausübung des Berufs als medizinischer Masseur Anspruch auf Zulassung zur Kassenpraxis im Rahmen der bundesrechtlich geregelten Krankenversicherung hat. Selbst wenn sich bei der Prüfung dieser Frage unter dem Gesichtswinkel der Handels- und Gewerbefreiheit Berührungspunkte ergeben, bleibt hinsichtlich der Anwendung von
Art. 16 OG
entscheidend, dass Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde vor dem Bundesgericht die Zulässigkeit der Verweigerung der kantonalen Bewilligung zur selbständigen Ausübung des Berufes eines medizinischen Masseurs war, während in diesem Verfahren die Stellung des Beschwerdeführers als selbständiger medizinischer Masseur im Rahmen der bundesrechtlichen Gesetzgebung über die Krankenversicherung ist. Daraus erhellt, dass sich das Eidg. Versicherungsgericht nicht mit einer vom Bundesgericht bereits entschiedenen Rechtsfrage zu befassen hat, weshalb ein Verfahren nach
Art. 16 OG
ausser Betracht fällt.
3.
Bundesamt und Departement haben die Zulassung des Beschwerdeführers als medizinischer Masseur zur Kassenpraxis im Lichte von
Art. 21 Abs. 6 KUVG
(in der Fassung gemäss Bundesgesetz über die Änderung des Ersten Titels des KUVG vom 13. März 1964) in Verbindung mit der Verordnung VI über die Krankenversicherung betreffend die Zulassung von medizinischen Hilfspersonen zur Betätigung in der Krankenversicherung vom 11. März 1996 (Vo VI) geprüft und verneint. Während des Beschwerdeverfahrens vor dem Eidg. Versicherungsgericht ist das neue Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG) in Kraft getreten (AS 1995 1367). Das neue Krankenversicherungsgesetz regelt nicht ausdrücklich, welches Recht auf ein hängiges Verfahren anzuwenden ist. Hinsichtlich der hier streitigen Zulassung zur Kassenpraxis ist mit Blick auf die Übergangsbestimmungen zum KVG die Frage des anwendbaren Rechts im Sinne der allgemeinen Regel zu entscheiden, wonach die Rechtmässigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich nach der Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu beurteilen ist (
BGE 112 Ib 42
Erw. 1c; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., S. 61 Rz. 263a; vgl. auch RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 15 B II a). Denn
Art. 101 Abs. 1 KVG
hält fest, dass unter anderem medizinische Hilfspersonen, die unter dem bisherigen Recht zur Tätigkeit zu Lasten der Krankenversicherung zugelassen waren,
BGE 122 V 85 S. 90
auch nach neuem Recht als Leistungserbringer zugelassen sind. Aufgrund dieser Besitzstandsgarantie und im Hinblick auf die Möglichkeit des Beschwerdeführers, allenfalls in einem späteren Zeitpunkt ein neues Zulassungsgesuch zu stellen, ist die Rechtmässigkeit des angefochtenen Nichtzulassungsentscheides nach altem Recht zu beurteilen.
4.
a) Nach Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG haben die Leistungen der Krankenpflegeversicherung bei ambulanter Behandlung mindestens die von einem Arzt angeordneten, durch medizinische Hilfspersonen vorgenommenen wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen zu umfassen. Gemäss Art. 1 Abs. 1 der Verordnung VI über die Krankenversicherung, erlassen durch den Bundesrat gestützt auf
Art. 21 Abs. 6 KUVG
, werden als medizinische Hilfspersonen, die auf Anordnung eines Arztes wissenschaftlich anerkannte Heilanwendungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG vornehmen, unter anderem Personen zugelassen, die den Beruf eines Masseurs, Heilgymnasten oder Physiotherapeuten selbständig und auf eigene Rechnung ausüben und die Bedingungen dieser Verordnung erfüllen. Art. 2 der Verordnung regelt das Zulassungserfordernis der Ausbildung für die genannten Berufskategorien und lautet wie folgt:
"Die Masseure, Heilgymnasten und Physiotherapeuten haben sich auszuweisen:
1. über eine vom Kanton anerkannte, mindestens dreijährige Fachausbildung mit erfolgreich abgelegter Prüfung in folgenden Fächern:
a. allgemeine Anatomie und Physiologie, mit besonderer Berücksichtigung des Bewegungsapparates;
b. allgemeine Krankheitslehre, angepasst an die Tätigkeit der betreffenden Hilfspersonen;
c. physikalische Therapie in Theorie und Praxis: Massage, Heilgymnastik und Elektrotherapie.
2. über eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit bei einem gemäss dieser Verordnung zugelassenen Masseur, Heilgymnasten oder Physiotherapeuten oder in einer physikalisch-therapeutischen Spezialabteilung einer Heilanstalt."
Die von den Krankenkassen zu übernehmenden wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG und Art. 1 Abs. 1 Vo VI werden in Art. 1 Abs. 1 der gleichnamigen Vo 7 vom 13. Dezember 1965 (mit Änderung vom 31. Januar 1995), erlassen durch das EDI
BGE 122 V 85 S. 91
gestützt auf
Art. 12 Abs. 5 KUVG
sowie Art. 21a der Verordnung III über die Krankenversicherung, im einzelnen aufgeführt. Danach zählen zu den kassenpflichtigen physikalisch-therapeutischen Massnahmen einerseits Massnahmen der passiven Therapie, wie beispielsweise Heilmassage, und anderseits aktive Therapiemassnahmen, namentlich Heilgymnastik.
b) Nach der Praxis gilt ein Lehrgang als Fachausbildung im Sinne von Art. 2 Vo VI, wenn er hinsichtlich des Umfangs der vermittelten Kenntnisse und Qualität der Ausbildung dem dreijährigen Kurs an einer anerkannten schweizerischen Physiotherapeutenschule gleichwertig ist (
BGE 106 V 104
Erw. 2c; RSKV 1983 Nr. 545 S. 190 Erw. 3). Überdies hat, wer als Masseur, Heilgymnast oder Physiotherapeut zur Kassenpraxis zugelassen werden will, die geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten im Rahmen eines ordnungsgemässen (Physiotherapeuten) Prüfungsverfahrens mit Erfolg unter Beweis zu stellen. Nur so ist eine einigermassen verlässliche, überprüfbare und vor allem auch rechtsgleiche Zulassungspraxis gewährleistet (RKUV 1984 Nr. K 567 S. 38 Erw. 3a).
c) aa) Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, dass die Verordnung VI als medizinische Hilfspersonen ausdrücklich auch die Masseure nenne. Das BSV hat dazu im vorinstanzlichen Verfahren ausgeführt, die Aufnahme der Masseure in die Verordnung sei historisch bedingt und auf die unterschiedlichen Bezeichnungen in den Kantonen zurückzuführen.
Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass es bei der Frage der Zulassung als Masseur, Heilgymnast oder Physiotherapeut nicht primär auf die Berufsbezeichnung ankommen kann. Einer solchen dem Wortlaut allzu sehr verhafteten Betrachtungsweise steht schon Art. 1 Abs. 1 Vo VI entgegen, wonach der Gesuchsteller "die Bedingungen dieser Verordnung erfüllen" muss. Dieser Vorbehalt bezieht sich klarerweise auf alle in dieser Bestimmung genannten Berufe, insbesondere auch auf die Tätigkeit des Masseurs. In diesem Sinne hat das Eidg. Versicherungsgericht die Zulassung einer "Krankengymnastin" (
BGE 106 V 101
), einer "Masseuse" (RSKV 1983 Nr. 545 S. 188) und eines "Masseurs und medizinischen Bademeisters" (RKUV 1984 Nr. K 567 S. 33) zur Kassenpraxis jeweils aufgrund der in Art. 2 Vo VI festgelegten Kriterien geprüft.
bb) Hinsichtlich der Ausbildungsdauer sodann steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer nicht über eine dreijährige Fachausbildung im Sinne von Art. 2 Vo VI verfügt. Nach seiner Auffassung schliesst dies die Anerkennung als medizinische Hilfsperson nicht aus. Denn
BGE 122 V 85 S. 92
der Umstand, dass Art. 2 Abs. 1 der Vo VI "tel quel" eine dreijährige Mindestausbildungsdauer sowohl für Masseure, Heilgymnasten wie Physiotherapeuten vorschreibe, sei darauf zurückzuführen, dass auch die ausschliesslich vom Physiotherapeuten zu erbringenden Leistungen im Bereich der aktiven Therapie vom Geltungsbereich der Verordnung erfasst und als kassenzulässig erklärt werden sollten. Soweit damit geltend gemacht wird, entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung genüge für Masseure zufolge Einschränkung ihrer Tätigkeit auf die passive Therapie eine kürzere Ausbildungszeit, findet diese Auffassung in Gesetz und Verordnung keine Stütze. Namentlich ist aus gesetzessystematischer Sicht davon auszugehen, dass die aufgrund der Verordnung VI als medizinische Hilfspersonen zugelassenen Masseure, Heilgymnasten oder Physiotherapeuten berechtigt sind, sämtliche in Art. 1 Abs. 1 der Vo 7 aufgezählten physikalisch-therapeutischen Massnahmen vorzunehmen. Es ergeben sich aus den einschlägigen Normen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber oder der Bundesrat als Verordnungsgeber bei der Zulassung dieser Personen zur Kassenpraxis danach differenzieren wollte, welche dieser Massnahmen die betreffende Hilfsperson nachher tatsächlich anwenden will bzw. kann. So wie die in Art. 2 der Vo VI genannten Zulassungsbedingungen kumulativ erfüllt sein müssen, genauso muss die betreffende Person befähigt sein, sowohl aktive wie auch passive Massnahmen der physikalischen Therapie vorzunehmen. Teilzulassungen sind in diesem Bereich nicht vorgesehen.
cc) Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer sodann aus dem Umstand, dass er seit 1992 die kantonal-bernische Bewilligung für die selbständige Berufsausübung als medizinischer Masseur besitzt und er von einzelnen Krankenkassen in die Liste der anerkannten Therapeuten aufgenommen worden ist. Denn nach der Rechtsprechung kann bei Nichterfüllung der Zulassungsbedingungen gemäss Art. 2 Vo VI die Zulassung als (Masseur, Heilgymnast oder) Physiotherapeut zur Kassenpraxis nicht aus einer kantonalen Bewilligung zur Berufsausübung abgeleitet werden. Eine solche Bewilligung hat lediglich innerkantonalen Charakter, und eine bedingte Zulassung bestimmter Tarifpunkte oder eine provisorische Zulassung kommt mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Frage. Ebensowenig kann die Anerkennung durch die Statuten einzelner Krankenkassen massgeblich sein, da kasseninterne Satzungen auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis keinen
BGE 122 V 85 S. 93
Einfluss haben (RKUV 1984 Nr. K 567 S. 39 Erw. 3b; vgl. auch RSKV 1983 Nr. 545 S. 191 Erw. 4).
5.
Zu prüfen bleibt, ob Art. 2 Vo VI gesetz- und verfassungsmässig ist. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob diese Verordnungsbestimmung gegen
Art. 4 Abs. 1 BV
(Rechtsgleichheit) und
Art. 31 BV
(Handels- und Gewerbefreiheit) verstösst, insoweit sie auch die medizinischen Masseure trotz Einschränkung ihrer Tätigkeit auf die passive physikalische Therapie dem Erfordernis der mindestens dreijährigen Fachausbildung unterwirft.
a) aa) Die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht im Rahmen von
Art. 104 lit. a OG
grundsätzlich zulässig (
BGE 116 V 206
Erw. II/1b,
BGE 110 V 363
Erw. 1c mit Hinweisen; GYGI, a.a.O., S. 288; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., S. 286). Bei der materiellen Prüfung der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit sind jedoch die
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
zu beachten. Danach ist es den rechtsanwendenden Behörden untersagt, Bundesgesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen (
BGE 120 V 3
Erw. 1b mit Hinweisen). Dies schliesst die Anwendung allgemein anerkannter Prinzipien, insbesondere die Regel, dass Bundesgesetze verfassungskonform auszulegen sind (
BGE 108 V 240
Erw. 4b,
BGE 105 Ib 53
Erw. 3a; vgl.
BGE 114 IV 26
Erw. 4), nicht aus. In diesem Sinne statuieren
Art. 113 Abs. 3 BV
und
Art. 114bis Abs. 3 BV
lediglich ein Anwendungsgebot, nicht ein Prüfungsverbot (
BGE 117 Ib 373
Erw. 2f). Allerdings findet die verfassungskonforme Interpretation - auch bei einer festgestellten Verfassungswidrigkeit - im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ihre Schranke (
BGE 117 V 321
Erw. 2a,
BGE 111 Ia 297
Erw. 3b, je mit Hinweisen; KÄLIN, a.a.O., S. 16 f.).
bb) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht (unselbständige) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, daraufhin prüfen, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, ist dieser Spielraum für das Gericht nach Art. 113 Abs. 3/
Art. 114bis Abs. 3 BV
verbindlich. Deshalb muss sich das Eidg. Versicherungsgericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus
BGE 122 V 85 S. 94
andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 118 V 225
Erw. 2b mit Hinweis; vgl. auch
BGE 120 V 49
Erw. 3a,
BGE 118 Ib 538
Erw. 1).
b) aa) Die Verordnung VI über die Krankenversicherung stützt sich auf die Delegationsnorm des
Art. 21 Abs. 6 KUVG
. Danach erlässt der Bundesrat nach Anhören der zuständigen Organisationen unter anderem Vorschriften über die Zulassung von medizinischen Hilfspersonen (Satz 1). Strengere kantonale Vorschriften bleiben vorbehalten (Satz 2). Wie auch der Beschwerdeführer richtig festhält, räumt
Art. 21 Abs. 6 KUVG
dem Verordnungsgeber einen weiten Ermessensspielraum ein. Ebenso anerkennt er grundsätzlich, dass sich der Bundesrat bei Erlass der Verordnung VI an diesen Delegationsrahmen gehalten hat, und zwar auch insoweit, als er in Abs. 2 Vo VI minimale Anforderungen an die Ausbildung der zulassungswilligen Masseure, Heilgymnasten und Physiotherapeuten festgelegt hat. In der Tat kommt in
Art. 21 Abs. 6 KUVG
der klare Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, dem Bundesrat die alleinige Kompetenz zur Regelung der Zulassungsbedingungen für die medizinischen Hilfspersonen zu geben und zwar im Sinne einer gesamtschweizerischen Ordnung. Namentlich war im gesamten Gesetzgebungsverfahren nie davon die Rede, dass den Kantonen in diesem Bereich eigene Regelungsbefugnisse zukommen sollten (vgl. Botschaft zur Änderung des Ersten Titels des KUVG vom 5. Juni 1961, BBl 1961 I 1417, S. 1426). Soweit Satz 2 von
Art. 21 Abs. 6 KUVG
strengere kantonale Vorschriften vorbehält, sollte damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Gesetzgebung über die Berufsausübung der medizinischen Personen Sache der Kantone ist (Botschaft, a.a.O., S. 1492). Gerade dieser Vorbehalt bestätigt hinsichtlich der Auslegung des
Art. 21 Abs. 6 KUVG
, dass der Gesetzgeber die Kantone weder direkt noch indirekt ermächtigen wollte, die Zulassungsbedingungen gemäss Art. 2 Vo VI zu erleichtern, indem beispielsweise eine gesundheits- und gewerbepolizeilich abgestützte
BGE 122 V 85 S. 95
kantonale Berufsausübungsbewilligung zur Betätigung für die Krankenversicherung ausreichte (in diesem Sinne RKUV 1984 Nr. K 567 S. 39 Erw. 3b; vgl. auch RSKV 1983 Nr. 545 S. 191 Erw. 4). Art. 2 Vo VI erweist sich daher als gesetzmässig.
bb) Der Beschwerdeführer erblickt in der Nichtzulassung zur Kassenpraxis insofern einen Verstoss gegen
Art. 31 BV
, als er bzw. der medizinische Masseur allgemein als Anbieter von Dienstleistungen im Bereich der passiven Therapie direkter Konkurrent des Physiotherapeuten sei. Er habe daher Anspruch auf gleiche berufliche Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen wie der Physiotherapeut als Anbieter von passiver Therapie, und zwar um so mehr, als nach Feststellung des Bundesgerichts ein medizinischer Masseur für die von ihm ausgeübte Tätigkeit, die passive Therapie, ebenso gut ausgebildet sei wie ein Physiotherapeut (vgl.
BGE 117 Ia 447
Erw. 4b). Dass bei diesen Gegebenheiten auch für die Zulassung der medizinischen Masseure zur Kassenpraxis eine Ausbildungsdauer von mindestens drei Jahren verlangt und die berufsspezifisch kürzere Ausbildung der Masseure nicht anerkannt werde, stelle überdies eine Ungleichbehandlung im Sinne von
Art. 4 BV
dar.
aaa) Es stellt sich zunächst die Frage, ob der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit im Zusammenhang mit der Zulassung oder Nichtzulassung zur Kassenpraxis überhaupt angerufen werden kann.
Nach
Art. 31 Abs. 1 BV
ist die Handels- und Gewerbefreiheit nur soweit gewährleistet, als sie nicht durch die Bundesverfassung und die auf ihr beruhende Gesetzgebung eingeschränkt ist.
Art. 34bis BV
ermächtigt und beauftragt zugleich den Bund, auf dem Wege der Gesetzgebung die Kranken- und Unfallversicherung unter Berücksichtigung der bestehenden Krankenkassen einzurichten (Abs. 1), wobei er den Beitritt allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären kann (Abs. 2). Aufgrund dieser Verfassungsbestimmung besitzt der Bund im Bereich der sozialen Krankenversicherung ein mittelbar rechtliches Monopol, das als solches bereits eine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit darstellt (
BGE 109 V 217
Erw. 4d/bb mit Hinweisen; HÄFELIN/ MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., S. 472 ff., Rz. 1993 und 2000; vgl. RHINOW, Kommentar BV, Rz. 128 ff. zu Art. 31). Im Rahmen dieser umfassenden Regelungszuständigkeit ist der Bund insbesondere befugt, den Zugang zur
BGE 122 V 85 S. 96
Tätigkeit im Bereich der Krankenversicherung zu regeln und Beschränkungen zu unterwerfen (vgl. SCHÄREN, Die Stellung des Arztes in der sozialen Krankenversicherung, Diss. Zürich 1973, S. 298 ff., S. 303 ff.; ferner MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 517). Von dieser Kompetenz hat der Bund Gebrauch gemacht und im KUVG sowie in den dazugehörigen Verordnungen des Bundesrates und des EDI festgelegt, welche Personen unter welchen Voraussetzungen für welche medizinischen Massnahmen zur Betätigung für die Krankenversicherung zugelassen sind (vgl. Erw. 4a hievor). Haben diese Normen unmittelbar oder mittelbar Auswirkungen auf die privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit, sei es, dass der Zugang zu einem Beruf erschwert oder dessen Ausübung allenfalls faktisch behindert wird, kann sich der Betroffene grundsätzlich nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen und daraus einen Anspruch auf Zulassung zur Kassenpraxis ableiten. Daran ändert nichts, dass die Tätigkeit als solche unter dem Schutz dieses verfassungsmässigen Rechts steht (vgl.
BGE 109 V 217
Erw. 4d/bb). Lediglich wenn und soweit sich die Einschränkung aus einer (unselbständigen) Verordnung ergibt, kann dieses verfassungsmässige Recht Wirkung entfalten. Ist die betreffende Vorschrift gesetzmässig, kommt der Handels- und Gewerbefreiheit jedoch keine weiterreichendere Bedeutung zu als
Art. 4 BV
.
Die Nichtzulassung eines selbständigen medizinischen Masseurs zur Betätigung für die Krankenversicherung stellt insofern einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Physiotherapeuten dar, als der versicherte Patient die Kosten für die Applikation von Heilmethoden der passiven physikalischen Therapie nicht auf die Krankenkasse überwälzen kann. Dadurch wird der Masseur zumindest mittelbar in der Berufsausübung gehindert, indem er in der Wahl seiner Vertragspartner eingeschränkt ist (vgl. BÜHLMANN, Die rechtliche Stellung der Medizinalpersonen im Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 20. März 1981, Diss. Bern 1985, S. 52 f.). Dabei kann diese faktische Benachteiligung des medizinischen Masseurs gegenüber einem anerkannten Physiotherapeuten nicht einfach damit begründet werden, die Anerkennung dieser Berufskategorie als Leistungserbringer im Bereich der passiven Therapie führe tendenziell zu einer Kostensteigerung im Gesundheitswesen, wie das Bundesgericht in Erw. 5d seines Urteils vom 27. September 1991 mit guten Gründen dargelegt hat. Namentlich setzt die Anerkennung passiver therapeutischer Massnahmen als Pflichtleistung der Krankenkassen stets voraus, dass sie von einem Arzt als
BGE 122 V 85 S. 97
notwendig beurteilt und angeordnet werden. Es ist daher nicht ohne weiteres ersichtlich, inwieweit es zu einer Kostensteigerung führen soll, wenn eine vom Arzt angeordnete passive Therapie von einem medizinischen Masseur und nicht von einem Physiotherapeuten ausgeführt wird. Weder diese Feststellungen noch die Rechtstatsache, dass die Tätigkeit des medizinischen Masseurs unter dem Schutz des
Art. 31 BV
steht (
BGE 117 Ia 445
Erw. 2), geben jedoch dem Beschwerdeführer die Mittel in die Hand, den auf einer gesetzmässigen Grundlage (Art. 2 Vo VI in Verbindung mit
Art. 21 Abs. 6 KUVG
) beruhenden Nichtzulassungsentscheid unter dem Blickwinkel der Handels- und Gewerbefreiheit in Frage zu stellen.
bbb) Zu prüfen bleibt somit, ob die Regelung des Art. 2 Vo VI gegen
Art. 4 BV
verstösst, insoweit diese Vorschrift den medizinischen Masseur den gleichen Zulassungsbedingungen unterwirft wie den Physiotherapeuten. Nach Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich diese nicht differenzierende Zulassungsordnung nicht auf ernsthafte Gründe stützen und sich vernünftigerweise nicht mit den tatsächlichen Verhältnissen rechtfertigen. Zur Begründung verweist er zur Hauptsache auf das schon mehrfach erwähnte Bundesgerichtsurteil vom 27. September 1991, wo "überzeugend dargelegt" werde, dass der Physiotherapeut auf dem Gebiet der passiven Therapie über keine umfassendere oder gründlichere Ausbildung verfüge als der medizinische Masseur (vgl.
BGE 117 Ia 447
Erw. 4b). Im vorinstanzlichen Verfahren hatte er zudem geltend gemacht, seit diesem höchstrichterlichen Urteil habe sich die Zulassung des medizinischen Masseurs zur selbständigen Berufsausübung gesamtschweizerisch durchgesetzt. Diese Vorbringen lassen die angefochtene Regelung noch nicht als willkürlich erscheinen.
Die bundesrätliche Verordnung VI und die Verordnung 7 des EDI wurden im Rahmen der Änderung des KUVG vom 13. März 1964 erlassen und auf den 1. Januar 1966 in Kraft gesetzt. Eine bedeutende Neuerung dieser Revision bestand in der Anerkennung der von den medizinischen Hilfspersonen auf Anordnung des Arztes, jedoch selbständig und auf eigene Rechnung angewendeten physikalisch-therapeutischen Massnahmen als Pflichtleistung der Krankenkassen (Botschaft, a.a.O., S. 1425 f.). Dabei sollten nach dem klaren Willen des Verordnungsgebers zur Betätigung für die Krankenversicherung in diesem Bereich nur Personen zugelassen werden, die von ihrem Ausbildungsprofil her über ausreichende theoretische Kenntnisse und praktische Fähigkeiten in der aktiven und passiven Therapie verfügen
BGE 122 V 85 S. 98
(Art. 2 Vo VI und Art. 1 Abs. 1 Ziff. I Vo 7; vgl. Erw. 4c). Dieser Konzeption entspricht eine ganzheitliche medizinische Betrachtungsweise und zwar in dem Sinne, dass einerseits die fachgerechte Anwendung auch nur einzelner Therapieformen ein genügendes und fundiertes Wissen und Können auf dem ganzen Gebiet der physikalischen Therapie voraussetzt, und anderseits die Behandlung eines Leidens in vielen Fällen sowohl Massnahmen der aktiven als auch passiven Therapie erfordert. Weiter steht ausser Frage, dass mit Art. 2 Vo VI eine verlässliche, überprüfbare und insoweit rechtsgleiche Zulassungsordnung geschaffen wurde, als an alle Erbringer physikalisch-therapeutischer Massnahmen dieselben ausbildungsmässigen Anforderungen gestellt werden. Das Eidg. Versicherungsgericht hat die darauf abgestützte Zulassungspraxis denn auch mehrfach als gesetz- und verfassungsmässig zur Anwendung gebracht (vgl. Erw. 4c/aa hievor). Zu beachten ist schliesslich, dass die Kompetenz zur Regelung der Zulassung zur Betätigung für die Krankenversicherung im Bereich der physikalischen Therapie nach
Art. 21 Abs. 6 KUVG
allein beim Bundesrat liegt (vgl. Erw. 4b/aa hievor). Ein Eingreifen in die von ihm festgelegte Zulassungsordnung wäre unter Wahrung ihres Zweckes allenfalls bei Vorliegen überprüfbarer gesamtschweizerisch anerkannter Richtlinien über Ausbildung und Tätigkeitsgebiet des medizinischen Masseurs denkbar. Entsprechende Bemühungen, welche auch die gesamtschweizerische Anerkennung des Berufs des medizinischen Masseurs zum Ziel haben, sind im Gange (vgl.
BGE 117 Ia 448
Erw. 4c), nach Angaben des Beschwerdeführers im vorinstanzlichen Verfahren jedoch noch nicht erfolgreich abgeschlossen.
Nach dem Gesagten erweist sich der in Ausführung zu
Art. 21 Abs. 6 KUVG
erlassene Art. 2 Vo VI auch als verfassungsmässig.
c) Mit Blick auf die nicht ganz befriedigende Stellung der medizinischen Masseure im Vergleich zu den Physiotherapeuten stellt sich die Frage, ob Raum besteht für eine richterliche Normenkorrektur im Sinne der Füllung einer unechten Gesetzeslücke. Eine solche kommt praxisgemäss nur in Frage, wenn der Gesetzgeber sich offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder wo sich die Verhältnisse seit Erlass des Gesetzes in einem solchen Masse gewandelt haben, dass die Vorschrift unter gewissen Gesichtspunkten nicht bzw. nicht mehr befriedigt und ihre Anwendung rechtsmissbräuchlich wird (
BGE 111 V 327
Erw. 2 mit Hinweisen; MEYER-BLASER, Die Bedeutung von
Art. 4 BV
für das Sozialversicherungsrecht, in: ZSR NF 111 [1992] II/3 S. 342 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Im Rahmen des KUVG
BGE 122 V 85 S. 99
und der dazugehörigen Verordnungen sind, wie in Erw. 4 hievor dargelegt, lediglich die anerkannten Physiotherapeuten oder Personen, die eine gleichwertige Ausbildung vorweisen können, zur Kassenpraxis im Bereich der physikalisch-therapeutischen Massnahmen zugelassen.
6.
(Kostenpunkt) | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3f64edae-a555-4d71-9317-5d13f4b13c3d | Urteilskopf
117 II 71
16. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 29 janvier 1991, dans la cause M.M. contre A.M. (recours en réforme) | Regeste
Verpflichtung des Vermieters zur rechtzeitigen Übergabe der Mietsache.
Der Vermieter handelt schuldhaft, wenn er bei der Verabredung des Datums des Mietantritts mit dem neuen Mieter weder mit der Erstreckung des alten Mietverhältnisses noch überhaupt mit der Möglichkeit eines Mieterstreckungsverfahrens rechnet. | Sachverhalt
ab Seite 71
BGE 117 II 71 S. 71
Ayant résilié, le 11 mai 1982, un bail commercial avec effet au 28 février 1983, le propriétaire A.M. a, le lendemain, conclu un nouveau contrat avec M.M. portant sur les mêmes locaux pour une durée de 5 ans dès le 1er mars 1983. Le précédent locataire ayant requis une prolongation de son bail, il n'a finalement libéré les locaux que le 14 octobre 1983. Entre-temps, au début août 1983, A.M. a informé M.M. qu'elle pourrait disposer des locaux le 1er septembre 1983. M.M. a alors pris diverses dispositions, engageant notamment une vendeuse et commandant la marchandise.
BGE 117 II 71 S. 72
M.M. a ouvert action contre A.M. en paiement de 18'500 francs, montant équivalant au préjudice subi pour n'avoir pas pu prendre possession des locaux le 1er mars 1983.
Le Tribunal cantonal ayant rejeté la demande, M.M. a interjeté un recours en réforme. Elle y a repris ses conclusions en paiement.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours et renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement après complètement de l'état de fait lacunaire.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
a) Lorsque le créancier ne peut obtenir l'exécution de l'obligation ou ne peut l'obtenir qu'imparfaitement, le débiteur est tenu de réparer le dommage en résultant, à moins qu'il ne prouve qu'aucune faute ne lui est imputable (
art. 97 al. 1 CO
). L'hypothèse visée par cette disposition est réalisée lorsque le bailleur ne met pas les locaux à la disposition du preneur à la date convenue (SCHMID, Vorbem. zu Art. 254-256, n. 4, TERCIER, La partie spéciale du Code des obligations, n. 1055 et 1114). S'agissant plus particulièrement du bailleur empêché de le faire à cause d'une procédure de prolongation de bail introduite par l'ancien locataire, il faut, avec GMÜR/PREROST/TRÜMPY (Mietrecht, 3e éd., n. 3.2 p. 43), admettre en principe une faute du bailleur, car il est imprudent de conclure un nouveau contrat aussi longtemps qu'il doit compter avec la prolongation de l'ancien bail. La jurisprudence s'est prononcée dans ce sens il y a fort longtemps déjà (
ATF 47 II 201
/202 consid. 1). Le bailleur doit même, avant de convenir avec le futur locataire de la date d'entrée dans les locaux, prendre en considération l'éventualité d'une procédure en prolongation de bail; en effet, dans cette hypothèse, le locataire peut rester dans la chose louée (
ATF 104 II 312
/313 et les références). | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f6da1b9-048b-4a1c-b01a-afa7ade951ec | Urteilskopf
121 II 134
22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Mai 1995 i.S. S. gegen Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 16 Abs. 3 lit. g und 17 Abs. 1 SVG; Vereitelung der Blutprobe, Dauer des Führerausweisentzuges.
Die Mindestentzugsdauer von zwei Monaten resp. von einem Jahr (
Art. 17 Abs. 1 lit. b und d SVG
), vorgesehen für Fahren in angetrunkenem Zustand, gilt nicht bei Vereitelung der Blutprobe (E. 3c). Doch kann sich die Behörde bei der Bemessung der Entzugsdauer daran orientieren, wenn die Möglichkeit bestand, dass der Fahrzeuglenker ohne die Vereitelung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden wäre (E. 3d). | Sachverhalt
ab Seite 135
BGE 121 II 134 S. 135
Am 9. Januar 1990 fuhr S. mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 0,94 Gewichtspromillen Auto, worauf das Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau am 9. April 1990 einen Führerausweisentzug während 13 Monaten verfügte.
Am 20. Februar 1993 verursachte S. beim Linksabbiegen mit einem entgegenkommenden Fahrzeug einen Verkehrsunfall und verliess die Unfallstelle, ohne das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Darauf entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau mit Verfügung vom 3. März 1994 S. den Führerausweis für 12 Monate. Die Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau wies einen Rekurs von S. mit Entscheid vom 30. Mai 1994 ab.
Dagegen erhebt S. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Entzugsdauer sei für das Führen von Personenwagen auf sechs, für alle anderen Kategorien auf zwei Monate festzusetzen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Gemäss
Art. 16 Abs. 3 SVG
(SR 741.01) muss der Führerausweis entzogen werden, wenn der Führer in angetrunkenem Zustand gefahren ist
BGE 121 II 134 S. 136
(lit. b), sowie wenn er sich vorsätzlich einer Blutprobe oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzogen hat oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt hat (lit. g). Nach
Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG
beträgt die Entzugsdauer mindestens einen Monat. Wenn der Führer in angetrunkenem Zustand gefahren ist, beträgt der Entzug mindestens zwei Monate (
Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG
); ist er innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzugs wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand erneut in diesem Zustand gefahren, beträgt die Entzugsdauer mindestens ein Jahr (
Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG
).
c) (Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liegt kein technischer Rückfall im Sinne von
Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG
vor, wenn sich innert fünf Jahren seit Ablauf des Führerausweisentzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand eine Vereitelung einer Blutprobe ereignet).
Art. 17 Abs. 1 lit. b und d SVG
beziehen sich ausschliesslich auf den Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand. Der Bundesrat verneinte ausdrücklich die zwingende Anwendung dieser Bestimmungen auf das Delikt der Vereitelung der Blutprobe (vgl. Botschaft über die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 27. August 1986, BBl 1986 III 209, bes. S. 221 f.) und in den parlamentarischen Debatten wurde daran nichts geändert. Dass eine generelle Gleichstellung für das Verfahren des Führerausweisentzugs nicht beabsichtigt war, folgt auch aus dem Umstand, dass die Vereitelung einer Blutprobe gemäss
Art. 16 Abs. 3 lit. g SVG
eine eigenständige Bestimmung im Vergleich zu
Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG
darstellt. Die gesetzliche Mindestdauer des Führerausweisentzugs wegen Vereitelung einer Blutprobe beträgt deshalb nach
Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG
einen Monat bei der ersten Begehung und sechs Monate, wenn der Führer innert zwei Jahren im Rückfall gehandelt hat (
Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG
).
d) Strafrechtlich erfolgt gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
eine Gleichstellung des Delikts der Vereitelung der Blutprobe mit jenem des Fahrens in angetrunkenem Zustand hinsichtlich der Strafzumessung und in bezug auf die Frage der Gewährung des bedingten Strafvollzugs, wenn die Möglichkeit bestand, dass der Fahrzeuglenker bei korrektem Verhalten aufgrund des Ergebnisses der Analyse einer Blutprobe wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden wäre (
BGE 117 IV 297
). Unter den gleichen Voraussetzungen ist es auch der Verwaltungsbehörde erlaubt, sich bei der Bemessung der Dauer des Führerausweisentzugs für die Vereitelung einer Blutprobe am Massnahmerahmen für Fahren in angetrunkenem Zustand zu
BGE 121 II 134 S. 137
orientieren. Sie kann daher der Mindestentzugsdauer für Fahren in angetrunkenem Zustand gemäss
Art. 17 Abs. 1 lit. b und d SVG
auch bei der Vereitelung einer Blutprobe Rechnung tragen - ohne aber an diese Mindestdauer gebunden zu sein -, sofern die Schwere des Verschuldens und der Gefährdung sowie die persönlichen Umstände des Fahrzeuglenkers es rechtfertigen. | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f6da45d-3e39-48f8-bfa4-4833232ab8df | Urteilskopf
141 I 141
14. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public de la République et canton de Genève (recours en matière pénale)
6B_14/2014 du 7 avril 2015 | Regeste
Art. 3 EMRK
;
Art. 7 und 10 Abs. 3 BV
;
Art. 85 Abs. 2 StGB
; Art. 3 Abs. 1 und
Art. 235 Abs. 1 und 5 StPO
; Haftbedingungen im Gefängnis Champ-Dollon; körperliche Durchsuchungen.
Anforderungen an körperliche Durchsuchungen gemäss EMRK, BV sowie Bundes- und kantonalen Gesetzen (E. 6.3).
Zulässigkeit der Durchführung von systematischen Leibesvisitationen nach jedem Besuch im Besucherraum, wenn diese aus Gründen der Sicherheit gerechtfertigt sind (E. 6.5). | Sachverhalt
ab Seite 142
BGE 141 I 141 S. 142
A.
Soupçonné d'avoir commis à Genève, en compagnie de A., plus d'une dizaine de cambriolages entre le 12 avril et le 12 mai 2012, X., ressortissant algérien né en 1992, a été interpellé le 21 septembre 2012 et placé en détention provisoire.
B.
Par jugement du 23 avril 2013, le Tribunal correctionnel de la République et canton de Genève a reconnu X. coupable de vols par métier, de dommages à la propriété, de violation de domicile et de séjour illégal, révoqué la libération conditionnelle qui lui avait été accordée par le Tribunal d'application des peines et des mesures le 30 septembre 2010 pour un solde de peine de 71 jours, condamné l'intéressé à une peine privative de liberté d'ensemble de 4 ans, sous déduction de 215 jours de détention avant jugement, et ordonné son maintien en détention pour des motifs de sûreté.
C.
Le 29 avril 2013, X. a déposé une demande de mise en liberté en se plaignant de ses conditions de détention en lien notamment avec la surpopulation carcérale à la prison de Champ-Dollon. Le 6 mai 2013, le Tribunal des mesures de contrainte de la République et canton de Genève a refusé de prononcer la mise en liberté et ordonné l'ouverture d'une procédure destinée à établir l'existence d'éventuelles irrégularités dans les modalités d'exécution de la détention. Après avoir procédé à l'instruction des faits pertinents, le Tribunal des mesures de contrainte a, par ordonnance du 24 mai 2013, constaté son incompétence à statuer sur la demande d'examen des conditions de détention et transmis la demande à la Chambre pénale d'appel et de révision de la Cour de justice de la République et canton de Genève comme objet de sa compétence.
D.
Par arrêt du 11 novembre 2013, la Chambre pénale d'appel et de révision de la Cour de justice de la République et canton de Genève a partiellement admis l'appel formé par X., réduit la peine privative de liberté à trois ans, sous déduction de la détention subie avant jugement et dit que cette peine était complémentaire à celle prononcée par le Tribunal de police de la Côte le 7 mai 2013. Pour le reste, le jugement de première instance a été confirmé et les conclusions en indemnisation en lien avec les conditions de détention ont été rejetées.
E.
X. interjette un recours en matière pénale contre ce jugement dont il demande l'annulation. Il conclut principalement à son acquittement ainsi qu'à la condamnation de la République et canton de Genève à lui payer les sommes de 200 fr. par jour de détention subi à tort, de
BGE 141 I 141 S. 143
500 fr. par jour passé dans une cellule dont l'espace personnel disponible était inférieur à 3 m
2
, de 300 fr. par jour passé dans une cellule dont l'espace personnel disponible était compris entre 3 et 4 m
2
, de 200 fr. par jour passé dans une cellule dont l'espace personnel disponible était inférieur à 6 m
2
et de 20'000 fr. pour le tort moral subi du fait des fouilles à nu systématiques dont il a fait l'objet en prison. A titre subsidiaire, il conclut au renvoi de l'affaire à la juridiction cantonale pour qu'elle statue à nouveau. Il sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire.
Le Ministère public conclut au rejet du recours, tandis que la juridiction cantonale a renoncé à présenter des observations. X. a persisté dans ses conclusions.
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
Le recourant reproche à l'autorité cantonale de recours d'avoir nié que le caractère systématique des fouilles à nu pratiquées à la prison de Champ-Dollon à l'issue de chaque visite au parloir constituait un traitement inhumain et dégradant au sens des
art. 3 CEDH
, 7 Cst. et 3 CPP.
6.1
La juridiction cantonale a considéré que les fouilles corporelles dont le recourant faisait l'objet ne franchissaient pas le seuil d'un traitement dégradant au sens de l'
art. 3 CEDH
. Ces fouilles lui étaient imposées dans un contexte particulier, en relation avec la nécessité de garantir la sécurité et la prévention d'infractions pénales. Elles intervenaient après les visites qu'il recevait, lesquelles avaient lieu en parloir permettant un contact physique, dans le but de limiter le risque d'introduction d'objets prohibés à l'intérieur de l'établissement. Bien que systématiques, elles étaient appliquées à tous les détenus, dans les mêmes circonstances, comme l'a expliqué la direction de la prison, qui mentionnait également un procédé en deux étapes, afin d'éviter que le détenu ne se trouvât entièrement dénudé devant le personnel de surveillance. Dans la mesure où le recourant n'a pas soutenu qu'elles s'étaient déroulées autrement que selon ce procédé, ni que leur but était de l'humilier ou de le rabaisser, et n'a pas allégué non plus avoir été victime de gardiens irrespectueux ou qui auraient fait preuve d'un comportement démontrant qu'ils poursuivaient une fin de cette nature, il n'était pas établi que ces mesures avaient provoqué chez lui des sentiments d'angoisse et d'infériorité de nature à l'humilier et à le rabaisser.
BGE 141 I 141 S. 144
6.2
Le recourant estime en substance que la pratique mise en place à la prison de Champ-Dollon ne reposerait pas sur une base légale suffisante, ne répondrait à aucun intérêt public et serait disproportionnée. En effet, les fouilles n'avaient jamais permis de découvrir sur lui quoi que ce soit de répréhensible et aucun soupçon qu'il aurait pu tenter d'introduire un objet ou tout autre élément interdit à l'issue d'une visite n'avait jamais été porté contre lui. Vu la manière dont elles se déroulaient (exposition du détenu entièrement nu devant le personnel surveillant, examen et fouille des parties sexuelles par un gardien), les fouilles portaient atteinte à l'essence même du droit à la dignité personnelle.
6.3
6.3.1
Au niveau conventionnel, l'
art. 3 CEDH
prévoit que nul ne peut être soumis à la torture ni à des peines ou traitements inhumains ou dégradants. Sur le plan constitutionnel, l'
art. 7 Cst.
prescrit de son côté que la dignité humaine doit être respectée et protégée. A teneur de l'
art. 10 al. 3 Cst.
, la torture et tout autre traitement ou peine cruels, inhumains ou dégradants sont interdits (voir également les art. 14 al. 1 et 18 al. 2 de la Constitution du 14 octobre 2012 de la République et canton de Genève [Cst-GE; RS 131.234]). Auniveau législatif enfin, l'
art. 3 al. 1 CPP
rappelle le principe du respect de la dignité humaine. L'
art. 234 al. 1 CPP
prévoit que la détention provisoire et pour des motifs de sûreté est exécutée, en règle générale, dans des établissements réservés à cet usage et qui ne servent qu'à l'exécution de courtes peines privatives de liberté. L'
art. 235 CPP
régit l'exécution de la détention; il pose le principe général de proportionnalité (al. 1) et précise que les cantons règlent les droits et les obligations des prévenus en détention (al. 5; sur l'exécution de la détention, voir MATTHIAS HÄRRI, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2
e
éd. 2014, n
os
1 ss ad
art. 234 et 235 CPP
).
6.3.2
S'agissant plus particulièrement de la fouille corporelle, l'
art. 85 al. 2 CP
précise que le détenu soupçonné de dissimuler des objets interdits sur lui ou à l'intérieur de son corps peut être soumis à une fouille corporelle. Celle-ci doit être exécutée par une personne du même sexe. Si elle implique un déshabillage, elle se fera en l'absence d'autres détenus. L'examen de l'intérieur du corps doit être effectué par un médecin ou un autre membre du personnel médical. D'après l'art. 46 du règlement genevois du 30 septembre 1985 sur le régime intérieur de la prison et le statut des personnes incarcérées
BGE 141 I 141 S. 145
(RRIP; rs/GE F 1 50.04), lequel fixe le régime intérieur de la prison et le statut des personnes incarcérées dans la République et canton de Genève (art. 1 al. 3 de la loi genevoise du 21 juin 1984 sur l'organisation et le personnel de la prison [LOPP; rs/GE F 1 50]), la direction de la prison peut en tout temps ordonner des fouilles corporelles et une inspection des locaux.
6.3.3
Le Comité des Ministres du Conseil de l'Europe, en application de l'art. 15 let. b du Statut du Conseil de l'Europe (RS 0.192.030), a adopté le 11 janvier 2006 la Recommandation Rec(2006)2 sur les Règles pénitentiaires européennes (RPE). Ces règles prennent notamment en compte le travail mené par le Comité européen pour la prévention de la torture et des peines ou traitements inhumains ou dégradants (CPT) ainsi que les normes qu'il a développées dans ses rapports généraux, et visent à garantir des conditions de détention qui ne portent pas atteinte à la dignité humaine. La règle 1 pose que les personnes privées de liberté doivent être traitées dans le respect des droits de l'homme, alors que la règle 3 souligne que les restrictions imposées aux personnes privées de liberté doivent être réduites au strict nécessaire et doivent être proportionnelles aux objectifs légitimes pour lesquels elles ont été imposées. La règle 54 traite plus particulièrement des fouilles et des contrôles. Ainsi, le personnel doit suivre des procédures détaillées lorsqu'il fouille des détenus (règle 54.1 let. b). Les situations dans lesquelles ces fouilles s'imposent, ainsi que leur nature, doivent être définies par le droit interne (règle 54.2). Le personnel doit être formé à mener ces fouilles en vue de détecter et de prévenir les tentatives d'évasion ou de dissimulation d'objets entrés en fraude, tout en respectant la dignité des personnes fouillées et leurs effets personnels (règle 54.3). Les personnes fouillées ne doivent pas être humiliées par le processus de fouille (règle 54.4). Les personnes peuvent uniquement être fouillées par un membre du personnel du même sexe (règle 54.5). Aucun examen des cavités corporelles ne peut être effectué par le personnel pénitentiaire (règle 54.6). Un examen intime dans le cadre d'une fouille ne peut être réalisé que par un médecin (règle 54.7).
Ces règles ont été précisées dans un Commentaire établi par le CPT (Commentaire de la Recommandation Rec(2006)2 du Comité des Ministres aux Etats membres sur les Règles pénitentiaires européennes, in Règles pénitentiaires européennes, Strasbourg 2006, p. 41 ss). Celui-ci précise ainsi que la règle 54 énonce le principe selon lequel
BGE 141 I 141 S. 146
chaque prison doit disposer d'un ensemble de procédures bien comprises décrivant en détail les situations dans lesquelles des fouilles s'imposent, les méthodes à employer et leur fréquence. Il n'est pas contesté que les détenus individuels, en particulier ceux soumis à des restrictions de sécurité moyennes ou maximales, doivent également faire l'objet de fouilles régulières en vue de s'assurer qu'ils ne portent pas d'objets pouvant servir lors de tentatives d'évasion, à blesser d'autres personnes, se blesser eux-mêmes, ou d'objets non autorisés tels que les drogues illicites. L'intensité de ces fouilles doit varier en fonction des situations. Elles ne devraient toutefois pas être employées lorsqu'elles ne présentent aucune utilité et ne devraient jamais être utilisées comme une forme de sanction. Le Commentaire précise également que les détenus ne devraient jamais avoir à se dévêtir complétement pour les besoins d'une fouille (cf. Commentaire, p. 81 s.).
Les RPE - et a fortiori leur commentaire - ont le caractère de simples directives à l'intention des Etats membres du Conseil de l'Europe. Cependant, en tant que reflet des traditions juridiques communes à ces Etats, le Tribunal fédéral en tient compte de longue date dans la concrétisation de la liberté personnelle et des autres droits fondamentaux garantis par la Cst. et par la CEDH. On parle à leur propos de "code de la détention pénitentiaire" ou de "soft law", néanmoins relativement contraignante pour les autorités (voir
ATF 140 I 125
consid. 3.2 p. 133 et les références).
6.3.4
Pour le Tribunal fédéral, même si les mesures privatives de liberté s'accompagnent inévitablement de souffrance et d'humiliation, cela n'emporte pas en soi la violation de l'
art. 3 CEDH
. Pour enfreindre cette disposition, les conditions matérielles de détention doivent atteindre un niveau d'humiliation ou d'avilissement supérieur à ce qu'emporte habituellement la privation de liberté. Cela impose ainsi à l'Etat de s'assurer que tout prisonnier est détenu dans des conditions compatibles avec le respect de la dignité humaine, que les modalités de sa détention ne le soumettent pas une détresse ou à une épreuve d'une intensité qui excède le niveau inévitable de souffrance inhérent à une telle mesure et que, eu égard aux exigences pratiques de l'emprisonnement, sa santé et son bien-être sont assurés de manière adéquate; en outre, les mesures prises dans le cadre de la détention doivent être nécessaires pour parvenir au but légitime poursuivi (
ATF 140 I 125
consid. 3.5 p. 135 et les références).
BGE 141 I 141 S. 147
En pratique, le Tribunal fédéral a principalement été saisi du contrôle abstrait de règlements cantonaux sur les prisons. Il a posé le principe selon lequel des restrictions à la liberté personnelle de la personne incarcérée sont admissibles uniquement lorsqu'elles ne violent pas le principe de la dignité humaine (
ATF 102 Ia 279
consid. 2a p. 283;
ATF 99 Ia 262
consid. 2 et 3). Il a précisé que les garanties de la CEDH relatives aux conditions de détention n'étaient pas plus étendues que celles garanties par la Constitution fédérale (
ATF 118 Ia 64
consid. 2d p. 73). Il a encore considéré que le but de la détention devait être pris en compte et souligné qu'il y avait lieu de distinguer la détention en exécution de jugement de la détention provisoire, laquelle vise à garantir un déroulement correct de l'instruction pénale et est justifiée par les besoins de l'instruction, un risque de fuite ou un danger de collusion ou de réitération (cf.
ATF 97 I 839
consid. 5 p. 844;
ATF 97 I 45
consid. 4b p. 53): les conditions de détention provisoire peuvent être plus restrictives lorsque les risques de fuite, de collusion et de récidive sont plus élevés, ou lorsque l'ordre et la sécurité dans la prison sont particulièrement mis en danger (notamment la sécurité du personnel et des détenus;
ATF 123 I 221
consid. 4c p. 228 et l'arrêt cité). Cela vaut toutefois tant que la durée de la détention provisoire est courte. En cas de détention provisoire qui se prolonge - au-delà d'environ trois mois -, les conditions de détention doivent satisfaire à des exigences plus élevées (
ATF 140 I 125
consid. 3.3 p. 133 et les références).
Le Tribunal fédéral a enfin insisté sur l'appréciation globale de toutes les conditions concrètes de détention (
ATF 123 I 221
consid. II/1c/cc p. 233). En ce qui concerne la violation de l'
art. 3 CEDH
, il a relevé qu'un traitement dénoncé doit atteindre un minimum de gravité: l'appréciation de ce minimum dépend de l'ensemble des données de la cause et notamment de la nature et du contexte du traitement ainsi que de sa durée (
ATF 139 I 272
consid. 4 p. 278). Cette durée est en effet susceptible de rendre incompatible avec la dignité humaine une situation qui ne le serait pas nécessairement sur une courte période.
6.3.5
La Cour européenne des droits de l'homme a également été amenée à statuer sur les conditions relatives aux fouilles corporelles des détenus. Elle a ainsi considéré comme parfaitement concevable qu'un individu qui se trouve obligé de se soumettre à un traitement de cette nature se sente de ce seul fait atteint dans son intimité et sa dignité, tout particulièrement lorsque cela implique qu'il se
BGE 141 I 141 S. 148
dévêtisse devant autrui, et plus encore lorsqu'il lui faut adopter des postures embarrassantes. Un tel traitement n'est pourtant pas en soi illégitime: des fouilles corporelles, même intégrales, peuvent parfois se révéler nécessaires pour assurer la sécurité dans une prison - y compris celle du détenu lui-même -, défendre l'ordre ou prévenir les infractions pénales. Il n'en reste pas moins que les fouilles corporelles doivent, en sus d'être "nécessaires" pour parvenir à l'un de ces buts, être menées selon des "modalités adéquates", de manière à ce que le degré de souffrance ou d'humiliation subi par les détenus ne dépasse pas celui que comporte inévitablement cette forme de traitement légitime. A défaut, elles enfreignent l'
art. 3 CEDH
. Il va en outre de soi que plus importante est l'intrusion dans l'intimité du détenu fouillé à corps (notamment lorsque ces modalités incluent l'obligation de se dévêtir devant autrui ou lorsque le détenu doit en sus prendre des postures embarrassantes), plus grande est la vigilance qui s'impose (arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme
Frérot contre France
du 12 juin 2007 § 38).
Prise isolément, une fouille à corps qui se déroule selon des modalités adéquates et qui est concrètement nécessaire pour assurer la sécurité dans une prison, défendre l'ordre ou prévenir des infractions pénales, n'est pas incompatible avec l'
art. 3 CEDH
; sauf spécificités tenant à la situation de la personne qui en fait l'objet, l'on ne saurait dire que, par principe, une telle fouille implique un degré de souffrance ou d'humiliation dépassant l'inévitable. Cela vaut même lorsqu'il est fait obligation au détenu de se pencher et de tousser en vue d'une inspection anale visuelle "dans les cas précis de recherches d'objet ou de substance prohibés", étant entendu qu'une telle mesure n'est admissible que si elle est absolument nécessaire au regard des circonstances particulières dans lesquelles elle s'inscrit et s'il existe des soupçons concrets et sérieux que l'intéressé dissimule de tels objet ou substance dans cette partie du corps (arrêt précité
Frérot contre France
du 12 juin 2007 § 41). A l'inverse, même isolée, une fouille corporelle peut s'analyser comme un traitement dégradant eu égard à la manière dont elle est pratiquée, aux objectifs d'humiliation et d'avilissement qu'elle peut poursuivre et à son caractère injustifié (arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme
Valasinas contre Lituanie
du 24 juillet 2001,
Recueil CourEDH 2001- VIII p. 425
§ 117). La pratique de la fouille corporelle, même selon des modalités "normales", a un effet dégradant et s'analyse en une violation de l'
art. 3 CEDH
, dès lors qu'elle a lieu chaque semaine,
BGE 141 I 141 S. 149
de manière systématique, routinière et sans justification précise tenant au comportement du requérant (arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme
Van der Ven contre Pays-Bas
du 4 février 2003,
Recueil CourEDH 2003-II p. 33
§ 62, et
Ciupercescu contre Roumanie
du 15 juin 2010 § 117).
6.4
Il convient d'examiner si ces principes ont été respectés à la prison de Champ-Dollon dans le cas particulier du recourant.
6.4.1
Dans le courrier qu'il a adressé le 4 septembre 2013 à la Présidente de la Chambre pénale d'appel et de révision, le recourant a expliqué qu'il subissait de façon systématique après chaque visite au parloir une fouille à nu. La fouille portait sur les cheveux, la cavité buccale, y compris sous la langue, les doigts, les bras, les aisselles, les pieds, le sexe et les fesses, qui étaient successivement examinés par un gardien portant des gants.
6.4.2
Dans le rapport qu'il a établi le 12 septembre 2013, le Directeur de la prison de Champ-Dollon a indiqué que les parloirs de la prison permettaient un contact physique entre les personnes incarcérées et leurs visiteurs. Afin de limiter le risque d'introduction d'objets prohibés lors de ces rencontres, tous les détenus étaient par conséquent systématiquement fouillés au terme de la visite au parloir. Il s'agissait d'une fouille complète qui était opérée en deux temps afin d'éviter que la personne fouillée ne se retrouve entièrement dénudée devant le personnel de surveillance. Le recourant avait reçu trente-huit visites depuis son incarcération.
6.4.3
La Commission nationale de prévention de la torture (CNPT) a procédé à une visite de la prison de Champ-Dollon les 19, 20 et 21 juin 2012, qui a fait l'objet d'un rapport du 12 février 2013 à l'attention du Conseil d'Etat de la République et canton de Genève. S'agissant des fouilles de sécurité, la CNPT a mis en évidence que la direction pouvait en tout temps ordonner des fouilles qui, selon ses dires, étaient pratiquées en deux temps. Cela ne correspondait toutefois pas aux informations récoltées par la délégation qui a eu connaissance de pratiques contraires aux directives.
6.5
6.5.1
Comme le relève à juste titre la juridiction cantonale, les critiques formulées par le recourant ne portent pas tant sur les modalités des fouilles que sur le caractère systématique et disproportionné de celles-ci (trente-huit fouilles en moins d'une année). En l'occurrence, la direction de la prison justifie le caractère systématique des
BGE 141 I 141 S. 150
fouilles corporelles par des considérations générales de nature sécuritaire, afin de limiter le risque d'introduction d'objets prohibés à l'intérieur de l'établissement. Ainsi que cela ressort desdites déclarations, la pratique mise en place à la prison de Champ-Dollon, si elle repose sur des motifs objectifs et répond à un intérêt public, résulte en premier lieu des contingences sécuritaires liées aux infrastructures à disposition (parloir ouvert), lesquelles imposent de procéder à une fouille systématique de l'ensemble des détenus.
6.5.2
En l'occurrence, les trente-huit fouilles corporelles effectuées entre le 21 septembre 2012 et le 12 septembre 2013 se sont toutes déroulées après que le recourant eut au préalable eu un contact physique direct avec une personne extérieure à la prison de Champ-Dollon. La jurisprudence de la Cour européenne des droits de l'homme n'a jamais remis en cause le bien-fondé de fouilles corporelles lorsque celles-ci étaient justifiées par le fait que le détenu avait pu avoir, à l'occasion d'une visite au parloir ou d'une sortie, un contact physique avec un tiers, susceptible de lui permettre de recevoir et d'introduire dans la prison des objets ou des substances potentiellement dangereux pour la sécurité du détenu ou des tiers (arrêt précité
Frérot contre France
du 12 juin 2007 § 45; voir également la décision de la Cour européenne des droits de l'homme
Schiavone contre Italie
du 13 novembre 2007, p. 8). Quand bien même les fouilles corporelles effectuées à la prison de Champ-Dollon ont lieu de façon systématique, elles sont justifiées pour chacune d'entre elles par des considérations objectives liées à la sécurité de cet établissement pénitentiaire; pour ce motif, le nombre de fouilles corporelles subies par un détenu n'a pas d'importance. En tant qu'il implique un automatisme des fouilles corporelles à la suite d'une visite au parloir, le système mis en place à la prison de Champ-Dollon ne porte donc pas atteinte aux exigences de la CEDH. On ajoutera au demeurant que le nombre de personnes incarcérées à la prison de Champ-Dollon et le nombre de visites corrélatives nécessite inévitablement l'application d'une procédure simple et standardisée, au risque sinon de rendre ingérable la gestion du droit de visite en prison. On ne saurait voir dans la procédure mise en place une forme de "routine" comparable à celle condamnée par la Cour européenne des droits de l'homme dans les affaires
Van der Ven
ou
Ciupercescu
, dès lors qu'il n'a pas été établi ni même prétendu que le recourant avait fait l'objet d'autres fouilles qui ne trouvaient aucune justification liée à des impératifs de sécurité ou tenant à son comportement.
BGE 141 I 141 S. 151
6.5.3
Le principe de la proportionnalité exige qu'une mesure restrictive, telle une fouille corporelle intégrale, soit apte à produire les résultats escomptés (règle de l'aptitude) et que ceux-ci ne puissent être atteints par une mesure moins incisive (règle de la nécessité); il interdit par ailleurs toute limitation allant au-delà du but visé et exige un rapport raisonnable entre celui-ci et les intérêts publics ou privés compromis (principe de la proportionnalité au sens étroit, impliquant une pesée des intérêts;
ATF 133 I 110
consid. 7.1 p. 123 et les références). S'il n'est pas contestable que la fouille corporelle intégrale est apte à répondre à l'objectif sécuritaire poursuivi par la direction de la prison, il n'en demeure pas moins qu'il existe d'autres moyens de surveillance ou d'investigation qui peuvent entrer en ligne de compte et ainsi permettre de concilier les droits fondamentaux des prévenus et les impératifs de sécurité, tels que l'aménagement des locaux de manière à éviter tout contact physique direct (vitres de séparation), le renforcement des procédures de contrôle des visiteurs (détecteur à rayons X; détecteur de métaux; fouille par palpation) ou l'exercice d'une surveillance directe sur le déroulement de la visite. Si l'ensemble de ces instruments peuvent de prime abord apparaître moins attentatoires à la dignité, il n'en demeure pas moins qu'ils présentent eux également des inconvénients, que cela soit sur le plan sécuritaire (efficacité moindre des contrôles) ou sur le plan des droits fondamentaux (protection de la vie privée et familiale; liberté personnelle). Compte tenu de la marge de manoeuvre laissée aux cantons dans l'organisation du système carcéral, il incombe au Tribunal fédéral de faire preuve de retenue lorsqu'il s'agit de revoir le bien-fondé de l'organisation choisie, ce d'autant que le système mis en place dans la République et canton de Genève satisfait, comme vu précédemment, aux exigences de la CEDH.
6.6
Par conséquent, la juridiction cantonale n'a pas violé le droit en considérant que la détention du recourant, en tant qu'elle concernait le régime de fouille systématique auquel celui-ci était soumis, respectait les exigences légales, constitutionnelles et conventionnelles en matière de conditions de détention. | public_law | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3f7047d8-8aa5-43cd-83a7-187a74fae722 | Urteilskopf
105 Ib 348
55. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Oktober 1979 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft und Eidg. Finanz- und Zolldepartement (EFD) gegen Schweiz. Kreditanstalt (SKA) und Schweiz. Nationalbank (SNB) sowie i.S. SKA und Texon Finanzanstalt (Texon) gegen SNB (Verwaltungsgerichtsbeschwerden) | Regeste
Verfahren. Massnahmen zum Schutz der Währung. Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Art. 97 ff. OG
.
1. Beschwerdefähige Verfügung.
Art. 97 OG
,
Art. 5 VwVG
(E. 1).
2. Legitimation der Schweiz. Eidgenossenschaft und des EFD zur Anfechtung eines Entscheids der SNB?
- Unzulässigkeit der Behördenbeschwerde nach
Art. 103 lit. b OG
. Die SNB ist nicht eine ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Organisation im Sinn von
Art. 98 lit. h OG
, sondern eine autonome eidg. Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
(Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3 u. 4).
- Legitimation der Schweiz. Eidgenossenschaft nach
Art. 103 lit. a OG
? Im konkreten Fall verneint (E. 5).
3. Beschwerdelegitimation der SKA und der Texon (E. 6 u. 7). Aktuelles Rechtsschutzinteresse der Texon (
Art. 103 lit. a OG
)? Frage offen gelassen (E. 7).
4. Reformatio in peius (
Art. 114 Abs. 1 OG
). Voraussetzungen (E. 18).
Erhebung einer Kommission (Negativzins) auf dem Zufluss ausländischer Gelder. Dringl. BB über den Schutz der Währung vom 8. Oktober 1971. Verordnung des Bundesrats über Massnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder vom 20. November 1974/22. Januar 1975 (Schutzverordnung). Erläuterungen und Weisungen der SNB vom 26. November 1974/24. Januar 1975 zur Schutzverordnung ("Erläuterungen").
1. Sachliche und örtliche Zuständigkeit der SNB zur Erhebung der Kommission (E. 8-10).
- Begriff der ausländischen Gelder nach Art. 2 Abs. 1 Schutzverordnung (E. 9b u. c).
- Anwendung der Schutzverordnung auf Firmen, die dem BankG unterstehen (Art. 1 Schutzverordnung). Begriff der öffentlichen Empfehlung zur Annahme fremder Gelder gemäss
Art. 1 BankG
,
Art. 3 Abs. 1 BankV
. Anwendung der Schutzverordnung auf die SKA sowie die Texon bejaht (E. 9a u. 10a-c).
- Verhältnis zu den Vorschriften des liechtensteinischen Rechts betreffend den Schutz der Währung (E. 10e).
2. Verfassungs- und Gesetzmässigkeit der Schutzverordnung (E. 11).
3. Zulässigkeit und Umfang der nachträglichen Belastung mit der Kommission (E. 12-14).
4. Begriff des Zuflusses ausländischer Gelder gemäss Art. 5 Schutzverordnung (E. 15-17).
- Rechtsnatur der "Erläuterungen" (E. 16a).
- Die Umschreibung des Zuflusses in Ziff. 11 der "Erläuterungen" überschreitet die der SNB im BB und der Schutzverordnung eingeräumte Vollzugskompetenz (E. 16b-d u. 17). | Sachverhalt
ab Seite 351
BGE 105 Ib 348 S. 351
Gegen Ende März 1977 deckte die Generaldirektion der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich (SKA) Unregelmässigkeiten des Hauptdirektors und seines Stellvertreters ihrer Filiale in Chiasso auf. An einer ausserordentlichen Generalversammlung vom 24. Juli 1977 gab der Präsident des Verwaltungsrats bekannt, dass die Filiale Chiasso bedeutende Geldbeträge, die ihr von Kunden zur treuhänderischen Anlage anvertraut worden waren, an die von Partnern des Anwaltsbüros MASPOLI/NOSEDA/PEDRAZZINI verwaltete Texon-Finanzanstalt in Vaduz (Texon) weitergeleitet hatte. Die der Texon über die SKA zugeleiteten Gelder beliefen sich bis zum 31. März 1977 auf rund 2,263 Milliarden Franken. Von den Kundengeldern gehörten rund 90% Ausländern, der Rest Inländern. Die Texon hatte den ausländischen Kunden für ihre Einzahlungen in Fremdwährungen zu etwa 90% Schweizerfrankenkonti eröffnet, die verhältnismässig hoch verzinst wurden. Nach Angaben, die später leicht korrigiert werden mussten, wurden insgesamt für Ausländer 1316 Konti auf Schweizerfranken geführt; davon verzeichneten seit dem 31. Oktober 1974 716 einen Zuwachs. In zahlreichen Fällen besitzt der Kontoinhaber ein vom Filialhauptdirektor und seinem Stellvertreter rechtsgültig im Namen der SKA unterzeichnetes Schreiben, das eine Bürgschafts- oder Garantieerklärung der SKA enthält. Diese Garantieerklärungen beliefen sich zuletzt, d.h. im März 1977 auf annähernd 1,2 Milliarden Franken. Nach der internen Zuständigkeitsordnung der SKA waren der Filialhauptdirektor und sein Stellvertreter nicht ermächtigt, solche Erklärungen abzugeben, oder höchstens bis zu einem verhältnismässig niedrigen Betrag (12 Millionen). Nach Entdeckung der Machenschaften des Filialhauptdirektors und aufgrund der abgegebenen Garantieerklärungen hat die SKA die Schulden der Texon gegenüber den Anlegern übernommen und sich die Aktiven der Texon zunächst verpfänden und später abtreten lassen. Die in Art. 5 der Verordnung über Massnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder vom 20. November 1974 (AS 1974, 1822; nachfolgend abgekürzt: Schutzverordnung) bzw. der Änderung der Schutzverordnung vom 22. Januar 1975 (AS 1975, 105) vorgeschriebene Kommission (sog. Negativzins) von zuerst 3%, später 10% auf den seit dem 31. Oktober 1974 zugeflossenen Geldern waren den ausländischen Geldgebern weder von der SKA noch von der Texon belastet worden. Über die
BGE 105 Ib 348 S. 352
Frage der Kommissionspflicht und des Umfangs der Kommissionsbelastung fanden in der Folge verschiedene Besprechungen zwischen der Leitung der SKA und der Schweizerischen Nationalbank (SNB) statt. Eine Vereinbarung kam indessen nicht zustande.
Am 27. Februar 1978 verfügte die SNB, die SKA habe die ausländischen Gläubiger der Texon, bzw. nun der SKA selbst, auf jedem Zuwachs ihrer Schweizerfrankenguthaben seit 31. Oktober 1974 gemäss den Erläuterungen und Weisungen der SNB vom 26. November 1974/24. Januar 1975 mit der Kommission zu belasten. Ein und derselbe Kontozuwachs sei jedoch nicht mit mehr als 10% zu belasten. Der Kommissionsbetrag von insgesamt Fr. 81'696'159.35 sei der SNB innert 10 Tagen nach Rechtskraft dieser Verfügung einzuzahlen. Bereits am 28. Februar 1978 teilte die SKA bzw. die Texon den Gläubigern, die nach der Verfügung der SNB mit Negativzinsen zu belasten waren, den Betrag der sie betreffenden Negativzinsen provisorisch mit. Aus der Begründung der Verfügung: die SNB nahm an, die Voraussetzungen für die Belastung mit der Kommission seine sowohl bei der Texon als auch bei der SKA erfüllt gewesen. Hinsichtlich des Ausmasses der nachzufordernden Kommissionen ging sie von der Überlegung aus, dass bei wörtlicher Auslegung des Art. 5 Schutzverordnung die Neuzuflüsse seit dem 31. Oktober 1974 zunächst mit 3% und ab 27. Januar 1975 mit 10% je Quartal, also für einen Neuzufluss zu Beginn des ersten Quartals 1975 mit insgesamt 90% zu belasten seien (Gesamtbetrag: 293,1 Millionen Franken). Mit Rücksicht auf den Zweck und die rechtliche Natur der Kommission sei indessen die einmalige Belastung des Kontozuwachses mit 10% die verfassungskonforme und angemessene Massnahme. Im übrigen sei ein vor dem 26. Januar 1975 eingetretener Zuwachs nur mit 3% zu belasten.
In der Folge führten die SKA und die Texon sowie das Eidg. Finanz- und Zolldepartement (nun: Eidg. Finanzdepartement, EFD) gegen die Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Ausserdem fochten zahlreiche Gläubiger der Texon bzw. der SKA die Verfügung der SNB mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Das vorliegende Verfahren beschränkt sich auf die Beurteilung der Beschwerde der SKA und der Texon sowie der Beschwerde der Eidgenossenschaft und des EFD.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 23. März 1978 beantragen
BGE 105 Ib 348 S. 353
das EFD und die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Verfügung der SNB sei insoweit aufzuheben, als sie die Belastung des einzelnen Kontozuwachses auf ein einziges Mal und höchstens 10% beschränke und dementsprechend auf Fr. 81'696'159.35 festgesetzt habe. Die Sache sei zur Neuentscheidung im Sinne der Erwägungen (im Rahmen von 293,1 Millionen Franken) an die SNB zurückzuweisen.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 12. April 1978 beantragen die SKA und die Texon:
1. die Verfügung der SNB vom 27. Februar 1978 sei aufzuheben;
2. es sei festzustellen, dass die SKA und die Texon die Kommissionen im Sinne der genannten Verfügung nicht schulden;
3. eventuell seien den ausländischen Gläubigern die zu belastenden Kommissionsbeträge festzusetzen, jedoch seien:
a) Kontoüberträge nicht als Zufluss ausländischer Gelder zu behandeln;
b) der Kommissionsbetrag um die objektiv nicht überwälzbaren Kommissionen zu kürzen.
4. in allen Fällen sei (ausser im Fall der Gutheissung der Beschwerde zufolge Unzuständigkeit der SNB), festzustellen dass die SNB örtlich und sachlich zum Erlass einer Verfügung über die Kommissionen zuständig sei.
5. den Beschwerdeführerinnen sei Gelegenheit zu geben, zu der Beschwerde des EFD gegen die Verfügung der SNB Stellung zu nehmen.
Die Beschwerdeführerinnen halten dafür, die Kommission könne angesichts des besonderen Sachverhalts überhaupt nicht gefordert werden. Falls das Bundesgericht indessen dieser Auffassung nicht folge, müsse auf jeden Fall die Berechnung der Kommission überprüft werden. Ein erheblicher Teil der eingeforderten Kommissionen gehe auf rein formelle Kontoüberträge zurück, ungefähr 41,8 Millionen Franken. Zumindest sei die Kommissionsbelastung für nicht mehr überwälzbare Kommissionen aufzuheben.
Die SNB stellt in der Vernehmlassung den Antrag, es sei festzustellen, dass sie örtlich und sachlich zum Erlass ihrer Verfügung vom 27. Februar 1978 zuständig gewesen sei. Hinsichtlich der Beschwerde des EFD beantragt sie, es sei mangels Beschwerdelegitimation nicht darauf einzutreten, eventuell sei
BGE 105 Ib 348 S. 354
die Beschwerde abzuweisen. Die Beschwerden der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der SKA sowie der Texon seien vollumfänglich abzuweisen. Das EFD beantragt, die Beschwerde der SKA und der Texon seien abzuweisen. Die SKA und die Texon beantragen, es sei auf die Beschwerde der Schweizerischen Eidgenossenschaft und des EFD nicht einzutreten, eventuell sei die Beschwerde abzuweisen. Es wurde ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt, in welchem die Beteiligten an ihren Anträgen festhielten.
In gewissen Fällen reduzierte die SNB nachträglich gestützt auf weitere Erhebungen den Kommissionsbetrag z.B. weil sich zeigte, dass ein Belasteter als Inländer zu behandeln war. Mit Verfügung vom 14. Dezember 1978 reduzierte sie den Gesamtbetrag der geschuldeten Kommissionen auf Fr. 80'195'396.15.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Das Bundesgericht beurteilt letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
(
Art. 97 Abs. 1 OG
). Die Anordnung der SNB, wonach die SKA und die Texon auf jedem Zuwachs der Schweizerfrankenguthaben ihrer ausländischen Gläubiger seit dem 31. Oktober 1974 mit der Kommission, begrenzt auf 10%, zu belasten sind, ist eine Verfügung im Sinn von
Art. 5 VwVG
, da sie Rechte und Pflichten der SKA bzw. der Texon begründet.
b) Nach
Art. 98 lit. d OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen letzter Instanzen autonomer eidgenössischer Anstalten oder Betriebe, soweit nicht das Bundesrecht die vorgängige Beschwerde oder Klage an eine Instanz im Sinn von Art. 98 lit. b, c oder g vorsieht.
Art. 98 lit. h OG
lässt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu gegen Verfügungen anderer Instanzen oder Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit sie in Erfüllung ihnen übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen und soweit das Bundesrecht unmittelbar gegen diese Verfügungen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht.
Die SNB ist entweder eine autonome eidgenössische Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
oder dann eine andere Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung gemäss
Art. 98 lit. h OG
. Art. 9 Abs. 2 Schutzverordnung sieht vor, dass gegen
BGE 105 Ib 348 S. 355
Verfügungen, die die SNB zur Durchführung der Schutzverordnung trifft, unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegeben ist. Ausschlussgründe im Sinn von
Art. 99-102 OG
bestehen nicht. Es liegt daher auf jeden Fall ein mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbarer Entscheid vor, ohne dass hierfür bereits geprüft werden muss, ob die SNB eine autonome eidg. Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
oder eine andere Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung gemäss
Art. 98 lit. h OG
darstellt.
2.
Auf die Beschwerden kann nur eingetreten werden, wenn sie von einer beschwerdeberechtigten Partei gemäss
Art. 103 OG
erhoben worden sind. Es ist vorab zu prüfen, ob das EFD bzw. die Eidgenossenschaft zur Beschwerde legitimiert sind.
Eine besondere bundesrechtliche Bestimmung, aufgrund der das EFD oder die Eidgenossenschaft hier speziell zur Beschwerde ermächtigt wären (
Art. 103 lit. c OG
), besteht nicht. Es bleibt somit zu prüfen, ob sich die Legitimation auf
Art. 103 lit. b OG
, allenfalls auf
Art. 103 lit. a OG
stützen lässt.
3.
a) Nach
Art. 103 lit. b OG
ist das in der Sache zuständige Departement zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt "gegen die Verfügung einer eidgenössischen Rekurskommission, einer eidgenössischen Schiedskommission, einer letzten kantonalen Instanz oder einer Vorinstanz im Sinne von
Art. 98 lit. h OG
". Hingegen ist die Beschwerdelegitimation nicht gegeben gegenüber Verfügungen einer "autonomen eidgenössischen Anstalt" im Sinne von
Art. 98 lit. d OG
. Für die Legitimation des EFD nach
Art. 103 lit. b OG
ist daher entscheidend, ob die SNB als autonome Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
oder als "andere Organisation" gemäss
Art. 98 lit. h OG
zu betrachten ist.
b) Eidgenossenschaft und EFZD möchten bereits aus dem Umstand, dass ihnen die Beschwerden der SKA und der einzelnen Texongläubiger zur Vernehmlassung im Sinn von
Art. 110 OG
zugestellt wurden, ableiten, das Bundesgericht habe damit die SNB als Vorinstanz im Sinn von
Art. 103 lit. b OG
bzw.
Art. 98 lit. h OG
anerkannt. Eine solche Bedeutung kommt jener Zustellung indessen keineswegs zu. Bei den Anordnungen zur Durchführung des Schriftenwechsels gemäss
Art. 110 OG
handelt es sich bloss um prozessleitende Verfügungen, die der Präsident der Abteilung, in Ausnahmefällen
BGE 105 Ib 348 S. 356
der Instruktionsrichter trifft. Sie ergehen aufgrund einer vorläufigen Beurteilung der Rechtslage und können deshalb das urteilende Gericht nicht binden.
c) In der bisherigen Rechtsprechung wurde die SNB als autonome Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
betrachtet (
BGE 101 Ib 338
). Zwar war im zitierten Entscheid nicht eine Beschwerde einer Behörde, sondern eine solche eines Privaten zu beurteilen. Indes war die Frage für die Zuständigkeit des Bundesgerichts auch dort entscheidend. Denn der damals betroffene BB vom 20. Dezember 1972 über Massnahmen auf dem Gebiete des Kreditwesens (AS 1972, 3068) verwies lediglich auf die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege und sah nicht unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor (Art. 9 Abs. 3 BB). Falls die SNB als eine Organisation ausserhalb der Bundesverwaltung im Sinn von Art. 98 lit. h. OG aufgefasst worden wäre, hätte das Bundesgericht deshalb auf die Beschwerde nicht eintreten können. Es fragt sich immerhin, ob Anlass besteht, von jener Rechtsprechung abzugehen.
4.
a) Bei den Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung gemäss
Art. 98 lit. h OG
dachte der Gesetzgeber offenbar an wirtschaftliche Selbstverwaltungskörperschaften, die in erster Linie eigene Interessen wahren, daneben aber auch Bundesaufgaben erfüllen und gegen deren Entscheide der Beschwerdeweg normalerweise über ein Departement des Bundes geht (Botschaft über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde vom 24. September 1965, BBl 1965 II, S. 1304 f.). Als Beispiel werden in der bundesrätlichen Botschaft die Organisationen der Milchwirtschaft genannt; für diese bildet, soweit sie im Rahmen der ihnen übertragenen öffentlichen Aufgaben verfügen, in der Regel das Bundesamt für Landwirtschaft die erste Beschwerdeinstanz (BBl 1965 II, S. 1304), wie dies etwa für die Schweizerische Käseunion AG zutrifft (
BGE 101 Ib 308
E. 1). Mit der Einfügung des
Art. 98 lit. h OG
sollte die Möglichkeit offen gehalten werden, gegenüber Verfügungen jener Organisationen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unmittelbar zuzulassen, wenn es aus verfahrensrechtlichen Gründen geboten schien, den Umweg über ein Departement der Bundesverwaltung auszulassen (Botschaft a.a.O., S. 1305).
b) Was unter einer autonomen eidgenössischen Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
zu verstehen ist, hat das Bundesgericht in
BGE 98 Ib 67
näher ausgeführt: Danach erfüllt eine
BGE 105 Ib 348 S. 357
solche Anstalt eine öffentliche Aufgabe für ein Gemeinwesen (Staat oder andere öffentliche Körperschaft), das als Träger oder als Muttergemeinwesen bezeichnet wird. Sie hängt vom Träger ab, ohne seiner hierarchisch gegliederten Zentralverwaltung anzugehören. Sie wird vom Muttergemeinwesen gegründet oder aufgelöst; dieses widmet sie einem bestimmten Zweck, legt ihre Organisation in den Grundzügen fest und ernennt ihre obersten Organe; es trägt die Anstalt auch in finanzieller Beziehung, zumindest durch eine Defizitgarantie. Die autonome öffentliche Anstalt ist in den vom Muttergemeinwesen gezogenen Schranken administrativ selbständig.
c) Die SNB ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft des Bundesrechts (SCHÜRMANN, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 272). Im übrigen ist ihre Rechtsnatur umstritten und wurde auch durch die Teilrevision des BG über die SNB vom 23. Dezember 1953 (NBG) vom 15. Dezember 1978, welche am 1. August 1979 in Kraft getreten ist (AS 1979, 983), nicht weiter geklärt (NOBEL, Praxis zum öffentlichen und privaten Bankenrecht der Schweiz, S. 47 f.). Sie wird als öffentlich-rechtliche Anstalt, aber auch als Körperschaft oder als juristische Person sui generis betrachtet (vgl. NOBEL a.a.O., S. 48; SCHMID, Die Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank und ihre rechtliche Sicherung, Diss. Freiburg 1979, S. 99; KLEINER, Die Gesetzgebung über das Bankwesen in Bund und Kantonen, S. 107 f.). Der Bundesrat bezeichnete sie verschiedentlich als "selbständige und unpolitische Anstalt" (Botschaft betreffend die Revision des NBG vom 24. Juni 1968, BBl 1968 II, S. 305; Botschaft über die Revision des NBG vom 27. Februar 1978, BBl 1978 I, S. 835; vgl. auch das Gutachten der Eidg. Justizabteilung vom 23. März 1978, VPB 42/1978 Nr. 133).
Wie es sich im einzelnen damit verhält, kann hier dahingestellt bleiben. Im Rahmen der rechtlichen Qualifikation und ihres Aufgabenbereichs weist die SNB jedenfalls zahlreiche Merkmale auf, die einer autonomen Anstalt im Sinn von
Art. 98 lit. d OG
zukommen: Sie hat einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen, der durch
Art. 39 BV
umschrieben wird. Sie ist durch Gesetz (NBG) geschaffen worden. Die Verfassung schreibt vor, dass sie unter Aufsicht und Mitwirkung des Bundes verwaltet wird; das ist im NBG näher ausgeführt, welches die Organisation der SNB in den Grundzügen festlegt. Das Direktorium als oberste Verwaltungsbehörde der SNB wird
BGE 105 Ib 348 S. 358
durch den Bundesrat ernannt, der auch den grössten Teil der Bankräte wählt (Art. 52, 53;
Art. 40-42 NBG
). Daneben geniesst die SNB weitgehend einen autonomen Status; sie gehört nicht der hierarchisch gegliederten Zentralverwaltung an. Es fehlt auch eine ausdrückliche Defizitgarantie des Bundes. Auch kann die SNB bei Nichterneuerung des Notenprivilegs selber entscheiden, ob sie weiter bestehen oder sich auflösen will (
Art. 38 Ziff. 6;
Art. 66 NBG
). Zusammenfassend lässt sich gleichwohl festhalten, dass ihre Hauptaufgabe in der Besorgung eines Ausschnitts der Staatsverwaltung besteht, für die sie vom Verwaltungsapparat des Bundes unabhängig ausgestaltet worden ist (vgl. auch SCHMID, a.a.O., S. 100 u. 102).
Angesichts ihres Status und ihrer gewichtigen Aufgaben schiene es nicht angängig, die SNB einfach als Instanz ausserhalb der Bundesverwaltung zu betrachten, gegen die im Sinn des
Art. 98 lit. h OG
ohne spezielle Bestimmung zuerst beim EFD Beschwerde geführt werden müsste. Ausserdem wahrt die SNB nicht in erster Linie, wie die in
Art. 98 lit. h OG
angesprochenen Organisationen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, eigene private Interessen, sondern stellt eine Institution primär zur Wahrnehmung öffentlicher Interessen dar.
d) In Würdigung aller Umstände besteht daher kein Anlass, von der in
BGE 101 Ib 338
eingeleiteten Rechtsprechung abzuweichen. Die Änderung des NBG vom 15. Dezember 1978 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Zwar wird nun in Art. 68a Abs. 1 ausdrücklich vorgesehen, dass gegen Verfügungen der SNB wie der hier angefochtenen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig sei. Es besteht aber kein Zweifel, dass es sich dabei bloss um eine deklamatorische Bestimmung handelt und dass diese Beschwerdemöglichkeit an sich bereits aufgrund der allgemeinen Bestimmungen der Bundesverwaltungsrechtspflege gestützt auf
Art. 98 lit. d OG
gegeben wäre (vgl. den Hinweis auf
Art. 98 lit. d OG
in der Botschaft zur Revision des NBG vom 27. Februar 1978, BBl 1978 I, S. 837 sowie die entsprechende Erklärung des Berichterstatters Egli anlässlich der Beratung der Bestimmung im Ständerat, Amtl. Bull. Ständerat 1978, S. 595).
Aus dem Gesagten folgt somit, dass das EFD die Verfügung nicht gestützt auf
Art. 103 lit. b OG
anfechten kann.
5.
a) Es bleibt zu prüfen, ob sich die Legitimation des Bundes aus
Art. 103 lit. a OG
ableiten lässt. Die Beschwerdebefugnis
BGE 105 Ib 348 S. 359
gemäss
Art. 103 lit. a OG
ist grundsätzlich auf Privatpersonen zugeschnitten (
BGE 100 Ia 281
;
BGE 98 Ib 69
;
BGE 97 I 606
f.). Die Gemeinwesen oder ihre Behörden können sich deshalb an sich nicht darauf berufen. Das Bundesgericht hat indessen den Fall ausgenommen, wo diese sich in der gleichen oder einer ähnlichen Lage wie Private befinden. Demnach kann eine Gemeinde Beschwerde gegen Eingriffe in ihr Finanz- oder ihr Verwaltungsvermögen erheben, insbesondere gegen eine Verfügung, die ihr eine Enteignungsentschädigung auferlegt (
BGE 103 Ib 216
). In einzelnen Urteilen hat es die Beschwerdebefugnis der Gemeinwesen und ihrer Behörden sogar etwas erweitert. So hat es der kantonalen Wehrsteuerverwaltung gestützt auf
Art. 103 lit. a OG
das Recht zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der kantonalen Rekurskommission zuerkannt (
BGE 98 Ib 278
f.). Ferner hat es entschieden, dass eine Gemeinde Beschwerde führen könne, um ein Grundwasservorkommen, das sie für eine Wasserversorgung zu nutzen gedenkt, schützen zu lassen (
BGE 98 Ib 16
). Für die Bejahung der Beschwerdebefugnis bedarf es aber auf jeden Fall besonderer und anderer Interessen als des allgemeinen öffentlichen Interesses an der richtigen Durchsetzung und einheitlichen Anwendung des Bundesrechts, welchem die Behördenbeschwerde gemäss
Art. 103 lit. b OG
dient (
BGE 101 Ib 191
E. 1a;
BGE 100 Ia 281
;
BGE 99 Ib 214
). Andernfalls verlöre auch die systematische Gliederung des
Art. 103 OG
ihren Sinn (
BGE 97 I 607
E. 2a).
b) Gemäss Art. 6 Abs. 1 Schutzverordnung sind die belasteten Kommissionen der SNB abzuliefern, wobei der Bundesrat über deren Verwendung entscheidet. Mit Beschluss vom 8. Dezember 1975 hat der Bundesrat die Kommissionen zur Äufnung der Rückstellungen für Kursverluste der Exportrisikogarantie bestimmt (vgl. BBl 1976 II, S. 574). Die abgelieferten Kommissionen gehören insofern zum Finanzvermögen des Bundes. Dieser Umstand ist indessen bloss eine Nebenwirkung der in Frage stehenden Währungsschutzmassnahme. Die Kommission ist primär ein wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument, das die Nachfrage nach Schweizerfranken eindämmen und diejenige nach Devisen stärken soll (vgl. Bericht des Bundesrates über Massnahmen zum Schutz der Währung vom 23. April 1975, BBl 1975 I, S. 1601 ff.). Dass dem Bund aus der Handhabung dieses Instruments gewisse Einnahmen anfallen,
BGE 105 Ib 348 S. 360
ist hingegen sekundär. Das Motiv der Einnahmebeschaffung hat laut SNB beim Erlass der Massnahme und bei ihrem späteren Einsatz keine Rolle gespielt, was durch die einschlägigen Ausführungen des Bundesrats und die parlamentarischen Beratungen bei der Einführung der Massnahme bestätigt wird (vgl. insbesondere Botschaft über den Schutz der Währung vom 8. September 1971, BBl 1971 II 843; Bundesrat Celio im Ständerat, Amtl. Bull. Ständerat 1971, S. 569; die Berichterstatter Weber und Debétaz im Nationalrat, Amtl. Bull. Nationalrat 1971, S. 1039 u. 1041, ferner die Nationalräte Blatti und Deonna a.a.O., S. 1044 und 1049). Ausserdem wurde der Zweck, dem der Negativzins dienen sollte, am besten erreicht, wenn in möglichst wenigen Fällen die Voraussetzungen für die Erhebung der Kommission gegeben waren. Es geht daher nicht an, das vom Bund angerufene fiskalische Interesse als so intensiv anzusehen, dass es als selbständiges Interesse prozessualen Rechtsschutz verdiente (vgl. dazu I. SCHWANDER, Zur Beschwerdebefugnis in den Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsverfahren, ZBl 79/1978, S. 482 f.). Die Bejahung eines solchen Interesses hätte im übrigen auch schwer absehbare Folgen, da die Entscheide autonomer eidgenössischer Anstalten im Sinne von
Art. 98 lit. d OG
häufig Auswirkungen auf die Vermögenslage des Bundes haben.
c) Der Fall lässt sich auch nicht gleichsetzen mit der Anerkennung der Legitimation der kantonalen Wehrsteuerverwaltung gegen Entscheide der kantonalen Rekurskommission. In jenem Fall bestand eine besondere Situation insofern, als die kantonale Wehrsteuerverwaltung vor der Revision des OG von 1968 legitimiert war, und daher schwerlich angenommen werden konnte, dass die neue Regelung, die grundsätzlich die Beschwerdebefugnis erweiterte, diesbezüglich im Vergleich zur früheren Ordnung eine Einschränkung gebracht hatte (
BGE 98 Ib 278
f.).
d) Es bleibt für die Beschwerdebefugnis der Eidgenossenschaft das Interesse, das es mit der Einführung des Negativzinses zu wahren gilt, d.h. das Interesse an einer gesunden Währung. Der Eidgenossenschaft geht es denn auch in Wirklichkeit um die richtige Anwendung des BB über den Schutz der Währung und seiner Ausführungsvorschriften. Das EFD führt in der Replik selber aus, es handle sich dabei nicht darum, dem Bund Einnahmen zu verschaffen, sondern um den richtigen
BGE 105 Ib 348 S. 361
Vollzug des Bundesrechts. Das schliesst es aber aus, die Beschwerdebefugnis gestützt auf
Art. 103 lit. a OG
zu bejahen. Es handelt sich hier um einen ausgesprochen hoheitlichen Streit, wofür
Art. 103 lit. a OG
nicht geschaffen ist.
e) Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerdebefugnis der Eidgenossenschaft gestützt auf
Art. 103 lit. a OG
ebenfalls nicht bejaht werden kann. Auf die Beschwerde des EFD und der Eidgenossenschaft kann deshalb nicht eingetreten werden.
6.
Die SKA ist ohne weiteres legitimiert Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen. Sie ist durch die Verfügung der SNB berührt und hat zweifellos ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Aufhebung, so dass die Voraussetzungen nach
Art. 103 lit. a OG
gegeben sind.
7.
a) In der angefochtenen Verfügung wird die Texon zumindest teilweise als primär abgabepflichtig betrachtet. Insofern ist die Texon durch den angefochtenen Entscheid berührt. Sie ist als selbständige Anstalt des liechtensteinischen Gesetzes über das Personen- und Gesellschaftsrecht (PRG) vom 20. Januar 1926 (Art. 534 ff.) im liechtensteinischen Öffentlichkeitsregister eingetragen und hat damit nach liechtensteinischem Recht die Rechtspersönlichkeit erlangt. Ob sie indessen auch von der Schweiz als juristische Person anzuerkennen ist, braucht in diesem Zusammenhang nicht abgeklärt zu werden. Im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens genügt es festzuhalten, dass sie eine Unternehmung ist, die durch die Verfügung der SNB betroffen wurde, und dass die massgeblich hinter ihr stehenden bzw. an der Geschäftsleitung und Verwaltung der Unternehmung beteiligten Personen die Beschwerde erhoben haben.
b) Es fragt sich indessen, ob sie im Sinn von
Art. 103 lit. a OG
noch ein aktuelles Rechtsschutzinteresse hat, nachdem die SKA ihre Schulden gegenüber den Anlegern übernommen hat und sie über keine freien Aktiven mehr verfügt.
Das genaue Verhältnis zwischen der SKA und der Texon ist nicht bekannt. Es ist denkbar, dass sich daraus noch ein aktuelles Interesse ergeben kann. Wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, da die Frage, ob die Texon auch noch selber zur Beschwerde legitimiert ist, auf das vorliegende Verfahren keine Auswirkungen hat. Sie reichte keine separate Beschwerdeschrift ein; vielmehr gilt diejenige der SKA auch für sie. Materiell werden daher ihre Begehren bei der Beurteilung
BGE 105 Ib 348 S. 362
der Beschwerde der SKA auf jeden Fall behandelt. Neben der SKA könnte ihr bei Gutheissung der Beschwerde auch nicht separat noch eine Parteientschädigung zugesprochen werden, da nicht nachgewiesen ist, dass ihr zusätzlich zum Aufwand des SKA für die Beschwerdeführung noch besondere Auslagen entstanden sind. Die Parteientschädigung umfasst bloss den Ersatz der notwendigen Kosten (
Art. 159 Abs. 2 OG
; Art. 1 Abs. 2 des Tarifs über die Entschädigung an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Bundesgericht vom 9. November 1978 [AS 1978, 1956]).
Soweit die Beschwerde von der Texon erhoben wird, kann daher offen bleiben, ob darauf einzutreten ist oder nicht.
8.
Die SKA beantragt in erster Linie Aufhebung der Verfügung der SNB (Rechtsbegehren Ziff. 1). Im Rahmen dieses Begehrens hat das Bundesgericht auch zu beurteilen, ob die Kommissionen von ihr und der Texon geschuldet werden und sie damit die ausländischen Gläubiger zu belasten haben. Ebenso hat es dabei zu prüfen, ob die SNB örtlich und sachlich zum Erlass der angefochtenen Verfügung zuständig war. Soweit in dieser Beziehung noch selbständige Feststellungsbegehren gestellt werden (Ziff. 2 und 4) kann daher darauf mangels aktuellen Interesses nicht eingetreten werden (
BGE 100 Ib 108
E. 3;
BGE 99 Ib 166
). Ferner ist das weitere Begehren, es sei der SKA Gelegenheit zu geben, zu der Beschwerde des EFD gegen die Verfügung der SNB Stellung zu nehmen, gegenstandslos geworden, weil sie im Beschwerdeverfahren, das das EFD ausgelöst hat, zur Beschwerde des EFD Stellung nehmen konnte.
9.
a) Gemäss Art. 1 Schutzverordnung finden die Bestimmungen der Schutzverordnung Anwendung auf Firmen, die dem Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (BankG) unterstehen. Die SKA ist eine Bank im Sinn der Schutzverordnung. Da die Vorfälle, die Anlass zur nachherigen Belastung mit der Kommission gegeben haben, sich zudem im Bereich ihrer Filiale in Chiasso abspielten, ist die örtliche Zuständigkeit der SNB gegenüber der SKA gegeben.
b) Als ausländische Gelder im Sinn der Schutzverordnung gelten gemäss Art. 2 Abs. 1 Schutzverordnung auch Guthaben, die den Banken zu treuhänderischen Anlage bei Dritten anvertraut worden sind. Die SKA geht selber davon aus, die Gelder, die von ihren Organen in Chiasso entgegengenommen und
BGE 105 Ib 348 S. 363
dann bei der Texon angelegt wurden, hätten Treuhandgeschäfte der SKA betroffen. So wird in der Beschwerde ausgeführt, es sei die Filiale in Chiasso gewesen, die als "Entgegennehmer" der ausländischen Gelder zu betrachten sei. Der Vorgang bei der Entgegennahme der Gelder und ihrer Weitergabe an die Texon lässt sich so erklären, dass die Organe der SKA die Gelder namens der SKA zwar entgegengenommen haben, aber mit dem Vermerk, dass sie dann zwecks Erzielung einer grösseren Rendite bei der Texon angelegt würden. Gewisse Gläubiger behaupten übrigens, sie hätten von der Weiterleitung ihrer Gelder an die Texon nichts gewusst, sondern seien der Meinung gewesen, sie hätten ihre Gelder bei der SKA angelegt. Das Vorgehen der Organe der SKA lässt somit darauf schliessen, dass eigentliche Treuhandanlagen bei der SKA getätigt werden sollten. Da dabei das Risiko auf Seiten des Anlegers lag, wurden allfällige Bedenken der Geldgeber durch die Garantieerklärungen der SKA behoben. Am Treuhandcharakter der Transaktionen ändert es natürlich nichts, dass diese entgegen der Weisung in der Wegleitung zu den Bilanzierungsvorschriften der Art. 23-25 der Verordnung zum Bank G vom 17. Mai 1972 (BankV; SR 952.02; Anhang II zur Verordnung, C, Allgemeine Weisungen) nicht verbucht wurden, da es die Absicht der Organe der SKA war, die Geschäfte mit der Texon der Kontrolle zu entziehen. So wurden ja auch die Garantieleistungen nicht, wie es Art. 24 der erwähnten Verordnung vorschreibt, besonders ausgewiesen. Ebenfalls ändert daran nichts, dass ab 24. Januar 1975 neue Treuhandanlagen verboten waren und bestehende aufgelöst werden mussten.
c) Soweit es sich bei den Geldanlagen um solche Treuhandgeschäfte handelte, war demnach die SKA verpflichtet, den Kunden der Texon die Kommission zu belasten, und es braucht hiefür nicht geprüft zu werden, ob die Schutzverordnung auch unmittelbar auf die Texon anwendbar war. Einige Gläubiger stellen sich indessen auf den Standpunkt, sie seien direkt mit der Texon in Kontakt gewesen. Da immerhin die Ansicht vertreten werden kann, zumindest bei einem Teil von ihnen seien unter Vermittlung der SKA Direktanlagen der Texon-Gläubiger bei der Texon getätigt worden, muss gleichwohl geprüft werden, ob die örtliche und sachliche Zuständigkeit der SNB für die Auferlegung der Kommission auch gegenüber der Texon gegeben war. Immerhin lässt sich festhalten,
BGE 105 Ib 348 S. 364
dass wohl der überwiegende Teil der Anlagen als Treuhandgeschäfte im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Schutzverordnung angesehen werden kann.
10.
a) Mit Rücksicht auf die erwähnten Fälle ist demnach zu prüfen, ob die Schutzverordnung auch auf die Texon unmittelbar anwendbar ist, mithin ob sie eine Firma ist, die dem BankG untersteht. Gemäss
Art. 1 BankG
unterstehen diesem neben den eigentlichen Banken, Privatbankiers und Sparkassen (Abs. 1) auch die bankähnlichen Finanzgesellschaften und Einzelfirmen, sofern sie sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen (Abs. 2 lit. a) sowie alle übrigen Finanzgesellschaften und Einzelfirmen, die sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen, sofern dies nicht einzig durch die Auflage von Anleihen geschieht (Abs. 2 lit. b); schliesslich fallen darunter auch die Kreditkassen mit Wartezeit (Abs. 2 lit. c). Die Tätigkeit ausländischer Banken ist ebenfalls dem BankG unterstellt; dessen Bestimmungen finden sinngemäss Anwendung auf die von ausländischen Banken in der Schweiz errichteten Sitze, Zweigniederlassungen und Agenturen sowie auf die in der Schweiz tätigen Vertreter ausländischer Banken (
Art. 2 Abs. 1 BankG
).
Die SKA bestreitet nicht, dass die Texon eine schweizerische Bank oder eine bankähnliche Finanzgesellschaft im Sinn der schweizerischen Bankengesetzgebung war und dass sie überwiegend in der Schweiz tätig war, mindestens in der Form einer Zweigniederlassung. Die Frage ist indessen von Amtes wegen abzuklären.
b) Das BankG umschreibt den Begriff der Bank im engeren Sinn nicht selber, sondern hat diese Umschreibung der Praxis überlassen (BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, N. 7 zu
Art. 1 BankG
; COHEN, Der Begriff der Bank im schweizerischen Bankengesetz, Diss. Freiburg 1975, S. 54 ff., 74 ff.; NOBEL, Praxis zum öffentlichen und privaten Bankenrecht der Schweiz, S. 100). Eine Bank ist nach der Umschreibung der Bankenkommission jede Unternehmung, die mit Kunden- oder Publikumsgeldern gewerbsmässig Darlehen aufnimmt und Kredite erteilt (SCHÜRMANN, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 227). Das Bundesgericht hat in
BGE 62 I 275
E. 3 ausgeführt, wesentliches Merkmal einer Bank sei, dass sie den Geldhandel betreibe, d.h. gewerbsmässig und in grossem Massstab Kapitalien mobilisiere, indem sie sich
BGE 105 Ib 348 S. 365
Gelder leihe und ihrerseits Gelder an Dritte verleihe, und aus der Zinsdifferenz einen Gewinn erziele. In
BGE 87 I 498
ergänzte es diese Umschreibung insofern, als die Bank im engeren Sinn Räumlichkeiten besitze, die dem Publikum geöffnet seien, und im allgemeinen über Schalter verfüge, an denen sich die Geschäfte mit den Kunden abwickelten. Demgegenüber konzentrieren sich die bankähnlichen Finanzgesellschaften vor allem auf ausgewählte Formen des Aktivgeschäfts wie Kapitalanlage. Übernahme von Beteiligungen und Gewährung fester Darlehen an Unternehmungen (BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O., N. 18 ff. zu
Art. 1 BankG
; COHEN, a.a.O., S. 98 und 102; KLEINER, Die Gesetzgebung über das Bankwesen in Bund und Kantonen, S. 24; SCHÜRMANN, a.a.O., S. 228). Im Unterschied dazu finanzieren die übrigen, d.h. nicht bankähnlichen Finanzgesellschaften im wesentlichen Unternehmungen, die zum gleichen Konzern gehören (Nobel, a.a.O., S. 110; BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O., N. 26 ff. zu
Art. 1 BankG
; COHEN, a.a.O., S. 103).
c) Die Grenzen zwischen der Bank im engeren Sinn und den Finanzgesellschaften können nicht ein für allemal scharf gezogen werden. Ohne dass indessen näher auf diese Differenzierung eingegangen zu werden braucht, lässt sich sagen, dass die Texon mindestens eine bankähnliche Finanzgesellschaft war. Ihr Eigenkapital war gering; bei der Gründung 1961 betrug es bloss Fr. 50'000.-, erst am 28. Januar 1977 wurde es auf Fr. 500'000.- erhöht. Die Texon nahm von Dritten Gelder entgegen, lieh sie dann aus und erwarb damit Beteiligungen. Sie investierte dabei die Mittel in Unternehmungen verschiedenster Art. Ihr Gewinn bestand in der Differenz zwischen dem Ertrag ihrer Ausleihungen und den Aufwendungen, die sie ihren Kreditoren zu erbringen hatte. Sie legte ihre Mittel mittel- oder langfristig an. Daneben verfügte sie nicht über Einrichtungen einer Bank im landläufigen Sinn. Es fehlte an eigenen Räumlichkeiten mit Schaltern; die Geschäfte wurden zum Teil in den Räumen der SKA oder des Anwaltsbüros Noseda/Maspoli/Pedrazzini getätigt.
Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich auch, dass die Texon sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfohlen hat. Der Begriff der öffentlichen Empfehlung ("appel au public") wird im Gesetz ebenfalls nicht näher umschrieben.
Art. 3 Abs. 1 BankV
bestimmt, eine Empfehlung zur Annahme fremder Gelder
BGE 105 Ib 348 S. 366
sei öffentlich, wenn sie sich in beliebiger Form, innerhalb oder ausserhalb der Geschäftsräume an Personen richtet, die nicht zur Kundschaft gehören. Diese Vorschrift hält sich im Rahmen des BankG. Bei der Begriffsbestimmung ist eine weite Auslegung angemessen. Das BankG bezweckt im erster Linie den Schutz der Gläubiger (KLEINER, a.a.O., S. 23; COHEN, a.a.O., S. 99; BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O., N. 8 zum
Art. 1 BankG
). Es soll nach Möglichkeit verhindert werden, dass durch öffentliche Empfehlung Publikum, das Anlagemöglichkeiten sucht, angezogen wird und dann zu Schaden kommt, weil eine genügende Aufsicht über die Gesellschaft fehlt. Unternehmungen, die sich irgendwie öffentlich zur Entgegennahme von Geldern empfehlen, sollen deshalb der strengen bankengesetzlichen Kontrolle unterstellt werden. Öffentliche Werbung ist deshalb auch dann gegeben, wenn Publikumsgelder über Dritte entgegengenommen werden (KLEINER, a.a.O., S. 27; BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O., N. 47 f. zu
Art. 1 BankG
/
Art. 3 BankV
; COHEN, a.a.O., S. 120 ff.; NOBEL, a.a.O., S. 111). Öffentlich ist ferner auch eine mündliche Empfehlung, z.B. in einem Besprechungszimmer, oder eine schriftliche Offerte an jemanden, der noch nicht Kunde ist (DUPERREX, Banken, Karte SJK Nr. 1335, S. 4 ff.).
Aus den Akten ergibt sich, dass der Hauptdirektor der Filiale der SKA in Chiasso und sein Stellvertreter, manchmal auch weitere Angestellte der Bank, Einlegern, die noch nicht Kunden der Texon waren, die Kapitalanlage bei der Texon empfohlen haben, und zwar nicht als unparteiische Berater, sondern mit der Absicht und dem Einverständnis der Texon, dieser Gelder zuzuführen. Die Empfehlungen erfolgten daher öffentlich im Sinn von
Art. 3 BankV
.
d) Daraus folgt, dass die Texon von der Art ihrer Geschäftstätigkeit her jedenfalls als eine dem BankG unterstehende Unternehmung einzustufen ist. Es fragt sich noch, ob ihre Tätigkeit auch örtlich unter das BankG fällt.
Unter das BankG fallen sämtlich in der Schweiz errichteten Unternehmungen und Niederlassungen. Neben den schweizerischen Unternehmungen werden jedoch auch die von ausländischen Banken in der Schweiz errichteten Sitze, Zweigniederlassungen und Agenturen sowie die in der Schweiz tätigen Vertreter ausländischer Banken erfasst (
Art. 2 Abs. 1 BankG
).
Es besteht kein Zweifel, dass die Texon, obwohl sie eine
BGE 105 Ib 348 S. 367
Anstalt nach liechtensteinischem Recht darstellt, ausschliesslich in der Schweiz verwaltet wurde. Während der massgebenden Zeitdauer waren von den vier Verwaltungsräten der Texon drei in der Schweiz wohnhafte Schweizer. Die Geschäftstätigkeit wickelte sich überwiegend in enger räumlicher Beziehung zur Niederlassung der SKA in Chiasso in den Räumen des Anwaltsbüros Noseda/Maspoli/Pedrazzini ab. Gelegentlich wurden auch ausländische Gelder in Italien entgegengenommen. Dagegen übte die Gesellschaft in Liechtenstein keine Geschäftstätigkeit aus. In Vaduz eingehende Post wurde nach Chiasso weitergeleitet. Auch die Buchhaltung wurde in der Schweiz geführt; erst als die Verantwortlichen der Texon anfangs 1977 zur Überzeugung gelangten, dass Schwierigkeiten bevorstanden, wurde ein Teil der Archive in das Fürstentum Liechtenstein überführt. Die Gelder, die die Texon übernahm, flossen in die Schweiz, nicht nach Liechtenstein, und wurden auch von der Schweiz aus weiter angelegt.
Wenn die Texon im Sinn des BankG sogar als schweizerische Unternehmung zu behandeln ist, was dahingestellt bleiben kann, so ist sie aufgrund ihrer in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit mindestens als eine Zweigstelle einer ausländischen Unternehmung zu betrachten und fällt damit auf jeden Fall unter das BankG, Mithin können die Vorschriften der Schutzverordnung auch unmittelbar auf sie angewendet werden; die örtliche und sachliche Zuständigkeit der SNB ist insofern auch ihr gegenüber zu bejahen.
e) Die SKA weist allerdings in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass die Regierung des Fürstentums Liechtenstein ihrerseits ein Verfahren auf Einforderung von Kommissionen im selben Betrag von Fr. 81'696'159.35 gegen die Texon angestrebt hat (Beschluss der fürstlichen Regierung vom 7. März 1978). Es fragt sich deshalb noch, ob dies eine Auswirkung auf die Zuständigkeit der SNB hat.
Zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein bestehen besonders enge rechtliche Verbindungen (FAVRE, Droit constitutionnel suisse, 2. A., S. 68 ff.; THEVENAZ, Ersatzkarte SJK Nr. 731, Liechtenstein; LANFRANCONI, Die Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein unter besonderer Berücksichtigung der daraus entstandenen völkerrechtlichen Konsequenzen, Diss. Basel 1969). Die wichtigsten unter ihnen wurden
BGE 105 Ib 348 S. 368
durch den Vertrag vom 29. März 1923 über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (BS 11, 160) geschaffen. Nach dessen Art. 4 und 10 sind bestimmte schweizerische Gesetze auch im Fürstentum Liechtenstein unmittelbar anwendbar. Die Schutzverordnung und der Bundesbeschluss über den Schutz der Währung von 8. Oktober 1971 (AS 1971, 1449), worauf jene gründet, gehören nicht zu diesem unmittelbar anwendbaren Recht. Das Fürstentum Liechtenstein hat indessen im Anschluss an die schweizerische Gesetzgebung eine Parallelgesetzgebung geschaffen in Form folgender Erlasse: Gesetz vom 26. Oktober 1972 über Massnahmen auf dem Gebiete des Geld- und Kapitalmarktes und des Kreditwesens; Verordnung vom 12. Juni 1973 über Massnahmen auf dem Gebiet des Kreditwesens; Verordnung vom 26. November 1974 über Massnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder (welche in Art. 5 die Belastung von neu zugeflossenen Geldern seit 31. Oktober 1974 mit einer Kommission von 3% pro Quartal vorsieht); Verordnung über die Änderung der Verordnung betreffend Massnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder vom 28. Januar 1975 (mit Erhöhung der Kommission bis zu 10% in Art. 5 Abs. 1). Nach Art. 6 der Verordnung vom 26. November 1974 sind die Kommissionen der liechtensteinischen Landeskasse abzuliefern.
Die enge Verbindung zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein führte auch dazu, dass der Bundesrat auf liechtensteinisches Ersuchen und nach einem diplomatischen Notenwechsel zwischen den beiden Staaten mit Verordnung vom 4. Juli 1973 über die Anwendung der Massnahmen zum Schutze der Währung auf das Fürstentum Liechtenstein (AS 1973, 1125) angeordnet hat, dass natürlich und juristische Personen sowie Gesellschaften mit Wohnsitz oder Sitz in Liechtenstein bei der Anwendung der Beschlüsse zum Schutz der Währung durch die schweizerischen Behörden als Inländer gelten, sofern nicht eine Ausnahme im Sinn von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung angezeigt ist. In diesem Sinn bestimmt auch Art. 2 Abs. 3 der Schutzverordnung, dass das Fürstentum Liechtenstein in bezug auf den Begriff des Ausländers zur Bestimmung ausländischer Guthaben im Sinn der Schutzverordnung als Inland gelte.
Am Fortbestand der liechtensteinischen Parallelgesetzgebung wurde damit nichts geändert. Obwohl das monetäre
BGE 105 Ib 348 S. 369
Aktionsfeld der Texon sich praktisch ausschliesslich in der Schweiz abwickelte, ist es an sich denkbar, dass das Fürstentum Liechtenstein gestützt auf den formellen Sitz der Texon in seinem Gebiet die Anwendung seiner parallelen Vorschriften ebenfalls bejaht. Wie es sich damit verhält, braucht hier indessen nicht näher abgeklärt zu werden. Denn eine unmittelbar bereits in diesem Verfahren anwendbare Konfliktsnorm für den Fall, dass die liechtensteinische Regierung von der Texon tatsächlich ebenfalls die Kommissionen nachfordert, besteht weder im schweizerischen noch im internationalen Recht. Allenfalls wird es Sache der beiden Regierungen sein, in diesem Fall einen Konflikt auf Regierungsebene zu regeln. Das vorliegende Verfahren wird davon nicht berührt.
11.
a) Die Belastung mit den Kommissionen erfolgte in Anwendung von Art. 5 Schutzverordnung. Die Schutzverordnung stützt sich auf Art. 1 des BB über den Schutz der Währung vom 8. Oktober 1971 (AS 1971, 1449). Danach ist der Bundesrat bei schwerwiegender Störung der internationalen Währungsverhältnisse ermächtigt, in Verbindung mit der SNB ausserordentliche Massnahmen zu treffen, die er zur Führung einer dem Gesamtinteresse des Landes dienenden Währungspolitik als notwendig und unaufschiebbar erachtet, namentlich um den unerwünschten Zufluss ausländischer Gelder abzuwehren und ihren Abfluss zu fördern. Ausgeschlossen sind insbesondere Massnahmen produktions-, preis- und lohnpolitischer Natur (Abs. 1). Art. 2 Abs. 1 BB betraut die SNB mit dem Vollzug der aufgrund des BB erlassenen Vorschriften.
b) Die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der Schutzverordnung an sich wird nicht ernsthaft bezweifelt oder bestritten. Die Frage ist indessen von Amtes wegen zu beurteilen. Dabei fällt eine Überprüfung des BB auf seine Verfassungsmässigkeit ausser Betracht (
Art. 114bis Abs. 3,
Art. 113 Abs. 3 BV
). Hingegen kann das Bundesgericht die Schutzverordnung grundsätzlich auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Dabei kann es prüfen, ob sich die Verordnung in den Grenzen der dem Bundesrat im Bundesbeschluss eingeräumten Befugnisse hält. Soweit zudem das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der Verordnung (
BGE 104 Ib 412
ff. E. 4 und 5a).
Aus der Formulierung der dem Bundesrat in Art. 1 BB
BGE 105 Ib 348 S. 370
delegierten Kompetenzen lässt sich schliessen, dass dem Bundesrat beim Erlass der notwendigen Währungsmassnahmen im Sinn des BB ein sehr weiter Spielraum des Ermessens eingeräumt wird, welcher für das Bundesgericht nach Art. 113 Abs. 3/
Art. 114bis Abs. 3 BV
verbindlich ist. Aus diesem Grund darf das Bundesgericht bei der Überprüfung der Schutzverordnung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen. Das dem Bundesrat eingeräumte Ermessen verbietet dem Bundesgericht insbesondere, über die Zweckmässigkeit der bundesrätlichen Verordnung zu befinden (
BGE 104 Ib 425
E. 6b). Die Prüfung des Bundesgerichts beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob die Verordnung den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengt oder aus anderen Gründen gesetz- oder verfassungswidrig ist (
BGE 104 Ib 425
E. 6b mit Hinweisen). Dabei ist insbesondere zu untersuchen, ob mit der bundesrätlichen Verordnung der im BB genannte Zweck erfüllt werden kann und ob der Bundesrat sein Ermessen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit ausgeübt hat. Dies kann bejaht werden, wenn die in der Verordnung vorgesehenen Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zu dem im Gesetz vorgesehenen Zweck stehen (
BGE 104 Ib 425
f. E. 6b).
c) In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass der Bundesrat mit der Schutzverordnung von der ihm delegierten Befugnis einen rechtmässigen Gebrauch gemacht hat. Er war beauftragt, nötigenfalls einen im Interesse der Gesunderhaltung der Währung unerwünschten Zufluss ausländischer Gelder abzuwehren und ihren Abfluss zu fördern. Es ist offensichtlich, dass die Erhebung der Kommission bis zu einem gewissen Grad geeignet ist, ausländische Anleger von der Anlage ihrer Gelder in der Schweiz abzuhalten und, sofern diese bereits in der Schweiz angelegt waren, ihren Abzug zu veranlassen. Dasselbe gilt auch von der verschärften Vorschrift gemäss der Änderung vom 22. Januar 1975, wonach der Negativizins von 3% auf 10% pro Quartal erhöht wurde. Die Verfassung- und Gesetzmässigkeit der Schutzverordnung ist somit grundsätzlich zu bejahen. Die Anwendung der Schutzverordnung im Einzelfall - insbesondere eine mehrfache Belastung mit einer Kommission von 10% pro Quartal - hat ihrerseits den verfassungsrechtlichen Grundsätzen zu entsprechen, was aber nicht eine Frage der Verfassungsmässigkeit der Schutzverordnung an sich ist.
BGE 105 Ib 348 S. 371
12.
Die SKA hält eine nachträgliche Belastung mit der Kommission aus verschiedenen Gründen für ausgeschlossen. Sie vertritt die Auffassung, die Kommissionen könnten nicht gefordert werden, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Operationen der Texon sich nicht nachteilig auf die schweizerische Währung ausgewirkt hätten; die Frankenguthaben der ausländischen Gläubiger seien nachher wieder in Lire umgewandelt worden. Ferner könne die nachträgliche Ablieferung der Kommission keinen Einfluss mehr auf die Währungsverhältnisse haben und sei daher unnötig.
a) Mit dem ersten Einwand wird geltend gemacht, durch das Verhalten der SKA und der Texon sei der vom Gesetzgeber erstrebte Zweck der Vorschriften nicht vereitelt worden, da die Operationen der Texon keinen Einfluss auf die Kursgestaltung des Schweizerfrankens gehabt haben können. Die in Frage stehende monetäre Abwehrmassnahme knüpfte indessen einzig an die Gutschrift von Schweizerfranken auf dem Konto eines Ausländers an. Sobald dieser Tatbestand erfüllt war, hatten die gesetzlichen Folgen einzutreten. Ob und inwieweit hingegen die Bildung von Schweizerfranken-Guthaben durch Ausländer im Einzelfall in der Tat negative wechselkurspolitische Auswirkungen zeitige, ist dafür bedeutungslos und wäre im übrigen auch kaum schlüssig zu beurteilen. Mit der sogenannten wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht, wonach im Steuerrecht unter Umständen von der zivilrechtlichen Bedeutung zivilrechtlicher Begriffe abgewichen werden kann, und worauf sich die SKA in diesem Zusammenhang beruft, hat dies klarerweise nichts zu tun.
b) Ob die nachträgliche Ablieferung der Kommission noch einen Einfluss auf die Währungsverhältnisse ausüben kann oder nicht, kann selbstverständlich für die Nachforderung der seinerzeit zu Unrecht nicht abgelieferten Kommissionen keine Rolle spielen. Es versteht sich, wie die SNB zu Recht anführt, dass aus Gründen der Generalprävention und der Rechtsgleichheit die einmal fällig gewordenen Kommissionen auch dann eingefordert werden, wenn der ursprünglich ins Auge gefasste Zweck der Massnahme nicht mehr erreicht werden kann.
13.
Die SKA macht weiter geltend, die SNB habe sie am 22. April 1977 aufgefordert, für den Abfluss der mit der Texon in Zusammenhang stehenden Schweizerfrankenguthaben zu
BGE 105 Ib 348 S. 372
sorgen; die SKA habe darauf unverzüglich die nicht für die Forderungen der Verrechnungssteuer- und Währungsschutzbehörden gesperrten Texon-Guthaben, d.h. 75%, in Ausländerwährung umgewandelt. Sie macht geltend, im Hinblick auf diese Umwandlung stelle die Nachforderung der Kommission eine Doppelbelastung dar und sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Aufgrund der Akten ist anzunehmen, dass die Umwandlung der Guthaben bei der Texon bzw. der SKA in Fremdwährungen auf Verlangen der SNB erfolgte, obwohl formell nur die Zustimmung der SNB zu einem Antrag der SKA vorliegt. Ob diese Zustimmungserklärung der SNB materiell eine Anordnung der SNB und damit eine Verfügung im Sinn des VwVG darstellt, kann indessen offen gelassen werden, da die Anordnung jedenfalls nicht angefochten wurde. Die SNB wollte mit dem Gebot, die Guthaben der Texon-Gläubiger in kommissionsfreie Anlageformen umzuwandeln, offensichtlich die Lage herstellen, wie sie sich ergeben hätte, wenn die SKA bzw. die Texon korrekt vorgegangen wären. Dann wären die Gelder mit grösster Wahrscheinlichkeit von den ausländischen Gläubigern zurückgezogen bzw. nicht in der Schweiz angelegt worden. Andernfalls hätten die Guthaben ja mit dem Negativzins belastet werden müssen. Es war daher nur folgerichtig, dass die SNB nach der Entdeckung der Unregelmässigkeiten den Zustand herzustellen versuchte, der sich bei richtigem Vorgehen schon vorher ergeben hätte. Diese nachträgliche Form der Herstellung vermag jedenfalls die Unregelmässigkeiten nicht ungeschehen zu machen. Eine Doppelbelastung tritt mit der nachträglichen Kommissionsbelastung nicht ein. Ob im übrigen die SNB berechtigt war, eine solche Umwandlung vorzuschreiben, deren Anordnung sie übrigens später wieder aufhob, kann offen gelassen werden, da die Anordnung, wie erwähnt, nicht angefochten wurde.
14.
Schliesslich verlangt die SKA, es sei mindestens die Kommissionsbelastung um die nicht mehr überwälzbaren Beträge zu kürzen. Zahlreiche Gläubiger hätten ihr Konto vor dem 25. April 1977 ganz oder teilweise liquidiert, so dass die Überwälzung nicht mehr vorgenommen werden könne.
Ob die SKA rechtlich in der Lage ist, in solchen Fällen die Überwälzung nachträglich noch ins Auge zu fassen, kann offen bleiben, und zwar umso mehr als die nachträgliche Einforderung der Kommission in vielen Fällen auf grosse praktische
BGE 105 Ib 348 S. 373
Schwierigkeiten stossen wird. Die Unmöglichkeit, die Kommissionen zu überwälzen, ist aufgrund des Fehlverhaltens der SKA bzw. der Texon eingetreten, wofür sie entsprechend einzustehen haben.
15.
a) Streitig ist schliesslich, wann ein mit der Kommission zu belastender Zufluss ausländischer Gelder nach dem 31. Oktober 1974 vorliegt. In zahlreichen Fällen sind Frankenguthaben von Ausländern, welche schon vor dem 1. November 1974 bei schweizerischen Banken bestanden haben, nachher auf andere Konten übertragen worden, zum Teil auf Konten desselben Gläubigers bei derselben Bank, zum Teil bei andern Banken, und zum Teil haben Übertragungen von Guthaben auf andere Gläubiger stattgefunden. Die SNB behandelt alle diese Fälle als "Neuzufluss" und verlangt von der SKA, dass sie mit der Kommission belastet werden. Gestützt auf Art. 5 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 der Schutzverordnung hat sie in einzelnen Fällen aus besonderen Gründen Ausnahmen zugestanden; nie aber in Fällen, in denen der Kontoinhaber wechselte.
Die SKA bestreitet, dass es sich in diesen Fällen um einen Neuzufluss von ausländischen Geldern handelt. Die Frage ist unter Umständen von bedeutender finanzieller Tragweite. Nach den vorläufigen Berechnungen der SKA und SNB sind durch die Übertragung von Geldern, die sich schon vor dem 1. November 1974 in der Schweiz befanden, auf andere Konten Negativzinsforderungen gegenüber der SKA von rund 41,8 Millionen Franken ausgelöst worden, somit gut die Hälfte der von der SNB geforderten Betrags. Es handelt sich dabei um insgesamt 195 Kontoübertragungen.
b) Die SNB beruft sich für ihr Vorgehen auf Ziff. 11 der "Erläuterungen und Weisungen der SNB zur Verordnung über Massnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder" vom 26. November 1974 bzw. 24. Januar 1975 (nachfolgend abgekürzt: "Erläuterungen") und bringt damit auch Ziff. 18 der "Erläuterungen" in Verbindung. Diese Bestimmungen lauten wie folgt:
Ziff. 11:
"Der Zuwachs wird für jedes Konto eines Ausländers separat berechnet. Somit liegt auch dann ein Zuwachs vor, wenn sich das Geld am 31.10.74 zwar in der Schweiz befand, aber von einem Konto auf ein anderes - neues oder bereits bestehendes - Konto bei der gleichen oder einer anderen Bank
BGE 105 Ib 348 S. 374
übertragen wird."
Ziff. 18:
"Werden für einen Ausländer bei einer Bank mehrere Konti in Schweizerfranken - inbegriffen Konti pro Diverse - geführt, so ist der massgebende Zuwachs des Guthabens für jedes Konto einzeln zu berechnen."
c) Ziff. 11 der "Erläuterungen" bezieht sich formell auf Art. 4 der Schutzverordnung, d.h. auf die Berechnung des Zuwachses auf Guthaben, die aufgrund der Schutzverordnung nicht mehr verzinst werden dürfen. Die SNB hat diese Formel für die Zuwachsberechnung analog auf die Berechnung des Zuwachses im Sinn von Art. 5 der Schutzverordnung angewandt, d.h. auf den für die Belastung mit der Kommission massgebenden Zuwachs. Die SKA macht daher geltend, es sei für die Berechnung des Zuwachses im Sinn von Art. 5 Schutzverordnung überhaupt keine Regel vorhanden; mindestens habe die SNB es unterlassen, in den "Erläuterungen" eine klare Rechtsgrundlage für die Berechnung der Kommission nach Art. 5 Schutzverordnung zu schaffen. Ferner sei Ziff. 11 in Beziehung auf die Berechnung des dem Verzinsungsverbot unterliegenden Zuwachses mit der Revision der Schutzverordnung vom 22. Januar 1975 gegenstandslos geworden, da ja alle ausländischen Gelder von da an mit dem Verzinsungsverbot belastet worden seien.
d) Diese Einwendungen dringen nicht durch. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass die Berechnung des Zuwachses, wie er für den Art. 5 Schutzverordnung massgebend war, anders sei als bei dem in Art. 4 Schutzverordnung genannten Zuwachs. Auch wenn in den "Erläuterungen" nicht ausdrücklich gesagt war, dass der Zuwachsbegriff nach Art. 4 auch für denjenigen des Art. 5 gelte, scheint das doch selbstverständlich. Eine Begründung, weshalb die beiden Zuwachsbegriffe voneinander abweichen sollten, gibt die Beschwerdeführerin übrigens selber nicht. Es ist daher davon auszugehen, und die SNB ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Zuwachs nach Art. 5 Schutzverordnung sich nach Ziff. 11 der "Erläuterungen" berechne. Selbstverständlich ist dieser auch für Art. 5 massgebende Zuwachs nicht dadurch dahingefallen, dass er nach dem 22. Januar 1975 für das Verzinsungsverbot keine Rolle mehr spielte.
Es kann sich deshalb nur fragen, ob Ziff. 11 in Verbindung mit Ziff. 18 der "Erläuterungen" mit dem übergeordneten
BGE 105 Ib 348 S. 375
Recht, d.h. mit dem BB über den Schutz der Währung und der Schutzverordnung sowie allfälligen verfassungsrechtlichen Grundsätzen in Einklang steht oder nicht.
16.
a) Bei den "Erläuterungen" handelt es sich um Vorschriften, die im wesentlichen Rechtssatzcharakter aufweisen. Sie wurden den dem BankG unterstellten Unternehmungen von der SNB direkt bekannt gemacht, sind aber nicht in der amtlichen Gesetzessammlung veröffentlicht worden. Nach Art. 9 Abs. 1 des Rechtskraftgesetzes vom 12. März 1948 (SR 170.513.1) sind die in der amtlichen Gesetzessammlung aufzunehmenden Erlasse für den Bürger erst verbindlich, wenn sie in dieser Sammlung veröffentlicht werden. Diese Bestimmung besagt, dass die Norm gegenüber dem Bürger nicht durchgesetzt werden kann, bevor sie veröffentlicht ist (
BGE 92 I 233
E. 4). Dies gilt zumindest, soweit der Erlass Pflichten der Bürger begründet (
BGE 100 Ib 343
). Auf Grund des Kataloges des Art. 4 Rechtskraftgesetz fallen die allgemeinverpflichtenden Vorschriften, die von der SNB ausgehen, nicht unter die in der Gesetzessammlung obligatorisch aufzunehmenden Erlasse. Hinsichtlich der mit Art. 16i NBG 1979 nun ins ordentliche Recht aufgenommenen entsprechenden Ordnung wird indessen angenommen, die Kompetenz der SNB zum Erlass solcher Ausführungsbestimmungen auferlege der SNB die rechtsstaatliche Pflicht, ihre Erlasse in genügender Form zu publizieren (
Art. 16i Abs. 2 Satz 2 NBG
); für Normen mit Rechtssatzcharakter habe dies ausschliesslich durch Publikation in der amtlichen Gesetzessammlung zu erfolgen (Nobel, a.a.O., S. 55). Dementsprechend ist die von der SNB gestützt auf das neue Recht erlassene Verordnung über ausländische Bankguthaben und Devisentermingeschäfte mit Ausländern vom 11. Juli 1979 auch in der Gesetzessammlung veröffentlicht worden (AS 1979, 1003). Der Sache nach hätte sich die amtliche Publikation der "Erläuterungen" schon vor der Revision des NBG von 1979 aufgedrängt. Indes braucht zu diesem formellen Problem der Verbindlichkeit hier nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, da die in Frage stehende Ziff. 11 der "Erläuterungen" der materiellen Überprüfung ohnehin nicht standhält.
b) Gemäss Art. 1 BB ist der Bundesrat (in Verbindung mit der SNB) ermächtigt, sowohl den unerwünschten Zufluss ausländischer Gelder abzuwehren, als auch ihren Abfluss zu fördern.
BGE 105 Ib 348 S. 376
Gemäss Art. 2 Abs. 1 BB wird die SNB mit dem Vollzug der aufgrund des BB erlassenen Vorschriften betraut.
Die Schutzverordnung spricht sich nicht näher darüber aus, ob sie alt- oder neuzugeflossenes Geld meint. Sie verwendet lediglich den Begriff "Zufluss" (Art. 5 Abs. 1:"...auf den seit dem 31. Oktober 1974 zugeflossenen ausländischen Geldern..."; "afflux de fonds étrangers"; "afflusso di capitali stranieri"). Im Unterschied zu der inzwischen ins ordentliche Recht übergeführten entsprechenden Regelung der Verordnung des Bundesrats über Gelder aus dem Ausland vom 11. Juli 1979 (AS 1979, 999), wonach die Kommission auf den ausländischen Guthaben (abzüglich der kommissionsfreien Limite) schlechthin geschuldet ist (Art. 7 Verordnung), hat sich der Bundesrat in der Schutzverordnung damit begnügt, nur den Zufluss neuer Gelder nach dem 31. Oktober 1974 zu bremsen. Auch die weitergehende Massnahme wäre durch den BB gedeckt gewesen. Entscheidend ist indessen, dass der Bundesrat eine solche Ausdehnung der Kommissionspflicht nicht vorgesehen hat. Ohne eine solche Ermächtigung in der Schutzverordnung war aber die SNB nicht befugt, in den "Erläuterungen" (Ziff. 11) einen Schritt weiter zu gehen in der Ausdehnung der Kommissionspflicht auf alle in der Schweiz liegenden Auslandgelder hin. Die Definition des Zuflusses ausländischer Gelder ist nicht eine blosse Vollzugshandlung im Sinn von Art. 2 Abs. 1 BB. Eine solche Ermächtigung lässt sich auch nicht aus der der SNB übertragenen Befugnis ableiten, die Berechnung des Nettozuwachses zu regeln (Art. 5 Abs. 3 Schutzverordnung); die Begriffsumschreibung geht über eine blosse Berechnungsregel hinaus.
Die Befugnis kann insbesondere auch nicht direkt aus Art. 1 BB abgeleitet werden, wonach der Bundesrat "in Verbindung mit der SNB" zur Ergreifung ausserordentlicher, d.h. im ordentlichen Verfassungs- und Gesetzesrecht nicht vorgesehener Massnahmen ermächtigt wurde. Der Bezug auf die SNB in dieser Grundsatzbestimmung sollte bloss die notwendige Koordination gewährleisten zwischen der ordentlichen Tätigkeit der SNB und den ausserordentlichen Massnahmen, die der Bundesrat aufgrund des Bundesbeschlusses auf dem Verordnungsweg vorschreiben konnte (vgl. Botschaft über den Schutz der Währung vom 8. September 1971, BBl 1971 II, S. 844.)
Die SNB hat demnach mit der Ausdehnung des Begriffs des Zuflusses gemäss Ziff. 11 der "Erläuterungen" ihre Befugnisse
BGE 105 Ib 348 S. 377
überschritten. Daran ändert nichts, dass dem Bundesrat, als er am 22. Januar 1975 die Schutzverordnung abänderte, unter Umständen nicht entgangen ist, in welcher Weise die SNB von ihrer Vollzugskompetenz in den "Erläuterungen" hinsichtlich der Berechnungsweise des Nettozuwachses Gebrauch gemacht hatte. Selbst wenn er mit der Begriffsumschreibung durch die SNB einverstanden gewesen sein sollte, ersetzt dieses stillschweigende Einverständnis die erforderliche Rechtsgrundlage für eine solche Ausdehnung des Art. 5 Abs. 1 Schutzverordnung bzw. die ausdrückliche Änderung der Verordnung in dieser Beziehung nicht (vgl. auch Art. 4 lit. f und h in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 Rechtskraftgesetz).
c) Die SNB macht für ihre Betrachtungsweise allerdings noch praktische Gründe geltend; sie befürchtet, wenn nicht jede Eröffnung eines neuen Kontos mit der Kommission belastet werden kann, sei eine wirksame und ökonomisch tragbare Kontrolle über die Befolgung der Schutzverordnung nicht möglich. Es leuchtet durchaus ein, dass es eine erhebliche Erschwerung der Kontrolle bedeutet, wenn bei jeder Eröffnung eines neuen Kontos zuerst nachgeforscht werden muss, aus was für Geldern es gespiesen wird, und ob es eventuell aus kommissionsfreien Anlagen stammt. Eine ausdehnende Auslegung des Begriffs "Zufluss" in Art. 5 Abs. 1 Schutzverordnung rechtfertigt dies indessen nicht. Hingegen kann es zur Folge haben, dass den Erfordernissen der praktischen Durchsetzung bei der technischen Abwicklung der Kommissionsbelastung Rechnung getragen wird. In diesem Rahmen ist es zulässig, wenn die SNB zunächst alle Konten belastet, der kontoführenden Bank aber die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass bei der Kontoübertragung kein Gläubigerwechsel stattgefunden hat.
d) Zusammenfassend ergibt sich, dass man in jenen Fällen nicht von einem Zuwachs im Sinn der Schutzverordnung sprechen kann, wo bei der Kontoübertragung kein Gläubigerwechsel stattgefunden hat. Umgekehrt rechtfertigt es sich, auch dann einen Neuzufluss im Sinn der Schutzverordnung anzunehmen, wenn das Geld sich bereits vor dem Stichtag (31. Oktober 1974) in der Schweiz befand, indessen auf einen neuen ausländischen Gläubiger übertragen wurde. Denn für den neuen ausländischen Gläubiger stellt sich der Forderungserwerb als Neuzufluss ausländischen Geldes dar.
17.
a) Es fragt sich, in welchen Fällen ein Gläubigerwechsel
BGE 105 Ib 348 S. 378
zu verneinen ist. In der Beschwerdeschrift werden Fallgruppen aufgezählt, die nach Meinung der SKA eine bloss formale Kontoübertragung darstellen: Die Änderung der Nummer des Kontos bei gleichbleibendem Kontoinhaber; die Änderung der Nummer des Kontos mit formellem Wechsel des Kontos auf ein Familienmitglied, wobei die tatsächliche Verfügungsmacht nach wie vor beim früheren Kontoinhaber bleibt; die Übertragung eines Kontos von einer natürlichen Person auf eine juristische Person, wobei der Inhaber der juristischen Person mit dem früheren Kontoinhaber identisch ist; die Aufteilung eines Kontos auf mehrere Konti oder Rubriken; Kontoübertragungen bei Erbschaften.
b) Es ist schwierig, im jetzigen Zeitpunkt zu diesen Fällen bereits im einzelnen Stellung zu nehmen. Nach dem Gesagten liegt nur bei Wechsel des Gläubigers ein Zufluss vor. Es ist deshalb einerseits klar, dass in jenen Fällen, wo bloss der Name oder die Nummer eines Kontos geändert wurde, bzw. ein neues Konto ausschliesslich zu diesem Zweck errichtet wurde, kein Gläubigerwechsel angenommen werden darf, aus welchem Grund auch immer eine solche Namens- oder Nummernänderung erfolgte. Ob dies hingegen auch so vorbehaltlos gelten kann bei Trennung oder Zusammenlegung verschiedener Konti desselben Inhabers, lässt sich aufgrund der heute vorliegenden Entscheidgrundlagen nicht abschliessend beurteilen. Die näheren Umstände und die Bedeutung jener Fälle können im heutigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Es ist nötig, dass die SNB hier vorerst zusätzliche Abklärungen vornimmt. Es rechtfertigt sich daher, die Sache insofern an sie zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Anderseits ist ebenfalls klar, dass ein formeller Gläubigerwechsel, insbesondere die Übertragung eines Kontos von einer natürlichen auf eine juristische Person, mit der Kommission belastet werden muss. Dabei liegt auch in jenen Fällen, wo ein Wechsel innerhalb der Familie stattfand, grundsätzlich ein solcher formeller Wechsel vor, der die Auferlegung der Kommission nach sich zieht. Immerhin mögen sich unter Umständen auch hier Ausnahmen rechtfertigen. Insbesondere kann man sich fragen, ob hinsichtlich der Erbschaften zwischen Erbanfall und Teilung zu unterscheiden ist und allenfalls nur die Übertragung bei der Teilung als Zuwachs einzustufen ist. Indes ist auch hier das Bundesgericht im heutigen Zeitpunkt nicht in der Lage, abschliessend Stellung zu nehmen, da
BGE 105 Ib 348 S. 379
die näheren Umstände und die Tragweite jener Fälle nicht abgeschätzt werden können. Es wird Sache der SNB sein, im Rahmen einer Neubeurteilung abzuklären, ob sich diesbezüglich allenfalls Ausnahmen rechtfertigen.
c) Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen ist. Die angefochtene Verfügung der SNB vom 27. Februar 1978 ist insoweit aufzuheben, als sie die Auferlegung der Kommission auch dort anordnet, wo im genannten Sinn kein Gläubigerwechsel stattgefunden hat, und die Sache ist insofern zur Neubeurteilung an die SNB zurückzuweisen. Die SNB hat somit alle von der Kommission betroffenen Konten auf solche hin zu prüfen, bei denen im Sinn der Erwägungen kein Gläubigerwechsel stattgefunden hat, bzw. der SKA Gelegenheit zu geben, hier den entsprechenden Nachweis zu erbringen. In jenen Fällen, die als fraglich dargestellt wurden und eventuell bei weiteren, die sich bei der Neubeurteilung zeigen können, wird sie abklären müssen, ob sich ebenfalls eine Rückgängigmachung der Belastung mit der Kommission rechtfertigt.
18.
Für den Fall, dass auf die Beschwerde des EFD und der Eidgenossenschaft nicht eingetreten wird, hält das EFD eine Korrektur des angefochtenen Entscheids in dem von ihm in seiner Beschwerde beantragten Ausmass (293,1 Millionen Franken nachzuliefernde Kommissionen) im Rahmen einer gestützt auf
Art. 114 Abs. 1 OG
vorzunehmenden reformatio in peius für geboten.
a) Mit
Art. 114 Abs. 1 OG
soll dem Bundesgericht die Möglichkeit gegeben werden, in Abgabestreitigkeiten einen Entscheid der Vorinstanz im Rahmen seiner von Amtes wegen getroffenen Abklärungen gegebenenfalls dem objektiven Recht anzupassen, ohne an die Anträge der Parteien gebunden zu sein. Eine solche Berichtigung wird aber nur vorgenommen, wenn der betreffende Entscheid offensichtlich unrichtig und die Korrektur von erheblicher Bedeutung ist (
BGE 103 Ib 369
; vgl. auch ZIMMERLI, Zur reformatio in peius vel melius im Verwaltungsrechtspflegeverfahren des Bundes, in Mélanges Henri Zwahlen, S. 530). Die Korrektur bezieht sich ferner nur auf Verletzung von Bundesrecht oder Tatsachenirrtum, nicht aber auf Ermessensfragen (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 1979, S. 185). Im Unterschied zur Rechtslage vor der Revision des OG von 1968 besteht diese Möglichkeit nicht nur in eigentlichen
BGE 105 Ib 348 S. 380
Steuerfällen, sondern allgemein für Abgabestreitigkeiten (GYGI, a.a.O., S. 185; KEISER, Die reformatio in peius in der Verwaltungsrechtspflege, Diss. Zürich 1979, S. 73 f.).
Man kann sich gleichwohl fragen, ob sich die Bestimmung auch auf eine Abgabe bezieht, die - wie hier - keinen fiskalischen Zweck verfolgt (vgl. dazu vorne E. 5b). Indes kann die Frage offen bleiben, da die Voraussetzungen für eine reformatio in peius nicht erfüllt sind.
b) Die SNB hat in der angefochtenen Verfügung in jenen zahlreichen Fällen, in denen die Berechnung der Kommission zu einer über 10% hinausgehenden Belastung eines und desselben Kontozuwachses führen würde, die Belastung auf 10% beschränkt. Sie berücksichtigte dafür namentlich die von der SKA angerufene Erfahrungstatsache, dass ein normaler Anleger nach einmaliger Belastung mit 10% sein Schweizerfrankenguthaben abzuziehen oder in eine andere Währung zu konvertieren pflegte. Sie nahm deshalb an, im Fall der nachträglichen Erhebung der Kommission erscheine ihr die einmalige Belastung des seit dem 31. Oktober 1974 eingetretenen Kontozuwachses mit 10% als verfassungskonforme und angemessene Lösung, zumal die nachträgliche Belastung des Kontozuwachses mit - wie es der wörtlichen Auslegung der Vorschrift entsprechen würde - 10% pro Quartal binnen kurzer Zeit, d.h. binnen 2 1/2 Jahren, zur völligen Konfiskation führen würde.
Es ist sachlich nicht unhaltbar, wenn die SNB davon ausgeht, es sei anzunehmen, die betroffenen Gläubiger hätten bei Kenntnis der Kommissionspflicht nach einmaliger Belastung aller Wahrscheinlichkeit nach die Konten in eine andere Währung konvertiert oder sie abgezogen. Die von der SNB getroffene Lösung lässt sich auf sachliche Gründe stützen, und es kann ihr zumindest nicht vorgeworfen werden, sie verletze offensichtliche Bundesrecht oder gehe von einer offensichtlich unrichtigen Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten aus. Eine reformatio in peius kommt daher nicht in Frage.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde der Schweiz. Eidgenossenschaft und des EFD wird nicht eingetreten.
BGE 105 Ib 348 S. 381
2. Die Beschwerde der SKA und der Texon wird, soweit darauf eingetreten werden kann, im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und der Entscheid der SNB vom 27. Februar 1978 insoweit aufgehoben, als er die Auferlegung der Kommission auch dort anordnet, wo kein Gläubigerwechsel im Sinne der Erwägungen stattgefunden hat. Die Sache wird zur Neubeurteilung und zur Neufestsetzung des Kommissionsbetrags an die SNB zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3f7149f8-bd6d-4213-b7d4-ad92f5f4eb38 | Urteilskopf
123 III 292
47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1997 i.S. Tonwerke Thayngen AG gegen Fussballclub Lohn (Berufung) | Regeste
Übervorteilung; partielle Unwirksamkeit eines wucherischen Vertrages; Ermittlung des objektiven Missverhältnisses zwischen den Austauschleistungen eines Mietvertrages (
Art. 21 OR
).
Auch im Bereich wucherischer Verträge kann die verpönte Äquivalenzstörung geltungserhaltend behoben werden (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2).
Der Wucherer kann sich im Fall der Bejahung eines Übervorteilungstatbestandes nicht auf die totale Unwirksamkeit des wucherischen Vertrages zufolge Irrtums berufen (E. 3).
Begriff der Notlage (E. 5).
Bei der Beurteilung der Frage, ob im konkreten Fall ein objektives Missverhältnis zwischen den Austauschleistungen besteht, bildet Bewertungsgegenstand das vertraglich Vereinbarte. Zu vergleichen sind Leistung und Gegenleistung nach ihrem objektiven Wert zur Zeit des Vertragsschlusses (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 293
BGE 123 III 292 S. 293
Die Tonwerke Thayngen AG ist Eigentümerin der Liegenschaft GB Lohn Nr. 77, einer Wiese im Halte von 12'015 m2, welche sie mit Vertrag vom 17. Oktober 1974 dem Fussballclub Lohn gegen eine jährliche Entschädigung von Fr. 300.-- zur Nutzung als Fussballplatz überliess. Am 1. Juni 1990 kündigte sie den Vertrag auf den 31. Dezember 1992. In nachfolgenden Verhandlungen, in welchen auch ein Bauvorhaben des Fussballclubs eine Rolle spielte, offerierte dieser am 31. Januar 1991 für eine weitere Gebrauchsüberlassung eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- im Jahr. Die Grundeigentümerin unterbreitete ihm ein Gegenangebot über Fr. 3'000.--, welches er mit Schreiben vom 24. Juli 1991 annahm. Auf dieser Grundlage schlossen die Parteien am 17./22. Januar 1992 einen neuen Vertrag mit Nutzungsbeginn am 1. Januar 1993. Das Entgelt für die Gebrauchsüberlassung vereinbarten sie für die ersten fünf Jahre, d.h. bis Ende 1997, mit jährlich Fr. 3'000.--.
Mit Klage vom 14. August 1992 beantragte der Fussballclub dem Kantonsgericht Schaffhausen im ordentlichen Verfahren, «den angefochtenen Mietzins auf Fr. 800.-- im Jahr herabzusetzen», wobei er sich auf
Art. 21 OR
berief.
Die Grundeigentümerin schloss auf Abweisung der Klage und Feststellung der Rechtsverbindlichkeit des vereinbarten Mietzinses, eventuell auf Feststellung der vollumfänglichen Unverbindlichkeit des Vertrags.
Mit Urteil vom 25. Januar 1994 hiess das Kantonsgericht die Klage gut und setzte den vertraglich festgesetzten Mietzins auf Fr. 800.-- im Jahr herab. Gleich entschied das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Urteil vom 28. Juni 1996. Das Bundesgericht heisst
BGE 123 III 292 S. 294
eine dagegen erhobene Berufung der Grundeigentümerin teilweise gut und weist die Streitsache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen (
Art. 21 Abs. 1 OR
). Der Kläger stützt sein Begehren zwar auf den Übervorteilungsschutz, beansprucht indessen keine Freistellung vom Vertrag, sondern einen gerichtlichen Eingriff in dessen Inhalt, will damit die einseitige Unverbindlichkeit nicht als gänzliche, sondern bloss als teilweise festgestellt haben. Die Beklagte macht im Gegenzug vollständige Unverbindlichkeit des Vertrags wegen Willensmängeln geltend, allerdings nur im Eventualstandpunkt für den Fall der Gutheissung der Klage. Da dem Gericht nach
Art. 63 Abs. 1 OG
verwehrt ist, über die Anträge der Parteien hinauszugehen, ist vorab zu prüfen, ob
Art. 21 OR
dem Übervorteilten überhaupt die Möglichkeit gibt, bloss eine teilweise Unverbindlichkeit des wucherischen Vertrags geltend zu machen und dessen Fortbestand mit geändertem Inhalt zu beanspruchen. Wird dies verneint, ist die Klage unbesehen darum, ob der Übervorteilungstatbestand erfüllt ist, abzuweisen, somit die Berufung der Gegenseite gutzuheissen.
a) Das Obligationenrecht vom 14. Juni 1881 enthielt den Übervorteilungstatbestand nicht. Er wurde erst mit dessen Anpassung an das Zivilgesetzbuch - auf Veranlassung von Eugen Huber - in das Gesetz eingefügt, angelehnt an § 138 Abs. 2 BGB, mit dessen ursprünglicher Fassung (vor der Revision von 1976) er im Tatbestand, nicht aber in der Rechtsfolge übereinstimmt, indem der wucherische Vertrag im Gegensatz zur deutschen Regelung nicht als nichtig, sondern bloss als einseitig unverbindlich und damit der Konvaleszenz zugänglich erklärt wird (zur Entstehungsgeschichte: KRAMER, Berner Kommentar, N. 1 zu
Art. 21 OR
mit Hinweisen). Die Möglichkeit richterlicher Vertragskorrektur erwähnt der Gesetzestext nicht.
b) In der Expertenkommission zur Revision des Obligationenrechts war im Jahre 1908 ein Antrag eingebracht worden, wonach
BGE 123 III 292 S. 295
der Übervorteilte den Vertrag hätte anfechten oder eine angemessene Herabsetzung seiner Leistung verlangen können, doch wurde er im Laufe der Beratungen wiederum zurückgezogen. Diskutiert wurde der Vorschlag in der Kommission nicht, deren Beratungen beschränkten sich - soweit hier von Interesse - auf die Frage, ob als Rechtsfolge der Übervorteilung Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Vertragsrücktritt zu normieren sei (Protokoll der Expertenkommission zur Revision des OR, erste Session 4.-9. Mai 1908, S. 5 ff. zu Art. 1036). Dies mag mit Blick darauf erstaunen, dass in der nämlichen Sitzung eine Bestimmung zur Teilnichtigkeit unmöglicher, rechts- oder sittenwidriger Verträge verabschiedet wurde, welche
Art. 20 Abs. 2 OR
zugrunde liegt (Protokoll, a.a.O., S. 3 ff. zu Art. 1034; dazu auch ROLAND HÜRLIMANN Teilnichtigkeit von Schuldverträgen nach
Art. 20 Abs. 2 OR
, Diss. Freiburg 1984, S. 14 ff.). Indessen scheint die Kommission sich der Regelungsdifferenz nicht bewusst gewesen zu sein. Jedenfalls lassen ihre Beratungen den Schluss nicht zu, der Verzicht auf eine mögliche Teilungültigkeit des Wuchergeschäfts beruhe auf einem qualifizierten Schweigen des Gesetzgebers. Zudem ist zutreffend darauf hingewiesen worden, dass die auf anderen dogmatischen Grundlagen beruhenden Materialien ohnehin keine zwingende Autorität mehr beanspruchen dürfen (SPIRO, Können übermässige Verpflichtungen oder Verfügungen in reduziertem Umfang aufrechterhalten werden?, in: ZBJV 88/1952, S. 449 ff., 517; dazu auch
BGE 118 II 307
E. 3a S. 309; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 218 zu
Art. 1 ZGB
).
c) Das Bundesgericht hat in
BGE 64 I 39
erwogen, das rechtzeitig angefochtene wucherische Geschäft sei wohl im ganzen Umfang unverbindlich, wenngleich auch eine blosse Teilungültigkeit gesetzgeberisch vertretbar wäre. Auf solche sei aber jedenfalls zu schliessen, wenn das Rechtsgeschäft verschiedene Verpflichtungen umfasse und eine davon als einwandfrei erscheine und eine ausgesprochene Sonderstellung einnehme (E. 4 S. 47). In
BGE 84 II 107
erkannte das Gericht, der Richter dürfe nicht in Analogie zu
Art. 20 Abs. 2 OR
auf blosse Teilnichtigkeit schliessen, wenn der Übervorteilte die vollständige Unverbindlichkeit des Vertrags geltend mache (E. 4). In
BGE 92 II 168
hat es diese Auffassung in einem obiter dictum als zutreffend bestätigt, die Frage aber ausdrücklich offengelassen (E. 6c). Seither hat sich ihm die Frage der Teilungültigkeit eines wucherischen Vertrags nicht mehr gestellt.
d) In der älteren schweizerischen Literatur wurde die Aufrechterhaltung des wucherischen Vertrags mit reduzierter Verpflichtung
BGE 123 III 292 S. 296
und damit die Annahme blosser Teilungültigkeit regelmässig, wenngleich meist mit Bedauern, abgelehnt (Nachweise bei SPIRO, a.a.O., S. 514 Fn 1 und S. 516 Fn 5). Dies entspricht im Ergebnis der in Deutschland herrschenden Auffassung zu § 138 Abs. 2 BGB, jedenfalls mit Ausnahme der gesondert geregelten Miet- und Lohnwucher sowie der Missachtung normativ bestimmter Preise (PALANDT, Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Aufl., N. 75 zu § 138; STAUDINGER/SACK, 13. Aufl., N. 220 zu § 138, wobei dieser Autor allerdings mit der Mindermeinung für eine geltungserhaltende Reduktion des wucherischen Vertrags eintritt).
Demgegenüber vertritt die herrschende jüngere Lehre in der Schweiz entschieden die Auffassung, dass auch im Falle des
Art. 21 OR
eine richterliche Reduktion oder Anhebung wucherisch überhöhter oder zu niedriger Leistungen stattfinden könne, jedenfalls auf Begehren des Übervorteilten (KRAMER, Berner Kommentar, N. 49 zu
Art. 21 OR
mit zahlreichen Hinweisen; HUGUENIN JACOBS, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., N. 16 zu
Art. 21 OR
; WEBER, Berner Kommentar, N. 160 zu
Art. 73 OR
; SCHRANER, Zürcher Kommentar, N. 118 zu
Art. 73 OR
; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 234 f.; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., Band I, Rz. 754 f.; ALFRED KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, S. 297 f.; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2. Aufl., S. 305 f.; MERZ, ZBJV 95/1959, S.469 f.; JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY-WERRO, Le contrat contraire aux bonnes moeurs, Diss. Freiburg 1988, S. 354 bei Fn 34; wohl auch HAUSHEER, Die Allgemeinverbindlicherklärung von Kollektivverträgen als gesetzgeberisches Gestaltungsmittel, ZSR 95/1976, S. 225 ff., 275 bei Fn 87; für eine unterschiedliche Behandlung von Dauer- und Zielverträgen: HONSELL, Die Abwicklung sittenwidriger Darlehensverträge in rechtsvergleichender Sicht, in: Freiheit und Zwang, FS Giger, Bern 1989, S. 287 ff., insb. 295 f.).
Die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Behebung der verpönten Äquivalenzstörung durch Reduktion der übersetzten oder Anhebung der untersetzten Leistung wird dogmatisch unterschiedlich begründet, sei es mit einer analogen Anwendung von
Art. 20 Abs. 2 OR
(namentlich GAUCH, Die Übervorteilung - Bemerkungen zu
Art. 21 OR
, recht 1989, S. 91 ff., 100; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 754; STARK, Die Übervorteilung im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der
BGE 123 III 292 S. 297
Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Festgabe der schweizerischen Rechtsfakultäten zur Hundertjahrfeier des Bundesgerichts, S. 377 ff., 393 ff.; PAUL PIOTET, JT 1958 I 535 ff.), mit einer aus dem Normzweck gewonnenen teleologischen Reduktion der Rechtsfolge von
Art. 21 OR
unbesehen eines hypothetischen Parteiwillens (namentlich KRAMER, Berner Kommentar, N. 53 zu
Art. 21 OR
; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 16 zu
Art. 21 OR
; HONSELL, a.a.O., S. 295), mit einer über
Art. 20 Abs. 2 OR
hinausreichenden prinzipiell-systematischen Gesetzesauslegung (SPIRO, a.a.O., S. 519 ff.; HAUSHEER, a.a.O., S. 274 ff.) oder mit richterlicher Lückenfüllung nach
Art. 1 Abs. 2 ZGB
(OFTINGER, Betrachtungen über die laesio im schweizerischen Recht, in: Ausgewählte Schriften, S. 155 ff., 171). Die verschiedenen Auffassungen divergieren zwar in dogmatischer Hinsicht, gehen aber teilweise ineinander über und führen in der praktischen Anwendung kaum zu unterschiedlichen Lösungen. Dies namentlich nicht, wenn der in einem Teil der Lehre als Inhaltsmassstab für die Vertragsanpassung in Anschlag gebrachte hypothetische Parteiwille im Sinne von
Art. 20 Abs. 2 OR
von subjektiver Betrachtung gelöst und ausschliesslich normativ am Handeln redlicher Vertragspartner gemessen, d.h. nicht individuell-konkret, sondern normativ objektiviert ermittelt wird (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 700 und 754).
e) Im Grundsatz ist jedenfalls der nunmehr herrschenden Lehre zu folgen:
aa) Die Rechtsfindung hat sich um juristische Erkenntnis zu bemühen, welche die Umsetzung der normativen Vorgaben regelfähig macht. Regelfähigkeit aber fordert nicht allein über den Einzelfall hinausgehende Wiederholbarkeit, sondern auch Widerspruchsfreiheit im Wertungssystem. Gefordert ist eine prinzipiell-systematische Rechtsfindung, die einerseits mit Ausrichtung des Entscheids auf die von der allgemeinen Rechtsüberzeugung getragenen Prinzipien Wiederholbarkeit und damit Rechtssicherheit und anderseits mit dessen Einbindung in das vorgegebene System die erforderliche Kohärenz sicherstellt (vgl. Franz Bydlinski, Über prinzipiell-systematische Rechtsfindung im Privatrecht, Berlin/New York, 1995, passim).
Beruhte das Obligationenrecht des Jahres 1881 noch auf einer «rein geschäftsmässigen Auffassung des Verkehrslebens» (BBl 1905 II 14), wandte bereits die Revision von 1911 - u.a. mit der Einführung des zivilrechtlichen Wuchertatbestands - sich einem vermehrt materialen Vertragsdenken zu, und hat diese Tendenz sich
BGE 123 III 292 S. 298
im sogenannt sozialen Privatrecht kontinuierlich verstärkt. Das Vertragsrecht wird zunehmend «materialisiert», die formale Vertragsfreiheit durch materielle Vertragsgerechtigkeit verdrängt, besonders deutlich etwa in den Gebieten des Miet- und Arbeitsrechts, des Konsumentenschutzes oder der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die zeitgemässe Rechtsüberzeugung ist nicht mehr allein vom Schwarz-weiss-Schema der Gültigkeit oder Nichtigkeit privater Rechtsgestaltung geprägt, sondern fasst immer fester auch in der Grauzone der geltungserhaltenden Reduktion fehlerhafter Kontakte durch richterliche Inhaltskorrektur Fuss. Die Möglichkeit richterlicher Vertragsgestaltung entspricht augenfällig dem Zeitgeist. Daran kann auch die Rechtsanwendung nicht vorbeisehen. Blosse Teilnichtigkeit wucherischer Verträge entspricht damit geltungszeitlichem Grundsatzdenken.
Dieses Ergebnis ist auch systemkonform. Das Gesetz selbst sieht geltungserhaltende Reduktionen verbreitet vor, etwa in
Art. 20 Abs. 2 OR
mit der blossen Teilnichtigkeit unmöglicher, rechts- oder sittenwidriger Verträge, in
Art. 163 Abs. 3 und
Art. 417 OR
mit den herabsetzbaren Konventionalstrafe und Mäklerlohn, in
Art. 269 ff. OR
mit dem anfechtbaren Mietzins, in
Art. 340a Abs. 2 OR
mit dem einzuschränkenden Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag oder in
Art. 356b Abs. 2 OR
mit der richterlichen Korrekturmöglichkeit unangemessener Anschlussbedingungen an einen Gesamtarbeitsvertrag. Auf rechtspolitisch ähnlichen Überlegungen beruht
Art. 25 Abs. 2 OR
, wonach die Unwirksamkeit des irrtumsbehafteten Vertrags gegen den Willen des Kontrahenten nicht weitergehend beansprucht werden kann, als der Irrtum reicht. Die Rechtsprechung ihrerseits hat etwa im Anwendungsbereich von
Art. 27 ZGB
auf geltungserhaltende Reduktion (
BGE 114 II 159
E. 2c) oder im Recht der Willensmängel auf blosse Teilungültigkeit erkannt (
BGE 78 II 216
E. 5,
BGE 107 II 419
E. 3). Damit hat sie in der Lehre jedenfalls im Ergebnis Zustimmung gefunden (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 148 ff. zu Art. 23/24 OR mit weiteren Hinweisen; BUCHER, Berner Kommentar, N. 545 ff. zu
Art. 27 ZGB
). Leitgedanke ist dabei allemal, dass, wo blosses Übermass als unzulässig erscheint, die rechtliche Missachtung sich auf das Übermass beschränkt, mithin die Rechtsfolge der Unwirksamkeit, beruhe sie auf Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit, in solchen Fällen nicht zwingend qualitativ, sondern vorerst quantitativ zu beachten und zu beheben ist (SPIRO, a.a.O., S. 459). Die blosse Teilunwirksamkeit des mangelhaften Rechtsgeschäfts folgt dabei aus dem jeweiligen Normzweck selbst, auf welchen
BGE 123 III 292 S. 299
die Tragweite der anzuwendenden Bestimmung, reiche ihr Wortsinn auch darüber hinaus, teleologisch zu reduzieren ist (HONSELL, a.a.O., S. 288 f. und 295;
BGE 121 III 219
E. 1d/aa). Die blosse Teilunwirksamkeit folgt damit unmittelbar aus der Verbotsnorm, und ein entsprechender hypothetischer Parteiwille ist dem Grundsatz der Teilnichtigkeit nicht vorausgesetzt, sondern hat allenfalls für die Bestimmung der angemessenen Rechtsfolge, d.h. den Inhalt der Ersatzordnung, Bedeutung (SPIRO, a.a.O., S. 459; KRAMER, Berner Kommentar, N. 345 ff. zu
Art. 19-20 OR
; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 61 zu Art. 19/20 und N. 16 zu
Art. 21 OR
). Dies ist allerdings nur dort notwendig, wo nicht bloss ein Übermass rechnerisch-quantitativ zu reduzieren, sondern zusätzlich eine qualitative Vertragsgestaltung erforderlich ist. Richtig besehen ist der gegen eine Gesetzesbestimmung verstossende Vertrag nur dann - und eben auch nur insoweit - nichtig, als diese Folge sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt (
BGE 119 II 222
E. 2;
BGE 121 IV 365
E. 9a).
bb)
Art. 21 OR
markiert die Nahtstelle zwischen
Art. 19 und 20 OR
und den dort statuierten generellen Inhaltsschranken auf der einen sowie der Regelung der Willensmängel gemäss
Art. 23 ff. OR
auf der andern Seite (KRAMER, Berner Kommentar, N. 5 zu
Art. 21 OR
). Sind aber - wie dargelegt - beide Nachbarbereiche auch bloss partieller Unverbindlichkeit zugänglich, ist nicht einzusehen, weshalb der dazwischen liegende Übervorteilungstatbestand von dieser Rechtsfolge ausgenommen sein sollte. Dies wird namentlich dort augenfällig, wo das wucherische Geschäft zugleich eine inhaltsbeschränkende Verbotsnorm verletzt (etwa im Bereich von Höchstpreis- oder Höchstzinsvorschriften;
BGE 93 II 189
, vgl. auch
BGE 115 II 232
E. 4c; KRAMER, Berner Kommentar, N. 63 zu
Art. 21 OR
) und damit jedenfalls nach
Art. 20 Abs. 2 OR
blosser Teilunwirksamkeit zugänglich ist. Hier in
Art. 21 OR
hinsichtlich der möglichen Rechtsfolgen zu differenzieren, lässt sich aus der gesetzlichen Ordnung schlechthin nicht begründen.
cc) Im sozialrelevanten Bereich von Dauerschuldverhältnissen ist zudem zu beachten, dass der Übervorteilte, namentlich wenn er sich bei Abschluss des Vertrags in einer Notlage befand, auf die gegnerische Vertragsleistung in aller Regel angewiesen ist. Wäre aber auch diesfalls die Folge der Anfechtung unausweichlich die totale Unverbindlichkeit des Vertrages, stünde der Übervorteilte allein vor der Wahl, entweder durch Anfechtung die frühere Notlage wiederum herbeizuführen, oder den wucherischen Vertrag als solchen zu
BGE 123 III 292 S. 300
konvaleszieren. Dies kann nicht richtig verstandener Zweck einer auf materielle Vertragsgerechtigkeit mitausgelegten Rechtsordnung sein.
f) Aus all diesen Gründen ist die Rechtsfolge der partiellen Unwirksamkeit auch im wucherischen Vertragsverhältnis zu ermöglichen. Offen bleiben kann dabei die in der Literatur streitige Frage, ob eine geltungserhaltende Reduktion bloss vom Übervorteilten oder ebenfalls vom Übervorteiler beansprucht werden kann, wenn der Anfechtende die weitergehende volle Unwirksamkeit will (verneinend etwa KRAMER, Berner Kommentar, N. 51 zu
Art. 21 OR
; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 755; bejahend etwa BUCHER, a.a.O., S. 235; ENGEL, a.a.O., S. 305; wohl auch MERZ, ZBJV 95/1959, S. 470). Im vorliegenden Fall beruft allein der Anfechtungsberechtigte sich auf eine bloss teilweise Unwirksamkeit des Mietvertrags und steht jedenfalls ihm dieser Anspruch bei gegebenen materiellen Voraussetzungen zu. Insoweit ist das Klagebegehren zulässig.
3.
Für den Fall, dass der Übervorteilungstatbestand entgegen ihrer eigenen Auffassung erfüllt sein sollte, widersetzt die Beklagte sich - mit einem als eventuelle Widerklage zu verstehenden - Eventualbegehren einer geltungserhaltenden Reduktion und beansprucht die totale Unwirksamkeit des Mietvertrags, wobei sie sich auf Willensmängel beruft. Das Begehren ist von vornherein unbegründet. Folgt die Möglichkeit richterlicher Vertragskorrektur im Sinne einer blossen Teilunwirksamkeit unmittelbar aus dem Normzweck von
Art. 21 OR
, kommt dem hypothetischen Parteiwillen - wie erwähnt - höchstens noch für die Neugestaltung des Vertragsinhalts Bedeutung zu, nicht mehr aber für den Grundsatzentscheid. Es widerspräche denn auch klar dem Schutzzweck der Bestimmung, sollte der Wucherer sich unter Berufung auf einen subjektiven hypothetischen Parteiwillen der sachgerechten Anpassung des Vertrags widersetzen können (KRAMER, Berner Kommentar, N. 53 zu
Art. 21 OR
; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 16 zu
Art. 21 OR
). Im übrigen fällt das Ergebnis nicht anders aus, wenn ein hypothetischer Parteiwille auch auf Seiten des Übervorteilers berücksichtigt wird, sofern dieser Wille richtigerweise an einem normativen, an redlichen Vertragspartnern angelegten Massstab und nicht an den subjektiven Vorstellungen des Wucherers orientiert wird (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 754). Dies aber schliesst aus, dass dieser sich erfolgreich mit der Begründung auf Irrtum berufen kann, die wucherische Geschäftsgrundlage sei ihm - für den Kontrahenten erkennbar - wesentlich gewesen. Solchem Vorgehen steht bereits
Art. 24 Abs. 1 OR
entgegen,
BGE 123 III 292 S. 301
wonach die Berufung auf Irrtum unstatthaft ist, wenn sie Treu und Glauben widerspricht. Ebensowenig kann dem notleidenden Bewucherten eine arglistige Täuschung im Sinne von
Art. 28 OR
angelastet werden, wenn er bereits bei Abschluss des wucherischen Vertrags dessen spätere Anfechtung in Aussicht nimmt. Auch dies liefe letztlich auf eine Missachtung des Schutzzweckes von
Art. 21 OR
hinaus. Arglist kann nicht darin liegen, dass ein Verhandlungspartner sich darüber ausschweigt, gesetzeskonform vorgehen zu wollen. Dem Obergericht ist daher keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, wenn es die von der Beklagten eventuell geltend gemachten Willensmängel nicht beachtete.
4.
Zu prüfen bleibt, ob das Obergericht bundesrechtskonform eine Übervorteilung bejaht und gegebenenfalls das Mass der Restwirksamkeit des Mietvertrags richtig bestimmt hat.
Übervorteilung im Sinne von
Art. 21 OR
setzt objektiv ein offenbares Missverhältnis zwischen den Austauschleistungen und subjektiv - soweit hier von Interesse - eine Notlage der benachteiligten Vertragspartei auf der einen und ihre Ausbeutung auf der andern Seite voraus. Das Obergericht hat alle drei Voraussetzungen bejaht und den vertraglichen Mietzins ungefähr auf den Betrag gesenkt, den die Beklagte mit einer Verpachtung des Wieslandes zu landwirtschaftlichen Zwecken erzielen könnte.
5.
Eine Notlage im Sinne von
Art. 21 OR
liegt vor, wenn sich eine Partei bei Vertragsabschluss in starker Bedrängnis, in einer Zwangslage befindet. Die romanischen Gesetzestexte sind insoweit aussagekräftiger als der deutsche, wenn sie das Tatbestandselement mit «gêne» oder - am deutlichsten - mit «bisogni» umschreiben (GAUCH, a.a.O., S. 96). In Betracht fällt dabei nicht nur die wirtschaftliche Bedrängnis, sie kann auch persönlicher, familiärer, politischer oder anderer rechtserheblicher Natur sein (
BGE 61 II 31
E. 2b,
BGE 84 II 107
E. 2; KRAMER, Berner Kommentar, N. 36 zu
Art. 21 OR
; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 11 zu
Art. 21 OR
; STARK, a.a.O., S. 383 ff.). Entscheidend ist, dass ein Verhandlungspartner den Abschluss des für ihn ungünstigen Vertrags gegenüber der Inkaufnahme drohender Nachteile als das kleinere Übel betrachtet (STARK, a.a.O., S. 384; GAUCH, a.a.O., S. 96; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 11 zu
Art. 21 OR
), sofern diese Güterabwägung auch in objektiver Betrachtung (
Art. 2 Abs. 1 ZGB
) als vertretbar erscheint. Auf eine solche Notlage kann sich ebenfalls eine juristische Person berufen (
BGE 84 II 107
E. 2; KRAMER, Berner Kommentar, N. 38 zu
Art. 21 OR
mit Hinweisen; STARK, a.a.O., S. 383 Fn 32).
BGE 123 III 292 S. 302
Das Obergericht hat die Notlage des Klägers mit der Begründung bejaht, der Fussballclub sei zwingend auf einen Spielplatz angewiesen, wolle er nicht seine Lizenz oder gar seine Existenzberechtigung verlieren. Mithin habe er bloss die Wahl gehabt, die Offerte der Beklagten anzunehmen oder ohne Fussballplatz dazustehen. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger hätte den Platz des FC Thayngen benützen können, hat es als unzulässiges Novum zurückgewiesen, zusätzliche Vorbringen um die allgemeine wirtschaftliche Situation des Klägers wurden nicht näher geprüft.
Wenn die Beklagte - in zum Teil neuen und daher ohnehin nicht zu hörenden Sachvorbringen (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
) - eine Notlage des Klägers mit der Begründung in Abrede stellt, dessen wirtschaftliche Situation sei ungeklärt geblieben und erlaube offensichtlich ohne weiteres eine Belastung der Vereinskasse mit dem vereinbarten Mietzins, verkennt sie den auszulegenden Begriff. Einerseits muss die Bedrängnis nicht wirtschaftlicher Natur sein, und anderseits ist nicht zu fragen, ob ein Vertragspartner durch Abschluss des für ihn ungünstigen Vertrags in eine Notlage geraten ist, sondern ob er sich aus einer Notlage heraus gezwungen sah, den mit diesem Inhalt nicht gewollten Vertrag abzuschliessen. In einer Notlage im Sinne von
Art. 21 OR
kann sich daher durchaus auch befinden, wer die Mittel zur Verfügung hat, das geforderte Übermass zu leisten. Nicht zu hören ist die Beklagte sodann mit der Behauptung, dem Kläger hätten Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Da das Obergericht dieses Vorbringen als prozessual verspätet zurückgewiesen hat, gilt es im Berufungsverfahren als neu und damit als unzulässig (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
).
Im Lichte der massgebenden Kriterien wird zwar nicht leichthin davon auszugehen sein, Verträge im Freizeitbereich könnten in einer objektiv rechtserheblichen Notlage geschlossen werden, doch verhält es sich grundsätzlich anders, wenn der Vertragsgegenstand für eine Partei von existentieller Bedeutung ist, selbst wenn ihre Existenz sich allein aus dem Zweck der Freizeitgestaltung herleitet. Indem das objektive Recht dem Verein den idealen Zweck als Grundlage juristischer Existenz genügen lässt, gar als notwendig erachtet (
Art. 60 ZGB
), stellt es von vornherein auch ihm seinen Rechtsbehelf gegen existenzbedrohende Ausbeutung zur Verfügung. Hat das Obergericht aber für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (
Art. 63 Abs. 2 OG
), bei Verlust des Spielplatzes hätte der Kläger seine Lizenz und damit wohl auch seine Existenzberechtigung verloren, hat es in dieser drohenden Gefahr zu Recht einen
BGE 123 III 292 S. 303
Umstand erblickt, welcher als Notlage im Sinne von
Art. 21 OR
zu beachten ist. Insoweit erweist die Berufung sich als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.
6.
Ein objektives Missverhältnis zwischen den Austauschleistungen hat das Obergericht mit der Begründung bejaht, der Fussballplatz liege als zonenwidrige Anlage in der Landwirtschaftszone und könnte daher anderweitig nur als Landwirtschaftsland genutzt werden. Damit aber liesse sich bloss ein Jahrespachtzins von rund Fr. 480.-- bis Fr. 720.-- erzielen. Mit dem vereinbarten Jahresmietzins von Fr. 3'000.-- werde dieses Mass um mehr als 200% überschritten, was in objektiver Hinsicht den zivilrechtlichen Wuchertatbestand erfülle. Damit hat es die vermieterseitige Leistung bundesrechtswidrig bewertet.
a) Zu vergleichen sind Leistung und Gegenleistung nach ihrem objektiven Wert zur Zeit des Vertragsschlusses, der bei Sachleistungen dem damaligen Verkehrswert, der «communis aestimatio», der «valeur courante» entspricht (
BGE 61 II 31
E. 2a,
BGE 92 II 168
E. 2). Auszugehen ist vom Marktpreis gleicher oder jedenfalls vergleichbarer Leistungen, bei dessen Fehlen von anerkannten Bewertungsmassstäben entsprechender Leistungen, solange eine objektive Wertbestimmung aufgrund einigermassen gesicherter Parameter noch möglich ist (KRAMER, Berner Kommentar, N. 21 ff. zu
Art. 21 OR
; GAUCH, a.a.O., S. 95; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 6 zu
Art. 21 OR
; ausserhalb des Marktpreises zurückhaltend BUCHER, a.a.O., S. 231).
b) Bewertungsgegenstand ist das vertraglich Vereinbarte (KRAMER, Berner Kommentar, N. 17 zu
Art. 21 OR
; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 734), mithin weder abweichend davon Geleistetes noch - bei Sachnutzungen - anderweitig Mögliches. Mit andern Worten ist bei der Bewertung des Nutzungswerts einer Mietsache der marktübliche Preis für die vertragskonforme Nutzung zu ermitteln und mit dem streitigen Entgelt zu vergleichen und ist unbeachtlich, welchen Ertrag das Objekt mit einer andern Nutzung abwerfen könnte. Zu fragen ist daher im vorliegenden Fall nach der Marktmiete für einen Fussballplatz und nicht nach dem landwirtschaftlichen Ertrag einer entsprechenden Bodenfläche. Zwar ist das Obergericht zu Recht davon ausgegangen, der Fussballplatz sei an seinem Standort in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform, hat aber ebenso richtig festgestellt, dass er dort als altrechtliche Anlage weiterhin betrieben werden kann. Daraus verbietet sich der Schluss, marktwertbestimmend sei allein die zonenkonforme Ersatznutzung. Es ist gerichtsnotorisch,
BGE 123 III 292 S. 304
dass Verkehrs- und Ertragswert einer zonenwidrig aber rechtmässig genutzten Liegenschaft sich nicht nach der zonenkonformen, sondern nach der effektiven, rechtmässigen Nutzung bemessen. Dies ist auch im Anwendungsbereich von
Art. 21 OR
zu beachten. Wird daher beispielsweise ein rechtmässig zonenfremd genutztes Grundstück in der Landwirtschaftszone verkauft, hat der Preisvergleich sich bei behauptetem Missverhältnis an den Kaufpreisen entsprechend genutzter Liegenschaften in vergleichbarer Lage und nicht am hypothetischen Marktwert derselben, aber landwirtschaftlich genutzten Fläche zu orientieren. Nicht anders verhält es sich bei der Überprüfung von Mietzinsen, erfolge sie nach Art. 269 ff. oder nach
Art. 21 OR
.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang zusätzlich, dass landwirtschaftliche Pachtzinse keine Marktpreise, sondern behördlich kontrollierte und vorgeschriebene Preise sind, die nicht durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Die Preisvorschriften aber sind allein im Interesse der landwirtschaftlichen Pächter und nicht in demjenigen von Fremdnutzern aufgestellt worden. Auch daraus verbietet sich grundsätzlich, sie als Vergleichspreise für eine nichtlandwirtschaftliche Nutzung heranzuziehen.
Demzufolge hat das Obergericht den als massgebend erachteten Vergleichs- oder Marktpreis bundesrechtswidrig ermittelt. Insoweit ist die Berufung begründet und das angefochtene Urteil aufzuheben. Da im angefochtenen Entscheid tatsächliche Feststellungen zum massgebenden Marktwert der vertraglichen Nutzung fehlen, ist die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
c) Der vereinbarte Jahresmietzins von Fr. 3'000.-- für eine Bodenfläche von 12'015 m2 entspricht der Verzinsung eines Bodenwerts von rund Fr. 5.--/m2 zu 5%. Das Obergericht wird in seinem neuen Entscheid nach Massgabe der nach
Art. 66 OG
und dem dort vorbehaltenen kantonalen Prozessrecht zu beachtenden Vorbringen zu prüfen haben, ob ein Entgelt in dieser Höhe von der marktüblichen Entschädigung für die Nutzung eines Fussballplatzes in vergleichbarer Lage derart abweicht, dass im Rahmen des richterlichen Ermessens (
Art. 4 ZGB
) von einer offenbaren Leistungsinäquivalenz im streitigen Mietverhältnis auszugehen ist (dazu KRAMER, Berner Kommentar, N. 25 ff. zu
Art. 21 OR
). Fehlen aussagekräftige Vergleichspreise aus einschlägigen Mietverhältnissen, wird auf andere Bewertungskriterien auszuweichen sein, vorab auf den angemessenen Landwert unter Berücksichtigung der zonenfremden
BGE 123 III 292 S. 305
Nutzung und eine übliche Verzinsung nach den Marktsätzen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
7.
Bei weiterhin bejahtem offenbarem Missverhältnis der Austauschleistungen wird das Obergericht zudem zu prüfen haben, ob auch unter den neuen Gegebenheiten das Tatbestandselement der Ausbeutung zu bejahen ist, d.h., ob die Beklagte die Entscheidungsschwäche des Klägers in Kenntnis der offenbaren Inäquivalenz der Leistungen «missbraucht» hat (dazu KRAMER, Berner Kommentar, N. 33 zu
Art. 21 OR
; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 14 zu
Art. 21 OR
; GAUCH, a.a.O., S. 98). Dabei bleibt allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten unbeachtlich, dass der Kläger an den Vertragsverhandlungen aktiv mitwirkte und seinerseits einen Jahresmietzins von Fr. 2'000.-- anbot; Ausbeutung setzt nicht voraus, dass die Anregung zum Vertragsschluss vom Übervorteilenden ausgegangen ist (KRAMER, Berner Kommentar, N. 33 zu
Art. 21 OR
; GAUCH, a.a.O., S. 98).
8.
Nach dem Gesagten wird das Obergericht, sollte es den Übervorteilungstatbestand erneut bejahen, den Mietzins herabzusetzen haben, wobei es im angefochtenen Entscheid unangefochten davon ausgegangen ist, massgebend sei alsdann das marktübliche Durchschnittsentgelt und nicht der unter dem Gesichtspunkt des Wuchers gerade noch zulässige aber immer noch inäquivalente Preis. Für diese Auffassung spricht wiederum der Schutzzweck von
Art. 21 OR
. Danach soll der Wucherer nicht risikolos davon ausgehen dürfen, das privatrechtlich höchstzulässige Entgelt sei ihm jedenfalls und unbesehen seiner Ausbeutung garantiert (KRAMER, Berner Kommentar, N. 52 zu
Art. 21 OR
mit Hinweisen; HUGUENIN JACOBS, a.a.O., N. 16 zu
Art. 21 OR
). Dagegen liesse sich allerdings einwenden,
Art. 21 OR
sei keine Strafnorm und erfordere nicht mehr als die Vermeidung von Wucher. Dies würde im Einklang etwa mit der Rechtsprechung zur Verletzung von Höchstzinsvorschriften stehen, wonach ein übersetzter Zins regelmässig nicht auf das übliche Durchschnittsmass, sondern auf das gesetzliche Höchstmass, z.B. das konkordatsrechtliche von 18%, reduziert wird (
BGE 93 II 189
). Die Frage kann indes im vorliegenden Fall offen bleiben, da insoweit die Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht beanstandet wurde. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3f714a5b-7fa7-4bb4-851b-1079382ff8ef | Urteilskopf
105 V 86
20. Urteil vom 18. April 1979 i.S. Loretz gegen Allgemeine Krankenkasse Zürich und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 5 Abs. 1 KUVG
. Aus wichtigen Gründen darf der Versicherte mit sofortiger Wirkung aus der Kasse austreten. Analoge Anwendung des Zivilrechts mangels besonderer Vorschriften über den sofortigen Austritt.
Art. 6bis KUVG
. Wenn die Kassenstatuten eine Zahlungsaufforderung für rückständige Monatsbeiträge vorschreiben und an ihre Nichtbefolgung Sanktionen knüpfen, so darf diese Aufforderung nicht vor Ablauf des in den Statuten festgelegten Termins erfolgen.
Art. 156 Abs. 3 OG
. Wenn sich die unterliegende Partei durch das rechtswidrige Verhalten der obsiegenden Gegenpartei zur Prozessführung veranlasst sehen durfte, so dürfen auch der obsiegenden Partei Gerichtskosten auferlegt werden. | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 105 V 86 S. 87
A.-
Seit Juli 1976 entrichtete Hans Loretz der Allgemeinen Krankenkasse Zürich die Prämien für sich und seine Familienangehörigen mit Verspätung, wobei er durch die Kasse mehrmals hatte gemahnt werden müssen. Am 8. Juli 1977 mahnte ihn die Kasse für die Prämien der Monate April bis Juni 1977. Der Mahnung waren ein bereits ausgefüllter Einzahlungsschein für den Betrag von Fr. 255.-- und ein weiterer Einzahlungsschein für die Prämien des 3. Quartals, ausgestellt auf den Betrag von Fr. 207.90, beigelegt. Am 29. Juli 1977 bezahlte Hans Loretz die Prämien für das 2. Quartal, während er jene für das 3. Quartal, die ebenfalls fällig waren, schuldig blieb.
In der zweiten Hälfte des Monats September 1977 verlangte der Versicherte bei der Kasse einen Krankenschein, der ihm jedoch verweigert wurde mit dem Hinweis, er habe seit Juli 1977 keine Beiträge mehr entrichtet. In der Folge teilte er am 28. September 1977 der Kasse mit, dass er mit sofortiger Wirkung aus ihr austrete.
Am 19. Oktober 1977 erhob die Kasse von Hans Loretz verfügungsweise die Prämien für die Monate Juli bis Oktober 1977 in der Höhe von Fr. 280.40 (inkl. Spesen von Fr. 3.20). Die Verfügung trug den Vermerk: "Austritt per 31. Oktober 1977!!"
B.-
Hans Loretz beschwerte sich gegen diese Verfügung beim Versicherungsgericht des Kantons Zürich, indem er beantragte, die Kassenverfügung sei ungültig zu erklären.
Die Vorinstanz hat die Beschwerde am 17. Januar 1978 abgewiesen.
C.-
Gegen diesen Entscheid führt Hans Loretz Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er erneuert seinen Antrag auf Ungültigerklärung der Kassenverfügung mit der Begründung, die Kasse hätte nicht ohne vorgängige Aufforderung zur Bezahlung der ausstehenden Prämien die Leistungen verweigern dürfen.
Die Kasse trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie ist der Auffassung, sie sei dadurch, dass sie dem Beschwerdeführer am 8. Juli 1977 auch einen Einzahlungsschein für die Prämien der Monate Juli bis September 1977 gesandt habe, ihrer statutarischen Pflicht zur Zahlungsaufforderung nachgekommen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei, soweit mit ihr die Prämienzahlungspflicht beanstandet werde, abzuweisen.
BGE 105 V 86 S. 88
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 69 Ziff. 1 der Kassen-Statuten haben die Mitglieder "in gesunden und kranken Tagen vierteljährlich, jedoch mindestens monatlich zum voraus, Prämien für die einzelnen Versicherungsabteilungen zu entrichten". Ferner bestimmt Art. 19 der Statuten, dass ein Mitglied unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist je auf Ende eines Monats schriftlich seinen Austritt aus der Kasse erklären kann, wobei es bis und mit dem Monat des Austritts die Beiträge bezahlen muss. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Beschwerdeführer überhaupt berechtigt war, seinen sofortigen Austritt aus der Kasse zu erklären mit der Wirkung, dass er nicht mehr prämienpflichtig war. Er begründet seinen Schritt unter Berufung auf Art. 71 der Kassen-Statuten damit, dass die Kasse ihm Leistungen verweigert habe, ohne ihn vorher zur Zahlung der rückständigen Prämien aufgefordert zu haben.
2.
Weder die Kassen-Statuten noch das KUVG mit seinen Vollzugserlassen äussern sich dazu, ob ein Mitglied unter gewissen Voraussetzungen berechtigt ist, mit sofortiger Wirkung, d.h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, aus der Kasse auszutreten. Es rechtfertigt sich deshalb, diese Frage anhand der im Zivilrecht geltenden Grundsätze zu beantworten, soweit diese sich mit dem Sozialversicherungsrecht vereinbaren lassen (vgl. das unveröffentlichte Urteil vom 3. Juni 1977 i.S. Augsburger). Sowohl für die Vereine als auch für die Genossenschaften hat die Rechtsprechung anerkannt, dass der sofortige Austritt möglich ist, wenn wichtige Gründe gegeben sind, d.h. wenn die Umstände das weitere Verbleiben im betreffenden Rechtsverhältnis unzumutbar machen (
BGE 89 II 153
und
BGE 71 II 197
; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische ZGB, 9. Aufl., S. 121). In analoger Weise muss dem Mitglied einer Krankenkasse das Recht zustehen, aus wichtigen Gründen mit sofortiger Wirkung aus der Kasse auszutreten. Als wichtiger Grund gilt eine Tatsache, die es als unzumutbar erscheinen lässt, dass das Mitglied noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der Krankenkasse angehört. Ob eine solche Tatsache vorliegt, muss im konkreten Fall unter Würdigung aller Umstände nach vernünftigem Ermessen beurteilt werden.
Hans Loretz erklärte am 28. September 1977 den sofortigen Austritt aus der Kasse, weil ihm diese durch Verweigerung
BGE 105 V 86 S. 89
eines Krankenscheins Versicherungsleistungen verweigert habe. Gemäss Art. 71 Ziff. 1 der Statuten kann die Kasse Leistungen erst verweigern, wenn das Mitglied mit mindestens zwei Monatsbeiträgen im Rückstand und einer Zahlungsaufforderung nicht innert Monatsfrist nachgekommen ist. Als der Beschwerdeführer in der zweiten Hälfte des Monats September 1977 den Krankenschein verlangte, schuldete er der Kasse noch die Beiträge für die Monate Juli bis September 1977. Für diese Rückstände hatte er bis zu jenem Zeitpunkt von der Kasse noch keine Zahlungsaufforderung erhalten. Denn die am 8. Juli 1977 erfolgte Zustellung eines Einzahlungsscheines für die Monatsprämien Juli bis September 1977 kann - entgegen der Auffassung der Kasse - schon deshalb nicht als Zahlungsaufforderung im Sinne von Art. 71 Ziff. 1 betrachtet werden, weil der Prämienschuldner erst zur Bezahlung aufgefordert werden kann, nachdem er mit zwei Monatsbeiträgen in Rückstand geraten ist. Fehlte es aber an der statutarisch vorgeschriebenen Zahlungsaufforderung nach Ablauf der Monate Juli und August, für welche damals die Prämien noch nicht bezahlt waren, so hätte die Kasse Ende September 1977 ihre Leistungen nicht verweigern dürfen.
Wenn die Kasse dennoch durch Verweigerung des Krankenscheins den Anspruch des Hans Loretz auf Versicherungsleistungen verneinen wollte, so hätte sich dieser durch eine Beschwerde im Sinne von Art. 89 der Kassen-Statuten bzw.
Art. 30 KUVG
dagegen zur Wehr setzen können. Daher bildete das Verhalten der Kasse keinen wichtigen Grund, welcher Hans Loretz berechtigt hätte, ohne Einhaltung der statutarischen Kündigungsfrist sofort aus der Kasse auszutreten. Demzufolge blieb er noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Oktober 1977 Kassenmitglied. Das hat zur Folge, dass er bis zu diesem Zeitpunkt prämienpflichtig war. Somit hat es bei der Kassenverfügung vom 19. Oktober 1977 sein Bewenden.
3.
...
4.
Gemäss Art. 156 werden die Gerichtskosten in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Abs. 1). Abs. 3 desselben Artikels sieht ferner vor, dass die Kosten verhältnismässig verlegt werden können, wenn keine Partei vollständig obsiegt hat oder wenn sich die unterliegende Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst sehen durfte.
BGE 105 V 86 S. 90
Die Kasse war nicht berechtigt, dem Beschwerdeführer ohne vorgängige Zahlungsaufforderung in der zweiten Hälfte September 1977 Leistungen zu verweigern. Durch ihr rechtswidriges Verhalten gab sie ihm Anlass, seinen sofortigen Austritt aus der Kasse zu erklären und die im Oktober 1977 erfolgte verfügungsweise Prämiennachforderung beschwerdeweise anzufechten. Hans Loretz konnte sich also in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst sehen, weshalb die Kosten des Verfahrens vor dem Eidg. Versicherungsgericht auf beide Parteien verhältnismässig zu verlegen sind.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. Die Gerichtskosten von Fr. ... werden je zur Hälfte dem Beschwerdeführer und der Allgemeinen Krankenkasse auferlegt. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3f7c0e3c-0e5a-43b3-a879-b4234e253c96 | Urteilskopf
98 IV 209
40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. September 1972 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen A. | Regeste
Art. 273 StGB
, Wirtschaftlicher Nachrichtendienst.
1. Begriff des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses (Erw. 1a).
2. Im wirtschaftlichen Nachrichtendienst für einen ausländischen Adressaten zum Nachteil eines in der Schweiz ansässigen Unternehmens liegt eine mittelbare Verletzung oder Gefährdung gesamtschweizerischer Interessen (Erw. 1 b).
3. Der wirtschaftliche Nachrichtendienst stellt ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar (Erw. 1c). | Erwägungen
ab Seite 209
BGE 98 IV 209 S. 209
Aus den Erwägungen:
1.
a) Des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes gemäss
Art. 273 StGB
macht sich schuldig, "wer ein Fabrikations-
BGE 98 IV 209 S. 210
oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen" (Abs. 1), oder "wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich macht" (Abs. 2).
Damit
Art. 273 StGB
zur Anwendung kommen kann, muss der Täter ein "Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis" ausgekundschaftet bzw. zugänglich gemacht haben. InBGE 65 I 50umschrieb das Bundesgericht den Begriff des "Geschäftsgeheimnisses" dahingehend, dass es sich dabei um bestimmte wirtschaftliche Vorgänge handle, deren Geheimhaltung der Geheimnisträger will, und an deren Geheimhaltung er nach schweizerischer Auffassung ein schützenswertes Interesse hat. Im gleichen Jahr brachte es diesen Begriff noch auf eine einfachere Formel, indem es festhielt, der Ausdruck "Geschäftsgeheimnis" umfasse "alle Tatsachen des wirtschaftlichen Lebens, an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse bestehe" (
BGE 65 I 333
). Diese Auslegung ist in der Folge immer wieder bestätigt worden (
BGE 71 IV 218
,
BGE 74 IV 103
und 206,
BGE 85 IV 139
,
BGE 95 I 449
).
b) Wie die Beschwerdeführerin mit Recht geltend macht, hat die Vorinstanz den Begriff des Schutzbereiches verkannt, wenn sie untersucht, ob mit der Bekanntgabe des Briefes Dr. X. an Y. schützenswerte Interessen der Firma Z. AG an dessen Geheimhaltung verletzt worden seien, die in irgendeiner Weise Reflexwirkungen auf gesamtschweizerische Wirtschaftsinteressen haben könnten. Gewiss ahndet
Art. 273 StGB
ein Delikt gegen den Staat, wie das schon aus seiner Stellung im 13. Titel des Strafgesetzbuches ersichtlich wird. Der Staat hat ein Interesse daran, das die unter seiner Gebietshoheit stehenden Personen gegen die Auskundschaftung und den Verrat von wirtschaftlichen Belangen geschützt seien (
BGE 85 IV 141
und dort angeführte Entscheide). Wer einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmungen oder deren Agenten ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis preisgibt, beeinträchtigt indessen schon dadurch die Interessen der nationalen Volkswirtschaft (
BGE 74 IV 208
ff.), denn jeder schweizerische Geschäftsbetrieb bildet einen Teil der gesamten schweizerischen Wirtschaft (LAMM, Wirtschaftlicher Nachrichtendiesnt, BJM August 1957, S. 193 und 196). Die
BGE 98 IV 209 S. 211
gegen diese Rechtsprechung vorgebrachte Kritik erweist sich bei näherer Prüfung als verfehlt, da sie den angeführten Bundesgerichtsentscheid offenbar unrichtig verstanden bzw. daraus falsche Schlüsse gezogen hat (LOHNER, Der verbotene Nachrichtendienst, ZStR Bd. 83, 1967, S. 135; HUG, Der wirtschaftliche Nachrichtendienst im schweiz. Recht, Berner Diss. 1961, S. 69; LÜTHI, Zur neueren Rechtsprechung über Delikte gegen den Staat, ZStR Bd. 69, 1954, S. 331). Der Kassationshof erklärte damals nicht, dass zur Anwendung im Einzelfall die Verletzung oder Gefährdung privater Interessen genüge, und dass eine Verletzung oder Gefährdung der Landesinteressen daher nicht vorausgesetzt sei. Vielmehr stellte er fest, dass der wirtschaftliche Nachrichtendienst für einen ausländischen Adressaten gleichzeitig sowohl die betroffene Privatunternehmung als auch die gesamtschweizerischen Interessen beeinträchtige, was dessen Verfolgung durch den Staat rechtfertige (
BGE 74 IV 209
).
Im übrigen erscheint schon der Wortlaut des
Art. 273 StGB
unzweideutig: Er setzt eine unmittelbare Verletzung oder Gefährdung der staatlichen Interessen nicht voraus. Denn in jedem wirtschaftlichen Nachrichtendienst zum Nachteil eines in der Schweiz ansässigen Unternehmens zu Gunsten des Auslandes liegt notwendigerweise eine mittelbare Verletzung oder Gefährdung der staatlichen Interessen, was zur Erfüllung des Tatbestandes von
Art. 273 StGB
genügt. Im vorliegenden Fall hat die Verkennung dieses Begriffes allerdings die Entscheidung der Vorinstanz nicht beeinflusst.
c) Zu Recht führt die Bundesanwaltschaft ferner aus,
Art. 273 StGB
ahnde nicht ein Verletzungs- oder zumindest ein konkretes Gefährdungsdelikt. Weder Wortlaut noch Sinn des Gesetzes sehen vor, dass die Preisgabe des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses auch wirklich zu einer Schädigung oder Gefährdung der materiellen Interessen des Geheimnisherrn geführt haben müsse. Einerseits dürfte dieser Nachweis vielfach nur schwerlich zu erbringen sein; andererseits würde dies oft einzig durch die Bekanntgabe eben dieses Geheimnisses gelingen, was nicht der Sinn dieser Gesetzesbestimmung sein kann. Der wirtschaftliche Nachrichtendienst stellt somit ein abstraktes Gefährdungsdelikt dar (SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. A. S. 479 oben), gleich wie die übrigen Tatbestände desselben Abschnitts (
BGE 74 IV 203
;
BGE 80 IV 88
lit. c;
BGE 89 IV 207
E 2 b). | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3f803df7-7dbf-4665-a257-e5a267d03744 | Urteilskopf
109 IV 1
1. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 8 mars 1983 dans la cause Procureur général du canton de Genève c. X. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 7 StGB
, Ubiquitätstheorie, Erfolg des Betruges.
Beim Betrug ist auch der Ort, wo die beabsichtigte Bereicherung eingetreten ist bzw. eintreten sollte, Ort des Erfolges und damit Begehungsort im Sinne von
Art. 7 StGB
. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 109 IV 1 S. 1
A.-
Dans les années 1973/74, X. exerçait la fonction de directeur financier et commercial de la société Z. dont le siège se trouve aux Etats-Unis. A cette époque, la société Z. désirait construire une fabrique de poudre spéciale pour munitions à Taiwan. X. était chargé des pourparlers avec l'intermédiaire de la société Z. en Chine nationaliste, la société Y. Co Ltd.
Au début de 1974, Y. Co Ltd aurait demandé à la société Z. une commission uniforme de 4% alors qu'un pourcentage dégressif de 5 à 2% avait été initialement prévu. La société Z. accuse X. d'avoir abusé de sa situation de négociateur en poussant la société chinoise à requérir cette augmentation et d'avoir obtenu que 70'000 $ soient versés par la société Z. sur un compte numéroté ouvert au nom de X. dans une banque de Genève. Il aurait fait croire à Y. Co Ltd qu'il agissait pour la société Z. et que cette société était bien le titulaire du compte genevois. Ainsi, la société Z. aurait été amenée
BGE 109 IV 1 S. 2
à faire un acte de disposition contraire à ses intérêts alors que X. se serait procuré un enrichissement illégitime de 70'000 $. Il aurait ainsi commis une escroquerie.
B.-
Le 25 juin 1982, la Chambre d'accusation de Genève a renvoyé X. pour les faits précités devant la Cour correctionnelle siégeant avec le concours du jury.
X. s'est pourvu en cassation contre cette ordonnance. Le 3 décembre 1982, la Cour de cassation du canton de Genève a admis son pourvoi et a annulé l'ordonnance de renvoi du 25 juin 1982 motif pris de l'incompétence des autorités suisses à raison du lieu.
Le Procureur général du canton de Genève a formé un pourvoi en nullité au Tribunal fédéral; il conclut à l'annulation de l'arrêt de la Cour de cassation cantonale et au renvoi à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
C.-
X. conclut quant à lui au rejet du pourvoi en nullité déposé par le Procureur général.
D.-
En 1979, le Tribunal fédéral a déjà eu à connaître de la présente affaire dans le cadre d'un recours de droit public déposé contre une décision de la Chambre d'accusation enjoignant au Procureur général de reprendre, contre X., la procédure pénale qui avait été classée par ce magistrat pour incompétence à raison du lieu. Par arrêt du 20 avril 1979, la 1re Cour de droit public a jugé qu'il n'était pas arbitraire de penser qu'un délit tel que l'escroquerie puisse être considéré comme réalisé là où l'enrichissement se concrétise ni d'estimer que la jurisprudence du Tribunal fédéral penchait vers cette solution; la question de la détermination du for de l'action pénale n'a toutefois pas été examinée en détail.
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
Les actes reprochés à X., qui ont conduit les autorités à retenir la prévention d'escroquerie, ont été commis aux Etats-Unis et à Taiwan ainsi que par correspondance échangée entre les deux pays. Les seuls points de l'état de fait qui se rapportent à la Suisse sont l'ouverture d'un compte bancaire à Genève et le fait que les présumées victimes ont été amenées à verser 70'000 $ sur ledit compte. Il convient en conséquence de savoir si ouvrir un compte en Suisse pour y accueillir des fonds qui auraient été obtenus par une escroquerie suffit, après réception de l'argent, pour fonder la compétence des juridictions pénales helvétiques.
BGE 109 IV 1 S. 3
a) En l'espèce, c'est uniquement sur la base du principe de la territorialité - art. 3 en liaison avec l'
art. 7 CP
- qu'il s'agit d'examiner le problème de la souveraineté de la Suisse; la compétence des autorités helvétiques est admise si l'activité incriminée s'est exercée au moins partiellement dans notre pays. Aux termes de l'
art. 7 CP
, l'infraction est réputée commise "tant au lieu où l'auteur a agi qu'au lieu où le résultat s'est produit" (principe de l'ubiquité).
b) Anciennement, la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral ne limitait pas la notion de résultat, telle que l'
art. 7 CP
la prévoit, aux seuls effets constitutifs de l'infraction mais prenait aussi en considération les conséquences - au sens le plus large - qui font que le législateur a voulu réprimer l'acte visé. A la suite de critiques exprimées par SCHULTZ (RPS 72 p. 313 ss; RJB 99 p. 42 ss; 102 pp. 331/332; 108 p. 336) la jurisprudence a été modifiée (
ATF 105 IV 326
): dans ce sens, le résultat désigne une modification du monde extérieur, imputable à l'auteur et faisant partie des éléments constitutifs de l'infraction. Il ne peut ainsi y avoir de résultat au sens technique que pour une seule sorte d'actes punissables, à savoir les délits matériels (Erfolgsdelikte). Il s'ensuit que pour les délits formels (schlichte Tätigkeitsdelikte) - comme la bigamie réprimée par l'
art. 215 CP
- on ne saurait distinguer le résultat de l'action même de l'auteur, si bien que le lieu où se trouve le titulaire des biens juridiques atteints ou menacés ne peut à lui seul constituer un for.
c) En l'espèce, c'est à partir de cette nouvelle définition du résultat au sens de l'
art. 7 CP
qu'il sied de raisonner. L'escroquerie est un délit matériel à double résultat (kupiertes Erfolgsdelikt; voir STRATENWERTH, Allg. Teil, p. 170 ss): le premier est constitué par l'appauvrissement de la victime, le second est l'enrichissement dont seul le dessein - à l'exclusion de la réalisation - est un élément constitutif de l'infraction. En l'espèce, c'est ce second résultat qui est en relation avec la Suisse. Il faut ainsi déterminer si, en présence d'un tel délit intentionnel, le lieu où devait se produire le résultat recherché par l'auteur (où il s'est peut-être, suivant le cas, produit) doit également être considéré comme le lieu du résultat de l'infraction prise dans son ensemble (SCHWANDER, Das Territorialitätsprinzip im schweizerischen Strafrecht, in Recueil des travaux suisses présentés au VIIIe Congrès international de droit comparé, Bâle 1970 p. 369 ss).
Il convient de répondre par l'affirmative à cette question. Il n'y a pas de raison de considérer qu'il y aurait une opposition entre
BGE 109 IV 1 S. 4
la notion de résultat recherché par l'auteur et celle de résultat au sens de l'
art. 7 CP
, cela sous prétexte que le législateur n'a pas fait dépendre formellement la réalisation de l'escroquerie de la réalisation effective de l'enrichissement voulu par l'auteur. Même s'il est vrai que la notion de résultat s'est très nettement restreinte à la suite de la modification de la jurisprudence et ne peut plus s'étendre aux simples effets de l'infraction sur le bien protégé, il faut néanmoins admettre la compétence de la Suisse en matière d'escroquerie dès que l'auteur voulait que l'enrichissement qu'il recherchait se produise en Suisse et que cet enrichissement s'y est effectivement produit. On dispose ainsi d'un point de rattachement territorial précis et clair; grâce à l'introduction, dans la notion de résultat de l'
art. 7 CP
, d'un élément nécessaire du plan d'action de l'auteur, mais pas indispensable comme élément objectif pour la réalisation formelle de l'infraction, une extension démesurée du principe de la territorialité n'est pas à craindre.
d) En l'espèce, les éléments formels de l'escroquerie alléguée (tromperie astucieuse, atteinte aux intérêts pécuniaires) n'ont aucun lien avec la Suisse; en revanche, l'enrichissement illégitime recherché par l'auteur devait se produire dans ce pays; il s'y est d'ailleurs effectivement concrétisé. X. ne pouvait disposer des 70'000 $ qu'après que ce montant eut été viré sur son compte numéroté ouvert à Genève. Ainsi, la Suisse apparaît comme un lieu où l'infraction a été commise au sens de l'
art. 7 CP
(ce qui fonde sa compétence), dans la mesure où la réalisation de l'enrichissement recherché constitue le résultat de l'infraction déterminant au sens de cette disposition, cela quand bien même la réalisation matérielle du délit ne présuppose pas l'acquisition de l'enrichissement que voulait l'auteur.
4.
Dès lors, en jugeant les autorités suisses incompétentes à raison du lieu, l'autorité cantonale a violé les
art. 3 et 7 CP
. Le pourvoi en nullité doit en conséquence être admis. | null | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3f8ae244-b31b-4304-8af5-91a6ea3254f5 | Urteilskopf
134 II 249
30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Procap gegen Y. AG, Gemeinderat Grub und Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell A.Rh. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_48/2008 vom 9. Juli 2008 | Regeste
Art. 8 Abs. 2,
Art. 35 Abs. 3,
Art. 190 BV
; Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG); Art. 117 BauG/AR; Erneuerung von öffentlich zugänglichen Bauten oder Anlagen.
Auslegung des Begriffs des Zugangs gemäss
Art. 2 Abs. 3 BehiG
bei Bauten und Anlagen im Sinne von
Art. 3 lit. a BehiG
(E. 3.3). Verhältnis von Art. 3 lit. a zu
Art. 7 Abs. 1 BehiG
(E. 3.4 und 3.5). Umfang der Anpassungspflicht nach
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
, wenn nur ein Teil der öffentlich zugänglichen Bereiche des Gebäudes bzw. der entsprechenden Anlagen erneuert wird (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 250
BGE 134 II 249 S. 250
Die Y. AG ist Eigentümerin einer Badeanstalt in der Gemeinde Grub (AR). Der für das Publikum bestimmte Eingang erschliesst das Innenbad im Erdgeschoss, das Aussenbad und einen Saunabetrieb im Untergeschoss (im Folgenden: alte Sauna). Am 12. Mai 2006 erteilte der Gemeinderat Grub der Y. AG die Baubewilligung für einen Um- und Anbau im Untergeschoss; in diesem Rahmen soll - auf der gegenüberliegenden Seite der alten Sauna - ein weiterer Saunabetrieb (im Folgenden: neue Sauna) eingerichtet werden. Das Publikum gelangt zur neuen Sauna ausschliesslich über eine vorbestehende Treppe ab dem Innenbad.
Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens für die neue Sauna verlangte die Procap (ehemals: Schweizerischer Invaliden-Verband) die uneingeschränkte und ungehinderte Zugänglichkeit und Benützbarkeit der ganzen Anlage für Mobilitätsbehinderte und Sinnesbehinderte und legte eine entsprechende Einsprache ein. Der Gemeinderat erachtete das Anliegen für den Bereich der neuen Sauna und unter Berücksichtigung des eingerichteten Plattformlifts für die Treppe zwischen neuer Sauna und Innenbad als erfüllt; insoweit erklärte er die Einsprache am 12. Mai 2006 für gegenstandslos. Gleichzeitig lehnte er das Begehren ab, soweit es das Erdgeschoss betraf.
Die Procap rekurrierte gegen den kommunalen Entscheid an das Departement Bau und Umwelt des Kantons Appenzell A.Rh. Mit Entscheid vom 15. August 2006 hiess das Departement den Rekurs teilweise gut. Es erwog zusammengefasst, nicht nur der Anbau selbst, sondern auch alle der Nutzung dieses Gebäudeteils dienenden Bereiche des Hauptbaus hätten behindertengerechten Anforderungen zu entsprechen. Dies sei jedoch bei den bestehenden Badeanlagen nicht der Fall; sie müssten nicht angepasst werden.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell A.Rh. wies die gegen den Rekursentscheid erhobene Beschwerde der Procap mit Urteil vom 30. Mai 2007 in der Sache ab. Dabei stellte es fest, dass insoweit nur noch die Forderung nach Einstieghilfen in das Innen- und das Aussenbad umstritten war.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Procap gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab.
BGE 134 II 249 S. 251
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob es eine Diskriminierung von Mobilitätsbehinderten bedeutet, wenn die Bauherrschaft im Rahmen des Projekts für die neue Sauna nicht verpflichtet wird, auch die vorbestehenden Becken des Hallen- und des Freibads mit geeigneten Einstieghilfen auszustatten. Dabei macht die Beschwerdeführerin ausschliesslich eine Verletzung von Bundesrecht geltend. Ihre Rügen betreffen das Diskriminierungsverbot nach
Art. 8 Abs. 2 BV
sowie Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG; SR 151.3). Derartige Rügen sind nach
Art. 95 lit. a BGG
zulässig (vgl.
BGE 133 I 201
E. 1 S. 203).
2.2
Die Normen des BehiG geben - von hier nicht betroffenen Ausnahmen abgesehen - lediglich grundsätzliche Regeln und Rahmenbedingungen zur Umschreibung des Diskriminierungsverbots gegenüber Behinderten vor; diese Bestimmungen erfordern kantonalrechtliche materielle Bauvorschriften, um im konkreten Fall anwendbar zu sein (vgl.
BGE 132 I 82
E. 2.3.2 und 2.3.3 S. 84 f.). Das angefochtene Urteil stützt sich denn auch zur Hauptsache auf die kantonale Baugesetzgebung. Das kantonale Baugesetz vom 12. Mai 2003 (BauG/AR; bGS 721.1) ist - wie das BehiG - am 1. Januar 2004 in Kraft getreten. In Art. 117 BauG/AR sind Vorschriften für eine behindertengerechte Bauweise, unter anderem für Bauten mit Publikumsverkehr und öffentlichem Zugang, verankert. Nach Art. 117 Abs. 1 BauG/AR sind derartige Bauten und Anlagen so zu gestalten, dass ihre Benützung auch Personen mit Behinderungen möglich ist. Mit Bezug auf Umbauten regelt Art. 117 Abs. 2 BauG/AR, dass auf eine behindertengerechte Bauweise verzichtet werden kann, wenn der Aufwand und die Mehrkosten unverhältnismässig wären oder denkmalpflegerische Gründe dagegen sprechen. Die Beschwerdeführerin geht mit dem angefochtenen Urteil so weit einig, dass das einschlägige kantonale Recht im Hinblick auf die Forderung, auch die Becken des Heilbads nachzurüsten, nicht über die in
Art. 8 Abs. 2 BV
bzw. im BehiG enthaltenen Mindestvorgaben hinausgeht.
2.3
Die Auslegung von
Art. 8 Abs. 2 BV
und des BehiG prüft das Bundesgericht frei. In diesem Zusammenhang ist aber
Art. 190 BV
zu beachten, wonach Bundesgesetze für das Bundesgericht
BGE 134 II 249 S. 252
massgebend sind. Das schliesst die Anwendung allgemein anerkannter Auslegungsprinzipien nicht aus (vgl.
BGE 133 II 305
E. 5.2 S. 310 mit Hinweisen). Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Dabei dienen die Gesetzesmaterialien als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (vgl.
BGE 133 V 9
E. 3.1 S. 10 f. mit Hinweisen). Sind mehrere Lösungen denkbar, ist jene zu wählen, die der Verfassung entspricht. Allerdings findet die verfassungskonforme Auslegung - auch bei festgestellter Verfassungswidrigkeit - im klaren Wortlaut und Sinn einer Gesetzesbestimmung ihre Schranke (vgl.
BGE 131 II 217
E. 2.3 S. 221,
BGE 131 II 697
E. 4.1 S. 703, je mit Hinweisen).
3.
3.1
Das Diskriminierungsverbot (
Art. 8 Abs. 2 BV
) verbietet dem Staat, Menschen wegen ihrer Behinderung qualifiziert ungleich zu behandeln, indem an das Merkmal der Behinderung eine Benachteiligung geknüpft wird, die als Herabwürdigung oder Ausgrenzung zu verstehen ist (vgl.
BGE 134 I 105
E. 5 S. 108 mit Hinweisen). Am Ausgangspunkt der vorliegenden Auseinandersetzung steht indessen nicht eine staatliche Diskriminierung; der Streit betrifft vielmehr die behördliche Schutzpflicht im Verhältnis unter Privaten. Geklärt werden soll, in welchem Umfang - mittels Auflagen im Rahmen einer Baubewilligung - eine faktische Benachteiligung von Behinderten auszugleichen ist, damit diese ein zwar öffentlich zugängliches, aber privates Gebäude benutzen können. Im Unterschied zu
Art. 8 Abs. 3 BV
(Gleichberechtigung von Mann und Frau) enthält das Diskriminierungsverbot von
Art. 8 Abs. 2 BV
kein Egalisierungsgebot (
BGE 126 II 377
E. 6a S. 392; vgl. auch
BGE 134 I 105
E. 5 S. 109 mit weiteren Hinweisen). Nach
Art. 35 Abs. 3 BV
haben die Behörden dafür zu sorgen, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden. Die Frage nach der Tragweite dieser Verfassungsbestimmung geht hier in der Frage nach der richtigen Anwendung des BehiG auf. Der Bundesgesetzgeber hat im Rahmen dieses Erlasses den Mindestumfang der gerichtlich durchsetzbaren Ansprüche auf Abbau
BGE 134 II 249 S. 253
architektonischer Hindernisse bei bestehenden privaten Gebäuden verankert und dabei ausdrücklich an das Baubewilligungsverfahren angeknüpft.
3.2
Der Geltungsbereich des BehiG erfasst öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen, für welche nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Bewilligung für den Bau oder für die Erneuerung der öffentlich zugänglichen Bereiche erteilt wird (
Art. 3 lit. a BehiG
).
3.2.1
Wie sich aus Art. 2 lit. c der Verordnung vom 19. November 2003 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsverordnung, BehiV; SR 151.31) und den Erläuterungen des Bundesamts für Justiz vom November 2003 zu dieser Verordnung (Erläuterungen, ad
Art. 2 lit. c BehiV
, S. 2) ablesen lässt, stimmt der Begriff der öffentlich zugänglichen Gebäude und Anlagen nach
Art. 3 lit. a BehiG
im vorliegenden Sachzusammenhang mit dem bundesrätlichen Entwurf überein (vgl. die Botschaft vom 11. Dezember 2000, BBl 2001 S. 1715 ff., 1178). Darunter fallen auch Hallen- und Strandbäder, zu denen grundsätzlich alle Zugang haben, sofern sie die allenfalls bestehenden Voraussetzungen wie die Bezahlung einer Eintrittsgebühr erfüllen.
3.2.2
Was die Erneuerung bestehender Gebäude angeht, so weicht der Gehalt von
Art. 3 lit. a BehiG
vom bundesrätlichen Entwurf ab. Dieser Entwurf machte den gesetzlichen Geltungsbereich bei bestehenden Bauten noch vom finanziellen Umfang der Erneuerung abhängig (40 Prozent des Neuwerts des Gebäudes, vgl. Art. 2 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 lit. a E-BehiG, BBl 2001 S. 1778, 1841). Der Ständerat stimmte diesem Entwurf zunächst am 2. Oktober 2001 mit einer redaktionellen Präzisierung zu (AB 2001 S 615, 617 f.). Der Nationalrat beschloss dann am 17. Juni 2002 die ersatzlose Streichung von Art. 2 Abs. 5 E-BehiG (vgl. AB 2002 N 932, 938 zu Art. 2 Abs. 5 und AB 2002 N 938-944 zu Art. 3 lit. a). Bei der Differenzbereinigung wählten die eidgenössischen Räte jedoch einen anderen Ansatz: Sie weiteten den gesetzlichen Geltungsbereich einerseits aus, indem nun kein minimales Investitionsvolumen mehr vorgeschrieben ist. Anderseits definierten sie diesen Geltungsbereich enger: Er ist auf bewilligungspflichtige Erneuerungen beschränkt; zudem muss die bewilligte Erneuerung die öffentlich zugänglichen Bereiche bzw. Räume betreffen. Wie der Berichterstatter im Ständerat anschaulich ausführte, kann nicht verlangt werden, dass auch der Eingang umgebaut wird, wenn eine (nicht öffentlich
BGE 134 II 249 S. 254
zugängliche) neue Küche installiert oder das Dach saniert wird (AB 2002 S 710). Dem entsprechenden Beschluss des Ständerats vom 23. September 2002 stimmte der Nationalrat am 25. November 2002 zu (AB 2002 N 1725 f.).
3.3
Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel, dass das betroffene Gebäude öffentlich zugänglich ist und das fragliche Umbauvorhaben an sich
Art. 3 lit. a BehiG
untersteht. Aus dem Gesetzeswortlaut geht allerdings nicht hervor, inwiefern mit dem Zugang im Sinne von
Art. 2 Abs. 3 BehiG
auch die Benützbarkeit der öffentlich zugänglichen Bereiche eines Gebäudes bzw. einer Anlage hergestellt werden muss. Nach den erwähnten Erläuterungen zur BehiV hat der Bundesrat bewusst darauf verzichtet, den Begriff des Zugangs im Katalog der Definitionen von
Art. 2 BehiV
zu umschreiben. Dabei hatte er aber die Meinung, dass bei öffentlich zugänglichen Teilen von Gebäuden der vorliegenden Art die Benützbarkeit im Zugang inbegriffen ist (Erläuterungen, S. 4). Entsprechend statuiert Art. 117 Abs. 1 BauG/AR ausdrücklich, dass die Benützung von öffentlich zugänglichen Bauten und Anlagen mit Publikumsverkehr ermöglicht werden muss. Zu Recht haben die kantonalen Instanzen im Rahmen der hier zur Diskussion stehenden Baubewilligung Auflagen angeordnet, damit unter anderem Mobilitätsbehinderte die neuen Saunaanlagen und die dieser Nutzung dienenden Anlagen im unveränderten Altbau selbstständig benützen können. Folglich lassen sich auch die umstrittenen Einstieghilfen in die Badebecken unter den Begriff des Zugangs einordnen.
3.4
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Frage, inwiefern bauliche Anpassungen auch verlangt werden können, soweit sie nicht zwingend mit dem Umbauprojekt bzw. der bewilligungspflichtigen Erneuerung zusammenhängen. Die Beschwerdeführerin bezeichnet die Auslegung von
Art. 3 lit. a BehiG
in dieser Perspektive als Hauptthema ihrer Beschwerde. Streitentscheidend ist jedoch
Art. 7 Abs. 1 BehiG
. Die letztgenannte Norm enthält die Rechtsansprüche, die durchgesetzt werden können, sofern ein Bauprojekt unter das BehiG fällt.
3.5
Art. 2 lit. a BehiV
bestimmt, dass
Art. 3 lit. a BehiG
die Erstellung und die Änderung von Bauten und Anlagen betrifft, soweit sie einem kantonalen Bewilligungsverfahren unterstellt sind. Der Inhalt dieser Verordnungsbestimmung ist mehrdeutig. Das "soweit" kann gelesen werden als "sofern" oder als "insoweit"; auch eine
BGE 134 II 249 S. 255
Konsultation der Erläuterungen zur BehiV bringt keine Klärung. Die Tragweite von
Art. 3 lit. a BehiG
muss gedankenlogisch weiter gehen als das - unter Umständen nicht oder nicht vollständig behindertengerecht ausgestaltete - Umbauprojekt. Davon geht auch das Verwaltungsgericht aus. Grundsätzlich erfasst
Art. 3 lit. a BehiG
in einer ersten Grobbetrachtung das ganze Gebäude mit den nicht erneuerten Teilen. Eine andere Frage ist aber - und dies räumt auch die Beschwerdeführerin ein -, welche Rechtsfolgen daraus zu ziehen sind. Das Verwaltungsgericht begrenzt die Tragweite von
Art. 3 lit. a BehiG
im Ergebnis auf den Umfang der Anpassungen, die nach seiner Auslegung im Rahmen von
Art. 7 Abs. 1 BehiG
zu gewährleisten sind. Diese Auffassung überzeugt und ist mit
Art. 2 lit. a BehiV
vereinbar. Der Gehalt von Art. 3 lit. a und von
Art. 7 Abs. 1 BehiG
erweist sich mithin als deckungsgleich. Dies hat indessen den Nachteil, dass sich der Geltungsbereich des BehiG bei einem bestehenden Gebäude nicht leicht lokalisieren lässt, sondern erst am Schluss der Rechtsanwendung feststeht. Zu bestimmen bleibt somit, welche Rechtsansprüche
Art. 7 Abs. 1 BehiG
verleiht.
4.
4.1
Nach
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
kann bei der Erneuerung einer Baute oder Anlage im Sinne von
Art. 3 lit. a BehiG
verlangt werden, "dass die Benachteiligung [ergänze hier: im Hinblick auf die Benützbarkeit] unterlassen wird" ("qu'on s'abstienne de l'inégalité"; "che si rinunci allo svantaggio"). Es fällt auf, dass in
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
nicht das Wort "beseitigt" verwendet wird. Im Gegensatz dazu steht dieses Wort in
Art. 7 Abs. 1 lit. b BehiG
; diese letztere Norm bezieht sich auf das Zivilverfahren, mit dem die Beseitigung ("l'élimination"; "l'eliminazione") baulicher Hindernisse ausnahmsweise nach Realisierung des Bauvorhabens erwirkt werden kann. Bereits aus der Gegenüberstellung der beiden Bestimmungen lässt sich ableiten, dass es bei der Formulierung von
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
nicht um eine Beseitigung aller vorbestehender architektonischer Hindernisse in einem Gebäude bzw. einer Anlage gehen kann. Diese Annahme wird bei Durchsicht der Materialien bestätigt.
4.2
Gemäss dem bundesrätlichen Entwurf, der noch einer ganz anderen Konzeption verpflichtet war (vgl. E. 3.2.2 hiervor), hätte gestützt auf Art. 7 Abs. 1 E-BehiG erwirkt werden können, dass der Gebäudeeigentümer die "Benachteiligung beseitigt" (BBl 2001 S. 1781, 1842). In der ersten ständerätlichen Beratung, die dem
BGE 134 II 249 S. 256
bundesrätlichen Entwurf zustimmte (vgl. ebenfalls E. 3.2.2 hiervor), wurde diese Wendung erweitert auf "Benachteiligung beseitigt oder unterlässt" (AB 2001 S 619; dem stimmte der Nationalrat zu: AB 2002 N 944). Entsprechend wurde auch im Zweckartikel von Art. 1 Abs. 1 ergänzt, dass mit dem Erlass nicht nur Benachteiligungen verringert oder beseitigt, sondern auch verhindert werden sollen (AB 2001 S 614; AB 2002 N 931 f.).
Als dann bei der Differenzbereinigung im Parlament der gesetzliche Geltungsbereich geändert worden ist, findet sich bereits nach der Fassung des Ständerats vom 23. September 2002 in Art. 7 Abs. 1 der Aspekt der Beseitigung nicht mehr (AB 2001 S 710 f.). Die weitere Differenzbereinigung drehte sich nicht mehr um diese Streichung, sondern nur noch um die Frage, inwiefern das erwähnte nachträgliche Zivilverfahren eröffnet werden sollte. Dabei ging es ebenfalls nicht um alle vorbestehenden Hindernisse im Gebäude, sondern nur um jene, die aus dem bewilligungspflichtigen Bauprojekt resultieren. Der Ständerat stand dem nachträglichen Zivilverfahren ablehnend gegenüber (vgl. das Votum von Bundesrätin Metzler in AB 2002 N 1728), während der Nationalrat daran festhielt (AB 2002 N 1726-1728). Daraufhin lenkte der Ständerat am 2. Dezember 2002 ein und schlug die heute in
Art. 7 Abs. 1 lit. b BehiG
enthaltene Lösung vor (AB 2002 S 1071 f.). Dieser schloss sich der Nationalrat - mit Vorbehalten zum Wortsinn, die hier nicht von Bedeutung sind - am 4. Dezember 2002 an (AB 2002 N 1942-1944).
4.3.
Aus den vorstehend beschriebenen Einzelheiten der parlamentarischen Beratung ergibt sich folgendes Gesamtbild: Nach dem bundesrätlichen Entwurf ging der Anspruch gemäss
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
ursprünglich auf Beseitigung aller baulichen Hindernisse in einem Gebäude, wenn die 40-Prozent-Schwelle erreicht war. Ein solcher Anspruch hätte deshalb weit über das Bauprojekt hinausgewiesen. Aus Anlass dieser Erneuerung hätten auch alle übrigen Gebäudeteile hindernisfrei umgestaltet werden müssen. Anstatt einer solchen Alles-oder-Nichts-Lösung entschied sich die Bundesversammlung - offenbar mit Billigung der Behindertenorganisationen - für eine etappierte Anpassungspflicht bei bestehenden Gebäuden. Diese erfasst nur die Gebäude- und Anlagenteile, die vom bewilligungspflichtigen Bauvorhaben berührt sind (vgl. CAROLINE KLEIN, Die Rolle der Behindertenorganisationen bei der Schaffung des Behindertengleichstellungsrechts, in: Gesetzgebung & Evaluation [LeGes] 2004 S. 81 ff., 90). Dem Bundesgericht steht es nicht zu, sich im
BGE 134 II 249 S. 257
Anwendungsfall über diese gesetzgeberische Absicht hinwegzusetzen.
4.4
Der Beschwerdeführerin kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie sinngemäss behauptet,
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
setze keinen direkten Sachzusammenhang zwischen dem Bauprojekt und jener Bereiche voraus, die behindertengerecht nachgebessert werden müssten. Es vermag ihr nicht zu helfen, wenn sie sich für diese Meinung auf eine Lehrmeinung beruft (ALAIN GRIFFEL, Bauen im Spannungsfeld zwischen Eigentumsgarantie und Bauvorschriften, in: ZBl 103/2002 S. 169 ff., 184 f.); es gilt zu berücksichtigen, dass jene Äusserung vor dem Erlass des BehiG erfolgt ist. Bereits aus demselben Grund erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit dem von ihr erwähnten Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 17. November 1998 zur behindertengerechten Sanierung eines bestehenden Gebäudes bei einem Umbauprojekt (publ. in: Baurechtsentscheide Kanton Zürich [BEZ] 19/1999 Nr. 2 S. 9).
4.5
Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht die einklagbaren Massnahmen bzw. Auflagen zu Recht nicht nur auf den direkt erneuerten oder angebauten Gebäudeteil selbst beschränkt. Da der Anbau vorliegend über keinen eigenen öffentlichen Eingang von aussen verfügt, mussten auch die übrigen Bereiche einbezogen werden, soweit Letztere in diesem Rahmen eine Nutzungs- bzw. Zweckänderung erfahren. Auf diese Weise ist die gesetzliche Wendung "Benachteiligung unterlassen" richtigerweise ausdehnend zu interpretieren, ohne dass der verbindliche gesetzliche Rahmen überschritten wird. Die am Ausgang des kommunalen und kantonalen Verfahrens feststehenden Auflagen bezüglich des Altbaus beruhen auf dem Umstand, dass der Zweck der betroffenen Gebäudeteile aufgrund des Bauprojekts teilweise ändert. Die Beschwerdegegnerin räumt ein, dass ihr diese Auflagen im Vergleich zu den Investitionen für das Anbauprojekt keinen übermässigen Aufwand verursachen. Wenn sie sich diesen Auflagen unterzogen hat, so erfüllt sie nicht mehr als den ihr ohnehin obliegenden Umfang der Anpassungspflicht.
5.
Anhand der ermittelten Grundsätze ist zu beurteilen, ob die Beschwerdegegnerin im Rahmen ihres Bauprojekts verpflichtet ist, die umstrittenen Einstieghilfen zu erstellen.
5.1
Beim Bauprojekt werden Hallen- und Freibad baulich nicht verändert. Zu prüfen ist höchstens, ob das Bauprojekt eine
BGE 134 II 249 S. 258
Nutzungsänderung bei diesen Bädern bewirkt. Die Beschwerdeführerin streicht den engen konstruktiven und funktionellen Zusammenhang zwischen dem Hauptbad und der neuen Sauna heraus. Sie weist darauf hin, dass sich die Besucher in den Umkleidekabinen umziehen und im Badeanzug durch die Halle, neben dem Hauptbecken des Innenbads vorbei, zum Abgang zur neuen Sauna begeben. Das Verwaltungsgericht hat diese Gegebenheiten nicht übersehen. Es erwog jedoch, die neue Sauna besitze im Untergeschoss eigene Fussbäder, Duschen, einen Eiscrash sowie einen eigenen Ruheraum. Die Benutzer der neuen Sauna seien auf die Benutzung von Innen- und Aussenbad nicht angewiesen. Ausserdem bleibe die vorbestehende, alte Sauna weiter in Betrieb. Die Einrichtung einer zweiten Saunalandschaft erweitere somit die Nutzungsmöglichkeiten des Hauptbades nicht. Daran ändere nichts, dass das Eintrittsticket derzeit zum Zugang zu allen Teilen der Anlage berechtige. Die Beschwerdegegnerin stimmt dem Verwaltungsgericht zu. Ihrer Ansicht nach gehören die bestehenden Bäder nicht zum zwingenden Angebot einer Sauna.
5.2
Hallenbad, Freibad und die beiden Saunaanlagen sind auch bei gemeinsamem Eingang baurechtlich einer getrennten Betrachtungsweise zugänglich. Die Halle des Innenbads erfährt insoweit eine Zweckänderung, als sie neben dem vorbestehenden Durchgang zum Freibad zusätzlich auch einen solchen zur neuen Sauna zu gewährleisten hat. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, tangiert diese zusätzliche Raumnutzung der Badehalle die Badebecken selbst nicht in relevanter Weise. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht eine Anpassungspflicht bezüglich Innen- und Aussenbad abgelehnt hat. Damit bleibt es dabei, dass sich Mobilitätsbehinderte für die Nutzung der neuen Sauna zwingend durch die Badehalle begeben müssen, ohne auch die darin befindlichen Badebecken selbstständig benutzen zu können. In ihrem subjektiven Empfinden dürfte allerdings die Ausgrenzung von der Badenutzung stärker augenfällig werden als vor der Realisierung des Umbaus, als ein hindernisfreier Zugang zum Gebäude noch nicht verlangt war. Dies gilt umso mehr, als z.B. Sinnesbehinderte im Gegensatz zu Mobilitätsbehinderten auf derartige Einstieghilfen nicht angewiesen sind; die Benützbarkeit der Gesamtanlage geht deswegen für verschiedene Kategorien von Behinderten nun unterschiedlich weit. In dieser Hinsicht mag das Ergebnis als unbefriedigend erscheinen. Es ergibt sich indessen aus der bundesgesetzlichen Regelung, an die das Bundesgericht gebunden ist.
BGE 134 II 249 S. 259
5.3
Wie aus den Ausführungen bei E. 4.2 hiervor folgt, wäre einer Zivilklage nach
Art. 7 Abs. 1 lit. b BehiG
auf Erstellung von Einstieghilfen in die bestehenden Bäder ebenfalls kein Erfolg beschieden. Diese Bestimmung erfasst lediglich die Beseitigung von Benachteiligungen, die aus dem Bauprojekt selbst hervorgehen.
Die Beschwerdeführerin stört sich vor allem daran, dass die Eintrittskarte für das ganze Bad gilt. Wie es sich mit der Tarifgestaltung verhält, hat das Verwaltungsgericht nicht im Einzelnen abgeklärt. Es spricht zwar einiges dafür, dass die Unmöglichkeit, ein separates bzw. billigeres Billett für die neue Sauna zu lösen, Mobilitätsbehinderte benachteiligen würde, weil sie die übrigen Angebote im Gebäudekomplex nicht selbstständig in Anspruch nehmen können. Diese Frage ist aber hier nicht weiter zu untersuchen und sie kann auch nichts am Ausgang des Verfahrens ändern. Im Rahmen einer Zivilklage nach Art. 8 Abs. 3 i.V.m.
Art. 6 BehiG
liesse sich nicht einmal eine allfällige Diskriminierung bei den Eintrittspreisen beseitigen; noch viel weniger wäre das Begehren, auch die Badebecken nutzen zu können, durchsetzbar. Die Klage nach
Art. 8 Abs. 3 BehiG
kann nur auf Entschädigung gehen; die Entschädigung beträgt höchstens Fr. 5'000.- (
Art. 11 Abs. 2 BehiG
). Der im Nationalrat gestellte Antrag, im Rahmen dieser Klage auch einen Beseitigungsanspruch vorzusehen, konnte sich nicht durchsetzen (AB 2002 N 944 f.; der Ständerat diskutierte die Frage in der Folge nicht mehr, vgl. AB 2002 S 711).
Das hier verfolgte Anliegen der Beschwerdeführerin vermag demzufolge mit den Rechtsansprüchen, die nach
Art. 7 Abs. 1 lit. a BehiG
hinsichtlich des Baubewilligungsverfahrens gegeben sind, ebenso wenig durchzudringen. | public_law | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f8df7fe-940a-4c7b-a6ff-8f50d2d6d632 | Urteilskopf
98 Ib 167
23. Arrêt de la Cour de cassation du 10 mars 1972 dans la cause Brique contre Commission genevoise de libération conditionnelle. | Regeste
Bedingte Entlassung,
Art. 38 StGB
, 26 ff. VwG.
1. Die Einsichtnahme in die Akten über die bedingte Entlassung darf dem Verurteilten, der darum nachsucht, grundsätzlich nicht verweigert werden, soweit nicht die Bedingungen des Art. 27 VwG für einzelne Aktenstücke erfüllt sind (Erw. 1).
2. Hat der Verurteilte die Akteneinsicht erst nach Erlass des Entscheids über die bedingte Entlassung verlangt, so wird bei Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dieser Entscheid aufgehoben, sondern einzig derjenige über die Verweigerung der Akteneinsicht (Erw. 2).
3. Da das Bundesgericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der untern Behörde setzt, ist es nicht Rekursinstanz mit voller Kognition; Gehörsverweigerung kann daher nicht von ihm wiedergutgemacht werden (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 98 Ib 167 S. 168
A.-
Brique a été condamné aux peines suivantes:
- le 10 janvier 1953, par la Cour correctionnelle de Genève, à un an d'emprisonnement et 1000 fr. d'amende pour homicide par négligence et infraction à la circulation routière;
- le 7 mai 1955, par la même autorité, à 15 mois d'emprisonnement pour abus de confiance (peine additionnelle à la précédente);
- le 29 février 1968, par la Cour d'appel de Chambéry, à un mois de prison pour infractions douanières;
- le 7 novembre 1968, par l'officier de police de Genève, à une amende de 225 fr. pour parcages interdits;
- le 16 mai 1969, par le même fonctionnaire, à une amende de 100 fr. pour arrêt interdit;
- le 26 avril 1971, par la Cour de justice de Genève, à 4 ans de réclusion (sous déduction de 2 ans, 1 mois et 10 jours de détention préventive) pour infraction à la loi sur les stupéfiants. Brique subit cette dernière peine aux Etablissements de la plaine de l'Orbe. Le 16 octobre 1971, il sollicita sa libération conditionnelle.
B.-
La Commission de libération conditionnelle du canton de Genève (ci-après: la commission) rejeta la requête, le 9 novembre. Elle expose que les renseignements recueillis ne permettent pas de penser qu'il a réalisé la gravité de ses actes et qu'elle ne peut avoir la conviction, au vu de l'ensemble du dossier, qu'il se conduira honnêtement en cas de libération conditionnelle; que, par ailleurs, ses projets sont très vagues et ne donnent pas de garanties suffisantes pour l'avenir.
C.-
Contre cette décision, Brique a formé un recours de droit administratif. Il conclut à sa libération conditionnelle, avec effet immédiat.
D.-
La commission et le Département fédéral de justice et police proposent de rejeter le recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant avait demandé à prendre connaissance du dossier avant d'attaquer la décision du 9 novembre 1971. La commission lui a répondu négativement, le 22 novembre.
BGE 98 Ib 167 S. 169
Aussi, invoquant l'
art. 4 Cst.
, se plaint-il de la violation du droit d'être entendu.
Depuis que le Tribunal fédéral a rendu, au sujet de ce droit, son arrêt fondamental dans la cause Chastel (RO 74 I 247 ss.), la jurisprudence a évolué, pour trouver finalement une consécration légale dans les art. 26 ss. LPA. Sans doute ces dispositions régissent-elles uniquement la procédure dans les affaires administratives qui doivent être réglées par des décisions d'autorités administratives fédérales (
art. 1er LPA
). Il n'en demeure pas moins que les principes essentiels qu'elles expriment ont une portée générale - la Cour de droit public les avait déjà déduits de l'
art. 4 Cst.
- et doivent, partant, être observés dans les autres affaires administratives. Il n'est pas nécessaire d'examiner ici s'ils pourraient être tenus en échec par une loi cantonale de procédure qui assurerait aux administrés une protection moins étendue, car cette hypothèse n'est pas réalisée: ni le recourant ni la commission ne se réfèrent à des règles cantonales.
La commission tient le dossier de la libération conditionnelle pour absolument confidentiel; les rapports qui y figurent contiennent des appréciations sur la personnalité du détenu qui, connues de lui, risqueraient de perturber l'ordre et la sécurité dans l'établissement; de plus, les services consultés à l'occasion d'une demande de libération conditionnelle doivent pouvoir émettre des avis fondés sur leur intime conviction, sans avoir à redouter des réactions violentes de la part du condamné. Certes, les risques allégués ne sont pas imaginaires. Les intérêts menacés ne sont toutefois pas assez importants pour légitimer le refus de consulter l'ensemble du dossier (cf.
art. 27 LPA
). Lorsque les conditions de l'
art. 38 ch. 1 al. 1 CP
ne sont pas remplies, l'autorité compétente n'hésite pas à rendre une décision négative, malgré le mécontentement qu'éprouvera probablement l'intéressé et les difficultés qui en résulteront peutêtre pour la direction du pénitencier. Il n'y a pas lieu de craindre que la connaissance des préavis qui se trouvent au dossier n'aggrave sensiblement la situation. Quant aux réactions violentes, le juge qui inflige une peine, qui ordonne une mesure portant atteinte à des droits éminemment personnels (mise sous tutelle, internement, déchéance de la puissance paternelle) ou qui, dans les motifs de sa décision, émet une appréciation sévère sur la personne d'une des parties (dans un jugement de divorce, par exemple) n'en est pas à l'abri non plus. Rien
BGE 98 Ib 167 S. 170
ne permet de supposer qu'elles retiendront les services appelés à donner leur avis au sujet d'un détenu réclamant sa libération conditionnelle de s'exprimer selon leur intime conviction.
Il s'ensuit que la consultation du dossier ne doit pas être refusée, du moins en principe, au condamné qui en fait la demande, pour autant que les conditions de l'
art. 27 LPA
ne soient pas réunies à l'égard de l'une ou l'autre pièce. La commission cependant n'invoque en l'espèce aucune circonstance spéciale qui justifierait une dérogation.
2.
Selon l'
art. 28 LPA
, une pièce dont la consultation a été refusée à la partie ne sera utilisée à son détriment que si l'autorité lui en a communiqué le contenu, du moins pour l'essentiel, en lui donnant l'occasion de s'expliquer et de fournir des preuves à ce sujet. Cette règle est conforme à la doctrine (ZWAHLEN, ZSR 1947 p. 156 a; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3e éd., T 2, p. 623; FAVRE, Droit constitutionnel suisse, p. 253; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 182). En tant qu'elle relève que les renseignements recueillis ne permettent pas de penser que Brique a réalisé la gravité de ses actes - et c'est là le motif principal du refus - la commission se fonde sur un document dont le contenu essentiel n'a pas été communiqué au recourant: la question se pose dès lors de savoir si elle a violé le droit qu'il avait d'être entendu en le privant de la faculté de s'exprimer sur les griefs formulés contre lui.
D'après l'
art. 38 ch. 1 al. 3 CP
, l'autorité compétente entendra le détenu lorsqu'il n'aura pas présenté de requête ou lorsqu'il n'est pas sans plus possible d'accorder la libération conditionnelle sur le vu de la requête. Cette disposition ne prescrit pas la communication d'office du dossier. Une telle communication ne résulte pas davantage des règles de la procédure administrative (cf. RO 96 I 610).
En conséquence, il appartenait au recourant de demander communication du dossier avant que ne soit prise la décision attaquée, faute de quoi il ne peut arguer du refus qui lui a été opposé postérieurement à celle-ci pour la remettre en cause (RO 96 I 610 précité). En revanche le grief du recourant doit être compris en ce sens que, n'ayant pas disposé du dossier quand il l'a demandé, il n'a pu motiver son recours en pleine connaissance de cause. C'est alors la décision du 22 novembre 1971, par laquelle la communication du dossier lui a été refusée, qui viole son droit d'être entendu.
BGE 98 Ib 167 S. 171
3.
Ce droit étant de nature essentiellement formelle, sa violation entraîne en principe l'annulation de la décision attaquée, sans que le recourant ait à justifier d'un intérêt (RO 92 I 188, 264 no 45;
96 I 22
, 188). La jurisprudence admet cependant que la violation peut être réparée lorsque le recourant a eu la possibilité de s'exprimer devant une autorité de recours jouissant d'une pleine cognition (RO 96 I 188). On pourrait penser que tel est le cas du Tribunal fédéral, en tant que juridiction administrative (
art. 105 al. 1 OJ
), lorsque le recours, comme en l'espèce, n'est pas dirigé contre la décision d'un tribunal cantonal ou d'une commission de recours (art. 105 al. 2). Il n'en est toutefois rien, tout au moins lorsque le Tribunal fédéral, bien qu'ayant latitude de revoir non seulement l'application du droit mais encore les constatations de fait, s'interdit de substituer son appréciation à celle de l'autorité inférieure mais se borne à vérifier que celle-ci n'a pas abusé de son pouvoir appréciateur (RO 81 I 384 consid. 5;
86 I 248
consid. 4;
87 I 348
consid. 6;
89 I 340
consid. 11;
91 I 147
consid. 1b;
92 I 493
consid. 1b;
93 I 564
consid. 2
; 941 560
consid. 1; Arrêt non publié Wirz du 30 décembre 1971).
Dans cette éventualité en effet, la violation du droit d'être entendu peut avoir une incidence précisément sur une question d'appréciation que le Tribunal fédéral ne revoit pas librement.
4.
La décision du 22 novembre 1971 doit donc être annulée. Bien que le Tribunal fédéral puisse statuer lui-même en pareil cas (
art. 114 al. 2 OJ
) il est préférable de renvoyer la cause à la commission qui est mieux à même de tenir compte des circonstances d'espèce. En effet, il n'est pas nécessaire que l'intégralité du dossier soit communiquée au recourant. Si l'on n'imagine pas de prime abord pourquoi, de manière générale, un détenu devrait ignorer les appréciations objectives portées sur lui par les autorités, rien n'empêche en principe que certaines parties du dossier lui restent cachées, à condition qu'elles ne fondent pas une décision prise à son détriment, et pour autant que cela soit justifié au regard de l'
art. 27 al. 1 LPA
(cf. IMBODEN, op.cit., ibid.).
In casu, il conviendra que la commission, si elle persiste à refuser la communication complète du dossier, résume pour l'essentiel le contenu des pièces qu'elle entend en retirer et cite notamment à cette occasion une phrase du rapport (pièce 3, p. 3 du dossier cantonal) selon laquelle le recourant "n'exprime aucun regret, disant que ce n'est pas lui qui oblige les gens à
BGE 98 Ib 167 S. 172
se droguer". Cet extrait formule en effet la principale critique émise à l'endroit du recourant.
Une fois en possession de ces pièces, le recourant disposera du délai de l'
art. 106 OJ
pour déposer un mémoire complémentaire, après quoi le Tribunal fédéral statuera sur le fond du recours.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet partiellement le recours, en ce sens que la décision du 22 novembre 1971 est annulée.
Renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. | public_law | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3f91b566-21b3-43c4-b203-fe7079128e5c | Urteilskopf
101 II 211
37. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1975 i.S. Tobler gegen Stäger | Regeste
Art. 509 ff. ZGB
; Widerruf des Widerrufs einer letztwilligen Verfügung.
Auch eine durch Vernichtung (
Art. 510 Abs. 1 ZGB
) widerrufene letztwillige Verfügung kann durch erneute Verfügung wieder in Kraft gesetzt werden, sofern sie den Formerfordernissen genügt hatte und sich ihr Inhalt zweifelsfrei rekonstruieren lässt (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 211
BGE 101 II 211 S. 211
A.-
Am 8. Februar 1970 verstarb in Zürich die ledige, am 20. August 1889 geborene Rosa Freiburghaus. Sie hinterliess als gesetzliche Erben die Nachkommen von drei vorverstorbenen Schwestern, insgesamt elf Nichten und Neffen, worunter Ernst Tobler und Paulita Stäger-Bösch. Die Erblasserin hatte am 11. März 1968 auf dem Notariat Wetzikon eine eigenhändige letztwillige Verfügung errichtet, wofür ihr der Notar mit der Schreibmaschine einen ihren Wünschen entsprechenden Entwurf aufgesetzt hatte. Das Testament stimmte wörtlich mit diesem Entwurf überein und lautete wie folgt:
BGE 101 II 211 S. 212
"Eigenhändige letztwillige Verfügung
Ich, die unterzeichnete Rosa Freiburghaus, geb. 1889, von Neuenegg (Kt. Bern), wohnhaft in Auslikon-Pfäffikon ZH, verfüge hiermit als meinen letzten Willen was folgt:
1.) Ich unterstelle die Erbfolge über meinen Nachlass dem Rechte meines Heimatkantons Bern.
2.) Da ich keine Nachkommen besitze und auch meine Eltern gestorben sind, bestimme ich, dass nach meinem Ableben mein gesamter Nachlass ins alleinige Eigentum meiner Nichte Paulita Stäger-Bösch, geb. 1920, wohnhaft Badenerstrasse 57, Schlieren, übergehen soll. Ich setze die Bedachte somit als Universalerbin in meinen Nachlass ein.
Wetzikon, im Notariat, den 11. März 1968
Rosa Freiburghaus"
Rosa Freiburghaus hatte das Testament dem Notariat Wetzikon zur Aufbewahrung übergeben, es dann aber am 6. Mai 1968 wieder herausverlangt und in der Absicht, es aufzuheben, vor Zeugen zerrissen. Vorhanden blieb nur der maschinengeschriebene Entwurf, den der Notar erstellt hatte.
In der Hinterlassenschaft von Rosa Freiburghaus fand sich ein von ihr eigenhändig geschriebenes Schriftstück vor mit folgendem Wortlaut:
"Auslikon, den 29.8.1969
Mein letzter Wille
Ich Rosa Freiburghaus, aus Neuenegg Kt. Bern bestätige hiermit, dass ich nie ein anderes oder neues Testament anerkenne, als dasjenige für Frau Paulita Stäger, neue Adresse Ackersteinstrasse 20 Zürich.
Rosa Freiburghaus
Auslikon b. Pfäffikon
Kt. Zürich."
B.-
Am 2. März 1970 eröffnete der Einzelrichter in nichtstreitigen Rechtssachen des Bezirkes Pfäffikon das zuletzt genannte Schriftstück in Verbindung mit dem maschinengeschriebenen Entwurf der vernichteten letztwilligen Verfügung vom 11. März 1968 als Testament der Erblasserin. Er betrachtete gestützt darauf Paulita Stäger-Bösch als eingesetzte Universalerbin und stellte ihr für den Fall, dass innert Frist keine Einsprache erhoben würde, die Ausstellung einer Erbbescheinigung in Aussicht. Die alleinige Erbberechtigung von Paulita Stäger-Bösch wurde indessen von Ernst Tobler und einer weiteren gesetzlichen Erbin bestritten.
BGE 101 II 211 S. 213
C.-
Mit Eingabe vom 5. August 1970 erhob Ernst Tobler in der Folge beim Bezirksgericht Pfäffikon gegen Paulita Stäger-Bösch Klage auf Feststellung, dass Rosa Freiburghaus keine letztwillige Verfügung hinterlassen habe und dass sich die Erbfolge deshalb nach gesetzlichem Erbrecht richte. Eventuell beantragte er, eine allfällige letztwillige Verfügung sei zufolge Willensmangels und Urteilsunfähigkeit der Erblasserin ungültig zu erklären. Die Beklagte verlangte widerklageweise die Feststellung, dass die von der Erblasserin errichteten letztwilligen Verfügungen vom 11. März 1968 und 29. August 1969 gültig seien und dass sie, die Beklagte, dementsprechend Alleinerbin des Nachlasses sei. Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 19. Dezember 1972 ab. Zur Widerklage nahm es, mindestens im Urteilsdispositiv, nicht Stellung.
Gegen dieses Urteil reichte der Kläger Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich ein und verlangte die Gutheissung der Haupt- und die Abweisung der Widerklage. Die Beklagte erhob Anschlussberufung mit dem Antrag auf Gutheissung der Widerklage. Mit Urteil vom 13. November 1974 bestätigte das Obergericht den angefochtenen Entscheid, was die Abweisung der Hauptklage betrifft, und stellte in Gutheissung der Widerklage fest, dass die Beklagte gestützt auf die letztwillige Verfügung vom 29. August 1969 die Alleinerbin von Rosa Freiburghaus sei.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht beantragt der Kläger, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und es sei in Gutheissung der Hauptklage und Abweisung der Widerklage festzustellen, dass die Erblasserin keine letztwillige Verfügung hinterlassen habe und sich die Erbfolge deshalb nach gesetzlichem Erbrecht richte. Den mit der Klage gestellten Eventualantrag liess er, soweit er ihn im kantonalen Verfahren überhaupt noch aufrecht erhalten hatte, fallen. In der Berufungsschrift gab er sodann ausdrücklich die Erklärung ab, das vorinstanzliche Urteil insoweit nicht anfechten zu wollen, als dieses eine Falschdatierung des als Testament betrachteten Schriftstückes, das Vorliegen eines Willensmangels der Erblasserin sowie die Erbunwürdigkeit der Beklagten verneine.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
BGE 101 II 211 S. 214
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gegenstand der Berufung bildet ausschliesslich die Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt habe, indem sie im eigenhändigen Schriftstück der Erblasserin vom 29. August 1969 eine rechtswirksame letztwillige Verfügung erblickte, aus der sich die Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin ergebe. Wie die Parteien und die Vorinstanz mit Recht angenommen haben, ist Prozessthema nicht etwa die Feststellung einer Ungültigkeit im Sinne der
Art. 519 oder 520 ZGB
, sondern die Frage, ob im betreffenden Schriftstück überhaupt eine letztwillige Verfügung der Erblasserin erblickt werden könne und gegebenenfalls welche Rechtswirkungen es zu entfalten vermöge. Diese Frage kann - wie es hier geschehen ist - zum Gegenstand einer besonderen Feststellungsklage gemacht werden (
BGE 91 II 268
/269 mit Hinweisen; TUOR, N. 7-12, und ESCHER, N. 2 der Vorbemerkungen zu den
Art. 519-521 ZGB
).
3.
Auf Grund des vorinstanzlichen Urteils steht in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Erblasserin das am 11. März 1968 errichtete Testament, in welchem sie die Beklagte als Universalerbin eingesetzt hatte, am 6. Mai 1968 durch Zerreissen vernichtete, um es auf diese Weise aufzuheben. Nach
Art. 510 Abs. 1 ZGB
hat sie dadurch das Testament widerrufen. In der Urkunde vom 29. August 1969, die unbestrittenermassen den Formerfordernissen von
Art. 505 Abs. 1 ZGB
entspricht, schrieb die Erblasserin, sie anerkenne nie ein anderes oder neues Testament als dasjenige für die Beklagte. Diese Urkunde trägt die Überschrift "Mein letzter Wille". Daraus ist zu schliessen, dass die Erblasserin eine letztwillige Verfügung treffen wollte. Der Wortlaut der Verfügung geht indessen, wie der Kläger zutreffend ausführt, nicht darüber hinaus, ein früheres Testament zugunsten der Beklagten als das allein massgebende zu erklären. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist anzunehmen, dass unter diesem nicht näher bezeichneten Testament dasjenige vom 11. März 1968 zu verstehen ist, das von der Erblasserin durch Vernichtung widerrufen wurde. Nach dem angefochtenen Urteil fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass ein anderes Testament als das vernichtete gemeint gewesen sein könnte.
BGE 101 II 211 S. 215
Nach Auffassung der Vorinstanz hätte die Erblasserin indessen das vernichtete Testament nur so wieder in Kraft setzen können, dass sie die Verfügung vollständig neu errichtet hätte; denn der durch Vernichtung erklärte Widerruf eines Testaments könne nicht durch eine blosse Widerrufserklärung unwirksam gemacht werden. Trotzdem erachtete das Obergericht die Erbeinsetzung als gültig, weil es im Schriftstück vom 29. August 1969 eine selbständige letztwillige Verfügung erblickte, die mit Hilfe der Testamentsabschrift vom 11. März 1968, also eines ausserhalb der Testamentsurkunde liegenden Umstandes, ausgelegt werden dürfe. Eine derartige Auslegung wäre allerdings nur zulässig, wenn der Wille der Erblasserin, dass die Beklagte Alleinerbin sein soll, im Wortlaut der zweiten Verfügung eine genügende Stütze fände (vgl.
BGE 91 II 269
Erw. 3,
BGE 83 II 435
/436,
BGE 56 II 354
,
BGE 47 II 29
). Wie es sich damit verhält, kann offenbleiben, wenn sich ergibt, dass die Erblasserin die vernichtete Verfügung entgegen der Ansicht der Vorinstanz durch die Urkunde vom 29. August 1969 wieder in Kraft setzen konnte.
4.
a) Anders als das deutsche (vgl. § 2257 BGB) und das italienische (vgl. Art. 681 ccit.) Recht enthält das ZGB keine ausdrückliche Bestimmung für den Fall, dass der Widerruf einer letztwilligen Verfügung seinerseits widerrufen wird. In Art. 466 Abs. 3 des Teilentwurfs von 1895 findet sich zwar eine Regelung; danach soll der Widerruf des Widerrufs die widerrufene Verfügung nicht wiederherstellen. Bereits im Vorentwurf von 1900 fehlt jedoch dieser Absatz, ohne dass sich den Materialien entnehmen liesse, warum er gestrichen wurde. Im Gegensatz zu der ursprünglich vorgesehenen Regelung haben Lehre und Rechtsprechung stets angenommen, durch den Widerruf des Widerrufs könne die widerrufene Verfügung wieder in Kraft gesetzt werden, jedenfalls dann, wenn ein entsprechender Wille des Erblassers in den gesetzlichen Formen zum Ausdruck gekommen ist (
BGE 91 II 271
ff. Erw. 5, insbes. S. 274;
BGE 73 II 150
/151; TUOR, N. 6 zu
Art. 509-511 ZGB
; ESCHER, N. 5 zu
Art. 509 ZGB
; PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, IV, S. 232 ff.; PICENONI, Die Auslegung von Testament und Erbvertrag, S. 81; MERZ, ZBJV 1966 S. 489; A. MEYER, Das Wiederaufleben aufgehobener letztwilliger Verfügungen, Diss. Zürich 1972 S. 59 und 78; WEIGOLD, Aufhebung und Änderung letztwilliger Verfügungen,
BGE 101 II 211 S. 216
Diss. Zürich 1969 S. 72 ff.; ÖNEN, De la révocation des testaments en droit suisse, Diss. Lausanne 1941 S. 46 ff.). Voraussetzung für eine solche Wiederinkraftsetzung des ursprünglichen Testamentes ist jedoch nach der Lehre, auf die sich der angefochtene Entscheid stützt, dass der Widerruf nicht durch Vernichtung der Testamentsurkunde erfolgte. Hat der Erblasser dagegen das erste Testament in Aufhebungsabsicht vernichtet, so kann er sich nicht darauf beschränken, in einem neuen Testament auf das vernichtete zu verweisen und dieses als massgebend zu erklären, sondern er muss im neuen Testament selber zum Ausdruck bringen, was nach seinem Ableben gelten soll (TUOR, N. 12 zu
Art. 509-511 ZGB
; ESCHER, N. 5 zu
Art. 510 ZGB
; MEYER, a.a.O. S. 43, 56; WEIGOLD, a.a.O. S. 129/130; ÖNEN, a.a.O. S. 46; anderer Meinung lediglich PIOTET, a.a.O. S. 232).
b) Diese unterschiedliche Behandlung der beiden Widerrufsformen überzeugt indessen nicht. Die eben genannten Autoren geben für ihre Ansicht denn auch keine nähere Begründung. Dass das widerrufene Testament im einen Fall nicht mehr vorhanden ist, ist ein rein faktischer Unterschied, der eine abweichende rechtliche Behandlung nicht rechtfertigt. Von der Einhaltung der Formvorschriften hängt zwar die Gültigkeit eines Testamentes ab; für den Beweis einer letztwilligen Verfügung ist aber die formgerechte Urkunde nicht erforderlich. Die Testamentsform ist Gültigkeitsform (Solennitätsform), und nicht Beweisform. Der Untergang der Testamentsurkunde hat somit nicht notwendig den Untergang der letztwilligen Verfügung zur Folge. Dies entspricht der allgemeinen Regel des
Art. 11 Abs. 2 OR
(vgl. hiezu VON TUHR/SIEGWART, OR, I, S. 223; JÄGGI, N. 3 und 106 zu
Art. 11 OR
; KUMMER, N. 2 und 8 ff. zu
Art. 10 ZGB
) und ergibt sich zudem aus
Art. 510 Abs. 2 ZGB
. Nach dieser Bestimmung verliert eine letztwillige Verfügung ihre Gültigkeit nicht, wenn die Testamentsurkunde durch Zufall oder aus Verschulden Dritter untergegangen ist, sofern ihr Inhalt trotzdem genau und vollständig festgestellt werden kann. Wird die Urkunde vom Erblasser selbst in Aufhebungsabsicht vernichtet, so ist die Verfügung allerdings unwirksam. Diese Rechtsfolge tritt aber nicht etwa deswegen ein, weil die Urkunde nicht mehr vorhanden ist, sondern weil die Vernichtung durch den Erblasser eine der im Gesetz vorgesehenen Widerrufsformen
BGE 101 II 211 S. 217
darstellt (
Art. 510 Abs. 1 ZGB
). Ein Grund dafür, dass diese Widerrufsform andere Wirkungen zeitigen soll als der Widerruf in Testamentsform (
Art. 509 ZGB
) und derjenige durch Errichtung einer späteren letztwilligen Verfügung (
Art. 511 ZGB
), besteht nicht. Voraussetzung für das Wiederaufleben einer vernichteten letztwilligen Verfügung ist freilich, dass sich ihr Inhalt zweifelsfrei rekonstruieren lässt. Dabei handelt es sich jedoch um eine reine Beweisfrage, wie sie sich auch bei der Anwendung von
Art. 510 Abs. 2 ZGB
stellt. Dass der Beweis, welchen Inhalt das ursprüngliche Testament hatte, praktisch nicht erbracht werden könne, trifft durchaus nicht zu. Die Rekonstruktion ist vor allem dann verhältnismässig einfach, wenn der Widerruf durch Vernichtung nicht durch eigentliche Zerstörung der Urkunde, sondern, wie es zulässig ist (vgl.
BGE 83 II 506
,
BGE 78 II 351
,
BGE 73 II 149
), durch Überschreiben, Durchstreichen, Durchlöchern usw. erfolgte. Gerade in solchen Fällen zeigt sich übrigens, wie künstlich die von der Lehre vorgenommene Unterscheidung ist. So ist nicht einzusehen, weshalb eine durchgestrichene und damit widerrufene letztwillige Verfügung durch eigenhändige Verfügung auf der Urkunde selbst nicht wieder soll in Kraft gesetzt werden können, während die Inkraftsetzung unbestrittenermassen zulässig wäre, wenn der Erblasser die Verfügung nicht durchgestrichen, sondern eigenhändig auf die Urkunde geschrieben hätte, er widerrufe sie (vgl. PIOTET, a.a.O. S. 232). Dementsprechend hat das Bundesgericht in
BGE 80 II 302
ff. die Wiederherstellung einer durchgestrichenen Verfügung durch Unterpunktierung nur deswegen nicht als gültig erachtet, weil die Unterpunktierung nicht formgerecht datiert war. Kann aber ein bloss symbolisch vernichtetes Testament wiederaufleben, so muss dies auch bei einem zerstörten möglich sein, sofern nur die Rekonstruktion gelingt. Entgegen der Ansicht von PIOTET, a.a.O. S. 239/240, muss aber das widerrufene Testament die Formerfordernisse erfüllt haben, damit es durch einen einfachen Verweis wieder in Kraft gesetzt werden kann. Nach der Rechtsprechung kann nämlich eine testamentarische Anordnung nicht durch blosse Bezugnahme auf eine andere Urkunde getroffen werden, es sei denn, die Urkunde sei ihrerseits eine formgültige letztwillige Verfügung des Erblassers (
BGE 56 II 354
; vgl. auch
BGE 73 II 212
,
BGE 68 II 166
; TUOR, N. 13 zu
Art. 505 ZGB
; PICENONI, a.a.O. S. 36/37). Ob
BGE 101 II 211 S. 218
die seinerzeit formgültig errichtete Urkunde noch vorhanden sei, spielt dagegen nach dem Gesagten keine Rolle.
5.
Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin mit formgültiger letztwilliger Verfügung vom 29. August 1969 zum Ausdruck gebracht, dass sie das vernichtete Testament vom 11. März 1968 wieder in Kraft setzen wolle. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die vom Kläger nicht bestritten werden, stimmte dieses Testament wörtlich mit dem vom Einzelrichter eröffneten maschinengeschriebenen Entwurf überein. Auf Grund der Aussagen von Notar Walder steht zudem fest, dass es den Formerfordernissen von
Art. 505 Abs. 1 ZGB
genügte. Unter diesen Umständen steht nichts entgegen, die widerrufene Verfügung, aus der sich ergibt, dass die Beklagte Alleinerbin sein soll, als gültig zu betrachten. Die Berufung ist daher abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3f93d594-b1bd-4e8e-83f4-6a6fca9441bc | Urteilskopf
112 V 115
19. Urteil vom 21. April 1986 i.S. W. gegen Krankenfürsorge Winterthur und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 7 Abs. 1 KUVG
: Freizügigkeit.
- Gesetzliche Aufklärungspflicht der Krankenkasse bei Eintritt eines Freizügigkeitsgrundes (Erw. 2a).
- Kommt eine Krankenkasse der Aufklärungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, so dass das Mitglied das Zügerrecht nicht innert der gesetzlichen Dreimonatsfrist ausüben kann, fällt der Freizügigkeitsanspruch dahin (Erw. 2b).
Art. 4 BV
: Treu und Glauben.
- Anspruch auf eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung aufgrund des Vertrauensschutzes, wenn eine gesetzlich gebotene Aufklärung nicht erfolgt (Erw. 3).
- Das aus
Art. 3 Abs. 3 KUVG
fliessende Gebot der Gleichbehandlung der Kassenmitglieder ist keine unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung, welche die Berufung auf den Vertrauensschutz ausschliesst (Erw. 4a-c).
- Verpflichtungen der Krankenkasse in bezug auf die Prämienbelastung, wenn sie durch Verletzung ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht dem Mitglied die Ausübung des Zügerrechts verunmöglicht (Erw. 4d). | Sachverhalt
ab Seite 116
BGE 112 V 115 S. 116
A.-
Adelheid und Pierre W. waren als Angestellte der Firma Omega S.A. seit 1979 zusammen mit ihren Kindern dem Krankenversicherungs-Kollektivvertrag angeschlossen, welchen die Caisse-maladie des Usines Omega-La Centrale-Aloxyd (nachfolgend: Krankenkasse Omega) am 23. Februar 1973 mit der Krankenkasse
BGE 112 V 115 S. 117
La Jurassienne abgeschlossen hatte. Der Versicherungsschutz der Adelheid W. umfasste eine Krankenpflege-Grundversicherung, eine Spitalbehandlungskosten-Zusatzversicherung im Betrag von Fr. 50'000.-- und ein Krankentaggeld ab dem 91. Tag von Fr. 70.--, wobei ihre Monatsprämie ab 1. Januar 1982 Fr. 87.70 betrug. Auf Ende 1982 kam es zur Auflösung und Fusion der Krankenkasse La Jurassienne mit der Krankenfürsorge Winterthur (KFW). Diese erklärte sich im Sinne einer Übergangsregelung bereit, den Kollektivversicherungsvertrag mit der Krankenkasse Omega zu den bisherigen Bedingungen bis Ende März 1983 weiterzuführen. Die eingeleiteten Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Kollektivversicherungsvertrages scheiterten, weil keine Einigung über die Höhe der Prämien erzielt werden konnte. Daher teilte die KFW der Krankenkasse Omega am 9. Mai 1983 mit, sie werde deren Mitglieder mit Wirkung ab 1. April 1983 in die Einzelversicherung umteilen, um ihnen weiterhin einen Versicherungsschutz gewähren zu können. So verfuhr die KFW auch mit Pierre W. und dessen Familie. Adelheid W. ist seither im Rahmen einer solchen Einzelversicherung bei der KFW für Krankenpflege (Grundleistungen inkl. obligatorischer Spitalzusatz), für zusätzliche Kosten auf der halbprivaten Spitalabteilung (kombinierte Spitalzusatzversicherung GK 4) und für ein Taggeld von Fr. 70.-- nach zwei Monaten versichert; die monatliche Prämie hiefür betrug für sie ab 1. April 1983 Fr. 243.50 und ab anfangs 1984 Fr. 253.90, wobei sich die Krankenkasse Omega bereit erklärt hatte, die Prämienerhöhungen für die Monate April bis Juni 1983 noch zu übernehmen.
Mit Schreiben vom 5. Juli 1983 machte Pierre W. gegenüber der KFW geltend, mangels Aufklärung über die Fusion der Krankenkasse La Jurassienne mit der KFW hätten er und seine Familie den dabei entstandenen Anspruch auf Freizügigkeit nicht ausnützen können. Dies wirke sich nun nachteilig aus, weil die Prämien der KFW wesentlich über denjenigen anderer Kassen liegen würden. Er verlange deshalb die Vergütung der entsprechenden Prämiendifferenz. Dieses Begehren lehnte die KFW mit Brief vom 26. Juli 1983 ab. Pierre W. trat in der Folge mit seinen beiden Kindern aus der KFW aus, hielt jedoch in bezug auf die aus Gesundheitsgründen bei dieser Kasse verbliebene Ehefrau an seinem Antrag auf Vergütung der Prämiendifferenz fest. Da keine Einigung zustande kam, teilte die KFW Pierre W. am 21. Mai 1984 verfügungsweise mit, der Anspruch auf Freizügigkeit sei am 31. März 1983 abgelaufen;
BGE 112 V 115 S. 118
auch sei sie nicht bereit, einen Teil der Prämie der Adelheid W. zu erlassen.
B.-
Das Versicherungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen erhobene Beschwerde nach Durchführung eines Beweisverfahrens mit Entscheid vom 20. November 1984 ab.
C.-
Adelheid W. lässt durch ihren Ehemann Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, die KFW sei zu verpflichten, ihr rückwirkend die monatlichen Prämiendifferenzen von Fr. 147.80 zu Fr. 253.90 (seit 1. Juli 1983 bis Ende 1984) und von Fr. 147.80 zu Fr. 219.80 (ab anfangs 1985) zu erstatten; ferner sei die KFW anzuweisen, ihre Prämie zeitlich unbeschränkt auf Fr. 147.80 herabzusetzen; schliesslich sei das vorliegende Urteil allen früheren kollektivversicherten Mitgliedern der Krankenkasse Omega zu eröffnen.
Die KFW und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Beschränkte Kognition.)
2.
a) Gemäss
Art. 5bis Abs. 4 KUVG
haben Versicherte bei Dahinfallen des Kollektivversicherungsvertrages das Recht, in die Einzelversicherung der Kasse überzutreten, wenn sie in deren Tätigkeitsgebiet wohnen (Satz 1); die Kassen sind verpflichtet, den Übertretenden im Rahmen der Einzelversicherung den bisherigen Umfang der Leistungen zu wahren (Satz 2). Zur Gewährleistung der Weiterversicherung bei Dahinfallen eines Kollektivversicherungsvertrages auferlegt Art. 12 Vo II zum KUVG (SR 832.132 in der bis Ende 1984 gültig gewesenen Fassung) den Krankenkassen folgende Aufklärungspflicht: Die Kassen haben dafür zu sorgen, dass die Versicherten bei Ausscheiden aus der Kollektivversicherung oder bei Dahinfallen des Kollektivversicherungsvertrages über das Recht zum Übertritt in die Einzelversicherung aufgeklärt werden (Satz 1); eine entsprechende Aufklärungspflicht obliegt der Kasse gegenüber Versicherten, die als Züger zu einer andern Kasse übertreten können (Satz 2). Ein Freizügigkeitsgrund, über den die Kasse im Sinne dieser Verordnungsbestimmung den Versicherten aufzuklären hat, liegt insbesondere dann vor, wenn die Krankenkasse sich auflöst (
Art. 7 Abs. 1 lit. e KUVG
). Tritt ein Freizügigkeitsfall ein, so ist die Kasse nicht nur verpflichtet, den Versicherten über den Anspruch auf Freizügigkeit aufzuklären; sie hat ihm
BGE 112 V 115 S. 119
auch anhand des amtlichen Kassenverzeichnisses die Namen der anerkannten Krankenkassen bekanntzugeben, die für den Übertritt in Betracht fallen können (Art. 12 Abs. 1 Vo III, SR 832.140). Des weitern hat die Krankenkasse unaufgefordert den für die Geltendmachung der Freizügigkeit erforderlichen Mitgliedschaftsausweis auszustellen (Art. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Vo III). Gelangt ein Versicherter infolge Verschuldens seiner Kasse länger als drei Monate nicht in den Besitz des Mitgliedschaftsausweises, so dass der Freizügigkeitsanspruch gemäss
Art. 10 Abs. 1 KUVG
erloschen ist, so hat die Kasse die Mitgliedschaft weiterzuführen, bis ein anderer statutarischer Grund wie Ausschluss, Austritt usw. zu deren Erlöschen führt (Art. 10 Abs. 1 Vo III).
b) Das kantonale Gericht hat aufgrund des anlässlich der Parteiverhandlung vom 6. August 1984 durchgeführten Beweisverfahrens in für das Eidg. Versicherungsgericht verbindlicher Weise (
Art. 105 Abs. 2 OG
) festgestellt, dass die Beschwerdeführerin erst am 30. März 1983 über die Möglichkeit der Freizügigkeit orientiert wurde; daher habe sie von ihrem Recht, während drei Monaten nach Auflösung der Krankenkasse La Jurassienne und deren Fusion mit der KFW (31. Dezember 1982) zu erleichterten Bedingungen in eine andere Kasse überzutreten, nicht Gebrauch machen können. Damit steht fest, dass die Beschwerdeführerin wegen der Verletzung der gesetzlichen Aufklärungspflicht durch die Krankenkasse La Jurassienne bzw. durch die sie übernehmende KFW den Freizügigkeitsanspruch verlor, wie er in
Art. 9 KUVG
umschrieben ist. Die herzkranke Beschwerdeführerin büsste somit insbesondere das Recht ein, ohne Versicherungsvorbehalt zu einer andern Krankenkasse ziehen zu können (Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 5 Abs. 3 KUVG
). Bezüglich der Mitgliederbeiträge kann sie sich sodann zufolge Verlusts des Zügerrechtes nicht mehr auf
Art. 9 Abs. 3 KUVG
berufen. Fehlt dem Begehren auf Übernahme der Prämiendifferenzen somit die gesetzliche Grundlage, ist zu prüfen, ob der Anspruch sich auf Treu und Glauben stützen lässt.
3.
a) Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist eine falsche Auskunft bindend,
BGE 112 V 115 S. 120
1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat;
2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte;
3. wenn der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen konnte;
4. wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können;
5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine Änderung erfahren hat (
BGE 110 V 155
Erw. 4b mit Hinweis).
b) In sinngemässer Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Tatbestand einer - entgegen gesetzlicher Verpflichtung (Erw. 2a) - nicht erteilten Auskunft ergibt sich, dass die fünf Voraussetzungen erfüllt sind: Die KFW, welche sich das Verhalten der aufgelösten und mit ihr fusionierten Krankenkasse La Jurassienne anrechnen lassen muss, hat die Beschwerdeführerin entgegen der klaren gesetzlichen Verpflichtung nicht rechtzeitig über den Freizügigkeitsgrund und die daraus sich ergebenden Ansprüche orientiert (Ziff. 1 und 2). Sodann konnte die Beschwerdeführerin im massgeblichen Zeitraum den Freizügigkeitsgrund und die damit verbundenen Rechte nicht erkennen, weil sie aufgrund des Zirkularschreibens vom 5. Januar 1983 - für welches noch die Krankenkasse La Jurassienne verantwortlich zeichnete - auf eine Fortsetzung des Kollektivversicherungsvertrages mit der KFW vertrauen durfte (Ziff. 3). Ferner steht nach der Aktenlage fest und wird von der KFW nicht bestritten, dass die Beschwerdeführerin bei rechtzeitiger Ausübung des Zügerrechts in die Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz (CKUS) hätte eintreten können, wo ihr während längerer Zeit eine erheblich tiefere Prämienbelastung entstanden wäre (ab 1. Juli 1983 Fr. 155.60; ab 1. Januar 1984 Fr. 178.40; ab 1. Juli 1984 Fr. 200.40). Unter diesen Umständen hätte die Beschwerdeführerin wahrscheinlich bei rechtzeitiger Aufklärung von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht, weil ihr andernfalls wegen ihres Herzleidens bei der Bewerbung um Aufnahme in eine andere Krankenkasse ein Versicherungsvorbehalt drohte (
Art. 5 Abs. 3 KUVG
) und weil sie die erheblich höheren Prämien in der Einzelversicherung bei der KFW nicht akzeptiert hätte, wenn ihr das Zügerrecht offengestanden wäre (Ziff. 4). Die letzte Voraussetzung (Ziff. 5) ist ebenfalls erfüllt.
BGE 112 V 115 S. 121
4.
a) Die Vorinstanz hat erwogen, selbst wenn die KFW wider Treu und Glauben gehandelt haben sollte, könne die Beschwerdeführerin aus diesem Verhalten keinen Anspruch auf eine Prämienreduktion ableiten. Denn das Vertrauensprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz trete gegenüber einer Sonderregelung, die sich unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz selber ergebe, zurück. Dies treffe in bezug auf das Gebot der rechtsgleichen Behandlung aller Versicherten zu, weil dieser Grundsatz unmittelbar aus
Art. 3 Abs. 3 KUVG
hervorgehe.
b) Im Schreiben vom 26. Juli 1983 erläuterte die KFW gegenüber dem Ehemann der Beschwerdeführerin die Höhe der für die Einzelversicherten geltenden Prämien. Die Kasse führte dort unter Bezugnahme auf den Fusionsvertrag aus, die bei ihr nun einzelversicherten Mitglieder der ehemaligen Krankenkasse La Jurassienne müssten "als geschlossene Prämieneinheit" behandelt werden; die "Prämienpolitik" sei in der Weise zu betreiben, "dass voraussichtlich keine oder nur geringe Reservemittel von den bisherigen KFW-Versicherten aufgebracht werden müssen"; vor diesem Hintergrund sei es nicht zu verantworten, Versicherte aus Kassen, die mangels Aktiven zur Fusion gezwungen worden seien, "uneingeschränkt vom Vermögen des alten versicherten Bestandes profitieren zu lassen"; korrekt sei, "eine Sanierung soweit als möglich in jenem Bestand vorzunehmen, der auch jahrelang durch sachlich unbegründet tiefe Prämien profitiert" habe. Die Beschwerdeführerin bezahlte dementsprechend in der Folge höhere Prämien als die andern bei der KFW zu den gleichen Leistungen Versicherten. Erst im Dezember 1984 informierte die KFW die ehemals bei der Krankenkasse La Jurassienne versicherten und nun der gleichnamigen KFW-Agentur angeschlossenen Mitglieder, sie werde nach zwei Übergangsjahren ("après deux années de transition") den normalen Tarif der KFW ("le tarif normal de la KFW") anwenden, was im Falle der Beschwerdeführerin eine Ermässigung der Monatsprämie von Fr. 253.90 auf Fr. 219.80 zur Folge hatte. Von einer Gleichbehandlung der Beschwerdeführerin mit den andern Kassenmitgliedern, wie das kantonale Gericht meint, kann bei dieser Sachlage von vornherein nicht die Rede sein.
c) Im weitern trifft es zwar zu, dass das Eidg. Versicherungsgericht den Voraussetzungen, unter denen die Berufung auf den Vertrauensschutz begründet ist (
BGE 110 V 155
Erw. 4b), beigefügt hat, dass keine unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung vorliegen darf, vor welcher das Vertrauensprinzip
BGE 112 V 115 S. 122
als allgemeiner Rechtsgrundsatz zurücktreten muss (
BGE 106 V 143
Erw. 3 in fine mit Hinweisen; ZAK 1983 S. 389 Erw. 1 in fine). Doch kann der Gleichheitsgrundsatz keinesfalls als unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung im Sinne dieser Rechtsprechung betrachtet werden, dies auch dann nicht, wenn das Gleichbehandlungsgebot in einer gesetzlichen Bestimmung konkretisiert ist bzw. - wie im Falle des
Art. 3 Abs. 3 KUVG
- sich aus dieser ableiten lässt (
BGE 109 V 148
,
BGE 108 V 258
Erw. 3a mit Hinweisen). Die gegenteilige Betrachtungsweise der Vorinstanz hätte zur Folge, dass der Grundsatz von Treu und Glauben in der Krankenversicherung nicht angerufen werden könnte, was jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht zutrifft (
BGE 110 V 322
Erw. 5,
BGE 108 V 250
Erw. 4; RKUV 1984 Nr. K 564 S. 22 und Nr. K 593 S. 227 Erw. 3; RSKV 1983 Nr. 538 S. 138 und Nr. 554 S. 246 Erw. 2a, 1982 Nr. 514 S. 271 Erw. 3a). Auch in der Lehre ist die Geltung von Treu und Glauben im Anwendungsbereich des
Art. 3 Abs. 3 KUVG
anerkannt (DUCOMMUN, Légalité et bonne foi dans la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances, in: Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 252/3; VIRET, Le principe de la mutualité dans l'assurance-maladie sociale, in: Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 619). Der Grundsatz der rechtsgleichen Gesetzesanwendung verkörpert vielmehr ein Prinzip, das mit dem gleichrangigen Grundsatz von Treu und Glauben in ein Spannungsverhältnis treten kann (DUCOMMUN, a.a.O., S. 251; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 461 f.; WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 51 f., S. 55 und S. 116 f.). Dieser Konflikt zwischen den beiden Verfassungsprinzipien ist im konkreten Fall durch eine wertende Abwägung der im Spiele stehenden Interessen zu lösen (IMBODEN/RHINOW, a.a.O., S. 461 unten; WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 117). Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt der einheitlichen, für alle Versicherten rechtsgleichen Gesetzesanwendung nach der erwähnten Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts der Vorrang zu, sofern eine unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung dies erheischt. Daher kann der Widerstreit zwischen Legalitätsprinzip und Vertrauensschutz nicht durch die blosse Berufung auf das Gebot der rechtsgleichen Gesetzesanwendung behoben werden.
BGE 112 V 115 S. 123
d) Nach dem Gesagten bleibt zu prüfen, ob eine besondere formellgesetzliche Bestimmung des Krankenversicherungsrechts vorliegend die Berufung auf Treu und Glauben ausschliesst.
Gemäss
Art. 9 Abs. 3 KUVG
haben Züger höchstens diejenigen Mitgliederbeiträge zu bezahlen, welche die Kasse von Neueintretenden des gleichen Alters erhebt (Satz 1); für Züger, welche das Höchsteintrittsalter der übernehmenden Kasse überschritten haben, ist bei der Festsetzung der Mitgliederbeiträge das dem Höchsteintrittsalter folgende Altersjahr massgebend (Satz 2). Unter Hinweis auf diese Bestimmung wendet das BSV ein, kein Mitglied einer Kasse habe einen Rechtsanspruch auf unveränderte Mitgliederbeiträge bzw. auf gleich hohe Mitgliederbeiträge bei einem Kassenwechsel. Diese Auffassung trifft zwar an sich zu und bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie von ihrem Zügerrecht fristgemäss Gebrauch gemacht hätte, von der andern Krankenkasse nicht hätte beanspruchen können, weiterhin nur Beiträge in der Höhe der bei der aufgelösten Krankenkasse La Jurassienne bezahlten (Fr. 87.70 monatlich) zu entrichten. Das BSV übersieht jedoch, dass die Beschwerdeführerin bei Ausübung des Zügerrechts von der neuen Krankenkasse hätte verlangen können, höchstens diejenigen Mitgliederbeiträge zu bezahlen, welche diese Kasse von Neueintretenden des gleichen Alters erhebt. Diesen gesetzlichen Anspruch als Zügerin hat die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, zufolge der nicht rechtzeitigen Aufklärung durch die KFW eingebüsst. Der Verlust des Zügerrechts in bezug auf die Mitgliederbeiträge wird, entgegen der Auffassung des BSV, nicht dadurch ausgeglichen, dass die KFW der anderen Pflicht nachkam, die Weiterversicherung der Beschwerdeführerin durch Gewährung der bisherigen Leistungen gemäss dem dahingefallenen Kollektivversicherungsvertrag im Rahmen einer Einzelmitgliedschaft sicherzustellen. Eine Krankenkasse, welche bei Eintritt eines Freizügigkeitsgrundes ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht mit der Wirkung nicht nachkommt, dass der Versicherte seine Freizügigkeitsrechte verliert, hat nicht nur hinsichtlich der Leistungen im bisherigen Umfang einzustehen, sondern auch in bezug auf die Prämienbelastung jenen gesetzlichen Anforderungen zu genügen, welche eine andere Krankenkasse kraft des Gesetzes (
Art. 9 Abs. 3 KUVG
) bei Ausübung des Zügerrechts hätte beachten müssen. Bei dieser Rechtslage kann von einer gesetzlichen Sonderregelung, welche die Berufung auf den Vertrauensschutz im Sinne der Rechtsprechung ausschliesst, nicht gesprochen werden.
BGE 112 V 115 S. 124
5.
Wie bereits dargelegt, hätte die Beschwerdeführerin bei rechtzeitiger Ausübung des Zügerrechts in die CKUS eintreten können, wo sie ab 1. Juli 1983 Fr. 155.60, ab anfangs Januar 1984 Fr. 178.40 und ab 1. Juli 1984 Fr. 200.40 an Prämien für entsprechende Leistungen bezahlt hätte. Die Differenzen zu den in der KFW bezahlten Beiträgen hat diese nach dem Gesagten zu übernehmen. Was die Dauer dieser Vergütung anbelangt, trifft der Einwand der KFW zu, dass ihr eine solche Verpflichtung höchstens so lange auferlegt werden darf, als der Beschwerdeführerin beim Eintritt in die CKUS mangels Freizügigkeit während der Vorbehaltsdauer von fünf Jahren (
Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KUVG
) ein Nachteil erwachsen wäre. Da jedoch die Prämie, welche die Beschwerdeführerin im Freizügigkeitsfalle bei der CKUS zu entrichten gehabt hätte, sich ab anfangs 1985 praktisch dem Mitgliederbeitrag in der Einzelversicherung der KFW angeglichen hat (Fr. 217.60 gegenüber Fr. 219.80) und weil ihr danach bis zum Ablauf der fünfjährigen Vorbehaltsdauer wahrscheinlich keine erhebliche Mehrbelastung entstehen wird, rechtfertigt es sich, die Pflicht der KFW zum Ausgleich der Prämiendifferenzen auf Ende 1984 zu begrenzen, was einen Betrag von Fr. 1'301.40 ergibt (Fr. 527.40 für 2. Semester 1983, Fr. 453.-- für 1. Semester 1984, Fr. 321.-- für 2. Semester 1984).
6.
Da es im vorliegenden Prozess nicht um Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren nicht kostenfrei (
Art. 134 OG
e contrario).
Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Antrag insoweit durchgedrungen, als sie die grundsätzliche Verpflichtung der KFW zur Prämienvergütung erreicht hat (Erw. 4). In masslicher Hinsicht hat die Versicherte dagegen nur teilweise obsiegt (Erw. 5). Daher rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten zu drei Vierteln der KFW und zu einem Viertel der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 135 OG
).
7.
Die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts sind der Vorinstanz, den Parteien und allfälligen anderen Beteiligten (
Art. 110 Abs. 1 OG
) zu eröffnen (Art. 135 in Verbindung mit
Art. 37 OG
). Daher kann dem Antrag auf Eröffnung des vorliegenden Urteils an "alle früheren Mitglieder des Omega-Kollektiv" nicht entsprochen werden, weil diese Personen im vorliegenden Verfahren weder Partei noch sonstwie beteiligt sind.
BGE 112 V 115 S. 125
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 20. November 1984 und die Kassenverfügung vom 21. Mai 1984 aufgehoben, und es wird die Krankenfürsorge Winterthur verpflichtet, der Beschwerdeführerin den Betrag von Fr. 1'301.40 zu bezahlen.
II. Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin zu einem Viertel und der KFW zu drei Vierteln auferlegt. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3f98fd69-6717-40b4-a140-c3a5f91e955f | Urteilskopf
139 III 133
18. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_605/2012 vom 22. Februar 2013 | Regeste
Rechtsmittel gegen einen gerichtlichen Vergleich.
Gegen einen gerichtlichen Vergleich nach
Art. 241 ZPO
steht die Revision als Rechtsmittel offen (
Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO
; E. 1.3), während der Abschreibungsbeschluss nach
Art. 241 Abs. 3 ZPO
einzig hinsichtlich des Kostenpunkts mit Beschwerde anfechtbar ist (E. 1.2). | Erwägungen
ab Seite 133
BGE 139 III 133 S. 133
Aus den Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (
BGE 137 III 417
E. 1;
BGE 136 II 101
E. 1,
BGE 136 II 470
E. 1;
BGE 135 III 212
E. 1).
1.1
Wird ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein Klagerückzug dem Gericht zu Protokoll gegeben, so haben die Parteien das Protokoll zu unterschreiben (
Art. 241 Abs. 1 ZPO
). Ein Vergleich, eine Klageanerkennung oder ein Klagerückzug hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides (
Art. 241 Abs. 2 ZPO
). Das Gericht schreibt das Verfahren ab (
Art. 241 Abs. 3 ZPO
).
1.2
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Abschreibungsbeschluss im Sinne von
Art. 241 Abs. 3 ZPO
. Dabei handelt es sich um einen rein deklaratorischen Akt, weil bereits der Vergleich als solcher den Prozess unmittelbar beendet (LAURENT KILLIAS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 28 f. zu
Art. 241 ZPO
; PAUL OBERHAMMER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 10 zu
Art. 241 ZPO
; GEORG NÄGELI, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 38 zu
Art. 241 ZPO
; PASCAL LEUMANN LIEBSTER, in: Kommentar zur Schweizerischen
BGE 139 III 133 S. 134
Zivilprozessordnung, Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 23 zu
Art. 241 ZPO
; MARKUS KRIECH, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 15 zu
Art. 241 ZPO
; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] [...], 2011, N. 2 zu
Art. 241 ZPO
, S. 1068). Der Abschreibungsbeschluss beurkundet den Prozesserledigungsvorgang im Hinblick auf die Vollstreckung des Vergleichs (vgl. STEPHEN V. BERTI, Einführung in die Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 243; KILLIAS, a.a.O., N. 33 zu
Art. 241 ZPO
), erfolgt aber abgesehen davon der guten Ordnung halber (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221, 7345 zu Art. 237 und 238), d.h. zum Zwecke der Geschäftskontrolle (THOMAS SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2012, N. 1139). Nach zutreffender Auffassung steht gegen den Abschreibungsbeschluss als solchen kein Rechtsmittel zu Verfügung (so die h.M.: KILLIAS, a.a.O., N. 49 zu
Art. 241 ZPO
; SUTTER-SOMM, a.a.O., N. 1139; TREZZINI, a.a.O., N. 2 zu
Art. 241 ZPO
, S. 1068 ["inimpugnabilità"]; OBERHAMMER, a.a.O., N. 7 zu
Art. 251 ZPO
; KRIECH, a.a.O., N. 16 zu
Art. 241 ZPO
; a.M. JACQUES HALDY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 38 zu
Art. 241 ZPO
). Der Abschreibungsbeschluss bildet mithin kein Anfechtungsobjekt, das mit Berufung oder Beschwerde nach ZPO bzw. - falls er von einer Vorinstanz i.S. von
Art. 75 BGG
ergangen ist - mit der Beschwerde nach BGG angefochten werden könnte. Lediglich der darin enthaltene Kostenentscheid ist anfechtbar (
Art. 110 ZPO
).
1.3
Der gerichtliche Vergleich selbst hat zwar die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheides (
Art. 241 Abs. 2 ZPO
), kann aber einzig mit Revision nach ZPO angefochten werden (
Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO
; Botschaft, a.a.O., S. 7380; Urteil 4A_269/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 3.1). In Bezug auf materielle oder prozessuale Mängel des Vergleichs ist die Revision mithin primäres und ausschliessliches Rechtsmittel (KILLIAS, a.a.O., N. 49 zu
Art. 241 ZPO
; OBERHAMMER, a.a.O., N. 7 f., 12 zu
Art. 241 ZPO
). Gegen einen Vergleich stehen weder die Berufung und Beschwerde nach ZPO noch die Beschwerde nach BGG offen.
1.4
Die Rügen des Beschwerdeführers betreffen ausschliesslich angebliche (materielle oder prozessuale) Mängel des Vergleichs, welche einzig mit Revision nach
Art. 328 Abs. 1 lit. c ZPO
geltend gemacht werden können. Der angefochtene Abschreibungsbeschluss ist
BGE 139 III 133 S. 135
diesbezüglich kein taugliches Anfechtungsobjekt einer Beschwerde nach BGG. Rügen gegen den Kostenentscheid im Abschreibungsbeschluss bringt der Beschwerdeführer nicht vor. Auf die Beschwerde ist somit mangels tauglichen Anfechtungsobjekts bzw. tauglicher Rügen nicht einzutreten. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3f9ead68-2c58-42af-8e1e-3d152716b485 | Urteilskopf
84 II 614
82. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Oktober 1958 i.S. Erbengemeinschaft Inderbitzin gegen M. und P. Inderbitzin. | Regeste
Notweg,
Art. 694 ZGB
.
Ein Grundeigentümer, der genügende Zufahrt zu den Hauseingängen hat, kann das Notwegrecht nicht verlangen, um in einer Remise im Hinterhaus ein Auto einstellen zu können, das für die Nutzung der Liegenschaft nicht notwendig ist. | Sachverhalt
ab Seite 615
BGE 84 II 614 S. 615
A.-
An der untern Rickenbachstrasse in Schwyz liegen nebeneinander die durch frühere Teilung entstandenen Grundstücke Nr. 792 der Schwestern Inderbitzin und Nr. 791 der Erbengemeinschaft des Robert Inderbitzin (die Grundbuchnummern sind im bisherigen Verfahren und in den Entscheiden der Vorinstanzen vertauscht). Zwischen dem von einem Mehrfamilienhaus mit Konsumladenlokal eingenommenen Grundstück Nr. 792 der Schwestern und dem Maschinenhaus des Gerbereigewerbes der Erbengemeinschaft liegt ein 14 m langer, ca. 5 m breiter, beiden Nachbarn gemeinsam gehörender Vorplatz, welcher der Gerberei als Zufahrt zu ihrem Hofe dient. Im hintern Teil des Hauses der Schwestern befindet sich eine Remise, in welche sie mit ihrem vor einiger Zeit angeschafften Volkswagen vom gemeinsamen Vorplatz aus nur unter Inanspruchnahme einer - teilweise bereits mit einem Bauverbot belegten - Ecke des Gerbereihofs der Nachbarn einbiegen können. Diese hatten bisher die Befahrung dieser Ecke geduldet, da sie ihrerseits auf die Erlaubnis der Schwestern angewiesen waren, für das Einbiegen mit Lastwagen von der Strasse in die nur drei Meter breite Vorplatzeinfahrt die beidseitigen Ecken der Parzellen der Schwestern zu berühren. Nachdem nun eine Strassenkorrektion durch Verkürzung des engen Vorplatzhalses eine Verbesserung der Einfahrt für die Gerberei brachte, befürchteten die Schwestern, die Nachbarn wollten ihnen künftig die Durchfahrt über die Hofecke zu ihrer als Garage benützten Remise verbieten, und verlangten daher die Einräumung eines Notwegrechts gemäss
Art. 694 ZGB
.
Die beklagte Erbengemeinschaft erklärte sich bereit, die Zufahrt im bisherigen Rahmen weiterhin freiwillig zu gestatten, widersetzte sich jedoch der Errichtung einer dauernden Grunddienstbarkeit.
B.-
Der Gemeinderat von Schwyz hat dem Gesuch der Schwestern entsprochen, und der Regierungsrat des
BGE 84 II 614 S. 616
Kantons Schwyz hat in Abweisung der Beschwerde der Erbengemeinschaft diesen Entscheid bestätigt. Er führt aus, Gegenstand des begehrten Notfahrwegrechts sei, die Ein- und Ausfahrt nach bisheriger Übung unter Benutzung weniger Quadratmeter des Nachbargrundstückes rechtlich zu sichern. Vorerst sei zu prüfen, ob das verlangte Recht den Bedürfnissen des klägerischen Grundstücks entspreche. Dies treffe zu; unter den heutigen Verhältnissen sei für ein Geschäftshaus mit Ladenlokal und zugleich Mehrfamilienhaus eine Garage durchaus notwendig. Der Augenschein habe ergeben, dass den Klägerinnen die Erstellung einer andern Garage, wenn überhaupt, nur mit aussergewöhnlichen und unverhältnismässig kostspieligen Bauten, unter Preisgabe entweder des Ladenlokals an der Strassenfront oder des Treppenhauses am gemeinsamen Vorplatz, möglich wäre, was ihnen nicht zuzumuten sei. Anderseits sei die Einräumung des Fahrwegrechts der Gerbereiliegenschaft zumutbar, da der Notweg den Belasteten nicht schade, sie für sich selbst auf die gleiche Zufahrt angewiesen seien und auf einem Teil des beanspruchten Bodens bereits ein Bauverbot bestehe. Seien die Beklagten für ihre Zufahrt dank der Strassenkorrektion nicht mehr auf das Entgegenkommen der Klägerinnen angewiesen, so sei es verständlich und begründet, dass diese sich die bisherige Zufahrt rechtlich sichern liessen; mit der blossen Duldung wären sie immer vom Wohl- oder Übelwollen der Beklagten abhängig.
C.-
Mit der vorliegenden Berufung halten die Beklagten am Antrag auf Abweisung des Notwegrechtsbegehrens fest. Eventuell beantragen sie Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Abklärung des Streitwertes; für den Fall, dass dieser für die Berufung nicht genügte, ist gleichzeitig eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht worden.
Materiell machen die Beklagten, wie schon im kantonalen Verfahren, geltend, es bestehe für die Klägerinnen keine ihren Anspruch rechtfertigende Notlage. Ihr Haus liege
BGE 84 II 614 S. 617
unmittelbar an der öffentlichen Strasse, es fehle ihm also der Zugang zu dieser nicht. Das von ihnen benützte Personenauto und die Garage, die übrigens nur ein Schopf sei, hätten für die Bewirtschaftung der Liegenschaft keine Bedeutung. Jeder Wagen könne bis dicht vor die Haus- und die Ladentüre fahren. Ihr Kleinauto hätten die - privatisierenden - Klägerinnen nur zum Vergnügen und bisher sehr wenig, meist nur an Sonntagen, benützt, und in diesem Rahmen hätten die Beklagten ihnen die Zufahrt zur Garage auch weiterhin gestattet, ohne allerdings aus der Duldung ein Recht erwachsen zu lassen.
D.-
Die Klägerinnen beantragen Nichteintreten auf die Berufung mangels des nötigen Streitwertes, eventuell Abweisung derselben. Sie halten daran fest, Auto und Garage seien für die Bewirtschaftung ihrer Grundstücke notwendig, eine Verlegung der Garage sei unzumutbar und anderseits die verlangte Belastung für das Nachbargrundstück unschädlich. Die Verweigerung des Fahrwegrechts stelle daher eine gegen Treu und Glauben verstossende Schikane dar.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Für die Bezifferung des Streitwertes ist auf das Interesse der Klägerinnen an der Einräumung des Wegrechts abzustellen (
BGE 80 II 314
f.). Nach ihrer Aussage besteht dieses Interesse darin, dass ihnen das Wegrecht eine Garagemiete von monatlich Fr. 25.- bis 30.- erspart. Nach
Art. 36 Abs. 5 OG
ist als Streitwert der zwanzigfache Jahresbetrag dieser Auslage einzusetzen, also Fr. 6000.-- bis 7200.--. Die Berufung ist mithin zulässig; es hat das schriftliche Verfahren stattzufinden (
Art. 46, Abs. 1 OG
).
3.
In faktisch-technischer Hinsicht entbehren die Klägerinnen zur Zeit einer genügenden Zufahrt zu ihrem als Garage benutzten Hausteil nicht, und auch künftig soll sie ihnen, falls nur im bisherigen Rahmen beansprucht, nach den Erklärungen der Beklagten offen stehen. Dagegen lehnen diese die Begründung sowohl eines dinglichen als
BGE 84 II 614 S. 618
auch eines nur persönlichen und zeitlich beschränkten Rechts zum Befahren ihrer Hofecke ab. Insofern ist der Weg der Klägerinnen zu ihrer Garage, als lediglich prekaristisch, rechtlich ungenügend. Dass die Klägerinnen mit Leichtigkeit eine andere Garage mit Zufahrt auf eigenem Boden oder direkt von der öffentlichen Strasse her erstellen könnten, ist nicht erwiesen. Die Vorinstanz stellt, entgegen der Behauptung der Beklagten, fest, dass ein solcher Bau, falls überhaupt möglich, unverhältnismässig teuer zu stehen käme und schwere Nachteile in der Benützung des Hauptgebäudes, nämlich die Preisgabe des Ladens an der Strasse oder des Treppenhauses am Vorplatz, mit sich bringen würde. Unter solchen Umständen ist der Anspruch auf einen Notweg grundsätzlich gegeben.
Nun setzt aber der Notweganspruch gemäss
Art. 694 Abs. 1 ZGB
voraus, dass das Grundstück als solches und als ganzes keinen genügenden Weg auf die öffentliche Strasse habe. Hat es diesen aber, so kann nicht verlangt werden, dass darüber hinaus irgend ein bestimmter Teil des Grundstückes bzw. namentlich der auf ihm stehenden Gebäude auf Kosten des Nachbars zugänglich gemacht werde. Die Liegenschaft der Klägerinnen hat eine Zu- und Abfahrt zur Dorfstrasse, da sie mit der Südfront des Wohn- und Geschäftshauses direkt an und auf gleichem Niveau mit dieser liegt und ausserdem auf der Westseite über den gemeinsamen Vorplatz bis vor die Haustüre mit jedem Fahrzeug zugänglich ist. Die Klägerinnen verlangen einen weitern Zugang, der ihnen die Einfahrt in die im hintern Teil des Hauses liegende Remise ermöglicht. Ein Begehren solcher Art ist nur begründet, wenn die rationelle Bewohnung und Bewirtschaftung der Liegenschaft mit den vorhandenen Zufahrten nicht möglich ist und den zusätzlichen Notweg erfordert. Dies ist z.B. der Fall, wenn wesentliche Teile eines Bauerngutes oder eines Fabrikbetriebes ohne eine besondere, nur durch Notweg mögliche Zufahrt nicht genützt werden können, wenn also der schon vorhandene Weg für die Nutzung des Gesamtgrundstückes nicht genügt
BGE 84 II 614 S. 619
(vgl. LEEMANN N. 16, HAAB N. 17 zu Art. 694, GMÜR, Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 16 S. 173 f.).
Die Vorinstanz hat diese entscheidende Frage damit zu beantworten versucht, dass sie einfach erklärt, für eine Mehrzweckliegenschaft, wie sie hier in Frage stehe, sei eine Garage heutzutage durchaus notwendig. Dies geht im vorliegenden Falle zu weit. Es müsste festgestellt sein, dass in concreto für die Bewirtschaftung des Grundstückes ein Auto und die Möglichkeit, dieses auf dem eigenen Boden und zwar in einem bestimmten, bereits vorhandenen Lokal einzustellen, notwendig sind. Dies ist hier nicht dargetan. Mit dem von den Klägerinnen an Dritte verpachteten Konsumladen an der Strassenfront haben Auto und Garage offenbar nichts zu tun, jedenfalls ist etwas anderes weder bewiesen noch - zulässigerweise - behauptet worden; es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern eine allfällige Erschwerung des Auf- und Abladens eines Autos vor dem Laden, zufolge Einbeziehung des schmalen Bodenstreifens vor demselben in die Strasse, durch die Zufahrt in die Garage im Hinterhause sollte kompensiert werden können. Für die wirtschaftliche Nutzung der Wohnräume, wozu auch das Bewohnen durch die Eigentümerinnen gehört, ist das Privatauto derselben gewiss angenehm, aber nicht unbedingt notwendig. Die Zufuhr von Brennmaterial, Lebensmitteln, die Zufahrt eines Taxis, eines Möbelwagens, eines Krankenautos usw. ist über den gemeinsamen Vorplatz bis vor die Haustür möglich. Das Interesse der Klägerinnen am verlangten Notweg besteht somit nur darin, dass es für sie eine Bequemlichkeit und eine finanzielle Erleichterung ist, wenn sie ihr privates, für die Grundstücksbewirtschaftung nicht erforderliches Auto in der unter dem eigenen Dache befindlichen, aber nur über den Hof des Nachbars zugänglichen Remise versorgen können. Dass sie aus Erwerbsgründen ein Auto halten müssen, dass der fragliche Raum nicht auch anderswie nützlich zu verwenden wäre, dass etwa Ladenpächter, Mieter oder Gäste
BGE 84 II 614 S. 620
je dort eine Garage beansprucht hätten, ist nicht behauptet, jedenfalls nicht festgestellt. Damit soll immerhin nicht gesagt sein, dass nur ein aus Erwerbsgründen gehaltenes Auto einen Notweganspruch zu begründen vermöge, also nur drohende "Not" im engern, wirtschaftlichen Sinne in Betracht käme; es lassen sich durchaus Fälle denken, wo der Grundeigentümer für ein ihm bloss zur Bequemlichkeit oder zum Vergnügen dienendes Auto einen Zugang zu seiner Liegenschaft muss beanspruchen können, nämlich wenn er überhaupt keinen solchen hat, nicht aber nur um es an einer ungeschickt gelegenen Stelle der Liegenschaft auch garagieren zu können.
Dass die ablehnende Haltung der Beklagten rechtmissbräuchlich wäre, trifft nicht zu. Wohl erscheint es als recht und billig, dass die Klägerinnen die bisherige Benützung der Hofecke zur Ein- und Ausfahrt, mit der sie offenbar die Beklagten - angesichts der Grösse des Hofes - in keiner Weise beeinträchtigen, weiterhin im gleichen Rahmen ausüben können, was ihnen die Beklagten in der Berufungsschrift neuerdings auf Zusehen hin zugesichert haben. Ein dingliches Fahrwegrecht im Sinne von
Art. 694 ZGB
aber wäre ein erheblicher, dauernder Eingriff in das Grundeigentum der Beklagten; es könnte baulichen oder betrieblichen Veränderungen, die sie oder spätere Rechtsnachfolger als notwendig erachten würden, entgegenstehen und würde damit die Liegenschaft entwerten. Ein solcher Eingriff ist ihnen - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt von Recht und Billigkeit - nicht zuzumuten, wenn, nach dem Gesagten, dieser Notweg für die Klägerinnen weder ein wirtschaftliches noch ein anderes dringendes Bedürfnis ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3fa86e88-944a-4245-a97f-375affffdf93 | Urteilskopf
116 IV 121
23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. April 1990 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 68 Ziff. 1 StGB
; Anwendbarkeit dieser Bestimmung beim gewerbsmässigen und beim fortgesetzten Delikt.
1. Die Anwendung von
Art. 68 Ziff. 1 StGB
hat bei einem Schuldspruch wegen gewerbsmässiger Deliktsbegehung grundsätzlich ausser Betracht zu bleiben. Voraussetzungen einer Abweichung von diesem Prinzip (E. 2b aa).
2. Der generelle Ausschluss von
Art. 68 Ziff. 1 StGB
beim fortgesetzten Delikt lässt sich nicht begründen; er kann zu einem Verstoss gegen das Schuldprinzip führen (Änderung der Rechtsprechung). Notwendigkeit der Überprüfung der Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt auch ausserhalb des Strafzumessungsbereichs (E. 2b cc). | Sachverhalt
ab Seite 121
BGE 116 IV 121 S. 121
A.-
X. war Geschäftsführer der A. AG. In dieser Funktion war er massgeblich an der Vermittlung von Warentermingeschäften beteiligt, bei denen verschiedene Kunden zu Schaden kamen.
BGE 116 IV 121 S. 122
Nachdem er am 17. April 1978 mit weiteren Personen die später in C. AG umbenannte B. AG gegründet hatte, trat er als Geschäftsführer der A. AG zurück. Im Rahmen der Aktivitäten der C. AG stellte er einem grösseren Personenkreis profitable Kapitalanlagen in Aussicht; eine Anlage der in der Folge eingegangenen Kundengelder erfolgte indessen nie.
B.-
Mit Urteil vom 17. Juni 1987 sprach das Obergericht des Kantons Zürich X. des wiederholten gewerbsmässigen Betrugs sowie weiterer Delikte schuldig und verurteilte ihn zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus, abzüglich 43 Tage Untersuchungshaft, und zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Überdies verpflichtete es ihn zur Zahlung zahlreicher Schadenersatzforderungen.
C.-
Dagegen führt X. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Zu prüfen bleibt damit nur noch der mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhobene Einwand, die Vorinstanz habe zu Unrecht wiederholten gewerbsmässigen Betrug angenommen.
a) Hiezu ist vorweg festzuhalten, dass aus dem angefochtenen Urteil nicht schlüssig hervorgeht, ob, wie der Beschwerdeführer behauptet, die Vorinstanz auf der Basis ihrer Annahme, es liege wiederholter gewerbsmässiger Betrug vor,
Art. 68 Ziff. 1 StGB
überhaupt angewendet hat. Da sich weder die Vorinstanz noch die Staatsanwaltschaft zur Nichtigkeitsbeschwerde geäussert haben, ist jedoch im Zweifel davon auszugehen, dass die Vorinstanz die dem Beschwerdeführer auferlegte Strafe nach
Art. 68 Ziff. 1 StGB
geschärft hat.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die wiederholte Tatbegehung sei in der Gewerbsmässigkeit begriffsnotwendig enthalten; die Anwendung von
Art. 68 StGB
scheide bei einer Verurteilung wegen gewerbsmässiger Deliktsbegehung deshalb aus.
aa) Gewerbsmässig handelt nach der in
BGE 115 IV 34
ff. präzisierten Rechtsprechung, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit
BGE 116 IV 121 S. 123
zu handeln, die Tat wiederholt verübt. Der in dieser Gewerbsmässigkeitsdefinition verwendete Begriff der "wiederholten" Tatbegehung ist indessen nicht in einem technischen Sinn zu verstehen; er bedeutet nichts anderes als "mehrfaches" Handeln (
BGE 107 IV 83
). Wiederholte Tatbegehung als Verübung mehrerer, in sich abgeschlossener, je auf gesondertem Willensentschluss beruhender strafbarer Handlungen bildet somit nicht Begriffsmerkmal der Gewerbsmässigkeit.
Richtig ist allerdings, dass die im besonderen Teil des StGB für gewerbsmässige Deliktsbegehung vorgesehenen Strafrahmen eine mehrfache Verwirklichung des Tatbestandes immer schon einkalkulieren und deshalb bei einem Schuldspruch wegen gewerbsmässiger Tatbegehung die Anwendung von
Art. 68 StGB
grundsätzlich ausser Betracht zu bleiben hat (
BGE 76 IV 101
). Von diesem Grundsatz ist in Übereinstimmung mit HAUSER/REHBERG (Strafrecht I, Zürich 1988, S. 202) aber abzuweichen, wenn während verschiedener, voneinander getrennter Zeitabschnitte gewerbsmässig delinquiert wurde, ohne dass den einzelnen Phasen ein umfassender Entschluss zugrunde lag und die Deliktsserien auch objektiv nicht als Einheit im Sinne eines zusammenhängenden Geschehens erscheinen. In solchen Fällen, in denen sich der Täter wiederholt zur gewerbsmässigen Begehung voneinander unabhängiger Deliktsserien entschliesst, kann eine deliktische Intensität erreicht sein, bei der der Richter die Möglichkeit haben muss, durch Heranziehung von
Art. 68 Ziff. 1 StGB
bei der Strafzumessung über das im besonderen Teil des StGB für gewerbsmässige Deliktsbegehung vorgesehene Strafmaximum hinauszugehen.
bb) Eine Anwendung von
Art. 68 StGB
in diesen Fällen auch beim gewerbsmässigen Delikt lässt sich umso eher rechtfertigen, als vom nach oben erweiterten Strafrahmen nicht notwendigerweise Gebrauch gemacht werden muss. In aller Regel wird vielmehr eine Erhöhung nach pflichtgemässem Ermessen innerhalb der ordentlichen Strafandrohung dem Verschulden des Täters gerecht.
cc) Soweit der Ausschluss einer Strafschärfung nach
Art. 68 Ziff. 1 StGB
bei Gewerbsmässigkeit aus den gleichen Gründen erfolgt, wie sie bei der Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts angeführt werden, kann daran nicht länger festgehalten werden. Diese Rechtsfigur wurde namentlich deshalb eingeführt, um dem Richter die Möglichkeit zu geben, bei echter Konkurrenz auf eine Strafschärfung nach
Art. 68 StGB
zu verzichten, wo sie als ungerecht erscheint (
BGE 90 IV 132
; vgl. auch
BGE 91 IV 66
). Mit Recht weist
BGE 116 IV 121 S. 124
die Literatur indessen darauf hin, dass eine generelle Privilegierung des fortgesetzt Delinquierenden bei der Strafzumessung zu Ungerechtigkeiten und letztlich zu einem Verstoss gegen das Schuldprinzip führen kann (vgl. NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, Zürich 1986, S. 240; SCHULTZ, Allg. Teil I, 4. Aufl., Bern 1982, S. 131, und WERNER ARNOLD KNECHT, Das fortgesetzte Delikt im Schweizerischen Strafrecht, Diss. Bern 1969, S. 99). So ist in der Tat nicht einzusehen, weshalb ein Täter, der eine grössere Deliktsserie von vornherein bis in die Einzelheiten plant und deshalb den für die Annahme des fortgesetzten Delikts erforderlichen "einheitlichen Willensentschluss aufweist, besser gestellt sein soll als ein anderer, der immer wieder derselben Versuchung erliegt oder, wie der Drogenabhängige, immer wieder in dieselbe Zwangslage gerät" (STRATENWERTH, Allg. Teil I,
§ 19 N 19
).
Der Vollständigkeit halber ist hier anzufügen, dass erhebliche Bedenken auch gegenüber der bisherigen Praxis beim fortgesetzten Delikt bestehen, wonach alle Einzelhandlungen erst nach Abschluss des letzten Teilaktes zu verjähren beginnen (
BGE 105 IV 13
mit Hinweisen); auch die inzwischen mit gewichtigen Einschränkungen versehene Rechtsprechung, nach der sich die Rechtskraft einer Verurteilung wegen eines fortgesetzten Delikts auch auf jene Delikte beziehen soll, die dem Richter nicht bekannt waren (
BGE 90 IV 132
), wird bei Gelegenheit erneuter Prüfung bedürfen. Die durch im Grunde sophistische Unterscheidungskriterien vom wiederholten Delikt abgegrenzte Rechtsfigur des fortgesetzten Delikts erscheint insgesamt als nicht haltbar, weil sie sachlich nicht zusammenhängende, gesondert zu erörternde Problembereiche (Verjährung, res-iudicata-Wirkung, Strafzumessung) vermengt und damit den Zugang zu sachgerechten Lösungen der anstehenden Fragen erschwert.
3.
Bei Anwendung der dargelegten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Anwendung von
Art. 68 StGB
durch die Vorinstanz bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist. Gemäss ihren verbindlichen tatsächlichen Feststellungen, die der Beschwerdeführer unzulässigerweise angreift (vgl.
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
), ist zwischen den beiden Betrugsserien, die dieser im Rahmen der Aktivitäten der A. AG einerseits und der C. AG andererseits begangen hat, eine klare Zäsur erkennbar, und die beiden Deliktskomplexe haben nichts miteinander zu tun. Damit aber ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während
BGE 116 IV 121 S. 125
verschiedener, voneinander getrennter Zeitabschnitte gewerbsmässig delinquiert hat, ohne dass den einzelnen Phasen ein umfassender Entschluss zugrunde lag. Da die vom Beschwerdeführer begangenen Betrugsserien objektiv auch keine Einheit im Sinne eines zusammenhängenden Geschehens bilden, hat die Vorinstanz
Art. 68 Ziff. 1 StGB
mithin zu Recht angewandt; die im Rahmen dieser Bestimmung vorgenommene Straferhöhung verletzt Bundesrecht nicht. | null | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
3faf92ff-d9f9-4c69-a97f-e1d4384f7468 | Urteilskopf
106 Ia 28
7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Februar 1980 i.S. Nievergelt gegen Hochschulrat der Hochschule St. Gallen für Wirtschaft und Sozialwissenschaften und Regierungsrat des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 45 BV
( Niederlassungsfreiheit); Wohnsitzpflicht der Beamten.
Die Wohnsitzpflicht der Professoren der Hochschule St. Gallen weist eine genügende gesetzliche Grundlage auf (E. 2a), liegt zudem im öffentlichen Interesse (E. 2b) und entspricht im vorliegenden Fall dem Gebot der Verhältnismässigkeit (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 28
BGE 106 Ia 28 S. 28
Am 21. Dezember 1970 beschloss der Hochschulrat der Hochschule St. Gallen, Dr. Erwin Nievergelt auf den 1. April 1971 als ordentlichen Professor für Betriebswirtschaftslehre zu wählen. Dieser zog in der Folge mit seiner Familie nach St. Gallen. Das Haus in Uitikon (ZH), das er seinen Bedürfnissen entsprechend bauen liess und bisher bewohnt hatte, vermietete er. Auf den 1. April 1979 war Prof. Nievergelt neu zu wählen. Im Vorfeld der Erneuerungswahl verlangte Prof. Nievergelt, in den Anstellungsbedingungen sei die Residenzpflicht im Kanton St. Gallen zu streichen. Er begründete das damit, dass
BGE 106 Ia 28 S. 29
sich einerseits seine finanzielle Situation an der Hochschule in den letzten Jahren verschlechtert habe und er andererseits sein Haus in Uitikon nur zu einem ungenügenden Zins vermieten könne; er wolle deshalb sein grösseres Haus in St. Gallen verkaufen und nach Uitikon ziehen. Der Hochschulrat lehnte das Gesuch um Bewilligung der Wohnsitzverlegung am 11. August 1978 ab. Die beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen erhobene Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt Prof. Nievergelt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit. Nach
Art. 45 BV
hat jeder Schweizer das Recht, sich an jedem Orte des Landes niederzulassen. Die Niederlassungsfreiheit kann, wie die andern Grundrechte, gestützt auf eine genügende gesetzliche Grundlage eingeschränkt werden, wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse liegt und dem Gebot der Verhältnismässigkeit entspricht.
a) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Residenzpflicht von Professoren der Hochschule St. Gallen fehle die gesetzliche Grundlage. Gemäss Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Handels-Hochschule vom 1. Januar 1955 ist die Handels-Hochschule St. Gallen eine öffentlichrechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit. Oberste Verwaltungsbehörde der Hochschule ist der Hochschulrat. Er wählt u.a. die Professoren unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat (Art. 4 und 7). Gemäss Art. 6 des Gesetzes enthält das vom Hochschulrat zu erlassende und vom Regierungsrat zu genehmigende Hochschulstatut die näheren Vorschriften über die Organisation und die Leitung der Hochschule, und es regelt die Rechte und Pflichten des Lehrkörpers und der Studierenden. Die Art. 31-51 des Hochschulstatuts vom 18. September 1975 regeln die Rechtsstellung der Dozenten. Art. 50 Abs. 1 bestimmt, dass der Regierungsrat die Vorschriften über die Besoldungen und die Statuten der Versicherungskasse der Dozenten zu erlassen habe. Im übrigen ordnet nach Art. 50 Abs. 2 des Hochschulstatuts der Hochschulrat das Dienst- und das Auftragsverhältnis im Einvernehmen mit dem Dozenten. Gemäss
BGE 106 Ia 28 S. 30
dieser rechtlichen Ordnung hat der Hochschulrat die Befugnis, das Dienstverhältnis im Einvernehmen mit den Dozenten zu regeln. Eine solche weitgefasste Delegation der Regelungskompetenz ist im Hinblick auf die Verschiedenheit der zu ordnenden Beziehungen im besonderen Rechtsverhältnis zwischen dem Gemeinwesen und dessen Angestellten zulässig. Die beschränkenden Regeln, die für die Delegation zur Rechtsetzung gelten (vgl.
BGE 104 Ia 310
E. 3e), sind hier nicht in gleicher Weise anwendbar. Sofern die Anstellungsbehörde keine dem geltenden Recht widersprechenden Bedingungen und Auflagen stellt, zudem die Gebote der Rechtsgleichheit und der Verhältnismässigkeit beachtet und nicht in unverzichtbare Persönlichkeitsrechte etwa im Sinne von
Art. 27 Abs. 2 ZGB
, der auch im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis analog anzuwenden ist, eingreift, kann sie das Anstellungsverhältnis frei gestalten. Es steht ihr dabei sowohl die Form des eigentlichen öffentlichrechtlichen Vertrages offen, als auch des einseitigen Anstellungsaktes mit Zustimmung des Bewerbers (vgl. dazu auch
BGE 103 Ia 512
).
Das Hochschulgesetz enthält selber keine Regel, die die Wohnsitznahme mindestens der ordentlichen Professoren im Kanton vorschreiben würde. Es überträgt aber dem Hochschulrat weitgehende Befugnisse zur Ordnung der Verhältnisse im Hochschulstatut, und zwar auch hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Dienstverhältnisses der Professoren. Indessen enthält auch das Hochschulstatut keine Bestimmung über die Residenzpflicht der ordentlichen Professoren, obwohl der Hochschulrat eine entsprechende Regel im Statut hätte aufnehmen können. Auch das frühere, bei der erstmaligen Wahl des Beschwerdeführers geltende Statut enthielt keine entsprechende Bestimmung. Hingegen gibt das Hochschulstatut dem Hochschulrat die Ermächtigung, das Dienst- oder Auftragsverhältnis im Einvernehmen mit den Dozenten zu regeln. Die kantonale gesetzliche Ordnung schreibt daher die Residenzpflicht der Dozenten nicht vor, sie verbietet sie aber auch nicht. Die Wohnsitzpflicht im Kanton ist daher aufgrund des Handels-Hochschulgesetzes und des Hochschulstatuts zulässig, sofern die übrigen Voraussetzungen für einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit, insbesondere das Erfordernis des genügenden öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit des Eingriffs gegeben sind und alle Betroffenen rechtsgleich behandelt werden.
BGE 106 Ia 28 S. 31
b) Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die Residenzpflicht von Beamten, und insbesondere von Hochschuldozenten, im öffentlichen Interesse liege. Er gibt sich indessen Rechenschaft darüber, dass seine Beschwerde in diesem Punkt kaum Aussicht auf Erfolg hat. Das Bundesgericht hat in
BGE 103 Ia 457
erkannt, dass
Art. 45 BV
den öffentlichrechtlichen Arbeitgeber nicht hindert, im Rahmen der gesetzlichen Regelung des Dienstverhältnisses auch Vorschriften über den Wohnsitz des Beamten aufzustellen. Das öffentliche Interesse daran besteht nicht nur, wenn die Art des Dienstes es dringend erfordert, dass der Beamte am Arbeitsort (oder in sein er Umgebung) wohnt. Nach schweizerischer Auffassung ist eine gewisse Verbundenheit des Beamten mit der Bevölkerung anzustreben; sie ist besser gewährleistet, wenn der Beamte im Gemeinwesen des öffentlichrechtlichen Arbeitgebers wohnt, denn die Beziehung zum Wohnort ist in der Regel eine wesentlich intensivere als diejenige zum blossen Dienstort. Auch fiskalische Überlegungen vermögen den Beamten zur Wohnsitznahme am Dienstort zu verpflichten (zu letzterem kritisch HANGARTNER, Entwicklungstendenzen im öffentlichen Dienstverhältnis, ZSR 98/1978, 399). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts steht auch die EMRK einer solchen Verpflichtung nicht entgegen. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was zu einer andern Auffassung führen müsste. Gerade von seiten eines Hochschulprofessors ist die Integration in das öffentliche Leben des Hochschulkantons wünschbar. Es ist offensichtlich, dass dies wirksamer möglich ist, wenn der Professor im Kanton Wohnsitz hat, bei einem flächenmässig grösseren und verzweigten Kanton auch dann, wenn er relativ weit weg vom Hochschulort wohnt. Daneben tritt das Erfordernis der jederzeitigen Erreichbarkeit etwas zurück, ist aber nicht bedeutungslos. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Erreichbarkeit müsse nur tagsüber gewährleistet sein, und sie sei vielleicht eher gegeben, wenn er ausserhalb des Kantons in Nähe der Kantonsgrenze wohne als an der Peripherie des Kantons. Letzteres mag zutreffen. Der Beschwerdeführer ist aber wenig befugt, sich darauf zu berufen, denn er will seinen Wohnsitz nicht etwa an einen ausserkantonalen Wohnort in der Nähe von St. Gallen verlegen, sondern nach Uitikon, das von St. Gallen recht weitab liegt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass er auch an der Universität Zürich mit einem beschränkten Pensum tätig ist, an gewissen Tagen somit abwesend sein wird und nicht gleichentags dorthin zurückkehren
BGE 106 Ia 28 S. 32
wird. Gleiches gilt für die Teilnahme an der Selbstverwaltung der Hochschule. Es leuchtet ein, dass das Interesse der Teilnahme an der Selbstverwaltung der Hochschule im allgemeinen grösser sein wird, wenn der Professor auch sonst mit dem Hochschulkanton verbunden ist, als wenn er nur während seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule anwesend ist, und der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anderswo liegt. Die Auferlegung der Wohnsitzpflicht liegt daher aus den von den kantonalen Behörden genannten Gründen im öffentlichen Interesse. Sie lässt dem Beschwerdeführer übrigens grosse Freiheit in der Wahl des Wohnortes innerhalb eines vielgestaltigen Kantons, sodass auch seine persönliche Freiheit in der Wahl eines zusagenden Wohnorts dadurch nicht übermässig beschränkt wird, sodass auch
Art. 27 ZGB
nicht verletzt scheint.
c) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit des Eingriffs ist zu prüfen, ob das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Wohnsitzwechsel das öffentliche Interesse an der Residenzpflicht überwiegt. Das Gebot der Verhältnismässigkeit gebietet, dass das kantonale Recht begründete Ausnahmen von der allgemeinen Residenzpflicht zulässt (vgl. ZBl 79/1978, 113). Vorliegend bestehen indessen keine schwerwiegenden Gründe, die die Verlegung des Wohnsitzes notwendig erscheinen liessen und die das Übergewicht über die von der Hochschule vorgebrachten Gründe hätten. Vorwiegend finanzielle Gründe bestimmen ihn dazu, seinen Wohnsitz nach Uitikon zu verlegen. Es mag zutreffen, dass ein Haus, besonders wenn es speziell auf die Bedürfnisse des Erbauers hin, z.B. hinsichtlich der Einrichtungen für das häusliche Musizieren, wie der Beschwerdeführer angibt, ausgebaut worden ist, nicht zu einem Zins vermietet werden kann, der die Lasten deckt und eine angemessene Verzinsung des investierten Kapitals gestattet. Allein, solche Überlegungen vermögen gegen die Gründe, die für die Anordnung der Residenzpflicht sprechen, nicht aufzukommen. Auch die andern, eher zweitrangigen Gründe vermögen eine Ausnahme nicht zu rechtfertigen. Die Niederlassungsfreiheit des Beschwerdeführers ist aus diesen Gründen nicht verletzt. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
3fafc390-16a9-4729-895e-ec75abcddd32 | Urteilskopf
105 V 139
34. Urteil vom 17. September 1979 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen A. und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 12 Abs. 1 IVG
.
Basale Metatarsalosteotomie bei Hohlballenfuss keine medizinische Eingliederungsmassnahme. | Sachverhalt
ab Seite 139
BGE 105 V 139 S. 139
A.-
Die 1945 geborene A. leidet seit Geburt an einer Fussdeformität links (Hohlballenfuss) bei Status nach Meningozele und Spina bifida. Die Invalidenversicherung übernahm gestützt auf
Art. 13 IVG
die am 8. Juli 1965 in der Klinik X. durchgeführte Double-Arthrodese, womit die Hohlfuss-Komponente der Deformität korrigiert werden konnte. Die behandelnden Ärzte äusserten damals die Ansicht, möglicherweise werde sich später eine operative Korrektur des verbleibenden Ballenfusses aufdrängen.
Nachdem A. ihr Studium im Seminar beendet hatte und in der Folge als Kindergärtnerin tätig war, meldete sie sich im April 1977 wegen zunehmender Schmerzen im linken Fuss erneut bei der Invalidenversicherung an und beantragte die Übernahme einer weiteren Operation. Im Bericht vom 5. Dezember 1977 teilte Prof. G., Chefarzt der Klinik X., der Invalidenversicherungs-Kommission mit, obwohl vermehrte Schmerzen aufgetreten seien, arbeite A. als Kindergärtnerin noch voll; es sei jedoch mit zunehmender Verschlechterung der Gehfähigkeit und zudem mit infizierten Druckgeschwüren zu rechnen; der Arzt empfahl operative Behandlung durch eine Metatarsalosteotomie 2-5, "wodurch der Ballenfuss und auch die Hohlfuss-Komponente korrigiert werden und die subluxierten Zehen sich wieder strecken lassen".
BGE 105 V 139 S. 140
Nach Rückfrage beim Bundesamt für Sozialversicherung beschloss die Invalidenversicherungs-Kommission, das Begehren um medizinische Massnahmen abzulehnen; es gehe um die Behandlung des Leidens an sich, und damit seien die Voraussetzungen des
Art. 12 IVG
nicht erfüllt. Dies wurde der Versicherten mit Verfügung der Ausgleichskasse vom 17. Februar 1978 eröffnet.
B.-
Gegen diese Verfügung beschwerte sich Prof. G. für die Versicherte bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich und machte geltend, beim Zustand seiner Patientin handle es sich "zweifellos um einen nunmehr abgeschlossenen Defektzustand nach kongenitaler Missbildung, der sich operativ definitiv beheben" lasse. Die Vorinstanz folgte dieser Auffassung und verpflichtete die Ausgleichskasse in Gutheissung der Beschwerde, für die anbegehrte Operation Kostengutsprache zu leisten (Entscheid vom 19. Mai 1978).
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt das Bundesamt für Sozialversicherung den Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Kassenverfügung vom 17. Februar 1978 wiederherzustellen. Das Amt vertritt den Standpunkt, die Versicherte sei im Zeitpunkt der angefochtenen Kassenverfügung nicht invalid gewesen. Ob sie von einer Invalidität unmittelbar bedroht gewesen sei, brauche nicht entschieden zu werden, weil medizinische Massnahmen nach
Art. 12 IVG
ohnehin nicht gewährt werden könnten, werde doch ein labiles pathologisches Geschehen angegangen, wie sich aus dem Bericht des Prof. G. vom 5. Dezember 1977 ergebe.
Die Versicherte lässt durch Prof. G. beantragen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. In einem zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Standpunkten fest. Auf die Begründungen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Medizinische Massnahmen dürfen - wie alle Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung - im vorneherein nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dass der Leistungsansprecher invalid oder von einer Invalidität unmittelbar bedroht ist (
Art. 8 Abs. 1 IVG
). Unmittelbarkeit liegt nach der Rechtsprechung nur vor, wenn eine Invalidität in absehbarer Zeit einzutreten droht; sie ist dagegen nicht gegeben,
BGE 105 V 139 S. 141
wenn der Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit zwar als gewiss erscheint, der Zeitpunkt ihres Eintritts aber ungewiss ist (
BGE 96 V 76
).
b) Im vorliegenden Fall war die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Kassenverfügung, auf den es nach ständiger Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts für die richterliche Beurteilung eines Falles ankommt (
BGE 104 V 61
,
BGE 103 V 53
,
BGE 99 V 102
und
BGE 96 V 144
), in ihrem Beruf als Kindergärtnerin voll arbeitsfähig, wie aus dem Bericht des Prof. G. vom 5. Dezember 1977 und aus der Beschwerde an die Vorinstanz vom 9. März 1978 hervorgeht. Wer aber nicht mindestens teilweise arbeitsunfähig ist, kann auch nicht erwerbsunfähig und mithin nicht invalid im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 IVG
sein.
Das Bundesamt für Sozialversicherung bestreitet daher zu Recht, dass im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung vom 17. Februar 1978 eine Invalidität im Rechtssinne vorgelegen hatte.
c) Die Beschwerdegegnerin lässt indessen geltend machen, sie sei unmittelbar von einer Invalidität bedroht gewesen. Ohne Operation hätte sie wegen der drohenden Gefahr einer Perforation der Haut und der Metatarsalköpfchen und damit der Gefahr des Auftretens einer Infektion mit chronischer Osteomyelitis als voll arbeitsunfähig erklärt werden müssen. Wegen der Schmerzen wäre es ihr auf die Dauer nicht zumutbar gewesen, Arbeiten zu verrichten, bei denen sie stehen und gehen müsse, wie dies bei ihrem Beruf der Fall sei.
Damit ist jedoch noch nicht erstellt, dass auch die Erwerbsfähigkeit der Versicherten, d.h. die Fähigkeit, auf dem gesamten, für sie in Betracht fallenden Arbeitsmarkt zumutbare, wirtschaftlich verwertbare Arbeit zu leisten, eingeschränkt sein würde. Ebensowenig lässt sich beurteilen, ob eine allfällig zu erwartende Invalidität unmittelbar bevorstand. Diese Fragen können indessen offen bleiben, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt.
2.
a) (Siehe
BGE 104 V 81
Erw. 1).
b) Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt die Auffassung, mit der streitigen Mittelfussosteotomie sei labiles pathologisches Geschehen angegangen worden. Im Bericht vom 5. Dezember 1977 habe Prof. G. ausdrücklich festgehalten, dass mit einer zunehmenden Verschlechterung der Gehfähigkeit und zusätzlich mit infizierten Druckgeschwüren zu rechnen
BGE 105 V 139 S. 142
sei. Der labile Charakter des Leidens ergebe sich auch aus der Vernehmlassung des Prof. G., wonach die Versicherte wegen der drohenden Gefahr einer Perforation der Haut und der Metatarsalköpfchen und damit der Gefahr des Auftretens einer Infektion mit chronischer Osteomyelitis als voll arbeitsunfähig hätte erklärt werden müssen, wenn die Operation inzwischen nicht vorgenommen worden wäre.
Diese Angaben des Prof. G. beziehen sich jedoch nur auf die sekundären - labilen - Folgeerscheinungen der Fussskelettanomalie. Nach der mit dem Urteil Denzler vom 2. April 1968 (ZAK 1968 S. 464) geänderten Rechtsprechung kann indessen ein Eingriff, welcher einen stabilen oder relativ stabilisierten Skelettzustand korrigiert, eine medizinische Eingliederungsmassnahme sein, selbst wenn die sekundären Erscheinungen bisher labil waren. Vorausgesetzt wird dabei, dass nicht bloss eine Einzelerscheinung angegangen wird, sondern dass der Skelettzustand mit dem Eingriff dauerhaft saniert wird und die sekundären labilen Erscheinungen dadurch dauernd behoben werden (vgl. auch EVGE 1968 S. 114, 1969 S. 100, ZAK 1970 S. 115).
Es genügt daher nicht, die Folgeerscheinungen als labil zu erkennen. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob das deformierte Fussskelett der Versicherten medizinischen Eingliederungsmassnahmen zugänglich war oder nicht.
3.
a) Als stabile oder mindestens relativ stabilisierte Defektzustände oder Funktionsausfälle bei Gelenkschäden gelten nach ständiger Rechtsprechung nur solche im knöchernen Bereich, also des Skelettes selbst; demzufolge betrachtet die Praxis nur die der Beseitigung oder Korrektur eines stabilen Skelettdefektes und dessen unmittelbaren mechanischen Folgen dienenden Eingriffe als Eingliederungsmassnahmen im Sinne des Gesetzes. Diese Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht in dem Sinne verdeutlicht, dass als Fehlstellungen im knöchernen Bereich nur solche der Knochen, welche durch Defekte dieser selbst bedingt sind, zu gelten haben, nicht auch solche, die durch Mängel der Knorpelpartien sowie des Bänder- und Muskelsystems hervorgerufen werden (
BGE 101 V 60
,
BGE 99 V 33
).
Nicht als medizinische Massnahmen gelten nach der Praxis die operative Korrektur von fehlgestellten Fussknochen bzw. von Fehlfunktionen des Bewegungsapparates, beispielsweise
BGE 105 V 139 S. 143
bei Hohl-Spreizfuss (Urteil i.S. Frey vom 23. Juli 1976), bei Hammerzehen (Urteile i.S. Messerli vom 19. August 1974 und Kohli vom 17. Dezember 1974) und bei Hallux valgus (Urteil i.S. Kessler vom 13. Oktober 1976), weil der Fehlstellung eine funktionelle Störung des Bandapparates, der Sehnen und Muskeln zugrunde lag.
b) Prof. G. bezeichnet die Fussdeformität der Versicherten als angeboren und bringt sie in Zusammenhang mit der Spina bifida und der Meningozele, was für das Vorliegen eines knöchernen Defektes im Sinne der Rechtsprechung sprechen würde. Anderseits erklärt dieser Arzt in der Replik vom 27. Oktober 1978, dass sich die Operation nicht auf einen Eingriff im knöchernen Bereich beschränkte, sondern dass gleichzeitig eine Sehnenverpflanzung vorgenommen wurde mit dem Zweck, das Muskelgleichgewicht wiederherzustellen. Dies könnte darauf schliessen lassen, dass die Knochenfehlstellung durch eine Störung der Sehnenfunktionen bedingt war. Allerdings fügte Prof. G. bei, mit der Sehnenverpflanzung und dem wiederhergestellten Muskelgleichgewicht habe "die Korrektur der Deformität definitiv werden" sollen. Danach könnte die Sehnenverpflanzung auch als eine bloss die im Vordergrund stehende Osteotomie begleitende und konsolidierende Massnahme betrachtet werden.
Die Frage, ob die bei der Versicherten durchgeführte Operation einen knöchernen Defekt im Sinne der in Erw. 3a dargelegten Praxis korrigierte, kann aus nachstehenden Gründen indessen offen bleiben.
4.
Als medizinische Massnahmen der Invalidenversicherung gelten nur Vorkehren, die sich gegen stabile oder mindestens relativ stabilisierte Defektzustände oder Funktionsausfälle richten. Ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall gegeben ist, lässt sich nach dem in Erw. 2 Gesagten nicht danach beurteilen, wie sich die sekundären Folgeerscheinungen der Skelettanomalie verhalten. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Fussdeformität der Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Kassenverfügung stabil bzw. relativ stabilisiert oder aber weiterhin progredient war.
Aus den Akten geht hervor, dass die Versicherte am 8. Juli 1965 erstmals am linken Fuss operiert worden war, womit die Hohlfusskomponente "ideal korrigiert" werden konnte (Bericht der Klinik X. vom 25. Oktober 1965). Im Jahre 1977
BGE 105 V 139 S. 144
diagnostizierte Prof. G. wiederum eine "deutliche Hohlfussstellung"; er legte im Bericht vom 5. Dezember 1977 dar, dass mit der vorgesehenen basalen Metatarsalosteotomie sowohl der Ballenfuss als auch die Hohlfuss-Komponente korrigiert würden. Aus diesen Angaben muss geschlossen werden, dass sich die den Hohlfuss verursachende Knochendeformität in der Zwischenzeit verschlechtert hatte, mithin labil war.
Hinsichtlich des Ballenfusses, der bei der streitigen Operation offenbar im Vordergrund stand, hatte die Klinik X. zwar bereits im Jahre 1965 auf die Möglichkeit einer späteren Operationsnotwendigkeit hingewiesen (Bericht vom 25. Oktober 1965). A. war jedoch in der Folge in der Lage, ihre Ausbildung am Seminar abzuschliessen und während Jahren in ihrem Beruf als Kindergärtnerin tätig zu sein, bei dem sie viel stehen und gehen musste; in ihrer Anmeldung zum Leistungsbezug vom April 1977 gab sie an, zunächst schmerzfrei gewesen zu sein. Wenn sich somit erst ca. 10 Jahre nach der ersten Operation wieder Fussbeschwerden einstellten, muss dies darauf zurückzuführen sein, dass sich deren Ursache, nämlich die Knochendeformität, verschlimmert hatte.
Die in den Akten liegenden ärztlichen Meinungsäusserungen des Prof. G. erhärten diese Annahme. In der Beschwerde an die Vorinstanz legte er dar, der Ballenhohlfuss sei früher "in leichterer Form" vorhanden gewesen, wirke sich nun aber in letzter Zeit in dem Sinne negativ aus, dass die Mittelfussköpfchen sich steil obenwärts richteten und zu Druckerscheinungen im Schuh führten. Und in der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legt Prof. G. unter Hinweis auf einen früheren Bericht dar, dass der ursprünglich leichte Hohlballenfuss sich "erheblich verstärkte und zu dem Zustand führte, der die Operation notwendig machte", und dass sich "die Vorfuss-Stellung in den letzten Jahren erst erheblich verschlechtert hat".
Aus dem Gesagten folgt, dass die basale Metatarsalosteotomie 2-5, um deren Übernahme als medizinische Eingliederungsmassnahme ersucht wird, in labiles Geschehen eingriff. Zu Unrecht stützt sich die Vorinstanz auf die Behauptung des Prof. G. in der Beschwerde vom 9. März 1978, beim Zustand der Versicherten "handle es sich zweifellos um einen nunmehr abgeschlossenen Defektzustand nach kongenitaler Missbildung". Damit räumt der Arzt - in Übereinstimmung mit seinen übrigen Angaben - selber ein, dass die Skelettanomalie
BGE 105 V 139 S. 145
zumindest bis anhin labil im Sinne der Rechtsprechung zu
Art. 12 Abs. 1 IVG
gewesen war. Mithin hat die Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf medizinische Massnahmen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 19. Mai 1978 aufgehoben. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3fb514eb-7a7a-457a-a71f-92c1769b1024 | Urteilskopf
123 II 248
29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. April 1997 i.S. R. gegen Gemeinderat Oberägeri, Baudirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 24sexies Abs. 5 BV
,
Art. 23b ff. NHG
; Schutz der Moorlandschaften.
Begriff der Moorlandschaft (
Art. 23b NHG
; E. 2b/bb).
Art. 24sexies Abs. 5 BV
ist unmittelbar anwendbar (E. 3a/aa). Räumliche Abgrenzung der Moorlandschaft Rothenthurm (E. 3a/bb). Der vom Beschwerdeführer vorgenommene Umbau stellt keine zulässige Nutzung im Sinne von
Art. 23d NHG
dar (E. 3a/cc).
Pflicht zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands: Gesetzliche Grundlage, Interessenabwägung, Verhältnismässigkeit (E. 4b, c). | Sachverhalt
ab Seite 248
BGE 123 II 248 S. 248
R. ist Eigentümer einer Parzelle im Gebiet Rossboden, Gemeinde Oberägeri. Auf dem in der Landwirtschaftszone gelegenen Grundstück besteht ein Gadenhaus. Nachdem die kantonale Baudirektion die erforderliche Zustimmung erteilt hatte, bewilligte der
BGE 123 II 248 S. 249
Gemeinderat Oberägeri am 5. Oktober 1992 den Abbruch und identischen Wiederaufbau des Scheunen- und Stallteils des Gadenhauses als landwirtschaftlichen Ersatzbau. In der Folge baute R. den wiederaufgebauten Stall-/Scheunenteil ohne Bewilligung zu Wohnzwecken um.
Am 9. Mai 1995 lehnte die Baudirektion des Kantons Zug es ab, dem Gesuch um nachträgliche Bewilligung dieses Umbaus zuzustimmen und wies die Gemeinde Oberägeri an, R. zu veranlassen, das Gadenhaus entsprechend der Zustimmungsverfügung der Baudirektion vom 15. Juli 1992 wiederherzustellen. Auf ein Wiedererwägungsgesuch trat die Baudirektion am 7. August 1995 nicht ein.
Das kantonale Verwaltungsgericht wies eine gegen diese Verfügungen gerichtete Beschwerde am 22. August 1996 ab.
R. hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts am 1. Oktober 1996 Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung durch das Verwaltungsgericht.
Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
a) Der Sachverhalt ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus den Akten, so dass auf den vom Beschwerdeführer beantragten Augenschein zu verzichten ist.
b) Gemäss
Art. 105 Abs. 2 OG
ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhaltes gebunden, wenn die Vorinstanz eine richterliche Behörde war und diese den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat.
aa) Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht vor, den Sachverhalt unrichtig festgestellt zu haben: Sein Grundstück liege nicht in der Moorlandschaft Rothenthurm. Er begründet diese Rüge ausschliesslich mit dem Hinweis, dass sein Grundstück offensichtlich kein Moor darstelle bzw. keinen "Moorbestand" bilde. Das hat das Verwaltungsgericht indessen nie behauptet. Es hat - nach Durchführung eines Augenscheins - vielmehr festgestellt, das Grundstück liege ausserhalb des Moores, aber innerhalb der Moorlandschaft Rothenthurm, welche im fraglichen Bereich das Gebiet zwischen Moor und Wald umfasse. Die Abgrenzung dieses Gebietes, welches inzwischen als Objekt Nr. 1 der Moorlandschaftsverordnung vom 1. Mai 1996 (SR 451.35; AS 1996 1839 ff.) erscheine, sei vom Bundesrat bereits im Jahre 1991 vorgenommen worden.
BGE 123 II 248 S. 250
bb) Das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft hat seiner Stellungnahme an das Bundesgericht einen Kartenausdruck beigelegt, aus dem ersichtlich ist, dass das Grundstück des Beschwerdeführers noch innerhalb des Moorlandschaftsperimeters liegt. Der Beschwerdeführer führt zwar aus, sein Grundstück liege bestimmt nicht in der Moorlandschaft und gehöre auch nicht in ein solches Gebiet; er nennt dafür aber ausser dem erwähnten Einwand keine konkreten Gründe. Hingegen räumt er ein, dass sein Grundstück in einer "schönen Landschaft" liegt. Er verkennt den Umstand, dass eine Moorlandschaft zwangsläufig ein grösseres Gebiet umfasst als ein Moor. Eine Moorlandschaft stellt zusammen mit den darin liegenden Mooren einen Erdoberflächenausschnitt einheitlichen Charakters dar, der sich so von der weiteren Umgebung abgrenzen lässt. Die Einheitlichkeit lässt sich vorab durch visuelle, aber auch durch ökologische oder biologische, schliesslich auch durch kulturelle oder geschichtliche Zusammenhänge begründen (vgl. BERNHARD WALDMANN, Der Schutz von Mooren und Moorlandschaften, Freiburg 1997, S. 28 f.; ferner Thomas Fleiner-Gerster, Kommentar zur Bundesverfassung, Rz. 39 zu Art. 24sexies). Das ergibt sich nun auch aus der präzisierenden Umschreibung des Begriffes Moorlandschaft, die mit der Revision vom 24. März 1995 in das Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG; SR 451) aufgenommen wurde: Gemäss
Art. 23b Abs. 1 NHG
ist eine Moorlandschaft eine in besonderem Masse durch Moore geprägte, naturnahe Landschaft. Ihr moorfreier Teil steht zu den Mooren in enger ökologischer, visueller, kultureller oder geschichtlicher Beziehung. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern die Würdigung des Verwaltungsgerichts, die Moorlandschaft umfasse im fraglichen Gebiet den Bereich bis zum Waldrand, im Lichte dieser Kriterien nicht zutreffen sollte.
cc) Unter diesen Umständen liegt keine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch das Verwaltungsgericht vor. Vielmehr ergibt sich, dass das Grundstück des Beschwerdeführers im Moorlandschaftsgebiet Rothenthurm, einer Moorlandschaft von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung im Sinne von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
, liegt.
c) Im weiteren rügt der Beschwerdeführer, es sei ihm nie schriftlich mitgeteilt worden, dass sein Grundstück dem Moorlandschaftsperimeter zugewiesen worden sei. Es mag zutreffen, dass dem Beschwerdeführer der entsprechende Beschluss des Bundesrates nicht individuell eröffnet wurde. Ob er darauf einen Anspruch gehabt hätte, kann insofern dahingestellt bleiben, als ihm daraus jedenfalls
BGE 123 II 248 S. 251
kein Rechtsnachteil erwachsen ist, konnte er doch Einwände gegen die Zuweisung seines Grundstückes zur Moorlandschaft Rothenthurm im Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht umfassend vorbringen.
Im übrigen enthält die Zustimmungsverfügung der Baudirektion vom 15. Juli 1992 ausdrücklich die Feststellung, das Gadenhaus des Beschwerdeführers liege in der vom Bundesrat am 1. Februar 1991 beschlossenen Moorlandschaft "Rothenthurm". Ferner weist die Baudirektion auf die sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Baubeschränkungen hin. Soweit der Beschwerdeführer geltend machen will, er sei über die Lage seines Grundstücks im Moorlandschaftsgebiet und die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht im Bild gewesen, ist seine Aussage daher offensichtlich unzutreffend.
3.
a) Der Beschwerdeführer bestreitet sinngemäss, dass seine Baute den massgeblichen Bestimmungen über den Moorschutz widerspricht.
aa) Gemäss
Art. 24sexies Abs. 5 BV
(angenommen durch Volk und Stände am 6. Dezember 1987) besteht in Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung ausser für Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes und der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen, ein absolutes Veränderungsverbot. Diese Bestimmung ist eigentümerverbindlich und unmittelbar anwendbar (
BGE 117 Ib 243
E. 3;
BGE 118 Ib 11
E. 2e; WALDMANN, a.a.O., S. 73 f.).
Der vom Beschwerdeführer eigenmächtig vorgenommene Umbau widerspricht diesen Bestimmungen klar und eindeutig. Er dient weder dem Schutz der Moorlandschaft noch der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er schon längere Zeit keine Landwirtschaft mehr betreibe. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern er daraus etwas zu seinen Gunsten ableiten könnte. Allenfalls wäre daraus zu schliessen, dass er die Bewilligung für den Abbruch und Wiederaufbau des Stall- und Scheunenteils zu Unrecht erhalten hat, da es sich dabei ja erklärtermassen um eine landwirtschaftliche Ersatzbaute handelte. Eine Neubeurteilung jener Bewilligung ist aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
bb) Am 24. März 1995 sind Bestimmungen zum Vollzug der Verfassungsbestimmungen über den Moorschutz in das Natur- und Heimatschutzgesetz eingefügt worden. Dem selben Ziel dienen die verschiedenen Moorverordnungen sowie die Moorlandschaftsverordnung
BGE 123 II 248 S. 252
vom 1. Mai 1996 (SR 451.35). Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, die Moorlandschaftsverordnung sei für das vorliegende Verfahren bedeutungslos, weil die Neubauten bereits im Jahre 1994 vorgenommen worden seien. Es ist unklar, welche Folgerungen er aus dieser Auffassung ableitet.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Bauten, die ohne Bewilligung errichtet wurden, grundsätzlich zu beseitigen. Der Abbruch von Bauten trotz fehlender Baubewilligung kann jedoch unterbleiben, wenn die Baute materiell nicht baurechtswidrig ist und nachträglich bewilligt werden kann. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Baute bei rechtzeitiger Einreichung des Baugesuches hätte bewilligt werden können, ist grundsätzlich auf den Rechtszustand abzustellen, der im Zeitpunkt der Errichtung der Baute galt. Eine Ausnahme rechtfertigt sich, wenn bei der Beurteilung einer Abbruchverfügung ein milderes Recht gilt, nach welchem die Baute zulässig wäre (
BGE 102 Ib 64
E. 4 S. 69).
Nachdem der Bundesrat die Abgrenzung der Moorlandschaft Rothenthurm bereits 1991 vorgenommen hatte (vgl. E. 2b hiervor) und somit bereits damals feststand, dass das Grundstück des Beschwerdeführers innerhalb der Moorlandschaft Rothenthurm liegt, hätte dieser
Art. 24sexies Abs. 5 BV
unabhängig vom Bestehen der Moorlandschaftsverordnung bereits im Zeitpunkt der ohne Bewilligung durchgeführten Umbauten beachten müssen. Dies umso mehr, als ihm diese Umstände wie erwähnt aufgrund der Zustimmungsverfügung der Baudirektion vom 15. Juli 1992 bekannt waren.
cc) Bei der Beurteilung der Pflicht zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ist nun im Sinne des milderen Rechtes zu beachten, dass
Art. 23d NHG
in der Fassung vom 24. März 1995 eine Bestimmung über die Gestaltung und Nutzung der Moorlandschaften enthält, die eine Milderung der Vorschriften des Verfassungsartikels zur Folge hat. Während der Verfassungsartikel wie erwähnt vorschreibt, dass Einrichtungen, um zulässig zu sein, der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes oder der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen müssen, lässt
Art. 23d Abs. 1 NHG
darüber hinausgehend die Gestaltung und Nutzung der Moorlandschaften zu, soweit sie der Erhaltung der für die Moorlandschaften typischen Eigenheiten nicht widersprechen. Mit anderen Worten genügt statt der Schutzzieldienlichkeit die Schutzzielverträglichkeit, was in der Lehre als verfassungswidrig bezeichnet worden ist (WALDMANN, a.a.O., S. 283 f.).
Art. 23d Abs. 2 NHG
enthält sodann eine beispielhafte,
BGE 123 II 248 S. 253
nicht abschliessende Aufzählung von Nutzungen bzw. baulichen Massnahmen, die unter der Voraussetzung von Abs. 1 zulässig sind. Das Bundesgericht ist aufgrund von Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV an das Gesetz gebunden, so dass
Art. 23d NHG
auf jeden Fall anzuwenden ist. Dabei ist eine Auslegung zu wählen, die sich vom Wortlaut und Sinn von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
möglichst wenig entfernt.
Art. 23d Abs. 2 lit. b NHG
erklärt - unter Vorbehalt von Abs. 1 - den Unterhalt und die Erneuerung rechtmässig erstellter Bauten und Anlagen für zulässig. Das Gadenhaus des Beschwerdeführers ist rechtmässig erstellt, Unterhalt und Erneuerung sind daher zulässig. Die vorgenommenen baulichen Massnahmen gehen indessen über Unterhalt und Erneuerung weit hinaus und umfassen, nachdem zunächst der Ökonomieteil neu aufgebaut wurde, dessen völlige Zweckänderung und den Ausbau zu Wohnzwecken. Derartige Umbauten sind allenfalls, unter Beachtung von
Art. 23d Abs. 1 NHG
, auch innerhalb einer geschützten Moorlandschaft zulässig, sofern die entsprechenden raumplanerischen Voraussetzungen erfüllt sind; dies z.B. durch die Schaffung einer Weilerzone oder die richtplanerische Ausscheidung eines Gebietes mit traditioneller Streubauweise gemäss Art. 24 der Raumplanungsverordnung vom 2. Oktober 1989 (RPV; SR 700.1; vgl. WALDMANN, a.a.O., S. 318 f.). Der Beschwerdeführer macht denn auch in allgemeiner Form geltend, das Gebiet Rossboden müsse seines Erachtens in eine Weilerzone verschoben werden. Dass die Gemeinde entsprechende Planungsabsichten hegt und mit einer Einzonung des Gebäudes des Beschwerdeführers zu rechnen wäre, ist aber in keiner Weise aktenkundig. Unter diesen Umständen kann die Umbaute nicht als zulässige Nutzung im Sinne von
Art. 23d NHG
gelten, ohne dass im einzelnen geprüft werden muss, ob dadurch ein Widerspruch zu den für die Moorlandschaft Rothenthurm typischen Eigenheiten entstehen würde.
b) Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Daraus kann er nichts für sich ableiten. Einerseits war ihm die Rechtslage bekannt; andererseits wurde ihm nie von zuständiger Seite zugesichert, dass er die ohne Bewilligung durchgeführten Bauarbeiten vornehmen dürfe. Im Gegenteil nahm die Baukommission Oberägeri am 7. Oktober 1993 ablehnend Stellung zu einem Gesuch des Beschwerdeführers um Bewilligung der Umgestaltung und Umnutzung seiner landwirtschaftlichen Baute.
c) Der Beschwerdeführer räumt ein, unbewilligte und ungesetzliche Umbauten vorgenommen zu haben. Er habe sich darauf
BGE 123 II 248 S. 254
gestützt, dass die Baubehörde von Oberägeri verschiedene ungesetzliche Bauten toleriert habe. Damit erhebt der Beschwerdeführer Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Indessen gibt der Umstand, dass das Gesetz in andern Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, dem Bürger grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden. Das gilt allerdings nur, wenn lediglich in einem oder in einigen wenigen Fällen eine vom Gesetz abweichende Behandlung dargetan ist. Wenn es dagegen die Behörden ablehnen, die in andern Fällen geübte, gesetzwidrige Praxis aufzugeben, kann der Bürger verlangen, dass die gesetzwidrige Begünstigung, die dem Dritten zuteil wird, auch ihm gewährt werde. Andererseits können dem ausnahmsweise einzuräumenden Anspruch auf Behandlung in Abweichung vom Gesetz gewichtige öffentliche Interessen oder das berechtigte Interesse eines privaten Dritten an gesetzmässiger Rechtsanwendung entgegenstehen; hierüber ist im Einzelfall im Rahmen einer Interessenabwägung zu entscheiden (
BGE 115 Ia 81
E. 2;
BGE 108 Ia 212
E. 4a mit Hinweisen). Vorliegend fehlt es bereits an der Voraussetzung einer regelmässigen gesetzwidrigen Praxis der Baubewilligungsbehörde. Der Beschwerdeführer hat auf einige Fälle hingewiesen, in welchen das Gesetz nicht angewendet worden sein soll. Dabei geht es aber nach seinen nicht restlos klaren Darlegungen offenbar um die inkonsequente Durchsetzung von Gewässerschutzvorschriften. Schon aus diesem Grund fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit seinem Fall. Die kommunale Baubehörde hat dargelegt, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer genannten Fällen um solche handle, die sich auch vom übrigen Sachverhalt her nicht mit demjenigen des Beschwerdeführers vergleichen lassen. Selbst wenn aber einzelne erteilte Baubewilligungen nicht in jeder Hinsicht gesetzeskonform gewesen sein sollten - was nicht belegt ist -, so ist in keiner Weise ersichtlich, dass die Baubehörde in Zukunft an einer gesetzeswidrigen Praxis festzuhalten beabsichtigt. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht sind somit nicht erfüllt.
4.
Demnach erweisen sich die vom Beschwerdeführer eigenmächtig errichteten Bauteile als nicht nur formell, sondern auch materiell rechtswidrig.
Das Verwaltungsgericht hat auch die Anordnung der Baudirektion, dass der mit Verfügung vom 15. Juli 1992 bewilligte Zustand wiederherzustellen sei, bestätigt. Der Beschwerdeführer wendet ein, dies sei unverhältnismässig.
BGE 123 II 248 S. 255
a) Grundsätzlich kann sich auch der Bauherr, der nicht gutgläubig gehandelt hat, gegenüber einem Abbruch- oder Wiederherstellungsbefehl auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit berufen. Er muss indessen in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen, nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes erhöhtes Gewicht beimessen und die dem Bauherrn erwachsenden Nachteile nicht oder nur in verringertem Mass berücksichtigen (
BGE 111 Ib 213
E. 6b S. 224).
b) Das Verwaltungsgericht hat erwogen, vorliegend bestehe kein Raum für eine solche Interessenabwägung. Die Übergangsbestimmung von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
verlange ausdrücklich den Abbruch von Bauten, welche dem Zweck der Schutzzone widersprechen.
Hierzu ist einerseits zu bemerken, dass die Übergangsbestimmung Bauten betrifft, welche nach dem 1. Juni 1983, aber vor dem Inkrafttreten des Moorschutzartikels am 6. Dezember 1987 errichtet wurden (vgl. WALDMANN, a.a.O., S. 327 ff.). Für seither errichtete rechtswidrige Bauten und Anlagen ergibt sich die Beseitigungspflicht nicht aus der Übergangsbestimmung, sondern aus dem materiellen Recht, also aus
Art. 24sexies Abs. 5 BV
und den
Art. 23a ff. NHG
(
BGE 111 Ib 213
E. 6c S. 226 mit Hinweis; a.A. HALLER/KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, 2. Auflage, Zürich 1992, Rz. 889), wobei
Art. 24e NHG
in der Fassung vom 24. März 1995 nun auch spezifische Regeln über die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes enthält und insbesondere eine gesetzliche Grundlage für Ersatzleistungen schafft. Andererseits beantwortet
Art. 24sexies Abs. 5 BV
entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Frage nicht, ob ein Wiederherstellungs- oder Abbruchbefehl verhältnismässig sei. Es trifft zu, dass diese Verfassungsbestimmung die Interessenabwägung und Verhältnismässigkeit des Bau- bzw. Veränderungsverbotes in den geschützten Mooren und Moorlandschaften bereits vorab entschieden hat (
BGE 117 Ib 243
E. 3b). Das ändert nichts daran, dass in Einzelfällen die Durchsetzung eines Wiederherstellungs- oder Abbruchbefehls unverhältnismässig sein kann, so dass die Prüfung der Verhältnismässigkeit nicht einfach unterbleiben darf (vgl.
BGE 117 Ib 243
E. 3c). Zu denken ist vor allem an Fälle, in welchen es an der Verhältnismässigkeit im Sinne der Zwecktauglichkeit (Eignung) des Abbruches fehlt, indem dieser das betroffene Schutzgebiet stärker beeinträchtigen würde als ein Belassen des widerrechtlichen Zustandes (vgl. für weitere Beispiele WALDMANN, a.a.O., S. 337). Gerade hier wird allerdings durch eine
BGE 123 II 248 S. 256
konsequente Anwendung von
Art. 24e lit. c NHG
für einen Ausgleich zu sorgen sein. Auch bei der Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit im engen Sinne (angemessenes Verhältnis von Massnahme zu verfolgtem Zweck) ergibt sich der Prüfungsmassstab in erster Linie aus dem Schutzzweck der Erhaltung der Moore und Moorlandschaften; darüber hinaus ist nach denselben Kriterien wie im baurechtlichen Verfahren zu prüfen, ob ein Wiederherstellungs- oder Abbruchbefehl verhältnismässig sei oder nicht. Es gibt keinen Grund, diese Regel, die
Art. 25a Abs. 3 NHG
für die Anwendung der Übergangsbestimmung von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
aufstellt, nicht auch auf Wiederherstellungsanordnungen anzuwenden, die nach dem 6. Dezember 1987 errichtete Bauten, Anlagen und Terrainveränderungen betreffen.
c) Die vorliegend zu beurteilende Wiederherstellungsverfügung ist ohne weiteres als verhältnismässig anzusehen: Der Beschwerdeführer hat offensichtlich bösgläubig gehandelt. Die Abweichung vom Erlaubten ist nicht gering, wurde doch der als Stall- und Scheunentrakt bewilligte Gadenteil völlig zweckentfremdet und baulich gegenüber dem bewilligten Scheunen- und Stallteil deutlich sichtbar verändert. Sodann ist das öffentliche Interesse an einer konsequenten Durchsetzung der raumplanerischen, baupolizeilichen und vorliegend auch der Naturschutz-Vorschriften in Rechnung zu stellen. Das Argument des Beschwerdeführers, es würden auch andere widerrechtliche Bauten geduldet, schlägt demgegenüber wie erwähnt nicht durch.
Es ergibt sich somit, dass der Wiederherstellungsbefehl vom Beschwerdeführer zu Unrecht beanstandet wird. | public_law | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3fba3d38-e5a9-4c02-ae49-014206b02440 | Urteilskopf
105 II 130
22. Sentenza della I Corte civile del 1o giugno 1979 nella causa Pezzani c. Dipartimento di giustizia del Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Handelsregister; Prüfung von Amtes wegen, ob die Voraussetzungen für eine Eintragung gegeben sind.
Art. 940 Abs. 1 OR
,
Art. 21 Abs. 1 HRegV
.
Wenn die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft abwesende Personen als Mitglieder des Verwaltungsrates wählt, kann ihre Eintragung im Handelsregister nur erfolgen, wenn diese Personen - ausdrücklich oder stillschweigend - ihrer Wahl zugestimmt haben. Der Registerführer ist gehalten, sich dieser Zustimmung zu vergewissern. | Sachverhalt
ab Seite 130
BGE 105 II 130 S. 130
Il 12 ottobre 1978 aveva luogo l'assemblea generale della società Azeta S.A., Mendrisio. Secondo il processo verbale, essa prendeva atto delle dimissioni dell'amministratore unico signor Vescovi e nominava in sua sostituzione la signora Maria Pia Pezzani.
BGE 105 II 130 S. 131
Testualmente leggesi al proposito nel verbale quanto segue:
"L'assemblea all'unanimità delibera la detta nomina. La signora Pezzani impegnerà la società con firma individuale. Il presidente comunica all'assemblea che la signora Pezzani, momentaneamente assente, provvederà personalmente a notificare all'Ufficio dei registri di Mendrisio la sua nuova funzione."
L'assemblea generale inviava copia del verbale all'Ufficio dei registri perché procedesse alla cancellazione dell'iscrizione del signor Vescovi quale amministratore unico. Nella lettera accompagnatoria era detto che "l'istanza di iscrizione della nuova amministratrice verrà presentata in un secondo tempo direttamente dalla stessa".
Il 13 ottobre 1978 l'Ufficio dei registri invitava l'Azeta S.A. a far iscrivere la nuova amministratrice. In assenza d'una risposta da parte dell'Azeta S.A., esso invitava il 3 gennaio 1979 la signora Pezzani a farsi iscrivere. Il 10 gennaio 1979 la signora Pezzani rispondeva all'Ufficio comunicandogli copia di una propria lettera all'Azeta S.A., in cui essa dichiarava:
"Viste le difficoltà incontrate, la mancata consegna del pacchetto azionario, mi sento constretta a rinunciare ad assumere la carica di amministratrice unica della Società Azeta S.A."
Fondandosi sull'
art. 32 cpv. 2 ORC
, l'ufficio diffidava la signora Pezzani il 16 gennaio 1979 a presentare entro 30 giorni una domanda provvisionale al giudice, pena l'iscrizione d'ufficio.
Il 14 febbraio 1979 l'ufficio respingeva una richiesta del patrocinatore della signora Pezzani, intesa a far annullare la diffida per non avere l'interessata mai accettato formalmente la nomina.
In data 1o marzo 1979 il Dipartimento di giustizia del Cantone Ticino respingeva, quale autorità di vigilanza in materia di registro di commercio, il ricorso proposto dalla signora Pezzani avverso la decisione dell'ufficio.
Con ricorso di diritto amministrativo del 12 marzo 1979, proposto al Tribunale federale ai sensi dell'
art. 5 ORC
, Maria Pia Pezzani ha chiesto l'annullamento della decisione del Dipartimento di giustizia e, di conseguenza, di quelle dell'ufficio emanate il 16 gennaio e il 14 febbraio 1979.
Il Dipartimento federale di giustizia e polizia ha proposto l'accoglimento del gravame.
BGE 105 II 130 S. 132
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
... L'ufficiale del registro di commercio deve, ai sensi dell'art. 940 cpv. 1 e dell'
art. 21 cpv. 1 ORC
, prima di effettuare un'iscrizione, verificare se siano adempiuti i requisiti legali. Una società anonima può essere iscritta soltanto laddove alla notificazione per l'iscrizione sia unita, tra l'altro, la prova dell'avvenuta nomina dell'amministrazione. Nel caso di consiglieri d'amministrazione assenti, occorre che sia prodotta una loro dichiarazione di accettazione. Quest'ultima può avvenire anche tacitamente, per esempio mediante la firma della notificazione secondo l'
art. 22 cpv. 2 ORC
(SIEGWART n. 13 ad
art. 640 CO
; F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4 E. pag. 122; F. VON STEIGER, Prüfung und Eintragung der Aktiengesellschaft beim Handelsregister, pag. 40; BÜRGI, n. 2 ad
art. 708 CO
; SCHUCANY, n. 1 ad
art. 708 CO
; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das schweizerische Aktienrecht, § 7 n. 21; JACQUEROD/VON STEIGER, Eintragsmuster für das Handelsregister, pagg. 172-173, n. 13; BECK, Die Kognition des Handelsregisterführers im Rechte der Aktiengesellschaft, pag. 60 n. 5 e pag. 62 n. 7; Schweizerische Aktiengesellschaft, vol. 34, (1961/1962) pag. 179; SIEGMUND, Handbuch für die schweizerischen Handelsregisterführer, pag. 288). L'elezione regolare dell'amministrazione, in cui rientra anche l'accettazione del mandato da parte degli amministratori eletti, costituisce una delle condizioni per l'iscrizione e dev'essere accertata d'ufficio dall'ufficiale del registro di commercio (HIS, n. 49 e 63/64 ad
art. 932 CO
e n. 25 ad
art. 940 CO
; SCHNEIDER, Der Rechtsschutz in Handelsregistersachen und die Entscheidungskompetenz der Handelsregisterbehörden, pagg. 241, 243 e 247). Tale accertamento va effettuato non soltanto in occasione dell'iscrizione di una società anonima, bensì anche in caso d'iscrizione di nuovi membri del consiglio d'amministrazione.
2.
Nella fattispecie non risulta in alcun modo che la ricorrente abbia accettato la carica di amministratrice. Nel verbale dell'assemblea generale del 12 ottobre 1978 è detto solo che la ricorrente era assente e non è fatta alcuna allusione ad un'eventuale approvazione da parte sua della nomina effettuata dall'assemblea. E neppure nella lettera dell'8 novembre 1978, indirizzata all'assemblea generale dell'Azeta S.A., la ricorrente fa
BGE 105 II 130 S. 133
menzione di un'accettazione della carica. Al contrario, essa rifiuta espressamente in tale lettera d'accettare detta carica. Il fatto che essa vi dichiari d'essere costretta a "rinunciare" ad assumere la carica di amministratrice unica non può in alcun modo essere interpretato nel senso di un riferimento ad una precedente accettazione. L'istanza inferiore non afferma d'altronde neppure quando ed in qual modo una precedente dichiarazione avrebbe avuto luogo. La società Azeta S.A. non ha, dal canto suo, mai fornito all'ufficio alcun dato positivo che potesse indurlo a credere che la ricorrente avesse accettato la carica. Dalla lettera del 10 gennaio 1978, scritta dalla ricorrente all'ufficio, può al massimo dedursi una certa disponibilità della ricorrente ad accettare il mandato di amministratrice, qualora fossero realizzate determinate condizioni. L'ufficio avrebbe peraltro dovuto rifiutare una siffatta dichiarazione d'accettazione condizionata (HIS, n. 9 ad
art. 940 CO
).
3.
Il Dipartimento cantonale di giustizia ha ritenuto che l'ufficio avesse il dovere di diffidare, ai sensi dell'
art. 60 ORC
, l'amministratrice a chiedere l'iscrizione della sua nomina e che essa fosse tenuta a dimostrare di non aver accettato il mandato. Come rettamente esposto dal Dipartimento federale di giustizia e polizia nelle proprie osservazioni, questo modo di procedere è contrario alle disposizioni dell'ordinanza sul registro di commercio. Secondo tale disciplina, le iscrizioni vanno effettuate solo su notificazione, con riserva di casi particolari previsti dalla legge e in cui si procede d'ufficio (
DTF 104 Ib 322
consid. 2a). Ove si tratti di modifiche di una situazione esistente, tale riserva entra in considerazione soltanto laddove l'ufficio sia certo che i fatti iscritti nel registro di commercio abbiano subito modifiche valide legalmente. La procedura seguita nella fattispecie dall'ufficio comportava inoltre un'inversione dell'onere della prova. Essendo stata la diffida dell'ufficio del 13 ottobre 1978 rivolta alla società e non alla ricorrente, quest'ultima non aveva alcun obbligo di sollevare obiezioni al riguardo. Poiché l'accettazione della carica era il presupposto di validità della nomina effettuata dall'assemblea generale, l'ufficio avrebbe dovuto accertare se tale accettazione fosse intervenuta e, qualora avesse constatato che l'accettazione mancava, avrebbe dovuto tralasciare qualsiasi iscrizione concernente detta nomina. Indeciso può rimanere se nelle circostanze concrete l'ufficio avrebbe dovuto invitare la società a provvedere ad una nuova nomina
BGE 105 II 130 S. 134
della propria amministrazione, oppure se, accertata l'impossibilità per la società di designare una nuova amministrazione, avrebbe eventualmente dovuto diffidare la società, in applicazione analogica dell'
art. 711 cpv. 4 CO
, a chiedere l'iscrizione del proprio scioglimento e, in difetto, procedere a quest'ultimo.
4.
Risultando chiaramente che la ricorrente non aveva espressamente né tacitamente accettato la sua nomina ad amministratrice unica della società Azeta S.A., e che non era pertanto consentito all'ufficio di assegnarle un termine ai sensi dell'
art. 32 ORC
, il ricorso va accolto come manifestamente fondato. | public_law | nan | it | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3fbc0f59-9705-4b7c-9895-127df5da772c | Urteilskopf
137 I 218
22. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Beschwerde in Strafsachen)
6B_849/2010 vom 14. April 2011 | Regeste
Art. 29 Abs. 1 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; Beweisverwertungsverbote.
Auswertung einer verloren gegangenen Filmkamera ausserhalb einer abzuklärenden Straftat, um ihren Eigentümer zu ermitteln. Frage offengelassen, ob anlehnend an eine verpönte Beweisausforschung ("fishing expedition") auf diese Weise erlangte Indizien auf eine strafbare Handlung unter ein absolutes Beweisverwertungsverbot fallen (E. 2.3.2).
Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person an der Unverwertbarkeit der Beweise (E. 2.3.3-2.3.5).
Fernwirkung der rechtswidrig erlangten Beweismittel (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 137 I 218 S. 219
A.
X. fuhr am 8. Juni 2007 mit seinem Personenwagen von Lupfig (AG) auf der Autobahn A3 nach Mülligen (AG) sowie von Dietikon (ZH) auf der Mutschellenstrasse nach Spreitenbach (ZH). Dabei verletzte er die Verkehrsregeln mehrfach grob und einfach. Er missachtete die signalisierte respektive allgemeine Höchstgeschwindigkeit, überholte Fahrzeuge rechts, hielt beim Überholen einen ungenügenden Abstand ein und überfuhr eine Sperrfläche sowie eine Sicherheitslinie. Auf dem Beifahrersitz sass A., der die Fahrt mit seiner Kamera filmte. X. werden zudem weitere (hier nicht relevante) Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrs- und das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen.
B.
Das Bezirksgericht Brugg sprach X. mit Entscheid vom 15. Dezember 2009 schuldig unter anderem der mehrfachen groben und einfachen Verletzung der Verkehrsregeln. Es verurteilte ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft von fünf Tagen sowie zu einer Busse von Fr. 2'500.-. Ferner widerrief es den bedingten Vollzug einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen. Eine von X. dagegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 26. August 2010 ab.
C.
X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt sinngemäss, er sei in Bezug auf den Vorfall vom 8. Juni 2007 vom Vorwurf der mehrfachen groben und einfachen Verkehrsregelverletzung freizusprechen und mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 30.- zu bestrafen. Eventualiter sei der vorinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen, und er sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten und einer Busse von Fr. 1'000.- zu verurteilen.
BGE 137 I 218 S. 220
Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
(...)
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die von A. als Beifahrer auf der Fahrt vom 8. Juni 2007 benützte Kamera ging anlässlich eines Volksfests ("Badenfahrt") verloren und wurde am 17. August 2007 der Stadtpolizei Baden übergeben. Zur Identifizierung des Eigentümers sichtete die Stadtpolizei die gespeicherten Daten. Sie stiess dabei auf zwei Filme, welche die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Fahrt zeigen. Dies hatte die Einleitung eines Strafverfahrens zur Folge.
Die Vorinstanz stützt sich im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung auf die Filmaufnahmen sowie auf die Aussagen des Beschwerdeführers. Am 9. November 2007, nach erfolgter Sichtung des Kamerainhaltes und nach durchgeführter Konfrontation des Beschwerdeführers mit den Aufzeichnungen, ersuchte das Bezirksamt Brugg betreffend die Speicherkarte um nachträgliche Genehmigung ihrer Auswertung. Die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau trat am 15. November 2007 auf den Antrag nicht ein. Sie erwog, dass für eine nachträgliche Genehmigung einer bereits erfolgten Auswertung keine gesetzliche Grundlage bestehe.
2.
2.1
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, die Filmaufnahmen seien als Beweismittel nicht verwertbar. Gegen ihn sei kein Untersuchungsverfahren im Gange gewesen, und die Aufnahmen seien ein Zufallsfund. Die Verkehrsregelverletzungen hätten ihm nur unter der Verletzung der Privat- und Geheimsphäre von A. nachgewiesen werden können (
Art. 13 BV
bzw.
Art. 8 EMRK
). Die Aufnahmen wären auf gesetzmässigem Weg nicht erhältlich gewesen. Zur Identifikation des Eigentümers hätte genügt, wenn die Polizei auf dem Fundbüro der "Badenfahrt" sich nach einer Verlustmeldung erkundigt hätte. Zudem habe sie durch die rasche Sichtung der Dateien dem Eigentümer nicht genügend Zeit gelassen, sich zu melden. Es treffe zu, dass er gegenüber der Polizei und dem Bezirksgericht die ihm vorgeworfene Fahrweise (nach anfänglicher Aussageverweigerung) eingestanden habe. Dies sei hingegen erst auf Vorhalt der Filmaufnahmen geschehen, auf denen er und seine Fahrweise deutlich erkennbar gewesen seien. Unter diesen Umständen hätte ihn ein
BGE 137 I 218 S. 221
Abstreiten nur noch mehr diskreditiert. Indem die Vorinstanz Beweismittel heranziehe, die unrechtmässig erlangt worden seien und die den seelischen Eigenraum eines anderen tangieren würden, verletze sie das Gebot des fairen Verfahrens (
Art. 29 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
). Zudem sei, unter Hinweis auf Art. 5 und 25 f. BV, das Legalitätsprinzip verletzt.
2.2
Die Vorinstanz erwägt, die Polizei habe die Daten der Kamera nicht im Hinblick auf eine Straftat untersucht, sondern weil sie den Eigentümer habe ermitteln wollen. Bei den Filmaufnahmen vom 8. Juni 2007 handle es sich deshalb um Zufallsfunde. Ob diese und die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich der polizeilichen Einvernahme vom 1. September 2007 verwertbar seien, könne offenbleiben. Der Beschwerdeführer habe den ihm zur Last gelegten Sachverhalt am 15. Dezember 2009 anlässlich der Parteibefragung vor dem Bezirksgericht Brugg anerkannt. Ein allfälliges Beweisverwertungsverbot würde ein rund 2 1⁄2 Jahre später erfolgtes Geständnis nicht mitumfassen. Gegenteiliges wäre nur anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer ausgesagt hätte in der Meinung, die Aufnahmen könnten gegen ihn verwendet werden. Dies sei hier nicht der Fall, da er selbst auf die Unverwertbarkeit der Filme hingewiesen habe.
2.3
2.3.1
Es stellt sich die Frage, ob die Vorinstanz ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot missachtet hat. Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO; SR 312.0) am 1. Januar 2011 gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach altem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt (
Art. 453 Abs. 1 StPO
). Die Beschwerde richtet sich somit nach altem Recht.
Zwangsmassnahmen zur Erforschung der materiellen Wahrheit setzen eine gesetzliche Grundlage voraus, müssen im öffentlichen Interesse liegen und im Hinblick auf die abzuklärende Straftat verhältnismässig sein (
Art. 36 BV
; vgl. zum neuen Recht
Art. 197 StPO
).
2.3.2
Die Stadtpolizei Baden respektive die Kantonspolizei Aargau wurden auf den Beschwerdeführer aufmerksam, weil sie die anlässlich eines Volksfests verloren gegangene Kamera - laut den vorinstanzlichen Feststellungen auf der Suche nach allfälligen Hinweisen auf den Eigentümer - sichteten. Die fraglichen Aufnahmen wurden nicht im Rahmen einer abzuklärenden Straftat entdeckt, und gegen den Beschwerdeführer oder Drittpersonen bestand in diesem
BGE 137 I 218 S. 222
Zusamenhang kein Tatverdacht. Bei den Filmaufnahmen handelt es sich deshalb nicht um eigentliche Zufallsfunde. Solche stammen aus dem rechtmässigen Einsatz strafprozessualer Zwangsmassnahmen, dem namentlich ein genügender Anfangsverdacht zugrunde lag (JUDITH NATTERER, Die Verwertbarkeit von Zufallsfunden aus der Telefonüberwachung im Strafverfahren, 2001, S. 31; NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2009, N. 1066).
Lagen aber keine Hinweise auf eine mögliche Straftat vor, so bestanden ebenso wenig wesentliche Gründe oder eine zeitliche Notwendigkeit, den Inhalt des Geräts zu sichten. Die Polizei hätte demnach laut den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdeführers die Kontaktaufnahme durch den Eigentümer abwarten können, was sie indessen unterliess. Vielmehr wertete sie die gespeicherten Daten bereits innerhalb zweier Wochen nach dem Verlust der Kamera aus. Das Vorgehen der Polizei scheint zudem grundsätzlich nicht geeignet zu sein, den Eigentümer der Kamera ohne Weiteres aufzufinden. Dieser dürfte regelmässig anhand von aufgefundenen Filmaufnahmen oder Fotografien, wenn überhaupt, nur mit einem gewissen Aufwand zu ermitteln sein.
Die Polizei hat mithin aufs Geratewohl Daten durchsucht. Ihre Vorgehensweise ist im Ergebnis in einem gewissen Sinne mit einer unzulässigen Beweisausforschung vergleichbar. Von einer solchen Beweisausforschung ("fishing expedition") spricht man, wenn der Zwangsmassnahme kein genügender dringender Tatverdacht zugrunde lag, sondern planlos Beweisaufnahmen getätigt werden. Die Ergebnisse einer "fishing expedition" sind nicht verwertbar (
BGE 128 II 407
E. 5.2.1 S. 417 mit Hinweisen; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 686 Fn. 4 und N. 725; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, N. 1211 und 1219; NATTERER, a.a.O., S. 18 f.; THEOBALD BRUN, Die Beschlagnahme von Bankdokumenten, 1996, S. 39; zur Beweisausforschung unter dem neuen Prozessrecht SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1067 und 973 Fn. 6; SABINE GLESS, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 81 zu
Art. 141 StPO
; DIEGO GFELLER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 44 vor
Art. 241-254 StPO
). Hier gelangte die Kamera auf gesetzmässigem Weg in den Herrschaftsbereich der Stadtpolizei Baden. Die Frage, ob anlehnend an eine verpönte Beweisausforschung von einem absoluten Verwertungsverbot auszugehen ist oder ob es zu berücksichtigen gilt, dass die Polizei
BGE 137 I 218 S. 223
nach den vorinstanzlichen Feststellungen mit der Absicht handelte, das Gerät seinem rechtmässigen Besitzer zuzuführen, kann offenbleiben. Selbst bei einem relativen Beweisverwertungsverbot überwiegt das private Interesse des Beschwerdeführers an der Unverwertbarkeit des Kamerainhaltes (E. 2.3.4 und 2.3.5 nachfolgend).
2.3.3
Eine gesetzliche Grundlage, die der Untersuchungsbehörde die Möglichkeit einräumen würde, losgelöst von einem (genügenden) Anfangsverdacht den Speicher einer aufgefundenen Kamera ohne Einwilligung des Berechtigten zu sichten, besteht nicht (vgl. § 90 in Verbindung mit § 85 aStPO/AG; vgl. auch § 4 Abs. 1 lit. b des Dekrets [des Kantons Aargau] vom 6. Dezember 2005 über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit [SAR 531.210], der als verwaltungspolizeilicheAufgabe der Gemeinden die blosse
Entgegennahme
von Fundgegenständen bezeichnet). Ebenso wenig kann mangels schwerer und unmittelbarer Gefahr auf die Polizeigeneralklausel zurückgegriffen werden. Im Ergebnis wurde die Kamera gesichtet, ohne dass hierfür ein Tatverdacht und insbesondere eine gesetzliche Grundlage bestanden hätten.
2.3.4
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Verwertbarkeit unrechtmässig erlangter Beweismittel verfassungsrechtlich nicht in jedem Fall ausgeschlossen, sondern lediglich dem Grundsatz nach. Massgebend sind die Schwere des Delikts und die Frage, ob das Beweismittel an sich zulässig und auch auf gesetzmässigem Weg zu erlangen gewesen wäre. Es bedarf einer Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person, dass der fragliche Beweis unterbleibt (siehe zum Beispiel
BGE 131 I 272
E. 4 S. 278 ff.;
BGE 130 I 126
E. 3.2 S. 132; vgl. auch
BGE 133 IV 329
E. 4.4 S. 331; je mit Hinweisen; HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 60.6 ff.; a.M. OBERHOLZER, a.a.O., N. 805 ff., der ein striktes Verwertungsverbot befürwortet, falls der Beweis auf gesetzeskonforme Weise nicht hätte erbracht werden können; vgl. zum neuen Recht
Art. 141 Abs. 2 StPO
, wonach Beweise, welche die Strafbehörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden dürfen, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich). Beim Verwertungsverbot bleibt es namentlich, wenn bei der streitigen Untersuchungsmassnahme ein Rechtsgut verletzt wurde, das im konkreten Fall den Vorrang vor dem Interesse an
BGE 137 I 218 S. 224
der Durchsetzung des Strafrechts verdient (
BGE 131 I 272
E. 4.1.2 S. 279).
Im Rahmen dieser Prüfung ist in rechtlicher Hinsicht sowohl den tangierten Freiheitsrechten als auch dem Grundsatz des fairen Verfahrens Rechnung zu tragen. Ist die Rechtswidrigkeit in Bezug auf die Sichtung der Aufnahmen nicht mehr fraglich, muss geprüft werden, ob die Verwertung eines rechtswidrig erlangten Beweises vor dem Fairnessgebot standhält. Allfällige Ansprüche aus der Garantie des Privatlebens (
Art. 13 BV
bzw.
Art. 8 EMRK
) und dem angerufenen Legalitätsprinzip gehen in diesem Fall nicht über das Gebot des fairen Verfahrens hinaus. Dies ändert nichts daran, dass die Garantie des Privatlebens als verletztes Rechtsgut des Beschuldigten unter Umständen in die verfassungsrechtliche Überprüfung, ob die Verwertung eines rechtswidrig gegen ihn erlangten Beweises vor dem Gebot eines gerechten Verfahrens standhält, einfliesst (
BGE 131 I 272
E. 3.2.2 S. 275).
2.3.5
Es ist somit eine Interessenabwägung im Sinne der dargelegten Praxis vorzunehmen.
2.3.5.1
Eine gesetzliche Grundlage, die der Untersuchungsbehörde die Möglichkeit verschafft hätte, die Filmaufnahmen rechtmässig zu erlangen, besteht nicht (E. 2.3.3 hievor). Dass die Sichtung der Aufnahmen an sich unzulässig war und auf gesetzmässigem Weg nicht hätte erreicht werden können, spricht tendenziell für die Unverwertbarkeit der Aufnahmen (
BGE 130 I 126
E. 3.2 S. 132 mit Hinweis).
2.3.5.2
Die Ermittlungshandlungen richten sich nicht gegen sehr schwere, sondern gegen relativ schwerwiegende Delikte. Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, auf einer rund zehnminütigen Fahrt in Begleitung zweier Mitfahrer mehrere Verkehrsregeln erheblich verletzt und dadurch eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen zu haben. Bei groben Verkehrsregelverletzungen handelt es sich um Vergehen, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (
Art. 90 Ziff. 2 SVG
). Sie stellen keine Fälle schwerer Kriminalität dar. Als schwere Straftaten fallen vorab Verbrechen in Betracht. Um solche handelt es sich hier nicht. Vor diesem Hintergrund legt die Schwere der hier interessierenden Vergehen grundsätzlich die Unverwertbarkeit des unrechtmässig erlangten Beweismittels nahe.
2.3.5.3
Bei den umstrittenen Aufnahmen hat der Beifahrer mit seiner Kamera die Fahrt des Beschwerdeführers festgehalten. Es ist
BGE 137 I 218 S. 225
nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan, inwiefern die Aufzeichnungen respektive deren Sichtung durch Drittpersonen den seelischen Eigenraum des Beschwerdeführers massgeblich tangieren respektive verletzen würden.
2.3.5.4
Die Polizei hat, wie dargelegt, im Ergebnis aufs Geratewohl Daten durchsucht. Selbst wenn ein absolutes Verwertungsverbot verneint würde, so sind die aufgezeigten Umstände respektive die Art und Weise, wie das Beweismittel gewonnen wurde (E. 2.3.2), ein gewichtiges Kriterium zu Gunsten des privaten Interesses des Beschwerdeführers an der Unverwertbarkeit der gesichteten Daten.
2.3.5.5
Insgesamt überwiegt nach der dargelegten Interessenabwägung das private Interesse des Beschwerdeführers, dass der fragliche Beweis unverwertet bleibt, das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung. Ein Abstellen auf die rechtswidrig erlangten Filmaufnahmen hält deshalb vor dem Fairnessgebot nicht stand. Dies führt zu einem Beweisverwertungsverbot.
2.4
2.4.1
Zu prüfen ist, ob ein solches Verbot so genannte Fernwirkung zeitigt. Die Lehre ist gespalten, ob das Verwertungsverbot einzig für die rechtswidrig beschafften primären Beweismittel gilt oder ob es sich auch auf alle weiteren Beweismittel erstreckt, welche gestützt auf die illegalen Primärbeweismittel erhoben wurden. Während verschiedene Autoren für eine Fernwirkung des Verwertungsverbots eintreten, wenden sich andere gegen eine solche umfassende Unverwertbarkeit von Folgebeweisen. So ist nach der zweitgenannten Meinung einzig von der Unverwertbarkeit auszugehen, wenn der ursprüngliche, ungültige Beweis unverzichtbare Voraussetzung des mittelbar erlangten Beweises ist. Das Bundesgericht hat sich für die zweite Lösung ausgesprochen, weil dadurch ein angemessener Ausgleich erzielt wird zwischen den divergierenden Interessen an der Einhaltung der Regeln über die Beweiserhebung und an der Ermittlung der materiellen Wahrheit (
BGE 133 IV 329
E. 4.5 S. 332 f. mit Hinweisen).
2.4.2
Anlässlich der kantonspolizeilichen Befragung vom 1. September 2007 hat der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfenen Verkehrsregelverletzungen vom 8. Juni 2007 zu Beginn im Wesentlichen bestritten.
Nachdem
ihm die Filmaufnahmen gezeigt wurden, erklärte er sich grösstenteils geständig. An der Hauptverhandlung vom 15. Dezember 2009 anerkannte er den Vorwurf. Weitere
BGE 137 I 218 S. 226
Beweismittel wurden dem Beschwerdeführer nicht vorgehalten. Offensichtlich ist, dass der Beschwerdeführer anlässlich der ersten Einvernahme sich erst auf Vorhalt der Aufnahmen zur Tat bekannte. Dieses Beweismittel, d.h. sein Geständnis vom 1. September 2007, wäre ohne die rechtswidrig beschafften Filmszenen nicht erlangt worden. Dasselbe gilt für die Befragung anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung. Dass diese erst rund zwei Jahre später stattfand, ist nicht wesentlich. Dem Bezirksgericht Brugg lagen im Rahmen der Sachverhaltserstellung sowohl die Filmaufnahmen als auch ein gestützt darauf erstelltes Gutachten des Bundesamts für Metrologie vor. Auf diese (rechtswidrigen) Beweismittel stellte es schwergewichtig ab. Der Beschwerdeführer konnte mithin die ihm zur Last gelegte Fahrweise denn auch nicht mit Aussicht auf Erfolg in Abrede stellen. Vielmehr blieb ihm nach seinen zutreffenden Ausführungen einzig zu bestätigen, was bereits durch die Aufnahmen und das Gutachten offenlag. Ob der Beschwerdeführer respektive sein Verteidiger von der Unverwertbarkeit der Beweismittel ausging, ändert daran nichts. Im Übrigen wären die hier interessierenden Verkehrsregelverletzungen ohne die Sichtung der Kamera nicht ans Licht gekommen. Es wäre mithin nicht möglich gewesen, den Beschwerdeführer ohne die Filmszenen als Fahrer zu ermitteln. Die Folgebeweise, welche im Anschluss an die rechtswidrig beschafften primären Beweismittel (die gespeicherten Daten auf der Filmkamera) an sich legal erhoben wurden, sind deshalb nicht verwertbar.
2.5
Die fraglichen Filmaufnahmen und die gestützt darauf beschafften Beweismittel dürfen im Rahmen der Sachverhaltserstellung nicht herangezogen werden. Der Schuldspruch wegen mehrfacher grober und einfacher Verletzung der Verkehrsregeln (Vorfall vom 8. Juni 2007) verletzt deshalb Bundesrecht. | public_law | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3fbcd506-4717-492a-961f-4300675b3d2d | Urteilskopf
99 Ia 198
23. Urteil vom 4. Juli 1973 i.S. Theiler gegen Bern, Grosser Rat. | Regeste
Art. 6ter Abs. 1 bernische KV;
Art. 85 lit. a OG
; Finanzreferendum.
1. Begriff der "Ausgabe" und der "Anlage" (Erw. 2 a). Ein Hypothekardarlehen von 1,7 Mio Franken, das der Kanton Bern einer privaten Gesellschaft für den Bau einer auch der Öffentlichkeit zugänglichen Autoeinstellhalle gewährt, ist eine Ausgabe im Sinne des bernischen Finanzreferendums (Erw. 2 b).
2. Abgrenzung der "gebundenen" von der "neuen" Ausgabe (Präzisierung der Rechtsprechung). Unter welchen Voraussetzungen kann die Gewährung eines Hypothekardarlehens an ein privates Unternehmen als gebundene Ausgabe behandelt werden, wenn das Darlehen an die Stelle eines vom Volk bewilligten Kredites für den Bau einer kantonseigenen Autoeinstellhalle tritt (Erw. 5)? | Sachverhalt
ab Seite 199
BGE 99 Ia 198 S. 199
A.-
Der in der Volksabstimmung vom 27. September 1970 abgeänderte Art. 6 der bernischen Kantonsverfassung bestimmt in Ziff. 4, dass diejenigen Beschlüsse des Grossen Rates der Volksabstimmung unterliegen, "welche für den gleichen Gegenstand eine neue, nicht gebundene Gesamtausgabe von mehr als zehn Millionen Franken zur Folge haben". Art. 6ter Abs. 1 KV lautet: "Auf das Begehren von fünftausend Stimmberechtigten unterliegen der Volksabstimmung auch diejenigen Beschlüsse des Grossen Rates, welche für den gleichen Gegenstand eine Gesamtausgabe zur Folge haben, die eine Million Franken übersteigt".
B.-
Im Dezember 1969 unterbreitete der Regierungsrat des Kantons Bern dem Grossen Rat ein Bauprojekt für das Institut für Exakte Wissenschaften der Universität Bern. Die Gesamtkosten wurden mit Fr. 23 936 500.-- veranschlagt. Nach Abzug der Bundessubventionen wurden die vom Kanton zu tragenden Kosten auf Fr. 11 994 500.-- errechnet.
Das Projekt sah einen zweigeschossigen Terrassenbau vor; darunter sollte eine Einstellhalle für 107 Autos gebaut werden. Die Zufahrt zu dieser Garage sollte von Süden her über die zur Bahnhof-Parkterrasse führende Rampe erfolgen. Für den Bau der Garage war ein Betrag von Fr. 1 700 000.-- vorgesehen.
Am 5. Februar 1970 genehmigte der Grosse Rat den nachgesuchten Kredit von Fr. 11 994 500.-- einstimmig, ohne die technische Ausführung des Bauprojektes zu erörtern. Dieser Beschluss wurde in der Volksabstimmung vom 7. Juni 1970 gutgeheissen.
Während der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass auf den Bau der geplanten Garage verzichtet werden musste, weil der Baugrund sich als sehr schlecht erwies, so dass sich die Arbeiten verzögert hätten und mit erheblichen Kostenüberschreitungen zu rechnen gewesen wäre. Ausserdem widersetzte sich das städtische Verkehrsplanungsamt der zusätzlichen Verkehrsbelastung der Zufahrtsrampe. Der Verzicht auf den Bau der Garage ermöglichte schliesslich die Erstellung eines Tiefenlabors, wozu der Grosse Rat am 14. Februar 1972 einen Kredit von Fr. 354 000.-- bewilligte.
Im Jahre 1971 plante die Autoeinstellhalle Waisenhausplatz AG (AWAG) unabhängig vom Kanton den Bau einer Garage für 320 bis 350 Autos. Diese sollte unter der Sidlerstrasse, unmittelbar nordöstlich des neuen Institutes für Exakte Wissenschaften,
BGE 99 Ia 198 S. 200
erstellt werden. Die Baukosten wurden mit Fr. 4 140 000.-- veranschlagt. Nachdem die AWAG von der bernischen Kantonalbank einen Hypothekarkredit von Fr. 2 484 000.-- zugesichert erhalten hatte, bat sie den Kanton um Gewährung eines Hypothekardarlehens in der Höhe von Fr. 1 700 000.--. Die Finanzdirektion trat auf das Begehren ein in der Meinung, die Dozenten und Studenten der Universität könnten in der geplanten Garage Parkplätze mieten. Auch der Regierungsrat sah sich veranlasst, dem Wunsche der AWAG entgegenzukommen, weil dadurch der Kanton der in Art. 10 Abs. 1 des Baugesetzes vom 10. Februar 1970 aufgestellten Pflicht nachkommen konnte, wonach bei der Erstellung oder Erweiterung von Gebäuden auf dem Baugrundstück oder in seiner Nähe genügend Abstellplätze für Motorfahrzeuge zu errichten sind.
Die Finanzdirektion beantragte dem Grossen Rat, folgenden Beschluss zu fassen:
"4266. Autoeinstellhalle Sidlerstrasse Bern; Darlehen. - Der Autoeinstellhalle Waisenhausplatz AG wird für den Bau einer Autoeinstellhalle unter der Sidlerstrasse in Bern eine Nachgangshypothek von Fr. 1 700 000.-- zum jeweiligen Zinssatz erster Hypotheken der Hypothekarkasse gewährt. Der Regierungsrat legt die weiteren Bedingungen fest.
Für die Auszahlung dieser Summe wird vom Kredit, der mit Volksbeschluss vom 7. Juni 1970 für eine Einstellhalle im Institut für exakte Wissenschaften der Universität bewilligt wurde, der Betrag von Fr. 1 000 000.-- freigegeben (Konto 210570523).
Für den Restbetrag von Fr. 700 000.-- wird eine Ausgabe und ein Kredit auf Konto 19009451 zu Lasten des Voranschlags 1974 bewilligt."
Am 14. Februar 1973 stimmte der Grosse Rat diesem Beschluss auf Antrag der parlamentarischen Kommission zu und verwarf die Anträge des Abgeordneten Theiler, wonach der Vorschlag der Finanzdirektion zurückzuweisen, eventualiter der Gesamtkredit von Fr. 1700 000.-- dem fakultativen Referendum zu unterstellen sei.
C.-
Grossrat Theiler und vier Mitbeteiligte führen gestützt auf
Art. 85 lit. a OG
staatsrechtliche Beschwerde und beantragen, den Beschluss des Grossen Rates vom 14. Februar 1973 aufzuheben bzw. dem fakultativen Referendum gemäss Art. 6ter Abs. 1 KV zu unterstellen.
BGE 99 Ia 198 S. 201
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführer machen geltend, der Grosse Rat habe den Beschluss betreffend die Gewährung eines Darlehens an die AWAG nicht dem fakultativen Referendum unterstellt. Damit rügen sie eine Verletzung der politischen Stimmberechtigung. Hierzu sind sie als Stimmbürger des Kantons Bern ohne weiteres legitimiert (
BGE 97 I 823
E. 2 mit Hinweis)...
2.
Es stellt sich die Frage, ob das Darlehen, das der Kanton Bern der AWAG im Hinblick auf den Bau einer unterirdischen Garage gewähren will, eine "Ausgabe" im Sinne der Bestimmungen der KV über das Finanzreferendum sei oder eine blosse Kapitalanlage, die dem Finanzreferendum zum vorneherein nicht unterliegen würde (
BGE 97 I 823
E. 3 mit Hinweis).
a) Art. 6 Ziff. 4 und 6ter Abs. 1 KV sprechen von "Ausgaben", ohne diesen Begriff genauer zu umschreiben. Dieser ist daher auszulegen. Da es sich um Verfassungsvorschriften handelt, steht dem Bundesgericht grundsätzlich die freie Prüfung zu; nur in ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen Auslegung an (
BGE 97 I 27
E. 1a, 32 E. 4, 824 E. 4; vgl. W. HALLER, Das Finanzreferendum, in ZSR NF 90 I/1971, S. 482 f.).
Nach der Rechtsprechung und der Rechtslehre ist nicht jeder Kassenausgang notwendigerweise eine Ausgabe im Sinne der Bestimmungen über das Finanzreferendum. Eine Ausgabe liegt nur dann vor, wenn der Staat über eine bestimmte Geldsumme verfügt, ohne dass er damit einen gleichwertigen und realisierbaren Vermögenswert erwirbt, d.h., wenn er nicht nur Güter anlegt oder sie innerhalb des Staatsvermögens verschiebt. Im übrigen ist eine Ausgabe nur dann anzunehmen, wenn der Kassenausgang den jährlichen Voranschlag über die laufende Verwaltung hinaus belastet und damit die Höhe der Steuern direkt oder indirekt beeinflusst (
BGE 97 I 907
mit Verweisungen und Literaturangaben). Im Unterschied zum Begriff der Ausgabe gehört dagegen zur Kapitalanlage notwendigerweise die Absicht, vorhandenes eigenes Vermögen in eine bestimmte wirtschaftliche Form zu bringen zum Zwecke seiner Konservierung und zur Sicherung eines angemessenen Ertrages (
BGE 93 I 320
E. 5 b). Dies ist in jedem einzelnen Fall anhand der gesamten Umstände zu beurteilen.
BGE 99 Ia 198 S. 202
Der Begriff der Ausgabe kann in den einzelnen Kantonen jedoch eine unterschiedliche Bedeutung haben, je nachdem, was das kantonale Recht bestimmt. Indes enthält die bernische Verfassung keinen Anhaltspunkt, der das Bundesgericht veranlassen könnte, sich nicht auf die in der bisherigen Rechtsprechung gewonnenen Definitionen abzustützen.
b) Nach diesen Definitionen ist das in Frage stehende Darlehen eine Ausgabe, was der Regierungsrat auch nicht bestreitet.
Das ergibt sich formell daraus, dass der Beschluss des Grossen Rates von einer "Ausgabe" spricht, die den Voranschlag von 1974 mit Fr. 700 000.-- belasten wird. Dadurch wird die Steuerlast direkt oder indirekt beeinflusst.
Materiell steht dem Hypothekardarlehen zwar eine Forderung in der gleichen Höhe gegenüber, die einen Ertrag abwirft; es ist aber vorauszusehen, dass diese Forderung kaum jemals realisiert werden kann, so dass wirtschaftlich betrachtet ein Darlehen à fonds perdus vorliegt (LAUR, Das Finanzreferendum im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1966, S. 60), denn die Hypothek lastet im zweiten Rang auf einem Bauwerk, das ohne Eigenkapital gebaut wird und das kaum wieder zum Erstellungspreis verkauft werden könnte. Im übrigen ist auch den Umständen nicht zu entnehmen, der Kanton betrachte das Darlehen als Kapitalanlage. Vielmehr will er eine öffentliche Aufgabe erfüllen, indem er einer privaten Gesellschaft finanzielle Unterstützung gewährt, weil zwingende Gründe ihn daran hindern, das Bauwerk selbst zu erstellen (vgl. LAUR, a.a.O, S. 58 f., NEF, in: Das Finanzreferendum im Kanton Aargau, S. 78 f.).
3.
Art. 6 Ziff. 4 KV hebt ausdrücklich hervor, dass dem obligatorischen Referendum nur neue, nicht gebundene Ausgaben unterstellt sind. Diese Präzisierung fehlt in Art. 6ter KV, der das fakultative Referendum regelt, so dass man sich fragen könnte, ob dieser Unterschied im Text so zu verstehen sei, dass dem fakultativen Referendum sogar gebundene Ausgaben unterliegen. Diese Auslegung würde aber bedeuten, dass die Verfassung für Ausgaben von 1 bis 10 Millionen Franken strengere Anforderungen stellt als für 10 Millionen Franken übersteigende Ausgaben. Zudem könnten die Stimmbürger eine Ausgabe wieder in Frage stellen, der sie in einem vorausgegangenen Erlass bereits grundsätzlich zugestimmt haben, was die Führung der Verwaltung stark behindern würde und dem
BGE 99 Ia 198 S. 203
Zweck des Finanzreferendums zuwiderlaufen müsste (BGE 98 I a 298 E. 3). Art. 6ter KV kann sich deshalb dem Sinn nach ebenfalls nur auf neue Ausgaben beziehen. Im übrigen hat das Bundesgericht schon wiederholt festgestellt, dass der Anwendungsbereich des Finanzreferendums sich auch dann auf "neue" Ausgaben beschränkt, wenn die massgebenden Vorschriften dies nicht ausdrücklich sagen (BGE 98 I a 297 mit Hinweisen). Immerhin braucht diese Frage hier nicht bis ins Letzte untersucht zu werden, da auch die Beschwerdeführer davon ausgehen, dass nur neue Ausgaben dem fakultativen Referendum unterliegen.
4.
Vor dem Grossen Rat hatte der Berichterstatter darauf bestanden, der Kanton sei als Bauherr des Institutes für Exakte Wissenschaften gemäss Art. 10 Abs. 1 des kantonalen Baugesetzes vom 10. Februar 1970 verpflichtet, auf dem Baugrundstück oder in seiner Nähe eine ausreichende Anzahl von Abstellplätzen für Motorfahrzeuge zu errichten. Die Beschwerdeführer bestreiten, dass diese gesetzliche Pflicht allein genüge, um die Gegenstand der Beschwerde bildende Ausgabe als gebunden erscheinen zu lassen, so dass diese nicht dem Referendum unterstellt werden müsste. Da auch der Regierungsrat die Auffassung vertritt, die Ausgabe könne nicht wegen der baurechtlichen Pflicht zur Erstellung von Parkplätzen als gebunden angesehen werden, dürfte sich auch das Bundesgericht nicht auf diese Begründung stützen, weil die kantonale Behörde sich ausdrücklich davon distanziert hat (
BGE 94 I 311
). Das Bundesgericht hält sich zur Substituierung von Gründen nur dann für ermächtigt, wenn die kantonale Behörde zu ihnen keine Stellung bezogen hat (
BGE 98 Ia 351
E. 3 mit Hinweisen). Dies hat aber der Regierungsrat im vorliegenden Fall anstelle und im Namen des Grossen Rates getan. Die Frage muss daher offenbleiben.
5.
Der Regierungsrat macht in seiner Vernehmlassung geltend, das in Frage stehende Darlehen sei eine gebundene und keine neue Ausgabe, weil das Volk diese in der Abstimmung vom 7. Juni 1970 bewilligt habe, sie dem gleichen Zweck diene und die gleichen Mittel erfordere wie die für die ursprünglich geplante Garage im neuen Institutsgebäude vorgesehene Ausgabe.
Was unter einer "neuen" Ausgabe zu verstehen ist, wird in den Erlassen, die diesen Begriff verwenden, in der Regel nicht
BGE 99 Ia 198 S. 204
gesagt und muss daher durch Auslegung ermittelt werden. Das Bundesgericht hatte sich in den letzten Jahren wiederholt mit der Abgrenzung der "neuen" von der "gebundenen" Ausgabe zu befassen (BGE 99 I a 194 E. 3, 98 I a 298 E. 3 mit Hinweisen). Dabei ist es jeweils vom verfassungspolitischen Zweck des Ausgabereferendums ausgegangen und hat die folgenden allgemeinen Grundsätze aufgestellt: Als "gebunden" gelten insbesondere jene Ausgaben, die durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben oder zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Von einer gebundenen Ausgabe kann ferner dann gesprochen werden, wenn anzunehmen ist, das Stimmvolk habe mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder gleichgültig ist, welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgabe gewählt werden. Dabei ist indessen vorausgesetzt, dass es sich um gleiche oder gleichartige Mittel handelt; dies trifft namentlich dann nicht zu, wenn hinsichtlich der Kosten und der sachlichen Auswirkungen wesentliche Unterschiede bestehen (
BGE 97 I 824
f. E. 4).
Im vorliegenden Fall hat das Stimmvolk eine Ausgabe für den Bau einer Garage bewilligt. Nachdem der Grosse Rat nachträglich beschlossen hat, diese Garage nicht selbst zu erstellen, sondern einer privaten Gesellschaft für den Bau einer Einstellhalle ein Darlehen zu gewähren, ist somit zu prüfen, ob das neue Projekt mit dem ursprünglich dem Volk vorgelegten hinsichtlich des Zweckes, der Kosten und der sachlichen Auswirkungen indentisch ist. Sind diese Fragen zu bejahen, dann ist das umstrittene Darlehen eine gebundene Ausgabe.
a) In der Begründung vor dem Grossen Rat wie in der dem Volk unterbreiteten Botschaft führte der Regierungsrat zur geplanten Auto-Einstellhalle aus: "Der projektierte Neubau... ist als zweigeschossiger Terrassenbau geplant; darunter ist eine Einstellhalle für 107 Autos vorgesehen. Damit soll dem dringenden Bedürfnis nach Parkplatz auf dem Universitätsareal entsprochen werden." Jede weitere Präzisierung fehlte. So wurde nicht gesagt, dass diese Parkplätze für die Professoren und Studenten vorgesehen seien, doch konnte man es vermuten. Die Beschwerdeführer machen nun geltend, die Garage der AWAG werde dem Publikum zur Verfügung stehen. Der
BGE 99 Ia 198 S. 205
Regierungsrat scheint jedoch ernsthaft zu beabsichtigen, in dieser Garage ca. 100 Parkplätze für die Universität reservieren zu lassen. Er kann dies jetzt noch tun, denn er wurde im angefochtenen Beschluss des Grossen Rates beauftragt, die Bedingungen für das der AWAG zu gewährende Darlehen festzulegen. Tut er es, so dient die umstrittene Ausgabe für das neue Projekt dem gleichen Zweck, den das Volk für den ursprünglich geplanten Bau gebilligt hat.
b) Für den Bau der Einstellhalle im neuen Institutsgebäude war ein Betrag von Fr. 1 700 000.-- vorgesehen. Da der Kanton der AWAG ein Darlehen in der gleichen Höhe gewähren will, ist das Prinzip der Identität der Kosten gewahrt. Unerheblich ist dabei, dass die Mittel in einer anderen Rechtsform aufgewendet werden.
c) Es bleibt demnach zu prüfen, ob sich das neue Projekt vom ursprünglich geplanten Bau mit Bezug auf die sachlichen Auswirkungen wesentlich unterscheide.
aa) Die Beschwerdeführer gehen davon aus, der Kanton hätte den Dozenten und Studenten in der eigenen Einstellhalle die Parkplätze unentgeltlich zur Verfügung gestellt, während sie bei der Verwirklichung der neuen Lösung ein Entgelt leisten müssten. Dagegen macht der Regierungsrat in überzeugender Weise geltend, er habe nie beabsichtigt, die Parkplätze kostenlos abzugeben, selbst wenn er sie an Dritte vermieten müsste, falls die Dozenten und Studenten mit den von ihm gestellten Bedingungen nicht einverstanden sein sollten. In finanzieller Hinsicht stellt sich bei beiden Lösungen das gleiche Problem. Hätte nämlich der Kanton die Garage für Fr. 1 700 000.-- selbst gebaut, hätte er mit der unentgeltlichen Abgabe der Parkplätze auf jeden Kapitalertrag verzichtet. Bei der neuen Lösung wird er von der AWAG den üblichen Zins erhalten, was ihm erlauben wird - ohne dadurch einen grösseren Verlust zu erleiden als beim ersten Projekt -, den Mietzins für die der Universität reservierten Parkplätze zu ermässigen oder gänzlich zu erlassen. In dieser Hinsicht weicht das neue Projekt somit nicht wesentlich von demjenigen ab, das das Volk genehmigt hat.
bb) Die Beschwerdeführer machen geltend, die Garage der AWAG werde 320 bis 350 Autos aufnehmen und nicht nur 107, wie es beim Bau einer eigenen Einstellhalle geplant gewesen sei; deshalb liege eine ganz andere Sache vor. Dabei verkennen sie
BGE 99 Ia 198 S. 206
die Tatsache, dass der Kanton nur einen Teil der Kosten für diese 320 bis 350 Parkplätze trägt, nämlich Fr. 1700 000.--, also den gleichen Betrag aufwendet, der im Voranschlag für den Bau der Garage im Institut der Universität vorgesehen war. Es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob der Kanton ca. 100 Parkplätze in einer Garage besitzt, die gerade für diese Anzahl Autos gebaut wurde, oder in einer wesentlich grösseren Einstellhalle. Der Einwand wäre somit nur stichhaltig, wenn der Kanton sich entschlossen hätte, die ganze Garage für 320 bis 350 Plätze zu bauen oder zu finanzieren.
cc) Ebenso unbegründet sind die Vorbringen der Beschwerdeführer, die Garage werde an einem anderen Standort gebaut und die Zufahrt erfolge von einer anderen Strasse her, als ursprünglich geplant gewesen sei. Die neue Garage befindet sich noch in der Umgebung der Universität und zwar unter der Strasse, die dem Institut für Exakte Wissenschaften entlangführt, so dass auch in dieser Hinsicht von wesentlichen Unterschieden in den sachlichen Auswirkungen des neuen Projektes, die eine erneute Befragung des Volkes rechtfertigen könnten, nicht die Rede sein kann. Die kantonalen Behörden durften mit gutem Recht annehmen, die Stimmbürger hätten dem neuen Standort ebenso zugestimmt, wie sie das beim ursprünglich geplanten getan haben.
d) Da mit der in Frage stehenden Ausgabe der gleiche Zweck erreicht wird und die Beteiligung des Kantons am Bau der Garage der AWAG mit Bezug auf die Kosten und die sachlichen Auswirkungen sich nicht wesentlich vom geplanten Bau einer eigenen Einstellhalle unterscheidet, durften der Grosse Rat und der Regierungsrat mit Recht davon ausgehen, die Ausgabe sei durch die Volksabstimmung vom 7. Juni 1970 gedeckt. Die gegenteilige Auffassung verstösst gegen den Zweck des Finanzreferendums, wonach dem Bürger in erster Linie bei Beschlüssen über erhebliche Ausgaben, die ihn als Steuerzahler mittelbar treffen, das Mitspracherecht gesichert werden soll (
BGE 98 Ia 298
E.3,
BGE 97 I 824
f. E.4,
BGE 96 I 708
,
BGE 95 I 218
). Zwar räumt die soeben angeführte Rechtsprechung ein, dass das Volk befragt werden müsse oder eine Befragung verlangen könne, wenn ihm bei der Art und Weise der Erfüllung einer Aufgabe eine Wahl offenstehe, nachdem es die Erfüllung einer Aufgabe bereits grundsätzlich beschlossen habe. Vor allem aber muss es die Höhe der Ausgabe festlegen können, die zur Erfüllung einer
BGE 99 Ia 198 S. 207
Aufgabe aufzuwenden ist. Wenn nun, wie im vorliegenden Fall, das Volk der Höhe der Ausgabe bereits zugestimmt hat, soll es nicht verlangen können, ein zweites Mal darüber befragt zu werden, nur weil die Ausführungsmodalitäten eines ohnehin bloss sehr allgemein festgelegten Projektes - die Botschaft enthielt nicht einmal einen Grundriss-, sondern nur einen Querschnittplan - geändert worden sind, und das aus zwingenden Gründen. Andernfalls würde das Finanzreferendum dem Bürger eine Art Rechts- und Zweckmässigkeitskontrolle über die Verwaltung verschaffen, was mit dem Sinn dieses Volksrechtes unvereinbar wäre (
BGE 95 I 218
). Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
3fc5305d-e20f-4f50-b3fb-430c2885d40d | Urteilskopf
101 Ia 10
3. Auszug aus dem Urteil von 5. Februar 1975 i.S. Dr. X. gegen Obergericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 4 BV
; Arztgeheimnis.
Beschlagnahmung von Korrespondenzen im Strafprozess. Umfang und Schutz des Arztgeheimnisses. | Sachverhalt
ab Seite 10
BGE 101 Ia 10 S. 10
Ein Verein und eines seiner Mitglieder reichten gegen den Arzt Dr. X. beim Bezirksgericht Zürich wegen Ehrverletzung Strafklage ein. Der Untersuchungsrichter liess gewisse Korrespondenzen, die Dr. X. mit einem Dritten gewechselt hatte und die sich im Besitze des Anwaltes des Angeklagten befanden, beschlagnahmen und versiegeln. Nach Einholung eines Gutachtens beim Bezirksarzt ordnete das Bezirksgericht an, dass die beschlagnahmten Korrespondenzen zu entsiegeln und zu den Akten zu nehmen seien. Dr. X. führt gegen den Rekursentscheid des Obergerichtes staatsrechtliche Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
a) Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich geltend, durch die Entsiegelung seiner Korrespondenz mit B. werde sein ärztliches Berufsgeheimnis verletzt. Es ist zunächst zu prüfen, ob das Arztgeheimnis einer Beschlagnahme von Akten im Strafverfahren entgegensteht. Die Zürcher StPO enthält hierüber keine ausdrückliche Bestimmung. Damit, dass ihr § 102 Abs. 1 eine möglichste Schonung des Privatgeheimnisses vorschreibt, sagt sie nicht, dass das Privat- und im Speziellen das Arztgeheimnis dem Interesse an der Wahrheitsfindung im Strafverfahren unter allen Umständen vorgeht. Die Bestimmung schreibt vielmehr eine Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen öffentlicher und privater Natur
BGE 101 Ia 10 S. 11
vor. Nach der herrschenden Lehre geht dort, wo der Arzt selbst Angeschuldigter ist, das Interesse an der Strafverfolgung vor: Der Arzt kann sich nicht unter Berufung auf seine Geheimhaltungspflicht der Beschlagnahme von in seinem Besitz befindlichen Akten widersetzen (ERWIN FREY, Die Papiere des abtreibungsverdächtigen Arztes, ZStR 72/1957 S. 24 f.; HEINZ MÜLLER-DIETZ, Die Beschlagnahme von Krankenblättern im Strafverfahren, S. 49; D. VON RECHENBERG, Beschlagnahme, Siegelung und Hausdurchsuchung gemäss Zürcherischer Strafprozessordnung, S. 21; gleiche Auffassung Zürcher Obergericht und Kassationsgericht in ZR 33/1934 Nr. 65).
b) Nun sind allerdings Zweifel daran berechtigt, ob dieser Grundsatz uneingeschränkte Geltung verdient. Er ist im Falle des der Abtreibung beschuldigten Arztes entwickelt worden, wo dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung ein grösseres Gewicht zukommt als bei einem Verfahren wegen Ehrbeleidigung. Die kantonalen Instanzen waren denn auch im vorliegenden Verfahren bereit, dem Arztgeheimnis, wenn ein solches in Frage kam, Rechnung zu tragen. Andernfalls hätte das Bezirksgericht nicht ein Gutachten des Bezirksarztes über diese Frage eingeholt und würde das Obergericht seinen Entscheid nicht ausschliesslich mit der Verneinung des Arztgeheimnisses begründen. Die Frage, ob die Entsiegelung auch dann hätte angeordnet werden dürfen, wenn die Papiere ein ärztliches Geheimnis enthalten hätten, kann offen gelassen werden, wenn ein ärztliches Geheimnis tatsächlich nicht tangiert ist, was im Folgenden geprüft werden soll.
c) Nach dem Wortlaut von
Art. 321 StGB
sind Geheimnisse geschützt, welche einem Arzt infolge seines Berufes anvertraut worden sind oder die er in dessen Ausübung wahrgenommen hat. Geheimnis im Sinne dieser Bestimmung ist alles, was der Patient dem Arzt zwecks Ausführung des Auftrages anvertraut oder was der Arzt in Ausübung seines Berufes wahrnimmt (
BGE 75 IV 73
f.). Was hingegen dem Arzt als Privatmann mitgeteilt wird, fällt nicht unter das Berufsgeheimnis, es sei denn, es werde ihm erkennbar deshalb offenbart, weil er Arzt ist (HANS LANGMACK, Die strafrechtliche Schweigepflicht des Arztes, ZStR 88/1972, S. 70; vgl. auch ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess, S. 219/20). Der Inhalt der geheimzuhaltenden Tatsachen ist nicht streng auf das Medizinische beschränkt. Dem Arzt werden oft
BGE 101 Ia 10 S. 12
eheliche, berufliche oder andere persönliche Schwierigkeiten offenbart. Sie gehören ebenfalls zu den geheimzuhaltenden Gegenständen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, B. habe ihn in seiner Eigenschaft als Arzt um Rat gebeten. Dies werde im angefochtenen Entscheid nicht in Abrede gestellt und das Obergericht habe auch die hiefür angebotenen Beweise nicht abgenommen. Ob und in welchen Umfange im Entsiegelungsverfahren Beweise abgenommen werden müssen, ist eine Frage des kantonalen Verfahrensrechts. Der Beschwerdeführer unterlässt es, die Nichtabnahme der Beweise als Rechtsverweigerung zu rügen. Aus der Unterlassung kann aber nicht einfach, wie der Beschwerdeführer es tut, geschlossen werden, es stehe fest, dass sich B. nie an den Beschwerdeführer gewandt hätte, wenn dieser nicht Arzt gewesen wäre. Das Obergericht stellt vielmehr fest, B. habe sich an den ihm persönlich nicht bekannten Beschwerdeführer gewandt, weil dieser ihm indirekt als Herausgeber von Büchern des geistigen Oberhauptes des fraglichen Vereines ein Begriff gewesen sei. Tatsächlich ist weder dargetan noch wahrscheinlich, dass für B. die Eigenschaft des Beschwerdeführers als Arzt von entscheidender Bedeutung war. Er verlangte von ihm keine ärztliche Behandlung oder Beratung, sondern es ging ihm darum, von einem früher führenden Mitglied des Vereins Auskunft und Rat in einer persönlichen Auseinandersetzung mit diesem Verein zu erhalten. Wenn ihm dabei der Beschwerdeführer dank seines Arztberufs als besonders vertrauenswürdig erschienen sein mag, so genügt dieser indirekte Zusammenhang mit der Berufsausübung nicht, um das, was B. dem Beschwerdeführer offenbarte, als Berufsgeheimnis zu qualifizieren. Der Beschwerdeführer hat denn auch bei seiner Einvernahme durch den Untersuchungsrichter über den Inhalt seiner Telefongespräche und Korrespondenz Auskunft erteilt, ohne sich auf ein Aussageverweigerungsrecht und eine Geheimhaltungspflicht zu berufen. Die kantonalen Instanzen sind deshalb nicht in Willkür verfallen, wenn sie zum Schluss gekommen sind, das Arztgeheimnis stehe der Entsiegelung nicht entgegen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
3fc57d27-6fcc-49ab-bc22-3452bc2655f8 | Urteilskopf
83 III 15
4. Arrêt du 8 janvier 1957 dans la cause Légeret. | Regeste
Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 72 SchK G).
Fehlen einer Zustellungsbescheinigung auf dem für den Schuldner bestimmten Exemplar. Folgen. | Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 83 III 15 S. 15
A.-
Le 26 avril 1956, Henri Légeret requit l'Office des poursuites de Cossonay de notifier à Numa Stöckli un commandement de payer pour 368 fr. 85 (poursuite no 14 134). Comme le débiteur se trouvait alors à l'Hôpital de l'Isle, à Berne, le commandement de payer lui fut envoyé par la poste, à cette adresse. Le double destiné au créancier revint avec la mention: "... notifié aujourd'hui, le 28.4.1956, à Herrn Numa Stöckli Inselspital". Le 11 mai, le notaire Delacuisine forma opposition au nom de Stöckli, en produisant le double du commandement de payer destiné au débiteur; cet exemplaire ne portait aucun procès-verbal de notification. L'opposition fut admise par l'office.
B.-
Le 15 octobre 1956, Légeret porta plainte contre cette mesure. L'autorité inférieure de surveillance considéra
BGE 83 III 15 S. 16
la plainte comme tardive et la déclara irrecevable. Sur recours de Légeret, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois annula d'office la poursuite no 14 134 dès et y compris la notification du commandement de payer et invita l'Office des poursuites de Cossonay à procéder à une nouvelle notification. Elle considéra que, faute de procès-verbal de notification sur le double destiné au débiteur, on ignorait à quelle date et dans quelles formes cette opération avait été faite et que ce vice faussait toute la procédure subséquente.
C.-
Le plaignant défère la cause au Tribunal fédéral en concluant à ce que celui-ci déclare que le commandement de payer no 14 134 a été valablement notifié et que la poursuite peut être continuée.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 72 al. 2 LP, celui qui procède à la notification d'un commandement de payer doit attester sur chaque exemplaire le jour où elle a eu lieu et la personne à laquelle l'acte a été remis. Lorsque cette dernière indication fait défaut, la notification n'en est pas moins valable, pourvu que l'on puisse établir qu'elle a été régulière (RO 35 I 871, consid. 2). En outre, une notification contraire à la loi n'entraîne point, en principe, l'annulation du commandement de payer si le débiteur a néanmoins reçu personnellement cet acte de poursuite (RO 54 III 250, 81 III 71).
Il n'est pas prouvé, en l'occurrence, que la notification ait été régulière. L'office des poursuites reconnaît luimême, dans son rapport du 21 novembre 1956, que le commandement de payer n'a pas été notifié à Stöckli, contrairement à la mention qui figure sur l'exemplaire destiné au créancier. En outre, on n'a point établi que ce document ait été signifié à une personne habile à le recevoir au nom du débiteur.
Cependant, le commandement de payer a, sans aucun doute, été délivré finalement à Stöckli, puisque celui-ci l'a
BGE 83 III 15 S. 17
envoyé au notaire Delacuisine. Mais cette remise est insuffisante en l'espèce pour qu'on doive considérer cet acte de poursuite comme valable. Faute de procès-verbal de notification, en effet, le débiteur ne pouvait ni juger si la signification avait été régulière ni savoir quand elle avait eu lieu. Dans ces conditions, il lui était impossible de connaître le point de départ des délais courant dès la notification du commandement de payer. Il ne pouvait notamment savoir s'il était encore recevable à former opposition dans les dix jours selon l'art. 74 al. 1 LP ou s'il devait déclarer son opposition tardive au juge dans le délai de l'art. 77 al. 2 LP. Aussi la juridiction cantonale a-t-elle considéré avec raison qu'une procédure viciée par de telles irrégularités devait être annulée d'office.
2.
Le recourant soutient en outre que l'ordre donné à l'office des poursuites de notifier un nouveau commandement de payer au débiteur ne peut être exécuté, car le for de la poursuite aurait changé entre temps. Mais il est évident que cet ordre est subordonné à la condition que l'Office des poursuites de Cossonay soit resté compétent. Si ce n'est pas le cas, la décision cantonale est sans objet sur ce point et le recourant devra faire notifier le commandement de payer par l'office du nouveau domicile du débiteur ou, à défaut, par celui de son lieu de séjour (art. 46 al. 1 et 48 LP).
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites
Rejette le recours. | null | nan | fr | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3fd20b71-091d-45d1-adc6-0c830a0944fa | Urteilskopf
135 I 119
15. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause S. contre Service de la population et Etablissement vaudois d'accueil des migrants (EVAM) (recours en matière de droit public)
8C_681/2008 du 20 mars 2009 | Regeste
Art. 12 BV
;
Art. 82 Abs. 4 AsylG
; Art. 4a Abs. 3 Sozialhilfegesetz des Kantons Waadt; Nothilfe an Asylsuchende, deren Gesuch durch Nichteintretensentscheid erledigt wird.
Eine ausschliesslich als Naturalleistung für Unterkunft und Verpflegung erbrachte Nothilfe verstösst als solche nicht gegen das gemäss
Art. 12 BV
gewährleistete Grundrecht auf Hilfe in Notlagen. Berücksichtigung der persönlichen Umstände (E. 5 und 6).
Frage offengelassen, ob, allenfalls nach einer gewissen Dauer der Nothilfe, zu den Naturalleistungen hinzu noch Geldleistungen (Taschengeld) auszurichten sind, weil im Hinblick auf die für den Beschwerdeführer bestehende Möglichkeit der Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm, für das zusätzlich eine Entschädigung entrichtet wird, den Anforderungen von
Art. 12 BV
Genüge getan ist (E. 7).
Rechtswege bei der Anfechtung der konkreten Unterbringung in einer Sammelunterkunft (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 120
BGE 135 I 119 S. 120
A.
S., né en 1985, a déposé une demande d'asile le 4 mai 2004. Par décision du 13 janvier 2005, l'Office fédéral des migrations (ODM) a refusé d'entrer en matière sur sa demande et a prononcé son renvoi de Suisse. (...)
A partir du mois de février 2005, S. a perçu des prestations d'aide d'urgence sous la forme d'un hébergement dans un abri de protection civile et de repas en nature. Il a séjourné au centre Y., à D., puis au centre de la Fondation vaudoise pour l'accueil des requérants d'asile (FAREAS) de Z., et enfin au centre de la FAREAS de V. Durant son séjour à D., de septembre 2005 à janvier 2006, il a pu préparer lui-même ses repas. Il a en outre reçu des prestations en espèces complémentaires aux prestations en nature, soit de l'argent de poche, de janvier à novembre 2006.
Par décision du 2 novembre 2006, le Service vaudois de la population (SPOP), a accordé à S. une aide d'urgence, sous la forme d'un hébergement au centre FAREAS de V., de denrées alimentaires, d'articles d'hygiène et d'autres prestations de première nécessité en nature, le tout à fournir par la FAREAS; il a par ailleurs requis la Policlinique médicale universitaire de lui prodiguer au besoin des soins médicaux d'urgence. Le SPOP a rendu les 16 et 30 novembre 2006 et le 14 décembre 2006 des décisions identiques.
B.
S. a déféré la décision du SPOP du 14 décembre 2006 au Tribunal administratif du canton de Vaud en concluant à son annulation. En bref, il faisait valoir que l'aide d'urgence était si peu étendue qu'elle était contraire à la dignité humaine et que les restrictions à
BGE 135 I 119 S. 121
son droit au respect de la vie privée étaient disproportionnées par rapport aux buts d'intérêts publics visés.
Statuant le 18 juillet 2008, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal vaudois a partiellement admis le recours dans la mesure où il était recevable. Elle a annulé la décision entreprise et elle a renvoyé la cause au SPOP pour nouvelle décision au sens des motifs. La Cour a tout d'abord considéré que l'intéressé, implicitement au moins, demandait une réforme de la décision attaquée en ce sens que les prestations de l'aide d'urgence fussent plus étendues que celles accordées jusqu'alors, notamment une aide plus étendue sous la forme de prestations financières. Elle a ensuite considéré que le fait que le recourant ne pouvait pas choisir et cuisiner ses aliments ne portait pas atteinte au noyau intangible du droit au minimum vital ni ne constituait une atteinte à la dignité humaine ou un traitement inhumain dégradant. Elle a par ailleurs retenu que le recourant, jeune homme célibataire et en bonne santé, pouvait être hébergé dans un établissement collectif. Cependant, pour une longue période, l'hébergement devait comprendre un espace privatif auquel le bénéficiaire de l'aide d'urgence devait pouvoir accéder, non seulement pour se changer, mais également pour s'isoler, même temporairement. Le recours devait dès lors être partiellement admis pour ce motif. Il appartiendrait au SPOP et à l'Etablissement vaudois d'accueil des migrants (EVAM), qui avait succédé entre-temps à la FAREAS, de prévoir un hébergement, certes collectif, mais qui devrait comprendre un espace privatif. Enfin, la Cour a nié le droit de l'intéressé à des prestations en espèces sous la forme d'un argent de poche.
C.
S. interjette un recours en matière de droit public dans lequel il demande au Tribunal fédéral de constater une violation des
art. 3, 6 et 8 CEDH
, d'annuler l'arrêt attaqué dans la mesure où le recours n'est admis que partiellement et de lui allouer une indemnité de 15'000 fr. au titre de réparation morale. (...)
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant conclut au versement d'une indemnité de 15'000 fr. au titre de réparation morale. Il s'agit d'un chef de conclusion dont la Cour cantonale n'était pas saisie. Cette conclusion est d'emblée irrecevable au regard de l'
art. 99 al. 2 LTF
.
(...)
BGE 135 I 119 S. 122
4.
Quant au fond, les conclusions du recourant tendant à faire constater par le Tribunal fédéral diverses violations de la CEDH sont de nature purement constatatoire. On peut se demander si ces conclusions, qui ont en principe un caractère subsidiaire (cf.
ATF 129 V 289
consid. 2.1 p. 290), ne sont pas irrecevables d'entrée de cause, d'autant que pour le reste le recourant conclut seulement à l'annulation (partielle) du jugement attaqué. On peut cependant déduire des motifs du recours que le recourant demande à être mis au bénéfice de l'aide sociale, plus étendue que l'aide d'urgence, et qu'il requiert, en partie tout au moins, une aide sous la forme de prestations en espèces. Ces conclusions, interprétées à la lumière des motifs du recours, sont recevables (cf.
ATF 118 Ib 134
consid. 2 p. 135;
ATF 108 II 487
consid. 1 p. 488; LAURENT MERZ, in Basler Kommentar, BGG, 2008, n° 18 ad
art. 42 LTF
).
5.
5.1
La demande d'asile du recourant a fait l'objet d'une décision de non-entrée en matière en 2005. A cette époque, l'intéressé avait le statut d'un étranger en attente d'un renvoi en vertu de l'art. 44a de la loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi; RS 142.31; disposition abrogée avec effet au 1
er
janvier 2008; RO 2004 1635; 2006 4751); il était de ce fait soumis aux dispositions de la loi fédérale du 26 mars 1931 sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE; RS 1 113 et les modifications successives). Considéré comme un étranger résidant illégalement en Suisse, il ne pouvait plus prétendre qu'à une aide d'urgence fournie par les cantons en application de l'
art. 12 Cst.
(cf.
art. 14f al. 2 let. a LSEE
, prévoyant un forfait versé de ce chef aux cantons par la Confédération; RO 2004 1634). L'
art. 44a LAsi
avait été introduit par la loi fédérale du 19 décembre 2003 sur le programme d'allégement budgétaire 2003, entrée en vigueur le 1
er
avril 2004. Il avait précisément pour but de réduire les dépenses dans le domaine de l'asile et d'inciter les personnes frappées d'une décision de non-entrée en matière devenue exécutoire à quitter rapidement la Suisse (Message du 2 juillet 2003, FF 2003 5166 s. ch. 2.1.6.7).
5.2
Bien que la LSEE ait été remplacée dès le 1
er
janvier 2008 par la loi du 16 octobre 2005 sur les étrangers (LEtr; RS 142.20), la situation décrite n'a pas été modifiée. L'
art. 82 al. 1 LAsi
, dans sa version en vigueur depuis le 1
er
janvier 2008 (RO 2006 4753), prévoit en effet que l'octroi de l'aide sociale et de l'aide d'urgence est régi par le droit cantonal; les personnes frappées d'une décision de renvoi exécutoire auxquelles un délai de départ a été imparti peuvent
BGE 135 I 119 S. 123
être exclues du régime d'aide sociale (voir aussi, sur la continuité de la réglementation sur ce point: CHRISTOPH RÜEGG, Das Recht auf Hilfe in Notlagen, in Das Schweizerische Sozialhilferecht, 2008, p. 37).
5.3
Il résulte de cette réglementation que la personne qui a fait l'objet d'une décision de non-entrée en matière passée en force et d'une décision de renvoi exécutoire n'a plus droit à l'assistance ordinaire prévue par l'
art. 81 LAsi
, mais seulement à l'aide d'urgence garantie par l'
art. 12 Cst.
(voir aussi
ATF 130 II 377
consid. 3.2.1 p. 381). La mise en oeuvre de l'
art. 12 Cst.
incombe aux cantons. Ceux-ci sont libres de fixer la nature et les modalités des prestations à fournir au titre de l'aide d'urgence (
ATF 131 I 166
consid. 8.5 p. 184). Le droit fondamental à des conditions minimales d'existence selon l'
art. 12 Cst.
ne garantit pas un revenu minimum, mais uniquement la couverture des besoins élémentaires pour survivre d'une manière conforme aux exigences de la dignité humaine, tels que la nourriture, le logement, l'habillement et les soins médicaux de base (cf.
ATF 131 V 256
consid. 6.1 p. 261;
ATF 131 I 166
consid. 3.1 p. 172;
ATF 130 I 71
consid. 4.1 p. 74). L'
art. 12 Cst.
se limite, autrement dit, à ce qui est nécessaire pour assurer une survie décente afin de ne pas être abandonné à la rue et réduit à la mendicité (
ATF 121 I 367
consid. 2c p. 373).
5.4
Comme le relève la Cour cantonale, la mise en oeuvre de l'
art. 12 Cst.
peut être différenciée selon le statut de la personne assistée. Ainsi, pour les requérants d'asile sous le coup d'une décision de non-entrée en matière, aucun intérêt d'intégration n'est à poursuivre et aucun contact social durable ne doit être garanti au regard du caractère en principe temporaire de la présence de l'intéressé sur le territoire suisse. L'octroi de prestations minimales se justifie aussi afin de réduire l'incitation à demeurer en Suisse (
ATF 131 I 166
consid. 8.2 p. 182). Cette différenciation découle également des
art. 82 et 83 LAsi
qui opèrent une claire distinction entre l'aide sociale et l'aide d'urgence. On rappellera par ailleurs que les causes de l'indigence n'ont pas d'incidence sur le droit d'obtenir l'assistance minimale garantie par l'
art. 12 Cst.
(
ATF 134 I 65
consid. 3.3 p. 71). Ainsi, la suppression de l'aide d'urgence ne saurait être motivée par le refus de l'intéressé de coopérer avec les autorités en vue de son expulsion du territoire. Elle ne saurait être utilisée comme un moyen de contrainte pour obtenir l'expulsion ou pour réprimer des abus en matière de droit des étrangers (
ATF 131 I 166
consid. 4.3 p. 174 et consid. 7.1 p. 179, ainsi que les références citées; voir aussi
BGE 135 I 119 S. 124
GIORGIO MALINVERNI, L'interprétation jurisprudentielle du droit d'obtenir de l'aide dans des situations de détresse in Liber Amicorum Luzius Wildhaber, 2007, p. 433).
5.5
Selon la législation vaudoise, si l'intéressé est domicilié ou en séjour dans le canton au sens de l'art. 4 al. 1 de la loi du 2 décembre 2003 sur l'action sociale vaudoise (LASV; RSV 850.051), il peut prétendre au revenu d'insertion, qui comprend principalement une prestation financière. S'il est requérant d'asile, l'assistance peut notamment prendre la forme d'un hébergement et de prestations financières, le montant de celles-ci étant fixé par des normes adoptées par le Conseil d'Etat (art. 5, 21 et 42 de la loi du 7 mars 2006 sur l'aide aux requérants d'asile et à certaines catégories d'étrangers [LARA; RSV 142.21]). Si, enfin, il séjourne illégalement sur le territoire vaudois, notamment lorsque sa requête d'asile a été écartée par une décision de non-entrée en matière, il a droit à l'aide d'urgence conformément à l'art. 49 LARA. L'octroi et le contenu de l'aide d'urgence sont définis à l'art. 4a al. 3 LASV. L'aide d'urgence est dans la mesure du possible allouée sous la forme de prestations en nature. Elle comprend en principe le logement, en règle ordinaire dans un lieu d'hébergement collectif, la remise de denrées alimentaires et d'articles d'hygiène, des soins médicaux d'urgence dispensés en principe par la Policlinique médicale universitaire (PMU) en collaboration avec les hospices cantonaux (CHUV). En cas de besoin établi, d'autres prestations de première nécessité peuvent être accordées.
6.
Comme le constate le jugement attaqué, le recourant est un jeune homme célibataire, sans problèmes médicaux attestés. Le fait de devoir séjourner dans un lieu d'hébergement collectif pour un homme célibataire et en bonne santé n'est certainement pas contraire, dans les présentes circonstances, aux exigences minimales garanties par l'
art. 12 Cst.
Un requérant d'asile débouté ne saurait en effet prétendre à des prestations d'assistance en espèces pour vivre dans le logement de son choix ou dans certains cas pour vivre dans la clandestinité (ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, RDAF 1997 I p. 344). Pour ce qui est de la nourriture en particulier, il est légitime, comme on l'a vu, d'opérer une distinction entre les personnes qui séjournent régulièrement en Suisse et celles dont le séjour n'est que provisoire ou encore les personnes qui font l'objet d'une décision de non-entrée en matière et dont le séjour en Suisse est illégal. Pour ces dernières
BGE 135 I 119 S. 125
en tout cas, les prestations en nature doivent en principe être préférées aux prestations en espèces. Elles en facilitent la distribution et l'utilisation d'une manière conforme à leur but (
ATF 131 I 166
consid. 8.4 p. 184). Par conséquent, le fait qu'en l'espèce l'hébergement et la nourriture sont fournis en nature n'apparaît pas contraire aux exigences minimales de l'
art. 12 Cst.
(voir aussi dans ce sens MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4
e
éd. 2008, p. 777; MARGRITH BIGLER-EGGENBERGER, in Die Schweizerische Bundesverfassung, 2
e
éd. 2008, n° 37 ad
art. 12 Cst.
). A l'
art. 82 al. 3 LAsi
, le droit fédéral pose d'ailleurs le principe de l'aide en nature puisqu'il prévoit que l'aide sociale accordée aux requérants et aux personnes à protéger qui ne bénéficient pas d'une autorisation de séjour doit être fournie, dans la mesure du possible, sous la forme de prestations en nature. Les griefs du recourant relatifs à la forme des prestations d'aide qui lui sont accordées au titre de l'hébergement et de la nourriture sont dès lors mal fondés.
7.
7.1
Le recourant conteste également le jugement attaqué dans la mesure où celui-ci ne lui reconnaît pas le versement de prestations en espèces en plus des prestations en nature (logement et nourriture). A ce propos, les premiers juges ont considéré que l'absence de toute prestation financière, même sur une longue période, ne portait pas atteinte aux garanties minimales de l'
art. 12 Cst.
Ils ont relevé que jusqu'à l'entrée en vigueur de l'art. 4a LASV, le 1
er
novembre 2006, le recourant avait bénéficié de prestations financières qui avaient consisté (selon la convention de subventionnement pour 2006 entre l'Etat de Vaud et la FAREAS du 30 mars 2006) en l'octroi d'argent de poche, soit au maximum 4 fr. 30 par jour. Depuis novembre 2006 l'intéressé ne reçoit plus de prestations en argent au titre de l'aide d'urgence. Selon les premiers juges toujours, l'art. 4a al. 3 LASV ne prévoit pas explicitement l'octroi de prestations de ce type. Cette disposition peut toutefois être interprétée en ce sens qu'une aide financière - exceptionnelle cependant - n'est pas d'emblée exclue. En l'espèce, les prestations, toutes allouées en nature, satisfont aux besoins d'hébergement, de nourriture, d'articles d'hygiène, de vêtements et de soins médicaux d'urgence. La décision du SPOP accorde également à l'intéressé les "autres prestations de première nécessité" visées par l'art. 4a al. 3 LASV. Celles-ci doivent permettre, selon la Cour cantonale, de répondre au droit fondamental de communiquer avec d'autres personnes, notamment ses
BGE 135 I 119 S. 126
proches. Le noyau du droit aux relations personnelles n'est pas touché si le bénéficiaire de l'aide d'urgence peut communiquer par lettres, voire par téléphone, avec ses proches: il suffit que l'aide allouée en nature pendant une longue période permette par la fourniture de moyens matériels adéquats de nouer ou d'entretenir des relations personnelles.
7.2
L'aide d'urgence, par définition, a en principe un caractère transitoire. L'
art. 12 Cst.
ne vise qu'une aide minimale - à savoir un filet de protection temporaire pour les personnes qui ne trouvent aucune protection dans le cadre des institutions sociales existantes - pour mener une existence conforme à la dignité humaine (AUBERT/MAHON, Petit Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, 2003, n° 4 ad
art. 12 Cst.
). En dépit de ce caractère transitoire, elle doit, même pour les personnes frappées d'une décision de non-entrée en matière, se poursuivre aussi longtemps que la personne concernée remplit les conditions de l'
art. 12 Cst.
, soit durant toute la période nécessaire à la préparation et à l'exécution de son départ de Suisse (MALINVERNI/HOTTELIER, La réglementation des décisions de non-entrée en matière dans le domaine du droit d'asile - Aspects constitutionnels, PJA 2004 p. 1353).
7.3
Le droit constitutionnel d'obtenir de l'aide dans des situations de détresse est étroitement lié au respect de la dignité humaine garanti par l'
art. 7 Cst.
(
ATF 131 I 166
consid. 3.1 p. 172; AUBERT/MAHON, op. cit., n° 6 ad
art. 7 Cst.
; KATHRIN AMSTUTZ, Das Grundrecht auf Existenzsicherung, 2002, p. 71 ss; BIGLER-EGGENBERGER, op. cit., n° 7 ad
art. 12 Cst.
; PETER UEBERSAX, Nothilfe: Gesetze auf Verfassungsmässigkeit prüfen, Plädoyer 2006 4 p. 46). Sous l'angle de cette disposition constitutionnelle, qui sous-tend l'
art. 12 Cst.
, plusieurs auteurs préconisent l'octroi d'un argent de poche, en plus d'éventuelles prestations en nature, à tout le moins pour des éventualités où l'aide d'urgence se prolonge: dans ces situations, il s'imposerait en effet d'ouvrir un espace de liberté qui permette à l'individu de déterminer lui-même et de satisfaire, même de façon très restreinte, des besoins sociaux psychiques et immatériels élémentaires de la vie quotidienne, comme par exemple se rendre dans un café, acheter des cigarettes ou un journal, emprunter un moyen de transport public de proximité ou encore établir des contacts par téléphone avec ses proches (AMSTUTZ, op. cit., p. 271;
la même
, Verfassungsrechtliche Mindestanforderungen an die Sozialhilfe im Asylwesen, Asyl 2/03 p. 34 et 37; THOMAS GEISER, Gibt es ein
BGE 135 I 119 S. 127
Verfassungsrecht auf einen Mindestlohn?, in Mélanges en l'honneur de Yvo Hangartner, 1998, p. 812; CARLO TSCHUDI, Nothilfe an Personen mit Nichteintretensentscheid, Jusletter du 20 mars 2006, n° 31; voir aussi THOMAS GÄCHTER, Soziale Grundrechte: das nackte Überleben - oder mehr?, in ius.full, Sondernummer Grundrechtszyklus, 2007 p. 19 ss; FELIX WOLFFERS, Grundriss des Sozialhilferechts, 2
e
éd. 1999, p. 141). D'autres auteurs contestent explicitement ce point de vue (BERNHARD WALDMANN, Das Recht auf Nothilfe zwischen Solidarität und Eigenverantwortung, ZBl 107/2006 p. 356) ou ne mentionnent concrètement comme exemple de soutien à une personne en situation de détresse que l'hébergement, la fourniture de nourriture et de vêtement ainsi que les soins médicaux de base (BREINING-KAUFMANN/WINTSCH, Rechtsfragen zur Beschränkung der Nothilfe, ZBl 106/2005 p. 500 s.).
7.4
La question soulevée ici peut demeurer indécise. Le droit constitutionnel d'obtenir de l'aide dans des situations de détresse est régi par le principe de la subsidiarité. La personne qui, objectivement, serait en mesure de se procurer les ressources indispensables à sa survie par ses propres moyens, notamment en acceptant un travail convenable, ne remplit pas les conditions du droit. Aussi bien la jurisprudence considère-t-elle que la fourniture d'une aide matérielle peut être assortie de la charge de participer à des mesures d'occupation et d'intégration. Ces mesures ou programmes doivent en principe être considérés comme un travail convenable, même si le revenu qu'il procure n'atteint pas le montant des prestations d'assistance (
ATF 131 I 71
consid. 4.3 p. 75 et consid. 5 p. 77).
7.5
En l'espèce, il ressort de la prise de position de l'EVAM - qui n'a pas été contestée sur ce point par le recourant dans ses déterminations ultérieures - que les bénéficiaires de l'aide d'urgence peuvent suivre des programmes d'occupation qui ont un lien direct avec leur lieu de vie (par exemple des travaux de nettoyage ou de surveillance). Ils reçoivent pour cela une rémunération qui s'ajoute à l'assistance en nature. L'EVAM indique à ce sujet que le recourant a participé aux nettoyages collectifs du 1
er
janvier 2008 au 31 juillet 2008, travaux pour lesquels il était indemnisé à hauteur de 300 fr. par mois. Cette participation, selon l'EVAM, a dû être interrompue du fait que l'intéressé, à de nombreuses reprises, n'avait pas respecté les horaires pour cette activité. Rien ne permet d'admettre en l'occurrence qu'un programme d'occupation semblable à celui auquel le recourant s'est soumis durant cette période de sept mois ne puisse plus lui être offert ou que la participation à un tel programme ne puisse
BGE 135 I 119 S. 128
pas être exigée de lui. On doit par conséquent admettre qu'il serait certainement en mesure, par une occupation au centre, de gagner par ses propres moyens un minimum d'argent de poche.
8.
8.1
Le recourant soulève par ailleurs de nombreux griefs en relation avec la qualité et la quantité de nourriture qu'il reçoit et avec ses conditions proprement dites d'hébergement dans un centre collectif. A cet égard, il se dit victime de diverses formes de contraintes au quotidien, notamment le service d'un seul repas chaud dans la journée, le service d'une nourriture standard, l'obligation de se soumettre à de multiples rendez-vous pour la distribution des prestations, l'obligation de vivre dans un centre surveillé, le comportement agressif ou inadapté des agents de sécurité, le manque de réglementation sur la surveillance, l'interdiction des visites et, enfin, le désoeuvrement et la promiscuité.
8.2
Il faut tout d'abord relever à ce sujet que, du fait de son statut de ressortissant étranger en situation illégale, le recourant se trouve, par rapport à l'autorité, dans un rapport particulier de dépendance, qui lui confère certes le droit d'obtenir de l'aide, mais qui implique en contrepartie le devoir de se soumettre à certaines contraintes pouvant limiter sa liberté, à tout le moins tant que celles-ci restent dans des limites acceptables et ne constituent pas une atteinte grave à ses droits fondamentaux. Dans les cas d'atteintes graves, il doit pouvoir bénéficier d'une protection juridique et recourir aussi bien contre les actes particuliers que contre le comportement général du personnel ou des responsables du centre. Pour ces cas, il est en droit d'obtenir une décision qui sera le plus souvent une décision en constatation (
ATF 133 I 49
consid. 3.2 p. 55 ss;
ATF 128 II 156
consid. 3b p. 163 s.; voir aussi arrêt 2P.272/2006 du 24 mai 2007 consid. 4). Des voies de droit sont prévues aux art. 72 à 74 LARA. C'est ainsi que les décisions rendues par le directeur ou par un cadre supérieur de l'établissement en application de la loi peuvent faire l'objet d'une opposition auprès du directeur de l'établissement. Le directeur statue à bref délai sur l'opposition (art. 72 al. 1 et 3 LARA). Ces décisions peuvent faire l'objet d'un recours au Département (art. 73 LARA). La voie du recours de droit administratif au tribunal cantonal est ouverte contre les décisions et décisions sur recours rendues par les autorités administratives, lorsque la loi ne prévoit aucune autre autorité pour en connaître (art. 92 al. 1 de la loi cantonale vaudoise du 28 octobre 2008 sur la procédure administrative
BGE 135 I 119 S. 129
[LPA/VD; RSV 173.36]). Indépendamment de cette disposition de droit cantonal, la garantie de l'accès au juge s'impose déjà par l'
art. 86 al. 2 LTF
(applicable également au recours constitutionnel subsidiaire par le renvoi de l'
art. 114 LTF
).
8.3
Dans le cas particulier, le jugement attaqué et la décision précédente ne portent que sur la question de l'aide d'urgence en son principe et sur son contenu minimal au regard de l'
art. 12 Cst.
Dans la mesure où les griefs du recourant sortent du cadre ainsi défini, ils ne sauraient être examinés dans la présente procédure, mais peuvent l'être au besoin par les voies de droit prévues par les art. 72 ss LARA. Le recours est donc irrecevable sur les points soulevés ici par le recourant.
9.
Il résulte de ce qui précède que le recours, dans la mesure où il est recevable, doit être rejeté. Le recourant a été dispensé de verser une avance de frais et il n'y a pas lieu de mettre des frais de justice à sa charge. | public_law | nan | fr | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3fd3125b-3971-4e6c-8532-763b0dbfe80c | Urteilskopf
125 III 223
37. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 1er avril 1999 dans la cause G. contre W. (recours en réforme) | Regeste
Haftungskonkurrenz zwischen Architekt und Ingenieur; Hilfsperson des Bauherrn.
Im Falle von Haftungskonkurrenz zwischen einem Architekten und einem Ingenieur kann der Erstere gegenüber dem Zweiten nur dann als Hilfs- person des Bauherrn gelten, wenn ihm Befugnisse des Bauherrn aus dessen Verhältnis zum Ingenieur übertragen worden sind, beispielsweise die Funktion, Weisungen und Auskünfte zu erteilen (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 223
BGE 125 III 223 S. 223
W. a confié les travaux d'architecte relatifs à l'immeuble qu'il faisait construire à B., ainsi qu'au bureau technique I., et les travaux d'ingénieur à la société G. Cette dernière a été chargée d'étudier le problème des fondations de l'immeuble projeté.
La construction des sous-sols s'est achevée le 5 mars 1987. Lorsque l'étanchéité des murs et du sol a été testée, de nombreuses venues d'eau se sont manifestées.
BGE 125 III 223 S. 224
Les problèmes d'étanchéité ont nécessité des travaux de correction, des mesures d'assainissement et un réaménagement partiel de l'utilisation du deuxième sous-sol. Finalement, la perte totale subie par W. en raison de ces défauts a été fixée à 990'662 fr.
W. a intenté une action en paiement à l'encontre de G. Le Tribunal cantonal valaisan a notamment condamné G. à payer à W. une partie du dommage, imputant à ce dernier la faute de l'architecte. G. recourt en réforme au Tribunal fédéral. W. forme un recours joint.
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
Dans son recours joint, le demandeur invoque une violation des
art. 44, 101 et 403 CO
. Il reproche en substance à la cour cantonale de lui avoir imputé la faute de son architecte en retranchant 25% de certains postes du dommage.
a) L'
art. 403 CO
, qui institue à son alinéa 2 une solidarité entre mandataires lorsque plusieurs personnes ont accepté conjointement un mandat, exige en premier lieu que le contenu des mandats soit identique (Fellmann, Commentaire bernois,
art. 403 CO
no 18 et les références citées; Weber, Commentaire bâlois,
art. 403 CO
no 2).
En l'espèce, le demandeur a d'une part confié à B. et à I. les travaux d'architecture relatifs à la construction du bâtiment. D'autre part, il a chargé la défenderesse de s'occuper des tâches d'ingénieur, en particulier s'agissant des fondations de l'immeuble. Les deux contrats distincts qui ont été conclus parallèlement par le maître de l'ouvrage portent donc sur des aspects différents de la construction. Leur contenu n'étant pas identique, il est inutile d'examiner si les autres conditions de l'
art. 403 al. 2 CO
sont réalisées, cette disposition n'étant de toute façon pas applicable.
b) La jurisprudence considère que l'architecte qui établit des plans, se charge de l'adjudication des travaux et de leur surveillance doit être considéré, par rapport à l'entrepreneur, comme un auxiliaire du maître de l'ouvrage au sens de l'
art. 101 CO
(
ATF 119 II 127
consid. 4a;
ATF 95 II 43
consid. 4c p. 53). La faute de l'architecte peut ainsi être imputée au maître de l'ouvrage qui actionne l'entrepreneur en responsabilité (
art. 44 al. 1 CO
). En revanche, l'entrepreneur n'est pas un auxiliaire du maître de l'ouvrage dans ses rapports avec l'architecte (Schumacher, Die Haftung des Architekten aus Vertrag in Le droit de l'architecte, 3e éd. Fribourg 1995, § 5 no 690). La jurisprudence justifie de traiter l'architecte agissant dans le cadre d'un contrat global comme un auxiliaire du maître de l'ouvrage, parce qu'il apparaît comme le seul représentant qualifié de ce dernier pour
BGE 125 III 223 S. 225
les entrepreneurs; il ne fait donc aucun doute que son comportement engage le maître à l'égard de ceux-ci (
ATF 95 II 43
consid. 4c p. 53).
On peut en déduire que l'élément déterminant pour savoir si une personne a agi comme auxiliaire du maître réside davantage dans le contenu des obligations qu'elle a violées que dans sa fonction. Pour que l'on puisse imputer au maître les fautes de cette personne, il faut qu'elle ait commis un manquement dans l'exercice d'obligations appartenant au maître. Par exemple, lorsque l'architecte ou l'ingénieur a surveillé de façon insuffisante le travail de l'entrepreneur, il n'apparaît pas comme un auxiliaire du maître car, sauf accord particulier, la personne qui a commandé l'ouvrage n'est pas tenue de faire surveiller l'entrepreneur (SCHUMACHER, op.cit., § 5 no 695).
c) Dans le cas d'espèce, il n'y a pas concours de responsabilités entre un directeur des travaux et un entrepreneur, mais entre un architecte et un ingénieur, soit deux personnes assumant en principe le même genre de tâches dans des domaines différents. Il s'agit donc d'examiner, en fonction des principes qui viennent d'être posés, si l'architecte ou l'ingénieur peut également apparaître comme l'auxiliaire du maître à l'égard de l'autre.
Lorsque chacun de ces professionnels est chargé de diriger les travaux dans son propre domaine de compétence, aucun d'eux ne peut apparaître comme auxiliaire du maître par rapport à l'autre. La faute de l'un ne peut donc en principe pas être imputée au maître de l'ouvrage en application de l'
art. 44 al. 1 CO
. En revanche, si le maître confie à l'architecte des prérogatives qui lui appartiennent dans ses relations avec l'ingénieur, par exemple le soin de diriger et d'informer celui-ci, l'architecte pourra alors être considéré comme l'auxiliaire du maître dans l'accomplissement de cette tâche. Ainsi, dans ce cas de figure, si l'architecte donne de faux renseignements concernant le déroulement des travaux à l'ingénieur, la faute de celui-là pourra être imputée au maître dans le cadre d'une action en responsabilité dirigée contre l'ingénieur (cf. SCHUMACHER, op.cit., § 5 no 709). De même, si deux ingénieurs interviennent et que l'un d'eux est expressément chargé par le maître de l'ouvrage de surveiller et de contrôler le travail de l'autre ingénieur, le premier apparaîtra comme l'auxiliaire du maître à l'égard du second (URS HESS-ODONI, Rechtsfragen beim Einsatz von Prüfingenieuren, DC 1/95 p. 3).
Le jugement attaqué constate que le demandeur a fait appel à un architecte pour les travaux d'architecture et s'est adressé à la défenderesse en tant qu'ingénieur pour qu'elle se charge des aspects liés
BGE 125 III 223 S. 226
aux fondations de l'immeuble. Tant l'architecte que l'ingénieur ont effectué la surveillance des travaux dans le cadre de leur propre compétence. Mais il n'est nulle part indiqué que le demandeur aurait confié à l'architecte des prérogatives lui permettant d'intervenir dans la sphère d'activité de l'ingénieur. On se trouve donc dans l'hypothèse où ces deux spécialistes sont intervenus simultanément, mais de façon indépendante l'un vis-à-vis de l'autre. Conformément aux principes précités, l'architecte ne peut donc être considéré comme l'auxiliaire du maître par rapport à l'ingénieur.
La cour cantonale ne pouvait ainsi, sans violer le droit fédéral, imputer au maître la faute de l'architecte en application de l'
art. 44 al. 1 CO
. Le demandeur a ainsi droit à la réparation de l'entier du dommage retenu par la cour cantonale. | null | nan | fr | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3fd55312-7587-4b6d-bffe-4b4b656696f9 | Urteilskopf
102 V 158
37. Auszug aus dem Urteil vom 28. Juni 1976 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Müller und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 42 Abs. 2 lit. c AHVG
.
Keine Anwendung des
Art. 32 Abs. 3 AHVG
bei Ablösung der ausserordentlichen einfachen Altersrente der Ehefrau durch die niedrigere Ehepaar-Altersrente. | Sachverhalt
ab Seite 159
BGE 102 V 158 S. 159
Aus dem Tatbestand:
A.-
Mit Verfügung vom 27. April 1971 wurde der am 29. August 1904 geborenen, in S. GR heimatberechtigten Maria Müller, welche sich mit ihrem Ehemann während knapp 40 Jahren bis anfangs Juni 1969 in Deutschland aufgehalten hatte und der freiwilligen AHV für Auslandschweizer nicht beigetreten war, gestützt auf
Art. 42 Abs. 2 lit. c AHVG
mit Wirkung ab 1. Juni 1969 eine ausserordentliche einfache Altersrente zugesprochen, die sich 1975 auf Fr. 500.-- belief.
Am 25. Oktober 1975 vollendete ihr Ehemann, der deutsche Staatsangehörige Fritz Müller, der seit Juni 1969 regelmässig AHV-Beiträge entrichtet hatte, das 65. Altersjahr. Durch Verfügung vom 21. Oktober 1975 sprach ihm die Ausgleichskasse eine ab 1. November 1975 laufende Ehepaar-Altersrente von monatlich Fr. 218.-- zu (Rentenskala 10); massgebend für die Berechnung dieser Rente war ein durchschnittliches Jahreseinkommen von Fr. 14'400.-- aus 5 Jahren und 5 Monaten.
Demzufolge fiel die ausserordentliche Altersrente für die Ehefrau auf Ende Oktober 1975 weg.
B.-
Beschwerdeweise beantragte Fritz Müller, die Verfügung vom 21. Oktober 1975 sei aufzuheben und die seiner Ehefrau bisher ausgerichtete einfache ausserordentliche Altersrente sei als Ehepaar-Altersrente weiter zu gewähren. Er machte geltend, es sei ungerecht und stossend, dass die Versicherung im Zeitpunkt seines Eintrittes ins AHV-Rentenalter ihm und seiner Ehefrau zusammen weniger bezahle als vorher an die Ehefrau allein.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess durch Entscheid vom 5. Dezember 1975 die Beschwerde gut, hob die angefochtene Kassenverfügung auf und sprach Fritz Müller eine Altersrente in der Höhe von Fr. 500.-- monatlich zu. Das Gericht stellte fest, es liege eine Gesetzeslücke vor, die in analoger Anwendung von
Art. 32 Abs. 3 AHVG
auszufüllen sei. Dem Versicherten sei somit zu seiner Ehepaar-Altersrente ein Zuschlag bis zum Betrag der früheren ausserordentlichen Altersrente der Ehefrau zu gewähren.
BGE 102 V 158 S. 160
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt das Bundesamt für Sozialversicherung den Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Eine von keiner gesetzlichen Einkommensgrenze abhängige ausserordentliche Rente erhalten laut
Art. 42 Abs. 2 lit. c AHVG
die im Inland wohnenden verheirateten Schweizerinnen, "solange der Ehemann keine Ehepaar-Altersrente beanspruchen kann".
Diese Vergünstigung geniessen nur die Frauen, deren Ehemann das 65. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat (
Art. 21 Abs. 1 lit. a AHVG
), nach der Vollendung aber voraussichtlich eine Ehepaar-Altersrente zu beanspruchen haben wird.
Art. 42 Abs. 2 lit. c AHVG
soll in den Ausnahmefällen, da der Ehemann das für den Bezug einer Rente erforderliche Alter noch nicht erreicht hat, eine Lücke schliessen, indem der Frau vom erreichten Rentenalter an (
Art. 21 Abs. 1 lit. b AHVG
) bis zur Fälligkeit der Ehepaar-Altersrente eine von keiner Einkommensgrenze abhängige ausserordentliche einfache Altersrente zugesprochen wird (EVGE 1959 S. 256 lit. b).
Die Vorinstanz verkennt dies nicht, glaubt jedoch, dass in einem solchen Fall
Art. 32 Abs. 3 AHVG
analog anzuwenden sei. Laut dieser, anlässlich der 8. AHV-Revision mit Wirkung ab 1. Januar 1973 neu ins Gesetz aufgenommenen Bestimmung wird zur Ehepaar-Altersrente ein Zuschlag bis zum Betrag der einfachen Altersrente der Ehefrau gewährt, wenn ihre ausschliesslich auf Grund ihrer eigenen Erwerbseinkommen und Beitragsjahre berechnete einfache Altersrente höher wäre als die Ehepaar-Altersrente. Dieser Zuschlag wird allerdings nach dem klaren Wortlaut von
Art. 32 Abs. 3 AHVG
nur gewährt, wenn die Ehefrau bis zum Entstehen des Anspruchs auf die Ehepaar-Altersrente eine ordentliche einfache Altersrente beanspruchen konnte. Nach Meinung der Vorinstanz darf indessen in einem Fall wie dem vorliegenden nicht allein auf den Gesetzeswortlaut abgestellt werden: es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, einem Ehepaar eine Rente auszurichten, welche nicht einmal die Hälfte der von der Ehefrau früher allein bezogenen ausserordentlichen Rente ausmacht. Unter diesen Umständen müsse angenommen werden, bei der
BGE 102 V 158 S. 161
8. AHV-Revision habe man nur an den in
Art. 32 Abs. 3 AHVG
normierten Fall gedacht, den hier zu beurteilenden, an sich gleich gelagerten jedoch nicht beachtet. Es liege somit eine echte Gesetzeslücke vor, die in dem Sinne zu füllen sei, dass in analoger Anwendung von
Art. 32 Abs. 3 AHVG
dem versicherten Ehepaar der dort erwähnte Zuschlag bis zum Betrag der ausserordentlichen Altersrente der Ehefrau zu gewähren sei. Dieser Auffassung kann indessen - wie das Bundesamt für Sozialversicherung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht darlegt - nicht beigepflichtet werden.
2.
a) Nach der Rechtsprechung konnte der Ehemann bis zur 8. AHV-Revision auf die als Teilrente niedrigere Ehepaar-Altersrente zu Gunsten der weiteren Ausrichtung der von der Ehefrau bezogenen höheren ordentlichen einfachen Altersrente verzichten (EVGE 1962 S. 298, 1969 S. 211). Ferner bestand bis Ende 1972 laut
Art. 30bis AHVG
in Verbindung mit
Art. 54 AHVV
die Möglichkeit der ersatzweisen Anrechnung von Beitragsjahren und Erwerbseinkommen der Ehefrau bei unvollständiger Beitragsdauer des Ehemannes. Sowohl der Verzicht auf die niedrigere Ehepaar-Altersrente als auch die erwähnte Sonderregelung setzten jedoch voraus, dass die Ehefrau eine ordentliche Rente beanspruchen konnte. Die auf den 1. Januar 1973 in Kraft getretene neue Berechnungsregel für die Ehepaar-Altersrente fasste diese beiden Ordnungen in "systemkonformer Weise" zusammen (Botschaft des Bundesrates betreffend die 8. AHV-Revision vom 11. Oktober 1971, BBl 1971 II S. 1127/1128).
b) In EVGE 1964 S. 229 Erw. 2 erklärte das Eidg. Versicherungsgericht, es erscheine als zweifelhaft, ob ein Verzicht auf den Bezug der Ehepaar-Altersrente zur Weitergewährung der (höheren) ausserordentlichen Altersrente an die Ehefrau führen könne, weil das im Spiele stehende Interesse kaum in etwas anderem bestehen dürfte als in der Umgehung der Einkommensgrenzen. Immerhin liess das Gericht diese Frage offen, denn ein Verzicht auf die Realisierung des Ehepaar-Rentenanspruches vermöge auf jeden Fall nichts daran zu ändern, dass das Privileg der Ehefrau, die ausserordentliche Rente unabhängig von der Einkommensgrenze zu beziehen, mit der Erreichung des AHV-Rentenalters durch den Ehemann dahinfalle (nicht veröffentlichtes Urteil Bertschi vom 22. März 1973). Daran ist festzuhalten. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung zudem
BGE 102 V 158 S. 162
mit Recht ausführt, würde die Anwendung von
Art. 32 Abs. 3 AHVG
bei Ablösung der ausserordentlichen einfachen Altersrente der Ehefrau durch die niedrigere ordentliche Ehepaar-Altersrente die geltende Teilrentenordnung aushöhlen.
c) Aus dem Gesagten folgt, dass es - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - dem klaren Wortlaut von
Art. 32 Abs. 3 AHVG
und dem Willen des Gesetzes widersprechen würde, dem Beschwerdegegner anstelle seiner beitragsbezogenen, auf dem Versicherungsprinzip beruhenden Teilrente den Betrag der vorher von seiner Ehefrau bezogenen, beitragsunabhängigen, auf dem Versorgungsprinzip basierenden ausserordentlichen Altersrente zu garantieren.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 5. Dezember 1975 sowie die angefochtene Kassenverfügung vom 21. Oktober 1975 aufgehoben. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3fd6a1dc-05b5-453f-8705-c1ec74897d6b | Urteilskopf
107 Ib 258
47. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 1er septembre 1981, en la cause H. contre Office fédéral de la police (recours de droit administratif) | Regeste
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Art. 10 Ziff. 2 des Staatsvertrages mit den Vereinigten Staaten von Amerika.
Wer in einer Gesellschaft eine leitende Stellung hatte oder sie beherrschte, kann nicht als unbeteiligter Dritter betrachtet werden, wenn diese Gesellschaft angeblich als Mittlerin für die Ausrichtung von Schmiergeldern zu deliktischen Zwecken benützt worden ist, und das Rechtshilfegesuch diese Straftat betrifft. | Sachverhalt
ab Seite 258
BGE 107 Ib 258 S. 258
Le 6 septembre 1978, le Département de la justice des Etats-Unis d'Amérique a adressé à la Suisse une demande d'entraide judiciaire fondée sur le traité entre la Confédération suisse et les Etats-Unis d'Amérique sur l'entraide judiciaire en matière pénale du 25 mai 1973, entré en vigueur le 23 janvier 1977 (RS 0.351.933.6; ci-après: le traité). Les faits justifiant cette demande sont exposés dans
BGE 107 Ib 258 S. 259
l'arrêt du Tribunal fédéral du 28 septembre 1979, auquel il y a lieu de se référer (voir
ATF 105 Ib 420
/421).
La procédure a établi ce qui suit en ce qui concerne le rôle joué par H. dans cette affaire: la société G. assurait l'exécution du contrat entre les sociétés X. et Y. en dehors des Etats-Unis, selon les instructions des clients; recevant ses avoirs en compte de la part de la société X., elle ne servait que d'intermédiaire. Or le nom de H. figure sur certaines pièces communiquées par le Crédit Suisse au juge d'instruction genevois. Ainsi, le 10 juin 1976, l'administrateur de la société G. a écrit au Crédit Suisse, à Genève, pour lui annoncer le passage "de notre fondé de procuration spéciale", à qui tous pouvoirs étaient donnés pour disposer des avoirs et transmettre ses instructions. Le 11 juin 1976, le Crédit Suisse écrivit à la société G. en signalant que, lors de sa visite effectuée le jour même, H. avait prié la banque de solder les comptes Frs et DM et "de concentrer son avoir sur le compte $".
Dans son opposition à l'indication de son nom, H. prétend ne pas avoir de rapports avec la société A. et l'infraction reprochée; il y admet toutefois que, lors de son seul passage à la banque, il lui donna des instructions tendant à convertir en US$ les avoirs de la société G. en Frs et DM.
Par décision du 12 mai 1981, l'Office fédéral de la police a rejeté l'opposition de H. demandant que son nom ne fût point communiqué à l'autorité requérante. Se fondant sur la demande d'entraide judiciaire, l'autorité fédérale retient en bref qu'il existe de fortes présomptions que la société G. ait été utilisée comme intermédiaire pour le paiement de pots-de-vin destinés à commettre des délits aux USA. L'enquête permet également de supposer que H., sans être administrateur de la société G., en est cependant le maître effectif; on a dès lors de sérieuses raisons de penser qu'il a pu servir d'intermédiaire lors des paiements incriminés, en mettant à disposition les services de la société G. Le nom de H. est du reste connu de l'autorité requérante qui le mentionne dans une question destinée au témoin P., administrateur de la société G.
H. a formé contre cette décision un recours de droit administratif, demandant au Tribunal fédéral de constater son droit à l'anonymat à l'égard de l'autorité requérante.
L'Office fédéral de la police a conclu au rejet du recours. Il confirme les considérations émises dans la décision attaquée et se fonde, en plus, sur une lettre du Département de la justice des
BGE 107 Ib 258 S. 260
Etats-Unis du 15 mai 1981 indiquant notamment que H. contrôle ou est propriétaire de la société G.
Vu les faits nouveaux invoqués dans la réponse, le recourant a été autorisé à répliquer.
Le Tribunal fédéral a cependant rejeté le recours, en bref pour les motifs suivants.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
c) En l'occurrence, il résulte de la demande d'entraide, complétée par les indications ultérieures de l'autorité requérante, que la société G. est soupçonnée d'avoir servi d'intermédiaire entre les sociétés X. et Y., d'une part, C. et L., d'autre part, pour le paiement de pots-de-vin à ceux-ci. Or, il résulte de l'arrêt du 28 septembre 1979 que la société G., qui n'est pas un tiers apparemment sans relation avec l'infraction, ne peut s'opposer à la mesure d'entraide.
Sur la base de l'enquête faite en particulier en Suisse, l'autorité requérante affirme que H. occupait en fait - sinon en droit - une position dirigeante dans la société G. Si les présomptions d'infraction sont confirmées, avec le rôle d'intermédiaire confié à cette société, il est évidemment d'un grand intérêt pour l'autorité judiciaire pénale de savoir qui a mis en oeuvre les services de la société G. et quels sont les liens de cette (ces) personne(s) avec les sociétés X. et Y., soupçonnées d'être à l'origine de l'atteinte au patrimoine de la société A. Par ailleurs, s'il est admis que la société G., en tant que personne morale, est un tiers impliqué, il en est donc de même de la personne physique qui en est le maître et en a disposé.
Le fait que le recourant ne soit pas désigné dans la demande d'entraide ne lui conférerait pas à lui seul la qualité de tiers n'ayant apparemment pas de relations avec l'infraction. Il est en effet évident que l'autorité requérante ne connaît pas nécessairement tous les tenants et aboutissants d'un comportement délictueux; son ignorance ne saurait avoir pour conséquence de la priver de la connaissance d'un élément important pour l'enquête (cf. SCHMID/FREI/WYSS/SCHOUWEY, Rapport à la Société suisse des juristes 1981 p. 330; DE CAPITANI, idem p. 460).
Du reste, la demande a été complétée notamment par la lettre du 15 mai 1981 dont il résulte que H. est aussi impliqué dans la commission des infractions faisant l'objet de l'enquête aux Etats-Unis. Le fait que l'intervention avérée de H. auprès du Crédit Suisse remonte à plusieurs mois avant les transferts litigieux de fonds ne supprime pas l'apparence de liens entre lui-même et l'infraction. Il résulte en
BGE 107 Ib 258 S. 261
effet de cette intervention qu'en juin 1976, H. paraissait disposer de la société G.; or on pouvait supposer que cette présomption subsistait tant que n'apparaissaient point des éléments propres à établir que ce rapport de domination avait pris fin. Le recourant lui-même n'a rien affirmé ni même tenté de prouver dans ce sens. Il y avait donc - même indépendamment des affirmations de l'autorité requérante - de sérieuses raisons de penser qu'à fin 1976 et début 1977, H. occupait encore une position dirigeante au sein de la société G.
Au vu des pièces du dossier de l'entraide judiciaire, l'Office fédéral de la police n'a nullement abusé de son pouvoir d'appréciation en ne s'écartant pas des allégations de l'autorité requérante. Il résulte, en effet, de ce dossier que le rôle qu'aurait pu jouer H. dans l'acheminement supposé de pots-de-vin par la société G. ne saurait être considéré comme sans rapport avec l'infraction reprochée. Le recourant ne peut dès lors se prévaloir des conditions de l'art. 10 ch. 2 du traité. | public_law | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
3fde2fec-c863-4d76-9285-8305cf246826 | Urteilskopf
92 I 191
33. Arrêt du 21 septembre 1966 dans la cause Hoirie Malatesta contre Carrosserie de Sécheron SA et Commission genevoise de recours pour la limitation du droit de résiliation | Regeste
Mieterschutz. Geschäftsräume.
1. Kündigung wegen Bedarfs des Eigentümers an Geschäftsräumen. An diesen Bedarf ist kein strengerer Massstab anzulegen als an den Bedarf nach Wohnungen (Erw. 2).
2. Spekulative Verursachung des Eigenbedarfs? Eine solche liegt hier nicht vor, wo der Eigentümer seine eigenen Räume dazu benützen will, darin selber zusammen mit einem Verwandten ein ähnliches Unternehmen wie dasjenige des Mieters zu betreiben (Erw. 3).
3. Wenn der Bedarf des Eigentümers ernsthaft ist und er ihn nicht spekulativ verursacht hat, sind die in Frage stehenden Interessen des Vermieters und des Mieters nicht gegeneinander abzuwägen (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 192
BGE 92 I 191 S. 192
Résumé des faits:
A.-
L'hoirie Malatesta est propriétaire d'un immeuble à caractère industriel qui est loué depuis 30 ans environ à la "Carrosserie de Sécheron SA". L'hoirie se compose de la veuve Malatesta, d'une fille et de deux fils, Melchior et Alphonse; ce dernier a un fils, Michel, qui a passé avec succès ses examens professionnels de tôlier-carrossier en 1963.
L'hoirie a dénoncé le bail de la Carrosserie de Sécheron SA pour le 31 août 1965. Elle a l'intention de créer elle-même un atelier de carrosserie avec la collaboration de Michel Malatesta. A cet effet, les membres de l'hoirie et Michel ont constitué une société en nom collectif qui a été inscrite au registre du commerce et dont le but est "la création d'un atelier de carrosserie et le commerce d'accessoires s'y rattachant". La convention de constitution de la société prévoit qu'Alphonse, Melchior et Michel Malatesta consacreront tout leur temps à l'entreprise, à l'exclusion de toute autre activité, et géreront ensemble la société. Cette dernière a acquis un important équipement de carrosserie et s'est fait ouvrir un crédit bancaire pour couvrir les frais d'installation et les premiers frais d'exploitation.
BGE 92 I 191 S. 193
La locataire a fait opposition à la résiliation du bail. La Commission de première instance pour la limitation du droit de résiliation a déclaré le congé injustifié. Cette décision a été confirmée par la Commission cantonale de recours, qui a retenu notamment les deux arguments suivants:
a) l'hoirie Malatesta aurait en quelque sorte créé, au profit d'un proche parent, le besoin dont elle se prévaut, dans le dessein de reprendre un jour l'entreprise de l'intimée;
b) il serait choquant de chasser une entreprise importante et prospère, installée là depuis près de 30 ans, pour la voir remplacée par une autre entreprise semblable, de création toute récente, "et cela pour la seule raison plus ou moins valable qu'il a plu à l'un des propriétaires de l'immeuble de choisir pour son fils, comme par hasard, une même activité lucrative"; au surplus, la reprise par l'hoirie Malatesta des locaux occupés par la locataire risquerait, en raison de la pénurie de locaux de remplacement, de conduire celle-ci à la ruine économique.
B.-
Agissant par la voie du recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst., l'hoirie Malatesta requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision de la Commission de recours et de déclarer le congé justifié. Elle soutient que c'est uniquement sur la base de l'art. 35 lettre c de l'ordonnance du Conseil fédéral du 11 avril 1961 que l'affaire doit être jugée et non pas sur la base de la lettre f de ce même article, disposition qui, de l'avis de la Commission de recours, n'aurait pas permis de justifier le congé. La recourante fait grief à la Commission de recours d'avoir gravement violé la disposition de l'art. 35 lettre c par une décision insoutenable tant en fait qu'en droit.
C.-
La Carrosserie de Sécheron SA conclut au rejet du recours. Reprenant les arguments des Commissions de première instance et de recours, elle estime que l'hoirie recourante a créé elle-même le besoin qu'elle invoque et cela en vue de reprendre unjour l'entreprise de sa locataire. Elle affirme que l'obligation qui lui serait faite de s'en aller serait de nature à entraîner sa ruine.
La Commission de recours se réfère simplement aux considérants de la décision attaquée.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'art. 35 lettre c de l'ordonnance du Conseil fédéral du 11 avril 1961 concernant les loyers et la limitation du
BGE 92 I 191 S. 194
droit de résiliation (OCL), le congé est justifié "lorsque le propriétaire prouve avoir besoin d'un logement dans la maison pour lui-même ou pour de proches parents ou pour l'un de ses employés, pourvu qu'il n'ait pas causé lui-même le besoin par un acte de spéculation". Le canton de Genève ayant fait usage de la faculté donnée par l'art. 31 al. 3 OCL, cette disposition s'applique également aux baux à loyer de locaux commerciaux (art. 2 du Règlement genevois concernant la limitation du droit de résiliation en matière de baux, du 13 avril 1962).
2.
La Commission de recours estime que l'hoirie Malatesta n'a pas un réel besoin des locaux litigieux.
D'après la jurisprudence du Tribunal fédéral, le besoin personnel du propriétaire existe dès que celui-ci a des raisons sérieuses d'occuper les locaux et que, dans les circonstances où il se trouve, ces raisons doivent être considérées comme valables; point n'est requis qu'il y soit positivement contraint et ne puisse y renoncer sans éprouver un grave préjudice (RO 74 I 3 et 99/100).
a) En l'espèce, l'hoirie propriétaire a l'intention d'utiliser les locaux pour y faire exploiter un atelier de carrosserie par deux de ses membres et par un proche parent. Elle a constitué à cet effet une société en nom collectif qui a été inscrite au registre du commerce; elle a acquis un important matériel technique de carrosserie; elle a obtenu un crédit bancaire en vue de couvrir les frais d'installation de la carrosserie et les premiers frais d'exploitation. Cette intention n'est d'ailleurs pas contestée; au contraire, l'intimée reproche justement à la recourante de vouloir ouvrir un atelier de carrosserie afin d'accaparer par là son personnel spécialisé et sa clientèle.
On doit donc admettre que l'hoirie propriétaire veut effectivement utiliser les locaux litigieux pour ses propres besoins et ceux d'un de ses proches.
b) La Commission de recours, suivant l'autorité de première instance, conteste cependant le bien-fondé des raisons invoquées par la bailleresse pour utiliser elle-même les locaux. Elle relève que Michel Malatesta - la seule personne de la société en nom collectif qui ait acquis une formation de carrossier et qui au surplus n'a aucun droit de propriété sur l'immeuble - est trop jeune pour diriger la partie technique d'un atelier de carrosserie, et que les deux autres personnes qui y consacreront toute leur activité ont déjà une situation professionnelle ailleurs;
BGE 92 I 191 S. 195
elle estime dès lors qu'on ne peut parler sérieusement de besoin. Cette argumentation ne peut se défendre. Les autorités chargées de statuer en matière de bail ne sauraient en effet exiger, pour admettre que le besoin de locaux commerciaux ou industriels soit sérieux, des gages de succès qu'il est impossible de donner au départ. Tout au plus pourraient-elles nier le caractère sérieux du besoin si la réussite de l'activité envisagée apparaissait d'emblée comme absolument exclue. Ce qui n'est nullement le cas en l'espèce: Michel Malatesta est ouvrier carrossier; son père et son oncle ont tous deux reçu une formation supérieure dans des branches techniques qui ne sont pas sans rapport avec l'activité d'un atelier de carrosserie, et leur expérience des affaires et de la conduite du travail est de nature à assurer à l'entreprise de bonnes chances de succès.
c) Dans sa réponse, l'intimée prétend que le besoin de locaux industriels et commerciaux doit être apprécié avec plus de rigueur que le besoin de logement; elle invoque l'arrêt non publié du 9 octobre 1947, SA La Tourelle c. W. & Cie (résumé au JdT 1948 I 85). Or le Tribunal fédéral n'a jamais posé un principe aussi général; il a seulement dit qu'il n'était pas arbitraire, en cas d'agrandissement d'un commerce, de n'admettre le besoin que si l'agrandissement apparaissait nécessaire et urgent (RO 74 I 4, citant l'arrêt RO 73 I 184/5).
D'ailleurs on était alors sous le régime antérieur à l'OCL du 11 avril 1961. Cette dernière ordonnance a introduit, à côté du régime du contrôle des loyers, un régime moins sévère de surveillance des loyers, et c'est à ce dernier régime seul que sont soumis les loyers des locaux commerciaux, ainsi que le précisent l'art. 8 de l'ordonnance du Conseil fédéral concernant l'assouplissement du contrôle des loyers, du 23 février 1962, et à sa suite l'art. 2 du règlement genevois précité, du 13 avril 1962.
Il n'y a donc pas lieu d'apprécier le besoin de l'hoirie Malatesta de façon plus rigoureuse que s'il s'agissait du besoin d'un appartement.
Dès lors, la négation d'un réel besoin des locaux litigieux est arbitraire.
3.
Toutefois, le congé ne serait pas justifié si le besoin ainsi reconnu avait été causé par un acte de spéculation.
La Commission de recours estime à cet égard que "l'Hoirie Malatesta a en quelque sorte créé, au profit d'un proche parent, le besoin dont elle se prévaut actuellement, dans le dessein de
BGE 92 I 191 S. 196
reprendre un jour l'entreprise de l'intimée" et que "l'intérêt que pourrait avoir l'Hoirie Malatesta à la résiliation du bail fondée sur l'art. 35, lit. f OCF serait purement spéculatif et inspiré par une bonne foi douteuse". Bien qu'elle n'emploie le terme de "spéculatif" que dans l'application de la lettre f de l'art. 35 dont on verra plus loin qu'elle n'entre pas ici en considération, il ressort de tout le contexte que la Commission de recours considère comme acte de spéculation les mesures prises par la recourante pour motiver le besoin allégué.
a) Prise au sens large où l'entend la jurisprudence, la spéculation suppose essentiellement un élément malsain et indésirable du point de vue de l'économie publique (arrêt non publié du 30 septembre 1964 dans la cause Panorama Immobilien- und Garage AG; BIRCHMEIER, Mietnotrechtserlasse, p. 33/34).
En l'espèce, l'hoirie Malatesta a pris des dispositions, d'abord pour donner au jeune Michel une formation professionnelle solide dans une branche économique en pleine activité, ensuite pour lui assurer un avenir intéressant au sein d'une entreprise familiale qui s'exercerait dans les locaux mêmes dont l'hoirie est propriétaire. On ne peut reprocher à une famille d'agir de manière à développer à son avantage les moyens qui sont à sa disposition, ni surtout qualifier de spéculative une telle activité. Au contraire, il est parfaitement normal et raisonnable qu'un propriétaire tire le meilleur parti possible des locaux qui lui appartiennent, qu'il les utilise lui-même plutôt que de les donner en location, surtout si cette utilisation lui permet de constituer une entreprise familiale indépendante et assure à un jeune homme un avenir intéressant.
b) Faisant sienne l'argumentation de la Carrosserie de Sécheron SA, la Commission de recours voudrait voir un acte de spéculation précisément dans le fait que c'est vers la profession de carrossier que l'hoirie Malatesta a orienté le jeune Michel, soit vers l'activité qui est exercée actuellement par l'intimée dans les locaux litigieux. On ne peut la suivre sur ce point. Il serait en effet inadmissible de faire, en cette matière, une distinction selon que les locaux devraient être utilisés pour une même activité que celle qui s'y exerce déjà ou au contraire pour une activité différente, et de qualifier de spéculatifle besoin du propriétaire dans le premier cas, alors que dans tous les autres cas ce besoin devrait être considéré comme normal et propre à justifier un congé.
BGE 92 I 191 S. 197
Le Tribunal fédéral a cassé récemment (arrêt non publié du 30 septembre 1964 dans la cause Panorama Immobilien- und Garage AG c. Amag Automobil- und Motoren AG et Direction de la justice du canton de Zurich) la décision de l'autorité cantonale et refusé de voir un acte de spéculation dans l'intention du propriétaire d'occuper lui-même, pour y exploiter un garage à voitures (Einstellgarage) avec service de lavage et de graissage, des locaux utilisés par la société locataire pour son service de vente et son atelier de réparation de voitures. Il est vrai que la société locataire avait, depuis peu de temps, résilié les contrats de tous ses clients qui ne faisaient que louer une place de garage, de sorte que l'activité future du propriétaire n'était pas strictement la même que celle qu'y exerçait le locataire au moment de la résiliation. Le fait que les deux activités soient sensiblement les mêmes en l'espèce ne permet pas, pour les raisons indiquées ci-dessus, de conclure au caractère spéculatif de l'intention du propriétaire.
4.
Le besoin du propriétaire devant être reconnu comme sérieux et non causé par un acte de spéculation, les conditions de l'art. 35 lettre c OCL sont remplies et le congé doit être considéré comme justifié. Dès lors, l'autorité n'a pas à examiner les conséquences du congé pour le locataire, ni surtout à mettre en balance les intérêts respectifs du propriétaire et du locataire, comme le prévoit l'art. 34 OCL, lequel n'est d'ailleurs pas applicable en régime de surveillance des loyers. Il n'y a pas lieu non plus d'examiner si le bailleur a un "autre intérêt méritant considération" et de prendre prétexte de la lettre f de l'art. 35 OCL pour faire malgré tout la comparaison des intérêts en présence prévue par l'art. 34 pour le régime du contrôle des loyers uniquement; en le faisant, l'autorité cantonale est tombée dans l'arbitraire et sa décision doit être annulée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et annule la décision attaquée. | public_law | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
3fdec42a-802f-4f0f-b8c8-075965668d5c | Urteilskopf
109 V 75
16. Urteil vom 26. Mai 1983 i.S. Alberts gegen Schweizerische Ausgleichskasse und Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen | Regeste
Art. 29 Abs. 1, 31 Abs. 3 lit. a und Abs. 4 AHVG.
- Die Berechnung der einfachen Altersrente der geschiedenen Frau, deren geschiedener Ehemann verstorben ist, kann auch dann nach
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
erfolgen, wenn der Tod des Ehemannes erst nach der Vollendung des 62. Altersjahres der Frau eingetreten ist und diese nur aus Altersgründen keine Witwenrente hat beziehen können (Erw. 2a).
- Die über 62jährige Frau, deren Ehemann stirbt und welche die Voraussetzungen zum Bezug einer Witwenrente erfüllt, hat auch dann Anspruch auf eine gemäss
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
zu berechnende ordentliche einfache Altersrente, wenn sie persönlich nicht während mindestens eines vollen Jahres Beiträge im Sinne von
Art. 29 Abs. 1 AHVG
geleistet hat (Erw. 2b).
Art. 23 Abs. 2 AHVG
(alt
Art. 41 AHVG
). Die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten muss bei der Scheidung, die nach ausländischem Recht ausgesprochen worden ist, nicht im Scheidungsurteil oder in einer vom Scheidungsrichter genehmigten Scheidungskonvention festgesetzt sein; es genügt vielmehr, dass die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten auf einem nach dem betreffenden ausländischen Recht gültigen und vollstreckbaren Rechtstitel beruht (Änderung der Rechtsprechung; Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 109 V 75 S. 76
A.-
Die am 25. Mai 1912 geborene deutsche Staatsangehörige Herta Alberts-Geithe hatte sich am 16. März 1935 mit dem deutschen Staatsangehörigen Heinrich Alberts verheiratet. Dieser entrichtete in den Jahren 1952 bis 1973 Beiträge an die schweizerische Sozialversicherung. Am 23. Oktober 1974 wurde die Ehe durch das Landgericht Oldenburg geschieden. Über die Frage der Unterhaltspflicht spricht sich das Scheidungsurteil nicht aus, doch hatte sich Heinrich Alberts gemäss undatiertem, noch vor der Urteilsverkündung abgeschlossenem Vergleich zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages von DM 200.-- monatlich an seine Ehefrau verpflichtet. Diese Vereinbarung hat er regelmässig eingehalten. Nachdem Heinrich Alberts am 12. August 1979 verstorben war, meldete sich Herta Alberts im November 1979 zum Bezug einer Witwenrente der AHV an. Die Schweizerische Ausgleichskasse wies dieses Begehren mit Verfügung vom 10. Januar 1980 ab, da Heinrich Alberts bei der Scheidung nicht gerichtlich zur Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen an seine geschiedene Frau verpflichtet worden sei.
B.-
Beschwerdeweise liess Herta Alberts ihr Begehren um Zusprechung einer Witwenrente erneuern. Zur Begründung wurde im wesentlichen vorgebracht,
Art. 23 Abs. 2 AHVG
setze nicht das Vorliegen eines gerichtlichen Titels über die Unterhaltspflicht voraus. Nach dem bis 1977 geltenden deutschen Recht sei eine Scheidungsübereinkunft ohne gerichtliche Genehmigung üblich gewesen, und vorliegend hätte die Unterhaltsvereinbarung vom Richter gar nicht genehmigt werden können, da Heinrich Alberts auf den Beizug eines Anwalts verzichtet habe. Der damals
BGE 109 V 75 S. 77
abgeschlossene Vergleich sei einer gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention gleichzusetzen. - Die Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen wies die Beschwerde unter Hinweis auf die ständige Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts ab (Entscheid vom 4. Februar 1981).
C.-
Herta Alberts lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihr eine Witwenrente auszurichten.
Die Schweizerische Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt in seiner Stellungnahme aus, dass der Versicherten aus Altersgründen gegebenenfalls eine einfache Altersrente, nicht aber eine Witwenrente ausgerichtet werden könnte, und schliesst unter diesem Titel auf Abweisung der A.
Im zweiten Schriftenwechsel lässt Herta Alberts die Zusprechung einer einfachen Altersrente, eventualiter einer Witwenrente beantragen. Die Schweizerische Ausgleichskasse hält an ihrem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde fest.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen zum Bezug einer Witwenrente deshalb nicht mehr erfüllt, weil sie am 25. Mai 1912 geboren ist und somit das 62. Altersjahr seit langem vollendet hat. Streitig ist, ob ihr ein Rentenanspruch allenfalls in Form einer einfachen Altersrente zusteht. Dabei stellt sich vorab die Frage, ob auf den diesbezüglichen Antrag der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf, dass er erst in der Ergänzung zur A gestellt wurde und auch nicht Gegenstand der Kassenverfügung vom 10. Januar 1980 war, im vorliegenden Verfahren eingetreten werden kann.
Grundsätzlich kann der Sozialversicherungsrichter nur solche Rechtsverhältnisse überprüfen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich, d.h. in Form einer Verfügung Stellung genommen hat. Ausnahmsweise darf das verwaltungsgerichtliche Verfahren indessen aus prozessökonomischen Gründen auf eine weitere spruchreife Streitfrage ausgedehnt werden, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens
BGE 109 V 75 S. 78
in Form einer Prozesserklärung geäussert hat (
BGE 106 V 25
Erw. 3a,
BGE 104 V 180
mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall besteht zwischen dem Inhalt der angefochtenen Verfügung und dem erwähnten Antrag in der Ergänzung zur A ein enger Sachzusammenhang: Bei der Beurteilung des Anspruchs auf eine einfache Altersrente der geschiedenen Frau stellen sich Rechtsfragen, welche mit denjenigen einer Witwenrente der geschiedenen Frau sachlich eng zusammenhängen. Es ist denn auch vorwiegend eine Frage des von Amtes wegen anzuwendenden Rechts, ob die Rentenleistung unter dem Titel einer einfachen Altersrente oder einer Witwenrente zu gewähren sei (
BGE 96 V 71
). Vorliegend haben die Parteien auch zur Frage des Anspruchs auf eine einfache Altersrente ausdrücklich und mit bestimmten Anträgen Stellung genommen. Der Ausdehnung des Verfahrens auf diesen ausserhalb der Kassenverfügung liegenden Streitpunkt steht daher nichts entgegen.
2.
Es ist unbestritten und steht nach den Akten fest, dass der Beschwerdeführerin bis zum Tode ihres geschiedenen Ehemannes am 12. August 1979 weder eine ordentliche noch eine ausserordentliche Rente der AHV ausgerichtet werden konnte, weil sie nicht während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet hatte (
Art. 29 Abs. 1 AHVG
) und nach dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteils am 14. Februar 1975 nie in der Schweiz wohnhaft war (
Art. 42 Abs. 1 AHVG
). Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführerin nach dem Tode ihres geschiedenen Mannes gemäss
Art. 31 Abs. 4 AHVG
eine ordentliche einfache Altersrente zusteht, deren Berechnung das für die Ermittlung der Ehepaar-Altersrente massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen zugrunde zu legen wäre (
Art. 31 Abs. 3 lit. a und b AHVG
). Dabei fragt es sich zunächst, ob die Voraussetzungen von
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
erfüllt sind, wonach die geschiedene Frau "bis zur Entstehung des Anspruchs auf eine einfache Altersrente eine Witwenrente bezogen" haben muss.
a) Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist am 12. August 1979 und somit nach deren vollendetem 62. Altersjahr verstorben. Die Beschwerdeführerin hat daher unter anderem aus Altersgründen keine Witwenrente der AHV beziehen können. Das BSV hält in seiner Stellungnahme zur A dafür, dass die Voraussetzungen von
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
jedoch auch dann als erfüllt gelten könnten, wenn der Tod des geschiedenen Mannes erst nach der Vollendung des 62. Altersjahres
BGE 109 V 75 S. 79
der Frau eintritt und diese lediglich aus Altersgründen keine Witwenrente hat beanspruchen können. Dem pflichtet das Eidg. Versicherungsgericht bei. Es erscheint daher als gerechtfertigt, die "geschiedene Witwe" in dieser Hinsicht der "Witwe" gleichzustellen und die Erfordernisse von
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
auch dann als erfüllt zu betrachten, wenn der Tod des Ehemannes erst nach der Vollendung des 62. Altersjahres der Frau eingetreten ist.
b) Des weitern stellt sich die Frage, ob die Berechnung der einfachen Altersrente auch dann nach
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
erfolgen kann, wenn die Rentenansprecherin - wie im vorliegenden Fall - persönlich die einjährige Mindestbeitragsdauer gemäss
Art. 29 Abs. 1 AHVG
nicht erfüllt hat. Das ist zu bejahen. Nach den zutreffenden Ausführungen des BSV muss weder die geschiedene Frau, die bis zur Vollendung des 62. Altersjahres eine Witwenrente bezogen hat, noch die Ehefrau, die das 62. Altersjahr erfüllt hat und deren Ehemann stirbt, persönlich Beiträge an die AHV geleistet haben, um eine auf der Grundlage der Ehepaar-Altersrente berechnete einfache Altersrente beanspruchen zu können. Es besteht kein Anlass, bei einer über 62jährigen Frau, deren geschiedener Mann stirbt und welche die übrigen Voraussetzungen zum Bezug einer Witwenrente erfüllt, eine hievon abweichende Rentenberechnung vorzunehmen. Demnach könnte der Beschwerdeführerin eine gemäss
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
zu berechnende einfache Altersrente zustehen, sofern sie die für den Anspruch auf eine Witwenrente erforderlichen Voraussetzungen des
Art. 23 Abs. 2 AHVG
erfüllt. Zu prüfen ist daher, ob die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen gegeben sind.
3.
a) Gemäss
Art. 23 Abs. 2 AHVG
ist die geschiedene Frau nach dem Tode ihres geschiedenen Ehemannes der Witwe gleichgestellt, sofern der Mann ihr gegenüber zu Unterhaltsbeiträgen "verpflichtet war" und die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat. Nach
Art. 41 AHVG
(in der seit 1. Januar 1964 bis Ende 1972, d.h. bis zur 8. AHV-Revision gültig gewesenen Fassung) wurde die gemäss
Art. 23 Abs. 2 AHVG
einer geschiedenen Frau zukommende Witwenrente gekürzt, soweit sie den der Frau "gerichtlich zugesprochen gewesenen" Unterhaltsbeitrag überschritt. Dazu hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt erkannt, dass die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten im Hinblick auf den zitierten
Art. 41 AHVG
im Scheidungsurteil oder in einer vom Scheidungsrichter genehmigten Scheidungskonvention festgelegt sein müsse (EVGE 1969 S. 81, 1959 S. 195 mit Hinweisen). Dabei
BGE 109 V 75 S. 80
hat das Gericht festgestellt, dass sich diese Regelung an die schweizerische zivilrechtliche Ordnung halte, wonach der geschiedene Mann der geschiedenen Frau bloss Unterhaltsbeiträge entrichten müsse, sofern und soweit eine entsprechende Pflicht im Scheidungsurteil oder in einer vom Scheidungsrichter genehmigten - und damit Bestandteil des Urteils gewordenen - Scheidungskonvention der Parteien festgesetzt worden sei (EVGE 1969 S. 82, 1959 S. 195 mit Hinweisen).
Art. 23 Abs. 2 AHVG
wurde deshalb als Ausnahmevorschrift zugunsten jener Frauen betrachtet, die gegenüber ihrem verstorbenen, geschiedenen Ehemann einen vollstreckbaren oder doch vom Richter grundsätzlich anerkannten Anspruch auf Unterhaltsbeiträge hatten.
b) Anlässlich der 8. AHV-Revision vertrat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 11. Oktober 1971 die Auffassung, dass es nicht als wünschenswert erscheine, durch eine Teilrevision der AHV den Revisionsbestrebungen im Familienrecht vorzugreifen (BBl 1971 II 1089 und 1096 f.). Der Gesetzesentwurf beschränkte sich daher auf eine Korrektur, die sich im Rahmen des Versorgerprinzips hielt. Es sollte bei der Witwenrente der geschiedenen Frau der Mindestbetrag der ordentlichen Vollrente von der Kürzung ausgenommen werden. Der Entwurf sah dafür in Art. 41 folgende Ergänzung vor (letzter Satz): "Die Kürzung unterbleibt, soweit der Unterhaltsbeitrag den Mindestbetrag der ordentlichen Vollrente nicht übersteigt" (BBl 1971 II 1176). Im Parlament dagegen wurde auf Antrag der Kommission des Nationalrates die Bestimmung über die Kürzung der der geschiedenen Frau zukommenden Witwenrente auf die ihr zustehenden Unterhaltsbeiträge mit Wirkung ab 1. Januar 1973 diskussionslos gestrichen (Amtl. Bull. der Bundesversammlung 1972, NR S. 397, SR S 301).
c) Mit der vollständigen Aufhebung des damaligen
Art. 41 AHVG
fiel die Kürzung der Witwenrente auf den Betrag des gerichtlich zugesprochen gewesenen Unterhaltsbeitrages weg. Es erscheint deshalb heute nicht mehr als gerechtfertigt, am Erfordernis der gerichtlichen Verpflichtung zu Unterhaltsbeiträgen auch in jenen Fällen festzuhalten, in denen nach ausländischem Recht zwar nicht gerichtlich festgesetzte, aber gleichwohl vollstreckbare Ansprüche auf Unterhaltsleistungen vorliegen. Die in
Art. 23 Abs. 2 AHVG
genannte Verpflichtung des Ehemannes zu Unterhaltsbeiträgen gegenüber der geschiedenen Ehefrau muss demnach bei Scheidungen, die nach ausländischem Recht ausgesprochen worden sind, nicht mehr im Scheidungsurteil oder in einer vom
BGE 109 V 75 S. 81
Scheidungsrichter genehmigten Scheidungskonvention festgesetzt sein. Es genügt vielmehr, dass die Unterhaltspflicht des geschiedenen Ehegatten auf einem nach ausländischem Recht gültigen und vollstreckbaren Rechtstitel beruht. Dabei sind die in diesem Zusammenhang sich stellenden Fragen des ausländischen Rechts, soweit möglich, von Amtes wegen abzuklären (
BGE 108 V 124
Erw. 3a,
BGE 81 I 376
mit Hinweisen; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung I S. 550 f.). Die in
BGE 105 V 49
ohne nähere Begründung erfolgte Bestätigung der noch unter dem altrechtlichen
Art. 41 AHVG
entwickelten Rechtsprechung kann somit nicht aufrechterhalten werden.
4.
Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin, deren Ehe mehr als zehn Jahre gedauert hatte, Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag ihres geschiedenen Ehemannes, welcher gemäss undatiertem, noch vor der Verkündung des Scheidungsurteils abgeschlossenem Vergleich auf DM 200.-- monatlich festgesetzt worden war. Aufgrund der in den Akten liegenden Unterlagen sowie den Darlegungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist davon auszugehen, dass diese Vereinbarung einen nach damaligem deutschem Recht gültigen und vollstreckbaren Rechtstitel darstellt (vgl. BÜHLER/SPÜHLER, Bern. Komm. N. 40 ad
Art. 158 ZGB
). Nach dem in Erw. 3c hievor Gesagten sind damit die Voraussetzungen von
Art. 23 Abs. 2 AHVG
erfüllt. Demzufolge steht der Beschwerdeführerin ab 1. September 1979 eine gemäss
Art. 31 Abs. 3 lit. a AHVG
zu berechnende einfache Altersrente zu. Im Hinblick darauf kann unerörtert bleiben, ob auch die Anspruchsvoraussetzungen von
Art. 31 Abs. 3 lit. b AHVG
gegeben wären. Es ist Sache der Ausgleichskasse, die Berechnung der Altersrente vorzunehmen und darüber verfügungsmässig zu befinden.
5.
(Kostenpunkt.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen vom 4. Februar 1981 sowie die angefochtene Kassenverfügung vom 10. Januar 1980 aufgehoben und es wird die Sache an die Schweizerische Ausgleichskasse zurückgewiesen, damit sie über die der Beschwerdeführerin zustehende Altersrente im Sinne von Erwägung 4 neu verfüge. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3fe4d488-c7a9-4f5a-a11f-5739233db5b9 | Urteilskopf
91 I 305
48. Extrait de l'arrêt du 14 décembre 1965 dans la cause hoirie Reymondin contre Vaud, Commission centrale d'estimation fiscale des immeubles. | Regeste
Die kantonale Behörde, die den Steuerwert der Liegenschaften festzusetzen hat, handelt nicht willkürlich, wenn sie von Weisungen des Finanzdepartements insoweit abweicht, als ihr diese Weisungen im Widerspruch zu stehen scheinen zum Gesetz, das nach der Kantonsverfassung allein Grundlage der Steuern sein kann. | Erwägungen
ab Seite 305
BGE 91 I 305 S. 305
2.
Selon la recourante, la Commission centrale d'estimation fiscale des immeubles du canton de Vaud aurait fixé arbitrairement la valeur fiscale de ses immeubles en ne se conformant pas aux "Instructions pour les commissions de district" édictées par le Département des finances en 1951 et en 1960. A son avis, cette commission, simple organe de l'administration fiscale dépendant du Département des finances, est liée par ces instructions établies en vertu d'une délégation de compétence régulière. Or, les instructions complémentaires de 1960 contiennent le passage suivant dans le chapitre concernant les immeubles agricoles:
BGE 91 I 305 S. 306
"La valeur vénale est obtenue dans la règle, en majorant la valeur de rendement de 50%. Il en résulte que la valeur d'estimation correspond à la valeur de rendement majorée de 25%."
C'est en refusant d'appliquer cette règle en l'espèce que la juridiction aurait fait acte d'arbitraire.
Il n'y a pas lieu d'examiner ici si la Commission centrale est soumise au Département des finances ou non. Dans l'un et l'autre cas, elle doit appliquer le droit fiscal cantonal en observant les règles de priorité fixées par la structure du droit public.
La constitution cantonale vaudoise prévoit à son art. 19 que "la loi peut seule instituer les impôts". Tout le droit fiscal doit donc être soumis à la loi, dont le règlement doit observer le cadre pour fixer les modalités d'exécution. Les instructions du Département doivent de même se maintenir dans le cadre du règlement et de la loi. Ainsi c'est avec raison que, au cas où une disposition des instructions du Département des finances lui paraît contraire à la loi, la Commission d'estimation s'en écarte pour appliquer la règle légale. | public_law | nan | fr | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
Subsets and Splits
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