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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
b0dff644-b535-4e45-b318-25c4c832b3d6 | Urteilskopf
83 III 7
2. Entscheid vom 8 März 1957 i. S. Dinten. | Regeste
Rückzug der Betreibung.
Wird erst mit dem Eintreffen der Erklärung beim Betreibungsamt wirksam.
Der Eintritt der Wirkung wird verhindert durch einen vor der Rückzugserklärung beim Amt eintreffenden Widerruf des Gläubigers, ohne dass das Amt zu prüfen hätte, ob dem Rückzug eine Vereinbarung zwischen den Parteien zugrundelag. | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 83 III 7 S. 8
A.-
In zwei Betreibungen des F. Dinten gegen F. Uhler für zusammen Fr. 50'000.-- war kein Rechtsvorschlag erfolgt und die Pfändung auf 1. September 1956 angesetzt. Am 30. August fand zwischen Dinten und dessen eigenem Gläubiger Fellinger eine Besprechung statt, bei welcher Fellinger dem Dinten versprach, er werde die gegen diesen gerichtete Betreibung zurückziehen, wenn Dinten die beiden gegen Uhler gerichteten Betreibungen gleichzeitig ebenfalls zurückziehe. Demgemäss unterzeichnete Dinten ein Schreiben vom 30. August an das Betreibungsamt Kreuzlingen, worin er den Rückzug der Betreibungen gegen Uhler erklärte, da er sie irrtümlicherweise eingeleitet habe. Dieses Schreiben übergab Dinten dem Fellinger, der es am 31. August an das Betreibungsamt absandte, wo es gleichen Tags um 14 Uhr eintraf. Schon vor der Abmachung vom 30. August, am 29., hatte jedoch Frau Dinten dem Betreibungsamt telephonisch mitgeteilt, die zu erwartende Rückzugserklärung ihres Mannes gelte dann nicht; und mit Expressbrief vom 30. August schrieb der Anwalt Dintens in dessen Namen und Auftrag dem Betreibungsamt, Dinten "fechte den ihm von Fellinger nahegelegten Rückzug der Betreibungen gegen Uhler wegen Täuschung und Irrtums an und er habe keine Gültigkeit." Dieser Brief traf am 31. August morgens zwischen 8 und 9 Uhr beim Betreibungsamt ein, also vor der Rückzugserklärung (14 Uhr).
B.-
Gegen die darauf vollzogene Pfändung führte Uhler Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung derselben. Er machte geltend, mit der zuhanden des Betreibungsamtes schriftlich aufgesetzten und unterzeichneten Rückzugserklärung habe Dinten sich der Möglichkeit eines Widerrufes begeben. Wann diese Erklärung beim Betreibungsamt eingetroffen sei, bleibe unerheblich. Als Gegenleistung habe Fellinger seine Betreibung gegen Dinten
BGE 83 III 7 S. 9
zurückgezogen und er könne diese Erklärung auch nicht widerrufen. Das Betreibungsamt hätte daher den Widerruf gar nicht beachten und die Pfändung nicht vornehmen dürfen.
C.-
Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde als unbegründet ab. Auf Rekurs Uhlers hat die obere mit Entscheid vom 20. Februar 1957 sie geschützt und die Betreibungen gegen Uhler aufgehoben. Die Vorinstanz führt aus, zwar sei die Rückzugserklärung Dintens erst nach dem telephonischen und dem schriftlichen Widerruf beim Betreibungsamt eingetroffen. Dinten habe aber doch eine an das Betreibungsamt direkt gerichtete Rückzugserklärung abgegeben. Darin, dass diese direkt an das Betreibungsamt gesandt wurde, liege ein entscheidender Unterschied zu dem in
BGE 69 III 4
ff. beurteilten Tatbestand, bei welchem der Schuldner die ihm vom Gläubiger ausgehändigte Rückzugserklärung dem Betreibungsamt gar nie zustellte. Zudem habe dort der Schuldner seine Gegenleistung für den Rückzug nicht erfüllt, während dies hier der Fall sei, indem Uhler den Rückzug der gegen Dinten gerichteten Betreibung veranlasst habe. Nach der Aktenlage stelle sich die Frage, ob in dem Widerruf der Betreibung (recte: des Rückzugs) seitens Dintens nicht ein Verhalten wider Treu und Glauben vorliege. Unter diesen Umständen könne der später abgesandte, aber früher beim Betreibungsamt eingetroffene Widerruf nicht berücksichtigt werden und habe es bei dem zwischen den Parteien vereinbarten und dem Betreibungsamt ordnungsgemäss zugestellten Rückzug der Betreibungen zu bleiben.
D.-
Mit dem vorliegenden Rekurs beantragt Dinten Aufhebung dieses Entscheides, Abweisung der Beschwerde Uhlers und Gültigerklärung der Betreibungen gegen diesen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz erblickt einen die gegenteilige Beurteilung rechtfertigenden Unterschied des vorliegenden gegenüber
BGE 83 III 7 S. 10
dem Falle
BGE 69 III 4
ff. darin, dass hier der vom Gläubiger Dinten zufolge Vereinbarung mit dem Schuldner gegenüber dem Betreibungsamt erklärte Rückzug der Betreibungen dem Amte auch tatsächlich zugestellt worden sei. Die Auffassung jedoch, dass die Rückzugsvereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner für das Betreibungsamt massgebend sei, weil der Gläubiger damit über sein Gestaltungsrecht verfügt habe und formell daran gebunden sei, gleich wie wenn er einen Vergleich auf Prozesserledigung und Klagerückzug abgeschlossen hätte, geht fehl. Die Vereinbarung vom 30. August 1956 betrifft nur den Rückzug der Betreibungen und berührt, im Gegensatz zu einem Prozessvergleich, materiell die Forderung nicht (a.a.O. 5 unten). Der Gläubiger ist Herr der Betreibung; das ihm zustehende Gestaltungsrecht des Rückzuges derselben wird von ihm durch Erklärung gegenüber dem Betreibungsamt ausgeübt, nicht schon durch eine Abmachung mit dem Schuldner, wonach er sich verpflichtet, die Betreibung zurückzuziehen. Auch wenn eine solche, nicht unmittelbar an das Betreibungsamt gerichtete Rückzugserklärung vom Schuldner kraft Ermächtigung seitens des Gläubigers an das Betreibungsamt weitergeleitet wird, wird sie erst mit dem Eintreffen bei diesem wirksam (a.a.O. 6). So wie nach zivilrechtlichen Regeln der Eintritt der Rechtswirkung einer empfangsbedürftigen Erklärung durch einen vor oder gleichzeitig mit ihr beim Adressaten eintreffenden Widerruf verhindert wird (
Art. 9 OR
, VON TUHR/SIEGWART OR 162), ist hier durch den am 30. August (also früher und nicht, wie die Vorinstanz im Schlussabsatz sagt, später als die Rückzugserklärung) abgesandten und einige Stunden vor dieser dem Betreibungsamt zugegangenen, als "Anfechtung" bezeichneten Widerruf der Rückzug dem Betreibungsamt gegenüber entkräftet worden. Das Amt konnte, als dann am Nachmittag die Rückzugserklärung eintraf, nicht im Zweifel sein, dass diese ihm gegenüber unwirksam war. Es hatte sich nicht darum zu kümmern, ob die dem Rückzug zugrunde liegende Vereinbarung
BGE 83 III 7 S. 11
zwischen den Betreibungsparteien gültig sei oder nicht, wie im Widerrufsschreiben zur Motivierung geltend gemacht war. Es hatte nur darauf abzustellen, dass der Gläubiger bei ihm den Rückzug nicht erklärte, sondern den Vollzug der Pfändung verlangte, und es ist Sache des Schuldners, allenfalls gerichtlich nach
Art. 85 SchKG
vorzugehen (a.a.O. 7 i.f.).
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Beschwerde des Schuldners Uhler abgewiesen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0e1589f-1d8b-47eb-a5ac-7a7367d7b59b | Urteilskopf
93 II 161
23. Arrêt de la IIe Cour civile du 13 juillet 1967 dans la cause P. contre X. et consorts. | Regeste
1. Eigenhändige letztwillige Verfügung. Datum. Formmangel.
Art. 505 Abs. 1, 520 ZGB
.
Ist eine Verfügung gültig, wenn der Erblasser das Datum am Anfang und am Schluss, aber nicht im Text der Urkunde durch Überschreiben abgeändert hat? (Erw. 1).
2. Unsittliche Verfügung von Todes wegen.
Art. 519 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
.Verfügung eines ledigen Erblassers zugunsten einer verheirateten Frau, mit der er ehewidrige Beziehungen unterhielt (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 162
BGE 93 II 161 S. 162
Résumé des faits:
W., né en 1905, célibataire, est décédé à S. le 12 avril 1964. Il a laissé comme héritiers légaux cinq demi-frères et soeurs. Il avait rédigé un testament olographe en faveur de dame P., dont il avait fait la connaissance en 1963, lors du carnaval. Il avait noué des relations amoureuses avec elle.
Le testament a été daté primitivement du "17.6.1963" et, par une surcharge de la main de son auteur, du "18.6.1963". Cette date figure en tête et au pied de l'acte. Dans le corps du texte, on lit à la septième ligne au recto: "L'an 1963, le 17 juin..." Cette date n'a pas été modifiée. Au verso du testament, des adjonctions ont été apportées dans l'interligne à deux endroits différents.
Les héritiers légaux ont intenté à la bénéficiaire du testament une action en annulation fondée sur un vice de forme et sur le fait que la disposition était contraire aux moeurs. Ils ont obtenu gain de cause. Toutefois, alors que la juridiction cantonale avait admis les deux moyens, le Tribunal fédéral a confirmé le jugement en retenant seulement le second motif.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 505 al. 1 CC, le testament olographe est écrit en entier, daté et signé de la main du testateur; la date consiste dans la mention du lieu, de l'année, du mois et du jour où l'acte a été dressé. Il n'est pas contesté que le testament de W. a été entièrement écrit, daté et signé de la main de son auteur. Le vice de forme invoqué par les héritiers légaux du défunt porte uniquement sur la mention du jour où l'acte a été dressé.
a) L'indication de la date est une condition de validité du testament olographe. L'acte doit porter la date exacte à laquelle
BGE 93 II 161 S. 163
il a été dressé. Le testateur doit mentionner la date correspondant au jour où il l'a apposée (RO 44 II 354, 45 II 151, 50 II 6, 54 II 357, 57 II 153, 64 II 409, 75 II 345). Lorsque la rédaction du testament s'étend sur plusieurs jours, le disposant n'est pas obligé de dater chaque jour les différents fragments; il suffit d'indiquer la date à laquelle l'acte a été parachevé; l'essentiel est en effet que la date mentionnée couvre tout le contenu des dispositions de dernière volonté (RO 75 II 345 s., 80 II 308).
L'exactitude de la date qui figure dans le testament est présumée. Mais il demeure loisible à celui qui conteste la validité de la disposition de prouver, même au moyen d'éléments extrinsèques à l'acte (RO 50 II 7, 54 II 389), que la date indiquée est inexacte; ce vice de forme rend le testament annulable (RO 75 II 345 s. et les références citées, 80 II 308). Toutefois, lorsque l'inexactitude provient d'une inadvertance (erreur sur la date du jour où l'acte est rédigé, erreur de plume) et que la date véritable peut être rétablie sur la base du testament luimême, c'est-à-dire au moyen d'éléments intrinsèques à l'acte, la rectification est admise (RO 45 II 153, 50 II 6 s., 57 II 153, 64 II 409, 75 II 346 s.).
Un testament dont la date est incertaine (par exemple, du fait qu'il porte plusieurs dates) est assimilé à un acte non daté, et partant annulable. Cependant, comme pour la date erronée, il est loisible aux intéressés de remédier au vice de forme résultant d'une inadvertance de l'auteur, en apportant la preuve que la date exacte d'un testament portant plusieurs dates peut être déterminée par voie d'interprétation, en tout cas sur la base des indications fournies par l'acte lui-même (PLANIOL et RIPERT, Traité pratique de droit civil français, tome V, 2e éd., avec le concours de TRASBOT et LOUSSOUARN, no 538, p. 682; BAUDRY-LACANTINERIE, Précis de droit civil, tome III, 12e éd., avec le concours de GUYOT, no 1097, p. 598; cf. aussi ESCHER, n. 17 ad art. 505 CC, qui semble admettre également, en pareil cas, l'interprétation fondée sur des indices tirés d'éléments extrinsèques à l'acte).
b) En l'espèce, W. avait indiqué au début et à la fin de son testament la date du "17.6.1963". Il l'a modifiée en "18.6.1963" par une surcharge en écrivant de sa main le chiffre "8" pardessus le chiffre "7". D'autre part on lit dans le corps de l'acte, à la septième ligne au recto, la date "l'an 1963, le
BGE 93 II 161 S. 164
17 juin". La juridiction cantonale a déduit de cette contradiction que la date était incertaine. Elle a formulé plusieurs hypothèses et conclu que la date véritable ne pouvait pas être déterminée avec précision. Elle estime dès lors que le testament est affecté d'un vice de forme qui le rend annulable. Cette opinion n'est toutefois pas fondée.
A la suite des surcharges faites par le testateur lui-même, la date modifiée du "18.6.1963" est clairement lisible. Elle figure à la première ligne et à la fin de l'acte. C'est donc bien cette date que le disposant lui-même a retenue comme définitive. La présence d'une autre date non modifiée (celle du 17 juin 1963) dans le corps du texte n'engendre aucune incertitude. L'hypothèse selon laquelle le testateur se serait d'abord trompé sur la date du jour où il aurait rédigé l'acte en entier, y compris les adjonctions portées dans l'interligne au verso, puis aurait découvert son erreur et corrigé la date à la première et à la dernière ligne, mais non dans le texte, doit être exclue d'emblée comme invraisemblable. Si W. s'était rendu compte d'une erreur, il l'aurait corrigée à tous les endroits de l'acte où figurait la date. Il n'aurait pas été inattentif au point d'omettre la correction d'une date alors qu'il avait pris conscience de son inexactitude.
L'explication la plus naturelle est sans contredit que le testateur a rédigé son testament le 17 juin 1963. Puis il l'a relu et il y a porté le lendemain les adjonctions figurant au verso dans l'interligne du texte. Il a dès lors corrigé la date indiquée au début et à la fin de l'acte, afin qu'elle correspondît au jour où il l'avait parachevé. Il a simplement oublié de rectifier la date mentionnée à la septième ligne au recto dans le corps du texte. La date qui figure en tête et au pied de la disposition est bien celle du jour où le testament a reçu sa teneur définitive. Rien n'empêchait le testateur de l'indiquer par une surcharge modifiant la date primitive (TRASBOT et LOUSSOUARN, op.cit., no 535, p. 677).
Il est ainsi possible d'établir sur la base de l'acte lui-même que le testament a été parachevé le 18 juin 1963. Cela suffit pour que les règles de forme énoncées à l'art. 505 al. 1 CC soient observées. Du reste, ces règles ne doivent pas être détournées de leur but. La date à laquelle le testament a été confectionné importe notamment lorsqu'il y a contestation sur la capacité de
BGE 93 II 161 S. 165
disposer de l'auteur ou lorsqu'il faut déterminer, en présence de plusieurs dispositions pour cause de mort, laquelle est postérieure aux autres. C'est pourquoi le législateur a prescrit que cette date fût indiquée avec précision par le testateur luimême, dans sa disposition de dernière volonté. Or les deux dates mentionnées en l'espèce correspondent à deux jours consécutifs. Les parties n'ont pas allégué, ni à plus forte raison établi, que W. ait été capable de disposer à l'une seulement de ces dates. Il n'y a pas non plus de contestation sur l'antériorité de plusieurs testaments. Celui qui fait l'objet du litige porte sans équivoque la date à laquelle il a été parachevé. Il est dès lors valable en la forme.
2.
La recourante critique également le jugement déféré dans la mesure où il déclare le testament nul quant au fond. Selon l'art. 519 al. 1 ch. 3 CC, une disposition pour cause de mort peut être annulée lorsqu'elle est contraire aux moeurs, soit par elle-même, soit par les conditions dont elle est grevée. Interprétant cette norme légale, le Tribunal fédéral a précisé qu'une libéralité ne saurait être considérée comme immorale en raison seulement du mobile qui l'a inspirée. Il exige que la disposition comme telle apparaisse contraire aux moeurs, soit que le testateur ait voulu un pareil résultat, soit qu'il l'ait du moins prévu et approuvé. Ainsi, une libéralité est immorale lorsque son auteur voulait inciter le bénéficiaire à rompre son union légitime pour convoler avec lui ou à continuer des relations contraires aux devoirs découlant du mariage. Il en va de même lorsque le disposant envisageait simplement une pareille éventualité et pensait que la libéralité serait propre à en favoriser la réalisation (RO 73 II 17 s., 85 II 380 s.). Cela suppose que le bénéficiaire ait été informé des clauses essentielles de la disposition faite en sa faveur avant ou après la confection de l'acte qui le gratifie (RO 73 II 19, consid. 2, 85 II 382, consid. 3).
Sur le vu du jugement attaqué, dont les constatations de fait lient le Tribunal fédéral (art. 63 al. 2 OJ) et ne peuvent être critiquées dans un recours en réforme (art. 55 al. 1 lettre c OJ), des relations amoureuses ont été nouées entre W., qui était célibataire, et dame P., qui était mariée. Après leur rencontre au carnaval de février 1963, la recourante a écrit à W., en particulier d'Italie où elle passait des vacances au début d'août 1963,
BGE 93 II 161 S. 166
des lettres exprimant l'amour qu'elle ressentait pour lui. Le texte et le ton de ces lettres montrent sans conteste que dame P. se savait aimée de son correspondant. Appréciant souverainement les preuves, la cour cantonale a admis en fait que les deux amoureux avaient fait ensemble un voyage en automne 1963. Elle a considéré que dame P. entretenait une liaison adultère avec W. La recourante s'insurge en vain contre cette constatation. Si elle tenait pour arbitraire l'appréciation des preuves donnée par les juges valaisans, elle devait agir par la voie du recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. Du reste, même si l'adultère n'avait pas été retenu par l'autorité cantonale, les relations que dame P. entretenait avec W. étaient en tout cas manifestement contraires aux devoirs découlant du mariage.
Le jugement entrepris rejette les assertions de la recourante, selon lesquelles W. aurait été abandonné par sa parenté; il affirme au contraire que le défunt avait conservé des relations étroites et amicales avec ses demi-frères et soeurs. Ces constatations lient également la juridiction de réforme (art. 63 al. 2 OJ).
Dans son testament, W. dit qu'il attribue à la recourante les divers biens indiqués dans l'acte "en due reconnaissance pour ses bienfaits" à son égard. Le jugement déféré constate que dame P. s'est bornée, lors de son interrogatoire, à déclarer qu'elle avait une profonde amitié pour le défunt, qu'il lui avait fait des confidences, qu'elle avait été très peinée en apprenant son décès, qu'elle s'était rendue à deux reprises dans sa chambre, notamment une fois pour lui porter du thé et des remèdes contre la grippe. La Cour cantonale ne retient pas la déposition d'un témoin, selon laquelle la recourante avait souvent lavé le linge de W. et repassé ses vêtements, parce que dame P. ne l'avait même pas allégué. Il résulte de ces faits que la recourante ne saurait invoquer des soins attentifs ni un appui moral qu'elle aurait apportés à son ami et qui auraient justifié une libéralité en sa faveur (cf. RO 85 II 381).
Se fondant sur l'expérience de la vie, le tribunal cantonal a déduit des faits constatés que les libéralités du testateur envers la recourante avaient été faites en raison de leurs relations contraires au mariage. D'autre part, il a admis en fait, sur la base de l'appréciation souveraine des preuves, que W. avait tenu dame P. au courant de ses dispositions pour cause de mort
BGE 93 II 161 S. 167
et qu'il lui avait remis son testament. Il en résulte que le testateur a rédigé ses dernières volontés dans le dessein de déterminer la recourante à continuer les relations contraires au mariage qu'elle entretenait avec lui ou qu'à tout le moins, il a envisagé ce résultat et considéré que ses libéralités étaient propres à le favoriser. Le testament litigieux doit dès lors être annulé, en vertu de l'art. 519 al. 1 ch. 3 CC. | public_law | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0e59b27-afff-4c03-a321-8e25b2ba603b | Urteilskopf
109 III 27
8. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 4. Februar 1983 i.S. Schmid und Mitbeteiligte (Rekurs) | Regeste
Art. 260 SchKG
: Verzicht des Abtretungsgläubigers auf die Konkursforderung.
Das Prozessführungsrecht gemäss
Art. 260 SchKG
ist ein Nebenrecht der Konkursforderung, das im Sinne des
Art. 170 OR
dem Schicksal dieser Forderung folgt. Mit dem Untergang der Konkursforderung durch Verzicht fällt deshalb auch das Prozessführungsrecht dahin. | Sachverhalt
ab Seite 28
BGE 109 III 27 S. 28
Die Rekurrenten, Dr. René Schmid, Ristaro GmbH und Smith + Spencer Ass. Ltd. liessen sich im Konkurs der Garamond Druck AG die Prozessführungsbefugnis im Schiedsgerichtsprozess der Josef Müller AG gegen die Konkursitin abtreten. Am 7. August 1980 teilte Dr. Schmid für sich selbst und im Auftrage der beiden andern heutigen Rekurrenten dem Konkursamt mit, sie verzichteten "vorbehältlich weiterhiniger verrechnungsweiser Geltendmachung" auf ihre Forderung. Gleichzeitig ersuchte er um entsprechende Änderung des Kollokationsplans. Das Konkursamt strich daraufhin die Forderungen dieser drei Gläubiger aus dem Kollokationsplan. Später teilte es dem Obmann des Schiedsgerichts mit, dass den Rekurrenten bezüglich der ursprünglich im Kollokationsplan zugelassenen Forderungen keine Gläubigereigenschaft mehr zukomme und sie demzufolge von der Verfolgung von Rechten der Gemeinschuldnerin gestützt auf
Art. 260 SchKG
ausgeschlossen seien. Je eine Kopie dieses Schreibens ging an die Rekurrenten als Verfügung darüber, dass die am 20. Juli 1979 an sie erfolgte Abtretung des Anspruchs auf Bestreitung der beim Schiedsgericht im Prozess liegenden Forderung der Josef Müller AG gegen die Gemeinschuldnerin annulliert werde.
Die beiden kantonalen Aufsichtsbehörden wiesen die Beschwerden gegen diese Verfügungen ab. Mit Rekurs ans Bundesgericht beantragen die Rekurrenten, es sei ihnen die Prozessführungsbefugnis zu belassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 260 Abs. 1 SchKG
kann jeder Konkursgläubiger die Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse verlangen,
BGE 109 III 27 S. 29
auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet hat. Die Rechtsnatur dieser Abtretung ist in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, der Literatur und im obligatorischen Konkursformular Nr. 7 in dem Sinne umschrieben worden, dass es sich um ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis handelt, das Ähnlichkeit mit der Abtretung gemäss
Art. 164 ff. OR
und dem Auftrag gemäss
Art. 394 ff. OR
aufweist (
BGE 105 III 137
f.,
BGE 93 III 63
, 86 III 157/158,
BGE 84 III 43
,
BGE 61 III 3
,
BGE 55 III 65
,
BGE 45 III 159
, je mit Hinweisen und Literaturzitaten; FLACHSMANN, Die Abtretung der Rechtsansprüche der Konkursmasse nach
Art. 260 SchKG
, Zürcher Diss. 1927, S. 6 ff.). Danach wird der Gläubiger durch die Abtretung ermächtigt, den streitigen Rechtsanspruch anstelle der Masse in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und Gefahr geltend zu machen. Damit verbunden ist das Privileg, sich vor allen andern Konkursgläubigern aus dem allfällig erstrittenen Prozessergebnis im Umfange der eigenen Konkursforderung zu befriedigen. Das Prozessmandat erscheint demnach als Mittel zur Herbeiführung einer Vorzugsdeckung der eigenen Konkursforderung (
BGE 56 III 70
).
Das Prozessführungsrecht gemäss
Art. 260 SchKG
stellt nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre ein eigentliches Nebenrecht der Konkursforderung dar, das im Sinne des
Art. 170 OR
dem Schicksal dieser Konkursforderung folgt(
BGE 98 III 73
,
BGE 57 III 100
; JAEGER, N. 3 zu
Art. 260 SchKG
; FRITZSCHE, 2. Aufl. Bd. II, S. 172). Als Substrat muss also eine Konkursforderung vorhanden sein (
BGE 55 III 65
). Das Prozessmandat kann daher nur mit der Konkursforderung selbst zediert oder verpfändet werden. Umgekehrt fällt diese Abtretung dahin oder muss widerrufen werden, wenn der Schuldner der Konkursmasse beziehungsweise des Konkursiten zahlt, bevor der Abtretungsgläubiger Vorkehren zur Eintreibung der Forderung getroffen hat (
BGE 84 III 44
) oder der Konkurs selbst widerrufen oder eingestellt wird (
BGE 43 III 75
,
BGE 33 I 242
; JAEGER, N. 3 zu
Art. 260 SchKG
). Desgleichen entfällt die Legitimation zur weiteren Verfolgung des abgetretenen Rechtsanspruchs der Masse, wenn im Kollokationsprozess festgestellt wird, dass eine Konkursforderung gar nie bestanden habe (
BGE 55 III 65
,
BGE 43 III 76
E. c). Stets ist somit vorausgesetzt, dass der Abtretungsgläubiger Konkursgläubiger ist und es auch bleibt.
b) Die Rekurrenten sind der Auffassung, dass ihnen die rechtsgültig erteilte Prozessführungsbefugnis nicht nachträglich
BGE 109 III 27 S. 30
entzogen oder annulliert werden dürfe, weil sie mit ihrer Konkursforderung aus dem Kollokationsplan ausgeschieden oder für ihre Forderung vollständig befriedigt worden seien. Sie hätten ihre Prozessführungsbefugnis in ihrer Eigenschaft als definitiv kollozierte Konkursgläubiger erhalten. Als solche seien sie auch auf Seiten des Beklagten in den Schiedsgerichtsprozess eingetreten und hätten sich materiell damit befasst. Sie hätten ihre Forderung lediglich zu einem späteren Zeitpunkt zurückgezogen, womit sie nur ihre Eigenschaft als sogenannte Rangrücktrittsgläubiger dokumentiert hätten. Eine Annullierung einer rechtskräftig und gültig erteilten Abtretung nach
Art. 260 SchKG
nach Eintritt der Abtretungsgläubiger in den Prozess gebe es nicht. Das sei gesetzlich nicht vorgesehen und wäre auch stossend, nachdem sie das Prozessrisiko bereits auf sich genommen und am Ausgang des Konkurses und des Schiedsgerichtsprozesses ein eminentes Interesse hätten.
c) Die Rekurrenten haben unbestrittenermassen auf ihre kollozierten Forderungen gegenüber der Konkursmasse verzichtet. Diese Forderungen wurden in der Folge im Kollokationsplan gestrichen. Damit haben die Rekurrenten ihre Eigenschaft als Konkursgläubiger und das Recht darauf eingebüsst, die mit der Konkursgläubigereigenschaft verbundenen Ansprüche geltend zu machen. Da das Prozessführungsrecht im Sinne des
Art. 260 SchKG
ein Nebenrecht der Konkursforderung ist, fiel mit dem Untergang der Konkursforderung durch Verzicht auch das Nebenrecht dahin, und zwar von Rechts wegen, ohne dass es an sich einer Annullierungs- oder Widerrufungsverfügung des Konkursamtes bedurft hätte. Wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt wird, sind die gemäss
Art. 260 SchKG
abgetretenen Rechte derart an die Konkursforderung gebunden, dass sie nicht als selbständiges Recht, losgelöst von der Forderung, weiterbestehen können (JAEGER, N. 1, 3 zu
Art. 260 SchKG
; AMONN, S. 358). Die Rekurrenten übersehen zudem, dass die Abtretung der Prozessführungsbefugnis einzig der Befriedigung von Konkursforderungen dient. Dabei haben die Abtretungsgläubiger gemäss
Art. 260 Abs. 2 SchKG
zwar den Vorrang, sich bei einem allfälligen Prozessergebnis für ihre Forderungen vor den andern Gläubigern zu befriedigen, aber ein allfälliger Überschuss ist an die Masse abzuliefern. Ist keine Konkursforderung mehr vorhanden, so gibt es keinen Grund mehr, dem Abtretungsgläubiger die Weiterführung des Prozesses anstelle der Masse zu gestatten. Der
BGE 109 III 27 S. 31
"Widerruf" beziehungsweise die Feststellung des Konkursamtes, das Prozessführungsrecht sei dahingefallen, lässt sich deshalb nicht beanstanden. Daran vermag nichts zu ändern, dass die Rekurrenten das Prozessrisiko bereits auf sich genommen und ein eminentes Interesse am Ausgang des Konkurses und des Schiedsgerichtsprozesses haben. Die Rekurrenten hätten es zudem selbst in der Hand gehabt, dieses Ergebnis zu verhindern. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0ea2c6e-d033-4445-8512-a8687af9baa4 | Urteilskopf
107 V 153
32. Extrait de l'arrêt du 11 août 1981 dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre Largey et Tribunal cantonal valaisan des assurances | Regeste
Art. 41 IVG
und Ziff. 357.1 Abs. 1 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über Invalidität und Hilflosigkeit.
Wenn die Aufsichtsbehörde neue Weisungen erlässt, so können die den früheren Weisungen entsprechenden Verfügungen der neuen Praxis angepasst werden, sofern diese für die Betroffenen vorteilhafter ist.
Andernfalls steht dem Versicherten in der Regel der erworbene Anspruch zu. | Erwägungen
ab Seite 154
BGE 107 V 153 S. 154
Extrait des considérants:
2.
a) L'
art. 28 al. 3 LAI
charge le Conseil fédéral d'édicter des prescriptions complémentaires, notamment sur l'évaluation de l'invalidité des assurés sans activité lucrative. C'est ce qu'il a fait à l'
art. 27 RAI
, qui dispose:
"1) L'invalidité des assurés qui n'exerçaient pas d'activité lucrative au sens de l'art. 5, 1er al. LAI, notamment des ménagères... est évaluée en fonction de l'empêchement d'accomplir leurs travaux habituels.
2) Par travaux habituels de la ménagère, on entend son activité usuelle dans le ménage et, le cas échéant, dans l'entreprise de son mari, ainsi que l'éducation des enfants..."
Les commissions d'assurance-invalidité évaluent l'invalidité des ménagères après avoir fait procéder à une enquête par un organe spécialisé. Autrefois, l'enquêteur était appelé à répondre à des questions énumérées dans des formules qui variaient d'un canton à l'autre. Dans ses nouvelles directives concernant l'invalidité et l'impotence, valables dès le 1er janvier 1979, l'Office fédéral des assurances sociales prescrit, sous chiffres 147.7 à 147.18, des règles uniformes d'évaluation, fondées en principe sur une répartition de l'activité en sept catégories, l'incapacité totale dans l'une d'elles équivalant à un pourcentage déterminé de l'incapacité globale (ch. 147.9).
L'application de ces règles démontre chez Anita Largey une incapacité de 41,6%, tandis que la méthode pratiquée auparavant indiquait, suivant jugement du 21 mars 1973 du Tribunal cantonal des assurances et prononcé de la commission de l'assurance-invalidité du 7 août 1975, une incapacité de 50%. Les premiers juges estiment qu'une décision passée en force ne saurait être modifiée pour le seul motif que la pratique administrative a changé. Dans son recours de droit administratif, l'Office fédéral des assurances sociales exprime l'opinion contraire.
b) Aux termes de l'
art. 72 al. 1 LAVS
, applicable en matière d'assurance-invalidité en vertu de l'
art. 64 al. 1 LAI
, le Conseil fédéral peut donner aux caisses des instructions sur l'exécution des
BGE 107 V 153 S. 155
dispositions légales. Il a chargé de l'exécution de cette tâche le Département fédéral de l'intérieur, en l'autorisant à déléguer une partie de ses compétences - en particulier celle de donner des instructions - à l'Office fédéral des assurances sociales (
art. 92 al. 1 RAI
). Le département a fait usage de cette faculté.
De même que n'importe quelle ordonnance administrative, les directives de l'Office fédéral des assurances sociales sont des instructions données par l'autorité de surveillance aux organes d'application de l'assurance sur la façon dont ils doivent exercer leurs compétences. Destinées à assurer une application uniforme des prescriptions légales par l'administration, de telles instructions n'ont d'effet qu'à l'égard de cette dernière. Elles ne créent pas de nouvelles règles de droit et ne peuvent contraindre les administrés à adopter un certain comportement, actif ou passif. Non publiées au recueil officiel des lois fédérales, ces directives donnent le point de vue d'un organe de l'Etat sur l'application des règles de droit et non pas une interprétation contraignante de celles-ci. Sans se prononcer sur leur validité car, ne constituant pas des décisions, elles ne peuvent être attaquées en tant que telles, le juge en contrôle librement la constitutionnalité et la légalité, à l'occasion de l'examen d'un cas concret. Il ne s'en écarte toutefois que dans la mesure où elles établissent des normes qui ne sont pas conformes aux dispositions légales applicables (sur ces différents points, v. p.ex.
ATF 106 Ib 253
, 105 Ib 139 consid. 1, 375 consid. 16a, 105 IV 4 consid. 3b, 104 Ia 163-164, 104 Ib 337 consid. 1c, 101 V 89 consid. 3; RCC 1979 p. 118 consid. 4; JAAC 1981 No 1 p. 17 ss, 1980 No 127 ad consid. 2.5a; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, I p. 138-139; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, I p. 176-179, ch. 450-460).
3.
Les directives de l'Office fédéral des assurances sociales contiennent sous chiffre 357.1, à l'al. 1, la disposition suivante:
"Lorsque, d'après les nouvelles dispositions et les directives, les conditions du droit sont plus strictes, les prestations en cours doivent être adaptées lors d'une prochaine révision, que celle-ci ait lieu d'office ou sur requête."
L'Office fédéral des assurances sociales met cette solution en parallèle avec celle qui est adoptée pour l'application de l'
art. 36 al. 1 RAI
, qui donne, depuis le 1er janvier 1977, une définition plus stricte de l'impotence grave. Or, la modification serait appliquée à partir de 1977, non seulement aux nouveaux cas, mais encore aux
BGE 107 V 153 S. 156
anciens. Dans la mesure où il ne s'agit pas de cas remontant à une date antérieure au 1er janvier 1977 et sur lesquels il est statué à partir de ce terme (arrêt non publié Realini, du 17 mars 1978), mais de cas soumis à révision depuis le 1er janvier 1977, le Tribunal fédéral des assurances n'a pas eu l'occasion de se prononcer sur la validité de la pratique alléguée. On pourrait l'admettre, en raisonnant a contrario sur la disposition transitoire adoptée dans la novelle du 29 novembre 1976 concernant la modification de l'
art. 36 al. 1 RAI
(ROLF 1976 II 2661). En ce qui concerne les restrictions apportées à la définition de certaines infirmités congénitales par l'ordonnance du 20 octobre 1971, avec effet au 1er janvier 1972, le Tribunal fédéral des assurances a approuvé les instructions par lesquelles l'Office fédéral des assurances sociales a prescrit d'adapter à la nouvelle réglementation, dans un certain délai, toutes les prestations accordées avant que celle-ci n'entre en vigueur (
ATF 99 V 37
et 94 consid. 3). Au demeurant, il n'a pas déclaré illégales les instructions contraires données par l'Office à propos d'un durcissement de l'ordonnance concernant la remise de moyens auxiliaires (OMAI; arrêt non publié Schoen, du 14 février 1980). Toutefois, dans les trois situations précitées, on était en présence de modifications apportées par le Conseil fédéral à des ordonnances que la loi le chargeait d'édicter et qu'il importait de doter de dispositions transitoires. Tandis qu'en l'occurrence aucune ordonnance d'exécution n'a changé: les directives de l'Office fédéral des assurances sociales contiennent à la fois une modification de dispositions instaurées par la pratique et les dispositions transitoires y relatives.
En principe, un acte administratif révocable à des conditions déterminées ne peut être annulé ou modifié parce que l'autorité a simplement changé d'idée (YVO HANGARTNER, "Widerruf von Verwaltungsakten bei Meinungswandel der Behörde und bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse", ZBl 1961 p. 169-178, v. p. 174 al. 1). Cette remarque est sans doute applicable en matière de rentes de l'assurance-invalidité si l'autorité a changé d'idée sans raisons objectives sur l'opportunité d'agir comme elle l'a fait dans un cas particulier. Elle n'est pas d'emblée convaincante lorsque l'autorité instaure une nouvelle pratique, d'une portée générale. Et, quand on lit dans IMBODEN/RHINOW: "Eine Praxisänderung ist normalerweise kein Grund, eine Verfügung anzupassen", il s'agit vraisemblablement d'un changement de jurisprudence, non de l'instauration de nouvelles règles par l'autorité d'exécution
BGE 107 V 153 S. 157
(IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5e éd., I p. 274 ch. III). GRISEL, raisonnant sur le terrain de la comparaison des intérêts, déclare que la révocation des actes attributifs de droits n'est admissible que: si elle est prévue par la loi, par exemple pour le cas où les conditions de l'octroi ne seraient plus remplies; si l'autorité s'est réservé valablement la faculté de révoquer; si le bénéficiaire y consent valablement; s'il avait obtenu par dol un droit auquel il ne pouvait prétendre; si le retrait satisfait aux conditions de validité des atteintes à la propriété; en cas de danger grave et imminent, qu'il est impossible de conjurer autrement (GRISEL, Droit administratif suisse, p. 211-213; v. en outre: KNAPP, Précis de droit administratif, p. 137 et ss).
En définitive, ni la jurisprudence ni la doctrine ne semblent avoir traité la question de savoir si, lorsque l'autorité de surveillance chargée d'instaurer, au moyen d'instructions qui lient les autorités subordonnées (commission de l'assurance-invalidité et caisse de compensation), une procédure uniforme en vue de fixer les conditions (degré d'invalidité), de la naissance d'un droit (aux rentes de l'assurance-invalidité) donne des instructions nouvelles, les décisions prises conformément aux instructions antérieures peuvent ou doivent être adaptées pour l'avenir à la pratique nouvelle. Elles le peuvent en tout cas si cette pratique est favorable aux administrés. S'agissant de savoir s'il bénéficient d'un droit acquis lorsqu'elle leur est défavorable, la cour plénière, appelée à statuer sur ce point, a reconnu en principe un tel droit aux rentiers de l'assurance-invalidité, puisque la loi (
art. 41 LAI
) et la jurisprudence subordonnent la révision et la révocation de la décision de rente à des conditions précises, parmi lesquelles ne figure pas la modification de la pratique administrative. | null | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0ebd1a2-6c3c-499c-9331-1e175e31a1a7 | Urteilskopf
113 V 327
53. Urteil vom 12. November 1987 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen D. AG und Bundesamt für Sozialversicherung | Regeste
Art. 66 und 68 Abs. 1 UVG
,
Art. 88 UVV
: Unterstellung eines gemischten Betriebes.
- Zu der mit dem UVG gewandelten Funktion des Unterstellungsrechts (Erw. 2).
- Grundsatz der Einheit der Versicherung (Erw. 2c) und der Attraktion (
Art. 88 Abs. 1 UVV
; Erw. 3c) bzw. der Detraktion (
Art. 88 Abs. 2 UVV
; Erw. 3c).
- Begriff des Betriebs (Erw. 4), des ungegliederten bzw. gegliederten Betriebs (Erw. 5), des gemischten Betriebs (Erw. 6a), des Hauptbetriebs (Erw. 6b) und des Hilfs- bzw. Nebenbetriebs (Erw. 6c).
- Dezentralisierter Betriebsteil (Erw. 7b).
- Die Zuständigkeit der SUVA gemäss
Art. 66 Abs. 1 UVG
beurteilt sich im allgemeinen aufgrund der Branchenzugehörigkeit bzw. des Betriebscharakters (Erw. 5a), ausnahmsweise aufgrund des rein formalen Kriteriums des Gleisanschlusses (
Art. 78 lit. b UVV
; Erw. 8).
- In casu Qualifizierung als gemischter Betrieb. Weder die Betriebseinheit Spedition (mit dem Nebenbetrieb Transport) noch jene der Reisebüroorganisation wird der SUVA unterstellt (Erw. 10). | Sachverhalt
ab Seite 328
BGE 113 V 327 S. 328
A.-
Die Firma D. AG betreibt laut Handelsregistereintrag das Speditions- und Transportgeschäft, führt Reisebüros und betätigt sich in weiteren Bereichen des Güter- und Reiseverkehrs. Die Gesellschaft kann sich an anderen Unternehmungen beteiligen. Vom schweizerischen Hauptsitz aus werden die zahlreichen Zweigniederlassungen in der Schweiz und im Ausland geführt und die Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der D.-Gruppe betreut. Zum Bereich Schweiz Transporte gehören neben dem Hauptsitz 22 Zweigniederlassungen, und der Bereich Schweiz Reisen umfasst eine Reisebüroorganisation mit 27 Agenturen. Die übrigen Arbeitnehmer sind in den Landesgruppen Frankreich und Italien beschäftigt.
Vor dem Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 waren die Versicherungsverhältnisse zur Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) für jede Geschäftsstelle der D. AG mit separater Verfügung geregelt. Der obligatorischen Versicherung waren jeweils der Lagerhausbetrieb, die Umschlags- und Verladerarbeiten, der Camionnagedienst, Transporte und der Zolldeklarantendienst mit manueller und kaufmännischer Tätigkeit sowie die zugehörigen Büros unterstellt. Von der Unterstellung ausgenommen waren das Speditionsgeschäft mit Büros und die Reisebüroorganisation. Die bis Ende 1983 der SUVA unterstellten Betriebsteile der D. AG umfassten ca. 400 Arbeitnehmer mit einer Lohnsumme von rund 13 Millionen Franken, während die übrigen Arbeitnehmer mit einer Lohnsumme von rund 65 Millionen Franken nicht bei der SUVA versichert waren.
Mit Verfügung der Prämienabteilung der SUVA vom 29. März 1984 wurde gestützt auf die Betriebsbeschreibung vom 23. Januar 1984 die gesamte Unternehmung der D. AG rückwirkend auf den
BGE 113 V 327 S. 329
1. Januar 1984 ihrem Tätigkeitsbereich unterstellt. Die unterstellten Betriebsteile wurden wie folgt umschrieben:
Betriebsteil A: Lagerhausbetrieb, Camionnagedienst, Transporte, Zolldeklarantendienst mit manueller Tätigkeit, in der ganzen Schweiz.
Betriebsteil Z: Büros, Zolldeklarantendienst mit kaufmännischer Tätigkeit, Reisebüro, in der ganzen Schweiz.
Auf die hiegegen erhobene Einsprache hin erklärte sich die Direktion der SUVA mit Entscheid vom 13. September 1984 bereit, die Reisebüros von der Unterstellung auszunehmen und die angefochtene Verfügung entsprechend abzuändern; im übrigen wies sie die Einsprache ab.
B.-
Die Firma D. AG beschwerte sich gegen diesen Einspracheentscheid beim Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) und beantragte, dass der ganze Betrieb nicht der SUVA zu unterstellen sei. Die SUVA beantragte Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesamt hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 16. Januar 1986 gut und hob den Einspracheentscheid sowie die Unterstellungsverfügung auf.
C.-
Die SUVA erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides.
Die D. AG lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen Entscheide des BSV nach
Art. 105 Abs. 2 UVG
über die Zuständigkeit eines Versicherers kann innert 30 Tagen beim Eidg. Versicherungsgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden (
Art. 110 Abs. 1 UVG
). Da der Unterstellungsentscheid weder von einer Rekurskommission noch von einem kantonalen Gericht als Vorinstanz erlassen worden ist und es zudem nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, richtet sich die Kognition nach Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 1 OG
. Demnach kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden, und das Eidg. Versicherungsgericht ist befugt, die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung frei zu überprüfen (
BGE 100 V 12
Erw. 1 mit Hinweis).
BGE 113 V 327 S. 330
2.
a) Gemäss den bis Ende 1983 in Kraft stehenden
Art. 60 ff. KUVG
waren nur gewisse Arbeitnehmer gegen Unfall obligatorisch versichert. Das Gesetz und die Verordnung I über die Unfallversicherung enthielten einen Katalog von Unternehmenszweigen, deren Arbeitnehmer erhöhten betrieblichen Gefahren ausgesetzt waren und deshalb gegen Unfall obligatorisch bei der SUVA versichert werden mussten. Für die übrigen Arbeitnehmer bestand kein bundesrechtliches Versicherungsobligatorium. Da die Privatversicherer die obligatorische Versicherung nicht durchführen durften, entschied das Unterstellungsrecht des KUVG nicht darüber, ob ein Arbeitnehmer durch die SUVA oder durch einen Privatversicherer versichert werde. Vielmehr ging es einzig um die Frage, welche Arbeitnehmer im Interesse der sozialen Sicherheit obligatorisch versichert seien. Nach diesem System versicherte die SUVA bis Ende 1983 rund zwei Drittel der Arbeitnehmer in der Schweiz.
b) Seit dem Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 sind grundsätzlich alle in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer obligatorisch gegen Unfall versichert. Die obligatorische Unfallversicherung wird jedoch nicht mehr durch die SUVA allein, sondern auch durch andere Unfallversicherer im Sinne von
Art. 68 UVG
durchgeführt. Der Zuständigkeitsbereich der SUVA wird durch Gesetz und Verordnung (
Art. 66 UVG
,
Art. 73-89 UVV
) zwingend und abschliessend umschrieben. Die übrigen, nicht der SUVA unterstellten Betriebe müssen ihre Arbeitnehmer durch Vertrag bei den in
Art. 59 Abs. 2 UVG
genannten andern Versicherern im Sinne von
Art. 68 UVG
versichern. Das Unterstellungsrecht hat somit nach UVG eine wesentlich andere Funktion als nach KUVG, indem es nun darüber entscheidet, ob die SUVA oder ein anderer Versicherungsträger die Versicherung durchführt. Das Unterstellungsrecht nach UVG hat damit nicht mehr eine soziale, sondern eine rein wirtschaftliche Funktion.
c) Der Gesetzgeber hat die Unterstellungskriterien des KUVG trotz dieses erheblichen Funktionswandels im neuen Recht ohne grosse Änderungen übernommen. Er verfolgte damit insbesondere ein wirtschaftliches Ziel: Der Bestand der bei der SUVA versicherten Arbeitnehmer hatte ungefähr gleich zu bleiben. Hingegen sollte die Durchführung der erweiterten Versicherung an die übrigen Versicherungsträger gehen. Immerhin war keine strikte Besitzstandswahrung beabsichtigt, sondern man wollte berechtigten Begehren auf Zuteilung bestimmter Berufs- oder
BGE 113 V 327 S. 331
Betriebsgruppen zur SUVA oder von dieser zur Privatversicherung Rechnung tragen. Sodann hat sich der Gesetzgeber deutlich vom Bestreben leiten lassen, den gesamten Betrieb einheitlich zu versichern (Grundsatz der Einheit der Versicherung; vgl. im übrigen Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976, BBl 1976 III 176 f. Ziff. 351; Bericht der Expertenkommission über die Revision der Unfallversicherung vom 14. September 1973, S. 121; Amtl.Bull. 1979 N 138).
d) Obwohl der Gesetzgeber die Unterstellungskriterien weitgehend unverändert übernommen hat, können die altrechtliche Verwaltungspraxis und Rechtsprechung angesichts der veränderten Funktion der Unterstellungskriterien im neuen Recht nicht unbesehen angewendet werden. Unter dem nunmehr massgebenden Aspekt der Aufteilung des Versicherungsgeschäfts zwischen der SUVA einerseits und den Versicherern gemäss
Art. 68 UVG
anderseits kommt dem Gebot der Rechtssicherheit und der administrativen Einfachheit erhöhtes Gewicht zu. Die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung haben im Rahmen von Gesetz und Verordnung sachgerechte und klare Kriterien für die Entscheidung der Unterstellungsfrage zu erarbeiten. Diese Kriterien müssen im Rahmen von
Art. 76 UVG
(Wechsel des Versicherers) möglichst dauerhafte Unterstellungen gewährleisten und verhindern, dass normale organisatorische Umdispositionen zu einer Neuzuteilung führen.
3.
a)
Art. 66 Abs. 1 UVG
enthält eine Aufzählung von Betrieben bzw. Betriebszweigen, deren Arbeitnehmer bei der SUVA obligatorisch versichert sind. Personen, für deren Versicherung nicht die SUVA zuständig ist, werden bei andern Unfallversicherern im Sinne von
Art. 68 UVG
angeschlossen. In
Art. 66 Abs. 2 1
. Halbsatz UVG wird der Bundesrat ermächtigt, die Betriebe im Sinne von
Art. 66 Abs. 1 UVG
näher zu bezeichnen. Er hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und diese Gesetzesbestimmung in den
Art. 73 ff. UVV
konkretisiert.
b) Sodann wird der Bundesrat in
Art. 66 Abs. 2 2
. Halbsatz UVG u.a. beauftragt, namentlich den Tätigkeitsbereich der SUVA zu umschreiben für Arbeitnehmer:
a. von Hilfs- und Nebenbetrieben der unterstellten Betriebe;
b. von Betrieben, bei denen nur die Hilfs- und Nebenbetriebe unter Absatz 1 fallen;
c. von gemischten Betrieben.
BGE 113 V 327 S. 332
Der vom Bundesrat kraft dieser gesetzlichen Ermächtigung erlassene
Art. 88 UVV
mit dem Randtitel "Hilfs-, Neben- und gemischte Betriebe" lautet wie folgt:
Mit einem Betrieb nach Artikel 66 Absatz 1 des Gesetzes fallen auch
Hilfs- und Nebenbetriebe, die mit dem Hauptbetrieb in sachlichem
Zusammenhang stehen, in den Tätigkeitsbereich der SUVA. Fällt der
Hauptbetrieb nicht in den Tätigkeitsbereich der SUVA, so sind auch die
Arbeitnehmer der Hilfs- und Nebenbetriebe bei einem Versicherer nach
Artikel 68 des Gesetzes zu versichern (Abs. 1).
Als gemischter Betrieb gilt eine Mehrzahl von Betriebseinheiten
desselben Arbeitgebers, die untereinander in keinem sachlichen
Zusammenhang stehen. Von solchen Betrieben fallen diejenigen
Betriebseinheiten in den Tätigkeitsbereich der SUVA, welche die
Voraussetzungen von Artikel 66 Absatz 1 des Gesetzes erfüllen (Abs. 2).
c) Gemäss
Art. 88 Abs. 1 UVV
gilt für die in Haupt- und Neben- bzw. Hilfsbetriebe gegliederten Unternehmungen der Grundsatz der Attraktion (zum Begriff siehe SCHAETTI, Die Unterstellung der versicherungspflichtigen Unternehmen nach der schweizerischen obligatorischen Unfallgesetzgebung, Diss. Zürich 1941, S. 162). Alle Arbeitnehmer des Betriebs sollen einheitlich entweder bei der SUVA oder bei einem andern Versicherer im Sinne von
Art. 68 UVG
versichert sein. Für die Unterstellung entscheidend ist nur der Hauptbetrieb. Der Hilfs- bzw. Nebenbetrieb ist diesbezüglich nicht massgeblich, weil er dem Hauptbetrieb folgt.
Weist indessen ein Betrieb mehrere Betriebseinheiten auf, die untereinander in keinem sachlichen Zusammenhang stehen, so gilt der Grundsatz der Detraktion (vgl. auch hiezu SCHAETTI, a.a.O.). Die verschiedenen Betriebseinheiten desselben Arbeitgebers können gemäss
Art. 88 Abs. 2 UVV
verschiedenen Versicherungsträgern unterstellt sein.
4.
a) Der Begriff des Betriebs ist weder im Gesetz noch in der Verordnung näher umschrieben. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Entscheid des BSV ist unter dem Begriff "Betrieb" im Sinne des Unfallversicherungsrechts die juristische Person, die Personengesellschaft oder die Einzelfirma usw. zu verstehen, die als Arbeitgeber auftritt. So gelten z.B. eine Zweigniederlassung (Filiale) oder sonst ein Betriebsteil nie als Betrieb im Sinne von
Art. 66 UVG
und damit nicht als Unterstellungsobjekt.
b) Diese Umschreibung des Betriebsbegriffs ergibt sich insbesondere aus Gründen der Praktikabilität. Es ist durch eine Konsultation des Handelsregisters in der Regel einfach, die verschiedenen
BGE 113 V 327 S. 333
"Betriebe" festzustellen. Dies macht die nähere Abklärung von Unternehmungszusammenschlüssen und von internen Betriebsstrukturen entbehrlich. Durch die erwähnte Anknüpfung wird der "Betrieb" dem "Arbeitgeber" gleichgesetzt, was dem Wortlaut von
Art. 88 Abs. 2 UVV
entspricht und im übrigen durchaus systemgerecht ist. Grundlage des Versicherungsverhältnisses ist ein Arbeitsvertrag zu einem Arbeitgeber (vgl.
Art. 1 und 3 UVG
), welchem bei der Durchführung der Versicherung gewisse Aufgaben obliegen (vgl. z.B. Art. 69, 91 Abs. 3 und 93 Abs. 1 UVG). Damit wird der Betrieb als Unterstellungsobjekt nach der rechtlichen Ausgestaltung des Wirtschaftssubjekts (d.h. der Unternehmung) definiert. Nicht mehr festgehalten wird somit an dem unter der Herrschaft des KUVG verwendeten Begriff des Betriebs als "organisatorisch-technische(r) Einheit, in welcher Arbeitnehmer beschäftigt sind" (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 50).
5.
a) Nach dem System von Gesetz und Verordnung ist unterstellungsrechtlich entscheidend, ob eine Unternehmung als ungegliederter oder als gegliederter Betrieb qualifiziert werden muss. Für die Unterstellung des ungegliederten Betriebs sind die
Art. 66 Abs. 1 und 2 1
. Halbsatz UVG in Verbindung mit
Art. 73-87 UVV
und für jene des gegliederten Betriebs zusätzlich
Art. 66 Abs. 2 2
. Halbsatz lit. a-c UVG in Verbindung mit
Art. 88 UVV
anwendbar.
Art. 66 Abs. 1 UVG
zählt die Betriebe, die in den Zuständigkeitsbereich der SUVA fallen, im allgemeinen aufgrund der Branchenzugehörigkeit und damit nach dem Tätigkeitsbereich oder mit andern Worten nach dem Betriebscharakter auf (zur Ausnahme des rein formalen Kriteriums des Gleisanschlusses gemäss
Art. 66 Abs. 1 lit. g UVG
in Verbindung mit
Art. 78 lit. b UVV
siehe Erw. 8). Folglich muss auch die Frage nach der Gliederung der Betriebe nach dem gleichen Kriterium entschieden werden.
b) Ein ungegliederter Betrieb im unterstellungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn sich die Unternehmung im wesentlichen auf einen einzigen, zusammenhängenden Tätigkeitsbereich beschränkt. Sie weist somit einen einheitlichen oder im Sinne der Botschaft (BBl 1976 III 209) vorwiegenden Betriebscharakter (z.B. als Bauunternehmung, als Handelsbetrieb oder als Treuhandgesellschaft) auf und führt im wesentlichen nur Arbeiten aus, die in den üblichen Tätigkeitsbereich eines Betriebes dieser Art fallen.
BGE 113 V 327 S. 334
Nicht entscheidend für die Gliederung im unterstellungsrechtlichen Sinne ist indessen die organisatorische Gliederung einer Unternehmung in - zentral oder dezentral geführte - Betriebsteile (vgl. dazu Erw. 7b), wenn die verschiedenen Teile dem gleichen Betriebszweck dienen und somit zu dessen üblichem Tätigkeitsbereich gehören. Auch die Diversifikation der Produkte oder Dienstleistungen macht eine Unternehmung nicht zum gegliederten Betrieb, sofern dies innerhalb des angestammten Tätigkeitsbereichs geschieht.
c) Ein gegliederter Betrieb liegt vor, wenn eine Unternehmung sich nicht auf einen einzigen, zusammenhängenden Tätigkeitsbereich beschränkt. Dies trifft zunächst dann zu, wenn bei einer Unternehmung zwei oder mehrere, klar unterscheidbare Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit bestehen, die nicht in den gleichen Tätigkeitsbereich im oben umschriebenen Sinne fallen. Unter diesen Voraussetzungen fehlt es an der Einheitlichkeit des Betriebscharakters. Ein einheitlicher oder vorwiegender Betriebscharakter liegt aber auch dann nicht vor, wenn die Unternehmung neben dem eigentlichen Schwerpunkt ihrer Geschäftstätigkeit dauernd noch Arbeiten ausführt, die nicht zum normalen Tätigkeitsbereich eines Betriebs mit diesem Charakter (z.B. Bauunternehmung) gehören. Wesentlich ist, dass sich diese Arbeiten vom hauptsächlichen Tätigkeitsbereich der Unternehmung deutlich abheben.
Ist ein Betrieb im erwähnten Sinne gegliedert, so stellt sich die Frage, ob ein Haupt- oder ein Hilfs- bzw. Nebenbetrieb im Sinne von
Art. 88 Abs. 1 UVV
oder ein gemischter Betrieb mit mehreren Betriebseinheiten im Sinne von
Art. 88 Abs. 2 UVV
vorliegt.
6.
a) Ein gemischter Betrieb ist anzunehmen, wenn mehrere Betriebseinheiten desselben Arbeitgebers "untereinander in keinem sachlichen Zusammenhang stehen" (
Art. 88 Abs. 2 UVV
). Die französische und die italienische Fassung dieser Verordnungsbestimmung sprechen von "lien technique" und "legamo tecnico" und bringen damit besser zum Ausdruck, was mit dem Begriff des sachlichen Zusammenhangs gemeint ist. Es erscheint undenkbar, dass innerhalb ein und desselben Betriebes zwei oder mehrere Betriebseinheiten bestehen, die untereinander in überhaupt keinem sachlichen Zusammenhang stehen. Denn immerhin gehören sie der gleichen Unternehmung an, unterstehen der gleichen obersten Leitung und dienen den gleichen wirtschaftlichen Interessen. Der "sachliche Zusammenhang" ist somit im unterstellungsrechtlichen
BGE 113 V 327 S. 335
Sinne zu verstehen. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Betriebseinheiten je verschiedenen Versicherungsträgern unterstellt werden können und dass der zu definierende Begriff des gemischten Betriebes der einfachen und klaren Entscheidung der Unterstellungsfrage dient.
Für die Annahme einer Betriebseinheit gemäss
Art. 88 Abs. 2 UVV
ist daher - neben der unterstellungsrechtlichen Gliederung in verschiedene Tätigkeitsbereiche - zusätzlich vorauszusetzen, dass eine praktisch vollständige räumliche und personelle Verselbständigung der einzelnen Betriebsteile vorliegt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Betriebsteile an einem oder an verschiedenen Orten geführt werden. Die Zweigniederlassungen (Filialen) gelten demnach in der Regel nicht als Betriebseinheiten im Sinne von
Art. 88 Abs. 2 UVV
, es sei denn, sie arbeiteten ausnahmsweise nicht im gleichen Tätigkeitsbereich und hätten insofern keinen sachlichen Zusammenhang untereinander (vgl. dazu wiederum Erw. 7b hernach).
b) Qualifiziert sich eine Unternehmung als gegliederter Betrieb, jedoch nicht als gemischter Betrieb nach
Art. 88 Abs. 2 UVV
, so stehen seine Teile zueinander im Verhältnis von Haupt- und Hilfs- bzw. Nebenbetrieb (
Art. 88 Abs. 1 UVV
). Dies ergibt sich aufgrund der in Gesetz und Verordnung verwendeten Begriffe. Der Hauptbetrieb ist jener Betriebsteil, der die Produktion oder Dienstleistung erbringt, die für die Unternehmung charakteristisch ist und daher den vorwiegenden Betriebscharakter bestimmt. Dies ist im Zweifelsfall der Betriebsteil mit dem grössten Anteil des Umsatzes oder - wenn jener nicht festgestellt werden kann - an der Lohnsumme.
c) Prof. Tschudi vertritt in einem zuhanden der Direktion der SUVA erstellten Gutachten vom 6. Mai 1985 die Auffassung, dass ein Hilfs- bzw. Nebenbetrieb nur ein unbedeutendes Anhängsel eines Hauptbetriebes sein könne, das in absoluten Zahlen klein sei (d.h. nicht über 5 Arbeitnehmer) und als selbständiger Betrieb wirtschaftlich kaum existenzfähig wäre. Eine solche Begriffsumschreibung würde bedeuten, dass alle grösseren Betriebsteile eines gegliederten Betriebes als Betriebseinheiten im Sinne von
Art. 88 Abs. 2 UVV
qualifiziert werden müssten. Eine solche Auslegung ist jedoch weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn dieser Bestimmung vereinbar und würde zu einer grossen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Zersplitterung der Versicherungsträgerschaft führen.
BGE 113 V 327 S. 336
Die Unterscheidung innerhalb des Begriffspaares "Hilfs-/Nebenbetrieb" ist von untergeordneter Bedeutung, weil beide Betriebsteile unterstellungsrechtlich gleich behandelt werden. Als Hilfsbetrieb kann man einen Betriebsteil bezeichnen, der ausschliesslich der Unternehmung dient, während ein Nebenbetrieb seine Produkte oder Dienstleistungen auch Dritten anbietet.
7.
a) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bei der Unterstellungsfrage zunächst geprüft werden muss, ob überhaupt ein "Betrieb" im Sinne des Unfallversicherungsrechts vorliegt. Wird dies bejaht, so ist zwischen ungegliederten und gegliederten Betrieben zu unterscheiden. Bei einem ungegliederten Betrieb erfolgt die Unterstellung direkt aufgrund des einheitlichen oder vorwiegenden Betriebscharakters. Bei einem gegliederten Betrieb ist dagegen vorerst zu prüfen, ob die Betriebsteile zueinander im Verhältnis von Haupt- und Hilfs- bzw. Nebenbetrieb stehen oder ob eine Mehrzahl von Betriebseinheiten ohne sachlichen Zusammenhang untereinander vorliegt (gemischte Betriebe). Im erstgenannten Fall erfolgt die Bestimmung des Hauptbetriebes; dieser wird grundsätzlich - unter Vorbehalt des in Erw. 8 zum rein formalen Kriterium "Gleisanschluss" Gesagten - je nach dessen Betriebscharakter der SUVA oder den andern Versicherern nach
Art. 68 UVG
zugewiesen. Der Hilfs- bzw. Nebenbetrieb spielt bei dieser Entscheidung keine Rolle. Er wird auch dann dem Versicherungsträger des Hauptbetriebes unterstellt, wenn er als solcher anders zu unterstellen wäre (Grundsatz der Attraktion). Liegt dagegen mangels relevanter Verflechtungen ein gemischter Betrieb vor, so ist die Unterstellung für jede Betriebseinheit gesondert zu prüfen. Die Unterstellung erfolgt nach dem vorwiegenden Betriebscharakter jeder Betriebseinheit, was zu verschiedenen Unterstellungen im gleichen Betrieb führen kann (Grundsatz der Detraktion).
b) Unterstellungsrechtliche Probleme können sich bei Betrieben mit dezentralisierten Betriebsteilen ergeben, welche räumlich getrennt geführt werden wie Zweigniederlassungen (Filialen), Zweigwerke, Agenturen, Geschäftsstellen usw. Dabei ist, wie in Erw. 6a gesagt, die räumliche Gliederung (wie die damit regelmässig verbundene personelle Verselbständigung) bezüglich der Frage, ob ein Betrieb im unterstellungsrechtlichen Sinne eine Gliederung aufweist, für sich allein ohne Bedeutung. Vielmehr muss - wie bei einem zentralisierten Betrieb - geprüft werden, ob sich die
BGE 113 V 327 S. 337
Unternehmung im wesentlichen auf einen einzigen, zusammenhängenden Tätigkeitsbereich beschränkt und ob dementsprechend ein einheitlicher oder vorwiegender Betriebscharakter besteht. Ist dies zu bejahen, so liegt - trotz der räumlichen Gliederung (und personellen Verselbständigung) - ein ungegliederter Betrieb vor. Ein dezentralisierter Betriebsteil kann demgegenüber ein unterstellungsrechtlich eigenes Schicksal haben, wenn auch bei einem zentral geführten Betrieb eine Gliederung anzunehmen wäre. Ist bei räumlich gegliederten (und personell verselbständigten) Unternehmungen eine solche unterstellungsrechtliche Gliederung erkennbar, weisen die dezentralisierten Betriebsteile häufig eine identische Gliederung auf; die Frage, was Hauptbetrieb und Hilfs- bzw. Nebenbetrieb ist (
Art. 88 Abs. 1 UVV
), entscheidet sich in diesem Fall für die ganze Unternehmung einheitlich. Ob allenfalls ausnahmsweise selbständige Betriebseinheiten (
Art. 88 Abs. 2 UVV
) vorliegen, beurteilt sich nach den hiefür in Erw. 6a dargelegten Kriterien.
8.
a) Im vorliegenden Fall sind Inhalt und Tragweite von
Art. 66 Abs. 1 lit. g UVG
umstritten. Diese Bestimmung lautet wie folgt:
"Bei der SUVA sind die Arbeitnehmer folgender Betriebe ...
obligatorisch versichert:
g. Verkehrs- und Transportbetriebe sowie Betriebe mit unmittelbarem
Anschluss an das Transportgewerbe."
Gestützt auf die Delegationsnorm von
Art. 66 Abs. 2 1
. Halbsatz UVG hat der Bundesrat in
Art. 78 lit. b UVV
bestimmt:
"Als Verkehrs- und Transportbetriebe sowie Betriebe mit unmittelbarem
Anschluss an das Transportgewerbe im Sinne von Artikel 66 Absatz 1
Buchstabe g des Gesetzes gelten:
b. Betriebe, die an ein Gleis einer konzessionierten Eisenbahn oder
an einen Schiffanlegeplatz angeschlossen sind und Güter direkt oder über
Gleisewagen oder Rohrleitungen ein- und ausladen."
Damit erfolgt die Zuweisung zum Tätigkeitsbereich der SUVA nicht - wie in den meisten übrigen Bestimmungen von
Art. 66 Abs. 1 UVG
- nach dem Betriebscharakter (z.B. Baugewerbe), sondern aufgrund eines rein formalen Kriteriums (Gleisanschluss).
b) Die SUVA folgert aus dem Wortlaut der zitierten Bestimmungen, dass jeder Betrieb in ihren Tätigkeitsbereich falle, sofern irgendein Betriebsteil - also auch ein Nebenbetrieb - über einen Gleisanschluss verfüge. Diese Auslegung vermag sich scheinbar auf den Wortlaut von
Art. 66 Abs. 1 lit. g UVG
und von
Art. 78
BGE 113 V 327 S. 338
lit. b UVV
zu stützen, wird doch in den beiden Bestimmungen der Begriff "Betrieb" und nicht jener des Hauptbetriebs oder der Betriebseinheit verwendet. Indessen ist zu beachten, dass das Gesetz in
Art. 66 Abs. 1 UVG
von ungegliederten Betrieben ausgeht - so auch bei den in lit. g genannten Betrieben, welche der Bundesrat nach
Art. 66 Abs. 2 1
. Halbsatz UVG in
Art. 78 UVV
näher bezeichnete. Gemäss
Art. 66 Abs. 2 2
. Halbsatz UVG ist es ja Aufgabe des Bundesrates, die Unterstellung der gegliederten Betriebe zu regeln, was er in
Art. 88 UVV
getan hat. Danach gelten die Hilfs- bzw. Nebenbetriebe unterstellungsrechtlich als unerheblich; nach dem Grundsatz der Attraktion ist somit bei der Unterstellungsfrage nie an den Hilfs- bzw. Nebenbetrieb anzuknüpfen. Im übrigen hat der Bundesrat in
Art. 88 Abs. 1 und 2 UVV
für die gegliederten Betriebe auf die Regelung von
Art. 66 Abs. 1 UVG
zurückverwiesen. Diese Rückverweisung kann jedoch nur den Sinn haben, dass der in
Art. 66 Abs. 1 UVG
verwendete Begriff "Betrieb" für die gegliederten Betriebe sinngemäss angewendet werden muss. In diesem Zusammenhang bedeutet er Hauptbetrieb (
Art. 88 Abs. 1 UVV
) oder Betriebseinheit (
Art. 88 Abs. 2 UVV
). Die von der SUVA vertretene wörtliche Auslegung würde für die gegliederten Betriebe zu einer mit Gesetz und Verordnung unvereinbaren Lösung führen. Damit wird der Anwendungsbereich von
Art. 66 Abs. 1 lit. g UVG
für die gegliederten Betriebe klar: Besitzt der Hauptbetrieb einen Gleisanschluss, so wird er zusammen mit dem Hilfs- bzw. Nebenbetrieb dem Zuständigkeitsbereich der SUVA zugewiesen. Auch eine Betriebseinheit untersteht - unabhängig vom vorwiegenden Betriebscharakter - dem Tätigkeitsbereich der SUVA, wenn sie direkt an ein Gleis angeschlossen ist. Verfügt indessen nur der Hilfs- bzw. Nebenbetrieb über einen Anschluss, so ist dieser Umstand unterstellungsrechtlich irrelevant.
c) Die SUVA vertritt den Eventualstandpunkt, als Betrieb mit unmittelbarem Anschluss an das Transportgewerbe im Sinne von
Art. 66 Abs. 1 lit. g UVG
sollten nur Unternehmungen betrachtet werden, die "ihrer gesamten wirtschaftlichen Betätigung nach sehr eng mit dem Verkehrs- und Transportgewerbe zusammenhängen". Eine solche Interpretation ist jedoch nach dem soeben Gesagten mit dem Sinn der vom Bundesrat in
Art. 78 UVV
konkretisierten Gesetzesbestimmung nicht vereinbar.
d) Die Ausführungen zur Unterstellung von Betrieben mit Gleisanschlüssen im Sinne von Erw. 8b gelten auch für
BGE 113 V 327 S. 339
dezentralisiert geführte Unternehmungen. Dabei spielt es unterstellungsrechtlich keine Rolle, an welchem Ort bzw. in welchem Betriebsteil der oder die Gleisanschlüsse bestehen. Die Erfüllung des formalen Kriteriums (Gleisanschluss) bezüglich eines unterstellungsrechtlich relevanten Anknüpfungspunktes (ungegliederter Betrieb; gegliederter Betrieb: Hauptbetrieb oder Betriebseinheit) genügt nach der Anordnung von Gesetz und Verordnung für die Unterstellung des gesamten Betriebes bzw. der betreffenden Betriebseinheit unter die SUVA.
Insbesondere liesse es sich nicht begründen, nur jene dezentralisierten Betriebsteile der SUVA zu unterstellen, die einen Gleisanschluss besitzen. Eine solche Unterstellung wäre nur unter der Voraussetzung möglich, dass die dezentralisierten Betriebsteile als Betriebe oder - unabhängig von den übrigen Erfordernissen - als Betriebseinheiten gemäss
Art. 88 Abs. 2 UVV
qualifiziert würden. Beides widerspräche indessen dem Sinn des Gesetzes. Überdies würde dadurch auch der Grundsatz der Einheit der Versicherung ausgehöhlt.
Ferner kann die Auffassung nicht begründet werden, ein Gleisanschluss sei unbeachtlich, wenn er lediglich mit Bezug auf eine Filiale oder mehrere Filialen bestehe. Dazu wäre erforderlich, dass die Filialen - ungeachtet der weiteren Voraussetzungen - immer als Hilfs- bzw. Nebenbetriebe qualifiziert würden. Eine solche Betrachtungsweise stände im Widerspruch zum System des Gesetzes und der Verordnung, weil die Zuweisung zu den Zuständigkeitsbereichen der SUVA und der andern Versicherer im Sinne von
Art. 68 UVG
grundsätzlich nach sachlichen und lediglich im Rahmen von
Art. 88 Abs. 2 UVV
auch nach einem räumlichen Kriterium erfolgt.
9.
Prof. Tschudi in seinem Gutachten und die SUVA in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde weisen auf das Postulat der Unfallverhütung hin und halten eine Trennung des zuständigen Versicherers vom massgebenden Unfallverhütungsorgan nicht für wünschbar. Durch einen Vergleich zwischen
Art. 66 Abs. 1 UVG
und Art. 49 der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV), in welcher Bestimmung die von der SUVA zu beaufsichtigenden Betriebe aufgezählt sind, wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dargelegt, dass "in einem sehr weitgehenden Bereich die SUVA da als Durchführungsorgan in der Arbeitssicherheit zuständig ist, wo sie auch als Versicherer tätig wird".
BGE 113 V 327 S. 340
Die SUVA war unter der Herrschaft des KUVG für Betriebe zuständig, in denen erhöhte Betriebsgefahren auftraten. Da die Zuständigkeitskriterien als solche unter neuem Recht nicht wesentlich geändert wurden und sich lediglich ihre Funktion gewandelt hat (vgl. Erw. 2b und c), trifft dies im wesentlichen auch heute noch zu. Dass zwischen
Art. 66 Abs. 1 UVG
und
Art. 49 VUV
gewisse Gemeinsamkeiten bestehen, ist nicht überraschend, denn die Zuständigkeit der SUVA richtet sich auch im Bereich der Unfallverhütung (
Art. 49 VUV
) nach dem Kriterium der Betriebsgefahren. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Trennung des zuständigen Versicherers vom massgebenden Unfallverhütungsorgan nicht dem Sinn der genannten Bestimmungen entspreche. Hätte der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gewollt, dass die SUVA als Unfallversicherer für die Betriebe zuständig sei, für die sie auch das massgebliche Unfallverhütungsorgan ist, so wäre in
Art. 49 VUV
auf
Art. 66 Abs. 1 UVG
verwiesen worden. Dies wurde jedoch nicht getan, was darauf hinweist, dass ein teilweises Auseinanderfallen zumindest in Kauf genommen wurde.
10.
Die Firma D. AG widmet sich dem Speditions- und Transportgeschäft und unterhält zudem eine Reisebüroorganisation. Als juristische Person ist sie ein Betrieb im Sinne des Unfallversicherungsrechts. Da sie sich nicht auf einen einzigen, zusammenhängenden Tätigkeitsbereich beschränkt, sondern zwei klar unterscheidbare Schwerpunkte der Geschäftstätigkeit in den Bereichen Spedition/Transport einerseits und Reisebüroorganisation anderseits bestehen, fehlt es an einem einheitlichen oder vorwiegenden Betriebscharakter. Die D. AG stellt somit unterstellungsrechtlich einen gegliederten Betrieb dar. Die beiden Betriebseinheiten Spedition/Transport und Reisebüroorganisation stehen untereinander in keinem sachlichen Zusammenhang im Sinne von
Art. 88 Abs. 2 UVV
, weil die verschiedenen Tätigkeitsbereiche auch räumlich und personell praktisch vollständig getrennt sind. Es liegt daher ein gemischter Betrieb vor. Bei der Betriebseinheit Spedition/Transport bildet die Spedition (d.h. die kaufmännische Organisation von Transporten) den Hauptbetrieb, welcher auch den grössten Anteil am Umsatz erzielt, während der Transport als Nebenbetrieb zu qualifizieren ist.
Gemäss
Art. 66 Abs. 1 UVG
sind die Spedition und die Reisebüroorganisation nicht der SUVA zu unterstellen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die D. AG über mehrere Gleisanschlüsse verfügt. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat,
BGE 113 V 327 S. 341
dienen die Gleisanschlüsse nicht dem Hauptbetrieb (Spedition), sondern dem Nebenbetrieb (Transport). Gleisanschlüsse, die dem Nebenbetrieb dienen, sind aber unterstellungsrechtlich ohne Bedeutung. Der vorinstanzliche Entscheid erweist sich somit als richtig. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der SUVA ist demzufolge abzuweisen.
11.
(Kostenpunkt.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0efa532-1660-4200-951d-72b1fc64cd99 | Urteilskopf
85 II 153
26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Juli 1959 i.S. B. gegen M. | Regeste
Berufung gegen einen Zwischenentschied über die örtliche Zuständigkeit, insbesondere über die Frage, ob der Rechtsstreit der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliege (
Art. 49 OG
).
Voraussetzungen der diplomatischen Immunität.
Gerichtsstand für die Klage auf Änderung der Elternrechte mit Bezug auf ein Kind aus einer im Ausland aufgelösten Ehe eines Ausländers mit einer gebürtigen Schweizerin. Unter welchen Umständen kann eine solche Klage gegen einen Ausländer mit Wohnsitz im Ausland am schweizerischen Wohnsitz der klagenden Partei angebracht werden? Fall der Klage gegen einen iranischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Iran. | Sachverhalt
ab Seite 153
BGE 85 II 153 S. 153
A.-
Am 29. September 1950 heiratete der iranische Staatsangehörige B., geb. 1914, der damals in Lausanne Jurisprudenz studierte und sich gemäss Bescheinigung des
BGE 85 II 153 S. 154
"Bureau des étrangers de Montreux" vom 14. Oktober 1958 seit dem 21. Dezember 1949 in Montreux aufhält, vor Zivilstandsamt Montreux die damals 19jährige Schweizerin K. Nachdem die Ehegatten zwei Monate in einem Hotel in Montreux zusammen gelebt hatten, kehrte die Ehefrau zu ihren Eltern nach Bern zurück, nach ihrer Darstellung deswegen, weil der Ehemann sich krankhaft eifersüchtig zeigte, sie häufig im Hotelzimmer einschloss, in sexueller Beziehung perverse Ansinnen an sie stellte, keiner geordneten Tätigkeit nachging, das ihm von seinem Vater überwiesene Geld in Bars und Spielcasinos ausgab und ihr das nötigste Unterhaltsgeld verweigerte. Am 22. Juli 1951 gebar sie in Bern ein Mädchen. Für dieses Kind zahlte ihr der Ehemann in der Zeit vom 22. Oktober 1951 bis 13. Juni 1952 Unterhaltsbeiträge von insgesamt Fr. 640.-- (je Fr. 80.- für die Monate Oktober 1951 bis und mit Mai 1952).
B.-
Am 30. Juni 1952 leitete die Ehefrau in Bern, wo sie eine Stelle angenommen hatte, Scheidungsklage ein. Am 11. September 1952 schloss sie mit dem Ehemann eine Vereinbarung, die u.a. bestimmte:
"I.
Frau B. hat beim Zivilamtsgericht von Bern eine Ehescheidungsklage eingereicht. Die Parteien vereinbaren hiermit, dass dieser Scheidungsprozess bis zum 31. Dezember 1952 einzustellen ist. Herr B. wird unterdessen in Teheran die Auflösung der Ehe erwirken. Sollte dies bis Ende 1952 nicht geschehen sein, so kann die Klägerin den Scheidungsprozess in Bern fortsetzen oder Herrn B. eine weitere Frist zur Erwirkung der Auflösung der Ehe in Teheran einräumen.
Herr B. verpflichtet sich, dafür besorgt zu sein, dass nach erfolgter Auflösung der Ehe durch das zuständige Organ in Teheran Frau B. die nötigen Ausweisschriften erhält, aus welchen sich in rechtsgenügender Form die Auflösung der Ehe ergibt.
II.
Der Ehe der Parteien ist ein Mädchen entsprossen. .. Hinsichtlich dieses Kindes vereinbaren die Parteien auf Grund des iranischen Rechtes folgendes:
a) Herr B. behält die elterliche Gewalt über dieses Kind; es bleibt indessen bis zum vollendeten 7. Altersjahr zur Pfiege und Auferziehung bei seiner Mutter. Falls Frau B. innerhalb dieser Frist geisteskrank würde oder eine neue Ehe eingehen würde, so
BGE 85 II 153 S. 155
gehen Pflege und Auferziehung des Kindes in vollem Umfange auf Herrn B. über.
b) Für die Zeit, während welcher Frau B. die Pflege und Auferziehung des Kindes zusteht, bezahlt Herr B. für das Kind ein monatliches Aliment von Fr. 80.-. Frau B. kann die Auszahlung dieses Alimentes indessen nur verlangen, wenn Herr B. monatlich mindestens eine Summe von Fr. 600. - in die Schweiz transferieren kann; ...
c) Frau B. verzichtet darauf, ihre Tochter in der Schweiz einbürgern zu lassen.
d) Vom Zeitpunkt hinweg, da Herr B. die Pflege und Auferziehung des Kindes übernimmt, beabsichtigt er, dasselbe in einem schweizerischen Pensionat ausbilden zu lassen.
e) Hinsichtlich des gegenseitigen Besuchsrechtes werden sich die Parteien von Fall zu Fall verständigen. Ergeben sich hierüber Differenzen, so entscheidet der Präsident des Zivilamtsgerichtes als Einzelschiedsrichter.
V.
Frau B. erklärt aus eigenem Antrieb, dass sie ihren Anwalt ausdrücklich davon entbunden hat zu prüfen, ob für die vorliegende Konvention schweizerisches oder persisches Recht Anwendung finden soll, und zwar weil sie einen möglichst raschen Abschluss dieser Konvention wünscht."
Gemäss übereinstimmender Darstellung der Parteien wurde die Ehe am 24. November 1952 in Teheran nach iranischem Rechte geschieden. Gemäss einem Schreiben des Eidg. Amtes für den Zivilstandsdienst an den damaligen Anwalt der Ehefrau vom 11. März 1953 wurde die Scheidung auf Grund der von der Schweiz. Gesandtschaft in Teheran beschafften Dokumente und Auskünfte am Rande des die Parteien betreffenden Eheregistereintrags in Montreux angemerkt. Ein Scheidungsurteil liegt nicht vor. Die Ehefrau erklärt, sie habe ein solches nie zu sehen bekommen.
Am 14. Dezember 1953 verheiratete sich Frau K. gesch. B. mit dem Schweizerbürger M. Das Kind blieb bei ihren Eltern in Bern, auch nachdem sie im September 1956 mit ihrem Ehemann nach Luzern gezogen war. Im Laufe des Sommers 1958 nahm sie es zu sich.
C.-
Am 7. Juli 1958 leitete Frau M.-K. gegen ihren frühern Ehemann B. in Luzern "Urteilsabänderungsklage" ein mit den Begehren:
"1. Das Ehescheidungsurteil des Ehescheidungsgerichtshofes von Teheran ... vom 24. November 1952 sei in dem Sinne abzuändern,
BGE 85 II 153 S. 156
dass das ... Kind der Parteien der Klägerin zur Pflege und Erziehung zugewiesen und bis zur Volljährigkeit unter die elterliche Gewalt der Klägerin gestellt werde.
2. Der Beklagte habe zugunsten seines Kindes ... folgende monatlichen Unterhaltsbeiträge zu bezahlen:
a) Fr. 100.-- vom erfüllten 7. bis zum erfüllten 12. Altersjahr,
b) Fr. 150. - vom 13. bis zum erfüllten 20. Altersjahr,
je vorauszahlbar auf den Ersten eines Monats nebst Zins zu 5% je seit Verfall."
In der Klageschrift wurde ausgeführt, der Beklagte sei iranischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Teheran; er sei Student der Rechte; sein Studienaufenthalt in Territet-Montreux begründe keinen Wohnsitz; unter diesen Umständen sei für die Beurteilung der vorliegenden Klage der Richter am Wohnsitz der klagenden Partei zuständig. In materieller Beziehung machte die Klägerin geltend, der Beklagte wohne seit seiner Einreise in die Schweiz im Hotel und sei somit nicht in der Lage, seinem Kinde die notwendige Geborgenheit in einem Familienkreise zu bieten und eine konstante Erziehung zu gewährrleisten. Er führe ein ausschweifendes Leben, verbringe seine Zeit in Nachtlokalen, um am Tag im Bett zu liegen, spiele in den Casinos von Montreux und Evian um Geld und habe bis heute nicht gelernt, sich selbständig durchs Leben zu bringen, sondern lebe noch immer von den Geldüberweisungen seines Vaters. Für das Kind habe er seit dem 13. Juni 1952 überhaupt nichts mehr bezahlt. Auch sonst habe er sich fast nicht um das Kind gekümmert. Er habe die Klägerin und damit indirekt auch das Kind dauernd schikaniert, so z.B. die Ausstellung gehöriger Ausweisschriften für das Kind hintertrieben. Sogar vor einem Entführungsversuch sei er nicht zurückgeschreckt. Das Kind fürchte sich vor seinem Vater und wäre äusserst unglücklich, wenn es zu ihm "zurückkehren" müsste. Zudem widerspreche es der schweizerischen Gerichtspraxis, Kinder dieses Alters der Mutter ohne ganz triftige Gründe wegzunehmen und damit die natürliche Fürsorge der eigenen Mutter und die Konstanz der Erziehung zu verunmöglichen.
Der Beklagte erstattete eine "nichteinlässliche Rechtsantwort"
BGE 85 II 153 S. 157
mit dem Begehren, es sei zu erkennen, dass er nicht gehalten sei, einlässlich zu antworten. Er bestritt die Angaben der Klägerin über seinen Wohnsitz und den Zweck seines Aufenthalts in der Schweiz nicht, zog aber aus der Tatsache, dass er in Teheran Wohnsitz habe und dass die Ehe in Iran nach dortigem Rechte geschieden worden sei, den Schluss, die luzernischen Gerichte seien zur Beurteilung der vorliegenden Klage nicht zuständig. Zur materiellen Begründung der Klage nahm er nicht Stellung. In einer Rechtsschrift im Verfahren betr. Erlass vorsorglicher Massnahmen gab er aber immerhin zu, seit dem 13. Juni 1952 keine Unterhaltsbeiträge mehr für das Kind bezahlt zu haben. Er bemerkte dazu, dies sei "nicht grundlos erfolgt", was im "einlässlichen Hauptverfahren" (wenn es dazu komme) näher darzulegen wäre; indem die Klägerin die Einforderung der Alimente während mehr als sechs Jahren unterlassen habe, obwohl diese auf Grund der Konvention leicht hätten eingetrieben werden können, habe sie auf die Alimente verzichtet; ihre Unterlassung beweise, wie wenig sie die Interessen des Kindes wahrgenommen habe. Am 30. Oktober 1958 erkannte das Amtsgericht, er habe sich auf die Klage einzulassen.
Gegen dieses Urteil rekurrierte der Beklagte an das Obergericht des Kantons Luzern. Er legte dem Rekurs u.a. die beglaubigte Übersetzung eines vom Bâtonnier de l'ordre des avocats in Teheran am 4. September 1958 ausgestellten Zeugnisses bei, das besagt, er sei "avocat du premier rang au Palais de Justice" mit Wohnsitz in Teheran und halte sich seit einiger Zeit zu Studienzwecken in der Schweiz auf. Mit Urteil vom 26. Januar 1959 hat die II. Kammer des Obergerichts den Rekurs abgewiesen.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt der Beklagte:
"1. Die Berufung sei gutzuheissen und der Entscheid des luzernischen Obergerichtes vom 26. Januar 1959 aufzuheben.
2. Die schweizerischen Gerichte seien als unzuständig zu erklären.
3. Der Berufungskläger sei nicht gehalten, sich auf die Klage einzulassen, bzw. es sei auf die Klage nicht einzutreten."
BGE 85 II 153 S. 158
In der Berufungsschrift machte der Beklagte neu geltend, er unterstehe nicht der schweizerischen Gerichtsbarkeit, weil er "im Genusse der diplomatischen Privilegien (Extorritorialität)" sei, was vom Bundesgericht trotz dem gemäss
Art. 55 lit. c OG
bestehenden Verbot neuer Vorbringen berücksichtigt werden müsse, da der neu erhobene Einwand sich auf die Prozessvoraussetzungen beziehe. Er legte eine vom 17. Februar 1959 datierte Bescheinigung des Chefs der "Délégation permanente de l'Iran auprès de l'Office européen des Nations Unies et des institutions spécialisées" vor, die lautet:
"Je certifie que Me B., Avocat, est mon secrétaire personnel aux affaires juridiques et fait partie du personnel de la Mission diplomatique auprès des Nations-Unies à Genève."
Ausserdem berief er sich auf ein Schreiben der Abteilung für Internationale Organisation des Eidg. Politischen Departements an Advokat G. in Genf vom 5. Februar 1959, worin - ohne Bezugnahme auf seinen Fall - gesagt wird:
"... Par décision du 31 mars 1948, le Conseil fédéral a déterminé le statut juridique des délégations permanentes et de leur personnel en l'assimilant mutatis mutandis à celui des missions diplomatiques et de leur personnel à Berne. Le personnel des missions diplomatiques accréditées en Suisse jouit de l'immunité de jurisdiction."
Die Klägerin beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten; eventuell sei sie abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
E.-
Auf eine Erkundigung des Instruktionsrichters hin hat das Eidg. Politische Departement dem Bundesgericht am 5. Juni 1959 mitgeteilt, der Beklagte sei von der ständigen Delegation von Iran beim europäischen Sitz der Vereinigten Nationen bis heute nicht akkreditiert worden. Sein Name erscheine auch nicht in dem von dieser Organisation monatlich herausgegebenen Verzeichnis des Personals der ständigen Delegationen der Mitgliedstaaten. Ebensowenig habe die Abteilung für Internationale Organisationen des Politischen Departements von der iranischen Botschaft in Bern Mitteilung über seine Ernennung
BGE 85 II 153 S. 159
erhalten. Die Gewährung diplomatischer Vorrechte sei mit der Erfüllung gewisser Formalitäten verbunden. Für das diplomatische Personal in Bern bestünden diese in der offiziellen Anmeldung beim Protokoll des Politischen Departements durch die zuständige ausländische Vertretung und in der ausdrücklichen Anerkennung des neuen Beamten durch die erstgenannte Amtsstelle. Durch Bundesratsbeschluss vom 31. März 1948 seien den Mitgliedern der ständigen Delegation in Genf, ihrem Rang entsprechend, die gleichen Privilegien eingeräumt worden, wie sie dem Personal der diplomatischen Vertretungen in Bern gewährt werden. Bei der Anmeldung eines neuen Beamten seien daher die gleichen Regeln anzuwenden. Punkt 4 des erwähnten Bundesratsbeschlusses bestimme:
"La création d'une délégation permanente, les arrivées et les départs des membres des délégations permanentes sont annoncées au département politique par la mission diplomatique à Berne de l'Etat intéressé. Le département politique délivre aux membres des délégations une carte de légitimation attestant les privilèges et immunités dont ils bénéficient en Suisse."
Da mit Bezug auf den Beklagten die elementare Voraussetzung der Anmeldung nicht erfüllt worden sei, könne er auf die Befreiung von der Gerichtsbarkeit keinen Anspruch erheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene Entscheid ist ein in einer nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreitigkeit ergangener Zwischenentscheid des obern kantonalen Gerichts über die Zuständigkeit. Mit der Berufung, die sich auf
Art. 49 OG
stützt, wird geltend gemacht, dieser Entscheid verletze bundesrechtliche Vorschriften (bzw. in solchen zwar nicht ausdrücklich ausgesprochene, aber im Sinne von
Art. 43 Abs. 2 OG
daraus sich ergebende Rechtssätze) über die örtliche Zuständigkeit. Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit im Sinne von
Art. 49 OG
gehört auch die Frage, ob der vorliegende Rechtsstreit überhaupt der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterliege (Frage der "internationalen
BGE 85 II 153 S. 160
Zuständigkeit"). Auf die Berufung ist daher einzutreten. Die Ansicht der Klägerin, dass der angefochtene Zwischenentscheid nur beim Zutreffen der Voraussetzungen von
Art. 50 OG
gesondert an das Bundesgericht weitergezogen werden könnte, geht fehl.
2.
In Übereinstimmung mit dem Eidg. Politischen Departement ist anzunehmen, dass einer Person, die als Mitglied einer diplomatischen Mission in der Schweiz bezeichnet worden ist, die diplomatischen Vorrechte nur zugebilligt werden können, wenn der Sendestaat die Ernennung der zuständigen schweizerischen Stelle, dem Politischen Departement, mitgeteilt und diese Behörde den neu ernannten Beamten anerkannt hat (vgl. das Urteil des Bundesstrafgerichts vom 30. Juni 1949 i.S. Vitianu, Erw. I 2 a S. 36 ff.). Da die Zugehörigkeit des Beklagten zu einer diplomatischen Mission dem Politischen Departement nicht einmal gemeldet, geschweige denn von ihm anerkannt worden ist, beansprucht der Beklagte die diplomatische Immunität zu Unrecht.
3.
Ein Staatsvertrag, der die Zuständigkeit für die Beurteilung von Streitigkeiten der hier gegebenen Art regeln würde, besteht nicht. Insbesondere enthält das Niederlassungsabkommen zwischen der Schweiz und Persien (Iran) vom 25. April 1934 (BS 11, deutsch S. 664, franz. S. 643 = Originaltext) keine Gerichtsstandsvorschriften. Art. 8 Abs. 3 dieses Abkommens, wonach in bezug auf das Personen-, Familien- und Erbrecht die Angehörigen jedes Vertragsstaates im Gebiete des andern (unter dem in Art. 8 Abs. 3 Satz 2 genannten Vorbehalte) den Vorschriften ihrer Heimatgesetzgebung unterworfen bleiben, bezieht sich nicht auf die Zuständigkeit, sondern auf die Frage, welche Gesetzgebung in materieller Hinsicht massgebend sei. Die streitige Zuständigkeitsfrage entscheidet sich daher ausschliesslich auf Grund des internen schweizerischen Rechts.
4.
Die Vorinstanz hat angenommen, falls das Scheidungsurteil auch einen Entscheid über die elterliche Gewalt
BGE 85 II 153 S. 161
und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind enthalte, handle es sich bei der eingereichten Klage um ein Begehren um Urteilsabänderung nach
Art. 157 ZGB
. Diese Bestimmung sei auch anzuwenden, wenn das Urteil sich nicht über diese Nebenfolgen ausspreche "und also nicht eine eigentliche Urteilsabänderung, sondern eine Änderung der bisher geltenden gesetzlichen Ordnung" (d.h. eine Änderung der bisher nach Gesetz bestehenden Rechte und Pflichten der Parteien) in bezug auf das Kind in Frage komme; denn das sei "eine analoge Situation". Es müsse also der Gerichtsstand für Klagen nach
Art. 157 ZGB
Anwendung finden.
Ob auf die vorliegende Klage in materieller Beziehung
Art. 157 ZGB
anwendbar sei oder nicht, braucht indessen im Zusammenhang mit der Gerichtsstandsfrage nicht entschieden zu werden. Auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre nämlich der Vorinstanz doch wenigstens darin beizupflichten, dass bei der Bestimmung des Gerichtsstandes für die vorliegende Klage von denjenigen Regeln des schweizerischen Rechts auszugehen ist, nach denen sich die Zuständigkeit für Klagen auf Abänderung eines Scheidungsurteils im Sinne von
Art. 157 ZGB
beurteilt. Dies gälte selbst dann, wenn die Vorinstanz, die hinsichtlich der Auflösung der Ehe einfach auf die Darstellung der Parteien und die summarischen Angaben im Schreiben des Eidg. Amtes für den Zivilstandsdienst vom 11. März 1953 (oben B) abstellte, nach näherer Prüfung (z.B. nach Beizug der Dokumente und Erkundigung über die Auskünfte, welche das eben erwähnte Amt nach diesem Schreiben von der Schweiz. Gesandtschaft in Teheran erhalten hatte) zum Schluss käme, dass in Iran nicht nur über die nach Auflösung der Ehe bestehenden Rechte und Pflichten der Eltern kein Entscheid ergangen sei, sondern dass auch die Auflösung der Ehe selber nicht durch Urteil, sondern durch Parteierklärung, z.B. durch die im iranischen Recht vorgesehene Verstossung, erfolgt sei (vgl. die Übersetzung der Bestimmungen des iranischen Zivilgesetzbuchs über
BGE 85 II 153 S. 162
die Auflösung der Ehe in dem von der Vorinstanz in anderm Zusammenhang angeführten Werke von Alexander BERGMANN, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 3. Aufl. 1955, II. Band, J 4: Iran, S. 17 ff., wo eine gerichtliche Scheidung nicht erwähnt wird). Auch in diesem Falle hätte man es mit einer Klage auf Änderung der Rechte und Pflichten der Eltern mit Bezug auf ein Kind aus aufgelöster Ehe zu tun, so dass es sich rechtfertigen würde, bei Beurteilung der Gerichtsstandsfrage die für die Klage aus
Art. 157 ZGB
geltenden Grundsätze heranzuziehen. Daher kann eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Aktenergänzung unterbleiben, obwohl nicht genau abgeklärt worden ist, wie die Ehe in Iran aufgelöst sowie ob und allenfalls in welchem Sinne dabei die Rechtsstellung der Eltern gegenüber dem Kinde geregelt wurde.
5.
Eine bundesrechtliche Vorschrift, die den Gerichtsstand für die Klage im Sinne von
Art. 157 ZGB
ausdrücklich regeln würde, besteht nicht. Dagegen hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtes aus der Natur dieser Klage sowie aus Zweckmässigkeitserwägungen abgeleitet, diese Klage sei am Wohnsitz der beklagten Partei anzubringen (
BGE 42 I 333
ff.,
BGE 46 II 336
Erw. 3,
BGE 51 II 109
,
BGE 61 II 226
,
BGE 63 II 70
,
BGE 81 II 315
). Diese Regel hat nach
BGE 46 II 336
und den angeführten spätern Entscheiden nicht bloss den Charakter einer Kollisionsnorm für den Fall, dass die Anwendung der kantonalen Zuständigkeitsvorschriften zu einem Kompetenzkonflickt führt, sondern ist als eidgenössische Gerichtsstandsnorm zu betrachten, neben der abweichende kantonale Zuständigkeitsvorschriften keinen Bestand haben und die grundsätzlich auch im internationalen Verhältnis gilt (
BGE 54 II 88
).
Von der Regel, dass für Klagen im Sinne von
Art. 157 ZGB
das Gericht am Wohnsitz der beklagten Partei zuständig ist, bestehen jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Ausnahmen. In
BGE 51 II 108
ff. wurde entschieden, für die Behandlung eines Prozesses zwischen Ausländern, der die Abänderung eines Scheidungs- oder
BGE 85 II 153 S. 163
Trennungsurteils eines schweizerischen Gerichts zum Gegenstand hat, sei dann, wenn die beklagte Partei im Ausland wohne, der Richter am schweizerischen Wohnsitz der klagenden Partei zuständig. Dabei spielte u.a. die Erwägung eine Rolle, "dass keine Gewähr dafür besteht, dass der Anspruch auf Abänderung eines schweizerischen Urteils über die Nebenfolgen der Ehescheidung oder -trennung am ausländischen Wohnort der beklagten Partei überhaupt verfolgt werden kann; einer derartigen Klage werden besonders in solchen Staaten Schwierigkeiten entgegenstehen, deren Recht die Scheidung verpönt oder auch nur die nachträgliche Abänderung der Scheidungs- und Trennungsurteile nicht vorsieht, also ausschliesst.." In
BGE 61 II 225
ff. wurde der Gerichtsstand des Wohnsitzes der klagenden Partei auch für den Fall als massgebend bezeichnet, dass schweizerische Ehegatten über die Abänderung eines schweizerischen Scheidungsurteils (oder über die Genehmigung einer die Abänderung eines solchen Urteils vorsehenden Vereinbarung) streiten und der beklagte Teil im Ausland wohnt.
In der wiedergegebenen Erwägung aus
BGE 51 II 108
ff. liegt eine Anwendung des Grundsatzes, dass für Klagen, die nach schweizerischer Auffassung einer in der Schweiz wohnenden (oder allenfalls hier heimatberechtigten) Person zur Verfügung stehen müssen, aber vor dem dafür normalerweise zuständigen ausländischen Gericht nicht erhoben werden können, in der Schweiz ein Gerichtsstand zu gewähren ist (vgl. BECK, Kommentar zum II. Abschnitt des Schlusstitels des ZGB, der bei Behandlung der Abänderung der Nebenfolgen der Scheidung von Ausländern in N. 84 zu Art. 7 h unter Hinweis auf
BGE 51 II 109
bemerkt, dahingehende Klagen seien am Wohnsitz des Beklagten anzubringen, aber Ausnahmen für den Fall zulässt, dass "der ordre public es verlangt"). Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht in Entscheiden über die Zuständigkeit für Klagen auf Abänderung von Scheidungsurteilen hinsichtlich der Elternrechte und für andere die Nebenfolgen
BGE 85 II 153 S. 164
einer Scheidung betreffende Klagen wiederholt bestätigt. In
BGE 54 II 85
ff. hat es zwar entschieden, die luzernischen Gerichte seien nicht zuständig, die Klage eines im Ausland wohnenden Luzerners gegen seine in Deutschland wohnende geschiedene Ehefrau zu beurteilen, mit welcher der Kläger verlangte, dass das aus der durch ein deutsches Gericht geschiedenen Ehe hervorgegangene, bei der Beklagten lebende Kind ihm zugeteilt werde. Es tat dies in der Meinung, dass die Beurteilung einer solchen Klage dem deutschen Gericht am Wohnort der (übrigens durch Heirat wieder Deutsche gewordenen) Beklagten zustehe. In seinen Erwägungen (S. 89) bemerkte es aber immerhin: "Für die Gerichte der Heimat des Klägers und des Kindes läge erst dann ein genügender Anlass vor, um sich mit der Sache zu befassen, wenn sich herausstellen sollte, dass die deutschen Gerichte es ablehnen, auf eine vom Kläger dort angestrengte Klage einzutreten." In
BGE 52 II 97
ff. fand das Bundesgericht keinen Anlass, der Auffassung des Beschwerdeführers zu widersprechen, dass die Zürcher Gerichte zuständig seien, einen Prozess zwischen in Zürich wohnhaften, durch ein Gericht ihres Heimatstaates geschiedenen tschechoslowakischen Ehegatten über die Pflicht des Ehemanns zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an die Ehefrau und zur Herausgabe eines Anteils an der Errungenschaft Zu behandeln, wenn die heimatlichen Gerichte zur Beurteilung dieser Ansprüche unzuständig seien. In
BGE 62 II 265
ff., wo es sich um einen genau gleich liegenden Fall aus dem Kanton Appenzell A. Rh. handelte, hat das Bundesgericht schliesslich ausgeführt, nach der Rechtsprechung seien Parteien, die ihren Scheidungsprozess im Ausland durchgeführt haben, mit Begehren um Regelung von Nebenfolgen der Scheidung in der Schweiz nicht zu hören. Diese Abgrenzungsnorm beruhe auf der Erwägung, dass solchen Parteien zugemutet werden könne und solle, auch den Streit über die Nebenfolgen der Scheidung vor den ausländischen Gerichten auszutragen. Sie entbehre daher der Grundlage, wenn der in Frage stehende Staat
BGE 85 II 153 S. 165
hiefür gar keine Gerichtsbarkeit gewähre, indem er die Beurteilung der Nebenfolgen der Scheidung nicht nur in ein besonderes Nachverfahren verweise, sondern die Zuständigkeit auch für eigene Staatsangehörigkeit nach dem Wohnsitzprinzip ordne, so dass es Parteien, die beispielweise in der Schweiz wohnen, überhaupt versagt sei, den Streit über die Nebenfolgen vor ein Gericht des Heimatstaates zu bringen. In diesem Falle sei eine Ausnahme vom erwähnten Grundsatz gerechtfertigt, "da die Ablehnung der Zuständigkeit durch die schweizerischen Wohnsitzgerichte geradezu eine Rechtsverweigerung zur Folge hätte." Da das tschechoslowakische Recht nach der vom Bundesgericht in diesem Punkte nicht zu überprüfenden Entscheidung der Vorinstanz für die Regelung der Nebenfolgen das Wohnsitzprinzip aufstelle, seien die Vorinstanzen auf die Unterhaltsklage der Ehefrau mit Recht eingetreten. Hier wurde also der Klägerin in der Schweiz ein "Notgerichtsstand" zur Verfügung gestellt (vgl. hiezu SCHNITZER, Handbuch des Internat. Privatrechts, 4. Aufl. 1958, Bd. II S. 821, wo u.a. auf den erwähnten Entscheid
BGE 52 II 98
verwiesen wird). Für Klagen auf Abänderung eines Scheidungsurteils hinsichtlich der Elternrechte und für analoge Klagen kommt als solcher, wenn die klagende Partei in der Schweiz wohnt, deren Wohnsitz in Betracht.
6.
Im vorliegenden Falle gehen beide Parteien davon aus, dass der Beklagte in der Schweiz keinen Wohnsitz habe, an dem er nach der erwähnten Rechtsprechung belangt werden könnte. Die Richtigkeit dieser Auffassung steht freilich nicht ausser allem Zweifel, wovon auch die Vorinstanz sich Rechenschaft gegeben hat. Es liesse sich fragen, ob der nun bald zehn Jahre dauernde Aufenthalt des Beklagten in Montreux wirklich noch den Charakter eines blossen Studienaufenthalts habe, der nach
Art. 26 ZGB
keinen Wohnsitz begründet. Auf Grund der vorliegenden Akten lässt sich jedoch nicht als bundesrechtswidrig bezeichnen, wenn die Vorinstanz aus der vom Beklagten vorgelegten Bescheinigung vom September
BGE 85 II 153 S. 166
1958 über seinen Wohnsitz in Teheran und seine Studien in der Schweiz (oben C am Ende) in Ermangelung bestimmter Anzeichen für das Gegenteil den Schluss gezogen hat, er habe im Kanton Waadt keinen Wohnsitz begründet. Die Wohnsitzfrage von Amtes wegen näher abzuklären und die Klägerin mit ihrer Klage gegebenenfalls an das für Montreux zuständige waadtländische Gericht zu verweisen, besteht jedenfalls dann kein genügender Anlass, wenn sich die Zuständigkeit eines schweizerischen Gerichts auch unter der Voraussetzung begründen lässt, dass der Beklagte entsprechend seinem eigenen Standpunkt immer noch in Teheran Wohnsitz habe.
7.
Das Kind, um das der Streit geht, ist ein heute acht Jahre altes Mädchen, dessen Mutter eine gebürtige Schweizerin ist und seit 1953 das Schweizerbürgerrecht wieder besitzt. Es hat bisher sein ganzes Leben in der Schweiz verbracht und ist in einer schweizerischen Familie (bei seinen Grosseltern mütterlicherseits und dann später bei seiner Mutter und deren zweitem Ehemann) nach schweizerischen Bräuchen erzogen worden. Es spricht ohne Zweifel die Sprache seiner Mutter, einer in Bern aufgewachsenen Deutschschweizerin. Der Beklagte, der in einem Hotel oder Apartmenthaus in Montreux lebt, ist nicht in der Lage, ihm ein Heim zu bieten. (In der Konvention vom 11. September 1952 hatte er die Absicht geäussert, es in einem schweizerischen Pensionat ausbilden zu lassen.) Wenn die Angaben der Klägerin über seine Lebensführung zutreffen, bestehen auch mit Bezug auf seine Eignung, die Erziehung des Mädchens zu übernehmen, zum mindesten ernsthafte Zweifel. Auch wegen seines Verhaltens gegenüber dem Kinde und wegen dessen Einstellung zu ihm bestehen, wenn die Darstellung der Klägerin sich als richtig erweist, schwere Bedenken, ihm die Sorge für das Kind anzuvertrauen. Zugegeben wird vom Beklagten soviel, dass er seit Juni 1952 für das Kind nichts mehr bezahlt hat. Er behauptet freilich, dafür seine Gründe gehabt zu haben. Sein Versuch, der
BGE 85 II 153 S. 167
Klägerin einen Vorwurf daraus zu machen, dass sie die in der Konvention vorgesehenen Alimente nicht eintrieb, obwohl ihr dies "offenbar ein leichtes gewesen wäre", mutet aber auf jeden Fall sehr sonderbar an. Es sind also im vorliegenden Prozesse Tatsachen geltend gemacht und zum Teil bereits erstellt, die nach schweizerischem Recht als Gründe gegen die Übernahme der Pflege und Erziehung des Kindes durch den Beklagten und für die Übertragung der elterlichen Gewalt an die Klägerin in Betracht kommen könnten. Die Befugnis, auf Grund solcher Tatsachen beim Gericht eine Neuregelung der Elternrechte zu beantragen, ist nach schweizerischer Auffassung ein elementares Recht des Elternteils, der bei Auflösung der Ehe die elterliche Gewalt nicht erhielt; dieses Recht steht ihm sowohl um seiner Persönlichkeit willen als auch im Interesse des Kindes zu. Eine solche Klage ist aber nach den gemäss
Art. 43 OG
vom Bundesgericht nicht zu überprüfenden Feststellungen der Vorinstanz über das iranische Recht in jenem Land ausgeschlossen, da dort die elterliche Gewalt in jedem Falle dem Vater zusteht. Das iranische Recht sieht, wie die Vorinstanz unter Hinweis auf Art. 1173 des iranischen Zivilgesetzbuchs weiter feststellt, nur vor, dass die nächsten Verwandten des Kindes, zu denen auch die Mutter gehört, gegen einen pflichtvergessenen Vater eine Klage mit dem Ziel einleiten können, dass das Gericht im Interesse des Kindes eine Art vormundschaftlicher Massnahmen anordne. Durch diese Klage wird der Rechtsanspruch auf Zuteilung des Kindes nicht gewahrt, der nach schweizerischer Rechtsauffassung einer für die Betreuung des Kindes geeigneten Mutter zusteht, wenn die elterliche Gewalt dem Vater aus irgendeinem Grunde nicht belassen werden kann. Unter diesen Umständen muss der Klägerin nach den in Erwägung 5 dargelegten Grundsätzen die Möglichkeit geboten werden, an ihrem Wohnsitz auf Übertragung der elterlichen Gewalt an sie zu klagen.
Hieran ändert nichts, dass nach dem bereits in Erwägung
BGE 85 II 153 S. 168
3 erwähnten Art. 8 Abs. 3 des schweizerisch-persischen Niederlassungsabkommens von 1934 die Iranier in der Schweiz in bezug auf das Familienrecht ihrer Heimatgesetzgebung unterworfen bleiben. Es kann sich fragen, ob diese Bestimmung ihrem Sinne nach auch dann uneingeschränkt anwendbar sei, wenn zwar der Vater und das Kind die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, die Mutter aber (wieder) Schweizerin ist. Ausserdem enthält der zweite Satz von Art. 8 Abs. 3 des Abkommens einen Vorbehalt, der nach der bundesrätlichen Botschaft vom 31. August 1934 geschaffen wurde, um "der in der Schweiz bestehenden Ordnung" (d.h. wohl: dem schweizerischen ordre public) Rechnung zu tragen (BBl. 1934 III S. 160). Es steht daher nicht etwa von vornherein fest, dass eine Klage, mit der die Übertragung der elterlichen Gewalt auf die Klägerin verlangt wird, an Art. 8 Abs. 3 des Abkommens scheitern müsse. Vielmehr muss die Klägerin Gelegenheit erhalten, ein schweizerisches Gericht darüber entscheiden zu lassen, ob der im ersten Satz dieser Bestimmung ausgesprochene Grundsatz im vorliegenden Falle zur Anwendung kommen könne oder nicht.
Der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin mit der Anrufung der luzernischen Gerichte in rechtsmissbräuchlicher Weise der Konvention vom 11. September 1952 zuwiderhandle, ist schon deshalb nicht zu hören, weil die Klägerin nach schweizerischer Auffassung durch eine Scheidungsvereinbarung (die übrigens auf jeden Fall bei Anwendbarkeit des schweizerischen Rechts mangels gerichtlicher Genehmigung ungültig wäre) nicht wirksam auf das Recht verzichten konnte, die Übertragung der elterlichen Gewalt an sie zu verlangen, falls Verhältnisse eintreten, welche diese Massnahme als im Interesse des Kindes geboten erscheinen lassen.
Ebensowenig kann dem Beklagten der Hinweis darauf helfen, dass das Bundesgericht in
BGE 51 II 109
, um die Zuständigkeit des Richters am schweizerischen Wohnsitz der klagenden Partei für eine Klage gegen einen Ausländer
BGE 85 II 153 S. 169
im Ausland auf Abänderung eines schweizerischen Scheidungs- oder Trennungsurteils zu begründen, u.a. ausgeführt hat, es berühre seltsam, "dass die Justizhoheit des Staates, dessen Gericht ein Urteil erlassen hat, vor der Justizhoheit eines fremden Staates zurücktreten soll, wenn über die Frage der Abänderung jenes Urteils zu entscheiden ist" (welche Erwägung in
BGE 54 II 87
als Beleg dafür angezogen wurde, dass ein Eingriff in die durch das Urteil eines deutschen Gerichts herbeigeführten Rechtswirrkungen grundsätzlich den deutschen Gerichten vorbehalten werden sollte). Abgesehen davon, dass man nicht sicher weiss, ob in Iran ein Gericht die Ehe der Parteien aufgelöst und dabei Anordnungen über die Elternrechte getroffen habe (vgl. Erwägung 4 hievor), kann die Erwägung, dass bei der Regelung des Gerichtsstandes für die Abänderungsklage ein Eingriff in die Justizhoheit des "Ehescheidungsstaates" vermieden werden sollte, jedenfalls dann nicht durchgreifen, wenn es darum geht, in der Schweiz einen Gerichtsstand zu gewähren, weil der andere Staat die in Frage stehende Klage nicht zulässt und mindestens zweifelhaft ist, ob die dort geltende Ordnung in der Schweiz anerkannt werden könne. Im übrigen ist die Auffassung, dass die Abänderung eines ausländischen Scheidungsurteils einen Eingriff in die Justizhoheit des betreffenden Auslandstaates bedeute, mit der in
BGE 42 I 334
/335 und
BGE 46 II 337
/338 zu Recht betonten Selbständigkeit der Abänderungsklage im Verhältnis zur Scheidungsklage kaum vereinbar, worauf BECK in N. 81/82 zu
Art. 7h NAG
zutreffend hinweist.
Wenn der Beklagte schliesslich noch geltend macht, es dürfe nicht ins Ermessen des Klägers gestellt werden, "sich mit einer einfachen Wohnsitzbegründung den seinen Intentionen am besten entsprechenden Gerichtsstand und das entsprechende Recht zu wählen", so lässt sich daraus nichts gegen die Gewährung eines schweizerischen Gerichtsstandes in Fällen wie dem vorliegenden ableiten, wo die Klägerin und das Kind immer in der Schweiz gelebt haben und somit von der Begründung
BGE 85 II 153 S. 170
eines Wohnsitzes zu Prozesszwecken nicht die Rede sein kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Entscheid des Obergerichtes des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 26. Januar 1959 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0f2a82b-16a6-48db-8590-0db09e87f935 | Urteilskopf
126 III 337
60. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 16 mars 2000 dans la cause E. contre X. S.A. (recours en réforme) | Regeste
Arbeitsrecht; Entschädigung der Überzeitarbeit (
Art. 321c Abs. 3 OR
und
Art. 13 ArG
).
Begriff der höheren leitenden Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
(Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5).
Die Entschädigung der Überstundenarbeit, welche die vertragliche Arbeitszeit überschreitet, ist in
Art. 321c OR
geregelt; wenn die Arbeit die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit überschreitet, liegt Überzeitarbeit im Sinne von
Art. 12 ArG
vor, welche gemäss
Art. 13 ArG
zwingend mit dem um 25% erhöhten Basislohn zu entschädigen ist (E. 6).
Der Arbeitnehmer, der die Bezahlung der Überzeitarbeit im Sinne von
Art. 13 ArG
verlangt, handelt unabhängig von der inzwischen verflossenen Zeit nicht rechtsmissbräuchlich (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 338
BGE 126 III 337 S. 338
A.-
X. S.A. exploite une agence de publicité à Genève. Le 3 février 1997, elle a signé un contrat de travail avec E. pour une durée indéterminée. Le salaire convenu était de 9000 fr. brut versé treize fois l'an, en partie sous forme de frais de représentation et d'indemnités. L'entreprise fournissait en outre à l'employée une voiture de fonction dont elle prenait en charge les frais de leasing, d'entretien et d'assurance; elle payait également une partie des primes d'assurance-maladie. La nouvelle collaboratrice avait droit à 4 semaines de vacances par année. L'horaire de travail était de 8 heures 30 à 12 heures et de 13 heures à 17 heures 30, 5 jours par semaine. L'art. 10 du contrat stipulait encore ce qui suit:
"Les heures supplémentaires étant inévitables dans une agence de
publicité, l'employé(e) est tenu de les accomplir dans la mesure où cela
peut être raisonnablement exigé de lui (d'elle). La rémunération de ces
heures supplémentaires est déjà comprise dans le salaire. Il ne résulte
donc aucun droit à une compensation ou à un salaire complémentaire."
S'agissant du temps de travail, E. a expressément admis avoir été informée, pendant les négociations, que les fonctions qu'elle serait amenée à exercer exigeraient d'elle "une importante charge de travail, laquelle devait être compensée par son intégration dans la direction de l'entreprise et une participation au profit-sharing".
Un cahier des charges était annexé au contrat. D'après celui-ci, E. avait la mission de créer puis de développer au sein de la société une nouvelle division dont elle prendrait la direction. Son rôle consistait à rechercher de nouveaux clients, à maintenir et à étendre les rapports avec ceux-ci, de manière autonome et en s'appuyant sur la structure internationale de l'entreprise. Elle assumait la responsabilité des budgets de sa division.
Comme les autres responsables des différentes unités du département commercial dont elle faisait partie, E. était directement subordonnée au directeur général. Avec quatre ou cinq autres responsables, elle appartenait, dès fin 1997, à la "direction élargie" de l'entreprise et participait à ce titre aux réunions régulières de la direction.
BGE 126 III 337 S. 339
E. ne disposait d'aucune autonomie budgétaire; elle n'avait pas la signature sociale; les contrats qu'elle négociait devaient recevoir l'aval de la direction. En revanche, elle était entièrement autonome dans l'organisation de son travail et ses notes de frais lui étaient remboursées sur présentation de justificatifs. Elle disposait pour l'ensemble de ses tâches d'une assistante à plein temps.
E. a régulièrement remis à son employeur la liste des heures qu'elle avait effectuées en dehors de l'horaire contractuellement fixé, sans toutefois demander, pendant toute la durée de son engagement et jusqu'au 23 octobre 1998, à être rémunérée de ce fait. Les parties admettent qu'elle a accompli, en sus des 45 heures hebdomadaires représentant la durée maximale du travail selon la législation publique sur le travail, 366 heures de "travail supplémentaire" ou "Überzeit" en 1997 et 223 heures en 1998, soit un total de 589 heures.
A fin juillet 1998, X. S.A. a résilié le contrat pour le 31 octobre 1998.
B.-
E. a assigné son employeur devant la juridiction des prud'hommes du canton de Genève afin d'obtenir, notamment, le paiement de ses heures supplémentaires. Le Tribunal et la Chambre d'appel ont rejeté toutes ses conclusions. Le Tribunal fédéral a annulé l'arrêt cantonal et admis les prétentions de la travailleuse concernant la rétribution de ses heures supplémentaires.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
a) Sur le fond, on l'a vu, la demanderesse reproche à la Chambre d'appel de s'être placée dans une optique erronée. Il lui aurait échappé que la travailleuse ne réclamait pas le paiement de ses "heures supplémentaires" au sens de l'
art. 321c al. 3 CO
, mais de son "travail supplémentaire" ou "Überzeit" selon l'art. 13 de la loi fédérale du 13 mars 1964 sur le travail dans l'industrie, l'artisanat et le commerce (LTr, RS 822.11). Ainsi, au lieu de se concentrer sur l'
art. 321c al. 3 CO
, la cour cantonale aurait dû examiner si la LTr s'appliquait au cas d'espèce. Si, comme la demanderesse le soutient, la question appelait une réponse positive, la cour cantonale devait ensuite se pencher sur la possibilité ou non de déroger contractuellement à l'
art. 13 LTr
prévoyant la rémunération du travail supplémentaire au taux de 125%, question qui, elle, devrait être résolue par la négative.
b) L'
art. 321c al. 3 CO
dispose que l'employeur est tenu de rétribuer les heures de travail supplémentaires qui ne sont pas compensées
BGE 126 III 337 S. 340
par un congé en versant le salaire normal majoré d'un quart au moins, sauf clause contraire d'un accord écrit, d'un contrat-type de travail ou d'une convention collective.
Combiné avec une ordonnance du 26 novembre 1975 (RS 822.110), l'
art. 9 LTr
fixe la durée maximum de la semaine de travail à 45 heures pour la catégorie de travailleurs à laquelle la demanderesse appartient. L'
art. 12 LTr
permet toutefois, sous certaines conditions et à titre exceptionnel, le dépassement de cette durée maximum. Ce travail supplémentaire sera, d'après l'
art. 13 LTr
, rétribué par un supplément de salaire d'au moins 25% à partir de la 61ème heure supplémentaire accomplie dans l'année civile.
c) Il est constant que la défenderesse est soumise à la LTr. En revanche, les parties s'opposent sur le point de savoir si la demanderesse peut se prévaloir de cette loi, dans la mesure où son
art. 3 let
. d exclut de son champ d'application les travailleurs exerçant une fonction dirigeante élevée. On examinera en premier lieu ce point qui, s'il devait être résolu par la négative, entraînerait d'emblée le rejet du recours, sans qu'il soit besoin d'entrer en matière sur la question de savoir quel est le rapport entre les réglementations concernant les heures supplémentaires telles que les définit le droit privé et celles que vise le droit public.
5.
a) En vertu de l'art. 7 de l'ordonnance 1 du 14 janvier 1966 concernant la LTr (OLT 1; RS 822.111), est réputé exercer une fonction dirigeante élevée, au sens de l'
art. 3 let
. d LTr, celui qui, dans une entreprise ou une partie d'entreprise, dispose d'un pouvoir de décision dans des affaires essentielles et assume une responsabilité correspondante. Le Tribunal fédéral a circonscrit la notion de fonction dirigeante élevée dans une jurisprudence dont il n'y a pas lieu de s'écarter (
ATF 98 Ib 344
consid. 2). En bref, le fait qu'un travailleur bénéficie d'une position de confiance au sein de l'entreprise ne permet pas à lui seul d'admettre que cette personne y exerce une fonction dirigeante. Ni la compétence d'engager l'entreprise par sa signature ou de donner des instructions, ni l'ampleur du salaire ne constituent en soi des critères décisifs. Quant aux affaires essentielles, visées par l'
art. 7 OLT 1
, ce sont celles qui influencent de façon durable la vie ou la structure de l'entreprise dans son ensemble ou, du moins, dans l'un de ses éléments principaux. S'agissant, au demeurant, de dispositions d'exception, les normes susmentionnées doivent être interprétées restrictivement. En tout état de cause, il faut trancher la question de cas en cas, sans égard ni au titre ni à la formation reçue par la personne concernée, mais d'après la nature réelle
BGE 126 III 337 S. 341
de la fonction et en tenant compte des dimensions de l'entreprise (arrêt du 4.7.1997 dans la cause 4C.322/1996, consid. 2b/aa; voir aussi REHBINDER/MÜLLER, Arbeitsgesetz, 5e éd., n. 1 ad
art. 3 al. 1 let
. d, p. 38; F. WALTER BIGLER, Kommentar zum Arbeitsgesetz, 3e éd., n. 7 ad
art. 3 LTr
).
b) Que la demanderesse soit désignée comme étant la responsable d'une unité, ou d'une division, du département commercial de la défenderesse, voire qu'elle soit responsable des budgets de sa division, ne signifie pas sans autre, au vu des principes qu'on vient de rappeler, qu'elle ait exercé une fonction dirigeante élevée. Plus que les titres utilisés, ce sont les véritables responsabilités exercées qui comptent (nombre de subordonnés, chiffre d'affaires, etc.). La tâche essentielle de la demanderesse consistait à rechercher de nouveaux clients, de manière autonome; elle est caractéristique d'un employé de bon niveau, voire de haut niveau, mais ne ressortit nullement au rôle d'un dirigeant et encore moins d'un dirigeant élevé. En revanche, l'absence d'autonomie budgétaire constatée par la cour cantonale, ainsi que le fait que la demanderesse n'avait pas la signature sociale plaident contre la qualité de dirigeant élevé. En dépit de la participation de la demanderesse aux réunions régulières de la "direction élargie", rien ne permet de dire qu'elle jouissait d'un pouvoir de décision dans la marche des affaires de l'entreprise, et encore moins d'un pouvoir de décision en ce qui concerne les affaires essentielles visées par l'OLT 1. Enfin, rien n'indique non plus que la demanderesse, qui disposait d'une assistante à plein temps, ait joui d'une quelconque compétence en matière d'engagement et de licenciement du personnel, constitué d'une cinquantaine de personnes.
Au vu de ces éléments, la cour cantonale a considéré à tort que la demanderesse exerçait une fonction dirigeante élevée. Sur ce point, le recours est bien fondé.
6.
a) Jusqu'ici, le Tribunal fédéral a laissé ouverte la question - controversée - des rapports entre l'
art. 13 LTr
et l'
art. 321c al. 3 CO
, ou, autrement dit, la question de savoir si la disposition de droit public revêt un caractère impératif dans la mesure où elle ne prévoit pas, contrairement à l'
art. 321c al. 3 CO
, la possibilité de supprimer la rétribution du travail supplémentaire (arrêt reproduit in SJ 1988 p. 565 consid. 3b/cc;
ATF 110 II 264
consid. 2; cf. aussi arrêt non publié du 1.5.1990 dans la cause 4C.220/1989).
A titre liminaire, il sied de souligner que l'
art. 13 LTr
concerne le travail supplémentaire, à savoir le travail dont la durée excède le maximum légal, soit 45 heures pour la catégorie de travailleurs à
BGE 126 III 337 S. 342
laquelle appartient la demanderesse, comme on l'a vu. L'
art. 321c al. 3 CO
, lui, se réfère aux heures supplémentaires, c'est-à-dire aux heures de travail effectuées au-delà de l'horaire contractuel. On rappellera aussi que la LTr n'impose, textuellement, que le paiement d'un supplément de salaire d'au moins 25%; se pose par conséquent également la question de l'extension du caractère impératif de la LTr au salaire de base.
b) Pour une minorité de la doctrine, au vu de l'
art. 321c al. 3 CO
, qui permet de déroger à l'obligation de verser le salaire de base (et le supplément) pour les heures supplémentaires, la renonciation par le travailleur à son salaire de base en cas d'heures supplémentaires entraîne également l'abandon du droit au complément de salaire en cas de travail supplémentaire. En tant qu'il touche le paiement du salaire et du supplément, l'
art. 13 LTr
ne revêtirait pas un caractère impératif. Tel est notamment l'avis de STAEHELIN (Commentaire zurichois, n. 23 ad
art. 321c CO
et les références).
La doctrine dominante est en revanche d'avis que la règle de droit public ancrée à l'
art. 13 LTr
est impérative. Les opinions divergent cependant sur la portée de cette disposition. Certains - encore que tous les auteurs ne se prononcent pas très clairement sur ce point précis - estiment que le caractère impératif de l'
art. 13 LTr
ne touche que le supplément de 25% mais que le paiement du salaire de base serait réglé suivant les dispositions de droit privé et pourrait dès lors être exclu par le biais d'un accord écrit (DUC/SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, n. 33-35 ad art. 321c; cf. aussi BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2e éd., n. 15b ad
art. 321c CO
; REHBINDER/MÜLLER, op. cit., n. 2 ad
art. 13 LTr
, p. 92; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5e éd., n. 4, 5 et 9 ad
art. 321c CO
; MEIER-SCHATZ, Arbeitsrecht, 2e éd., vol. I, p. 126; REHBINDER, Commentaire bâlois, n. 4 ad art. 321c, Commentaire bernois, n. 11 ad
art. 321c CO
; BIGLER, op. cit., n. 1 ad
art. 13 LTr
; BRAND ET AL., Der Einzelarbeitsvertrag im Obligationenrecht, n. 14 ad
art. 321c CO
).
Une partie de la doctrine, enfin, défend l'avis que le caractère impératif de l'
art. 13 LTr
s'étend également au salaire de base, et que le travailleur ne peut pas renoncer à la rétribution du travail supplémentaire au taux de 125% (GABRIEL AUBERT, note citée in SJ 1988 p. 568 ss; VON KAENEL, Arbeitsrecht, 1999, p. 37; KUHN/KOLLER, Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, vol. V partie 16, chapitre 8, p. 12-13; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2e éd., n. 9 ad
art. 321c CO
; ENGEL, Contrats de
BGE 126 III 337 S. 343
droit suisse, 2e éd., p. 304-305; DAXELHOFER, Untersuchungen zu den zweiseitig zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts, thèse Berne 1980, p. 59-60).
c) Ces dernières opinions correspondent au but ainsi qu'au sens de la loi, et emportent la conviction. S'il est vrai que, à première vue, l'
art. 13 LTr
ne règle pas le droit au salaire de base en cas de travail supplémentaire, le législateur est visiblement parti de l'idée que, en droit privé, le travail supplémentaire donne droit au "salaire de base correspondant, augmenté d'un supplément" (FF 1960 II 950), ce sous réserve des 60 premières heures supplémentaires des employés, qui sont d'ordinaire fournies gratuitement (FF 1960 II 951). L'
art. 13 LTr
présuppose ainsi que le travail supplémentaire donne droit au paiement du salaire de base. Il prend lui-même en compte les cas dans lesquels ni ce salaire de base, ni le supplément, ne sont dus. Il est donc inutile de s'interroger, dans le cadre de son application, sur la réglementation civile des heures supplémentaires.
De plus, comme le souligne GABRIEL AUBERT (note précitée), le législateur a voulu que le travail supplémentaire revienne plus cher à l'employeur que le travail effectué dans les limites de l'horaire maximum normal. C'est pourquoi il n'a dispensé l'employeur de ses obligations pécuniaires que si le travail supplémentaire est compensé par un congé de même durée avec l'accord du travailleur (
art. 13 al. 2 LTr
). L'exigence d'un tel accord n'a de sens que si la rétribution à laquelle le salarié renonce comporte non seulement le supplément de 25%, mais aussi le salaire de base. Rien, dans le texte de l'
art. 13 LTr
, ne donne à penser qu'il s'agisse d'une règle dispositive. Le législateur a employé le futur impératif, et n'a prévu que deux exceptions à l'obligation de payer une indemnité pour le travail supplémentaire (le cas des employés ayant effectué moins de 61 heures supplémentaires et la compensation par un congé de même durée).
On doit donc poser en conclusion que la rétribution des heures supplémentaires, soit celles dépassant l'horaire contractuel, est réglée par l'
art. 321c CO
et que, dès que les heures supplémentaires dépassent le maximum légal (en l'espèce 45 heures par semaine), elles constituent du travail supplémentaire au sens de l'
art. 12 LTr
et doivent impérativement faire l'objet d'une rétribution comprenant le salaire de base majoré de 25% selon l'
art. 13 LTr
(seulement à partir de la 61ème heure supplémentaire accomplie dans l'année civile pour la catégorie de travailleurs ici en cause).
La demanderesse a donc droit au paiement de son travail supplémentaire dans les limites indiquées.
BGE 126 III 337 S. 344
7.
a) La défenderesse fait valoir, dans sa réponse au recours, que la cour cantonale a écarté à tort le grief subsidiaire d'abus de droit qu'elle avait soulevé. Invoquant DUC/SUBILIA (n. 6 ad
art. 321c CO
) et des arrêts cantonaux, elle allègue que tout cadre exerçant une fonction d'une certaine importance, qui estime avoir droit à une rémunération pour des heures supplémentaires ou "excédentaires" au sens de la LTr, doit présenter sans tarder une demande d'indemnisation à l'employeur s'il ne veut pas que son droit à cette rémunération se périme pour cause d'abus de droit. Elle reproche à la demanderesse de n'avoir indiqué nulle part dans ses écritures ce qui l'aurait empêchée de l'informer en temps utile de ses prétentions en matière de rémunération fondées sur son travail excédentaire, alors qu'elle n'hésitait pas à élever toutes sortes de revendications pécuniaires.
b) Dans une affaire récente, examinée sous l'angle des art. 321c al. 3 et 341 al. 1 CO, le Tribunal fédéral a jugé qu'il fallait s'en tenir au principe selon lequel, en l'absence d'un accord formellement valable et antérieur à leur accomplissement, le droit à la rétribution des heures supplémentaires revêt un caractère impératif (
ATF 124 III 469
consid. 3). Et, dans un consid. 4 non publié, il a ajouté que l'employé n'abusait nullement de son droit en invoquant l'
art. 341 al. 1 CO
, aux termes duquel le travailleur ne peut pas renoncer, pendant la durée du contrat et durant le mois qui suit la fin de celui-ci, aux créances résultant de dispositions impératives de la loi ou d'une convention collective. En effet, selon une jurisprudence fermement établie, il serait contraire à l'esprit de la loi de priver le travailleur, par le biais de l'
art. 2 al. 2 CC
, de la protection accordée par cette disposition, sauf circonstances tout à fait particulières (
ATF 110 II 168
consid. 3c;
ATF 105 II 39
consid. 1b).
Ce qui vaut pour une disposition impérative de droit privé vaut aussi pour une disposition impérative de droit public. Quant à l'écoulement du temps, dont se prévaut aussi la défenderesse, il ne peut être interprété ni comme une renonciation à la prétention de la demanderesse, ni comme le signe de son exercice abusif. La jurisprudence ne laisse pas planer le doute sur ce point (
ATF 110 II 273
;
ATF 125 I 14
consid. 3g).
Le moyen tiré de l'abus de droit sera donc rejeté. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0f2e848-4c39-4d75-bc49-8c93efe80926 | Urteilskopf
106 Ia 197
37. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 18 janvier 1980 dans la cause Franz Weber et Section vaudoise du parti politique de l'Alliance des indépendants contre Grand Conseil et Conseil d'Etat du canton de Vaud (recours de droit public). | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; kantonale Volksabstimmung.
1. Voraussetzungen, unter denen in einer gegen das Abstimmungsergebnis gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde die Mängel in der amtlichen Botschaft zur Sachvorlage geltend gemacht werden können (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2c).
2. Anforderungen an den Inhalt eines solchen behördlichen Abstimmungsberichts und Voraussetzungen, unter denen ein darin enthaltener Fehler die Aufhebung der Abstimmung bewirkt (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 106 Ia 197 S. 197
Une initiative constitutionnelle tendant à l'introduction d'un art. 27ter dans la constitution vaudoise a été déposée le 15 juin 1975. A la suite de son aboutissement, le Grand Conseil a
BGE 106 Ia 197 S. 198
décidé, par décret du 13 décembre 1978 publié dans la "Feuille des avis officiels du canton de Vaud" du 29 du même mois, de soumettre ladite initiative au vote populaire en recommandant son rejet et d'adresser au peuple un préavis motivé. Le texte de celui-ci a été distribué dans tous les ménages du canton de Vaud entre le 23 et le 25 avril 1979; il n'avait précédemment fait l'objet d'aucune publication officielle.
Lors du vote populaire, qui eut lieu les 19 et 20 mai 1979, l'initiative a été rejetée.
Franz Weber, citoyen actif domicilié à Montreux, a formé le 23 mai 1979 un recours de droit public concluant notamment à l'annulation de la votation des 19 et 20 mai 1979. La Section vaudoise du parti politique de l'Alliance des indépendants en a fait de même par acte du 25 mai 1979. Les recourants se prévalaient l'un et l'autre du caractère prétendument fallacieux du préavis adopté par le Grand Conseil.
Le Tribunal fédéral a rejeté l'un et l'autre recours dans la mesure où il les a jugés recevables.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) En qualité de citoyen actif du canton de Vaud d'une part (
ATF 105 Ia 12
, 360 et les arrêts cités, 373), de parti politique constitué en association et exerçant son activité dans ledit canton d'autre part (
ATF 104 Ia 362
,
ATF 99 Ia 449
, 661,
ATF 97 I 28
), les recourants ont qualité pour former un recours fondé sur l'
art. 85 lettre a OJ
.
b) La législation vaudoise ne prévoit aucune voie de droit pour attaquer un préavis du Grand Conseil. Les recours satisfont dès lors à l'exigence de l'épuisement des instances cantonales posée à l'
art. 86 al. 1 OJ
.
c) Le recours de droit public doit être formé dans les trente jours dès la communication, selon le droit cantonal, de l'arrêté ou de la décision attaqués (
art. 89 al. 1 OJ
). Lorsque le recourant attaque certains actes de préparation d'une votation ou d'une élection populaire, le délai court dès la publication officielle, selon le droit cantonal, des actes en cause, afin que les irrégularités éventuellement constatées puissent être corrigées avant la votation et que celle-ci n'ait pas à être répétée (
ATF 99 Ia 180
, 644). Cette exigence vaut en principe aussi pour les messages et les préavis adressés au corps électoral (
ATF 105 Ia 150
,
ATF 101 Ia 241
); cependant, lorsque le délai échoit après la
BGE 106 Ia 197 S. 199
votation, le but poursuivi ne peut être atteint, puisqu'un recours contre l'acte préparatoire peut encore être formé à temps après le scrutin; dans une telle hypothèse, on ne peut donc raisonnablement exiger de l'électeur qu'il attaque séparément l'acte préparatoire; il peut dès lors s'en plaindre dans le cadre d'un recours dirigé contre le vote lui-même (
ATF 101 Ia 241
).
Or tel est le cas en l'espèce. En effet, si la "Feuille des avis officiels du canton de Vaud" du 29 décembre 1978 contient la publication officielle de la décision du Grand Conseil du 13 décembre 1978, elle ne reproduit pas le texte du préavis adopté le même jour. Par ailleurs, le Département de la justice, de la police et des affaires militaires ne prétend pas que ce préavis aurait été officiellement publié avant d'avoir été envoyé à tous les ménages du 23 au 25 avril 1979, soit moins de trente jours avant la votation des 19 et 20 mai suivant.
Les griefs dirigés contre le préavis du Grand Conseil dans l'un et l'autre recours, eux-mêmes formés moins de trente jours après le scrutin, sont en conséquence recevables.
d) Saisi d'un recours de droit public fondé sur l'
art. 85 lettre a OJ
, le Tribunal fédéral examine librement l'application et l'interprétation du droit constitutionnel cantonal ainsi que des dispositions légales qui sont étroitement liées au droit de vote lui-même ou qui en précisent le contenu et l'étendue (
ATF 105 Ia 239
,
ATF 104 Ia 222
,
ATF 103 Ia 155
, 560/561,
ATF 101 Ia 232
, 240). En dehors de ces normes, son pouvoir de cognition à l'égard du droit cantonal est en revanche restreint à l'arbitraire (
ATF 93 I 318
,
ATF 92 I 355
, 91 I 271/272). Il est en outre lié par les moyens que les parties ont invoqués (ATF
ATF 99 Ia 523
).
3.
(...)
4.
a) Le droit de vote garanti par la constitution fédérale reconnaît à tout citoyen la faculté d'exiger qu'aucun résultat de votation ou d'élection ne soit reconnu s'il ne traduit pas d'une manière fidèle et sûre la volonté librement exprimée du corps électoral (
ATF 105 Ia 14
, 242,
ATF 104 Ia 223
, 238, 431,
ATF 103 Ia 281
,
ATF 102 Ia 268
et les arrêts cités). Le résultat d'une consultation populaire peut notamment être vicié lorsque l'autorité donne, dans un message officiel relatif à la votation, une image inexacte du but et de la portée de celle-ci et qu'elle viole ainsi son devoir de présenter une information objective (
ATF 105 Ia 153
,
ATF 102 Ia 268
,
ATF 98 Ia 78
, 622).
BGE 106 Ia 197 S. 200
On ne saurait cependant retenir une violation de la constitution dans les cas où un tel message contient un avis relatif à des questions d'appréciation, car il appartient en définitive à l'électeur de se faire lui-même sa propre opinion sur de telles questions (
ATF 98 Ia 622
; arrêt du 4 octobre 1978, in ZBl 1979, p. 532). De même, l'autorité qui adopte un tel texte peut se limiter à faire état des motifs qui ont été considérés comme déterminants par la majorité des membres qui la composent, sans qu'il soit nécessaire de tenir compte de tous les points de vue possibles ou de mentionner toutes les objections que pourrait susciter le projet soumis au vote (
ATF 98 Ia 622
,
ATF 93 I 439
consid. 2b), à moins que le droit cantonal ne contienne des dispositions sur ce point (cf., à propos du droit lucernois,
ATF 101 Ia 242
à 244). Enfin, il n'y a pas de procédé illicite de l'autorité lorsque le préavis manque de précision sur quelques points, mais qu'il suffit de lire le texte dont l'adoption est proposée pour être exactement renseigné (arrêt non publié Association vaudoise pour l'aménagement rural et Delafontaine c. Grand Conseil du canton de Vaud, du 16 novembre 1976, consid. 7).
b) La simple constatation d'irrégularités ne suffit toutefois pas à faire annuler une élection ou une votation; encore faut-il que celles-ci aient été propres à influencer le résultat du scrutin (
ATF 105 Ia 155
, consid. 5b), étant précisé que le citoyen n'a pas à établir le lien de causalité entre le vice et le résultat: il suffit que l'ensemble des circonstances laisse apparaître une telle influence comme étant du domaine du possible, ce que le Tribunal fédéral examine librement (
ATF 104 Ia 237
/238,
ATF 102 Ia 268
et les arrêts cités).
5.
(En l'espèce, à supposer même que les vices qui entachent le préavis puissent réellement faire apparaître celui-ci comme fallacieux, on ne saurait retenir qu'ils aient été de nature à influencer le résultat du scrutin.) | public_law | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b0f2e941-edb5-44b4-a3cf-647b14a4a004 | Urteilskopf
140 IV 49
6. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Beschwerde in Strafsachen)
6B_459/2013 vom 13. Februar 2014 | Regeste
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
; sachverständige Person.
Die sachverständige Person, die gestützt auf
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
Gutachten erstellt, muss in aller Regel Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein (E. 2).
Das kantonale Recht kann weitergehende Bestimmungen vorsehen (z.B. forensische Weiterbildung) (E. 2.8). | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 140 IV 49 S. 49
A.
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte X. zweitinstanzlich wegen mehrfacher Drohung, Hausfriedensbruchs, mehrfacher Beschimpfung und Tätlichkeiten zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 338 Tagen, einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 30.- sowie einer Busse von Fr. 200.-. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten einer stationären Massnahme im Sinne von
Art. 59 Abs. 1 StGB
auf.
B.
X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das angefochtene Urteil sei teilweise aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung
BGE 140 IV 49 S. 50
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese sei anzuweisen, ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes Gutachten einzuholen und - auf dessen Grundlage - das Strafmass neu festzusetzen bzw. über eine allfällige Massnahme neu zu entscheiden.
C.
Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen verzichten auf eine Vernehmlassung.
D.
Das Bundesgericht hat das Urteil öffentlich beraten (
Art. 58 Abs. 1 BGG
) und heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz verletze Bundesrecht, indem sie den Begriff "sachverständige Begutachtung" gemäss
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
sowie
Art. 182 ff. StPO
so auslege, dass auch Psychologinnen und Psychologen als Sachverständige gelten würden. Weil er nicht durch eine sachverständige Person begutachtet wurde, sei nicht geklärt, inwiefern seine Schuldfähigkeit vermindert war. Auch sei die Anordnung der stationären Massnahme bundesrechtswidrig. Indem die Vorinstanz den Beweisantrag auf Begutachtung durch eine qualifizierte sachverständige Person ablehne, verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
).
1.2
Die Vorinstanz erwägt, die Kantone seien befugt, Anforderungen an Sachverständige bzw. gerichtliche Gutachter festzulegen. Im Kanton St. Gallen bestünden keine entsprechenden Regelungen. Die Erstellung von forensischen Gutachten sei von Gesetzes wegen nicht Psychiatern vorbehalten. Entscheidend sei, dass die begutachtende Person über die notwendige fachliche Qualifikation verfüge. Dies sei vorliegend der Fall. Die Gutachterin sei fachlich qualifiziert, selbstständig ein Gutachten zu erstellen, das sich zu der Persönlichkeit, der Diagnosestellung, der Schuldfähigkeit, der Rückfallgefahr und der Massnahmenindikation äussert.
1.3
Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen handelt es sich bei der Gutachterin um eine forensisch-psychologische Sachverständige mit Zulassung und praktischen Erfahrungen als klinische Psychologin und Psychotherapeutin. Gemäss der von der Gutachterin im kantonalen Verfahren eingereichten Stellungnahme verfügt sie über eine klinisch-psychologische und rechtspsychologische Grundausbildung sowie die Weiterbildungstitel "Fachpsychologin für Psychotherapie FSP" und "Fachpsychologin für Rechtspsychologie FSP". Zudem hat sie im Bereich der klinischen Psychologie promoviert.
BGE 140 IV 49 S. 51
2.
2.1
Grundsätzlich sind die Kantone im Rahmen des Bundesrechts befugt, Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Gutachter festzulegen (
Art. 47 Abs. 2,
Art. 122 Abs. 2 und
Art. 123 Abs. 2 BV
). Diese Zuständigkeit ist eingeschränkt, soweit eine entgegenstehende abschliessende bundesrechtliche Regelung besteht oder soweit die kantonale Regelung gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstösst oder dessen Zweck beeinträchtigt oder vereitelt (Urteil 2C_121/2011 vom 9. August 2011 E. 4.4.3). Im Kanton St. Gallen sind die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der Gutachter nicht geregelt. Es ist zu prüfen, ob das Bundesrecht (vorliegend
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
sowie
Art. 182 ff. StPO
) (Mindest-)Anforderungen an eine sachverständige Person festlegt. Konkret stellt sich die Frage, ob das Bundesrecht ärztliche Gutachter vorschreibt oder ob auch nichtärztliche Psychologen (mit Weiterbildungstiteln) zugelassen werden.
2.2
Nach
Art. 20 StGB
wird die "sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen" ("une expertise", "una perizia") angeordnet, wenn ernsthafter Anlass besteht, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln.
Art. 56 Abs. 3 StGB
bestimmt, dass das Gericht sich beim Entscheid über die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59-61, 63 und 64 (StGB) sowie bei der Änderung der Sanktion nach Artikel 65 (StGB) auf eine "sachverständige Begutachtung" ("une expertise", "una perizia") stützt.
Art. 182 StPO
sieht vor, dass Staatsanwaltschaft und Gericht "eine oder mehrere sachverständige Personen" ("un ou plusieurs experts", "uno o più periti") beiziehen, wenn sie nicht über die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Feststellung oder Beurteilung eines Sachverhalts erforderlich sind. Die sachverständige Person muss auf dem betreffenden Fachgebiet die erforderlichen besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen (
Art. 183 Abs. 1 StPO
). Art. 182 f. StPO enthalten allgemeine Bestimmungen zu Gutachten und der sachverständigen Person. Sie gelten nicht nur für Gutachten nach
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
. Diese Bestimmungen gehen als lex specialis vor, weshalb im Folgenden nur noch darauf einzugehen ist.
Dem Wortlaut von
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
lässt sich nicht entnehmen, ob es sich um ärztliche Gutachter handeln muss oder ob auch Psychologen als Gutachter zugelassen sind.
2.3
Die Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen, Einführung
BGE 140 IV 49 S. 52
und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht führt zu Art. 18 des Entwurfs (entspricht
Art. 20 StGB
) aus, das Gutachten sei in aller Regel von einem Psychiater zu erstellen (BBl 1999 2007 Ziff. 212.43). Auch in der parlamentarischen Beratung wurde davon ausgegangen, dass es sich beim Sachverständigen um einen Psychiater handelt (vgl. Votum Kommissionssprecher Ständerat Merz, AB 1999 S 1112). Zu Art. 57 Abs. 1 des Entwurfs (entspricht
Art. 56 Abs. 3 StGB
) erklärt die Botschaft, dass die Person des Gutachters bewusst nicht auf Psychiater eingeschränkt wurde. Relevant sei, dass der Sachverständige zu den aufgeworfenen Problemen kompetent Stellung nehmen könne. Angesichts der hohen Anforderungen an ein Gutachten werde dieses in der Regel von einem Psychiater erstellt werden müssen (BBl 1999 2072 Ziff. 213.412). In der parlamentarischen Beratung verwies der Kommissionssprecher bezüglich der "sachverständigen Begutachtung" auf seine Ausführungen zu Art. 18 des Entwurfs (AB 1999 S 1120). Im Nationalrat wurden die beiden Bestimmungen diskussionslos angenommen (AB 2001 N 543 f., 565).
Insgesamt ist den Materialien nicht abschliessend zu entnehmen, ob Gutachten im Sinne von
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
zwingend von Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie zu erstellen sind. Insbesondere die Äusserungen in den parlamentarischen Beratungen tendieren dazu, nur Psychiater als Gutachter zuzulassen. Dem steht die Aussage in der Botschaft vom 21. September 1998 entgegen, wonach die Person des Gutachters bewusst nicht auf Psychiater eingeschränkt wurde (BBl 1999 2072 Ziff. 213.412).
2.4
Sinn und Zweck der gesetzlichen Bestimmungen bestehen darin, dass gerichtliche Entscheide gestützt auf eine sachgerechte Begutachtung ergehen (vgl. BBl 1999 2072 Ziff. 213.412). Dem würde nicht entsprochen, wenn Personen als Gutachter zugelassen würden, welche die Forderungen an die Sachkunde nicht erfüllen.
2.4.1
Gutachten behandeln Probleme von grosser Tragweite, weshalb hohe Anforderungen an die Qualifikation von sachverständigen Personen zu stellen sind (MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 57 zu
Art. 56 StGB
). Die Aufgabe eines Gutachters ist es, eine aktuelle klinische Diagnose zu erstellen und zu begründen. Dabei ist auf ein internationales Klassifikationssystem (ICD [internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme; von der Weltgesundheitsorganisation herausgegeben und weltweit anerkannt] oder
BGE 140 IV 49 S. 53
DSM [diagnostisches und statistisches Handbuch psychischer Störungen; Klassifikationssystem der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung]) abzustellen (vgl. HORBER/KIESEWETTER/URBANIOK, Leitfaden zur Gutachtenerstellung der Fachkommission für psychiatrische Begutachtung Zürich, 2006, S. 6 f.; ausführlich: BOETTICHER/NEDOPIL/BOSINSKI/SASS, Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, Neue Zeitschrift für Strafrecht [NStZ] 25/2005 S. 57-62). Im Hinblick auf die Frage der Schuldfähigkeit ist die rückgeschlossene Diagnose für den Tatzeitpunkt unter Bezugnahme auf die psychiatrischen Klassifikationssysteme zu begründen. Es ist zu prüfen, ob die Störung auf die psychosoziale Kompetenz und das rechtsrelevante Handlungsvermögen im Tatzeitpunkt eine Wirkung zeitigte. Zu beurteilen ist, wie sich die Störung von erheblicher Schwere auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit auswirkte (zum Ganzen: NEDOPIL/DITTMANN/KIESEWETTER, Qualitätsanforderungen an psychiatrische Gutachten, ZStrR 123/2005 S. 130 ff.; HORBER/KIESEWETTER/URBANIOK, a.a.O., S. 7 f.).
2.4.2
Der Gutachter hat in der Folge die Legalprognose zu bestimmen (vgl. HORBER/KIESEWETTER/URBANIOK, a.a.O., S. 8; ausführlich: BOETTICHER/KRÖBER/MÜLLER-ISBERNER/BÖHM/MÜLLER-METZ/WOLF, NStZ 26/2006 S. 537-544). Sie ist nicht lediglich eine psychiatrische Angelegenheit. Vielmehr handelt es sich um ein rechtliches, soziales, gesetzliches, medizinisches und psychologisches Thema. Psychiatrische Kriminalprognosen erfordern einerseits solide psychiatrische Kenntnisse und Erfahrungen. Andererseits müssen sachverständige Personen über eingehendes kriminologisches Wissen verfügen und auf dem neusten Stand der Ergebnisse der aktuellen Prognoseforschung sein. Entsprechend besteht das Bedürfnis nach einer interdisziplinären Beurteilung der relevanten Fragen (MARIANNE HEER, a.a.O., N. 55 zu
Art. 56 StGB
S. 1208 mit Hinweisen).
2.4.3
Bezüglich der Diagnosestellung ist der Fachliteratur zu entnehmen, dass bei Verdacht einer endogenen (von unbekannter Ursache) oder exogenen (körperlich begründeten) Psychose die Fachkompetenz des psychiatrischen Sachverständigen unzweifelhaft ist. Für alle übrigen Störungen und Erkrankungen, insbesondere für die Persönlichkeitsstörungen, intellektuellen Defizite (...), psychoorganischen Syndrome, affektiven Bewusstseins- und Wahrnehmungseinengungen usw., ist sowohl der klinisch-forensische Psychologe als auch der Psychiater sachkompetent (TONDORF/TONDORF, Psychologische und psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren, 3. Aufl., Heidelberg 2011, S. 185 N. 228 mit Hinweisen; zu den exogenen und endogenen Psychosen: SCHREIBER/ROSENAU, Rechtliche Grundlagen
BGE 140 IV 49 S. 54
der psychiatrischen Begutachtung, in: Psychiatrische Begutachtung, Venzlaff/Foerster [Hrsg.], 5. Aufl., München 2009, S. 88). Hat eine krankhafte seelische Störung eine körperliche Ursache, ist für die Beurteilung dieser Zustände ein medizinischer Sachverständiger beizuziehen. Für die nichtärztlichen Sachverständigen bleiben die nicht krankhaften Bewusstseinsstörungen, die im Wesentlichen als hochgradig affektive Erregung zu definieren sind, und die sogenannte schwere andere seelische Abartigkeit, mit der Persönlichkeitsstörungen, Neurosen oder sexuelle Deviationen erfasst werden sollen (WILFRIED RASCH, Die Auswahl des richtigen Psycho-Sachverständigen im Strafverfahren, NStZ 12/1992 S. 258 f.).
2.4.4
Obwohl nichtärztliche Sachverständige nicht krankhafte Störungen diagnostizieren können, ist für die Gutachtenerstellung eine medizinische Ausbildung der sachverständigen Person vorauszusetzen. Nur diese gewährleistet, dass eine körperliche oder organische Ursache einer allfälligen psychischen Störung oder Krankheit festgestellt oder ausgeschlossen werden kann. Im Gegensatz zum nichtärztlichen Psychologen verfügt ein Facharzt für Psychiatrie und Psychologie über ein Medizinstudium sowie eine Ausbildung zum Facharzt. Auch die in der Regel erforderliche körperliche Untersuchung des Exploranden kann nur von einem Arzt vorgenommen werden (vgl. MARIANNE HEER, a.a.O., N. 61c zu
Art. 56 StGB
; siehe auch MAIER/MÖLLER, Das gerichtspsychiatrische Gutachten gemäss
Art. 13 StGB
, 1999, S. 141 ff. und 189 ff.).
2.5
Das Bundesgericht hat sich bisher nicht dazu geäussert, ob auch ein Psychologe eine "sachverständige Person" im Sinne von
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
ist. Ein älterer Entscheid aus dem Jahr 1958 deutet darauf hin, dass ein Gutachten zur Schuldfähigkeit von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu erstellen ist ("fachärztliches Gutachten", "psychiatrische Begutachtung";
BGE 84 IV 137
). In
BGE 127 IV 154
führte das Bundesgericht zum alten Recht aus, das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen einer Massnahme nach aArt. 43 StGB und den Strafen bildet der "Geisteszustand des Täters", also eine ärztlich-psychiatrische Indikation. Das Gesetz verpflichtet den Richter, seinen Entscheid über Verwahrungs-, Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit aufgrund von Gutachten über den körperlichen und geistigen Zustand des Täters zu treffen. Damit verweist es für die psychischen Störungen und deren Behandlung ausdrücklich auf die lex artis der ärztlichen Wissenschaften (E. 3d S. 158). In einem neueren, unpublizierten Urteil hielt das Bundesgericht fest, dass ein Gutachten aufgrund der hohen Anforderungen, die
BGE 140 IV 49 S. 55
es erfüllen muss, in aller Regel von einem Psychiater zu erstellen ist (Urteil 6B_752/2011 vom 18. April 2012 E. 4; offengelassen wurde diese Frage im Urteil 6B_438/2011 vom 18. Oktober 2011 E. 2.4.3). Ferner entschied es, dass die Verordnung des Kantons Zürich vom 1./8. September 2010 über psychiatrische und psychologische Gutachten in Straf- und Zivilverfahren (PPGV; LS 321.4), wonach nur Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, nicht aber nichtärztliche (psychologische) Psychotherapeuten für die Erstellung von Gutachten zur Beurteilung komplexer Problemstellungen oder Risiken eingetragen werden (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 lit. a PPGV), den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs nicht widerspricht. Die PPGV verletzt auch das Rechtsgleichheitsgebot nicht, da die Differenzierung zwischen psychiatrischen Fachärzten und nichtärztlichen Psychotherapeuten im Hinblick auf die Erstellung der streitigen Gutachten sachlich begründet erscheint (vgl. Urteil 2C_121/2011 vom 9. August 2011 E. 4.4 f.).
2.6
Die strafrechtliche Literatur spricht sich dafür aus, dass Gefährlichkeitsgutachten bzw. Gutachten nach
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
in aller Regel von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu erstellen sind (TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 4 zu
Art. 20 StGB
; TRECHSEL/PAUEN BORER, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 11 zu
Art. 56 StGB
; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 3. Aufl. 2013, N. 1 zu
Art. 20 StGB
; ROTH/THALMANN, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 40 zu
Art. 56 StGB
; ANDREAS DONATSCH, in: StGB-Kommentar, Andreas Donatsch [Hrsg.], 19. Aufl. 2013, N. 6 zu
Art. 20 StGB
; MARKUS HUG, in: StGB-Kommentar, Andreas Donatsch [Hrsg.], 19. Aufl. 2013, N. 14 zu
Art. 56 StGB
; FELIX BOMMER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 27 zu
Art. 20 StGB
; URSULA FRAUENFELDER, Die ambulante Behandlung geistig Abnormer und Süchtiger als strafrechtliche Massnahme nach
Art. 43 und 44 StGB
, 1978, S. 59; MIRIAM FORNI, Strafverfahren und Psychiatrie: Berührungspunkte und Reibungsflächen, ZStrR 122/2004 S. 212 f., 216 f.; a.M.: FRISCHKNECHT/SCHNEIDER/SCHMALBACH, Welcher Psy-Experte darf's denn sein?, Jusletter 21. Mai 2012). GÜNTER STRATENWERTH schränkt die Regel hinsichtlich
Art. 56 Abs. 3 StGB
dahingehend ein, dass Gutachter im Allgemeinen nur ein psychiatrischer Facharzt sein kann, soweit die stationäre Behandlung von psychischen Störungen in Frage steht (GÜNTER STRATENWERTH,
BGE 140 IV 49 S. 56
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II: Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 9 N. 28; so auch STRATENWERTH/WOHLERS, a.a.O., N. 6 zu
Art. 56 StGB
; ebenfalls differenzierend bezüglich Gutachten nach
Art. 20 StGB
: BERNHARD STRÄULI, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 27 zu
Art. 20 StGB
). MARIANNE HEER setzt sich ausführlich mit dem Thema auseinander und weist darauf hin, dass eine interdisziplinäre Beurteilung vorzunehmen ist (MARIANNE HEER, a.a.O., N. 55 ff. zu
Art. 56 StGB
mit Hinweisen; siehe auch MAIER/MÖLLER, a.a.O., S. 41 ff.).
2.7
Sowohl die Gesetzesmaterialien als auch die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung und die Lehrmeinungen tendieren dazu, dass eine "sachverständige Person" im Sinne von
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
in aller Regel ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sein muss. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb von dieser Auffassung abgewichen werden sollte. Hierfür sprechen auch Sinn und Zweck der Bestimmungen, da der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie kompetent ist, allfällige körperliche oder organische Ursachen zu diagnostizieren oder auszuschliessen. Während die Aus- und Weiterbildung der Psychiater einen gewissen Qualitätsstandard gewährleistet, müsste bei nichtärztlichen Sachverständigen stets überprüft werden, ob sie im konkreten Fall die Anforderungen an die Sachkunde erfüllen. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung der Gutachten im Sinne von
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
ist an der bisherigen Praxis festzuhalten und als sachverständige Person in aller Regel nur ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zuzulassen. Ausnahmen sind schwer vorstellbar. Sie müssen mit der fachlichen Ausgangslage gerechtfertigt werden und lassen sich nicht mit der Person des Sachverständigen begründen. Angesichts der interdisziplinären Fragestellung ist es jedoch zulässig und erstrebenswert, dass psychiatrische Gutachter einzelne Fragen einem Psychologen (oder Psychotherapeuten) stellen oder diesen mit (testpsychologischen) Untersuchungen beauftragen (siehe dazu MAIER/MÖLLER, a.a.O., S. 148 ff.). Dabei bleibt jedoch stets der Psychiater für die Gutachtenserstattung verantwortlich.
2.8
Über die formellen Anforderungen (z.B. forensische Weiterbildung) an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist vorliegend nicht zu befinden. Das Bundesgericht hat einzig zu prüfen, ob das Bundesrecht einen ärztlichen Sachverständigen vorschreibt, was der Fall ist. Das kantonale Recht kann weitergehende Bestimmungen vorsehen (E. 2.1; wie dies beispielsweise in den Kantonen Zürich und Waadt der Fall ist).
BGE 140 IV 49 S. 57
2.9
Vorliegend war ein Standardfall zu beurteilen. Das Gutachten hatte sich zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers, der Diagnosestellung, der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, der Rückfallgefahr sowie der Massnahmenindikation zu äussern und hätte von einem psychiatrischen Facharzt erstellt werden müssen. Indem die Vorinstanz den Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines Gutachtens einer sachverständigen Person ablehnte, verletzte sie sowohl
Art. 20 und 56 Abs. 3 StGB
als auch sein rechtliches Gehör. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0f474b9-bcee-4ce1-92e5-e5637310eb13 | Urteilskopf
83 IV 151
40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Juli 1957 i.S. Kollbrunner gegen Merk und Christen. | Regeste
Art.177Abs.2 StGB.
Wann ist eine Beschimpfung "unmittelbar" auf eine Provokation erfolgt? | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 83 IV 151 S. 151
Aus dem Tatbestand:
Kollbrunner geriet anlässlich seiner Ehescheidung mit seinen bisherigen Freunden Merk und Christen in Streit. In der Folge führte jede Seite gegen die andere einen Ehrverletzungsprozess. Im zweiten dieser Verfahren machte ein Vetter Kollbrunners eine für dessen Prozessgegner günstige Zeugenaussage. Am folgenden Tag richtete Kollbrunner ein Schreiben an seinen Vetter, worin er dessen Stellungnahme tadelte und Merk und Christen unter Hinweis auf deren Machenschaften als "Schufte" bezeichnete. Kollbrunner wurde wegen dieses Ausdrucks der Beschimpfung schuldig erklärt und zu einer Busse verurteilt. Mit Nichtigkeitsbeschwerde beruft er sich unter anderem darauf, im Verhalten seiner Prozessgegner liege eine Provokation im Sinne des
Art. 177 Abs. 2 StGB
.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Gemäss
Art. 177 Abs. 2 StGB
kann der Richter den Täter von Strafe befreien, wenn der Beschimpfte durch sein ungebührliches Verhalten zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben hat.
Voraussetzung der Strafbefreiung ist, dass die Beschimpfung durch ein verwerfliches Verhalten des Beschimpften hervorgerufen wurde und dass sie unmittelbar auf die Provokation erfolgt ist. Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist zeitlich zu verstehen, und zwar in dem Sinne, dass der Täter in der durch das ungebührliche Verhalten erregten Gemütsbewegung handelt, ohne dass er Zeit zu ruhiger Überlegung hat. Der französische und italienische
BGE 83 IV 151 S. 152
Text, der im Gegensatz zum deutschen das Wort unmittelbar ("immédiatement", "immediatamente") nur in Abs. 3 verwendet, in Abs. 2 hingegen den Ausdruck "directement" bzw. "direttamente" gebraucht, führt zu keiner andern Auslegung. Hätte sich der Gesetzgeber auf das Erfordernis des Kausalzusammenhangs zwischen Provokation und Beschimpfung beschränken wollen, wie der Beschwerdeführer annimmt, so hätten im deutschen Text schon die Worte "Anlass gegeben" genügt. Aus dem Wort "unmittelbar" muss geschlossen werden, dass mehr als das verlangt werden wollte. Darauf weist vor allem auch die Überlegung, dass die Ermächtigung des Richters, den Täter von Strafe zu befreien, kaum anders gerechtfertigt werden kann, als insbesondere dadurch, dass der Provozierte in einem Erregungszustand gehandelt hat und deshalb für seine Tat nicht voll verantwortlich erscheint. Wird die Tat überlegt begangen, so bieten
Art. 63 und 64 StGB
genügend Raum, der Provokation bei der Strafzumessung angemessen Rechnung zu tragen. Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb in Abs. 2 die Unmittelbarkeit nicht gefordert sein sollte, während im Fall der Retorsion (Abs. 3), welche ebenfalls eine Provokation - in Form einer Beschimpfung - voraussetzt, die Reaktion eine unmittelbare sein muss, damit Straflosigkeit eintreten kann.
Dass der Brief des Beschwerdeführers unmittelbare Reaktion auf das Verhalten seiner Gegner gewesen sei, wird mit Recht nicht geltend gemacht. Der Beschwerdeführer hat in der Untersuchung selber erklärt, er habe den Brief ruhig und überlegt, nicht im Affekt geschrieben. Somit kann er sich nicht auf
Art. 177 Abs. 2 StGB
berufen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0fd7a6f-823f-49f1-92ce-9f14dfec42f3 | Urteilskopf
124 III 241
44. Estratto della sentenza del 27 gennaio 1998 della II Corte civile nella causa A. S.A contro C. (ricorso per riforma) | Regeste
Art. 722 Abs. 1 ZGB
; Eigentumserwerb an einer verlorenen Sache.
An einem verlorenen Inhaberschuldbrief ist ein originärer Eigentumserwerb durch den Finder möglich, wenn dieser die ihm obliegenden gesetzlichen Pflichten erfüllt hat. | Erwägungen
ab Seite 241
BGE 124 III 241 S. 241
Dai considerandi:
3.
Giusta l'art. 720 cpv. 1 CC chi trova una cosa smarrita è tenuto a darne avviso al proprietario e, non conoscendolo, a darne avviso alla polizia o a fare egli stesso le indagini e le pubblicazioni
BGE 124 III 241 S. 242
indicate dalle circostanze. Chi ha trovato la cosa ed ha adempiuto agli obblighi che gli incombevano, l'acquista in sua proprietà, qualora non se ne scopra il proprietario, entro cinque anni dalla pubblicazione o dall'avviso dato (art. 722 cpv. 1 CC).
a) Nella fattispecie è ammesso che il convenuto ha adempiuto gli obblighi previsti dalla legge. Contestato dall'attrice - invero in modo piuttosto confuso - è invece il fatto che egli sia creditore di colei che ha emesso la cartella ipotecaria: il fatto che egli non abbia mai avuto nessuna relazione con la debitrice non può evidentemente creare rapporto di sorta. I giudici cantonali hanno al proposito giustamente osservato che la cartella ipotecaria al portatore incorpora il credito ed è essa stessa oggetto della vita giuridica (LIVER, in Schweizerisches Privatrecht, vol. V/1, pag. 313). La questione posta dall'attrice, nel senso che il convenuto non è mai stato creditore di colei che ha costituito la cartella non è quindi determinante. Decisivo, in concreto è invece il quesito a sapere se una cartella ipotecaria al portatore può essere oggetto di acquisto originario ai sensi dell'art. 722 cpv. 1 CC da parte di chi l'ha trovata. Anche se non affrontato dalle parti, codesto tema, attinente all'applicazione del diritto, deve nondimeno essere esaminato d'ufficio.
b) Per taluni autori (HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Commento zurighese, n. 6 segg. all'art. 714 CC e n. 2 agli art. 720-722 CC; LEEMANN, Commento bernese, n. 13 ad art. 720 CC; LIVER, loc.cit.; R. AMMANN, Das Fundrecht des schweiz. Zivilgesetzbuches, tesi, Zurigo, 1960, pag. 4 n. 11) le carte valori che rientrano nel concetto di cosa mobile dei diritti reali possono fare oggetto di ritrovamento con le conseguenze stabilite dalla legge. Una cartella ipotecaria al portatore incorpora il credito, che viene trasferito con la stessa e può per principio portare ad un acquisto originario se sono adempiute le condizioni di cui agli art. 720 segg. CC. Diversa è invece la situazione per i titoli nominativi, che indicano il creditore e che di conseguenza permettono di restituirli al legittimo proprietario che li ha smarriti (HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Commento zurighese, n. 2 agli art. 720-722 CC; R. AMMANN, loc.cit.). Le suesposte considerazioni non sembrano però condivise da JÄGGI (Commento zurighese, n. 317 all'art. 965 CO: cfr. inoltre, Steinauer, Les droits réels, vol. II, 2a ed., n. 1983 segg.). Secondo JÄGGI, chi trova una carta valore trova solo il documento. Il credito documentato non può invece andar perso, né tantomeno essere ritrovato. Quest'ultima opinione vuole denegare il carattere di cosa mobile generalmente riconosciuto alla cartella ipotecaria al portatore dall'ordinamento sui diritti
BGE 124 III 241 S. 243
reali. Secondo questo autore nell'ambito dell'applicazione degli art. 720 segg. CC gli interessi sono diversi a seconda se si tratta di riconoscere l'acquisto originario su cose trovate che rimarrebbero altrimenti inutilizzate (cose in senso proprio, compreso il denaro) oppure su carte valori al portatore che richiedono una prestazione del debitore. In quest'ultimo caso, appare assai più indicato far decadere la prestazione del debitore, che è comunque coinvolto nel diritto incorporato al titolo, anziché riconoscere un diritto del ritrovatore al conseguimento della proprietà.
Il nostro codice civile prevede una disciplina generale per tutte le cose smarrite e nella realtà non sembra opportuno scostarsi da codesta regola anche nel caso di ritrovamento di una cartella ipotecaria al portatore, che è considerata cosa nel comune senso della legge (LIVER, op.cit., pag. 313; HAAB/SIMONIUS/REUSSER/ZOBL, Commento zurighese, n. 6 all'art. 714 CC). Infatti, sebbene JÄGGI contesti in particolare la teoria sulla proprietà, secondo cui dal diritto incorporato nella carta valore segue il diritto alla carta valore (Commento zurighese, n. 307 seg. all'art. 965 CC), egli non nega che il creditore di una cartella ipotecaria può unicamente legittimarsi con il titolo; ciò non può significare altro che il diritto al credito segue quello al titolo. La teoria di JÄGGI si fonda su una distinzione artificiale fra il diritto al credito e la legittimazione a far valere lo stesso. Sebbene sia vero che, di regola, le cose mobili hanno un valore intrinseco, mentre una cartella ipotecaria ha unicamente un valore nella misura in cui il debitore soddisfa la pretesa incorporatavi, ciò non è sufficiente per far apparire convincente la soluzione secondo cui il debitore, coinvolto nel diritto incorporato al titolo, debba essere privilegiato nei confronti del ritrovatore. Del resto, il menzionato autore ammette di non poter mantenere la propria argomentazione quando si tratta di biglietti di entrata o di mezzi di trasporto pubblici (Commento zurighese, n. 317 all'art. 965 CC).
c) Giova inoltre rilevare che il ritrovamento di una cartella ipotecaria al portatore smarrita dovrebbe di regola permettere di ritrovare il legittimo proprietario, perché consente di risalire al debitore e al proprietario del fondo gravato, i quali dovrebbero essere in grado di indicare chi sia il proprietario della cartella a loro noto. Contattando quest'ultimo, si potrà risalire, se del caso, al portatore successivo e così via. Il fatto che nella fattispecie gli attori non abbiano preteso che la cartella smarrita fosse una cartella del proprietario, e quindi a loro spettante, né che essi non abbiano voluto indicare il creditore al quale la cartella venne per primo consegnata stupisce
BGE 124 III 241 S. 244
non poco. Far decadere la cartella trovata a favore del proprietario gravato in disattenzione dell'art. 722 cpv. 1 CC, come vuole JÄGGI, appare pertanto ancora meno giustificato, perché, se il ritrovamento della cartella persa andasse a suo favore, egli sarebbe fortemente indotto - come peraltro è avvenuto nel concreto caso - a non svelare nulla sulla persona del creditore, ciò che - chiaramente - contrasterebbe con senso e scopo dell'art. 720 CC.
d) In conclusione, quindi, ben si deve ammettere che una cartella ipotecaria al portatore smarrita può fare oggetto di acquisto originario ai sensi dell'art. 722 cpv. 1 CC da parte del suo ritrovatore e sempreché siano adempiute tutte le altre condizioni previste dalla legge.
Nella misura in cui è ammissibile, il ricorso è respinto e la sentenza impugnata confermata. | null | nan | it | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1005e10-1efd-4e84-9818-dfea3d742256 | Urteilskopf
124 III 277
50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. März 1998 i.S. Quarz AG, Campomar S.L. und Nike Sport Cosmetics S.A. gegen Nike International Ltd. (Berufung) | Regeste
Art. 15 MSchG
. Schutz der berühmten Marke.
Begriff der berühmten Marke (E. 1).
Übergangsrechtliche Behandlung von berühmten Marken und von Drittrechten, die ihnen gestützt auf
Art. 15 Abs. 2 MSchG
entgegengehalten werden (E. 2).
Wann liegt eine Rufausnützung im Sinne von
Art. 15 Abs. 1 MSchG
vor (E. 3)? | Sachverhalt
ab Seite 277
BGE 124 III 277 S. 277
A.-
Die amerikanische Gesellschaft Nike International Ltd. stellt Sportartikel her, die sie unter dem Zeichen "NIKE" vertreibt. Sie liess ihre Marke "NIKE" in der Schweiz am 12. November 1982 für die Warenklassen 18, 25 und 28 eintragen. Weitere Eintragungen folgten in den Jahren 1986, 1988 und 1992 für die Warenklassen 16 und 25.
Die spanische Gesellschaft Campomar S.L. ist Inhaberin der Marken "NIKE" und "VIGOROSO DONCEL NIKE, Perfumes" für Parfümerieartikel. Sie lässt die von ihr vertriebenen Parfümerieartikel
BGE 124 III 277 S. 278
durch die Nike Sport Cosmetic S.A. herstellen, die ihren Sitz ebenfalls in Spanien hat. In der Schweiz befasst sich die Quarz AG mit dem Vertrieb der Parfümerieartikel. Die Campomar S.L. liess die - in Spanien erstmals im Jahre 1940 hinterlegte - Marke "NIKE" für Parfümerieartikel in der Klasse 3 am 10. August 1984 mit Geltung auch für die Schweiz eintragen. Am 10. Mai 1991 wurde für die gleiche Warenkategorie zusätzlich die Marke "VIGOROSO DONCEL NIKE" eingetragen.
Im Spätherbst 1993 begann die Quarz AG mit der Lancierung der Kosmetiklinie "NIKE SPORT FRAGRANCE" in der Schweiz. Nachdem sich die Quarz AG mit dem Vorschlag näherer Kontakte zur "Wahrnehmung gewisser Synergien" an die schweizerische Tochtergesellschaft der Nike International Ltd. gewendet hatte, teilte der von dieser beigezogene Rechtsanwalt mit Schreiben vom 30. Juni 1994 mit, dass die Nike International Ltd. eine Zusammenarbeit entschieden ablehne und einen Gebrauch der Marke "NIKE" nicht dulden werde. Die beigelegte Unterlassungserklärung wurde indessen weder von der Quarz AG, noch von der Campomar S.L. oder der Nike Sport Cosmetic S.A. unterzeichnet.
B.-
Am 7. April 1995 reichte die Nike International Ltd. beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Quarz AG (Beklagte 1), die Campomar S.L. (Beklagte 2) und die Nike Sport Cosmetic S.A. (Beklagte 3) ein. Sie verlangte einerseits ein an die Beklagten gerichtetes Verbot des Gebrauchs des Zeichens "NIKE" im Geschäftsverkehr, anderseits die Ungültigerklärung des schweizerischen Teils der von der Beklagten 2 für Waren der Klasse 3 hinterlegten internationalen Marken 485 964 "NIKE" und 547 207 "VIGOROSO DONCEL NIKE, Perfumes".
Mit Urteil vom 20. Mai 1997 hiess das Handelsgericht die Klage insoweit gut, als es den Beklagten unter Androhung der Verzeigung ihrer Organe an den Strafrichter wegen Zuwiderhandlung gegen
Art. 292 StGB
verbot, unter der Bezeichnung "NIKE" Parfümerieartikel jeglicher Art in die Schweiz einzuführen, hier anzubieten, in den Verkehr zu bringen, oder zu diesem Zwecke zu lagern und das Zeichen "NIKE" im geschäftlichen Verkehr, insbesondere auf Geschäftspapieren und in der Werbung, zur Kennzeichnung von Parfümerieartikeln zu gebrauchen. Im weiteren erklärte es den schweizerischen Teil der internationalen Marke 485 964 "NIKE" für nichtig. In bezug auf die anbegehrte Ungültigerklärung auch der Marke "VIGOROSO DONCEL NIKE, Perfumes" wies es die Klage hingegen ab.
BGE 124 III 277 S. 279
C.-
Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab und bestätigt das Urteil des Handelsgerichts.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der klägerische Unterlassungsanspruch stützt sich auf Art. 15 des Bundesgesetzes über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG; SR 232.11). Nach dieser im Rahmen der Markenrechtsrevision von 1992 eingeführten Vorschrift gilt für berühmte Marken ein erweiterter Schutzbereich: Der Inhaber einer berühmten Marke kann anderen deren Gebrauch nicht nur für bestimmte Warenkategorien (vgl.
Art. 13 Abs. 1 MSchG
), sondern für jede Art von Waren oder Dienstleistungen verbieten, wenn ein solcher Gebrauch die Unterscheidungskraft der Marke gefährdet oder deren Ruf ausnützt oder beeinträchtigt (
Art. 15 Abs. 1 MSchG
). Vorbehalten bleiben allerdings Rechte Dritter, die erworben wurden, bevor die Marke Berühmtheit erlangt hat (
Art. 15 Abs. 2 MSchG
).
a) Das Gesetz sagt nicht, wann eine Marke als berühmt zu gelten hat; der Gesetzgeber hat bewusst auf eine Legaldefinition verzichtet (vgl. BBl 1991 I, S. 27). Anhaltspunkte ergeben sich immerhin daraus, dass
Art. 15 MSchG
berühmte Marken vor Rufausnutzung oder -beeinträchtigung sowie vor Beeinträchtigungen ihrer Unterscheidungskraft schützen will. Von diesem Normzweck ist bei der Auslegung des Begriffs der berühmten Marke auszugehen. Berühmtheit einer Marke ist dort anzunehmen, wo sich der in
Art. 15 MSchG
umschriebene erweiterte Schutz sachlich rechtfertigt. Das ist dann der Fall, wenn es dem Inhaber gelungen ist, seiner Marke eine derart überragende Verkehrsgeltung zu verschaffen, dass ihre durchschlagende Werbekraft sich nicht nur im angestammten Waren- oder Dienstleistungsbereich nutzen lässt, sondern darüber hinaus geeignet ist, auch den Absatz anderer Waren oder Dienstleistungen erheblich zu erleichtern. Die berühmte Marke zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Werbekraft einen in den verschiedensten Bereichen nutzbaren erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellt (vgl. WILFRIED HEINZELMANN, Der Schutz der berühmten Marke, Diss. Zürich 1993, S. 126) und deshalb auch dazu einlädt, von anderen ausgebeutet zu werden (DAVID, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 3 zu
Art. 15 MSchG
). Berühmtheit setzt voraus, dass die Marke sich bei einem breiten Publikum allgemeiner Wertschätzung erfreut; denn solange nur eng begrenzte produktespezifische Abnehmerkreise
BGE 124 III 277 S. 280
die Marke kennen und schätzen, besteht kein legitimes Bedürfnis nach einem erweiterten Schutz (MARBACH, Markenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Basel, Bd. III, S. 215). Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Marke absolut einmalig ist; eine "relative Alleinstellung" genügt (MARTIN SCHNEIDER, Schutzumfang der Marke: Zum Einfluss von Kennzeichnungskraft und Bekanntheitsgrad auf berühmte, bekannte, starke und schwache Marken, SMI 1996, S. 416; vgl. auch CHRISTIAN ENGLERT, Bekannte Marken sind nicht ganz so bekannt wie berühmte, in: Binsenwahrheiten des Immaterialgüterrechts, FS Lucas David 1996, S. 86 f.). Vereinzelte - auch ältere - Drittmarken vermögen der Verkehrsgeltung einer berühmten Marke keinen Abbruch zu tun. Allerdings darf es sich nicht um eine Dutzendmarke handeln, die immer und immer wieder anzutreffen ist; für solche Marken rechtfertigt sich ein erweiterter Schutz von Ruf und Unterscheidungskraft nicht, da ihnen ausserhalb des angestammten Warenbereichs sowohl die nötige Unterscheidungskraft als auch ein besonderer Ruf fehlt, den ein erheblicher Teil der Markenadressaten unwillkürlich einem bestimmten Markeninhaber zuordnen würde (vgl. MARBACH, a.a.O.; DAVID, a.a.O.).
b) Das Handelsgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, dass ein Grossteil der Sporttreibenden die Marke der Klägerin kennen dürfte. Denn der aktive Sportler (und längst nicht mehr nur der Jogger) sehe sich bei der Auswahl von Trainingsschuhen und Sportbekleidung fast zwangsläufig mit Waren konfrontiert, welche die klägerische Marke tragen. Die Werbung der Klägerin tauche im Zusammenhang mit "Running", "Jogging" oder auch Tennis usw. immer wieder auf. Es gebe wenige Wettkämpfe der Spitzenklasse, bei denen nicht auf der Bandenwerbung oder auf Startnummern und Bekleidung der Athleten die klägerische Marke zu sehen sei. Internationale Fernsehübertragungen von Marathonwettkämpfen, Triathlons oder Basketballturnieren sowie schweizerische Veranstaltungen von Wettkämpfen mit internationaler Bedeutung und Beachtung, wie z.B. das Zürcher Leichtathletikmeeting, hätten die klägerische Marke seit etwa Mitte der achtziger Jahre auch dem Passivsportler in der Schweiz vertraut gemacht. Zu berücksichtigen sei ebenfalls das seit den neunziger Jahren wachsende Markenbewusstsein der breiten Bevölkerungsschichten; insbesondere bei Jugendlichen habe sich ein regelrechter Markenkult gebildet, was auch den - zahlenden - Eltern nicht entgehen könne. Zu den begehrten Marken gehöre ebenfalls diejenige der Klägerin. "NIKE"
BGE 124 III 277 S. 281
zähle zumindest in der Schweiz zu den zwei, drei bekanntesten Sportartikelmarken.
c) Wenn das Handelsgericht aus diesen Feststellungen schliesst, dass die klägerische Marke spätestens seit Beginn der neunziger Jahre Berühmtheit erlangt hat, so ist dieser Schluss bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen ist ohne weiteres davon auszugehen, dass sich die klägerische Marke sowohl bei Aktiv- als auch bei Passivsportlern und damit in breiten Bevölkerungskreisen einer allgemeinen Wertschätzung erfreut, und dass sie deshalb eine überragende Verkehrsgeltung geniesst, die es erlaubt, die Werbekraft des Zeichens nicht nur für die Vermarktung von Sportartikeln zu nutzen, sondern auch für die Vermarktung von anderen Waren, insbesondere von Produkten, die in der Werbung in eine gedankliche Verbindung zum Sport gebracht werden. Die Beklagten verfügen zwar im Ausland, namentlich in Spanien, ebenfalls über seit Jahrzehnten bestehende Markenrechte am Zeichen "NIKE". Dies dürfte dem schweizerischen Publikum aber kaum bekannt sein. Es handelt sich offensichtlich um vereinzelte Drittrechte, die der Berühmtheit der klägerischen Marke zum vornherein nicht entgegenstehen.
d) In ihrer Berufung scheinen denn die Beklagten die Berühmtheit der klägerischen Marke auch gar nicht mehr in Abrede zu stellen. Ihrer Ansicht nach ist ein Unterlassungsanspruch der Klägerin jedoch aus den folgenden drei Gründen zu verneinen: erstens wegen entgegenstehender wohlerworbener Rechte der Beklagten im Sinne von
Art. 15 Abs. 2 MSchG
(E. 2 hienach), zweitens wegen Fehlens einer Rufausbeutung durch die Beklagten (E. 3 hienach) und drittens wegen widersprüchlichen und damit rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin.
2.
Das neue Markenschutzgesetz ist am 1. April 1993 in Kraft getreten. Nach Ansicht der Beklagten kann sich die Klägerin erst ab diesem Zeitpunkt auf die Berühmtheit ihrer Marke berufen. Davon geht auch das Handelsgericht aus. Die Beklagten machen geltend, sie hätten bereits vor dem 1. April 1993 Rechte am Zeichen "NIKE" erworben, die sie der Klägerin gestützt auf
Art. 15 Abs. 2 MSchG
entgegenhalten könnten. Dabei stellen sie zwar nicht in Abrede, dass ihre 1984 eingetragene Marke "NIKE" infolge Nichtgebrauchs zu einer "Registerleiche" geworden war. Sie behaupten jedoch, ihr Markenrecht sei 1992 wieder aufgelebt, weil die Beklagte 2 in diesem Jahr eine Kundin in Deutschland beliefert habe, was gemäss Art. 5 des Übereinkommens vom 13. April 1892 zwischen der
BGE 124 III 277 S. 282
Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz (SR 0.232.149.136) einem Markengebrauch in der Schweiz gleichzustellen sei. Auf diese Argumentation ist zurückzukommen (E. c hienach).
Vorweg ist indessen der Einwand der Klägerin zu prüfen, die Denkweise der Beklagten sei "schon im Ansatz falsch". Nach Auffassung der Klägerin ist die Berühmtheit ihrer Marke bei der Anwendung von
Art. 15 Abs. 2 MSchG
nämlich nicht erst ab dem 1. April 1993, sondern bereits seit Beginn der neunziger Jahre zu beachten, mit der Folge, dass sich die Beklagten selbst bei einer Aufnahme des Gebrauchs ihrer Marke im Jahre 1992 nicht auf wohlerworbene Rechte berufen könnten. Damit wendet sich die Klägerin zugleich gegen die - insoweit mit dem Standpunkt der Beklagten übereinstimmenden - Erwägungen der Vorinstanz. Zu einer solchen Kritik an einzelnen Punkten der vorinstanzlichen Urteilsbegründung ist sie im Rahmen der Berufungsantwort befugt (
BGE 118 II 36
E. 3 S. 37, mit Hinweis).
a) Mit ihrem Einwand wirft die Klägerin die Frage auf, wie berühmte Marken und ihnen entgegengehaltene Drittrechte übergangsrechtlich zu handhaben sind. Grundlage des schweizerischen intertemporalen Privatrechts bilden die allgemeinen Vorschriften des Schlusstitels des ZGB. Dessen Art. 1 hält den Grundsatz der Nichtrückwirkung fest.
Art. 3 SchlT ZGB
konkretisiert diesen Grundsatz in bezug auf Dauerrechtsverhältnisse, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Parteien durch das Gesetz umschrieben wird: Auf solche Rechtsverhältnisse ist bis zum Inkrafttreten der Rechtsänderung das alte und ab diesem Zeitpunkt das neue Recht anwendbar. In Übereinstimmung mit dieser Vorschrift bestimmt
Art. 76 Abs. 1 MSchG
, dass die beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes eingetragenen Marken von diesem Zeitpunkt an dem neuen Recht unterstehen. Gemäss
Art. 76 Abs. 2 lit. a MSchG
richtet sich jedoch die Priorität für solche Marken weiterhin nach altem Recht (vgl. MARBACH, Das neue Markenschutzgesetz: Die Übergangsbestimmungen, AJP 1993, S. 549 f.).
In analoger Anwendung von
Art. 76 Abs. 2 lit. a MSchG
ist davon auszugehen, dass die Frage, ob der berühmten Marke oder den geltend gemachten Drittrechten der Vorrang zukommt, auf der Grundlage des alten Rechts zu beurteilen ist, soweit sich die massgebenden Sachverhalte vor dem Inkrafttreten des neuen Markenschutzgesetzes verwirklicht haben. Das bedeutet einerseits, dass in bezug auf die Drittrechte die Prioritätsregeln des alten Markenschutzgesetzes
BGE 124 III 277 S. 283
zu beachten sind. Anderseits ist aber auch in bezug auf die Abwehrrechte des Inhabers der berühmten Marke das alte Recht massgebend. Die zeitlich früher erlangte Berühmtheit einer Marke kann daher Dritten, die sich auf vor dem Inkrafttreten des neuen Markenschutzgesetzes erworbene Rechte berufen, nur - aber immerhin - insoweit entgegengehalten werden, als sie den Markeninhaber im Zeitpunkt der Begründung der Drittrechte berechtigt hätte, den Dritten den Gebrauch ihrer Zeichen verbieten zu lassen. Als wohlerworben können Drittrechte nur gelten, wenn sie erworben worden sind, bevor die Berühmtheit einer gleichen oder ähnlichen Marke deren Inhaber einen Verbotsanspruch verliehen hat. Ein solcher Verbotsanspruch ergab sich nach altem Recht zwar nicht aus dem Markenschutzgesetz, wohl aber aus den Vorschriften über den Persönlichkeitsschutz und über den unlauteren Wettbewerb, sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben waren (vgl.
BGE 116 II 463
ff. sowie 614 ff., je mit Hinweisen).
b) Die Beklagten behaupten, dass ihre Rechte am Zeichen "NIKE" durch den im Jahre 1992 aufgenommenen Markengebrauch prioritätsbegründend wieder aufgelebt seien. Zu diesem Zeitpunkt hatte jedoch die klägerische Marke bereits Berühmtheit erlangt, ergibt sich doch aus den Feststellungen im angefochtenen Urteil, dass spätestens seit Beginn der neunziger Jahre von der Berühmtheit der klägerischen Marke auszugehen ist (E. 1 hievor). Ein Gebrauch des Zeichens "NIKE" durch die Beklagten im Jahre 1992 hätte aber einerseits das Namensrecht der Klägerin verletzt und wäre anderseits als schmarotzerisch und damit unlauter zu qualifizieren gewesen (vgl. E. 3 hienach). Die Klägerin hätte somit den Beklagten den Gebrauch des Zeichens verbieten lassen können, weshalb die von ihnen geltend gemachten Rechte nicht als wohlerworben gelten können.
Art. 15 Abs. 2 MSchG
vermag den Beklagten schon aus diesem Grund nicht zu helfen.
c) Im übrigen irren die Beklagten, wenn sie annehmen, die im Jahre 1992 erfolgten Lieferungen an eine deutsche Kundin seien einem Markengebrauch in der Schweiz gleichzustellen. Wie die Klägerin zutreffend darlegt, berufen sich die Beklagten zu Unrecht auf den schweizerisch-deutschen Staatsvertrag vom 13. April 1892 betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz. Denn die Rechte aus diesem Staatsvertrag können zum vornherein nur deutsche und schweizerische Staatsangehörige sowie Angehörige dritter Staaten mit Wohnsitz oder Niederlassung in Deutschland oder in der Schweiz beanspruchen, wobei es für juristische Personen
BGE 124 III 277 S. 284
allerdings genügt, wenn sie eine tatsächliche und nicht nur zum Schein bestehende gewerbliche oder Handelsniederlassung in einem der Vertragsstaaten haben (HEINRICH DAVID, Der schweizerisch-deutsche Staatsvertrag vom 13. April 1892 betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz, GRUR Int. 1972, S. 269; HELMUT DROSTE, Unbenutzte Zeichen und Art. 5 des deutsch-schweizerischen Übereinkommens von 1892, GRUR 1974, S. 523). Daran ändert nichts, dass Art. 2 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 (PVUe Stockholm; SR 0.232.04) allen Verbandsländern die Inländergleichbehandlung vorschreibt. Denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf die Vorteile, die den Inländern durch innerstaatliche Gesetze gewährt werden, nicht jedoch auf Rechte, die in internationalen Abkommen verankert sind (BODENHAUSEN, Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, Köln/ Berlin/Bonn/München 1971, S. 22). Da die Beklagte 2, die 1992 eine Kundin in Deutschland beliefert haben will, in Spanien ansässig ist und weder in der Schweiz noch in Deutschland eine Niederlassung besitzt, kann sie aus dem schweizerisch-deutschen Staatsvertrag von 1892 keine Rechte für sich herleiten. Unbehelflich ist auch der Standpunkt, wonach der Meistbegünstigungsgrundsatz gemäss Art. 4 des Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen; SR 0.632.20, S. 342 ff., Anhang 1.C zum WTO-Abkommen) der Beklagten 2 die Berufung auf den Staatsvertrag erlauben soll. Mit dieser Argumentation übersehen die Beklagten, dass Art. 4 des TRIPS-Abkommens nur auf neue Staatsverträge vorbehaltlos Anwendung findet, während Staatsverträge, die vor dem Inkrafttreten des WTO-Abkommens, mithin vor dem 1. Juni 1995 in Kraft getreten sind, von der Meistbegünstigungswirkung grundsätzlich ausgenommen bleiben (Art. 4 lit. d des TRIPS-Abkommens).
3.
Das Handelsgericht hält den Beklagten vor, mit der Lancierung einer an den sportlichen Mann gerichteten Kosmetiklinie unter dem Zeichen "NIKE" den Ruf der Klägerin auszunützen. Die Beklagten beanstanden dies als "pauschale Annahme" und bezeichnen die Schlussfolgerung der Vorinstanz als unhaltbar.
a) Die berühmte Marke zeichnet sich dadurch aus, dass sich ihre grosse Werbekraft nicht nur zur Vermarktung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, sondern auch in anderen Bereichen wirtschaftlich nutzen lässt (E. 1a hievor). Eine solche Nutzung soll dem Inhaber der berühmten Marke, der deren Ruf
BGE 124 III 277 S. 285
aufgebaut hat, vorbehalten bleiben (WILFRIED HEINZELMANN, a.a.O., .S. 126 f.). Eine Marke wird nicht von selbst berühmt. Sie zu Berühmtheit zu bringen, kostet Anstrengung. Die Früchte dieser Anstrengung soll der Markeninhaber selbst geniessen können; sie sollen nicht Dritten zufallen. Deswegen verleiht
Art. 15 Abs. 1 MSchG
dem Markeninhaber einen Abwehranspruch gegen Versuche Dritter, ihre eigenen Zeichen im Windschatten seiner berühmten Marke zu positionieren (MARBACH, Markenrecht, a.a.O., S. 216). Dabei setzt das Gesetz keine Absicht der Rufausnützung voraus. Der fremde Markengebrauch muss nicht absichtlich darauf ausgelegt sein, den Ruf der berühmten Marke auszunützen. Es genügt vielmehr, wenn er objektiv zu schmarotzerischer Rufausnützung führt, indem Dritte gewissermassen als Trittbrettfahrer vom Ruf profitieren können, den der Markeninhaber für sein berühmtes Zeichen errungen hat (vgl. WILFRIED HEINZELMANN, a.a.O., S. 136).
Ob eine Rufausnützung im umschriebenen Sinne gegeben ist, hängt entscheidend davon ab, ob sich die mit der berühmten Marke verbundenen Gütevorstellungen und Werbebotschaften auf die unter dem gleichen Zeichen angebotenen Waren Dritter übertragen lassen (vgl. MARTIN SCHNEIDER, a.a.O., S. 424). Ist zu erwarten, dass die massgebenden Verkehrskreise eine derartige Übertragung vornehmen, kommt der Ruf der berühmten Marke dem Drittangebot zugute. Der Inhaber der berühmten Marke muss es sich aber nicht gefallen lassen, dass sein Werbeerfolg von Dritten als Vorspann für die eigenen Produkte verwendet wird (MARBACH, Markenrecht, a.a.O.).
b) Angesichts der überragenden Verkehrsgeltung, zu der die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanz ihrer Sportartikel-Marke verholfen hat (E. 1b und c hievor), liegt auf der Hand, dass die Beklagten beim Absatz ihrer an den sportlichen Mann gerichteten Kosmetik-Produkte objektiv vom Ruf des klägerischen Zeichens profitieren würden. Die Vorstellungen sportlicher Dynamik, die das Publikum mit der klägerischen Marke verbindet, sind ohne weiteres auf eine Kosmetiklinie übertragbar, bei deren Vermarktung ebenfalls der Charakter der Sportlichkeit herausgestrichen wird. Die Beklagten könnten daher, würde ihnen der Gebrauch des Zeichens "NIKE" erlaubt, den klägerischen Werbeerfolg auf die eigenen Mühlen lenken. Genau dies will jedoch
Art. 15 MSchG
verhindern. Ob, wie das Handelsgericht gestützt auf eine Reihe von Indizien annimmt, die Beklagten darüber hinaus bewusst versuchen, sich an den klägerischen Ruf anzulehnen, spielt nach dem Gesagten keine Rolle.
BGE 124 III 277 S. 286
c) Abwegig ist im übrigen der von den Beklagten beiläufig erhobene Einwand, die klägerische Marke sei gar nicht schutzfähig, weil "NIKE" eine Sachbezeichnung sei, für die ein Freihaltebedürfnis bestehe. Es trifft zwar zu, dass "N-ikh" der Name der Siegesgöttin der alten Griechen ist und das Wort auch im Neugriechischen die Bedeutung "Sieg" hat. Die Klägerin macht jedoch zu Recht geltend, dass siegreich nicht Waren oder Dienstleistungen sind, sondern höchstens die Menschen, die sich ihrer bedienen. Das Wort "NIKE" ist schon aus diesem Grund nicht als blosse Sachbezeichnung anzusehen, ohne dass näher abgeklärt zu werden braucht, wieweit seine Bedeutung den schweizerischen Markenadressaten überhaupt bekannt ist. Abgesehen davon ergibt sich die Schutzfähigkeit der berühmten klägerischen Marke auch bereits aus ihrer unbestreitbaren Verkehrsdurchsetzung. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1009c79-c8b4-49d3-b3b5-5f5ce2c8b098 | Urteilskopf
99 II 315
44. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Mai 1973 i.S. Vögtli gegen Müller. | Regeste
Internationales Privatrecht. Das anwendbare Recht ist von Amtes wegen zu bestimmen (Erw. 2).
Rechtswahl durch gemeinsame Berufung der Parteien auf ein bestimmtes Recht. Frage offen gelassen (Erw. 3a).
Art. 85 Abs. 2 SVG
sieht die Anwendung schweizerischen Rechtes nicht schlechthin, sondern nur für das SVG selber vor (Erw. 3b). Anwendbares Recht bei der Haftung aus unerlaubter Handlung und aus Gesellschaftsvertrag (Erw. 3c).
Strassenverkehrsgesetz. Begriff des Mithalters. Das SVG gilt nicht für das Haftungsverhältnis zwischen Mithaltern eines Motorfahrzeuges, die bei einem Unfall als Lenker und Mitfahrer geschädigt werden, ohne dass ein anderer Halter oder Dritter verantwortlich wäre. Frage offen gelassen, ob das SVG die Haftung aus Vertrag ersetze (Erw. 4).
Gesellschaftsvertrag. Die Abrede, ein Motorfahrzeug gemeinsam anzuschaffen, zu benützen und wiederzuveräussern bei hälftiger Teilung der Kosten und des Verkaufserlöses, untersteht den Vorschriften der einfachen Gesellschaft (Art. 530 f. OR). Der Mithalter und Fahrzeuglenker haftet dem andern Mithalter nach
Art. 538 Abs. 1 und 2 OR
für den Personen- und Sachschaden, den er ihm durch einen schuldhaft verursachten Unfall zugefügt hat. Der Ersatzanspruch verjährt in zehn Jahren (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 316
BGE 99 II 315 S. 316
A.-
Rudolf Vögtli und Werner Müller, beide Automecha niker von Beruf und in Basel wohnhaft, erwarben zusammen im Jahre 1963 ein Occasionsautomobil zu gemeinsamer Benützung und späterem gemeinsamem Wiederverkauf, alles bei hälftiger Teilung der Kosten und des Verkaufserlöses. Die Haftpflichtversicherung wurde bei der "Secura" Versicherungsgesellschaft abgeschlossen, und zwar vom Vater des Werner Müller, Max Müller, der als Versicherungsnehmer und als Halter in Erscheinung trat. Vögtli war rechtsschutzversichert bei der Défense automobile et sportive in Genf (DAS). Im Frühjahr 1963 unternahmen Vögtli, Werner Müller und dessen Bruder Martin mit dem erwähnten Wagen eine Ferienreise nach Frankreich. Am 23. April 1963 erlitten sie in Tarnos einen Unfall. Werner. Müller verlor die Herrschaft über das Fahrzeug, das aus der Fahrbahn geriet, gegen einen Baum und eine Mauer prallte und zerschellte. Alle drei Insassen wurden erheblich verletzt. Vögtli war mehr als eineinhalb Jahre vollständig arbeitsunfähig und ist nach Schätzung der SUVA zu 25% bleibend invalid. Werner Müller wurde am 20. Dezember 1963 vom Tribunal de Grand Instance in Dax wegen fahrlässiger Körperverletzung und Missachtung von Verkehrsregeln zu einer Busse von FFr. 320.-- verurteilt. Die Secura lehnte gegenüber
BGE 99 II 315 S. 317
Werner Müller und Vögtli die Haftung ab, weil nicht Max Müller, sondern sie beide Halter des Fahrzeuges gewesen seien. In der Folge verlangte Vögtli von Werner Müller Ersatz für den von der SUVA nicht gedeckten Schaden. Müller lehnte die Haftung ab und berief sich zudem bis zum 13. Mai 1970 auf Verjährung.
B.-
Im Juli 1970 klagte Vögtli gegen Werner Müller auf Zahlung von Fr. 75 000.-- nebst Verzugszins und behielt sich eine Mehrforderung vor. Zugleich verkündete er der DAS den Streit und verlangte deren Verurteilung zur Zahlung des gleichen Betrages für den Fall, dass die Verjährungseinrede des Beklagten geschützt werde.
Das Verfahren wurde zunächst auf die Verjährungsfrage beschränkt. Die Streitberufene beteiligte sich am Prozess nicht, reichte aber eine Vernehmlassung ein, in der sie die Ansicht vertrat, es gelte französisches Recht und danach seien die Ansprüche des Klägers nicht verjährt, da die Frist 30 Jahre betrage.
Die Gerichte des Kantons Basel-Stadt, das Appellationsgericht mit Urteil vom 24. November 1972, stellten fest, dass der Ersatzanspruch hinsichtlich des Schadens am Automobil nicht verjährt sei, und wiesen im übrigen die Klage ab.
C.-
Der Kläger legte Berufung an das Bundesgericht ein mit dem Begehren, die Verjährungseinrede des Beklagten zu verwerfen und die Sache zur materiellen Behandlung an die Gerichte des Kantons Basel-Stadt zurückzuweisen. Die Streitberufene bleibt bezüglich der Verjährungsfrage auf ihrem Standpunkt.
Der Beklagte beantragt, den Entscheid des Appellationsgerichtes zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Eintretensfrage).
2.
Ob eidgenössisches oder ausländisches Recht auf das Streitverhältnis anwendbar sei, hat das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen (
BGE 96 II 87
,
BGE 94 II 302
). Die Frage der Verjährung richtet sich nach dem Recht, dem das zu beurteilende Schuldverhältnis untersteht (
BGE 78 II 148
Erw. 2).
3.
a) Beide Parteien argumentierten im kantonalen Verfahren auf Grund schweizerischen Rechtes. Das Zivilgericht
BGE 99 II 315 S. 318
erklärt unter Hinweis auf
BGE 87 II 200
, die gemeinsame Berufung auf ein bestimmtes Recht sei mangels bewussten Willens noch keine Rechtswahl. Das ist an sich richtig, bedeutet aber nicht, dass solches Verhalten der Parteien schlechtin unbeachtlich wäre. Es kann je nach den Umständen Ausdruck oder Folge bewusster stillschweigender Rechtswahl oder dafür zumindest ein Indiz sein (BGE
BGE 87 II 201
; VISCHER, Internationales Privatrecht, in Schweizerisches Privatrecht I S. 666/67, 668; SCHÖNENBERGER/JÄGGI,Kommentar zum OR, Allgemeine Einleitung N. 208, 210, 243, 245-248). Ob das vorliegend zutrifft und die Parteien im Bewusstsein, dass sich die Frage nach dem anwendbaren Recht stelle, eine gültige Rechtswahl getroffen haben, kann indessen offen bleiben, wenn nach objektiver Anknüpfung das einheimische Recht anzuwenden ist.
b) Das Appellationsgericht hält mit dem Zivilgericht unter Hinweis auf
BGE 95 II 635
dafür, dass nach
Art. 85 Abs. 2 SVG
schweizerisches Recht anwendbar sei. Das den Unfall verursachende Fahrzeug war mit schweizerischen Kontrollschildern versehen, und der Geschädigte hatte zur Zeit des Unfalles in der Schweiz Wohnsitz. Daraus folgt aber nicht schlechthin die Anwendbarkeit schweizerischen Rechtes, sondern nur für das SVG selber, d.h. für die "Haftpflicht- und Versicherungsbestimmungen dieses Gesetzes", wie der Text ausdrücklich erklärt. Etwas anderes ergibt sich auch aus dem angeführten Präjudiz nicht.
c) Zu prüfen ist alsdann, ob auch der aus Vertrag oder unerlaubter Handlung abgeleitete Klageanspruch schweizerischem Recht unterstehe.
aa) In Übereinstimmung mit den beidseitigen Vorbringen im Prozess bezeichnen die kantonalen Gerichte das Rechtsverhältnis der Parteien als einfache Gesellschaft mit dem Zweck, gemeinsam und mit hälftiger Beteiligung ein Occasionsautomobil anzuschaffen, zu benützen und wieder zu verkaufen. Daraus, dass sich der Unfall auf der Ferienreise nach Frankreich ereignet hat, ergibt sich eine Beziehung zum Ausland, die der Klärung des anwendbaren Rechts ruft. Nach Lehre und Rechtsprechung unterstehen Verträge, die mit verschiedenen Rechtsordnungen Beziehungen haben, mangels abweichender Meinung der Parteien dem Rechte jenes Staates, mit dem sie räumlich am engsten zusammenhangen. Das ist in der Regel das Recht am Wohnsitzjener Partei, welche die den Vertrag kennzeichnende
BGE 99 II 315 S. 319
Leistung erbringt (vgl.
BGE 96 II 89
mit Hinweisen). Anknüpfungspunkt für den Gesellschaftsvertrag ist der Wohnsitz des in erster Linie mit der Geschäftsführung betrauten Gesellschafters (vgl. VISCHER, a.a.O. S. 678). Im vorliegenden Fall hatten gleicherweise beide Parteien die Angelegenheiten der Gesellschaft wie Pflege, Unterhalt und Benützung des Fahrzeuges zu besorgen und waren befugt, damit zusammenhängende Rechtsgeschäfte mit Dritten als Vertreter der Gesellschaft abzuschliessen. Beide Parteien wohnen in der Schweiz. Hier wurde der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen und sollte er voraussichtlich mit dem Verkauf des Fahrzeuges auch beendigt werden. Der Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit - er wurde durch die Ferienreise nach Frankreich bloss vorübergehend verlagert - befand sich in der Schweiz, was zusätzlich für die Anwendung schweizerischen Rechtes spricht (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 322 in Verbindung mit SIEGWART, Vorbemerkungen zu
Art. 530-551 OR
, N. 129; VISCHER, a.a.O. S. 678).
bb) Für die Haftung aus unerlaubter Handlung gilt grundsätzlich das Recht am Deliktsort (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 326; VISCHER, a.a.O. S. 688). Eine Ausnahme enthält
Art. 85 Abs. 2 SVG
. Im gleichen Sinne rechtfertigen begründete Erwartungen der Parteien eine Abweichung zugunsten des gemeinsamen Wohnsitzrechtes, wenn der ausländische Begehungsort im Hinblick auf eine zwischen den Parteien bestehende rechtliche oder tatsächliche Beziehung als zufällig erscheint oder wenn eine soziale Einbettung des Deliktes, ohne dass der Begehungsort als zufällig zu bezeichnen ist, vorliegt, z.B. unerlaubte Handlungen innerhalb einer geschlossenen Personengruppe, deren Angehörige im gleichen fremden Recht domiziliert sind (vgl. VISCHER, a.a.O. S. 696 f.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O. N. 327, 328 und 339). Die erstgenannte Voraussetzung trifft hier zu, weshalb schweizerisches Recht anzuwenden ist.
4.
Unbestritten ist, dass beide Parteien die Anschaffungs- und Betriebskosten des Wagens übernommen haben. Sie hatten auch gemeinsam die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug, waren also Mithalter. Daran ändert nichts, dass der Fahrzeugausweis auf den Vater des Beklagten lautete (vgl.
BGE 62 II 138
/39,
BGE 77 II 60
Erw. 1,
BGE 92 II 42
, OFTINGER, Haftpflichtrecht II/2 S. 484 f. und 489).
Zu prüfen ist, ob der Beklagte nach den Bestimmungen des SVG haftet.
BGE 99 II 315 S. 320
Das SVG ordnet unter anderem die Haftung und die Versicherung für Schäden, die durch Motorfahrzeuge verursacht werden (Art. 1). Das bedeutet indessen nicht, dass sich die Haftung für jeden durch ein Motorfahrzeug verursachten Personen- und Sachschaden nach diesem Gesetz beurteilt. Das SVG regelt im IV. Titel über "Haftung und Versicherung" die Haftpflicht des Motorfahrzeughalters und ihm gleichgestellter Rechtssubjekte des privaten und öffentlichen Rechts gegenüber Dritten und anderen Haltern (Art. 58 ff, 71, 72, 73, 75). Es regelt nicht das Haftungsverhältnis zwischen Mithaltern eines Motorfahrzeugs bei einem Unfall, durch den sie geschädigt und an dem sie selber als Lenker und Mitfahrer beteiligt sind, ohne dass ein anderer Halter oder Dritte haftbar wären. Dafür bietet sich, weil die Betriebsgefahr des einzelnen Motorfahrzeugs nicht aufteilbar ist und die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen nicht entsprechen oder sich überschneiden, auch mittels Auslegung oder analoger Anwendung von Haftungsbestimmungen des SVG keine Lösung an. Denn Motorfahrzeughalter sind alle Mithalter in gleicher Weise und sie bleiben es für ihr gemeinsames Fahrzeug auch als Lenker und Mitfahrer. Was immer sie aus SVG-Bestimmungen an Haftungsansprüchen gegeneinander ableiten könnten, müsste sich unvermeidlich auch gegen sie selber richten und würde nicht zur Haftungsausscheidung taugen. Wie unter den gleichen äusseren Bedingungen für den alleinigen Halter eines Motorfahrzeugs geht es für Mithalter gesamthaft um nichts anderes, als um ausschliesslich selbstverursachte Schadenszufügung an eigener Person und eigener Sache. Das ist kein Haftungstatbestand des SVG und liegt deshalb auch ausserhalb der von ihm vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung. Die Auseinandersetzung über die Tragung solchen Eigenschadens ist vielmehr eine interne Angelegenheit unter den Mithaltern, die sich nach dem grundsätzlich zulasten des Halters auf der Gefährdung fussenden Kausalhaftungssystem des SVG nicht sachgerecht behandeln lässt, sondern nach Verschuldensgesichtspunkten abgewandelt werden muss. Hierfür genügen die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts über die Haftung aus unerlaubter Handlung und aus Vertrag, so dass es der fehlenden spezialgesetzlichen Norm nicht bedarf (vgl.
BGE 90 I 141
,
BGE 88 II 483
). Auch diese hätte, wäre sie doch eingeführt worden, die Anwendung des Obligationenrechts vorsehen müssen, gleich wie es im SVG anderweitig geschehen ist (Art. 59 Abs. 4, 70
BGE 99 II 315 S. 321
Abs. 1, 75 Abs. 2). Und durch den Richter aufzustellende Regeln, wollte man eine von ihm auszufüllende Gesetzeslücke doch annehmen, könnten vom Wesen der Sache her wiederum nur auf Haftung nach Massgabe des Verschuldens lauten.
Ist somit das SVG nicht anwendbar, so stellt sich die Frage nicht, ob dieses Gesetz als Sonderordnung nicht nur die Haftung aus unerlaubter Handlung, sondern auch aus Vertrag ersetzt, wie das in der Lehre (vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht I, S. 433, und II S. 474, 476/77; A. KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, S. 241; GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht, S. 202) angenommen wird.
5.
Wenn der Schädiger durch sein Verhalten gleichzeitig eine vertragliche Pflicht verletzt und eine unerlaubte Handlung begangen hat, kann sich der Geschädigte nebeneinander auf beide Ansprüche (Anspruchkonkurrenz) berufen (vgl.
BGE 64 II 258
f.,
BGE 72 II 316
; OFTINGER, Haftpflichtrecht I S. 432 f.; GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O. S. 302; STAUFFER/SCHÄTZLE, Barwerttafeln 3. Aufl. S. 27). Im vorliegenden Fall ist vorweg die Haftung des Beklagten aus Vertrag zu prüfen, weil dafür die 10-jährige Verjährungsfrist gilt (
Art. 127 OR
) und diese nicht abgelaufen ist.
a) Die kantonalen Gerichte gehen mit den beidseitigen Vorbringen im Prozess zutreffend davon aus, dass zwischen den Parteien für Kauf, Benützung und Wiederverkauf des Occasionswagens eine einfache Gesellschaft im Sinne der Art. 530 f. OR bestanden hat. Das Appellationsgericht stellt sodann fest, dass auch die Ferienfahrt nach Frankreich zum Vertragszweck gehört habe, sei sie doch gerade der wichtigste Anwendungsfall der gemeinsamen Benützung des Wagens gewesen. Diese Feststellungen sind, soweit sie nicht schriftlich niedergelegte Vertragsabreden wiedergeben, tatsächlicher Art und für das Bundesgericht verbindlich (
Art. 63 Abs. 2 OG
). Sie beruhen weder auf einem offensichtlichen Versehen noch auf einer Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, wie der Beklagte in der Berufungsantwort - übrigens entgegen der Vorschrift in
Art. 55 Abs. 1 lit. d OG
ohne nähere Begründung - einwendet. Vielmehr decken sie sich mit der im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Darstellung der Parteien, insbesondere jener des Beklagten. Unter diesen Umständen waren auch keine weiteren Beweise zu erheben. Im angefochtenen Urteil ist sodann, entgegen der Behauptung des Beklagten, mit keinem Wort davon die Rede, dass das Appellationsgericht nicht nur die Kosten
BGE 99 II 315 S. 322
für Unterhalt und Betrieb des Wagens, sondern auch die übrigen Reisekosten der Parteien als Gegenstand des Gesellschaftsvertrages betrachtet. Die Vorinstanz erklärt auf Grund der Parteidarstellungen nur, dass der Gesellschaftszweck der gemeinsamen Benützung des Fahrzeuges auch die Ferienreise nach Frankreich einschloss. Gehörte aber die gemeinsame Benützung des Wagens ganz allgemein zum Gesellschaftszweck, so müsste schon deshalb als rechtlich zwingende Folge die genannte Ferienreise unter den Begriff der gemeinsamen Benützung fallen.
b) Das Appellationsgericht ist der Meinung, der Beklagte hafte mangels besonderer Abrede nur für den Sachschaden, nicht auch für den Personenschaden, was der Kläger als bundesrechtswidrig rügt.
Nach
Art. 538 Abs. 1 und 2 OR
hat jeder Gesellschafter in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiss und die Sorgfalt anzuwenden, die er in seinen Geschäften beachtet; er haftet den übrigen Gesellschaftern für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden. Das Gesetz unterscheidet also nicht zwischen Personen- und Sachschaden, sondern spricht von Schaden schlechthin. Es macht die Haftung für beide Schadensarten von der schuldhaften Verursachung abhängig, setzt also keine besondere Abrede für die Pflicht zum Ersatz des Personenschadens voraus. Die vom Appellationsgericht getroffene Unterscheidung müsste demnach sachlich gerechtfertigt sein. Sie wäre es höchstens dann, wenn der Gesellschaftszweck als rein oder vorwiegend wirtschaftlich aufgefasst werden müsste, was er in der Regel ist, aber nicht zu sein braucht (SIEGWART, N. 129 zu
Art. 530 OR
; vgl. auchBGE 48 II 439, wo eine Vereinbarung über die gemeinsame Einreichung einer Strafklage als sogenannte Gelegenheitsgesellschaft angesehen wurde) und hier offenkundig nicht war.
Wenn das Appellationsgericht erklärt, die Parteien hätten offensichtlich nicht an die Möglichkeit eines Unfalles und schon gar nicht an die vertragliche Übernahme einer Ersatzpflicht gedacht, so gilt diese an sich verbindliche Feststellung nicht nur für den Personenschaden, sondern auch für den Sachschaden. Sie bietet jedenfalls keinen schlüssigen Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien die Haftung nur auf diesen Schaden beschränken wollten. Auch die gegenseitige Ablösung der Parteien am Steuer beweist weder die Übernahme "zusätzlicher vertraglicher Pflichten" noch den Ausschluss der Haftung für Personenschaden,
BGE 99 II 315 S. 323
sondern ergibt sich ganz einfach aus der Vereinbarung über die gemeinsame Benützung des Fahrzeuges. Nicht zu verstehen ist ferner die Ansicht der Vorinstanz, der Körperschaden sei nach den gesamten Umständen nicht auf unsorgfältige Wahrung der Gesellschaftsinteressen, sondern auf die vom Beklagten offenbar begangene Verletzung von Verkehrsregeln zurückzuführen; als ob durch letztere nicht auch der Sachschaden verursacht worden wäre und nicht gerade darin die pflichtwidrige Unsorgfalt in der Besorgung der Angelegenheiten der Gesellschaft, nämlich der Lenkung des Fahrzeuges, läge. Die Anwendung aller nach den Umständen gebotenen Sorgfalt in der Behandlung des Fahrzeuges durfte und musste, weil sie durch den Gesellschaftszweck bedingt und im Interesse beider Parteien begründet war, als von diesen selbstverständlich vorausgesetzt und stillschweigend vereinbart angesehen werden. Dies bedeutet entgegen dem Einwand des Appellationsgerichtes nicht, dass "Inhalt und Zweck" des Gesellschaftsvertrages "unbesehen auf alle denkbaren Möglichkeiten ausgedehnt" werden, sondern es entspricht gemeingültigen Regeln der Vertragsauslegung und Rechtsanwendung, wenn für die Schadenshaftung aus Sorgfaltsverletzung mangels besonderer Abrede auf die subsidiäre Ordnung des Gesetzes abgestellt wird. Diese erfasst, wie dargetan, gleicherweise Personen- und Sachschaden. Anderseits konnte, auf den Gesellschaftszweck der Fahrzeugbenützung bezogen, durch Verletzung von Verkehrsvorschriften ebenso gut ein Personen-, wie ein Sachschaden entstehen. Weder der eine noch der andere Gesichtspunkt führt daher zu einer Haftungsbeschränkung auf Sachschaden. Es hätte daher einer besonderen Abrede bedurft, nicht um die Haftung für Personenschaden einzubeziehen, sondern um sie auzuschliessen. Weil diese Voraussetzung fehlt, ist der Klageanspruch aus Vertrag auch hinsichtlich des Personenschadens nicht verjährt. Somit braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob das auch für die Haftung aus unerlaubter Handlung zutreffe.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichtes des Kantons Basel-Stadt vom 24. November 1972 aufgehoben und die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b10e4f62-5e6a-4876-824e-30fd2b8939e9 | Urteilskopf
119 II 426
85. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 21 septembre 1993 dans la cause R. G. SA contre P. et Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
,
Art. 22 Abs. 4 GBV
; vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes.
Es ist nicht willkürlich, dem Architekten das Privileg des Bauhandwerkerpfandrechtes zu verweigern. | Erwägungen
ab Seite 427
BGE 119 II 426 S. 427
Extrait des considérants:
2.
a) La cour cantonale a constaté que la jurisprudence du Tribunal fédéral et la doctrine pratiquement unanime dénient à l'architecte le droit à l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs (
art. 837 al. 1 ch. 3 CC
). Elle a estimé en substance que l'architecte, "intellectuel de la construction", ne façonne pas physiquement l'immeuble et ne fournit donc pas "des matériaux ou du travail, ou du travail seulement" au sens de la disposition précitée. Le critère déterminant n'est pas le type de contrat conclu, mais le genre de travaux effectués: seules entrent en considération les prestations qui se matérialisent dans la construction. Elle a enfin refusé d'assimiler la requérante à un entrepreneur total, qui, lui, façonne physiquement l'immeuble sur la base de plans qu'il a conçus. Dans ces conditions, l'existence du droit de gage allégué apparaît hautement improbable, et le procès au fond voué à l'échec; il est dès lors superflu d'examiner si l'inscription provisoire est intervenue en temps utile.
La recourante se plaint d'arbitraire et d'inégalité de traitement dans l'application des
art. 837 et 839 CC
. Le contrat conclu avec l'intimé est un contrat d'entreprise portant sur l'élaboration de projets, avec pour but l'obtention de l'autorisation de construire. L'architecte doit être compris dans le cercle des bénéficiaires de l'hypothèque légale: il effectue un travail essentiel pour le futur bâtiment, sans lequel il serait impossible de commencer à construire. Si un monteur d'échafaudages - dont le travail n'apparaît pas à la fin de la construction - peut se prévaloir de l'
art. 837 al. 1 ch. 3 CC
, à plus forte raison l'architecte doit-il en bénéficier, lui dont les dessins et les projets seront incorporés dans toutes les parties du bâtiment. La jurisprudence sur laquelle se fonde la cour cantonale est non seulement ancienne et isolée, mais encore antérieure à celle qui fait une coupure au sein du contrat d'architecte, en soumettant aux règles du contrat d'entreprise l'élaboration de projets et de plans. L'architecte n'est souvent payé qu'après l'obtention de l'autorisation de construire, de sorte qu'il doit faire crédit à son client. II y a inégalité de traitement entre l'architecte indépendant et celui qui intervient comme entrepreneur total, dont même la partie des honoraires afférente aux plans profite de la garantie légale. De toute manière, son activité procure une plus-value à l'immeuble.
b) Dans un arrêt rendu en 1939, le Tribunal fédéral a jugé que l'architecte ne bénéficie pas de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs en garantie de sa créance d'honoraires (
ATF 65 II 1
).
BGE 119 II 426 S. 428
L'activité de l'architecte ne se matérialise pas dans un travail qui fasse corps avec la construction, comme les prestations fournies par les artisans et les entrepreneurs. De par sa situation sociale envers le maître de l'ouvrage, l'architecte n'a pas besoin - du moins pas autant que ces derniers - de la protection légale. L'assimilation des architectes aux artisans et entrepreneurs rendrait nécessaire une interprétation extensive de la loi, ce qui serait contraire aux intentions du législateur qui a volontairement exclu cette catégorie des bénéficiaires de l'hypothèque légale, en raison précisément de leur situation particulière. De lege lata, le privilège doit être dénié à l'architecte, même si le contrat conclu avec le maître de l'ouvrage est un contrat d'entreprise (
art. 363 ss CO
). Cette opinion, qui n'est pas isolée dans la jurisprudence (BlZR 1980 no 80 consid. 2b; RSJ 1932/33 p. 334 no 57), est approuvée par la doctrine majoritaire (voir notamment: SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2e éd., Zurich 1982, no 180 ss; STEINAUER, Les droits réels, vol. III, Berne 1992, no 2865b; ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, RDS 1982 II p. 90 et les références en n. 409; GAUCH, Der Werkvertrag, 3e éd., Zurich 1985, no 885; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10e éd., Zurich 1986, p. 750; RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, Berne 1986, § 25 III no 15; SIMONIUS/SUTTER, Die beschränkten dinglichen Rechte, Bâle 1990, § 8 IV no 36; OR-ZINDEL/PULVER, n. 29 ad Vorbem. zu
Art. 363-379 OR
; déjà dans ce sens: VOLMAR, Die Sicherstellung der Forderungen der Bauhandwerker im schweizerischen Zivilgesetzbuche, in Gewerbliche Zeitfragen, Heft XXVI, 2e éd., Berne 1912, p. 15 et la référence à WIELAND, n. 7b ad
art. 837 CC
; contra: LEHNER, Das Objekt des Bauhandwerkerpfandrechtes nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch, RSJ 1961 p. 136 let. b; cf. DE HALLER, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, RDS 1982 II p. 221 n. 68, pour qui le rôle de l'architecte "nécessiterait probablement un réexamen" de la question, et la critique de GAUTSCHI, n. 43c ad
art. 394 CO
, à l'égard du législateur).
Cette solution n'est pas remise en cause par la jurisprudence récente selon laquelle le contrat qui porte sur l'établissement de projets et de plans est régi par les dispositions sur le contrat d'entreprise (
ATF 114 II 53
consid. 2b,
ATF 110 II 380
consid. 2,
ATF 109 II 34
consid. 3b et 462 consid. 3b et c; cf. FELLMANN, n. 177 ad
art. 394 CO
et les références; contra:
ATF 98 II 305
consid. 3b). En effet, d'une part, en 1939 déjà, le Tribunal fédéral soumettait ces prestations au contrat d'entreprise (
ATF 63 II 176
et les références, 64 II 9 consid. 2);
BGE 119 II 426 S. 429
d'autre part, comme on l'a vu, il a dénié à l'architecte le bénéfice de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs même si le contrat conclu avec le maître de l'ouvrage relève des
art. 363 ss CO
(
ATF 65 II 1
/2). L'arrêt de principe - certes ancien - conserve donc toute sa valeur. Il est vrai qu'ABRAVANEL, examinant les effets des règles du contrat d'entreprise appliquées, selon la dernière jurisprudence, aux plans et projets de l'architecte, admet que, dans cette optique, ce dernier aurait droit à l'hypothèque légale selon l'
art. 837 al. 1 ch. 3 CC
(La qualification du contrat d'architecte, in Le droit de l'architecte, 2e éd., Fribourg 1989, no 111; cf. ég. a contrario, GAUTSCHI, n. 21c ad
art. 371 CO
). Mais l'auteur - qui persiste à soutenir que cette activité ressortit au mandat (no 100 ss) - ne fait aucun cas des considérations qui précèdent. Au demeurant, ni cette opinion, ni le fait que diverses législations étrangères accordent à l'architecte le bénéfice de l'hypothèque légale (sur ce point, cf. ZOBL, op.cit., p. 65 ss et 99 let. C), ne suffisent à fonder le grief d'arbitraire à l'endroit de la solution contraire, retenue par la Cour civile. La recourante se borne d'ailleurs essentiellement à opposer sa thèse à celle de la cour cantonale, sans démontrer en quoi sa décision serait arbitraire (
art. 90 al. 1 let. b OJ
;
ATF 117 Ia 10
consid. 4b).
Vu ce qui précède, il n'y a pas lieu d'examiner plus avant les arguments de la recourante relatifs à la plus-value que l'intervention de l'architecte procurerait à un immeuble. Il suffit de constater qu'elle n'a pas démontré que l'autorité cantonale est tombée dans l'arbitraire en fondant sa décision sur la jurisprudence du Tribunal fédéral et la doctrine dominante (cf.
ATF 115 III 125
consid. 3 p. 130). Le recours est dès lors mal fondé dans la mesure de sa recevabilité. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b10e60a5-ff73-4c14-8928-e1d353abe0d6 | Urteilskopf
85 III 46
11. Arrêt du 17 avril 1959 dans la cause Aeberli. | Regeste
Widerspruchsverfahren.
Art. 106 ff. SchKG
.
Erfordernis der klaren Benennung der die Drittansprache bestreitenden Person sowohl in der Bestreitungserklärung wie auch in der Anzeige des Betreibungsamtes an den Drittansprecher.
Wann genügt die Benennung diesem Erfordernis? | Sachverhalt
ab Seite 46
BGE 85 III 46 S. 46
A.-
L'Etat et la Ville de Fribourg, représentés par le Service des finances de la Ville de Fribourg, poursuivent la maison Meubles pour Tous SA en paiement de 8336 fr. 65, pour des contributions de droit public (poursuite no 80 751). Les 10 et 15 décembre 1958, l'Office des poursuites de la Sarine saisit, au préjudice de la débitrice, différents biens mobiliers qui furent revendiqués par Robert Aeberli. Se référant au procès-verbal de saisie délivré dans la poursuite no 80 751, le Service des finances de la Ville de Fribourg contesta cette revendication par lettre du 30 décembre 1958. Le 3 janvier 1959, l'office des poursuites informa Aeberli, par la formule no 23, que le droit de propriété allégué avait été contesté par "le Service des finances de la Ville de Fribourg" et il lui impartit un délai de dix jours, selon l'art. 107 LP, pour intenter action "au créancier ci-dessus désigné".
Dans le délai fixé, Aeberli, représenté par Me Nouveau, avocat à Fribourg, actionna en justice "le Service des finances de la Ville de Fribourg", pour faire prononcer que lui, Aeberli, était propriétaire des meubles saisis. Il exposait notamment, dans son mémoire, que la poursuite dirigée contre Meubles pour Tous SA avait été intentée par l'Etat et la Ville de Fribourg et que le Service des finances intervenait "dans le cadre de la poursuite susmentionnée".
BGE 85 III 46 S. 47
A l'occasion d'une demande de prolongation de délai adressée au juge saisi, l'avocat commis par le Service des finances releva que cette dernière administration n'avait pas la personnalité juridique et que l'action aurait dû être dirigée contre l'Etat et la Ville de Fribourg.
Par lettre du 4 mars 1959, Aeberli demanda à l'office de lui fixer un nouveau délai pour intenter action. L'office refusa, tout en admettant que l'avis du 3 janvier 1959 aurait dû mentionner que le Service des finances de la Ville de Fribourg agissait "pour le compte de l'Etat et de la Ville de Fribourg".
Le 6 mars, Aeberli exposa, dans une lettre adressée à l'office des poursuites, que sa revendication n'avait pas été contestée par les créanciers, c'est-à-dire l'Etat et la Ville de Fribourg, mais par le Service des finances de la Ville, qui était une "personne inexistante"; il demandait dès lors que le mobilier saisi fût libéré. L'office répondit, le 18 mars, qu'il considérait dans toutes les poursuites que le Service des finances de la Ville de Fribourg agissait au nom de l'Etat et de la Ville et qu'il ne pouvait dès lors déclarer nulle et non avenue la contestation émanant de cette administration.
B.-
Le 16 mars 1959, Aeberli a porté plainte contre la décision prise par l'office le 5 mars. Il exposait que l'avis du 3 janvier indiquait comme créancier un service qui n'avait pas la personnalité juridique, que, en refusant de lui impartir un nouveau délai de dix jours, l'office l'obligeait à soutenir une procédure contre une administration qui n'avait pas qualité pour défendre et que, dès lors, la décision attaquée constituait un déni de justice et violait l'art. 107 LP. Il concluait à ce que l'autorité de surveillance annulât la mesure en cause et lui fixât un nouveau délai pour intenter action à l'Etat et à la Ville de Fribourg.
Le 26 mars, il a déposé une seconde plainte, dirigée contre la décision que l'office lui avait communiquée le 18 mars. Il maintenait que l'Etat et la Ville de Fribourg n'avaient pas contesté sa revendication en temps utile et
BGE 85 III 46 S. 48
alléguait que la décision prise par l'office le 18 mars violait l'art. 106 al. 3 LP. Il demandait dès lors qu'elle fût annulée, que l'autorité de surveillance constatât que le droit de propriété allégué n'avait pas été contesté et qu'elle libérât le mobilier en cause dans la mesure où il n'avait pas déjà été saisi dans une autre poursuite dirigée contre la maison Meubles pour Tous SA
Par décision du 28 mars 1959, la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal fribourgeois a rejeté les deux plaintes.
C.-
Aeberli défère la cause au Tribunal fédéral par deux recours, dans lesquels il reprend les conclusions qu'il a formulées dans ses plaintes et l'argumentation qu'il y a développée.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant prétend à tort que le droit de propriété qu'il allègue n'a pas été contesté valablement par les créanciers. Sans doute le Service des finances de la Ville de Fribourg n'a-t-il pas déclaré expressément, dans sa lettre du 30 décembre 1958, qu'il intervenait au nom de la Ville et de l'Etat de Fribourg. Mais l'office ne pouvait s'y tromper. Il sait que ce service n'a pas la personnalité juridique et ne fait que représenter la commune et le canton. Aussi bien a-t-il déclaré, dans sa lettre du 18 mars 1959, qu'il considérait dans toutes les poursuites que le Service des finances de la Ville de Fribourg agissait au nom de l'Etat et de la Ville. Il pouvait d'autant moins avoir des doutes en l'espèce que la lettre du 30 décembre 1958 indiquait le numéro de la poursuite à laquelle elle se rapportait et que, dans cette procédure, l'Etat et la Ville de Fribourg étaient expressément indiqués comme créanciers. Dès lors, c'est avec raison que l'autorité de surveillance a considéré la contestation du 30 décembre 1958 comme valable.
2.
Comme la juridiction cantonale l'expose, l'avis par lequel l'office invite le tiers à faire valoir son droit en
BGE 85 III 46 S. 49
justice doit indiquer clairement le nom et le domicile de la personne à qui l'action doit être intentée (RO 24 I 347 consid. 3; cf. également RO 72 III 98). Si cette mention est ambiguë ou se révèle fausse, l'intéressé peut exiger, par une plainte, la délivrance d'un nouvel avis qui soit correct. Toutefois, il faut appliquer ces règles en s'inspirant du principe de la bonne foi. Le tiers ne saurait donc se plaindre de l'insuffisance des indications données par l'office lorsqu'il sait par qui sa revendication a été contestée et à qui, par conséquent, l'action doit être intentée (cf. RO 30 I 560, 31 I 529, 82 III 129 consid. 1; SCHWARTZ, La désignation des parties dans les actes de poursuite, dans JdT 1954 II 74 et suiv.).
Certes, l'office aurait dû mentionner, dans l'avis adressé à Aeberli, que le Service des finances de la Ville de Fribourg avait contesté la revendication au nom de la Ville et de l'Etat de Fribourg. Mais ce défaut importe peu en l'espèce. En effet, l'autorité de surveillance a constaté souverainement que le mandataire d'Aeberli savait parfaitement que le Service des finances de la Ville de Fribourg n'était qu'un des rouages de l'administration municipale, était chargé en particulier de la perception des impôts communaux et cantonaux et intervenait en l'occurrence au nom de la Ville et de l'Etat de Fribourg. Du reste, cela ressort clairement du dossier, puisque la demande déposée en justice par le recourant mentionne expressément que la poursuite a été intentée par la Ville et l'Etat de Fribourg et que le Service des finances intervient dans le cadre de cette poursuite. Dans ces conditions, Aeberli ne saurait se plaindre de ce que l'avis qui lui a été notifié par l'office des poursuites n'indiquait pas avec exactitude les personnes à qui il devait intenter action.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites
Rejette les deux recours. | null | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1117f6e-4e2e-4df1-b174-325e9322b9d6 | Urteilskopf
104 III 23
7. Arrêt du 30 mai 1978 dans la cause époux C. | Regeste
Konkursinventar,
Art. 197 SchKG
.
Ist die Zugehörigkeit eines Vermögensrechts zur Konkursmasse streitig, so hat sich das Konkursamt an die Angaben der Gläubiger zu halten und das Recht ins Inventar aufzunehmen. | Sachverhalt
ab Seite 23
BGE 104 III 23 S. 23
A.-
a) Le 28 juin 1977, X., chauffeur aux Transports publics genevois, a tué Janine C., puis s'est suicidé. Il laissait pour héritiers légaux son épouse et son fils, qui ont tous deux répudié sa succession. Le Tribunal de première instance de Genève a prononcé la faillite de la succession le 1er août 1977. Les époux C., parents de Janine C., ont été colloqués en cinquième classe pour une somme de 45'000 fr.
b) En août 1977, les Transports publics genevois ont versé à dame X. la somme de 8'547 fr. 60, "trois mois du dernier salaire brut en plus de celui du mois du décès, sous déduction du trop-perçu avec la paie de juin 1977". Ce versement était fait en application de l'
art. 338 CO
et de l'art. 5.2 al. 4 du contrat collectif des agents non gradés de la Compagnie genevoise des tramways électriques.
Le 11 janvier 1978, les époux C. ont demandé à l'Office des faillites de Genève qu'une créance de 10'500 fr. (montant, croyaient-ils alors, du solde de salaire versé) contre les Transports publics genevois fût portée à l'inventaire des biens de la succession. L'Office s'y est refusé le 24 janvier 1978, estimant que les prestations faites en vertu de l'
art. 338 CO
sont insaisissables, car "le débiteur remplissait une obligation d'entretien". Les époux C. ont porté plainte auprès de l'autorité cantonale de surveillance.
B.-
La plainte a été rejetée le 12 avril 1978, pour les motifs suivants:
BGE 104 III 23 S. 24
Le salaire subséquent au décès du travailleur répond à un but de prévoyance: les ayants droit sont des tiers que la loi désigne avec précision. Il y a stipulation pour autrui fondée sur les rapports de travail et prévue par l'
art. 338 CO
. Le tiers peut exercer personnellement son droit, qui ne provient pas de la succession, contre l'employeur du défunt.
C.-
Les époux C. ont recouru au Tribunal fédéral, demandant que l'Office des faillites de Genève fût invité à inventorier dans la masse des biens la créance de 8'547 fr. 60 contre les Transports publics genevois. Le Tribunal fédéral a admis le recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les créanciers de la faillite ont qualité pour porter plainte contre une décision de l'office refusant d'inventorier un bien (
ATF 64 III 36
).
2.
L'argumentation des recourants tend à démontrer que, découlant de rapports de travail, le salaire versé en vertu de l'
art. 338 CO
n'échappe pas à l'actif de la succession. Mais c'est là, à l'instar de l'autorité cantonale de surveillance, situer le débat sur le terrain du droit matériel, qui relève du juge ordinaire (cf.
ATF 100 III 66
, 70 et les références).
Selon la jurisprudence, lorsque l'existence d'un droit est litigieuse, l'office doit s'en tenir aux allégations des créanciers et inventorier le droit dans la masse (
ATF 81 III 123
/124). Ce principe doit être étendu au cas où, comme en l'espèce, ce qui est contesté, ce n'est pas l'existence du droit, mais son appartenance à la masse. L'une et l'autre question ont trait au fond du litige et échappent donc au pouvoir d'examen des autorités d'exécution. L'office se borne à dresser l'inventaire, mesure purement interne de l'administration de la faillite, sans effet à l'égard des tiers (
ATF 90 III 19
). La masse peut alors décider de faire valoir la prétention ou y renoncer. En cas de renonciation, les créanciers qui le demanderont (par exemple, les recourants) obtiendront qu'il leur soit fait cession de la prétention, de façon à pouvoir poursuivre la réalisation du droit litigieux en lieu et place de la masse (
art. 260 al. 1 LP
; cf.
ATF 93 III 63
). | null | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b11229a6-20a8-49f5-815a-27294ddbc787 | Urteilskopf
139 III 511
75. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Club X. SA contre Z. (recours en matière civile)
4A_282/2013 du 13 novembre 2013 | Regeste
Internationales Schiedsgerichtsverfahren; vorschriftswidrige Zusammensetzung des Schiedsgerichts (
Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG
).
Die Rüge der vorschriftswidrigen Zusammensetzung des Schiedsgerichts umfasst auch den Fall, in dem das Schiedsgericht in Verletzung der von den Parteien getroffenen Vereinbarung gebildet wurde (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4). | Erwägungen
ab Seite 511
BGE 139 III 511 S. 511
Extrait des considérants:
4.
En vertu de l'
art. 190 al. 2 let. a LDIP
(RS 291), une sentence rendue dans le cadre d'un arbitrage international peut être attaquée lorsque l'arbitre unique a été irrégulièrement désigné ou le tribunal arbitral irrégulièrement composé. L'
art. 393 let. a CPC
a repris mot pour mot le texte de cette disposition dans l'énumération des motifs susceptibles d'être invoqués à l'appui d'un recours en matière civile dirigé contre une sentence arbitrale interne.
Une partie de la doctrine considère que les dispositions citées, et singulièrement la première d'entre elles, ne visent qu'à assurer le respect de l'indépendance et de l'impartialité requises de l'arbitre unique ou des membres du tribunal arbitral, partant qu'elles ne permettraient pas de sanctionner la violation des règles adoptées par les parties au sujet de la désignation de l'arbitre unique ou de la constitution du tribunal arbitral (GIRSBERGER/VOSER, International Arbitration in Switzerland, 2
e
éd. 2012, p. 334; GEISINGER/VOSER, in International Arbitration in Switzerland, [...], 2
e
éd. 2013, p. 238 s.; ANTONIO RIGOZZI, L'arbitrage international en matière de sport, 2005, n. 1356). Toutefois,
BGE 139 III 511 S. 512
contrairement à ce que prétendent GIRSBERGER et VOSER (ibid.), il ne s'agit pas de l'opinion qui a prévalu. La doctrine majoritaire, à l'avis de laquelle le dernier auteur cité s'est apparemment rangé, admet, au contraire, que le grief tiré de la composition irrégulière du tribunal arbitral inclut aussi l'hypothèse où le tribunal arbitral a été constitué en violation de la convention des parties (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international - Droit et pratique à la lumière de la LDIP, 2
e
éd. 2010, n. 799; PIERRE-YVES TSCHANZ, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 48 ad
art. 190 LDIP
; BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, 2009, n° 89 ad
art. 77 LTF
; BERTI/SCHNYDER, in Commentaire bâlois, Internationales Privatrecht, 2
e
éd. 2007, n° 27 ad
art. 190 LDIP
; BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 2
e
éd. 2011, n. 1546; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, 1989, n° 5a ad
art. 190 LDIP
; WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, 1991, p. 216; pour l'arbitrage interne, cf., parmi d'autres: PHILIPPE SCHWEIZER, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 11 ad
art. 393 CPC
; MICHAEL MRÁZ, in Commentaire bâlois, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2
e
éd. 2013, n° 9 ad
art. 393 CPC
; MARKUS SCHOTT, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO],Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.],2
e
éd. 2013, n° 11 ad
art. 393 CPC
; STEFAN GRUNDMANN, in dernier op. cit., n° 4 ad
art. 360 CPC
; JOACHIM FRICK, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [éd.], 2010, n° 2 ad
art.393 CPC
; KRAMER/WIGET, in Schweizerische Zivilprozessordnung[ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [éd.],2011, n° 5 ad
art. 393 CPC
; FELIX DASSER, in ZPO, Kurzkommentar, Oberhammer [éd.], 2010, n° 4ad
art. 393 CPC
).
La doctrine minoritaire, à laquelle le Tribunal arbitral du sport (TAS) emboîte le pas, s'appuie essentiellement sur deux précédents déjà anciens. Dans le premier, qui avait trait au rejet d'une demande de récusation d'un arbitre, le Tribunal fédéral a indiqué, à titre d'obiter dictum, qu'une violation des exigences adoptées par les parties quant aux qualifications de l'arbitre (
art. 180 al. 1 let. a LDIP
) - exigences allant au-delà des garanties constitutionnelles - ne suffit pas à justifier l'annulation de la sentence (arrêt 4P.292/1993 du 30 juin 1994 consid. 4, in Bulletin de l'Association suisse de l'arbitrage [Bulletin ASA] 1997 p. 99 ss, 103 s.). Dans le second, il a jugé douteux, au cas où les parties adopteraient des motifs de récusation plus stricts que les
BGE 139 III 511 S. 513
garanties constitutionnelles, que cela puisse fonder le motif d'annulation prévu par l'
art. 190 al. 2 let. a LDIP
(arrêt 4P.188/2001 du 15 octobre 2001 consid. 2e, in Bulletin ASA 2002 p. 321 ss). De toute évidence, ces deux précédents n'étaient pas propres à fixer une fois pour toutes la jurisprudence en la matière. Ils l'étaient d'autant moins que, dans un arrêt encore plus ancien mais bénéficiant, lui, de l'autorité attachée à la publication officielle, le Tribunal fédéral était entré en matière sur un recours de droit public formé contre un arrêt cantonal relatif à un recours en nullité au sens de l'art. 36 let. a du Concordat sur l'arbitrage du 27 mars 1969 (CA; RO 1969 1117), disposition qui sanctionnait la composition irrégulière du tribunal arbitral. Or, dans son recours de droit public, la recourante faisait valoir que le tribunal arbitral n'avait pas été régulièrement constitué du fait de l'application arbitraire d'une disposition d'un règlement d'arbitrage concernant le nombre d'arbitres et leur désignation par les parties (arrêt P.160/1975 du 17 mars 1976 en la cause Bucher-Guyer A.G. contre Cour de justice du canton de Genève et Meikli Co. Ltd, in
ATF 102 IA 493
consid. 5). En d'autres termes, le Tribunal fédéral n'avait pas jugé, à l'époque, que l'application d'une réglementation de droit privé adoptée par les parties et régissant la composition du tribunal arbitral devait être soustraite à son examen au motif qu'elle ne mettait pas en jeu la question de l'indépendance et de l'impartialité des membres du tribunal arbitral. Il sied d'ajouter, au demeurant, que les arrêts auxquels GEISINGER et VOSER se réfèrent dans leur ouvrage précité (p. 238 s., notes de pied 80 et 81), en plus des deux précédents qui viennent d'être évoqués, n'ont rien de topique. Il en va de même de l'arrêt publié aux
ATF 117 II 346
consid. 1 et cité par le TAS, puisqu'il a trait à la violation du droit d'être entendu au sens de l'
art. 190 al. 2 let
. d LDIP.
Depuis lors, la jurisprudence en la matière a fait sienne l'opinion professée par la majorité des auteurs. Ainsi, dans un arrêt du 10 janvier 2013, rendu en la cause 4A_146/2012, le Tribunal fédéral, se référant à TSCHANZ (ibid.), a précisé que l'
art. 190 al. 2 let. a LDIP
couvre deux griefs: la violation des règles - conventionnelles (
art. 179 al. 1 LDIP
) ou légales (
art. 179 al. 2 LDIP
) - sur la nomination des arbitres, d'une part; le non-respect des règles touchant l'impartialité et l'indépendance des arbitres (art. 180 al. 1 let. b et c LDIP), d'autre part (consid. 3.2). Au consid. 4.3.2 d'un autre arrêt, daté du 17 janvier 2013 et concernant la cause 4A_538/2012, il a indiqué que, par régularité de la constitution du tribunal arbitral, au sens de l'
art. 190 al. 2 let. a LDIP
,
BGE 139 III 511 S. 514
il faut entendre, sur le vu de la note marginale du chiffre IV du chapitre 12 de la LDIP ("Tribunal arbitral"), la manière dont les arbitres ont été nommés ou remplacés (
art. 179 LDIP
) et les questions relatives à leur indépendance (
art. 180 LDIP
). Il n'y a pas lieu de revenir sur cette jurisprudence, laquelle est désormais bien établie. La constitution régulière du tribunal arbitral représentant une garantie essentielle pour les parties, il est logique que sa violation puisse entraîner l'annulation de la sentence (POUDRET/BESSON, Comparative law of international arbitration, 2
e
éd. 2007, n. 790 p. 727; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n. 797). Celui qui renonce par anticipation, en concluant une convention d'arbitrage, au droit, de rang constitutionnel (
art. 30 al. 1 Cst.
pour la Suisse) et conventionnel (
art. 6 par. 1 CEDH
), à ce que sa cause soit entendue par un tribunal établi par la loi (cf.
ATF 128 III 50
consid. 2c/aa p. 58 et les auteurs cités) peut raisonnablement s'attendre à ce que les membres du tribunal arbitral ou l'arbitre unique, non seulement offrent des garanties suffisantes d'indépendance et d'impartialité, mais encore répondent aux exigences que les parties ont fixées d'un commun accord (nombre, qualifications, mode de désignation) ou qui résultent d'un règlement d'arbitrage adopté par elles, voire des dispositions légales applicables à titre subsidiaire (cf.
art. 179 al. 2 LDIP
). Il faut aussi lui donner les moyens d'agir au cas où ses attentes à cet égard auraient été déçues, sans qu'il ait eu la possibilité de rectifier la situation pendente lite. Ce n'est qu'à cette condition que l'on pourra lui opposer une sentence qu'il ne sera pas véritablement en mesure d'entreprendre sur le fond, sinon sous l'angle très restrictif de son incompatibilité avec l'ordre public matériel au sens de l'
art. 190 al. 2 let
. e LDIP et de la jurisprudence y relative (arrêt 4A_150/2012 du 12 juillet 2012 consid. 5.1). De surcroît, la solution retenue par la jurisprudence et la doctrine majoritaire a l'avantage d'être en accord avec la Convention de New York du 10 juin 1958 pour la reconnaissance et l'exécution des sentences arbitrales étrangères (RS 0.277.12; dans ce sens, cf. GEISINGER/VOSER, ibid.). L'art. V ch. 1 let. d de cette convention dispose, en effet, que la reconnaissance et l'exécution de la sentence seront refusées, notamment, si la partie intimée à la requête d'exequatur fournit la preuve que la constitution du tribunal arbitral n'a pas été conforme à la convention des parties. Quoi qu'il en soit, il convient de ne pas surestimer l'importance pratique des litiges ayant pour objet la violation des dispositions d'une clause compromissoire relatives à la constitution du tribunal arbitral. SCHWEIZER n'y voit du reste qu'un épiphénomène (ibid.). Il est exact, en effet, que la
BGE 139 III 511 S. 515
quasi-totalité du contentieux touchant la constitution du tribunal arbitral, du moins au niveau du Tribunal fédéral, se rapporte à l'indépendance et à l'impartialité des arbitres.
Point n'est besoin d'examiner, ici, si le principe posé par la jurisprudence ne doit souffrir aucune exception, à tel point que même des peccadilles pourraient conduire à l'annulation d'une sentence arbitrale au titre de la violation de l'
art. 190 al. 2 let. a LDIP
, ou s'il faut réserver la possibilité d'y déroger lorsque les vices constatés n'affectent pas réellement la constitution du tribunal arbitral. Aussi bien, le nombre d'arbitres n'appartient pas à cette catégorie de vices. Il s'agit, au contraire, d'un élément important auquel la loi consacre une disposition spécifique - l'
art. 360 CPC
- applicable par analogie à l'arbitrage international en vertu du renvoi opéré à l'
art. 179 al. 2 LDIP
(PHILIPP HABEGGER, in Commentaire bâlois, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2
e
éd. 2013, n° 1 ad
art. 360 CPC
). De fait, le système d'un tribunal arbitral composé de trois membres, s'il est certes plus coûteux que la solution du recours à un arbitre unique, comporte, en revanche, d'indéniables avantages par rapport à celle-ci: il permet qu'une opinion se forge quant aux thèses en présence sur une base plus large que si le sort du litige est abandonné à la sagacité d'une seule personne, ce qui devrait, en principe, diminuer les risques d'erreur; il assure, en outre, à chacune des deux parties, par la possibilité qui lui est offerte de désigner son propre arbitre, de pouvoir faire valoir indirectement son point de vue au sein du tribunal arbitral, même si l'arbitre en question ne doit pas se transformer en l'avocat de "sa" partie (cf.
ATF 136 III 605
consid. 3.3.1 p. 612 s.), ce qui devrait augmenter automatiquement la confiance des parties vis-à-vis du tribunal arbitral; il constitue enfin le meilleur moyen de tenir compte de ce que les parties proviennent souvent d'horizons très différents du point de vue du droit, de la religion, de la culture, de la langue, de la politique et de l'économie (cf. HABEGGER, op. cit., n° 5 ad
art. 360 CPC
).
Les remarques qui précèdent commandent, dès lors, d'écarter l'objection soulevée par le TAS et d'entrer en matière sur le grief invoqué par la recourante. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1175f60-15d3-4931-b651-206c96644845 | Urteilskopf
103 Ia 248
43. Auszug aus dem Urteil vom 6. September 1977 i.S. Elektrizitätswerk Luzern-Engelberg AG gegen Flurgenossenschaft Grossmatt-Rengg, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden | Regeste
Art. 4 BV
; Pflicht zur Leistung von Beiträgen an den Bau und Unterhalt einer Strasse.
Es ist nicht willkürlich, Eigentümer von sachenrechtlich verselbständigten Bauten und Anlagen als beitragspflichtige Grundeigentümer im Sinne von Art. 121 EGzZGB des Kantons Obwalden zu behandeln. | Sachverhalt
ab Seite 248
BGE 103 Ia 248 S. 248
Die Genossenschaft Weganlage Grossmatt-Rengg Alpnach, ist eine Flurgenossenschaft im Sinne von Art. 114 EGzZGB des Kantons Obwalden. Mitglieder sind diejenigen Grundeigentümer, deren Beteiligung am geplanten Weg von der Schatzungskommission festgestellt wurde. Auch die Elektrizitätswerk Luzern-Engelberg AG wurde in den Perimeter einbezogen, weil ihre Hochspannungsfreileitung in einiger Entfernung dem neuen Weg entlang führt. Ihre Verpflichtung
BGE 103 Ia 248 S. 249
zur Beitragsleistung wurde von den kantonalen Rechtsmittelinstanzen bestätigt. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde, mit der eine Verletzung von
Art. 4 BV
gerügt wurde, ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Verwaltungsgericht willkürliche Auslegung von Art. 120 f. EGzZGB vor. Art. 121 EGzZGB spreche nur von beitragspflichtigen Grundstücken. Dass neben Grundstücken auch sachenrechtlich verselbständigte Bauten und Anlagen, insbesondere Leitungen, an öffentliche Werke beitragspflichtig erklärt würden, entspreche nicht dem Wortlaut dieser Bestimmung.
Diese Rüge ist nicht stichhaltig. Wohl ist in den Art. 114 und 121 EGzZGB nur von den beteiligten Grundeigentümern die Rede. Zu diesen gehört aber gerade die Beschwerdeführerin. Das Eigentum an Leitungen für Wasser, Gas, elektrische Kraft und dergleichen, die sich ausserhalb des Grundstückes befinden, dem sie dienen, wird in
Art. 676 ZGB
wie folgt geregelt: wo es nicht anders geordnet ist, gelten diese Leitungen als Zugehör des Werkes, von dem sie ausgehen, und als Eigentum des Werkeigentümers. Als Eigentümerin des Elektrizitätswerkes, von dem die Hochspannungsfreileitung ausgeht, ist die Beschwerdeführerin Grundeigentümerin. Und weil die Leitung über das Gebiet führt, das von der Flurgenossenschaft Weganlage Grossmatt-Rengg erfasst wird, hat sie auch im Sinne von Art. 121 Abs. 2 EGzZGB als beteiligte Grundeigentümerin zu gelten. Auf diese Rechtslage stützt sich die Rechtsprechung, wonach neben Eigentümern von Grundstücken auch solche von sachenrechtlich verselbständigten Bauten und Anlagen, insbesondere Leitungen, an öffentliche Werke beitragspflichtig erklärt werden können, falls ihr Interesse daran bejaht wird (
BGE 48 I 450
f.). Von einer willkürlichen Auslegung von Art. 121 EGzZGB durch das Verwaltungsgericht kann daher nicht die Rede sein. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b11c6caa-35a2-4372-b98f-76e5d712a82c | Urteilskopf
138 III 788
118. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. contre B.A. (recours en matière civile)
5A_452/2012 du 30 octobre 2012 | Regeste
Art. 313 Abs. 2 lit. c ZPO
; Dahinfallen der Anschlussberufung.
Zulässigkeit des Rückzugs der Berufung. Auswirkung des Rückzugs der Berufung auf die Anschlussberufung (E. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 788
BGE 138 III 788 S. 788
A.
Le divorce des époux A. a été prononcé par jugement du Tribunal de première instance du canton de Genève du 9 mars 2011.
B.
B.a
Le 14 avril 2011, Mme B.A. a interjeté appel contre ce jugement par-devant la Cour de justice du canton de Genève, remettant notamment en cause le montant des contributions qui lui ont été allouées pour son propre entretien, ainsi que celui de son fils.
B.b
Le 19 août 2011, M. A.A. a répondu à l'appel interjeté par son ex-épouse, concluant à son rejet, et formé un appel joint pour contester notamment le montant arrêté par le Tribunal de première instance au titre d'avoirs de prévoyance professionnelle accumulés pendant la durée du mariage.
BGE 138 III 788 S. 789
B.c
Par courrier du 13 décembre 2011, la Cour de justice a communiqué à M. A.A. la réponse à son appel joint tout en indiquant que la cause était mise en délibération et qu'une décision serait rendue ultérieurement.
B.d
Par "arrêt" préparatoire du 7 mars 2012, la Cour de justice a invité la caisse de prévoyance professionnelle de l'époux à fournir tout renseignement et document concernant les avoirs de prévoyance professionnelle accumulés par lui durant le mariage.
B.e
Par lettre du 28 mars 2012, Mme B.A. a retiré son appel.
B.f
Par décision du 15 mai 2012, la Cour de justice a pris acte du retrait de l'appel, déclaré par conséquent l'appel joint formé par M. A.A. caduc, rayé la cause du rôle et statué sur les frais de la procédure.
C.
Par arrêt du 30 octobre 2012, le Tribunal fédéral a rejeté le recours interjeté par M. A.A. contre cette décision.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Aux termes de l'
art. 313 al. 2 let
. c CPC (RS 272), l'appel joint devient caduc lorsque l'appel principal est retiré avant le début des délibérations ("vor Beginn der Urteilsberatung"; "prima che il giudice inizi a deliberare").
4.1
Il y a lieu de déterminer à quel stade du procès intervient le moment désigné par l'expression "avant le début des délibérations" et quelle conséquence le retrait de l'appel principal entraîne pour l'appel joint.
4.2
Dans la procédure ordinaire de première instance, on trouve la mention des délibérations à l'
art. 229 al. 3 CPC
. Selon cette disposition, lorsqu'il établit les faits d'office, le tribunal admet des faits et moyens de preuve nouveaux "
jusqu'aux
délibérations". Les faits et l'ensemble des moyens de preuve à disposition des parties doivent en effet être portés à la connaissance du juge avant la clôture des débats principaux, puisque c'est en se basant sur son appréciation des faits et des preuves qu'il appliquera - dans le cadre des délibérations - le droit aux faits constatés et rendra sa décision (
art. 236 CPC
). On en déduit que les délibérations commencent après la clôture des débats principaux (titre du chapitre 3), lesquels comprennent les différentes phases suivantes: les premières plaidoiries (
art. 228
BGE 138 III 788 S. 790
CPC
), l'administration des preuves (
art. 231 CPC
) - pour autant qu'elles n'aient pas encore été intégralement administrées dans le cadre de débats d'instruction que le tribunal aurait d'ores et déjà pu ordonner en vertu de l'
art. 226 CPC
- et les plaidoiries finales (
art. 232 CPC
; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n
os
11.119 ss; HOHL, Procédure civile, tome II, 2
e
éd. 2010, n
os
1172 et 1240 à 1251; SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht und Grundzüge des internationalen Zivilprozessrechts, 9
e
éd. 2010, p. 307 à 309, n
os
122 à 131; TAPPY, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n
o
3 ad
art. 228 CPC
; LEUENBERGER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2010, n° 1 ad
art. 228 CPC
).
Le terme "
jusqu'aux
délibérations" utilisé à l'
art. 229 al. 3 CPC
vise le même moment du déroulement de la procédure que l'expression "
avant le début
des délibérations" figurant à l'
art. 313 al. 2 let
. c CPC. En effet, la procédure d'appel, même si elle a généralement un développement plus restreint, comprend les mêmes phases dans la mesure où l'instance d'appel peut notamment ordonner des débats principaux (
art. 316 al. 1 CPC
) au cours desquels elle peut administrer des preuves (
art. 316 al. 3 CPC
). Du texte et de la systématique de la loi, on peut par conséquent déduire que, dans le cadre de l'application de cette norme également, les délibérations constituent une étape procédurale distincte qui ne peut débuter qu'une fois les débats principaux clos.
4.3
Il ressort en outre du Message du 28 juin 2006 relatif au Code de procédure civile suisse que le sort de l'appel joint dépend de celui de l'appel principal (cf. FF 2006 6841 ss, 6980 s. ad art. 309 et 310). Le tribunal ne statue par conséquent sur l'appel joint que s'il est entré en matière sur l'appel principal. Si ce dernier a été valablement retiré, le juge ne peut plus traiter l'appel joint, qui sera de ce fait déclaré caduc.
4.4
Enfin, le but de l'appel joint est d'offrir à la partie adverse un moyen de contre-attaquer à l'appel interjeté par l'appelant principal (Message précité, FF 2006 6981 ad art. 309 et 310). Une partie à la procédure peut en effet, alors même qu'elle n'est pas pleinement satisfaite de la décision rendue, renoncer à interjeter un appel, notamment pour éviter de prolonger la procédure, pour échapper à des frais supplémentaires (HOHL, op. cit., n° 2218) ou par gain de paix (JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n
o
1 ad
art 313
BGE 138 III 788 S. 791
CPC
). Une fois qu'elle a eu connaissance de l'appel introduit par sa partie adverse, les motifs qui l'ont poussée à renoncer à faire appel peuvent toutefois avoir perdu leur signification, de sorte que l'appel joint lui permet de conclure à la modification du jugement au détriment de l'appelant principal, l'objet de l'appel joint n'étant pas limité à celui de l'appel principal (Message précité, FF 2006 6981 ad art. 309 et 310). L'appel joint n'a toutefois plus de raison d'être une fois l'appel principal retiré, dès lors que, si une partie n'était pas satisfaite du jugement de première instance, elle avait la possibilité de déposer un appel principal dans le délai de l'
art. 311 al. 1 CPC
. Il est par conséquent conforme au but de l'
art. 313 al. 2 let
. c CPC de déclarer l'appel joint caduc à la suite du retrait de l'appel principal, faute de quoi la partie qui forme un appel joint se verrait systématiquement octroyer un délai d'appel plus long que celui dont dispose l'appelant principal, ce qui n'est de toute évidence pas le but poursuivi par le législateur.
4.5
En résumé, il résulte de l'interprétation de la loi, d'une part, que l'appel principal peut être retiré jusqu'à la clôture des débats principaux, phase qui est suivie du début des délibérations et, d'autre part, que si l'appel principal a été valablement retiré, le tribunal ne peut entrer en matière sur l'appel joint.
5.
En l'espèce, il ressort de son courrier du 13 décembre 2011, que la Cour de justice avait, dans un premier temps, décidé de ne pas rouvrir la procédure d'administration des preuves et avait mis la cause en délibération. Elle est toutefois revenue sur cette décision, puisque dans son "arrêt" préparatoire du 7 mars 2012, elle a décidé qu'il se justifiait d'administrer d'autres preuves concernant les avoirs de prévoyance professionnelle accumulés par le mari - précisément remis en cause par ce dernier dans son appel joint.
S'il est certes probable que les motifs détaillés contenus dans l'arrêt préparatoire aient incité l'appelante à retirer son appel principal, il n'en demeure pas moins que le choix de la Cour de justice d'ouvrir à nouveau la procédure probatoire a entraîné l'annulation de sa précédente décision de mettre la cause en délibération. L'appel principal a par conséquent été retiré encore durant la phase d'administration des preuves, de sorte que ce retrait est intervenu avant "le début des délibérations" au sens de l'
art. 313 al. 2 let
. c CPC. Le recourant ne soutient d'ailleurs pas que le retrait aurait dû être considéré comme nul car intervenu tardivement, mais semble davantage souhaiter que
BGE 138 III 788 S. 792
le sort de son appel joint soit dissocié de celui de l'appel principal et que la Cour ne statue par conséquent que sur son seul appel joint, ce qui est manifestement contraire au but de la norme litigieuse (cf. supra consid. 4.4). Il s'ensuit que le retrait de l'appel principal est intervenu valablement, de sorte que l'appel joint du recourant dont le sort est lié à l'appel principal a, à juste titre, été déclaré caduc. | null | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b11d7f69-50b7-4a55-b838-ddab86b99b1a | Urteilskopf
108 Ia 172
32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1982 i.S. X. gegen Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Beamtendisziplinarrecht; Meinungsäusserungsfreiheit.
1. Zürcherische Bezirksrichter unterstehen der Disziplinargewalt des Obergerichts (E. 4a).
2. Die politischen Tätigkeiten des Richters stehen unter dem Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit. Die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit erfordert vom Richter indes Zurückhaltung, wenn es um öffentliche Stellungnahmen zu hängigen Verfahren und deren Begleitumstände geht (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 172
BGE 108 Ia 172 S. 172
Bezirksrichter X., Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, verteilte am Samstag, 20. Dezember 1980, an der Ecke Bahnhofbrücke/Bahnhofquai (Zürich), zusammen mit anderen Parteimitgliedern eine Druckschrift des "Komitees für ein repressionsfreies Zürich". Die Sozialdemokratische Partei hatte dort einen Stand aufgestellt, wo ausser der erwähnten Drucksache ein Unterschriftenbogen mit der Forderung nach Einstellung aller Strafverfahren,
BGE 108 Ia 172 S. 173
das Flugblatt "Mütter und Väter, Frauen und Männer" sowie die Zeitschrift "Eisbrecher", Organ der Zürcher "Bewegung", auflagen. Die Aktion fand im Rahmen des Informationstages des "Komitees für ein repressionsfreies Zürich" statt und wurde durch Parteibeschluss unterstützt.
In der von X. verteilten, vierseitigen Schrift wird das im Laufe des Sommers/Herbst 1980 in Zürich Geschehene einer kritischen Würdigung unterzogen, namentlich was das Verhalten der Behörden und das politische Klima in der Stadt Zürich betrifft. Auf Seite 4 wird sodann im Fettdruck unter dem Titel "Plattform" was folgt ausgeführt:
"Die Politik der Behörden ist gescheitert.
Keine Ursachen der Jugendbewegung sind ausgeräumt.
Die Probleme haben sich im Gegenteil noch verschärft.
Und trotzdem versuchen die herrschenden Kreise mit allen Mitteln, diese verfehlte Politik fortzusetzen. Über die massive Unterdrückung und Kriminalisierung der Jugendbewegung hinaus wird in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen die Repression verstärkt und werden die demokratischen Rechte eingeschränkt.
Das Ziel ist nicht nur die Zerschlagung der Jugendbewegung, sondern die Einschüchterung breiter Kreise der Bevölkerung, welche die berechtigten Anliegen dieser Bewegung unterstützen.
Das Demonstrations- und Versammlungsrecht wird eingeschränkt.
Der Stadtrat beschliesst eine restriktive Bewilligungspraxis und verweigert die Benutzung geeigneter Räumlichkeiten für Versammlungen der Bewegung. Das Recht auf freie Meinungsäusserung wird faktisch aufgehoben.
Wer für die Anliegen der Jugend Stellung bezieht, hat mit Repressionen zu rechnen. 6 Bezirksrichter der SP sollen in den Prozessen gegen Jugendliche als befangen erklärt werden.
Die Pressefreiheit wird zunehmend in Frage gestellt.
Medien, wie Radio, Fernsehen und Zeitungen stehen mehr denn je unter massivem Druck wirtschaftlicher und rechtsbürgerlicher Kreise.
Die Persönlichkeitsrechte werden durch willkürliche Verhaftungen und polizeiliche Registrierungen verletzt und die Rechte von Angeklagten und Verteidigern missachtet.
Wir wehren uns gegen den Abbau demokratischer Rechte und fordern:
- Die Einstellung aller hängigen Strafverfahren gegen Demonstranten; Amnestie für alle bereits Verurteilten.
- Das uneingeschränkte Demonstrations- und Versammlungsrecht für alle.
- Das Recht auf freie Meinungsäusserung für alle.
- Die Aufhebung von Repressionsmassnahmen gegen diejenigen, die von diesen Rechten Gebrauch machten.
- Die Garantie der Persönlichkeitsrechte und die Wiederherstellung der Rechte für Angeklagte und ihre Verteidiger.
- Die sofortige Wiedereröffnung des AJZ."
Wegen des Verteilens dieses Flugblattes sprach die Verwaltungskommission
BGE 108 Ia 172 S. 174
des Obergerichts gegen X. einen Verweis aus. Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
§ 9 der zürcherischen Beamtenverordnung vom 16. November 1970 (BVO, ZG 177.11) hat folgenden Wortlaut:
"Die Beamten haben sich ihrem Amte voll zu widmen.
Sie haben ihre dienstlichen Obliegenheiten gewissenhaft und unter Wahrung der Interessen des Staates zu erfüllen.
Die dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten haben sie sorgfältig auszuführen.
Sie haben sich für eine einfache, speditive und wirtschaftliche Geschäftsabwicklung einzusetzen.
Die Beamten haben sich der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, die ihrer amtlichen Stellung gebührt.
Sie haben sich im dienstlichen Verkehr und im Umgang mit dem Publikum höflich und taktvoll zu benehmen."
(Es folgt die Feststellung, dass die Bezirksrichter trotz der Volkswahl als Beamte gelten.)
4.
a) Nach § 106 Abs. 1 des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) steht dem Obergericht die Aufsicht unter anderem über die ihm unterstellten Gerichte zu, worunter die Bezirksgerichte fallen. Auf Beschwerde wegen Verletzung von Amtspflichten kann das Obergericht disziplinarische Massnahmen, insbesondere gestützt auf das Ordnungsstrafengesetz, verfügen (
§ 108 Abs. 1 GVG
). Zu den Amtspflichten zählen die Vorschriften von
§ 9 BVO
.
§ 108 Abs. 1 GVG
erlaubt daher dem Obergericht, Amtspflichtverletzungen aller Art, begangen durch die der Aufsicht des Obergerichts unterstehenden Amtspersonen, mit den im Ordnungsstrafengesetz vorgesehenen Disziplinarmassnahmen zu ahnden. Der Umstand, dass im Kanton Zürich die Bezirksrichter vom Volk gewählt werden, vermag angesichts dieser klaren gesetzlichen Ordnung nichts an der Disziplinarbefugnis des Obergerichts zu ändern. Ob und inwiefern der von der Verwaltungskommission angerufene § 62 des Gesetzes betreffend die Organisation der Geschäftsordnung des Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1899 (ZG 172.1) als genügende gesetzliche Grundlage betrachtet werden kann, muss bei dieser Sachlage nicht entschieden werden. Dass auch dem Präsidenten des Bezirksgerichts Disziplinarbefugnisse über die Mitglieder seines Gerichts zustehen (
§ 121 Abs. 2 GVG
), schliesst die Zuständigkeit
BGE 108 Ia 172 S. 175
des Obergerichts nicht aus. Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Verwaltungskommission des Obergerichts berechtigt war, den Beschwerdeführer mit einer Sanktion nach Ordnungsstrafengesetz zu disziplinieren, soweit ihm eine Amtspflichtverletzung im Sinne von
§ 9 BVO
nachgewiesen werden konnte.
b) aa) Das ungeschriebene Verfassungsrecht der Meinungsäusserungsfreiheit gewährleistet das Recht des Bürgers, seine Meinung Dritten bekannt zu geben (
BGE 107 Ia 65
mit Hinweisen). Insofern es um die blosse Weitergabe von Mitteilungen geht, verschafft
Art. 10 Ziff. 1 EMRK
keine weitergehenden Rechte. Desgleichen weist
Art. 3 Abs. 1 KV/ZH
keinen darüber hinausgehenden Inhalt auf. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geniesst auch der Beamte den Schutz der Meinungsäusserungsfreiheit. Er darf sich insbesondere politisch betätigen und sich, sei es öffentlich oder privat, an der politischen Kritik beteiligen. Dabei hat er sich aber an die Beschränkungen zu halten, die seine besondere Stellung mit sich bringt (
BGE 101 Ia 181
mit Hinweisen). Die aus dem Treueverhältnis fliessenden Einschränkungen in den Freiheitsrechten des Beamten finden nach zürcherischem Recht in
§ 9 BVO
ihren Niederschlag, der, wie bereits erwähnt, auch für die vom Volk gewählten Bezirksrichter gilt: Während Abs. 1, 2 und 4 der genannten Bestimmung sich auf Verhaltenspflichten des Beamten hinsichtlich seiner innerdienstlichen Tätigkeit beziehen, unterscheidet der Satz, die Beamten hätten sich der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, die ihrer amtlichen Stellung gebührt (
§ 9 Abs. 3 BVO
), nicht zwischen dienstlichem und ausserdienstlichem Verhalten (vgl. dieselbe Formulierung in
Art. 24 Abs. 1 BtG
, SR 172.221.10). Ob und inwiefern in- und ausserhalb des Dienstes dieselben Massstäbe an die Treuepflicht des Beamten gelegt werden können, ist umstritten (vgl. RAUSCH, Die Meinungsäusserungsfreiheit der Staatsangestellten, ZBl 80/1979, S. 104 f.; HANGARTNER, Reform des Beamtendisziplinarrechts, ZBl 71/1970, S. 431; anders RICHNER, Umfang und Grenzen der Freiheitsrechte der Beamten nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1954, S. 104 f.). In jedem Falle aber hat sich der Beamte inner- und ausserdienstlich so zu verhalten, dass er seine dienstlichen Aufgaben gehörig erfüllen kann (HÄNNI, Die Treuepflicht im öffentlichen Dienstrecht, Diss. Freiburg 1982, S. 39). Die ausserdienstliche (politische) Tätigkeit findet ihre Grenze demnach dort, wo das Verhalten des Beamten seine Amtsführung beeinträchtigt. Neben der Natur der ausserdienstlichen Tätigkeit
BGE 108 Ia 172 S. 176
sind im Einzelfalle daher die dienstlichen Aufgaben des Beamten sowie seine Stellung und Verantwortung zu berücksichtigen.
bb) Der Richter ist in einem gegenüber anderen Beamten qualifizierten Sinne Garant für die Einhaltung der Rechtsordnung und für den ordnungsgemässen Gang der Justiz. Seine Stellung innerhalb des demokratischen Gemeinwesens erfordert, dass er unabhängig von sachfremden Einflüssen und vorurteilslos die ihm übertragenen Aufgaben erfüllt. Die Bedeutung des Richteramtes hat für ihn persönlich deshalb zur Folge, dass er sich, wie § 39 des Richtergesetzes der Bundesrepublik Deutschland es ausdrückt und wie es auch hierzulande gelten dürfte, "innerhalb und ausserhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung so zu verhalten hat, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird" (vgl.
BGE 108 Ia 54
). Dies gilt umso mehr, als der Richter vielfach aufgerufen ist, Streitsachen zu beurteilen, die Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sind. Die ihm gebotene Zurückhaltung im öffentlichen Leben verunmöglicht freilich politische Tätigkeiten nicht schlechthin. Es ist ihm insbesondere nicht verwehrt, zu allgemeinen Fragen (rechts)politischer Natur öffentlich Stellung zu nehmen. Die Grenze des Erlaubten findet sich aber jedenfalls dort, wo die Justiz im Zusammenhang mit konkreten Vorkommnissen in den Widerstreit politischer Meinungen gerät. Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit sowie die Wahrung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung (
Art. 10 Ziff. 2 EMRK
) verlangt in diesen Fällen vom Betreffenden, dass er sich politischer Meinungsäusserungen enthält, die das gesellschaftliche Umfeld von Vorgängen betreffen, die die Rechtspflegeorgane zum Einschreiten veranlassen, wie z.B. Stellungnahmen zu politischen Fragen im Zusammenhang mit begangenen strafbaren Handlungen. Tut er dies nicht, ist darin eine Verletzung der Dienstpflicht im oben beschriebenen Sinne zu erblicken.
cc) Der Beschwerdeführer ist, wie praktisch alle Bezirks-, Ober- und Kassationsrichter im Kanton Zürich, Mitglied einer politischen Partei. Daraus folgt klarerweise, dass die Mitgliedschaft in einer Partei - zwar nicht rechtlich, dennoch aber faktisch - notwendig ist, um für das Richteramt portiert und darin gewählt zu werden. Dass der Beschwerdeführer ausserdienstlich an einer Aktion seiner Partei teilnahm, ist daher an sich nicht zu beanstanden und wird ihm auch von der Verwaltungskommission nicht vorgeworfen. Ob das Verteilen des Flugblattes des "Komitees für ein repressionsfreies Zürich" als Dienstpflichtverletzung zu
BGE 108 Ia 172 S. 177
qualifizieren ist, beurteilt sich nach dem Inhalt der fraglichen Schrift, die dem Beschwerdeführer, wie die Verwaltungskommission willkürfrei feststellte, bekannt war. Darin werden teilweise scharfe Angriffe gegen das Verhalten der Zürcher Behörden im Gefolge der "Zürcher Krawalle" erhoben. Insbesondere wird ihnen auf Seite 4 unter dem Titel "Plattform" vorgeworfen, die Repression zu verstärken und die demokratischen Rechte einzuschränken. Schliesslich wird sinngemäss den Justizorganen zur Last gelegt, die Persönlichkeitsrechte durch willkürliche Verhaftungen und polizeiliche Registrierungen zu verletzen und die Rechte von Angeklagten und Verteidigern zu missachten. Insbesondere dieser Vorwurf wiegt ausserordentlich schwer. Damit wird der Eindruck erweckt, Staatsorgane missachteten grundlegende, rechtsstaatliche Prinzipien. Schliesslich wird die Einstellung aller hängigen Strafverfahren gegen Demonstranten sowie Amnestie für alle bereits Verurteilten gefordert.
Der Beschwerdeführer muss sich den Inhalt des Flugblattes zurechnen lassen, auch wenn er subjektiv damit nicht in allen Teilen einig ging. Entscheidend ist, dass er durch das Verteilen der Schrift sein grundsätzliches Einverständnis mit dessen Inhalt bekundete. Betrachtet man das Flugblatt als Ganzes unter Berücksichtigung der oben erwähnten hervorstechenden Stellen, muss dem Beschwerdeführer vorgeworfen werden, der richterlichen Pflicht zur Zurückhaltung nicht nachgekommen zu sein. Er hat in eindeutiger Weise Stellung zu hängigen Strafverfahren genommen, vermeintliche Missstände in der Justiz kritisiert und mit der Forderung nach Einstellung aller Strafverfahren gegen Demonstranten sowie Amnestie für alle bereits Verurteilten zum Ausdruck gebracht, dass er die begangenen Straftaten unbeachtet ihres Gewichts für nicht strafwürdig hält. Diese eindeutige Stellungnahme lässt die notwendige Zurückhaltung vermissen, egal wie es sich in der Sache selbst verhält. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer am 20. Dezember 1980 nicht davon ausgehen konnte, von der Mitwirkung an sogenannten "Krawallprozessen" dispensiert zu werden. Dass unter diesen Umständen die Verwaltungskommission das Verhalten des Beschwerdeführers als Dienstpflichtverletzung qualifizierte, gibt sowohl unter dem Gesichtswinkel der Meinungsäusserungsfreiheit als auch des in erster Linie anwendbaren kantonalen Rechts zu keinen Beanstandungen Anlass.
c) (Ausführungen darüber, dass der Verweis keine unverhältnismässige Massnahme darstellt.) | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b12a0327-da1d-4d5b-9143-5b9affbf05ee | Urteilskopf
81 III 33
11. Arrêt du 14 février 1955 dans la cause Campiche. | Regeste
Mit der Bestätigung des Nachlassvertrages fallen die Pfändungen dahin, deren Gegenstand nicht schon vor der Bewilligung der Stundung verwertet worden ist.
Die Überweisung einer gepfändeten Forderung an den betreibenden Gläubiger zur Eintreibung (
Art. 131 Abs. 2 SchKG
) ist einer Verwertung im Sinne von
Art. 312 SchKG
nicht gleichzuachten. | Sachverhalt
ab Seite 34
BGE 81 III 33 S. 34
Le 24 mai 1951, à la réquisition de la Kredit- und Verwaltungsbank Zug, l'Office des poursuites de Lausanne a fait saisir la somme de 110 fr. par mois sur le salaire d'André Campiche, employé de la Société anonyme d'agences commerciales à Lausanne, laquelle avait pour administrateur Marcel Gloor gendre du débiteur. Gloor a fait savoir qu'il était au bénéfice d'une cession d'une partie de ce salaire, à concurrence de 150 fr. par mois, cession consentie en garantie d'un prêt de 4000 fr. qu'il avait accordé au débiteur. La créancière poursuivante ayant contesté la validité de cette cession, l'Office des poursuites a avisé les intéressés que la saisie était maintenue en qualité de saisie d'une créance litigieuse et, par décision du 14 juin 1952, il a, à la demande de la créancière poursuivante et en vertu de l'art. 131 al. 2 LP, délégué à cette dernière le pouvoir de faire valoir à ses risques et périls contre le tiers débiteur la part de la créance qui avait été saisie, laquelle correspondait alors à douze retenues mensuelles. Dans le délai imparti à cet effet, la créancière poursuivante a introduit action contre Marcel Gloor. Ce procès est encore pendant devant le tribunal saisi.
Le 26 octobre 1953, Campiche a obtenu un sursis concordataire. La créancière poursuivante a produit pour le montant total de ses prétentions. Le concordat a été homologué le 30 avril 1954 et elle a touché le dividende afférent à sa créance.
Le 30 août 1954, Campiche a demandé à l'office de dire que la saisie de salaire était tombée de plein droit à la suite de l'homologation du concordat et que la cession aux fins d'encaissement consentie à la créancière poursuivante, devenue sans objet, était révoquée.
Débouté de sa plainte successivement par les deux autorités de surveillance, Campiche a recouru au Tribunal fédéral en prenant les conclusions suivantes:
"Le recourant conclut, avec suite de frais et dépens, à ce qu'il plaise à la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal fédéral réformer l'arrêt attaqué en ce sens que:
BGE 81 III 33 S. 35
I. - La décision de l'Office des poursuites de Lausanne-Est du 17 septembre 1954 est annulée.
II. - La saisie de salaire effectuée le 24 mai 1951 au préjudice du recourant est tombée de plein droit, et est désormais éteinte et de nul effet.
III. - La consignation du salaire saisi en main de l'employeur, Société anonyme d'Agences Commerciales Lausanne, à Prilly, est levée, celui-ci étant avisé qu'il peut disposer du montant consigné selon les instructions du recourant.
IV. - La cession à l'encaissement faite à la créancière saisissante selon art. 131 al. 2 LP est devenue sans objet et est en conséquence révoquée."
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 312 LP, l'homologation du concordat fait tomber les saisies dont l'objet n'a pas été réalisé avant le sursis concordataire, c'est-à-dire avant l'octroi du sursis (RO 59 III 31). Le litige se ramène à la question de savoir si, à la date du 26 octobre 1953, la créance saisie était ou non réalisée.
Le fait que la recourante avait reçu mandat d'encaisser la créance litigieuse n'équivalait pas encore à une réalisation au sens de l'art. 312. En pareil cas, la créance n'est réalisée que lorsqu'elle est payée par le tiers débiteur (cf. JAEGER, art. 199 note 2). Or, au moment où, en l'espèce, le débiteur poursuivi a obtenu le sursis concordataire, le tiers débiteur n'avait encore rien payé à l'office. Aurait-il même donné suite aux sommations qu'il avait reçues de verser à l'office le montant des retenues ordonnées lors de la saisie, qu'il se fût agi là d'une simple consignation et non pas d'un payement que l'office eût pu accepter au nom et pour le compte de la créancière. Il est donc évident que l'homologation du concordat a fait tomber la saisie. En adoptant l'opinion des autorités cantonales, on arriverait à ce que l'art. 312 LP veut précisément éviter, c'est-à-dire à ce qu'un créancier reçoive plus que le dividende concordataire (RO 59 III 30 et 31). La créancière poursuivante a du reste produit dans la procédure concordataire pour le montant total de ses prétentions et elle a touché le dividende y afférent; il est dès lors naturel
BGE 81 III 33 S. 36
qu'elle ne puisse plus se prévaloir des droits qu'aurait pu, en d'autres circonstances, lui assurer la saisie.
Dispositiv
La Chambre des poursuites et des faillites prononce:
Le recours est admis et la décision rendue par la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois, le 16 décembre 1954, réformée en ce sens que la saisie du 24 mai 1951 a cessé de produire effet. | null | nan | fr | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b12c481e-f6bc-4ecf-85e7-7d2d2e4f36a3 | Urteilskopf
121 III 107
26. Estratto della sentenza del 5 gennaio 1995 della I Corte civile nella causa ditta A SA contro B (ricorso per riforma) | Regeste
Arbeitsvertrag; Arbeitsunfähigkeit nach der Kündigung.
Verlängerung der Kündigungsfrist im Falle der Arbeitsunfähigkeit (
Art. 336c Abs. 3 OR
); Berechnung der Frist. | Sachverhalt
ab Seite 107
BGE 121 III 107 S. 107
A.-
Con accordo scritto del 5 aprile 1993 la ditta A SA, quale datrice di lavoro, e il lavoratore B hanno convenuto di por fine ai loro rapporti di lavoro, considerando quale periodo di disdetta i mesi di maggio, giugno e luglio 1993.
A seguito di un infortunio, il lavoratore è stato impedito di lavorare dal 10 luglio al 31 agosto 1993. Con lettera del 31 agosto 1993, la datrice di lavoro, riferendosi all'accordo del 5 aprile 1993 e tenuto conto che l'incapacità lavorativa era cessata il 31 agosto, ha comunicato al lavoratore che i rapporti di lavoro dovevano considerarsi terminati per lo stesso 31 agosto 1993. Il salario è stato versato sino alla fine del mese di agosto 1993.
B.-
Il lavoratore ha convenuto in giudizio la datrice di lavoro per il pagamento di fr. 16'526.25, corrispondenti ai salari da settembre a dicembre 1993. Egli ha adotto che l'accordo sul licenziamento era nullo e che la disdetta per il 31 luglio 1993 non era valida.
Con sentenza 18 aprile 1994 il Pretore del Distretto di Riviera ha ammesso la validità della disdetta data per la fine di luglio 1993 e ha respinto l'azione.
BGE 121 III 107 S. 108
Statuendo il 16 agosto 1994, la II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino, in riforma del giudizio di primo grado, ha condannato la convenuta a versare all'attore fr. 8'696.40 oltre interessi.
C.-
Insorta al Tribunale federale con ricorso per riforma, la convenuta chiede che l'azione promossa contro di lei sia accolta limitatamente all'importo di fr. 4'445.05 oltre interessi.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
a) Constatato che a seguito d'infortunio l'attore era stato inabile al lavoro dal 10 luglio al 31 agosto 1993, e richiamandosi all'art. 336c cpv. 2 e 3 CO, la Corte cantonale ha ritenuto che dopo il 31 agosto 1993 (fine del periodo d'incapacità lavorativa) il termine di disdetta doveva essere prolungato di 52 giorni (corrispondenti al periodo 10 luglio-30 agosto) e scadeva il 22 ottobre 1993 e quindi definitivamente alla fine di ottobre 1993. Essa ha pertanto riconosciuto all'attore un'indennità corrispondente a due mesi di salario.
b) La ricorrente lamenta una violazione dell'art. 336c CO e adduce che il termine di disdetta avrebbe dovuto essere prolungato di soli 22 giorni, ossia unicamente per il periodo dal 10 al 31 luglio, per cui l'attore avrebbe diritto ad un solo mese di salario, quello di settembre 1993, ossia a fr. 4'445.05.
2.
a) La disdetta del contratto, con un preavviso di tre mesi, per il 31 luglio 1993, è stata data prima del periodo d'inabilità lavorativa che si è protratto dal 10 luglio al 31 agosto 1993. Essendo stato dato prima del periodo d'incapacità lavorativa protetto dall'art. 336c cpv. 1 lett. b CO e non essendo giunto a scadenza prima di tale periodo, il termine di disdetta è sospeso e riprende a decorrere soltanto dopo la fine di tale periodo (art. 336c cpv. 2 CO, i cui testi tedesco e italiano sono determinanti, per il testo francese occorre leggere "avant cette période" invece di "pendant", v. BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, n. 14 ad art. 336c).
Il termine di disdetta è sospeso durante il tempo in cui si sovrappone al periodo d'incapacità lavorativa protetta. Nel caso di specie, il termine di disdetta di tre mesi si ricopre con il periodo protetto fra il 10 luglio, inizio dell'incapacità lavorativa, e il 31 luglio, data della scadenza del normale termine di disdetta, ossia durante 22 giorni. Infatti, il termine di disdetta è decorso dal 1o maggio al 9 luglio, ossia durante 2 mesi e 9
BGE 121 III 107 S. 109
giorni ed è rimasto sospeso ope legis per 22 giorni. Il periodo d'inabilità lavorativa che è decorso dopo la scadenza del normale termine di disdetta, dal 1o al 31 agosto 1993, non si sovrappone al termine di disdetta e non deve essere preso in considerazione, perché altrimenti si giungerebbe ad un comporto del termine di disdetta che passerebbe da tre a quattro mesi. Pertanto, al termine del periodo d'incapacità lavorativa principiano a decorrere 22 giorni di disdetta sospesi. Ne segue che, in applicazione dell'art. 336c cpv. 3 CO, il termine di disdetta è prorogato sino alla fine del mese di settembre 1993, ossia per un mese, e non sino alla fine di ottobre come affermato dalla Corte cantonale.
La dottrina e la giurisprudenza non si sono pronunciate chiaramente e direttamente sulla questione oggetto del presente giudizio, il metodo di computo esposto corrisponde comunque a quello figurante nelle tabelle di KUHN/KOLLER (Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, Band III, Teil 7, capitolo 2.4.2, pag. 16) ed è stato applicato nella sentenza del Tribunale federale del 23 ottobre 1992 nella causa A, apparsa in SJ 115/1993, pag. 366, consid. 2.
b) Il ricorso deve pertanto essere accolto e la sentenza impugnata riformata nel senso che all'attore viene riconosciuto il salario per il mese di settembre 1993, ossia l'importo di fr. 4'445.05, secondo gli accertamenti della sentenza impugnata. | null | nan | it | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b12dd5ed-7508-4a6b-abc2-eebd8908e364 | Urteilskopf
80 I 361
58. Urteil vom 22. Oktober 1954 i.S. Brandenberger gegen Rekurskommission des Kantons Bern. | Regeste
Wehrsteuer: Bemessung des Einkommens in Fällen von Veränderungen in der Erwerbstätigkeit (Berufswechsel). | Sachverhalt
ab Seite 361
BGE 80 I 361 S. 361
A.-
Der Beschwerdeführer H. Brandenberger, geb. 1887, trat 1942 in den Bundesdienst als Aushilfsbeamter einer Dienststelle der Kriegswirtschaft. Er war Mitglied der Hilfskasse für das Aushilfspersonal. Auf Ende 1952 wurde er wegen Erreichung der Altersgrenze aus dem Bundesdienst entlassen. Er nahm eine Stelle bei einer privaten Wirtschaftsorganisation an. Das Guthaben bei der Hilfskasse des Bundes für das Aushilfspersonal des Bundes wurde von amteswegen an die Personalsparkasse der Wirtschaftsorganisation übergeführt.
B.-
Streitig ist, ob der Einschätzung für die eidg. Wehrsteuer 1953 und 1954, nach der allgemeinen Regel, der Erwerb zugrunde zu legen ist, den der Beschwerdeführer in der Bemessungsperiode (1951 und 1952) erzielte, oder ob auf das Einkommen in der neuen Stellung abzustellen ist.
BGE 80 I 361 S. 362
Die kantonale Rekurskommission hat in ihrem Entscheide vom 11. Juni 1954 angenommen, man habe es mit einem Stellenwechsel zu tun und nicht mit einem Berufswechsel gemäss Art. 42 WStB im Sinne der bewusst zurückhaltenden Auslegung, die dieser Bestimmung in der Praxis gegeben worden ist. Sie hat die Wehrsteuereinschätzung auf Grund des früheren Einkommens bestätigt.
C.-
Hiegegen richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrage, es sei ein Berufswechsel anzuerkennen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Annahme der Rekurskommission, dass lediglich ein Stellenwechsel vorliege, beruhe auf einer Verkennung der wirklichen Verhältnisse. Die Stellung, die der Beschwerdeführer 1942-1952 bekleidet habe, sei etwas ganz anderes gewesen, als seine neue Stellung, welche die eines gewöhnlichen Bureauangestellten sei und mit seinem eigentlichen Berufe nichts mehr zu tun habe.
D.-
Die kantonale Rekurskommission weist auf die Gründe hin, die zu der Zurückhaltung der Praxis in der Annahme eines "Berufswechsels" im Sinne des Gesetzes führen und verzichtet auf einen Antrag.
Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde geschützt
Erwägungen
in Erwägung:
1.
In BGE 79 I S. 357 ff. (Chabot) ist festgestellt worden, dass ein "Berufswechsel" im Sinne von Art. 42 WStB nur dann anzunehmen ist, wenn in der Erwerbstätigkeit, die der Steuerpflichtige ausübt, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche liegt nicht nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige einen andern Beruf ergriffen hat, sondern auch wenn sich seine Stellung innerhalb des Berufes wesentlich geändert hat. Ein gewöhnlicher Stellenwechsel dagegen wird nach der Praxis nicht als Berufsänderung im Sinne von Art. 42 WStB angesehen, auch wenn damit eine
BGE 80 I 361 S. 363
erhebliche Veränderung, Erhöhung oder Verminderung, des Erwerbes verbunden ist.
2.
Hat man es daher mit einem gewöhnlichen Stellenwechsel zu tun, so ist - trotz der damit verbundenen nicht unerheblichen Veränderung des Einkommens - ein Berufswechsel im Sinne des Gesetzes nicht anzunehmen. Indessen ist eine Veränderung in der Erwerbstätigkeit, der sich Steuerpflichtige infolge Entlassung wegen Erreichung der Altersgrenze unterziehen müssen, in der Regel kein gewöhnlicher Stellenwechsel. Die Entlassung bedeutet in solchen Fällen meist die Beendigung einer Lebensstellung, die sich der Erwerbstätige in langjährigen Bemühungen nach und nach geschaffen hatte. Sie bedingt unter Umständen eine vollständige Neuorientierung. Ein wegen seines Alters Entlassener wird bei einem neuen Arbeitgeber nicht leicht eine Stellung einnehmen können, die der früheren, in langen Bemühungen erreichten Position einigermassen nahekommt. Er wird sich mit einem Altersposten begnügen müssen.
3.
Hier sah sich der Steuerpflichtige - nach seinen Angaben, die im Verfahren von keiner Seite bestritten worden sind - zum Übertritt in eine Stellung bei einer privaten Wirtschaftsorganisation gezwungen, weil er als Aushilfsbeamter der Bundesverwaltung nur im Genusse einer Sparversicherung war und daher keinen Pensionsanspruch hatte. Er bekleidet heute nach seinen Angaben eine gewöhnliche Bureaustelle, während er früher einen verantwortlichen Posten als Revisor innehatte. Er befindet sich demnach infolge seiner Entlassung aus dem Bundesdienste in einer Lage, die ungefähr derjenigen eines wegen Teilinvalidität Pensionierten gleichkommt. Unter diesen Umständen entspricht es den in
BGE 79 I 357
ff., bes. S. 360, aufgestellten Richtlinien, die Bemessung des steuerbaren Einkommens gemäss Art. 42 WStB auf Grund des Verdienstes vorzunehmen, den der Steuerpflichtige in seiner neuen Stellung bezieht. | public_law | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b12e20c4-7e29-4887-b2af-31b6939e2ea1 | Urteilskopf
115 Ib 269
38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. September 1989 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen D. AG und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 49 Abs. 1 lit. a und b, 58 Abs. 1 und 2 BdBSt; steuerliche Qualifikation von Forderungsverzichten durch Aktionäre im Zusammenhang mit Sanierungen von Aktiengesellschaften.
Entgegen der in der Lehre vorherrschenden Auffassung sind Sanierungsleistungen von Aktionären, insbesondere auch Forderungsverzichte, bundessteuerrechtlich in der Regel nicht Eigenkapital- oder Fremdkapitaleinlagen, sondern Ertrag (E. 4b). Ausnahmen von diesem Prinzip sind nur zurückhaltend zuzulassen (E. 4c). Im vorliegenden Fall ist nicht dargetan, dass das Darlehen einem Dritten nicht zugestanden worden wäre und wirtschaftlich betrachtet eine Kapitaleinlage gewesen sei (E. 4d). | Sachverhalt
ab Seite 270
BGE 115 Ib 269 S. 270
Im Rahmen der im Jahre 1978 erfolgten Sanierung der H. AG verzichtete die S. AG, Alleinaktionärin der H. AG, auf eine Forderung im Betrage von Fr. 945'461.65 gegenüber ihrer Tochtergesellschaft. Der ausgewiesene Buchgewinn wurde mit aufgelaufenen Verlusten verrechnet und der verbleibende Reingewinn von Fr. 4'698.14 auf neue Rechnung vorgetragen. Bei den Veranlagungen der 20. bis 22. Periode der Wehrsteuer ergaben sich zufolge der Verrechnung der in den Jahren 1971-1977 (ausgenommen 1973) erlittenen Verluste keine steuerbaren Erträge. Die H. AG fusionierte am 30. September 1985 mit der D. AG.
Für die direkte Bundessteuer 1985/86 wurde die H. AG mit einem steuerbaren Ertrag von Fr. 93'000.-- und mit einem steuerbaren Kapital von Fr. 1'016'000.-- veranlagt. Die Einschätzung wurde auch der D. AG eröffnet. Diese erhob Einsprache mit der Begründung, der durchschnittliche Reinertrag der Bemessungsperiode 1983/84, massgebend für die direkte Bundessteuer 1985/86, sei um den noch nicht zur Verrechnung gebrachten und noch
BGE 115 Ib 269 S. 271
verrechenbaren Verlust von Fr. 249'287.-- aus den Bemessungsjahren 1977/78 zu kürzen. Die kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer wies die Einsprache ab, während die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen die dagegen eingereichte Beschwerde guthiess.
Gegen das Urteil der Verwaltungsrekurskommission reicht die Eidgenössische Steuerverwaltung beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Sie vertritt die Auffassung, dass der im Rahmen der Sanierung der H. AG erfolgte Forderungsverzicht der Alleinaktionärin S. AG in der Höhe von Fr. 945'461.65 steuerlich als echter, erfolgswirksamer Sanierungsgewinn zu qualifizieren sei und nicht als erfolgsneutraler Vermögenszugang, wie dies die Vorinstanz getan habe. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nachdem die Aktiven und Passiven der H. AG per 30. September 1985 auf die D. AG übergegangen sind und die H. AG damit als Steuersubjekt untergegangen ist, sind die von ihr für die laufende Veranlagungsperiode geschuldeten Steuern von der D. AG zu entrichten (
Art. 12 Abs. 2 BdBSt
). Dementsprechend war die Veranlagung der H. AG betreffend die Steuerperiode 1985/86 - wie dies auch geschehen ist - der D. AG zuzustellen, die auch zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert war.
3.
a) Gemäss
Art. 49 Abs. 1 lit. a und b BdBSt
fallen für die Berechnung des steuerbaren Ertrages in Betracht:
"der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung unter Berücksichtigung des Saldovortrages aus dem Vorjahre" (lit. a) und
"alle vor Berechnung des Saldos der Gewinn- und Verlustrechnung ausgeschiedenen Teile des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung geschäftsmässig begründeter Kosten verwendet werden (z.B. Aufwendungen für Anschaffung und Verbesserung von Vermögensobjekten, Einzahlungen auf das Gesellschaftskapital, freiwillige Zuwendungen an Dritte, vorbehältlich Abs. 2) (lit. b)."
b) Nach
Art. 58 Abs. 1 BdBSt
bilden die der Veranlagungsperiode vorangegangenen zwei Jahre die Berechnungsperiode. Als steuerbarer Reinertrag gilt der Durchschnitt der Ergebnisse der in die Berechnungsperiode fallenden Jahre. Weist eines dieser Jahre einen Verlust auf, so kann dieser vom Reinertrag des anderen Jahres abgezogen werden. Vom durchschnittlichen Reinertrag der Berechnungsperiode kann die Summe der durchschnittlichen Verluste
BGE 115 Ib 269 S. 272
aus drei vorangegangenen Berechnungsperioden abgezogen werden, sofern diese Verluste noch nie mit Reinerträgen verrechnet werden konnten (
Art. 58 Abs. 2 BdBSt
).
c) Einzige Streitfrage bildet im vorliegenden Fall die steuerliche Qualifikation des im Rahmen der Sanierung der H. AG erfolgten Forderungsverzichts der Alleinaktionärin S. AG in der Höhe von Fr. 945'461.65. Liegt darin ein echter, erfolgswirksamer Sanierungsgewinn, so wurden alle in den Vorjahren erlittenen Verluste der H. AG, soweit sie im Hinblick auf die
Art. 58 Abs. 2 BdBSt
getroffene zeitliche Beschränkung verrechenbar waren, zur Verrechnung gebracht; stellt der Forderungsverzicht hingegen einen erfolgsneutralen Vermögenszugang dar, so kann - wie dies die Vorinstanz festgestellt hat - noch ein Verlust von durchschnittlich Fr. 249'287.-- bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer 1985/86 berücksichtigt werden.
4.
a) Die H. AG hat in den Jahren 1971 bis 1977 Verluste erlitten; einzig im Jahre 1973 wurde gemäss Gewinn- und Verlustrechnung ein Gewinn von Fr. 95'694.-- ausgewiesen und nach Abzug einer Zuwendung für Personalfürsorge ein Reinertrag von Fr. 80'694.-- deklariert. Im Jahre 1978 erfolgte die Sanierung. Die ausgewiesenen Zahlen belegen, dass die H. AG sanierungsbedürftig war, was auch von keiner Seite in Frage gestellt wurde. Die Vorinstanz ging in zutreffender Weise davon aus, dass die im Jahre 1978 erfolgten Massnahmen (Herabsetzung des Aktienkapitals von Fr. 1'000'000.-- auf Fr. 750'000.-- und Forderungsverzicht seitens der Muttergesellschaft im Betrage von Fr. 945'461.65) im Rahmen der Sanierung der H. AG getroffen wurden.
b) Forderungsverzichte seitens der Gläubiger erhöhen den Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung (
Art. 49 Abs. 1 lit. a BdBSt
). Sie werden auch nach Steuerlehre und Praxis als erfolgswirksam betrachtet, wenn es sich um Leistungen unbeteiligter Dritter handelt. Sie sind dem steuerbaren Ertrag zuzurechnen (KÄNZIG, Wehrsteuer, 1. A., N. 94 zu Art. 49 Abs. 1 lit. b; MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. A., 1985, N. 11 zu Art. 49 Abs. Ia; H. SOMMER, Die steuerliche Behandlung von Sanierungen, ASA 36 460 f.; CAGIANUT/HÖHN, Unternehmungssteuerrecht, N. 26 zu § 12, S. 381; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, N. 373 zu
§ 19 lit. b StG
sowie N. 161 zu
§ 45 StG
).
Sanierungsleistungen von Aktionären hingegen, insbesondere auch Forderungsverzichte, sollen nach der in der Lehre
BGE 115 Ib 269 S. 273
vorherrschenden Auffassung nicht Ertrag, sondern Eigenkapital- oder Fremdkapitaleinlagen sein, die nicht in die Erfolgsrechnung gehörten; für den Entscheid über deren Ertragswirksamkeit bzw. -unwirksamkeit könne es nicht auf die äussere Form der Leistung ankommen (MASSHARDT, a.a.O., N. 11 zu Art. 49 Abs. 1a; HÖHN, Steuerrecht, 6. A., N. 16 zu § 24, S. 365; REIMANN/ZUPPINGER/ SCHÄRRER, a.a.O., N. 160 zu
§ 45 StG
; ZUPPINGER/SCHÄRRER/ FESSLER/REICH, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Ergänzungsband, 2. A., N. 160 zu
§ 45 StG
; KAUFMANN, Die Behandlung des Schulderlasses, Bern 1986, S. 211; M. DUSS, Forderungsverzicht durch Aktionäre von Aktiengesellschaften, ASA 50 273).
Dem steht die Auffassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung gegenüber, die auch der langjährigen Praxis zur Wehrsteuer entspricht, wonach Forderungsverzichte, gleichgültig ob der Verzicht von einem Aktionär oder einem nichtbeteiligten Gläubiger ausgesprochen wurde, in der Regel erfolgswirksam sind. An dieser Auffassung hat die Eidgenössische Steuerverwaltung auch im Kreisschreiben Nr. 14 vom 1. Juli 1981 (ASA 50 63) dem Grundsatze nach festgehalten. Im Sinne einer Ausnahme werden Forderungsverzichte von Beteiligten nur dann dem Ertrag nicht zugerechnet, wenn und soweit es sich entweder um eine Darlehensforderung handelt, die vor der Sanierung steuerlich als verdecktes Eigenkapital behandelt wurde, oder um Aktionärsdarlehen, die erstmalig oder zusätzlich im Hinblick auf den schlechten Geschäftsgang gewährt wurden und die unter den gleichen Umständen von unabhängigen Dritten nicht zugestanden worden wären (Kreisschreiben, Ziff. 3 lit. b).
c) Davon ausgehend, dass auf Sanierungsleistungen zurückgehende Buchgewinne zum steuerbaren Ertrag gehören, sind Ausnahmen von diesem Prinzip nur zurückhaltend zuzulassen. Die in der Steuerlehre vorherrschend vertretene Auffassung, es sei jede Sanierungsleistung eines Beteiligten ohne Rücksicht auf die Form (Kapitaleinzahlung oder Forderungsverzicht) als erfolgsneutraler Wertzugang zu behandeln, ausschlaggebend sei einzig, dass die Sanierungsleistung vom Anteilsinhaber in seiner Eigenschaft als Beteiligter erbracht worden sei (für viele: CAGIANUT/HÖHN, a.a.O., § 12 N. 28, S. 382), kann nicht geteilt werden. Sie schiesst übers Ziel hinaus, sowohl hinsichtlich der Regelung des Verlustabzugs in
Art. 58 Abs. 2 BdBSt
, wie auch im Blick auf eine Ertragsbesteuerung nach den wirklichen wirtschaftlichen Verhältnissen bei der Sanierung der Gesellschaft durch Beteiligte. Sie grenzt zu
BGE 115 Ib 269 S. 274
wenig genau die erfolgsneutralen Kapitaleinlagen von den erfolgswirksamen Sanierungsleistungen ab, die auch ein Beteiligter - wie ein Dritter - erbringen kann. Mit der Tatsache allein, dass ein Aktionär auf eine ihm gegenüber der Aktiengesellschaft zustehende Forderung verzichtet hat, auch wenn die Forderung aus Darlehensgewährung stammt, ist nicht dargetan, dass der Aktionär eine Leistung erbracht hat, die steuerlich als Kapitaleinlage zu behandeln wäre; dies besonders dann nicht, wenn die Forderung - wie im vorliegenden Fall (nebst der Bezahlung von Gründungskosten) - auf Warenlieferung zurückzuführen ist.
d) Die Forderung, auf welche die S. AG in der im Jahre 1978 erfolgten Sanierung verzichtet hat, ist nur zum Teil auf die Gewährung eines Darlehens zurückzuführen. Abgesehen davon hat die H. AG bzw. die D. AG in keiner Weise dargetan, dass das Darlehen einem Dritten nicht zugestanden worden wäre und wirtschaftlich betrachtet eine Kapitaleinlage gewesen sei. Aufgrund dieser Tatsachen steht fest, dass der strittige Forderungsverzicht der S. AG eine erfolgswirksame Sanierungsleistung darstellt, und der entstandene (echte) Sanierungsgewinn dementsprechend steuerlich erfolgswirksam zu behandeln ist. Mit dieser Qualifikation ist auch die Frage der Verrechnung in dem Sinne entschieden, dass bei der Veranlagung der Bundessteuer 1985/86 die geltend gemachten früheren Verluste von Fr. 249'287.-- nicht zur Verrechnung gebracht werden können. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit gutzuheissen. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b1326c92-9321-425f-8424-147c89252312 | Urteilskopf
114 Ia 267
42. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 22 juin 1988 dans la cause Madeleine Rouiller et consorts contre Grand Conseil du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; Beschluss, mit welchem eine Initiative, deren Rechtmässigkeit bestritten ist, dem Volk unterbreitet wird.
Zulässigkeit der Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte und der Stimmrechtsbeschwerde (E. 2a).
Sofern das kantonale Recht keine obligatorische Kontrolle der Rechtmässigkeit von Volksinitiativen vorsieht, kann ein Stimmberechtigter nicht verlangen, dass eine angeblich rechtswidrige Initiative nicht der Volksabstimmung unterbreitet wird (E. 3; Bestätigung der Rechtsprechung).
Beschluss, mit welchem die gültigen Abschnitte einer teilweise rechtswidrigen Initiative dem Stimmbürger vorgelegt werden.
Der Stimmbürger kann sich dagegen wehren, dass der gültige Teil einer Initiative dem Volk unterbreitet wird, wenn nicht hinreichend klar ist, ob die Initianten auch mit diesem gültigen Teil alleine einverstanden gewesen wären (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 268
BGE 114 Ia 267 S. 268
Le 28 mars 1980, la Chancellerie d'Etat du canton de Genève a reçu une initiative populaire cantonale rédigée proposant l'adoption d'une "loi comportant aménagement de la zone Rôtisserie-Pélisserie". L'initiative, munie d'environ 16000 signatures, avait la teneur suivante:
"Article 1
Les parcelles Nos (...) de la commune de Genève-Cité sont destinées à l'aménagement d'un ensemble locatif, commercial, de verdure et de
BGE 114 Ia 267 S. 269
détente, dans le périmètre délimité par la rue Calvin, la rue de la Pélisserie, la rue de la Rôtisserie et la place du Perron (...).
Art. 2
L'ensemble à réaliser comprend:
a) la construction d'immeubles d'habitation à la rue Calvin supérieure, à la rue de la Rôtisserie et à la rue de la Pélisserie;
b) des arcades pour artisans à la rue de la Rôtisserie et à la rue de la Pélisserie;
c) des bureaux dans l'immeuble rue de la Rôtisserie;
d) un parking d'environ 600 places, dissimulé à la vue, dont le toit constitue une terrasse publique aménagée en jardins;
e) une liaison par ascenseurs entre la basse ville et la haute ville.
Art. 3
Le financement et la réalisation de cet aménagement sont assurés par des fonds privés. Un droit de superficie à durée limitée est consenti aux promoteurs à des conditions identiques à celles accordées au parking du pont du Mont-Blanc, et a pour effet de rendre la collectivité propriétaire de l'ensemble des installations réalisées."
Le Grand Conseil du canton de Genève devait se prononcer sur l'initiative en vertu de l'
art. 65 al. 3 Cst.
gen. Il a décidé d'examiner si celle-ci est conforme aux règles juridiques de rang supérieur. Le 13 mars 1987, après de nombreux débats et examens par des commissions, le parlement cantonal a admis la recevabilité partielle de l'initiative. Il a décidé de supprimer son art. 3, jugé inconstitutionnel, et de la soumettre, ainsi modifiée, au corps électoral.
Le Tribunal fédéral a été saisi de trois recours de droit public tendant à l'annulation de cette décision, formés par huit personnes physiques, par l'Association des habitants du Centre et de la Vieille-Ville et par le Comité de sauvegarde de l'Alhambra.
Les recours se référaient essentiellement au droit de vote (
art. 85 lettre a OJ
). Ils faisaient valoir que l'initiative devait être déclarée irrecevable, d'une part parce que le texte proposé était en tous points contraire à divers principes juridiques, d'autre part parce que l'irrecevabilité de son art. 3, admise par le Grand Conseil, entraînait son irrecevabilité totale. En outre, certains recours dénonçaient une violation des droits constitutionnels des citoyens (
art. 84 al. 1 lettre a OJ
); ils soutenaient que l'initiative était contraire aux garanties de la séparation des pouvoirs, de la force dérogatoire du droit fédéral et de l'égalité de traitement. Le Tribunal fédéral a rejeté les recours, dans la mesure où ils étaient recevables.
BGE 114 Ia 267 S. 270
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
a) Selon la jurisprudence relative à l'
art. 84 al. 1 lettre a OJ
, le recours pour violation des droits constitutionnels des citoyens n'est recevable que si l'acte attaqué affecte d'une façon quelconque la situation de l'individu, en lui imposant une obligation de faire, de s'abstenir ou de tolérer, sous la forme soit d'un arrêté de portée générale, soit d'une décision particulière (
ATF 113 Ia 234
consid. 1,
ATF 107 Ia 80
consid. 1,
ATF 104 Ia 355
consid. 6). Cette condition n'est pas satisfaite par la décision de soumettre au vote populaire une initiative prétendument inconstitutionnelle. Les garanties invoquées par les recourants ne pourraient être compromises que si cette initiative était approuvée par le corps électoral et promulguée (
ATF 102 Ia 551
consid. c). Le texte ainsi adopté pourrait alors être attaqué par la voie du recours de droit public, dans le délai de trente jours compté dès sa promulgation (
ATF 112 Ia 182
consid. a,
ATF 110 Ia 12
consid. c). En l'état, les griefs tirés du principe de la séparation des pouvoirs et des
art. 4 Cst.
et 2 Disp. trans. Cst. ne peuvent être examinés que dans la mesure où ils peuvent influencer l'issue du recours en matière de droit de vote fondé sur l'
art. 85 lettre a OJ
. Ce recours-ci est ouvert lorsque l'autorité cantonale compétente se refuse ou tarde indûment à soumettre une initiative populaire au corps électoral; il est aussi ouvert lorsque l'autorité décide, au contraire, de présenter une initiative au vote populaire (arrêt du 18 janvier 1985 en la cause Z., ZBl 86/1985 p. 493 consid. 1a,
ATF 105 Ia 12
consid. 1,
ATF 102 Ia 55
consid. b,
ATF 99 Ia 729
).
b) Le recours en matière de droit de vote peut être exercé par tout électeur de la collectivité concernée, par les partis politiques qui y exercent leur activité (
ATF 113 Ia 49
consid. 1a,
ATF 112 Ia 211
consid. a) ainsi que par d'autres organisations politiques, telles qu'un comité formé pour le lancement d'une initiative ou d'un référendum, à condition que ces organisations soient constituées en personnes morales (
ATF 111 Ia 116
consid. 1a). L'Association des habitants du Centre et de la Vieille-Ville et le Comité de sauvegarde de l'Alhambra ont pour but premier de maintenir la qualité de la vie et de l'habitat dans leur aire topographique respective. Le Comité a certes pour mission, selon ses statuts, de combattre l'initiative litigieuse, mais toute personne ou organisation peut en devenir membre, sans que la qualité d'électeur soit requise. Les associations recourantes ne sont donc
BGE 114 Ia 267 S. 271
manifestement pas des organisations politiques (cf.
ATF 111 Ia 116
/117). En revanche, toutes les personnes physiques qui agissent en l'espèce sont électrices dans le canton de Genève et ont dès lors qualité pour recourir.
3.
Au niveau cantonal, le droit de vote protégé par l'
art. 85 lettre a OJ
comprend notamment le droit d'initiative populaire et les prétentions concrètes qui découlent de ce droit (
ATF 113 Ia 158
consid. 2a). Ainsi, lorsque le droit cantonal charge l'autorité compétente de vérifier d'office la conformité d'une initiative aux règles supérieures, le citoyen a une prétention à ce que ce contrôle obligatoire soit effectué correctement et à ce que le corps électoral ne soit pas appelé à se prononcer, le cas échéant, sur des dispositions inapplicables. Cette prétention n'existe en revanche pas si le droit cantonal concerné laisse à l'autorité la faculté d'exercer ce contrôle dans les cas où elle le juge opportun, sans lui en imposer l'obligation (arrêt du 18 janvier 1985 en la cause Z., ZBl 86/1985 p. 494 consid. b;
ATF 105 Ia 13
consid. 2a et c,
ATF 102 Ia 550
consid. 2,
ATF 99 Ia 730
; voir aussi
ATF 111 Ia 305
consid. 3). Or, le droit genevois ne prévoit pas de contrôle obligatoire des initiatives populaires au regard des règles de rang supérieur (
ATF 105 Ia 364
consid. 2). Il en résulte que même si l'initiative critiquée était contraire à diverses règles de droit fédéral et de droit constitutionnel cantonal, ainsi que les recourants le prétendent, la décision attaquée ne porterait pas atteinte à leur droit de vote.
La jurisprudence précitée est critiquée par plusieurs auteurs. A leur avis, le système des droits politiques qui caractérise le régime démocratique de la Suisse confère aux citoyens la garantie qu'un projet manifestement inconstitutionnel ne soit pas soumis au vote du peuple, cela indépendamment des règles cantonales sur le traitement des initiatives populaires. L'autorité cantonale compétente pour vérifier la régularité procédurale d'une initiative et prendre position à son sujet aurait l'obligation, le cas échéant, de constater une violation virtuelle des normes supérieures, même si elle n'y est pas explicitement tenue selon le droit cantonal. Un tel vice serait une cause d'invalidité de l'initiative elle-même; celle-ci devrait être déclarée irrecevable. Une solution plus nuancée, consistant à soumettre l'initiative au vote du peuple en l'accompagnant d'un message qui en présenterait le caractère inconstitutionnel, aurait pour effet de fausser la formation de la volonté populaire en mettant les électeurs dans un état de perplexité. Ceux-ci ne sauraient par exemple pas s'ils se
BGE 114 Ia 267 S. 272
prononcent sur la constitutionnalité ou sur l'opportunité du texte (GIACOMETTI, Das Staatsrecht der schweizerischen Kantone, p. 426; SCHMID, Initiative und Referendum im baselstädtischen Verfassungsrecht, BJM 1980 p. 237; GRISEL, Initiative et referendum populaires: traité de la démocratie semi-directe en droit suisse, p. 118 ch. 4; FAVRE, droit constitutionnel suisse, 1970, p. 119 ch. IV; RHINOW, Volksrechte, in Handbuch des Staats- und Verwaltungsrechts des Kantons Basel-Stadt, p. 151/152; AUER, Problèmes et perspectives du droit d'initiative à Genève, p. 39 ch. 73). Par ailleurs, même si la jurisprudence actuelle était justifiée, une pratique inconstante de l'autorité cantonale serait contraire aux principes de la bonne foi et de l'égalité de traitement; cette situation devrait conduire à la généralisation d'un contrôle effectif de l'objet des initiatives populaires (KÖLZ, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZBl 83/1982 p. 23).
Ces critiques ne prennent pas suffisamment en considération les particularités du recours prévu par l'
art. 85 lettre a OJ
. Les droits politiques des citoyens permettent l'exercice d'une fonction organique essentielle de l'Etat démocratique (arrêt du 18 janvier 1985 en la cause Z., ZBl 86/1985 p. 493 consid. 1a;
ATF 104 Ia 228
consid. a). C'est pourquoi leur violation peut être dénoncée par des personnes qui ne sont pas atteintes dans leurs intérêts personnels et qui agissent, en définitive, pour défendre l'intérêt public. A elle seule, la qualité d'électeur permet d'attaquer non seulement le résultat d'un vote populaire, mais aussi les mesures préparatoires qui précédent le vote (
ATF 110 Ia 177
consid. 2). Si le Tribunal fédéral reconnaissait au droit de vote visé par l'
art. 85 lettre a OJ
l'étendue que les auteurs précités proposent de lui donner, la protection de ce droit engloberait celle des droits constitutionnels des citoyens au sens de l'
art. 84 al. 1 lettre a OJ
. Or, ces droits ne sont pas destinés à régler la participation des citoyens aux fonctions de l'Etat; ils ont pour rôle essentiel de protéger les individus contre les abus de la puissance publique (cf. MÜLLER, Eléments pour une théorie suisse des droits fondamentaux, p. 8, 62 ch. 2). En l'état de la jurisprudence, ils peuvent être invoqués, devant le Tribunal fédéral, seulement contre un acte propre à léser l'individu (cf. consid. 2a ci-dessus) et par une personne atteinte par l'acte conformément aux critères relatifs à l'
art. 88 OJ
(cf.
ATF 114 Ia 94
consid. 1,
ATF 113 Ia 249
consid. 2,
ATF 112 Ia 177
consid. 3). Ces règles de procédure sont étroitement liées à
BGE 114 Ia 267 S. 273
la fonction des droits constitutionnels des citoyens; l'assimilation de ceux-ci au droit de vote équivaudrait à un abandon - injustifié - des principes spécifiques de procédure.
L'extension de l'objet du droit de vote aurait aussi pour effet d'ouvrir plusieurs fois le recours au Tribunal fédéral sur les mêmes questions juridiques. Le recours pourrait être formé contre la décision de convoquer les électeurs, pour faire valoir que celle-ci viole le droit de vote parce que l'acte mis aux voix est contraire aux droits constitutionnels des citoyens; il pourrait ensuite être formé contre l'acte adopté par le corps électoral lors de sa promulgation, à nouveau pour violation des droits constitutionnels. Pour les arrêtés de portée générale, les mêmes griefs pourraient en outre être invoqués dans le cadre d'un recours dirigé contre une décision d'application (
ATF 112 Ia 112
consid. a, 159 consid. e). Une protection juridique aussi étendue ne répond pas à un besoin. En outre, le Tribunal fédéral serait amené à donner son avis sur la constitutionnalité de textes en voie d'adoption, alors qu'à la différence des cours suprêmes d'autres pays, il n'est pas chargé d'exercer une juridiction préventive (cf. FERRARI, Die Zuständigkeit und das Verfahren der Ungültigerklärung von Volksbegehren (...), thèse Zurich, 1982, p. 67; AUER, La juridiction constitutionnelle en Suisse, p. 14 ch. 26 ss).
Au surplus, ces conséquences ne toucheraient pas seulement les recours de droit public relatifs aux initiatives populaires. En effet, le droit de vote protégé par l'
art. 85 lettre a OJ
ne saurait avoir une étendue différente selon que l'acte soumis au corps électoral est proposé par les autorités ou, au contraire, émane de l'initiative populaire. Il faudrait donc admettre que toute décision de convoquer les électeurs puisse être déférée au Tribunal fédéral au motif que l'objet du vote serait contraire au droit ou, s'il s'agit de dispositions de portée générale, contraire à des règles juridiques supérieures. Le recours étant ouvert à tout électeur de la collectivité publique concernée, l'abandon de la jurisprudence critiquée impliquerait une modification fondamentale du rôle du Tribunal fédéral. Les arguments évoqués ci-dessus ne justifient pas une telle transformation, que les auteurs cités ne semblent d'ailleurs pas envisager. La jurisprudence doit dès lors être maintenue.
Il en résulte qu'en l'absence d'une règle de droit cantonal imposant au Grand Conseil de contrôler la validité du texte proposé par l'initiative populaire, les critiques que les recourants
BGE 114 Ia 267 S. 274
soulèvent contre ce texte sont impropres à démontrer une violation de leur droit de vote.
4.
Le droit de vote permet au citoyen de s'opposer à ce que le corps électoral soit consulté, sauf circonstances particulières, en dehors des cas prévus par la constitution ou la loi (
ATF 104 Ia 226
). Ce droit serait dès lors violé si les autorités d'un canton décidaient de soumettre une initiative au peuple alors que celle-ci n'a pas obtenu le nombre de signatures prescrit.
En l'espèce, les recourants soutiennent que l'initiative ne doit pas être présentée au corps électoral parce que l'invalidité de son art. 3, admise par le Grand Conseil, entraîne prétendument son invalidité totale. Selon la jurisprudence, l'autorité qui prononce l'irrecevabilité d'une partie d'une initiative doit, pour respecter le principe de la proportionnalité, soumettre au peuple la partie tenue pour admissible; il faut cependant qu'on puisse raisonnablement admettre que les signataires auraient aussi approuvé cette partie si elle leur avait été présentée seule (
ATF 112 Ia 388
consid. 6a,
ATF 110 Ia 182
,
ATF 105 Ia 365
consid. 3, 368). Les recourants reprochent au Grand Conseil d'avoir méconnu cette condition; leur argumentation équivaut à dénoncer une violation de l'
art. 64 al. 2 Cst.
gen., qui requiert le concours de dix mille électeurs pour l'exercice du droit d'initiative, au motif que les signatures déposées n'exprimeraient que des volontés viciées.
Les art. 1er et 2 de l'initiative requièrent la réalisation d'un complexe immobilier sur des terrains qui appartiennent à l'Etat, et l'art. 3 précise que les capitaux nécessaires doivent être engagés par des particuliers qui seraient mis au bénéfice d'un droit de superficie. Comme la construction des bâtiments est possible aussi sous d'autres modalités financières, le texte reste cohérent même si l'art. 3 est supprimé. En cas d'adoption du texte modifié, il serait possible que l'Etat construise avec ses propres deniers, ce qui, de l'avis des recourants, est contraire à la volonté des signataires. Ceux-ci, ou du moins un grand nombre d'entre eux, n'auraient adhéré à l'initiative que parce qu'ils avaient la certitude que la construction proposée n'entraînerait aucune dépense pour la collectivité publique. Il est certain que la réalisation proposée exigerait un investissement important, mais celui-ci correspondrait à des actifs réalisables et la construction de logements et de locaux commerciaux au centre de Genève n'est pas d'emblée dépourvue de rentabilité. Par sa nature, l'opération ne doit pas, à priori, grever les finances publiques. Dans ces conditions, les recourants
BGE 114 Ia 267 S. 275
surestiment l'influence que l'art. 3 a pu exercer sur la volonté des signataires. Le Grand Conseil pouvait admettre que ces derniers auraient aussi, dans l'ensemble, signé une initiative ne comprenant que les art. 1er et 2. Les critiques des recourants s'avèrent ainsi infondées. | public_law | nan | fr | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b133518e-1404-4c91-8d3b-2c1e87588984 | Urteilskopf
112 Ib 39
7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Januar 1986 i.S. X. gegen Gemeinde Y. und Kantonales Verwaltungsgericht Wallis (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Gewässerschutz.
Art. 20 GSchG
. Einwandfreie Abwasserbeseitigung.
Den Anforderungen von
Art. 20 GSchG
kann nicht einfach dadurch genügt werden, dass die Versorgung der streitigen Anlage mit Wasser untersagt wird (E. 3).
Umweltschutz.
1. Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über den Umweltschutz auf Fälle, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens hängig waren (E. 1c).
2. Anwendung von
Art. 25 Abs. 1 USG
vor Festsetzung der massgebenden Werte durch den Bundesrat (E. 4a). Ermittlung und Prüfung der mutmasslichen Lärmbelastung einer Liegenschaft durch eine kommunale Schiessanlage (E. 4b bis d).
Raumplanung.
Art. 24 Abs. 1 RPG
. Ausnahmebewilligung für eine Schiessanlage ausserhalb der Bauzonen.
Anerkennung der Standortgebundenheit einer kommunalen Schiessanlage (E. 5a) und Interessenabwägung zu ihren Gunsten (E. 5b). | Sachverhalt
ab Seite 40
BGE 112 Ib 39 S. 40
Die Gemeinde Y. beabsichtigt, rund 200 m von der Liegenschaft des X. entfernt eine Schiessanlage mit 6 Scheiben für eine Schussdistanz von 300 m und 4 Scheiben für eine solche von 50 m zu bauen. Die Kantonale Baukommission Wallis bewilligte das Vorhaben am
BGE 112 Ib 39 S. 41
9. April 1984 unter verschiedenen Bedingungen und Auflagen. So ordnete sie aus Gründen des Gewässerschutzes an, dass das Schützenhaus nicht mit Wasser versorgt werden dürfe. In bezug auf die Lärmimmissionen stellte sie fest, dass die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten würden. Sie verpflichtete die Gemeinde, das Schützenhaus in massiver Bauweise zu errichten und im Innern schallschluckend auszubauen. Im weitern seien ein Schallschutzwall aufzuschütten und Schallschutzblenden anzubringen. Die gegen das Bauvorhaben gerichteten Einsprachen wies die Baukommission gleichzeitig ab.
X. beschwerte sich hierüber beim Staatsrat des Kantons Wallis und hernach beim Kantonalen Verwaltungsgericht Wallis. Dieses wies seine Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 30. April 1985 ab.
X. führt mit Eingabe vom 23. August 1985 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht und beantragt, das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts sowie die kommunale und die kantonale Baubewilligung aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 103 lit. a OG
ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit der Schutzrichtung der als verletzt gerügten Norm nicht übereinzustimmen. Doch wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe (
BGE 110 Ib 101
E. 1a mit Hinweisen).
Die Liegenschaft des Beschwerdeführers ist rund 200 m von der projektierten Schiessanlage entfernt. Angesichts der zu erwartenden Immissionen steht er damit der Streitsache wesentlich näher als irgendein Dritter. Er ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt.
b) Der Beschwerdeführer rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht
BGE 112 Ib 39 S. 42
(Art. 20 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971, GSchG; Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979, RPG; Art. 9 und 25 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983, USG). An der Zulässigkeit der Berufung auf das Gewässerschutzgesetz und auf das Raumplanungsgesetz bestehen keine Zweifel. Zu prüfen ist jedoch, ob das Umweltschutzgesetz auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.
c) Das Bundesgesetz über den Umweltschutz ist am 1. Januar 1985 und damit während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht in Kraft getreten (BRB vom 12. September 1984, AS 1984 1143). Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht das Umweltschutzgesetz auf den vorliegenden Fall angewendet hätte. Erst aus seiner Vernehmlassung geht hervor, dass es die massgebenden Bestimmungen dieses Gesetzes "stillschweigend als erfüllt betrachtet" habe. Wie es sich damit verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben; im folgenden wird zu zeigen sein, dass das Umweltschutzgesetz auf den vorliegenden Fall ohnehin anwendbar ist.
Das Bundesgesetz über den Umweltschutz enthält lediglich eine Übergangsbestimmung für die Selbstkontrolle von Stoffen (
Art. 63 USG
). Im übrigen ist die übergangsrechtliche Anwendung des Gesetzes nicht geregelt. Die Frage des anwendbaren Rechts ist deshalb nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden.
Die Rechtmässigkeit eines Verwaltungsakts ist grundsätzlich nach der Rechtslage zur Zeit seines Erlasses zu beurteilen; nachher eingetretene Änderungen müssen unberücksichtigt bleiben. Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 104 OG
in erster Linie zu einer Kontrolle der Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheide durch das Bundesgericht führt, ist nach dem erwähnten Grundsatz davon auszugehen, dass im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eingetretene Rechtsänderungen in der Regel unbeachtlich sind und das Bundesgericht ausschliesslich zu prüfen hat, ob der angefochtene Entscheid mit dem zur Zeit seines Erlasses geltenden Recht in Einklang steht. Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn zwingende Gründe dafür bestehen, dass das neue Recht sogleich anzuwenden ist. Das Bundesgericht erachtete diese Voraussetzungen beim eidgenössischen Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 als gegeben. Es wies darauf hin, die Bestimmungen dieses Gesetzes brächten eine Verschärfung der Gewässerschutzvorschriften und sollten eine möglichst rasche Verminderung weiterer Gewässerverunreinigungen gewährleisten. Es dränge sich daher um der öffentlichen Ordnung willen auf, das Gewässerschutzgesetz
BGE 112 Ib 39 S. 43
in Anlehnung an die Bestimmungen des Schlusstitels des ZGB auf alle Fälle anzuwenden, in denen das den Gewässerschutz betreffende Verfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts noch nicht abgeschlossen sei (
BGE 99 Ib 152
/153 E. 1;
BGE 99 Ia 125
E. 9). Wesentlich andere Verhältnisse erachtete das Bundesgericht dagegen auf dem Gebiet der Raumplanung als gegeben. So habe das Bundesgesetz über die Raumplanung im Vergleich zum vorangehenden Dringlichkeitsrecht des Bundes keine Verschärfung der Vorschriften gebracht. Sodann sei im Gegensatz zum Gewässerschutzgesetz, das den Beschwerdeinstanzen des Bundes eine umfassende Ermessenskontrolle überträgt (
Art. 10 GSchG
), die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts gemäss
Art. 104 OG
nicht erweitert worden. Unter diesen Umständen habe kein Anlass bestanden, auf einen Fall, während dessen Hängigkeit vor dem Bundesgericht das Raumplanungsgesetz in Kraft getreten war, erstmals dieses Gesetz anzuwenden. Dem Gericht erschien es als unvereinbar mit dem Sinn des Raumplanungsgesetzes, wenn es als erste und einzige Instanz mit beschränkter Überprüfungsbefugnis im Ermessensbereich entschieden haben würde, da so die den kantonalen Behörden zustehende und von
Art. 33 Abs. 3 lit. b RPG
vorgeschriebene volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdeinstanz missachtet worden wäre (
BGE 106 Ib 326
/327 E. 2 mit Hinweisen). Was das Bundesgesetz über den Umweltschutz betrifft, so liegen ähnliche Verhältnisse vor wie beim Gewässerschutzgesetz. Freilich fehlt eine Vorschrift wie
Art. 10 GSchG
, die dem Bundesgericht eine umfassende Ermessenskontrolle einräumt. Doch ist das Umweltschutzgesetz im Unterschied zum Raumplanungsgesetz nicht nur ein Grundsatzgesetz. Es belässt den Kantonen keine wesentlichen Freiräume. Sodann schafft das Umweltschutzgesetz eine Ordnung, die möglichst rasch Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und ihre Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen und die Fruchtbarkeit des Bodens erhalten sollen (
Art. 24septies Abs. 1 BV
;
Art. 1 Abs. 1 USG
). Daher drängt es sich - wie seinerzeit beim Gewässerschutzgesetz - um der öffentlichen Ordnung willen auf, das Bundesgesetz über den Umweltschutz in Anlehnung an
Art. 2 SchlT ZGB
auf alle Fälle anzuwenden, in denen das den Umweltschutz betreffende Verfahren bei Inkrafttreten des neuen Rechts noch nicht abgeschlossen ist.
Hieran ändert der Umstand nichts, dass verschiedene Verordnungen zum Umweltschutzgesetz, die unter anderem Grenzwerte festlegen, noch nicht erlassen sind. Das Umweltschutzgesetz ist
BGE 112 Ib 39 S. 44
schon für sich allein anwendbar. Das geht etwa aus
Art. 12 Abs. 2 USG
hervor, wonach Emmissionsbegrenzungen auch durch unmittelbar auf dieses Gesetz gestützte Verfügungen vorgeschrieben werden können.
Ebenfalls zu keinem andern Ergebnis führt die Kritik von ALFRED KÖLZ (Intertemporales Verwaltungsrecht, in: ZSR 1983/102 II, S. 207 ff.). Entgegen der Auffassung dieses Autors hat hier der Vertrauensgrundsatz gegenüber dem Prinzip der Gesetzmässigkeit zurückzutreten. Das Allgemeininteresse am Schutz und an der Schonung der gefährdeten Lebensgrundlagen überwiegt das Interesse des Einzelnen, in seinem Vertrauen auf eine Behandlung nach früherem Recht geschützt zu werden.
Die Anwendbarkeit des Umweltschutzgesetzes wäre nur dann zu verneinen, wenn sie im konkreten Fall mit
Art. 4 BV
unvereinbar wäre. Davon könnte etwa dann gesprochen werden, wenn ein Nachbar in querulatorischer Weise Verfahrensverzögerungen herbeiführen würde, um so die Anwendung strengeren Rechts zu erwirken. Solches Verhalten kann dem Beschwerdeführer jedoch nicht vorgeworfen werden. Schon die jeweilige Einreichung neuer Baugesuche durch die Beschwerdegegnerin zeigt, dass seine Bedenken gegenüber der streitigen Anlage nicht von vornherein unbegründet waren.
d) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch die Verletzung von Art. 31 des Walliser Gesetzes betreffend die Vollziehung des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1971 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 16. November 1978 gerügt werden. Diese Vorschrift hat keine selbständige kantonalrechtliche Bedeutung, da sie nichts anordnet, was nicht schon durch die bundesrechtliche Vorschrift von Art. 27 Abs. 3 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 geboten ist (
BGE 105 Ib 107
E. 1a mit Hinweis).
Unzulässig ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde jedoch, soweit der Beschwerdeführer mit ihr die Verletzung von Art. 15 und 16 der Verordnung des Staatsrates des Kantons Wallis zur vorläufigen Regelung der Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 7. Februar 1980 rügt. Diese Bestimmungen haben mindestens zu einem wesentlichen Teil selbständige Bedeutung (
BGE 105 Ib 107
E. 1a mit Hinweis).
e) In einer Streitigkeit wie der vorliegenden ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig (
Art. 98 lit. g OG
; 34 Abs. 1 RPG
). Die Beschwerde erfüllt diese Voraussetzung insoweit, als sie sich gegen das angefochtene
BGE 112 Ib 39 S. 45
Urteil des Verwaltungsgerichts richtet. Dagegen ist sie unzulässig, soweit mit ihr auch die Aufhebung der kommunalen und kantonalen Bewilligungen verlangt wird (
BGE 104 Ib 270
E. 1).
f) Als zulässig erweist sich die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (
Art. 104 lit. b,
Art. 105 Abs. 2 OG
).
g) Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt, ist mit Ausnahme der Rüge der Verletzung von Vorschriften der kantonalen Einführungsverordnung zum Raumplanungsgesetz sowie des Antrags auf Aufhebung kommunaler und kantonaler Bewilligungen auf sie einzutreten.
2.
Nach der Auffassung des Beschwerdeführers verstösst das angefochtene Urteil in erster Linie gegen
Art. 20 GSchG
,
Art. 24 RPG
sowie
Art. 9 und
Art. 25 USG
. Die Rügen der Verletzung von
Art. 20 GSchG
sowie
Art. 9 und
Art. 25 USG
betreffen spezifische Fachbereiche: Sie greifen je ein Problem des Gewässerschutzes und des Lärmschutzes auf. Demgegenüber erscheint die Rüge der Verletzung von
Art. 24 RPG
insoweit allgemeiner, als die gemäss
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
vorzunehmende Interessenabwägung sämtliche Gesichtspunkte umfasst, die sich bei der Beurteilung der streitigen Schiessanlage stellen können. Es erscheint daher zweckmässig, vorerst die Rügen der Verletzung von Gewässerschutz- und Umweltschutzgesetz zu beurteilen und, sofern der Beschwerdeführer damit nicht durchzudringen vermag, hernach die Rüge der Verletzung von
Art. 24 RPG
zu behandeln.
3.
Gemäss
Art. 20 GSchG
dürfen Bewilligungen für den Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art ausserhalb der Bauzone oder, wo solche fehlen, ausserhalb des im generellen Kanalisationsprojekt abgegrenzten Gebiets nur erteilt werden, wenn die Ableitung und Reinigung oder eine andere zweckmässige Beseitigung der Abwässer festgelegt ist und die kantonale Fachstelle für Gewässerschutz angehört wurde (Fassung vom 22. Juni 1979).
Wie der Beschwerdeführer mit Recht darlegt, kann den Anforderungen von
Art. 20 GSchG
nicht einfach dadurch genügt werden, dass die Versorgung der streitigen Anlage mit Wasser untersagt wird. So bezeichnet es auch das Verwaltungsgericht als undenkbar, in der heutigen Zeit einen Schiessstand ohne WC-Anlage zu bauen. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtfertigt es sich deswegen jedoch nicht, die Baubewilligung aufzuheben. Vielmehr bleibe es der Baugesuchstellerin, die dieses Verbot hingenommen habe, überlassen, eine den gesundheitspolizeilichen Anforderungen
BGE 112 Ib 39 S. 46
genügende Lösung zu suchen. Wenn sich auch dieser Vorbehalt im Dispositiv des angefochtenen Urteils nicht ausdrücklich niedergeschlagen hat, so geht daraus doch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Verwaltungsgericht einen blossen Verzicht auf Wasserversorgung und WC-Anlage nicht gebilligt hat. Die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin, eine den gesundheitspolizeilichen Anforderungen genügende Lösung zu suchen, hat es zumindest in den Erwägung ausgesprochen.
Der angefochtene Entscheid erweckt aus der Sicht des Gewässerschutzes freilich Bedenken. Indessen hat das Baubewilligungsverfahren gezeigt, dass die Beschwerdegegnerin zur Lösung des Abwasserproblems bereit ist. Sodann hat das Amt für Umweltschutz des Kantons Wallis in seinem Bericht vom 11. September 1985 eine entsprechende Bewilligung in Aussicht gestellt, wobei das ordentliche Verfahren durchzuführen sein wird. Unter diesen Umständen vermag der Vorbehalt der einwandfreien Lösung des Abwasserproblems den Anforderungen von
Art. 20 GSchG
zu genügen. Er ist jedoch dahin zu verdeutlichen, dass die Abwasserbeseitigung einwandfrei zu sein hat und vor Baubeginn durch die zuständigen Behörden im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren bewilligt sein muss, in dem der Beschwerdeführer seine Rechte wahren kann.
4.
Das Bundesgesetz über den Umweltschutz enthält in seinem zweiten Titel Vorschriften über die Begrenzung der Umweltbelastung. Dessen erstes Kapitel befasst sich unter anderem mit der Einschränkung des Lärms. So legt der Bundesrat Immissionsgrenzwerte (
Art. 13 USG
) und Planungswerte fest, die unter den Immissionsgrenzwerten liegen (
Art. 23 USG
). Gemäss
Art. 25 Abs. 1 USG
dürfen ortsfeste Anlagen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten; die Bewilligungsbehörde kann eine Lärmprognose verlangen.
a) Wie erwähnt, liegen die Immissionsgrenzwerte und die Planungswerte noch nicht in rechtskräftiger Form vor. Gleichwohl ist das Umweltschutzgesetz für sich allein anwendbar (E. 1c). Wo das Gesetz die Einhaltung von Immissionsgrenzwerten oder Planungswerten vorschreibt, entscheidet das Bundesgericht mangels entsprechender Vorschriften nach der Regel, die es als Verordnungsgeber aufstellen würde (vgl.
Art. 1 Abs. 2 ZGB
). Hierfür zieht es für den vorliegenden Fall die bisherigen Unterlagen zur Lärmbeurteilung von zivilen Schiessanlagen bei.
BGE 112 Ib 39 S. 47
b) Zur Ermittlung der zu erwartenden Lärmbelastung der Liegenschaft des Beschwerdeführers liess die Beschwerdegegnerin von der EMPA ein Gutachten erstatten. Dieses Lärmgutachten vom 21. September 1983 beruht auf der Messung von Sturmgewehr-Einzelschüssen aus ungedeckter Waffenstellung. Die Lärmquelle lag am Ort des projektierten Schützenhauses; der Messpunkt befand sich zwischen dem Motel und dem Wohnhaus des Beschwerdeführers. Es wurden Messwerte zwischen 74 dB (A) und 77 dB (A) registriert; der energetische Mittelwert betrug 75,6 dB (A). Diese Werte liegen erheblich unter jenen Messwerten, die bei der Lärmquelle am Ort der ursprünglich geplanten Schiessanlage registriert worden waren. Durch bauliche Lärmschutzmassnahmen, wie sie im vorliegenden Fall der Gemeinde Y. auferlegt wurden, lässt sich der Schiesslärm bei der Liegenschaft des Beschwerdeführers auf rund 70 dB (A) herabsetzen. Diese Lärmreduktion von 5 dB (A) dürfte im übrigen gemäss Lärmgutachten der EMPA vom 21. September 1983 "technisch durchaus möglich sein". Die in dieser Hinsicht abschwächende Behauptung des Beschwerdeführers ist aktenwidrig.
Die Intensität des zu erwartenden Schiessbetriebs ergibt sich aus einem früheren Lärmgutachten der EMPA vom 7. Juli 1981. Danach ist durchschnittlich mit 30 Schiesshalbtagen und 10'000 bis 15'000 Schüssen pro Jahr zu rechnen.
c) Laut Lärmgutachten der EMPA vom 21. September 1983 beträgt der Planungsgrenzwert aufgrund des zweiten Teilberichts "Belastungsgrenzwerte für den Lärm ziviler Schiessanlagen" der Eidgenössischen Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten vom Oktober 1980 bei den konkret in Frage stehenden Verhältnissen 70 dB (A). Auf diese Grundlage bezogen genügt die streitige Schiessanlage somit den Anforderungen des Lärmschutzes.
d) Gemäss dem Bericht des Bundesamtes für Umweltschutz vom Februar 1985 über Berechnungsverfahren für Schiesslärm von 300-m-Anlagen, Schriftenreihe Umweltschutz Nr. 35, gelten für lärmbelastete Einzelgebäude, wie sie hier in Frage stehen, ein Planungswert von 60 dB (A), ein Immissionsgrenzwert von 65 dB (A) und ein Alarmwert von 75 dB (A) (Beilage 7). Diese Werte beruhen auf dem Entwurf für eine bundesrätliche Verordnung über den Lärmschutz bei ortsfesten Anlagen. Nach dem Bericht wird die Lärmbelastung als sogenannter Beurteilungspegel erfasst, der aus dem Schallpegel des durchschnittlichen Einzelschusses und einer Korrektur für die Intensität des Schiessbetriebs im langzeitlichen Durchschnitt bestimmt wird. Aufgrund des Lärmgutachtens der EMPA vom
BGE 112 Ib 39 S. 48
21. September 1983 kann unter Berücksichtigung der vorgeschriebenen Lärmschutzmassnahmen bei der Liegenschaft des Beschwerdeführers von einem Schallpegel des durchschnittlichen Einzelschusses von 70 dB (A) ausgegangen werden (vgl. E. 4c). Davon abzuziehen ist die Korrektur für die Intensität des Schiessbetriebs im Langzeitdurchschnitt. Ginge man dabei von der Formel des erwähnten Berichts aus, ergäbe sich hier eine Korrektur von mehr als 10 dB (A). Damit würde die mutmassliche Lärmbelastung, der das Motel des Beschwerdeführers nach dem Bau der streitigen Schiessanlage ausgesetzt sein wird, auch den Planungswert von 60 dB (A) noch unterschreiten. Sie dürfte sich demnach auch im Rahmen der künftigen Verordnung über den Lärmschutz bei ortsfesten Anlagen halten.
e) Zusammenfassend ergibt sich, dass die streitige Schiessanlage sowohl den bisher massgebenden als auch den neuesten Richtlinien des Lärmschutzes genügt. Von einer Verletzung von
Art. 25 USG
kann unter diesen Umständen keine Rede sein.
f) Der Beschwerdeführer wirft den kantonalen Behörden vor, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt und damit
Art. 9 USG
verletzt zu haben.
Es trifft zwar zu, dass die kantonalen Behörden vor der Bewilligung der streitigen Schiessanlage keine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt haben. Doch lieferten die von der Beschwerdegegnerin eingeholten Gutachten der EMPA die nötigen Grundlagen zur Beurteilung des Lärmproblems. Diese haben es schliesslich dem Bundesgericht ermöglicht, die Anlage auch nach den neuesten Unterlagen zu prüfen, wie sie im Bericht des Bundesamtes für Umweltschutz über Berechnungsverfahren für Schiesslärm von 300-m-Anlagen vom Februar 1985 enthalten sind. Der gerügte Mangel ist somit im bundesgerichtlichen Verfahren geheilt worden.
5.
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
setzt für die Erteilung einer Baubewilligung voraus, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen. Abweichend davon können Errichtung und Zweckänderung von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
ausnahmsweise bewilligt werden, wenn deren Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzone erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b).
a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Baute oder Anlage standortgebunden, wenn sie auf eine bestimmte Lage aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen angewiesen ist (
BGE 108 Ib 133
/134 E. 2, 362/363 E. 4 je mit Hinweisen). Eine
BGE 112 Ib 39 S. 49
absolute Standortgebundenheit in dem Sinn, dass eine Baute oder Anlage nur zulässig ist, wenn überhaupt kein anderer Standort in Betracht fällt, verlangt die Rechtsprechung jedoch nicht. Es genügt, wenn besonders gewichtige Gründe vorliegen, die den Standort als durch die Zweckbestimmung der Baute oder Anlage objektiv bedingt und gegenüber Standorten innerhalb der Bauzone als erheblich vorteilhafter erscheinen lassen (
BGE 108 Ib 362
E. 4a).
Wegen ihrer Auswirkungen kann eine Schiessanlage vernünftigerweise nicht innerhalb der ordentlichen Bauzonen errichtet werden. Sie muss ferner gewissen schiesstechnischen Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Sicht, Windverhältnisse usw. entsprechen. In diesem Sinn sind Schiessplätze standortgebunden.
Im vorliegenden Fall bestreitet der Beschwerdeführer jedoch die Standortgebundenheit der projektierten Schiessanlage. Er rügt in diesem Zusammenhang eine offenkundig unrichtige Feststellung des Sachverhalts im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
. So habe es das Verwaltungsgericht zu Unrecht für die Gemeinde Y. als unzumutbar bezeichnet, eine Schiessanlage ausserhalb des Gemeindegebietes zu benützen oder sich an einer Gemeinschaftsanlage zu beteiligen. Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Militärorganisation vom 12. April 1907 (Fassung vom 22. Juni 1984; SR 510.10) verpflichtet die Gemeinden, die für die Schiessübungen ausser Dienst notwendigen Schiessanlagen zur Verfügung zu stellen. Nur wenn sich in einer Gemeinde kein geeigneter Schiessplatz finden lässt, kann die Kantonale Militärbehörde gemäss
Art. 25 der bundesrätlichen Verordnung über das Schiesswesen ausser Dienst vom 29. November 1935 (Fassung vom 22. November 1966; SchV; SR 512.31)
den Schützen dieser Gemeinde einen andern Schiessplatz anweisen. Diese Voraussetzung ist aufgrund der Akten sowie der nachstehenden Erwägungen offensichtlich nicht erfüllt. Befindet sich somit ein geeigneter Standort für einen Schiessplatz in der Gemeinde, kann nach Art. 27 SchV (Fassung vom 5. November 1975) die Anwendung des Bundesgesetzes über die Enteignung bewilligt werden. Selbst wenn die Liegenschaft des Beschwerdeführers übermässigen Immissionen ausgesetzt werden sollte und trotz aller zumutbarer Anstrengungen keine Lösung gefunden werden könnte, die übermässige Immissionen aus dem Betrieb der Schiessanlage vermeiden könnten, hätte das entgegen der Annahme des Beschwerdeführers nicht die Unzulässigkeit der Anlage, sondern lediglich die Enteignung des nachbarrechtlichen Abwehranspruchs zur Folge.
BGE 112 Ib 39 S. 50
Auch wenn Schiessplätze als Anlagen gelten, die auf eine Lage ausserhalb der Bauzone angewiesen sind, so erfordern sie oftmals nicht einen ganz bestimmten Standort. In solchen Fällen verlangt daher die Rechtsprechung darüber hinaus den Nachweis, dass keine andern Standorte für die projektierte Anlage zumutbar sind (
BGE 108 Ib 367
E. 6a). In dieser Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, die kantonalen Instanzen hätten die Möglichkeit, die Anlage südwestlich des Dorfes Y. zu bauen, nicht abgeklärt. Indessen hat die Gemeinde Y. verschiedene Standorte erwogen und mit Hilfe von Schallmessungen und Expertisen die entsprechenden Immissionen geprüft. Abgesehen davon hätte ein Standort südwestlich des Dorfs gegenüber dem nun gewählten eine ganze Reihe erheblicher Nachteile. Während die projektierte Anlage unmittelbar an den Fuss des Ergischhorns auf einer Deponie vorgesehen ist, wo sie landschaftlich wenig auffällt, befindet sich der vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Alternativstandort in der Rhône-Ebene an landschaftlich stärker exponierter Lage, wo sie wertvolles Kulturland beanspruchen würde. Zudem bestünde die Gefahr, dass das ganze Dorf Y. vom Schiesslärm weit mehr beeinträchtigt würde.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, dem Bau der streitigen Schiessanlage stünden überwiegende Interessen im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
entgegen.
In dieser Hinsicht wirft der Beschwerdeführer den kantonalen Behörden zunächst vor, die Interessen des Gewässerschutzes zu wenig berücksichtigt zu haben. Wie ausgeführt, war das Verhalten der kantonalen Behörden insoweit nicht völlig bedenkenlos. Indessen lassen sich diese Bedenken durch den Vorbehalt einer einwandfreien Abwasserbeseitigung und der Durchführung des entsprechenden Verfahrens zerstreuen (E. 3).
Was sodann die befürchteten Lärmimmissionen betrifft, so genügt die streitige Schiessanlage nicht nur den bisherigen, sondern auch den neuesten Erkenntnissen des Lärmschutzes (E. 4). Die Beschwerdegegnerin ist denn auch verpflichtet worden, alle ihr zumutbaren Vorkehrungen zur Verminderung des Schiesslärms zu treffen. Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Lärmschutzmassnahmen lassen sich jedoch erst nach dem Bau der Anlage beurteilen. Sollte sich ergeben, dass bei der Liegenschaft des Beschwerdeführers übermässige Immissionen auftreten würden, so hätte die Beschwerdegegnerin zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche weiteren Massnahmen ergriffen werden können. Dabei wären neben Sperrzeiten und der Verminderung von Schiessveranstaltungen an Sonntagen auch
BGE 112 Ib 39 S. 51
weitere bauliche Massnahmen in Betracht zu ziehen. Vorbehalten bleiben schliesslich auch allfällige Entschädigungsansprüche.
Ebenfalls bei der Interessenabwägung ist der Einwand des Bundesamtes für Raumplanung zu beurteilen, wonach das projektierte Schützenhaus nicht im Sinne von
Art. 22 Abs. 2 lit. b RPG
hinreichend erschlossen sei. Dieser Einwand erweist sich indessen als unbegründet. Die Verbindungsstrasse zwischen dem Weiler Z. und der Kantonsstrasse führt nur wenige Meter vom Standort der projektierten Anlage entfernt vorbei.
c) Zusammenfassend ergibt sich, dass die streitige Schiessanlage standortgebunden ist und dass ihrer Verwirklichung keine überwiegenden Interessen entgegenstehen. Das angefochtene Urteil verletzt somit
Art. 24 RPG
nicht. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b13ae256-217a-4f21-93b4-cc96d04d0a80 | Urteilskopf
139 I 272
26. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause S. contre Etat de Vaud, Département de l'économie (recours en matière de droit public)
8C_912/2012 du 22 novembre 2013 | Regeste
Art. 7 und 12 BV
;
Art. 3 und 8 Ziff. 1 EMRK
; Art. 86 Abs. 1 AuG;
Art. 82 AsylG
; Nothilfe für eine Person mit definitivem und vollziehbarem Rückweisungsentscheid.
Für einen ledigen Mann guter Gesundheit steht die Tatsache, dass er die Nacht in einem Luftschutzraum des Zivilschutzes verbringen muss, den durch
Art. 12 BV
garantierten Minimalanforderungen nicht entgegen und verletzt insbesondere das Recht auf Achtung der Menschenwürde nicht (E. 3). Die mit der provisorischen Unterbringung in einem Luftschutzraum des Zivilschutzes verbundenen Unannehmlichkeiten erreichen die erforderliche Mindestschwere nicht, um unter
Art. 3 EMRK
zu fallen, welcher unmenschliche und erniedrigende Behandlung untersagt (E. 4). Angesichts der persönlichen und familiären Situation des Betroffenen gefährden sie auch weder dessen Privatleben noch stellen sie das Recht auf Achtung seiner Wohnung im Sinne von
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
in Frage (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 273
BGE 139 I 272 S. 273
A.
S., né en 1978, est arrivé en Suisse le 30 avril 2011, après avoir transité par l'Italie. Il a requis l'asile en Suisse et a été attribué au canton de Vaud.
Par décision du 26 juillet 2011, l'Office fédéral des migrations (ODM) a refusé d'entrer en matière sur la demande d'asile et a prononcé le renvoi de S. Cette décision est devenue définitive et exécutoire le 6 août 2011. La veille, les autorités ont été informées de la disparition de l'intéressé.
Le 11 octobre 2011, celui-ci s'est présenté en Suisse et a requis une nouvelle fois l'asile. Il a été placé par l'Etablissement vaudois d'accueil des migrants (ci-après: EVAM) dans l'abri de protection civile Z. (PC). L'intéressé s'est opposé à son renvoi en Italie. Le 16 février 2012, il a requis la reconsidération de la décision du 26 juillet 2011. Par décision du 7 mars 2012, l'ODM a refusé d'entrer en matière sur cette demande. Par arrêt du 30 avril 2012, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours formé par S. contre cette décision.
Le 16 février 2012, l'intéressé a requis de l'EVAM d'être transféré dans un autre type de logement en faisant valoir, en substance, que ses conditions d'hébergement à l'abri PC lui rappelaient les conditions inhumaines et traumatisantes de ses détentions dans son pays d'origine.
Par décision du 21 février 2012, confirmée sur opposition le 20 mars suivant, l'EVAM a rejeté la demande de transfert de l'intéressé dans un autre type de logement.
Saisi d'un recours contre la décision sur opposition, le chef du Département de l'économie du canton de Vaud (aujourd'hui: le
BGE 139 I 272 S. 274
Département de l'économie et du sport; ci-après: DECS) l'a rejeté par décision du 29 juin 2012.
B.
Par jugement du 10 octobre 2012, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours formé contre la décision du DECS du 29 juin 2012.
C.
S. interjette un recours contre ce jugement en concluant à son annulation, sous suite de dépens. Préalablement, il demande à être dispensé de payer des frais de procédure.
L'Etat de Vaud, agissant par le chef du DECS, et la juridiction cantonale ont renoncé à se déterminer sur le recours.
(...)
Le recours a été rejeté.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.1
Aux termes de l'art. 86 al. 1 de la loi fédérale du 16 décembre 2005 sur les étrangers (LEtr; RS 142.20), les cantons règlent la fixation et le versement de l'aide sociale et de l'aide d'urgence destinées aux personnes admises provisoirement; les art. 80 à 84 de la loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi; RS 142.31) concernant les requérants d'asile sont applicables (1
re
et 2
e
phrases). Selon l'
art. 81 LAsi
, dans sa version en vigueur depuis le 1
er
janvier 2008, les personnes qui séjournent en Suisse en vertu de cette loi et qui ne peuvent subvenir à leur entretien par leurs propres moyens reçoivent l'aide sociale nécessaire, à moins qu'un tiers ne soit tenu d'y pourvoir en vertu d'une obligation légale ou contractuelle, ou l'aide d'urgence, à condition qu'elles en fassent la demande. L'
art. 82 LAsi
prévoit que l'octroi de l'aide sociale et de l'aide d'urgence est régi par le droit cantonal; les personnes frappées d'une décision de renvoi exécutoire auxquelles un délai de départ a été imparti peuvent être exclues du régime d'aide sociale (al. 1); l'aide d'urgence est octroyée sous la forme de prestations en nature ou de prestations pécuniaires journalières aux lieux désignés par les cantons (al. 4, 1
re
phrase).
2.2
Selon l'art. 4a de la loi cantonale du 2 décembre 2003 sur l'action sociale vaudoise (LASV; RSV 850.051), toute personne résidant dans le canton a droit au minimum à l'aide d'urgence si elle n'est plus en mesure de subvenir à son entretien en raison d'une situation de détresse présente ou inéluctable (al. 1); l'aide d'urgence est dans la
BGE 139 I 272 S. 275
mesure du possible allouée sous forme de prestations en nature; elle comprend en principe: a. le logement, en règle générale, dans un lieu d'hébergement collectif; b. la remise de denrées alimentaires et d'articles d'hygiène; c. les soins médicaux d'urgence dispensés en principe par la Policlinique Médicale Universitaire (PMU), en collaboration avec les Hospices cantonaux/CHUV; d. l'octroi, en cas de besoin établi, d'autres prestations de première nécessité (al. 3). A la différence des demandeurs d'asile qui ont droit à l'assistance, à savoir à l'aide ordinaire, sur décision de l'EVAM (art. 3 et 10 al. 1 de la loi cantonale vaudoise du 7 mars 2006 sur l'aide aux requérants d'asile et à certaines catégories d'étrangers [LARA; RSV 142.21]), les personnes qui séjournent illégalement sur territoire vaudois n'ont droit qu'à l'aide d'urgence, sur décision du département en charge de l'asile, si elles se trouvent dans une situation de détresse et ne sont pas en mesure de subvenir à leur entretien (art. 6 al. 3, art. 49 et 50 al. 1 LARA).
2.3
En l'espèce, au moment - déterminant en l'occurrence (
ATF 132 V 215
consid. 3.1.1 p. 220;
ATF 121 V 362
consid. 1b p. 366 et les arrêts cités) - où le DECS a rendu sa décision par laquelle il a confirmé le refus de l'EVAM de transférer S. dans un autre type de logement, l'intéressé était sous le coup d'une décision de renvoi définitive et exécutoire depuis le 6 août 2011, sa demande de reconsidération du refus d'entrer en matière ayant été définitivement rejetée le 30 avril 2012. Il n'est dès lors pas contestable qu'il n'avait plus droit à l'assistance ordinaire prévue à l'
art. 81 LAsi
, mais seulement à l'aide d'urgence garantie par l'
art. 12 Cst.
(
ATF 135 I 119
consid. 5.3 p. 123; voir aussi
ATF 130 II 377
consid. 3.2.1 p. 381).
3.
3.1
Le recourant invoque le droit à la protection de sa dignité humaine consacrée aux
art. 7 et 12 Cst.
, ainsi que le droit au respect de la vie privée au sens de l'
art. 8 CEDH
. Il soulève de nombreux griefs en relation avec ses conditions d'hébergement dans un abri PC qu'il considère comme humiliantes et contraires à la dignité humaine au sens de l'
art. 3 CEDH
. Il relève qu'un abri PC est une cavité sous la terre, aérée artificiellement et éclairée de manière artificielle également, où la lumière du jour n'entre jamais; c'est un espace hostile, entièrement bétonné, qui donne un sentiment d'enfermement; les dortoirs communs sont sommairement aménagés de banquettes superposées à trois étages sur lesquelles sont posés des matelas et où on ne peut pas se tenir assis en raison de l'étroitesse; les dortoirs
BGE 139 I 272 S. 276
sentent mauvais faute d'aération adéquate et la respiration y est difficile, spécialement la nuit; en raison de la promiscuité, il y a toujours du bruit pendant la nuit et il n'est pas possible de dormir paisiblement; les maladies infectieuses se transmettent rapidement; la promiscuité est grande, et il n'y a pas d'espace privé. En outre, le recourant fait valoir qu'il ne peut pas déposer ses affaires selon son goût, comme on le fait habituellement dans son logement, lequel comporte, en principe, des fenêtres; par ailleurs, l'intéressé est contraint d'errer dans la rue pendant la journée ou de se rendre dans un lieu d'accueil collectif trop étroit, surpeuplé et bruyant; s'il a mal dormi ou a de la fièvre, notamment en raison du froid, il n'a aucun autre choix que d'errer dans la rue toute la journée et demeurer exposé aux intempéries, à la chaleur en été, au vent, au froid et à la pluie le reste de l'année; pendant la journée, il n'a pas accès aux sanitaires, au chauffage, à l'eau courante, ni à aucun espace de repos; il ne peut installer nulle part le centre de sa vie privée.
3.2
L'
art. 12 Cst.
dispose que quiconque est dans une situation de détresse et n'est pas en mesure de subvenir à son entretien a le droit d'être aidé et assisté et de recevoir les moyens indispensables pour mener une existence conforme à la dignité humaine. La dignité humaine doit être respectée et protégée (
art. 7 Cst.
).
La jurisprudence considère que la mise en oeuvre de l'
art. 12 Cst.
incombe aux cantons. Ceux-ci sont libres de fixer la nature et les modalités des prestations à fournir au titre de l'aide d'urgence (
ATF 135 I 119
consid. 5.3 p. 123;
ATF 131 I 166
consid. 8.5 p. 184). Le droit fondamental à des conditions minimales d'existence selon l'
art. 12 Cst.
ne garantit pas un revenu minimum, mais uniquement la couverture des besoins élémentaires pour survivre d'une manière conforme aux exigences de la dignité humaine, tels que la nourriture, le logement, l'habillement et les soins médicaux de base. L'
art. 12 Cst.
se limite, autrement dit, à ce qui est nécessaire pour assurer une survie décente afin de ne pas être abandonné à la rue et réduit à la mendicité (
ATF 135 I 119
consid. 5.3 p. 123;
ATF 121 I 367
consid. 2c p. 373). L'aide d'urgence, par définition, a en principe un caractère transitoire. L'
art. 12 Cst.
ne vise qu'une aide minimale - à savoir un filet de protection temporaire pour les personnes qui ne trouvent aucune protection dans le cadre des institutions sociales existantes - pour mener une existence conforme à la dignité humaine (AUBERT/MAHON, Petit Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, 2003, n° 4 ad
art. 12 Cst.
). En effet, le droit
BGE 139 I 272 S. 277
constitutionnel d'obtenir de l'aide dans des situations de détresse est étroitement lié au respect de la dignité humaine garanti par l'
art. 7 Cst.
(
ATF 135 I 119
consid. 7.3 p. 126;
ATF 131 I 166
consid. 3.1 p. 172; AUBERT/MAHON, op. cit., n° 6 ad
art. 7 Cst.
; KATHRIN AMSTUTZ, Das Grundrecht auf Existenzsicherung, 2002, p. 71 ss; MARGRITH BIGLER-EGGENBERGER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Bernhard Ehrenzeller [Hrsg.], 2
e
éd. 2008, n° 7 ad
art. 12 Cst.
; PETER UEBERSAX, Nothilfe: Gesetze auf Verfassungsmässigkeit prüfen, Plädoyer 2006 4 p. 46), lequel sous-tend l'
art. 12 Cst.
3.3
La mise en oeuvre de l'
art. 12 Cst.
peut être différenciée selon le statut de la personne assistée. Ainsi, pour les requérants d'asile sous le coup d'une décision de non-entrée en matière, aucun intérêt d'intégration n'est à poursuivre et aucun contact social durable ne doit être garanti au regard du caractère en principe temporaire de la présence de l'intéressé sur le territoire suisse. L'octroi de prestations minimales se justifie aussi afin de réduire l'incitation à demeurer en Suisse (
ATF 135 I 119
consid. 5.4 p. 123;
ATF 131 I 166
consid. 8.2 p. 182). Cette différenciation découle également des
art. 82 et 83 LAsi
qui opèrent une claire distinction entre l'aide sociale et l'aide d'urgence.
3.4
En l'espèce, comme le constate le jugement attaqué, le recourant est âgé de trente-quatre ans, célibataire, sans charge de famille et sans problèmes médicaux attestés. Le fait de devoir passer la nuit dans un lieu d'hébergement collectif pour un homme célibataire et en bonne santé n'est certainement pas contraire, dans les présentes circonstances, aux exigences minimales garanties par l'
art. 12 Cst.
Au sujet des conditions d'hébergement dans un abri PC et des conditions d'accueil dans une structure de jour, il faut relever que, du fait de son statut de ressortissant étranger en situation illégale, le recourant se trouve, par rapport à l'autorité, dans un rapport particulier de dépendance, qui lui confère certes le droit d'obtenir de l'aide, mais qui implique en contrepartie le devoir de se soumettre à certaines contraintes pouvant limiter sa liberté, à tout le moins tant que celles-ci restent dans des limites acceptables et ne constituent pas une atteinte grave à ses droits fondamentaux. En cas d'atteinte grave, l'intéressé bénéficie d'une protection juridique et peut recourir aussi bien contre les actes particuliers que contre le comportement général du personnel ou des responsables du centre d'hébergement. Il est en effet en droit d'obtenir une décision qui sera le plus souvent une décision en constatation (
ATF 135 I 119
consid. 8.2 p. 128;
ATF 133 I 49
consid. 3.2 p. 55 ss;
ATF 128 II 156
consid. 3b p. 163 s.; voir aussi arrêt 2P.272/2006 du 24 mai
BGE 139 I 272 S. 278
2007 consid. 4). Des voies de droit sont prévues par le droit cantonal (art. 72 à 74 LARA: opposition et recours administratif; art. 92 al. 1 de la loi cantonale vaudoise du 28 octobre 2008 sur la procédure administrative [LPA; RSV 173.36]: recours de droit administratif devant le tribunal cantonal). Indépendamment de la réglementation cantonale, la garantie de l'accès au juge s'impose déjà par l'
art. 86 al. 2 LTF
(applicable également au recours constitutionnel subsidiaire par le renvoi de l'
art. 114 LTF
).
4.
En ce qui concerne la violation alléguée de l'
art. 3 CEDH
qui interdit les traitements inhumains ou dégradants, il convient de relever qu'un traitement doit atteindre un minimum de gravité. L'appréciation de ce minimum dépend de l'ensemble des données de la cause et notamment de la nature et du contexte du traitement ainsi que de sa durée, de ses effets physiques ou mentaux ainsi que, parfois, du sexe, de l'âge et de l'état de santé de la personne concernée. Dans cette perspective, il ne suffit pas que le traitement comporte des aspects désagréables (décision d'irrecevabilité de la Cour européenne des droits de l'homme [CourEDH]
Messina contre Italie
du 8 juin 1999,
Recueil CourEDH 1999-V p. 531
§ 1).
Les installations de protection civile sont certes des abris d'urgence qui, bien qu'habitables, ne sont pas conçus pour offrir des solutions d'hébergement sur le long terme. Le fait de devoir y séjourner dans le cadre d'une aide d'urgence, en principe transitoire, sans être tenu d'y passer tout ou partie de la journée (pour laquelle des centres d'accueil sont prévus), ne saurait toutefois être considéré comme relevant d'un traitement inhumain ou dégradant pour une personne qui - à l'instar du recourant - n'est pas spécialement vulnérable (cf. AMSTUTZ, op. cit., p. 219 s.). Les fluctuations, parfois très importantes, du nombre des demandes d'asile ne permettent pas toujours d'éviter d'héberger provisoirement des requérants dans des locaux de la protection civile. C'est ainsi que selon l'art. 28 LARA les demandeurs d'asile sont en principe hébergés dans des centres d'accueil ou dans des appartements; en cas d'afflux massif et inattendu de demandeurs d'asile, le département peut ordonner l'ouverture d'abris de protection civile afin d'héberger temporairement les personnes visées à l'art. 2 LARA, soit notamment celles qui séjournent illégalement dans le canton de Vaud (voir aussi à ce sujet l'arrêt 2C_626/2012 du 9 juillet 2012). Par ailleurs, le recourant ne fait valoir aucun fait de nature à établir que son hébergement dans un abri PC a entraîné des effets physiques ou psychologiques préjudiciables. Dans ces conditions,
BGE 139 I 272 S. 279
les inconvénients dont se plaint le recourant n'atteignent pas le minimum nécessaire de gravité pour tomber sous le coup de l'
art. 3 CEDH
. Le grief est dès lors infondé.
5.
En ce qui concerne le grief tiré du droit au respect de la vie privée, il y a lieu de relever ce qui suit:
L'
art. 8 par. 1 CEDH
garantit le droit au respect de la vie privée et familiale, c'est-à-dire le droit de toute personne de choisir son mode de vie, d'organiser ses loisirs et celui de nouer et de développer des relations avec ses semblables, respectivement d'entretenir librement ses relations familiales et de mener une vie de famille. Le droit au respect de la vie privée protège notamment l'intégrité physique et morale d'une personne; il est destiné à assurer le développement sans ingérences extérieures de la personnalité de chaque individu dans les relations avec ses semblables (arrêt de la CourEDH
Botta contre Italie
du 24 février 1998,
Recueil CourEDH 1998-I p. 412
§ 32). Le droit au respect de la vie privée garantit aussi le droit de l'individu au respect de son domicile, conçu non seulement comme le droit à un simple espace physique mais aussi comme celui à la jouissance, en toute tranquillité, dudit espace. Des atteintes au droit au respect du domicile ne visent pas seulement les atteintes matérielles ou corporelles, telles que l'entrée dans le domicile d'une personne non autorisée, mais aussi les atteintes immatérielles ou incorporelles, telles que les bruits, les émissions, les odeurs et autres ingérences (arrêt de la CourEDH
Moreno contre Espagne
du 16 novembre 2004,
Recueil CourEDH 2004-X p. 307
§ 53).
Par ailleurs, si la CourEDH a reconnu que l'
art. 8 CEDH
a non seulement pour objet de prémunir l'individu contre les ingérences arbitraires des pouvoirs publics mais peut aussi impliquer, dans certaines circonstances, des obligations positives inhérentes à un respect effectif de la vie privée ou familiale (parmi d'autres, arrêt
Botta
, § 33), elle a toutefois retenu que cette disposition n'impose pas aux Etats contractants l'obligation de fournir certaines prestations financières ou de garantir un certain niveau de vie (arrêt
Petrovic contre Autriche
du 27 mars 1998,
Recueil CourEDH 1998-II p. 579
§§ 26 ss).
En conséquence, les conditions d'hébergement dans un abri PC d'une personne sous le coup d'une décision de renvoi exécutoire ne sauraient, compte tenu de la situation personnelle et familiale du recourant, constituer une atteinte à la vie privée ni toucher au respect du domicile au sens de l'
art. 8 par. 1 CEDH
. | public_law | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b13dd522-19c4-469d-b3e6-e9d6dc546741 | Urteilskopf
107 III 60
15. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 2 juillet 1981 dans la cause Caisse cantonale vaudoise d'assurance en cas de maladie et d'accidents (recours LP) | Regeste
Beseitigung des Rechtsvorschlages (
Art. 79 und 80 SchKG
).
Derjenige, der auf einen Rechtsvorschlag hin seine Ansprüche nach Massgabe des
Art. 79 SchKG
hat anerkennen lassen, kann direkt die Fortsetzung der Betreibung verlangen, ohne dass er das Rechtsöffnungsverfahren gemäss
Art. 80 SchKG
zu durchlaufen hätte; das gleiche gilt, wenn ein Entscheid im Sinne von
Art. 79 SchKG
von einer Behörde oder einem Verwaltungsgericht des Bundes bzw. desjenigen Kantons stammt, in welchem die Betreibung angehoben worden ist (Bestätigung der Rechtsprechung). Das Dispositiv des Zivilurteils oder des Verwaltungsentscheides hat jedoch mit Bestimmtheit auf die hängige Betreibung Bezug zu nehmen und den Rechtsvorschlag ausdrücklich als aufgehoben zu erklären, sei es vollumfänglich oder in einer bestimmten Höhe (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 107 III 60 S. 61
A.-
Le 26 mars 1980, la Caisse cantonale vaudoise d'assurance en cas de maladie et d'accidents invita son assuré Michel Gioanni à régler jusqu'au 11 avril le solde de ses cotisations pour l'année 1979. Gioanni n'ayant pas donné suite à ce rappel, la Caisse cantonale lui fit notifier, le 7 juin 1980, un commandement de payer pour la somme de 454 fr. avec intérêt (poursuite no 156848 de l'Office de Lausanne-Est). Gioanni forma opposition totale.
Le 24 juin 1980, la Caisse cantonale adressa à Gioanni une décision le déclarant débiteur de 457 fr. et levant l'opposition à la poursuite no 156 848 de l'Office de Lausanne-Est. L'acte rappelait au débiteur sa faculté de recourir dans les trente jours auprès du Tribunal cantonal des assurances.
La Caisse cantonale requit la continuation de la poursuite le 24 août 1980. Elle produisit une attestation délivrée le 14 août par le Tribunal cantonal des assurances, établissant qu'aucun recours
BGE 107 III 60 S. 62
n'avait été déposé dans le délai légal contre la décision du 24 juin. Le 10 septembre 1980, l'Office des poursuites de Lausanne-Est rejeta la réquisition et invita la créancière à demander au juge la mainlevée définitive de l'opposition.
B.-
La créancière a porté plainte contre la décision de l'Office. Le président du Tribunal du district de Lausanne l'a déboutée le 16 octobre 1980.
La créancière a recouru et demandé que l'Office fût invité à donner suite à sa réquisition du 24 août 1980 tendant à la continuation de la poursuite no 156848 dirigée contre Michel Gioanni. Par arrêt du 7 avril 1981, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours et confirmé le prononcé attaqué.
C.-
La créancière, Caisse cantonale vaudoise d'assurance en cas de maladie et d'accidents, a interjeté un recours au Tribunal fédéral. Elle reprend les conclusions qu'elle a formulées devant l'autorité cantonale de surveillance.
Michel Gioanni n'a pas déposé d'observations dans le délai qui lui avait été imparti.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'autorité cantonale a constaté que la recourante, personne morale du droit public cantonal, est une caisse-maladie reconnue. La recourante tire donc de l'
art. 30 al. 1 et 4 LAMA
la compétence de prendre des décisions obligatoires envers ses assurés, qui sont assimilées à des jugements exécutoires au sens de l'
art. 80 LP
. Ce point n'est plus discuté devant la Chambre de céans. Seul reste litigieux le droit pour la recourante d'obtenir directement la continuation de la poursuite, sur présentation de sa décision prise à l'encontre du débiteur, sans passer par la procédure de mainlevée des
art. 80 et 81 LP
.
2.
a) Dans une jurisprudence de longue date et maintes fois confirmée, la Chambre de céans dispense de la procédure de mainlevée le créancier qui, sur opposition à la poursuite, a fait reconnaître ses droits selon la voie prévue à l'
art. 79 LP
; elle lui reconnaît la faculté de requérir la continuation de la poursuite sans autres formalités, même si le jugement, la transaction ou l'acquiescement obtenus au terme de la procédure ordinaire ne lèvent pas l'opposition de manière formelle ni ne se réfèrent à la poursuite (
ATF 94 III 75
s. consid. 3,
ATF 90 III 74
,
ATF 77 III 149
ss,
ATF 75 III 45
,
ATF 67 III 117
s.,
ATF 64 III 78
s.,
ATF 53 III 202
,
ATF 36 I 452
ss,
BGE 107 III 60 S. 63
ATF 34 I 612
,
ATF 30 I 582
s.,
ATF 25 I 383
s.). Seuls toutefois sortissent de tels effets les titres qui comportent la condamnation pure et simple au paiement d'une somme d'argent déterminée, calculée en monnaie suisse; le créancier doit solliciter un prononcé de mainlevée si l'acte judiciaire invoqué ne vaut que reconnaissance d'une obligation alternative (
ATF 34 I 612
s.), si la condamnation est libellée en monnaie étrangère (
ATF 94 III 75
ss) ou liée à l'exécution de prestations à fournir au débiteur (
ATF 90 III 74
s.,
ATF 67 III 116
ss). Et chaque fois que les effets de l'acte judiciaire sur l'opposition peuvent prêter à discussion, qu'il y a doute, notamment, sur l'identité des prétentions, la décision est réservée au juge de la mainlevée et l'Office ne peut continuer la poursuite sur simple réquisition (
ATF 77 III 149
s.,
ATF 30 I 579
ss,
ATF 25 I 382
ss).
La jurisprudence ancienne autorisait le débiteur à opposer au jugement rendu selon l'
art. 79 LP
toutes les exceptions prévues à l'
art. 81 al. 1 et al. 2 LP
; le créancier contre qui l'un de ces moyens était soulevé devait, pour obtenir la continuation de la poursuite, passer par la procédure de mainlevée de l'
art. 80 LP
(
ATF 30 I 579
ss). Par la suite, la Chambre de céans a restreint les exceptions permettant au débiteur de faire obstacle à la continuation immédiate de la poursuite. Le débiteur qui se prévaut d'un sursis ou d'une cause d'extinction de la dette intervenus après le jugement obtenu selon l'
art. 79 LP
est renvoyé à agir en conformité des
art. 85 et 86 LP
. Il garde en revanche le droit d'invoquer, à l'encontre d'un jugement rendu dans un autre canton, les exceptions prévues à l'
art. 81 al. 2 LP
. L'office doit l'inviter à déclarer s'il entend opposer l'un de ces moyens et, si tel est le cas, la poursuite reste suspendue jusqu'à ce que le créancier obtienne, au for de la poursuite, un prononcé de mainlevée déclarant l'exception mal fondée (
ATF 75 III 45
s., 64 III 78 ss consid. 1,
ATF 36 I 452
ss; circulaire no 26 de la Chambre de céans, du 20 octobre 1910, FF 1911 IV 49s.).
Aux prononcés civils sont assimilés les décisions et les jugements administratifs des autorités fédérales et des autorités du canton où se déroule la poursuite. Si ces actes ont été portés à la suite de l'opposition et satisfont aux conditions des
art. 80 al. 2 LP
ou 162 OJ, ils permettent au créancier d'obtenir directement la continuation de la poursuite, sans passer par la procédure de mainlevée. Et le débiteur ne peut leur opposer aucune des exceptions prévues à l'
art. 81 LP
(
ATF 75 III 44
ss,
ATF 53 III 200
ss).
BGE 107 III 60 S. 64
b) La jurisprudence de la Chambre de céans n'a pas soulevé de critiques dans la majorité de la doctrine ancienne ou récente (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, p. 119 s.; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, p. 257 s.; BRAND, in Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs IX p. 14 ss.; BRÜSTLEIN, in Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs V p. 58; FAVRE, Droit des poursuites, 3e éd., p. 143; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2e éd., t. 1 p. 133; JAEGER, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite, n. 3 ad art. 78; JOOS, Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, p. 107 s.; PANCHAUD/CAPREZ, La mainlevée d'opposition, 1980 p. 234 ss.; WEBER/BRÜSTLEIN/REICHEL, Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2e éd. n. 2 ad art. 78). Elle semble avoir été généralement suivie dans la pratique cantonale. Seules quelques auteurs en ont contesté le bien-fondé (A. VON OVERBECK, Schuldbetreibung und Konkurs, 2e éd. p. 50 s.; PIGUET, Les contestations de droit matériel dans la poursuite pour dettes et la faillite, p. 20 ss; SIMOND, Mainlevée et continuation de la poursuite, JdT 1950 II 98 ss).
3.
L'autorité cantonale s'est ralliée à certaines des critiques formulées à l'encontre de la jurisprudence, sur lesquelles la Chambre des céans estime dès lors devoir prendre position.
La pratique actuelle contraint les offices des poursuites à déterminer si la décision administrative ou le jugement civil qui leur est soumis comporte condamnation pure et simple au paiement d'une somme d'argent. Les offices doivent en outre vérifier que cette condamnation ait trait à la créance objet de la poursuite pendante. L'examen de ces points, qui peut s'avérer délicat, revient en fait à apprécier si l'acte produit vaut titre de mainlevée. Or le législateur a précisément dénié ce pouvoir aux offices lorsque la décision ou le jugement invoqué est antérieur à la poursuite (
art. 80 LP
); la règle ne souffre aucune exception, même si, sur le vu du titre, l'opposition apparaît manifestement mal fondée. On ne voit pas pourquoi une compétence qui est refusée aux offices en pareil cas leur serait reconnue dans celui, parfois tout aussi complexe, où la décision ou le jugement invoqué a été obtenu à l'issue d'une instance liée après la déclaration d'opposition. Il convient donc de s'en tenir d'une manière générale au principe posé à l'
art. 80 LP
, qui soustrait aux autorités de poursuite le pouvoir d'apprécier si un acte judiciaire ou administratif vaut titre de mainlevée. Partant, le préposé ne
BGE 107 III 60 S. 65
peut continuer une poursuite frappée d'une opposition recevable que sur présentation d'une décision, entrée en force, dont le dispositif même se réfère avec précision à la poursuite en cause et lève l'opposition totalement ou à concurrence d'un montant déterminé.
Que le créancier doive produire un acte levant l'opposition de manière formelle, ne suffit pas pour l'obliger à passer par la procédure spéciale de l'
art. 80 LP
lorsqu'il a ouvert action en reconnaissance de dette. La jurisprudence actuelle doit être confirmée et précisée en ce sens que l'autorité saisie selon l'
art. 79 LP
aura la compétence de prononcer la mainlevée de l'opposition en même temps qu'elle statue sur le fond. Le législateur a en effet distingué et opposé deux voies ouvertes au créancier dont la poursuite est frappée d'opposition, celle de la procédure ordinaire, en principe l'action en reconnaissance de dette, et celle de la procédure sommaire et incidente de mainlevée. On voit mal quels seraient le sens et la portée pratique de l'
art. 79 LP
si le créancier qui, sur opposition à sa poursuite, agit par la voie ordinaire devait toujours procéder ultérieurement selon l'
art. 80 LP
. Pareille solution ne ferait qu'entraîner des frais et des longueurs supplémentaires, entièrement inutiles dans la plupart des cas. De plus, l'autorité qui statue sur le fond est généralement la mieux placée pour apprécier si son prononcé comporte la condamnation pure et simple au paiement d'une somme d'argent déterminée. Le débiteur fera valoir devant elle les moyens de défense que l'
art. 81 al. 1 LP
lui permet de présenter dans la procédure spéciale de mainlevée. Il conservera le droit de soulever les exceptions prévues à l'
art. 81 al. 2 LP
si le jugement qui prononce condamnation au fond et lève l'opposition a été rendu dans un autre canton; il le fera dans la procédure réglée par la circulaire no 26 de la Chambre de céans, du 20 octobre 1910.
Le juge civil saisi de l'action en reconnaissance de dette peut prononcer la mainlevée de l'opposition si les conditions en sont réunies. Cette compétence doit être également reconnue aux autorités ou aux tribunaux administratifs de la Confédération ou du canton du for de la poursuite, dans la mesure où le droit fédéral ou cantonal attribue force exécutoire à leurs décisions portant sur le paiement d'une somme d'argent. Lorsque les prétentions objet de la poursuite frappée d'opposition relèvent du droit public, le créancier que l'
art. 79 LP
renvoie à faire valoir ses droits selon la procédure ordinaire ne peut que s'adresser aux autorités ou aux tribunaux administratifs, sous réserve du contentieux attribué aux
BGE 107 III 60 S. 66
juridictions civiles. La reconnaissance du bien-fondé de la créance, imposée par l'
art. 79 LP
, peut et doit donc être obtenue parfois par la voie administrative. Il n'y a alors aucun motif de dénier aux autorités ou tribunaux administratifs, appelés à statuer sur le fond ensuite de l'opposition, les compétences qui sont reconnues au juge civil saisi de l'action en reconnaissance de dette. La lettre même de l'
art. 79 LP
, si elle paraît viser en premier lieu la juridiction civile, n'interdit pas d'y assimiler les voies de la procédure administrative. La jurisprudence a d'ailleurs déjà reconnu aux autorités administratives, lorsque le litige porte sur une créance de droit public, le pouvoir de rendre des décisions que la loi sur la poursuite semble réserver au juge civil, notamment celui de statuer sur la collocation dans la faillite ou de valider un séquestre par un prononcé sur le fond des prétentions (
ATF 85 I 123
s. consid. 1,
ATF 62 II 304
s. consid. 4,
ATF 59 II 314
ss,
ATF 48 III 228
ss;
ATF 50 III 87
ss). De telles solutions ne sont nullement incompatibles avec le système de la loi. Elles apparaissent au contraire indispensable pour compléter l'oeuvre du législateur qui, à une époque où l'action de l'Etat avait moins d'ampleur, n'a pas éprouvé le besoin de régler de manière exhaustive le lien qui peut exister entre la poursuite ou la faillite et les voies de la procédure administrative. L'assimilation des prononcés administratifs aux jugements civils, lorsqu'ils sont rendus sur opposition à la poursuite, se justifie d'ailleurs d'autant plus que la loi l'impose quand ces titres sont antérieurs au commandement de payer (
art. 80 al. 2 LP
). C'est à tort que l'autorité cantonale y a vu une atteinte à la garantie que l'
art. 58 Cst.
donne au citoyen de comparaître devant un juge impartial. La faculté pour les agents de l'administration de porter à l'endroit des citoyens des décisions condamnatoires exécutoires découle du système général de l'organisation administrative; elle est sanctionnée par diverses dispositions du droit fédéral, de sorte que sa constitutionnalité est soustraite à l'examen du Tribunal fédéral.
4.
La recourante, personne morale de droit public, peut prendre à l'égard de ses assurés des décisions exécutoires en vertu tant du droit cantonal que de l'
art. 30 al. 4 LAMA
. Celle qu'elle a rendue en l'espèce, le 24 juin 1980, est entrée en force et lève formellement l'opposition à la poursuite no 156848 dirigée contre Michel Gioanni. Rien ne permet de la tenir pour entachée d'un vice qui entraînerait sa nullité pure et simple. L'Office de Lausanne-Est devait donc continuer la poursuite sur simple réquisition.
BGE 107 III 60 S. 67
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites:
Admet le recours, annule l'arrêt attaqué et invite l'Office des poursuites de Lausanne-Est à donner suite à la réquisition de la recourante tendant à la continuation de la poursuite no 156848 dirigée contre Michel Gioanni. | null | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b13fa10a-61ad-48f4-a985-e30dea8a57f0 | Urteilskopf
103 IV 49
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1977 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 91 Abs. 3 SVG
. Vereitelung der Blutprobe.
Das Widersetzen oder Entziehen ist vollendet, sobald die unverzügliche Entnahme der Blutprobe verhindert wird. | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 103 IV 49 S. 50
G. hielt sich am 6. Januar 1975 von 17 bis ca. 21.30 Uhr im Hotel Residenz Astoria in Lenzerheide auf, danach bis ca. 23.15 Uhr im Hotel Waldhaus in Valbella. An beiden Orten trank er Alkohol. Beim Wegfahren aus dem Parkplatz stiess er mit seinem Mercedes gegen ein auf der andern Strassenseite abgestelltes Fahrzeug, das gegen ein weiteres geschoben wurde, wodurch erheblicher Sachschaden entstand. G. fuhr, obschon er den Zusammenstoss bemerkt hatte, ohne anzuhalten weg. Nach einem Aufenthalt im "Safari" in Chur, wo er keinen Alkohol mehr zu sich nahm, fuhr er gegen 1 Uhr zurück Richtung Valbella, um die Schadensangelegenheit an Ort und Stelle in Ordnung zu bringen. Die nach seiner polizeilichen Anhaltung im Araschger-Rank um 1.45 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkohol-Konzentration von 1,3 Gew. %o.
Der Kreisgerichtsausschuss Alvaschein sprach G. am 11. Juli 1975 des Fahrens in angetrunkenem Zustand "im Sinne von Art. 91 Abs. 1 und Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 90 Ziff. 1 SVG
" schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 60 Tagen.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft stellte der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 10. November 1976 das Verfahren gegen G. wegen Nichtbeherrschen des Fahrzeugs und pflichtwidrigem Verhalten nach Unfall zufolge Verjährung ein, sprach ihn des vorsätzlichen Fahrens in angetrunkenem Zustand und der versuchten Vereitelung der Blutprobe schuldig und verurteilte ihn zu 60 Tagen Gefängnis.
Mit Nichtigkeitsbeschwerde begehrt G. Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache zur Freisprechung von der Anklage der versuchten Vereitelung der Blutprobe, zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von höchstens 30 Tagen und zur Gewährung des bedingten Strafvollzugs.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer rügt, zu einem Versuch der Vereitelung der Blutprobe sei es nicht gekommen, weil er die Rückfahrt zum Unfallort angetreten und damit eine Blutentnahme in Kauf genommen habe, als die Ermittlung der Blutalkohol-Konzentration für den rechtserheblichen Zeitpunkt
BGE 103 IV 49 S. 51
noch ohne weiteres möglich gewesen sei. Wenn die Fahrt nach Chur nicht überhaupt als straflose Vorbereitungshandlung zu qualifizieren sei, so liege höchstens unvollendeter Versuch der Vereitelung einer Blutprobe vor, was zu milderer Bestrafung führen müsse.
a)
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist nach ständiger Rechtsprechung (
BGE 100 IV 262
E 4 mit Verweisen) auf alle Fälle anwendbar, in denen die Blutprobe vereitelt wurde, selbst wenn sie nicht oder noch nicht amtlich angeordnet war. Es genügt, dass der Täter nach den Umständen des Falles mit einer Blutprobe als realer Wahrscheinlichkeit rechnete oder rechnen musste. Dass der Beschwerdeführer eine solche Massnahme erwartete, ergibt sich aus den vorinstanzlichen Urteilserwägungen zweifelsfrei, nach welchen er gegenüber dem Untersuchungsrichter zugestand, sich aus Furcht vor einer Blutprobe von der Unfallstelle entfernt zu haben.
b) Zur Ausführung einer strafbaren Handlung ist nach ständiger Rechtsprechung (
BGE 99 IV 153
mit Verweisen) jede Tätigkeit zu rechnen, die nach dem Plan des Täters auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt. Es ist offensichtlich, dass der Beschwerdeführer diesen entscheidenden Schritt unternahm, als er nach dem Zusammenstoss aus Furcht, einer Blutprobe unterworfen und des Fahrens in angetrunkenem Zustand überführt zu werden, ohne die Geschädigten oder die Polizei zu benachrichtigen sich von der Unfallstelle entfernte, nach Chur fuhr, dort seinen Wagen abstellte und sich längere Zeit in einem Nachtlokal aufhielt. Daran vermag der von ihm später angeblich gefasste Entschluss zur Rückkehr an den Unfallort, "um die Sache in Ordnung zu bringen", nichts zu ändern.
c) Unvollendeter Versuch der Vereitelung der Blutprobe könnte nur vorliegen, wenn der Beschwerdeführer die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende geführt hätte (
Art. 21 Abs. 1 StGB
). Nicht zu Ende geführt wäre sie, wenn
Art. 91 Abs. 3 SVG
das blosse Behindern der Blutentnahme zur Tatbestandsvollendung nicht genügen liesse, sondern ein Verunmöglichen der Blutprobe während der Zeit forderte, wo auf ihrer Grundlage die Blutalkohol-Konzentration für den kritischen Zeitpunkt noch zuverlässig zu ermitteln ist. Inwiefern das der Fall sei, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Aus
BGE 103 IV 49 S. 52
Wortlaut, Sinn und Zweck von
Art. 91 Abs. 3 SVG
ergibt sich nichts derartiges. Der die Täterhandlung kennzeichnende Begriff des Sich-Entziehens findet sowenig wie jener des Sich-Widersetzens nach allgemeinem Sprachgebrauch nur auf dauerndes und erfolgreiches Entziehen bzw. Widersetzen Anwendung. Für die Hinderung einer Amtshandlung (
Art. 286 StGB
), im französischen Gesetzestext als "Opposition aux actes de l'autorité" bezeichnet und damit hinsichtlich des verwendeten Rechtsbegriffs in Übereinstimmung stehend mit der französischen und italienischen Fassung von
Art. 91 Abs. 3 SVG
, soweit es sich um Widersetzen ("se sera opposé", "si oppone") handelt, hat die Rechtsprechung längst erkannt, dass blosse Behinderung genügt, Verhinderung zur Tatbestandserfüllung nicht nötig ist (
BGE 71 IV 101
). Wenn zwischen
Art. 286 StGB
und
Art. 91 Abs. 3 SVG
eine Verwandtschaft besteht, diese Bestimmung zwar nicht in jener aufgeht, sondern eine Sondernorm für das Gebiet des Strassenverkehrs bildet (
BGE 95 IV 147
), aber dort den geordneten Gang der Rechtspflege (
BGE 102 IV 42
) umfassend schützen will, dann wäre mit diesem Zweck die Annahme nicht vereinbar,
Art. 91 Abs. 3 SVG
verlange bei gleicher Begriffsumschreibung anderes oder mehr als
Art. 286 StGB
zur Tatbestandsvollendung. Stehe Widersetzen oder Entziehen in Frage, führt deshalb SCHULTZ (Strafbestimmungen des SVG, S. 205 und 206) aus, so sei die Straftat vollendet, sobald die unverzügliche Durchführung der angeordneten Untersuchung verhindert werde. Ob sie in einem späteren Zeitpunkt in zuverlässiger Weise gleichwohl vorgenommen werden könne, sei unerheblich. Ein Versuch könne deshalb kaum je in Frage stehen. Bei der Vereitelung des Zweckes der Massnahme macht sich nach der Rechtsprechung des vollendeten Deliktes von
Art. 91 Abs. 3 SVG
schuldig, wer in Kenntnis der drohenden Blutprobe den Unfallort verlässt, sich heimbegibt und dort weiteren Alkohol zu sich nimmt, auch wenn rechtzeitig eine Blutprobe durchgeführt und der Alkoholisierungsgrad für den kritischen Zeitpunkt zuverlässig bestimmt werden kann (
BGE 102 IV 42
). Bereits in
BGE 95 IV 148
war ausgeführt worden, habe der Täter im konkreten Fall mit einer Blutprobe oder anderen Massnahmen als realer Wahrscheinlichkeit gerechnet oder rechnen müssen, so dürfe er nichts unternehmen, was die Vornahme einer unverfälschten Untersuchung stören
BGE 103 IV 49 S. 53
könne. Wenn demnach bei er Zweckvereitelung, wo eine Gleichstellung des für die Umschreibung der Täterhandlung verwendeten Begriffes ("vereitelt") mit einem absoluten Verunmöglichen bedeutend näher läge, und für eine solche auch eingetreten worden ist (SCHULTZ, a.a.O. S. 205), nach der Rechtsprechung die blosse Störung oder Behinderung genügt, dann kann es bei einem Sich-Entziehen oder Sich-Widersetzen nicht anders sein.
Da der Beschwerdeführer durch seine Behinderung der unverzüglichen Durchführung einer Blutprobe seine strafbare Tätigkeit zu Ende geführt hat, ist kein Raum für die Annahme, es liege ein unvollendeter Versuch vor.
Entgegen seiner Meinung hätte übrigens unvollendeter Versuch nicht notwendig zu milderer Bestrafung führen müssen (vgl.
BGE 98 IV 49
). | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b140f565-26f1-4ecb-82bf-5b45c83fd0e7 | Urteilskopf
137 IV 167
23. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_1043/2010 vom 28. Juni 2011 | Regeste
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
;
Art. 635a OR
; Fälschung einer Prüfungsbestätigung.
Die Herstellung einer falschen Prüfungsbestätigung in einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage als Collage unter Einscannen der Unterschrift einer Drittperson von einem anderen Dokument und die Weiterleitung der Datei zuhanden des Handelsregisteramtes erfüllen den Tatbestand der Urkundenfälschung im eigentlichen Sinne (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 167
BGE 137 IV 167 S. 167
A.
X. wird vorgeworfen, er habe am 28. Februar 2008 in den Büroräumlichkeiten seiner A. AG auf dem Briefpapier der B. AG zu Händen der in Gründung befindlichen C. GmbH in Flawil eine Bestätigung der Prüfung des Gründungsberichts im Sinne von
Art. 635a OR
verfasst und auf dieses Schreiben die Originalunterschrift von D. eingescannt. Die auf diese Weise erstellte Urkunde habe er in der Folge in Form eines Farb-Scans der mit der Gründung der C. GmbH betrauten E. Consulting, Frauenfeld, zu Händen des Handelsregisteramtes St. Gallen übergeben. Er habe die Prüfungsbestätigung im
BGE 137 IV 167 S. 168
Namen der B. AG bzw. von D. verfasst, weil er selbst nicht über die erforderliche Zulassung als Revisor gemäss Revisionsaufsichtsgesetz (vgl.
Art. 3 ff. RAG
[SR 221.302]) verfügt habe.
B.
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Hinwil erklärte X. mit Urteil vom 17. März 2010 der Urkundenfälschung im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je Fr. 160.- sowie zu einer Busse von Fr. 1'280.-, als Zusatzstrafe zu der mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 4. März 2009 ausgefällten Strafe. Den Vollzug der Geldstrafe schob er unter Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt auf. Die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse setzte er auf 8 Tage fest. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 24. September 2010 das erstinstanzliche Urteil im Straf- und Schuldpunkt. Es sprach die Strafe überdies als Zusatzstrafe zu den mit Urteil des Militärgerichts 4 vom 9. Mai 2008 und mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft See/Oberland vom 12. Mai 2010 ausgefällten Strafen aus.
C.
X. führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihm für die vorinstanzlichen Verfahren eine Entschädigung von Fr. 5'917.20 zu bezahlen.
D.
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet.
E.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.3
2.3.1
Gemäss
Art. 110 Abs. 4 StGB
sind Urkunden u.a. Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnungen auf Bild- oder Datenträgern stehen der Schrifturkunde gleich, sofern sie demselben Zweck dienen.
Nach
Art. 251 Ziff. 1 StGB
macht sich der Urkundenfälschung schuldig, wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte Handzeichen eines
BGE 137 IV 167 S. 169
andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt. Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird (
BGE 129 IV 130
E. 2.2;
BGE 125 IV 17
E. 2/aa;
BGE 123 IV 61
E. 5a).
Fälschen ist das Herstellen einer unechten Urkunde. Eine Urkunde ist unecht, wenn deren wirklicher Urheber nicht mit dem aus ihr ersichtlichen Aussteller übereinstimmt bzw. wenn sie den Anschein erweckt, sie rühre von einem anderen als ihrem tatsächlichen Urheber her. Wirklicher Aussteller einer Urkunde ist derjenige, dem sie im Rechtsverkehr als von ihm autorisierte Erklärung zugerechnet wird. Dies ist gemäss der insoweit vorherrschenden sogenannten "Geistigkeitstheorie" derjenige, auf dessen Willen die Urkunde nach Existenz und Inhalt zurückgeht (
BGE 132 IV 57
E. 5.1.1;
BGE 128 IV 265
E. 1.1.1).
2.3.2
Gemäss
Art. 635 OR
geben die Gründer einer Aktiengesellschaft in einem schriftlichen Bericht Rechenschaft ab über die Art und den Zustand von Sacheinlagen oder Sachübernahmen und die Angemessenheit der Bewertung (Ziff. 1), den Bestand und die Verrechenbarkeit der Schuld (Ziff. 2) und die Begründung und die Angemessenheit besonderer Vorteile zugunsten von Gründern oder anderen Personen (Ziff. 3). Nach
Art. 635a OR
wird der Gründungsbericht von einem zugelassenen Revisor geprüft. Dieser bestätigt schriftlich, dass jener vollständig und richtig ist. Die Prüfung des schriftlichen Berichts durch einen zugelassenen Revisor bezweckt die Reduktion des Risikos betrügerischer Handlungen bei Sacheinlagen, Sachübernahmen und der Einräumung besonderer Vorteile (vgl. auch Art. 43 Abs. 3 lit. d der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 [HRegV; SR 221.411]; ferner FRANZ SCHENKER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 1 zu
Art. 635a OR
).
2.4
Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz stellte der Beschwerdeführer die falsche Prüfungsbestätigung als Datei in einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage als Collage mit dem Briefkopf der B. AG und der von einem anderen Dokument eingelesenen Unterschrift von D. her. Der Beschwerdeführer verwendete mithin die echte Unterschrift von D., um mit den Mitteln des Computers und Scanners und hernach des Druckers eine Urkunde zu erstellen, die
BGE 137 IV 167 S. 170
den täuschenden Eindruck erwecken sollte, D. habe die Prüfungsbestätigung selber verfasst und unterzeichnet. Es ging mithin offensichtlich darum, eine echte Urkunde mit einer originalen Unterschrift vorzutäuschen. Ein solches Schriftstück, das mit Computer und Drucker unter Verwendung eines selbst verfassten Textes sowie einer daruntergesetzten, eingescannten fremden Unterschrift produziert wird, gilt als scheinbare Originalerklärung (FRANK ZIESCHANG, in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, N. 118 zu
§ 267 StGB
/D; THOMAS FISCHER, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 58. Aufl. 2011, N. 22 zu
§ 267 StGB
/D; ferner BERND HEINRICH, Missbrauch gescannter Unterschriften als Urkundenfälschung, Computer und Recht [CR] 1997 S. 625 f.).
Die Frage, ob einer Fotokopie Urkundeneigenschaft zukommt, kann sich nur stellen, wo das Dokument erkennbar als solche in den Rechtsverkehr gebracht wird (vgl. MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 47 ff. zu
Art. 110 Abs. 4 StGB
). Dies entscheidet sich letztlich nach dem Willen des Herstellers (ZIESCHANG, a.a.O., N. 116 zu
§ 267 StGB
/D). Dass die fragliche Prüfungsbestätigung nur als Kopie verwendet werden sollte, wie der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht erkennbar. Jedenfalls ist sie nicht explizit als solche beim Handelsregisteramt eingereicht worden. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Beschwerdeführer die Bestätigung lediglich als Kopie hätte verwenden sollen. Aus dem Sachverhalt ergibt sich in klarer Weise, dass es ihm und den weiteren Beteiligten darum ging, beim Handelsregisteramt die Gründungsunterlagen und die von einem zugelassenen Revisor erstellte Prüfungsbestätigung zur Anmeldung der Gesellschaft im Handelsregister einzureichen. Für die Verwendung als Kopie oder als Entwurf hätte es ohne weiteres ausgereicht, ein Dokument ohne Unterschrift einzureichen. Die kantonalen Instanzen nehmen daher zu Recht an, das Dokument sei zur Verwendung als falsche originäre Erklärungsverkörperung bzw. als scheinbares Original hergestellt worden. Ob die Kopie im Rechtsverkehr als Urkunde anerkannt ist (
BGE 114 IV 26
E. 2c;
BGE 115 IV 51
E. 6), ist im vorliegenden Kontext ohne Bedeutung. Im Übrigen setzt die Anfertigung einer Kopie voraus, dass ein Original besteht. Dies ist hier nicht der Fall, denn das Dokument wurde mittels Computer und Scanner als Collage hergestellt, so dass ein Original der Erklärung gar nicht existierte. Zudem ist der Ausdruck einer elektronisch übermittelten Erklärung stets ein Original. Eine Unterscheidung zwischen der
BGE 137 IV 167 S. 171
ursprünglichen Erklärung und einer nachträglich vom Aussteller oder einem Dritten hergestellten Kopie oder Datenspeicherung ist nicht möglich (INGEBORG PUPPE, in: Strafgesetzbuch, Bd. II, Nomos Kommentar, 3. Aufl., Baden-Baden 2010, N. 22 zu
§ 267 StGB
/D, vgl. auch N. 82).
Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass der Beschwerdeführer das Dokument als PDF-Datei und nicht als ausgedrucktes Schriftstück an die G. AG weitergeleitet hatte. Seine Tathandlung lässt sich nicht auf die blosse technische Herstellung und Weiterleitung der Datei auf elektronischem Weg an die G. AG begrenzen, sondern umfasst auch das Ausdrucken und Einreichen beim Handelsregisteramt. Dass dieser Akt von einer anderen Person ausgeführt worden ist, ändert nichts. Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang sich allenfalls weitere Personen strafbar gemacht haben. Die Argumentation des Beschwerdeführers, wonach er nur eine Kopie versendet habe, welche vom Handelsregisteramt nicht akzeptiert worden sei, verfängt daher nicht. Im Übrigen ist die Urkundenfälschung vollendet, sobald der Täter die unechte Urkunde hergestellt bzw. die falschen Daten gespeichert hat, auch wenn von der Urkunde noch kein Gebrauch gemacht wurde (Urteil des Bundesgerichts 6S.296/2004 vom 10. Januar 2005 E. 1.2).
Unbeachtlich ist im Weiteren, dass die Sachbearbeiterin des Handelsregisteramtes erkannt hat, dass es sich beim eingereichten Dokument lediglich um eine Kopie handelte. Denn auf die technische Qualität der Fälschung kommt es nicht an. Wie die kantonalen Instanzen zu Recht erkannt haben, wird der Tatbestand der Urkundenfälschung auch durch eine plumpe, leicht erkennbare Fälschung erfüllt (STRATENWERTH/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, Bd. II: Straftaten gegen Gemininteressen, 6. Aufl. 2008, § 35 Rz. 14).
Schliesslich bejaht die Vorinstanz zu Recht das Handeln in Schädigungs- oder Vorteilsabsicht. Ob durch die informelle Vorprüfung niemand am Vermögen geschädigt werden kann, ist nicht von Belang. Aus den Akten ergibt sich, dass dem Handelsregisteramt die Gründungsunterlagen zur Anmeldung der C. GmbH ins Handelsregister und nicht zur blossen Vorprüfung eingereicht wurden. Aus dem Umstand, dass die Sachbearbeiterin bereits bei der Vorprüfung der Unterlagen gemäss
Art. 940 OR
bemerkt hatte, dass die Prüfungsbestätigung nicht im Original vorlag, kann der
BGE 137 IV 167 S. 172
Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Im Rahmen der Vorteilsabsicht ist entscheidend, dass der Beschwerdeführer bzw. die in Gründung befindliche C. GmbH durch die gefälschte Prüfungsbestätigung einerseits Kosten sparte und einen Zeitgewinn erzielte. Die dadurch erreichte Besserstellung genügt für die Bejahung des Handelns in der Absicht, sich oder einem anderen einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen (vgl.
BGE 126 IV 265
E. 2).
Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b143ae35-bf44-4768-a90c-0678943dff0f | Urteilskopf
118 II 40
8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Februar 1992 i.S. P. gegen X. AG (Berufung) | Regeste
Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen.
Kriterien, die für die Auslegung des Begriffs "Geschäftsräume" im Sinne der
Art. 253a und 271 ff. OR
massgebend sind (E. 4). | Erwägungen
ab Seite 40
BGE 118 II 40 S. 40
Aus den Erwägungen:
4.
Das Kantonsgericht St. Gallen ist zum Schluss gelangt, beim Mietobjekt handle es sich um einen Hobbyraum, der nicht als Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden könne. Das Mietlokal unterliege demnach nicht den Schutzbestimmungen des BMM bzw. des neuen Mietrechts. Zur Begründung hält die Vorinstanz fest, das Bundesgericht habe in
BGE 113 II 413
deutlich gemacht, dass nicht jedes Mietobjekt in einer Liegenschaft, das nicht
BGE 118 II 40 S. 41
Wohnzwecken diene, als Geschäftslokal zu qualifizieren sei. Geschäftsräume seien Räumlichkeiten, in denen ein Beruf oder Gewerbe ausgeübt werde, die von einem Unternehmen (als Büro, Laden, Werkstätte, Lager usw.) genützt werden, oder in denen eine Aktivität mit ideeller Zielsetzung verfolgt werde (z.B. Versammlungslokal). Unter Berufung auf LACHAT/STOLL (Neues Mietrecht, Zürich 1991, S. 33) führt sie weiter aus, ausschlaggebend sei dabei, inwieweit die Existenz eines Mieters vom Gebrauch der Sache abhänge; dieses Merkmal könne auch bei einer Organisation mit ideeller Zielsetzung erfüllt sein, nicht aber bei der Vermietung von Räumlichkeiten, die einem einzelnen zur Pflege seiner Hobbies dienen. Der Kläger hält diese Beurteilung für bundesrechtswidrig. Er weist darauf hin, dass nach Auffassung der gleichen Autoren auch unter dem neuen Recht der Begriff "Geschäftsraum" extensiv auszulegen und jedenfalls eine Beschränkung auf Räume, die nur einer gewinnbringenden Tätigkeit dienen, abzulehnen sei.
a) Die Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985 (BBl 1985 I 1421) hält zu
Art. 253a OR
fest, die Norm setze zwei Begriffe voraus, die der Missbrauchsgesetzgebung schon längst bekannt seien und infolgedessen keiner näheren Umschreibung bedürften. Als Geschäftsräume gälten die Räumlichkeiten, die dem Betrieb eines Gewerbes oder der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienen (Büros, Verkaufsräume, Werkstätten, Magazine und Lagerräume). Die Abgrenzung der Wohn- und Geschäftsräume von den übrigen Räumlichkeiten, die Gegenstand eines Mietvertrages sein können, werde weiterhin der Rechtsprechung überlassen. Auch nach der Meinung von ZIHLMANN (Das neue Mietrecht, Zürich 1990, S. 187) und BARBEY (Commentaire du droit du bail, Chapitre III, Genève 1991, N 195 zur Einleitung) lassen sich namentlich die in
BGE 113 II 408
ff. erörterten Interpretationsgrundsätze unverändert auf das neue Recht, soweit es für Geschäftsräume Sonderrecht enthält, anwenden. Im SVIT-Kommentar Mietrecht (N 10 zu
Art. 253a-253b OR
) wird ausgeführt, ob es sich bei solchen Räumen um haupt- oder nebenberuflich genutzte Räume handle, könne aufgrund des Schutzgedankens von
Art. 269 ff. OR
nicht entscheidend sein. Für EGLI (Kündigungsbeschränkungen im Mietrecht, Zürich 1986, S. 28) und TRACHSEL (Leitfaden zum Mietrecht, Zürich 1991, S. 22) kommt es bei der Definition des Begriffs "Geschäftsraum" nicht darauf an, ob in den Räumen, die einem Gewerbebetrieb oder der Berufstätigkeit dienen, ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt werde.
BGE 118 II 40 S. 42
b) Es ist somit davon auszugehen, dass nach altem wie nach neuem Recht die gleichen Kriterien massgebend sind für die Auslegung des Begriffs des Geschäftsraums. Gemäss
BGE 113 II 413
ist er in dem Sinne weit auszulegen, als nicht notwendigerweise die Benützung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorausgesetzt wird. Es werden vielmehr alle jene Räumlichkeiten umfasst, die tatsächlich dazu beitragen, dass der Mieter seine Persönlichkeit in privater oder wirtschaftlicher Hinsicht entfalten kann. Dass ein Abstellplatz in einer Tiefgarage oder eine zum Abstellen von Autos separat vermietete Garage nicht als Geschäftsraum betrachtet werden kann, ist in
BGE 110 II 51
klargestellt worden. Anders verhält es sich dagegen, wenn wie im vorliegenden Fall ein Garage-Anbau einem ausgebildeten Mechaniker als Werkstatt für die Reparatur alter Autos (Oldtimer) dient. Dass der Kläger diese Tätigkeit nur im Sinne eines selbstdeckenden Nebenerwerbs ausübt, vermag daran nichts zu ändern. Rechtsprechung und Doktrin schliessen zu Recht nicht aus, dass ein Mietlokal auch bei nicht gewinnbringender Tätigkeit, nebenberuflicher Nutzung oder Verfolgung eines nicht wirtschaftlichen Zwecks als Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden kann. Indem das Kantonsgericht das vom Kläger gemietete Objekt zu Unrecht nicht als Geschäftsraum betrachtet hat, hat es Bundesrecht verletzt. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b144cc85-e787-4394-b838-57906978a6d1 | Urteilskopf
135 III 585
85. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_346/2009 vom 12. August 2009 | Regeste
Art. 656 Abs. 2 und
Art. 963 Abs. 2 ZGB
;
Art. 204 Abs. 1 SchKG
; ausserbuchlicher Erwerb von Grundeigentum eines konkursiten Eigentümers.
Ein ausserbuchlicher Erwerb eines Grundstücks gestützt auf ein Scheidungsurteil kann nur dann erfolgen, wenn dem übertragenden Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft des Scheidungsurteils die Verfügungsberechtigung darüber zukommt. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn über dessen Vermögen bereits der Konkurs eröffnet worden ist und das betreffende Grundstück in die Konkursmasse fällt (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 586
BGE 135 III 585 S. 586
A.
A.a
X. und Y. heirateten im Jahre 1959. Ihre gemeinsamen Kinder sind bereits mündig und wirtschaftlich selbständig. Sie reichten dem Präsidenten 2 des Gerichtskreises I in A. am 28./30. August 2006 ein gemeinsames Scheidungsbegehren samt einer Konvention über die Nebenfolgen der Scheidung ein.
A.b
Am 13. November 2006 wurde über das Vermögen von X. der Konkurs ausgesprochen. Die grundbuchliche Anmerkung auf seinen Grundstücken erfolgte tags darauf. Der Konkurs wurde vom Obergericht des Kantons Bern am 11. Dezember 2006 bestätigt.
A.c
Mit Urteil vom 17. Januar 2007 wurde die Ehe von X. und Y. geschieden und ihre Scheidungskonvention genehmigt. Demnach soll insbesondere das Eigentum von X. am Grundstück Nr. x und sein Anteil als Gesamteigentümer des Grundstückes Nr. xx, beide gelegen auf dem Gebiet der Gemeinde B., an Y. übertragen werden. Die Erwerberin verpflichtet sich zur alleinigen Übernahme der auf beiden Grundstücken lastenden Grundpfandschulden. Das Scheidungsurteil ist am 29. Januar 2007 in Rechtskraft erwachsen.
A.d
Am 5. Februar 2007 gelangte der Präsident 2 an das Kreisgrundbuchamt A. zur Vornahme der Eigentumsübertragung gemäss gerichtlich genehmigter Konvention. Das Gesuch wurde mit Verfügung vom 12. Februar 2007 abgewiesen, da über das Vermögen von X. zwischenzeitlich der Konkurs eröffnet worden sei.
B.
X. focht die grundbuchamtliche Abweisungsverfügung erfolglos bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern an. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, an welches X. daraufhin gelangte, wies seine Beschwerde am 24. März 2009 ebenfalls ab.
BGE 135 III 585 S. 587
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 15. Mai 2009 ist X. (fortan: Beschwerdeführer) an das Bundesgericht gelangt. Er verlangt die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtes. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Frage nach dem Verfügungsrecht des Beschwerdeführers über sein Grundeigentum.
2.1
Zum Erwerb von Grundeigentum bedarf es der Eintragung in das Grundbuch (
Art. 656 Abs. 1 ZGB
). Grundbuchliche Verfügungen, wie Eintragung, Änderung und Löschung, dürfen in allen Fällen nur aufgrund eines Ausweises über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund vorgenommen werden (
Art. 965 Abs. 1 ZGB
). Das Verfügungsrecht steht dem Gesuchsteller zu, der sich nach Massgabe des Grundbuches im Zeitpunkt der Grundbuchanmeldung als verfügungsberechtigte Person erweist oder von dieser eine Vollmacht erhalten hat (
Art. 965 Abs. 2 ZGB
; Art. 15 Abs. 2 der Verordnung vom 22. Februar 1910 betreffend das Grundbuch [GBV; SR 211.432.1]; JÜRG SCHMID, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 3. Aufl. 2007, N. 35 zu
Art. 963 ZGB
). Der Rechtsgrund wird durch die Einhaltung der für dessen Gültigkeit erforderlichen Form nachgewiesen (
Art. 965 Abs. 3 ZGB
;
Art. 18 Abs. 1 GBV
). Wird der Eigentumsübergang gerichtlich angeordnet, so erfolgt er ausserbuchlich und bereits mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils (
Art. 656 Abs. 2 ZGB
;
Art. 18 Abs. 2 lit. d GBV
). Eine entsprechende Erklärung des Eigentümers braucht es in diesem Fall nicht (
Art. 963 Abs. 2 ZGB
). Hingegen kann der Erwerber über das Grundstück erst nach Eintrag in das Grundbuch verfügen (
Art. 656 Abs. 2 ZGB
).
2.2
Der massgebende Zeitpunkt für den Nachweis des Verfügungsrechts ist somit beim buchlichen Erwerb die Anmeldung der Eintragung im Grundbuch und beim ausserbuchlichen Erwerb infolge eines Gerichtsurteils dessen Eintritt der Rechtskraft. Im vorliegenden Fall soll der Übergang des Grundeigentums aufgrund einer gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention erfolgen, welche in das Dispositiv des Scheidungsurteils aufgenommen wurde und damit zu dessen Bestandteil geworden ist (
Art. 140 Abs. 1 ZGB
; Urteil 5A_599/2007 vom 2. Oktober 2008 E. 6.1;
BGE 135 III 585 S. 588
SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 56 zu
Art. 140 ZGB
). Dieser Entscheid ist am 29. Januar 2007 rechtskräftig geworden. Damals - und nicht im Moment der Anmeldung durch den Scheidungsrichter - ist Y. Eigentümerin der beiden von der Konvention erfassten Grundstücke geworden. Vorauszusetzen ist allerdings, dass der Beschwerdeführer dann noch verfügungsberechtigt war. Dies ist an sich der Fall, da er dannzumal als Eigentümer der hier interessierenden Grundstücke im Grundbuch eingetragen war.
2.3
Bereits zuvor, nämlich am 11. Dezember 2006, wurde allerdings zweitinstanzlich über das Vermögen des Beschwerdeführers der Konkurs ausgesprochen. Zwar bleibt der Konkursit bis zum Abschluss der Verwertung Eigentümer seines Vermögens, das in die Masse fällt. Indes steht das Verfügungsrecht über sein Vermögen nicht mehr ihm, sondern ausschliesslich der Konkursverwaltung zu. Demzufolge sind Rechtshandlungen des Konkursiten in Bezug auf Gegenstände der Konkursmasse gegenüber den Konkursgläubigern ungültig (
Art. 204 Abs. 1 SchKG
;
BGE 121 III 28
E. 3 S. 30; HEINER WOHLFART, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 1998, N. 24 zu
Art. 204 SchKG
; STÖCKLI/POSSA, in: Kurzkommentar SchKG, 2009, N. 1 zu
Art. 204 SchKG
). Der Beschwerdeführer konnte ab diesem Moment über sein Grundeigentum nicht mehr rechtsgültig verfügen. Um dies zu verhindern, sieht das Gesetz die grundbuchliche Anmerkung des Konkurses vor (
Art. 80 Abs. 9 GBV
).
2.4
Zudem sind als Folge der Konkurseröffnung Zivilprozesse, in denen der Konkursit Partei ist und die den Bestand der Konkursmasse berühren, einzustellen (
Art. 207 Abs. 1 SchKG
;
BGE 133 III 377
E. 5 S. 379 ff.). Diese Regelung kennt eine Reihe von Ausnahmen, wozu auch die familienrechtlichen Verfahren gehören (STÖCKLI/POSSA, a.a.O., N. 26 zu
Art. 207 SchKG
). Hingegen ist die Beurteilung güterrechtlicher Ansprüche im Rahmen eines Scheidungsverfahrens nach Konkurseröffnung auszusetzen, sofern der Ausgang des Verfahrens die Konkursmasse betreffen könnte (vgl. Urteil 5C.180/1996 vom 15. Mai 1997 E. 2b, zu aArt. 207 SchKG). Ob diese Praxis auch unter neuem Recht gilt, ist in der Lehre umstritten (pro: ISABELLE ROMY, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 29 zu
Art. 207 SchKG
; contra: HEINER WOHLFART, a.a.O., N. 37 zu
Art. 207 SchKG
). Gegebenenfalls müsste auch die Genehmigung einer Scheidungskonvention nach
BGE 135 III 585 S. 589
Art. 140 ZGB
ausgesetzt werden. Wie der Scheidungsrichter hier im Einzelnen vorzugehen hatte, insbesondere über welche Fragen er nach Konkurseröffnung noch befinden durfte und welche Bedeutung der Scheidungskonvention für die betroffenen Parteien zukommt, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Entscheidend ist im vorliegenden Fall einzig, dass das in der gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention aufgeführte Grundeigentum des Konkursiten ohne Zustimmung der Konkursverwaltung nicht mehr übertragen werden konnte. Die Vorinstanz kommt in ihrem einlässlich begründeten Urteil zu ebendiesem Ergebnis.
2.5
Der Beschwerdeführer besteht demgegenüber weiterhin auf einer Übertragung von Grundeigentum an seine vormalige Ehegattin. Seiner Ansicht nach war der Richter zur Grundbuchanmeldung befugt und seine Anordnung gründete keineswegs auf einem nichtigen Entscheid. Demzufolge hätte die Eigentumsübertragung vorgenommen werden müssen. Mit seinen Vorbringen zur formellen und materiellen Prüfungsbefugnis des Grundbuchbeamten zielt der Beschwerdeführer an der Sache vorbei. Es kommt vorliegend einzig darauf an, inwieweit über einen Vermögenswert, der in die Konkursmasse fällt, nach Aussprechung des Konkurses noch verfügt werden kann. Die Vorinstanz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Konkurseröffnung - unabhängig von der entsprechenden Anmerkung im Grundbuch - gegenüber jedermann gelte und vom Grundbuchbeamten von Amtes wegen zu beachten sei. Ohne Zustimmung der Konkursverwaltung dürfe keine Eigentumsübertragung vorgenommen werden. Dies ergebe sich aus
Art. 204 Abs. 1 SchKG
. Wenn der Beschwerdeführer nun meint, nur die Gläubiger oder der Konkursverwalter könnten sich auf die konkursrechtliche Verfügungsbeschränkung berufen, verkennt er die Tragweite des Konkurserkenntnisses. Soweit er zudem von einem ausserbuchlichen Erwerb am 20. Januar 2009 (recte: wohl am 29. Januar 2007) ausgeht, blendet er aus, dass der Konkurs über sein Vermögen bereits am 11. Dezember 2006 rechtskräftig geworden ist. Nicht gefolgt werden kann auch seiner Auslegung von
Art. 204 Abs. 2 ZGB
. Diese Bestimmung besagt, dass die Auflösung des Güterstandes bei einer Scheidung auf den Tag zurückbezogen wird, an dem das Begehren eingereicht wurde. Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung geht es vorerst darum, festzuhalten, welche Vermögenswerte vorhanden sind und in welche Masse diese gehören. Stand den Ehegatten unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung bisher
BGE 135 III 585 S. 590
nur die Anwartschaft auf einen Anteil am Vorschlag des andern zu, so wandelt sich diese in eine noch nicht bestimmte und noch nicht fällige Forderung. Deren genaue Höhe erfordert eine gegenseitige Klärung und Bewertung der Ansprüche (DESCHENAUX UND ANDERE, Les effets du mariage, 2000, S. 501 N. 1226 f.; HEINZ HAUSHEER UND ANDERE, Berner Kommentar, 1992, N. 11 zu
Art. 204 ZGB
). Die vom Beschwerdeführer erwähnte Wirkung von
Art. 204 Abs. 2 ZGB
gegenüber Dritten beschlägt im Wesentlichen das Haftungssubstrat des ehelichen Vermögens. Ungeachtet dessen Festlegung und damit der Frage, ob die Ehegatten bereits mit dem Scheidungsbegehren dem Güterstand der Gütertrennung unterstehen oder ob sie bis zum Scheidungsurteil noch unter dem bisherigen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung verbleiben (vgl. zu dieser Kontroverse: HEINZ HAUSHEER UND ANDERE, a.a.O., N. 27 ff. zu
Art. 204 ZGB
), steht ihnen jetzt ein obligatorischer Anspruch auf den Vorschlagsanteil und kein dingliches Recht an einem einzelnen Gegenstand zu. Damit entfällt auch die Möglichkeit, einen von der güterrechtlichen Auseinandersetzung erfassten Vermögenswert ausserbuchlich zu erwerben. Schliesslich verweist der Beschwerdeführer auf das Schreiben des Konkursamtes vom 18. Januar 2007 und will daraus die Zustimmung für die in Frage stehende Eigentumsübertragung ableiten. Die Lektüre dieses Dokumentes ergibt indessen, dass das Konkursamt - wie der Beschwerdeführer - von einer unzutreffenden Auslegung des
Art. 204 Abs. 2 ZGB
ausgegangen ist. Damit konnte es auch nicht konkrete Eigentumsansprüche der Ehefrau anerkennen. Zudem machte das Konkursamt einen Vorbehalt hinsichtlich der Rechte der Gläubiger nach
Art. 253 SchKG
und der Abtretung bestrittener Forderungen nach
Art. 260 SchKG
. Selbst wenn man das genannte Schreiben des Konkursamtes als Zustimmung zu einer Eigentumsübertragung und damit als Bestandteil der Anmeldung verstehen möchte, hätte diese unbedingt und vorbehaltlos erfolgen müssen (
Art. 12 Abs. 1 GBV
). Da dieses gesetzliche Erfordernis nicht erfüllt war, musste der Grundbuchverwalter die Anmeldung abweisen (
Art. 24 Abs. 1 GBV
). Eine vorläufige Eintragung kam nicht in Frage, da es sich nicht um eine blosse Ergänzung des Ausweises über das Verfügungsrecht handelte (
Art. 966 Abs. 2 ZGB
; ARTHUR HOMBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Auflage 1938, N. 8 zu
Art. 966 ZGB
; HENRI DESCHENAUX, Das Grundbuch, SPR Bd. V/3.I, 1988, S. 531/532). | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1534537-f1bc-495e-96a6-df580800905b | Urteilskopf
135 V 237
29. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. santésuisse gegen Zentrum S. AG in Gründung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_701/2008 vom 20. April 2009 | Regeste
Art. 35 Abs. 2 lit. n,
Art. 36, 36a und 56 KVG
.
Als juristische Person - hier: Aktiengesellschaft - konstituierte Einrichtungen gemäss
Art. 35 Abs. 2 lit. n und
Art. 36a KVG
sind Leistungserbringer im Sinne des KVG und haben grundsätzlich Anspruch auf Zuteilung einer eigenen Zahlstellenregister-Nummer (ZSR-Nummer) durch santésuisse (E. 4.1-4.4). Die Zuteilung einer solchen Sammelnummer schliesst weder die Prüfung der gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen der auf deren Rechnung tätigen, angestellten Ärztinnen und Ärzte (
Art. 36 KVG
) noch eine praktikable und wirksame Wirtschaftlichkeitskontrolle (
Art. 56 ff. KVG
) aus (E. 4.5 und 4.6). | Sachverhalt
ab Seite 238
BGE 135 V 237 S. 238
Am 31. Oktober 2007 erhob die Zentrum S. AG in Gründung beim Verwaltungsgericht als Schiedsgericht nach
Art. 89 KVG
des Kantons Thurgau Klage mit dem Antrag, die santésuisse sei zu verpflichten, der Klägerin eine eigene Zahlstellenregister-Nummer (nachfolgend: ZSR-Nummer) zuzuweisen. Das Schiedsgericht hiess die Klage mit Urteil vom 11. Juni 2008 gut und wies santésuisse an, der Zentrum S. AG in Gründung, bestehend aus 10 namentlich aufgeführten Ärztinnen und Ärzten, nach Eintrag der AG im Handelsregister eine ZSR-Nummer zuzuteilen.
Santésuisse erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Vorinstanz und die Zentrum S. AG in Gründung beantragen Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 16. Oktober 2008 erteilte der Instruktionsrichter des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Am 12. Dezember 2008 führte er mit den Parteien und einer Vertretung des Bundesamtes für Gesundheit eine Instruktionsverhandlung durch, anlässlich derer weitere Beweiseingaben angeordnet wurden. Nach deren Eingang erhielten die Beteiligten die Gelegenheit, sich dazu und abschliessend zum Verfahren zu äussern.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerdegegnerin beabsichtigt, in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft eine Arztpraxis in X. zu führen, bei welcher sie als Arbeitgeberin die Ärztinnen und Ärzte anstellt. Dabei sollen auch Assistenzärzte angestellt werden, welche die gemäss
Art. 36 KVG
geforderte Weiterbildung noch nicht erfüllt haben, aber vom Kanton eine Bewilligung zur Ausübung einer unselbständigen ärztlichen Tätigkeit erhalten haben und unter der Aufsicht eines selbständigen Arztes arbeiten, der die Voraussetzungen nach
Art. 36 KVG
erfüllt. Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Zuteilung einer ZSR-Nummer hat oder ob den einzelnen in der AG tätigen Ärzten je eine eigene Nummer zugeteilt werden soll.
2.
Die ZSR-Nummer ist nicht gesetzlich vorgesehen oder geregelt. Das KVG schreibt jedoch vor, dass nur Leistungserbringer, welche die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen dürfen (
Art. 35 Abs. 1
BGE 135 V 237 S. 239
KVG
). Die Krankenversicherer sind deshalb verpflichtet zu überprüfen, ob die Leistungserbringer in diesem Sinne zugelassen sind. Da das KVG jedoch kein formelles Zulassungsverfahren für die einzelnen Leistungserbringer kennt, führt santésuisse als Branchenverband der Krankenversicherer ein Zahlstellenregister (ZSR-Register). Auf Gesuch hin erteilt sie einem Leistungserbringer gegen einmalige Gebühr die sogenannte ZSR-Nummer, sofern er die nach Gesetz, Verordnung, Gerichts- und Verwaltungspraxis (einschliesslich der Empfehlungen und Weisungen der Aufsichtsbehörde) erforderlichen Voraussetzungen der Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erfüllt. Der Zweck der ZSR-Nummer liegt vor allem in der erleichterten Abrechnung zwischen Leistungserbringer und Versicherer. So darf der einzelne Versicherer grundsätzlich davon ausgehen, dass der über eine ZSR-Nummer verfügende Rechnungssteller die Voraussetzungen der Zulassung als Leistungserbringer zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erfüllt. Das System der Zahlstellenregister-Nummern entlastet damit den Versicherer von der aufwändigen Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall - sie wird in der Praxis nur noch bei Anhaltspunkten für Fehlerhaftigkeiten durchgeführt - und ermöglicht ihm aufgrund sofortiger Identifizierung des Leistungserbringers und dessen Bankadresse eine effiziente Abwicklung des Zahlungsverkehrs (
BGE 132 V 303
E. 4.3.2 S. 305 f.). Die Mitglieder des Kassenverbandes haben damit ihre gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung der Voraussetzungen der Zulassung eines Leistungserbringers zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aus praktischen Gründen weitestgehend an den Verband delegiert. Dieser beurteilt materiell-rechtlich die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen, sodass mit der Nummernvergabe deren Erfüllung zumindest vermutet werden kann und die Kasse nur noch bei ersichtlichen Ungereimtheiten im Einzelfall eine eigene Zulassungsprüfung vornehmen muss. Santésuisse nimmt damit - wenn auch mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage (theoretisch) nicht abschliessend - eine den Versicherern kraft öffentlichen Rechts obliegende Pflicht wahr bzw. übt in der Sache eine öffentlich-rechtliche, spezifisch sozialversicherungsrechtliche Funktion aus (
BGE 132 V 303
E. 4.4.2 S. 307 f.).
3.
3.1
Die Vorinstanz hat den Anspruch der Beschwerdegegnerin auf eine eigene Nummer hauptsächlich auf Art. 15 Abs. 4 des (am
BGE 135 V 237 S. 240
1. Januar 2007 in Kraft getretenen) Regionalen Anschlussvertrags (nachfolgend: AV) zum nationalen Rahmenvertrag TARMED (nachfolgend: RV [vom 5. Juni 2002]) zwischen santésuisse und den Ärztegesellschaften der Kantone St. Gallen, Thurgau, beider Appenzell, Schaffhausen und Glarus gestützt, ferner auf den gleichlautenden Art. 9 Abs. 4 RV. Sodann seien gemäss Art. 2 lit. b Satz 2 RV die Leistungserbringer im Sinne von Einrichtungen gemäss
Art. 36a KVG
den selbständigen Ärzten gleichgestellt. Des Weiteren habe santésuisse am 20. März 2002 und 20. Mai 2003 gegenüber dem Zentrum S. bestätigt, dass Gruppenpraxen unter Geltung des RV unabhängig von der Rechtsform unter einer ZSR-Nummer abrechnen könnten.
3.2
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe den AV falsch ausgelegt. Nach dem wirklichen Willen der vertragsschliessenden Parteien enthalte der Vertrag nicht einen Anspruch auf Zuweisung einer ZSR-Nummer an eine Gruppenpraxis.
3.3
Art. 15 AV
lautet, praktisch gleichlautend wie Art. 9 RV, wie folgt:
"Art. 15 Anstellung von Aerzten und Zusammenarbeit in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Kommandit-/Kollektivgesellschaft (Art. 9 RV)
1
Die Anstellung von Aerzten unter der Verantwortung und Aufsicht eines anstellenden Arztes ist zulässig.
2
Die anzustellenden Aerzte müssen santésuisse, der FMH und der zuständigen KAeG vor Antritt der Stelle gemeldet werden. Im Zeitpunkt der Anstellung müssen für den anzustellenden Arzt die Voraussetzungen gemäss
Art. 36 KVG
und
Art. 38 KVV
erfüllt sein.
3
Eine Zusammenarbeit in der Rechtsform einer juristischen Person (AG, GmbH, Genossenschaft, Verein etc.), Kommanditgesellschaft und Kollektivgesellschaft ist möglich.
4
Sind mehrere Aerzte unter einer einzigen Reg.-Nr. tätig, haften sie im Rahmen dieses Vertrages gegenüber den Krankenversicherern bei vertragswidrigem Verhalten solidarisch.
5
Die erbrachten Leistungen müssen den einzelnen Aerzten mittels EAN-Nummer so zugeordnet werden können, dass aus der Rechnung der Arzt ersichtlich ist, der die Leistungen hauptverantwortlich erbringt.
6
Die Anstellung von Aerzten bzw. die Zusammenarbeit in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Kommandit-/Kollektivgesellschaft richtet sich im übrigen nach der kantonalen Gesetzgebung und den Vereinbarungen zwischen Ärzten und Versicherern auf überkantonaler, kantonaler oder regionaler Ebene."
BGE 135 V 237 S. 241
3.4
Art. 15 Abs. 4 AV
setzt offensichtlich voraus, dass gemeinsame Nummern für mehrere Ärzte grundsätzlich möglich sind, doch ergibt sich jedenfalls aus seinem Wortlaut nicht, dass in jedem Fall oder unter bestimmten Umständen ein Anspruch auf eine solche gemeinsame Nummer besteht. Da santésuisse mit der Zuteilung von ZSR-Nummern eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt (vorne E. 2), kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass es in ihrer Privatautonomie stünde, nach Belieben mehreren Ärzten eine gemeinsame Nummer zuzuteilen oder nicht.
3.5
Nach Wortlaut und Systematik von
Art. 15 AV
werden in diesem Artikel verschiedene Arten von nicht in Einzelpraxen tätigen Ärzten (nebst den in
Art. 14 AV
bzw. Art. 8 RV erwähnten Praxisassistenten und Stellvertretern) genannt: erstens diejenigen Ärzte, die als Arbeitnehmer eines selbständig erwerbenden Arztes angestellt sind (Abs. 1 und 2), zweitens diejenigen, die in der Rechtsform einer juristischen Person zusammenarbeiten und alsdann rechtlich nicht selbständig erwerbend, sondern Arbeitnehmer dieser juristischen Person sind, und drittens diejenigen, die in der Rechtsform einer Kommandit- oder Kollektivgesellschaft zusammenarbeiten (Abs. 3). Abs. 4, der eine solidarische Haftung vorsieht, ist in diesem Zusammenhang wenig klar: Im Falle eines angestellten Arztes (sei es eines anderen Arztes, sei es einer juristischen Person) haftet der Arbeitgeber, nicht der angestellte Arzt; ob durch den AV, der nicht durch die einzelnen Ärzte, sondern durch die Ärzteverbände abgeschlossen ist, daran etwas geändert werden könnte, erscheint fraglich. Sind mehrere Ärzte in der Form einer Kollektivgesellschaft tätig, so haften sie im Rahmen von
Art. 568 OR
ohnehin solidarisch, auch ohne dass dies im AV geregelt wäre. Es ist somit zweifelhaft, ob Abs. 4 ohne weiteres auf alle der drei Kategorien gemäss Abs. 1-3 anwendbar ist. Denkbar wäre schliesslich auch, dass Abs. 4 zusätzlich zu den in Abs. 1-3 Genannten eine weitere Gruppe anvisiert, nämlich diejenigen Ärzte, die eine Praxisgemeinschaft unter gemeinsamer Nummer bilden, ohne im Gesellschafter- oder Angestelltenverhältnis zu stehen.
3.6
Insgesamt sind Wortlaut und Systematik des Vertrags unklar. Der effektive Wille der Vertragsparteien, der für die Auslegung in erster Linie massgebend ist (
Art. 18 Abs. 1 OR
), ist unter den Parteien umstritten. Mangels eines übereinstimmenden tatsächlichen Willens müssten allfällige Unklarheiten und Lücken nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt oder gefüllt werden, das heisst so, wie die
BGE 135 V 237 S. 242
Parteien dies vernünftigerweise geregelt hätten, wenn sie die Unklarheit oder Lücke erkannt hätten (
Art. 2 Abs. 2 OR
;
BGE 133 III 675
E. 3.3 S. 681). Diese Grundsätze der Vertragsauslegung gelten auch, wenn man angesichts der öffentlichen Funktion der ZSR-Nummer (vorne E. 2) den AV als öffentlich-rechtlichen Vertrag betrachtet, wobei hier zusätzlich in Zweifelsfällen zu vermuten ist, dass die Behörden und Privaten, welche öffentliche Funktionen wahrnehmen, keine Vereinbarung treffen wollten, die mit den von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen im Widerspruch steht, und dass auch der Vertragspartner sich hierüber Rechenschaft gibt (
BGE 122 I 328
E. 4e S. 335; ZBl 90/1989 S. 83, A.188/1987 E. 3a; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, S. 233 Rz. 1103). So oder anders darf der Vertrag nicht dem Gesetz widersprechen und ist er daher im Zweifelsfalle gesetzeskonform auszulegen. Im Hinblick auf die im Folgenden darzulegende gesetzeskonforme Auslegung erübrigen sich weitere Abklärungen zum effektiven Willen der Vertragsparteien.
4.
4.1
Wie dargelegt (E. 2), bezweckt die ZSR-Nummer die Vereinfachung der Abrechnung zwischen Leistungserbringern und Versicherern, indem santésuisse in Vertretung der Versicherer die Zulassungsvoraussetzungen überprüft. Die gesetzlichen Bestimmungen knüpfen sowohl für die Zulassungsvoraussetzungen (
Art. 35 ff. KVG
) als auch für die Rechnungsstellung und Tarifierung (
Art. 42 ff. KVG
) sowie die Wirtschaftlichkeitskontrolle und Qualitätssicherung (
Art. 56 ff. KVG
) an den Begriff des Leistungserbringers an. Um die ihr zugedachte Funktion wahrnehmen zu können, muss daher auch die ZSR-Nummer dem Leistungserbringer als solchem zugeteilt werden.
4.2
Die einzelnen Kategorien von Leistungserbringern werden in
Art. 35 Abs. 2 KVG
abschliessend genannt (
BGE 133 V 613
E. 6.2 S. 621;
BGE 126 V 330
E. 1c S. 333; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 631 Rz. 711) und in den folgenden Artikeln näher geregelt. Leistungserbringer sind u.a. "Ärzte und Ärztinnen" (
Art. 35 Abs. 2 lit. a und
Art. 36 KVG
) sowie "Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärzte und Ärztinnen dienen" (
Art. 35 Abs. 2 lit. n und
Art. 36a KVG
). Diese letztere Kategorie wurde durch Gesetzesänderung vom 24. März 2000, in Kraft seit 1. Januar 2001 (AS 2000 2305), eingeführt. Der Grund dieser Gesetzesrevision bestand
BGE 135 V 237 S. 243
darin, dass vorher eine Rechtsunsicherheit geherrscht hatte darüber, ob Ärzte in der Form einer juristischen Person praktizieren dürfen. Traditionell arbeiteten die Ärzte als Einzelunternehmer, obwohl keine gesetzliche Vorschrift die Freiheit der Rechtsformenwahl (
Art. 27 BV
; Urteil 2P.142/2004 vom 12. Januar 2005 E. 4.2) einschränkte. Gemeinschaftspraxen waren meistens in der Form der einfachen Gesellschaft organisiert (EDUARD EICHER, Die Gruppenpraxis in der Schweiz, Schweizerische Ärztezeitung 73/1992 S. 375 ff., 377; HANS HOTT, in: Handbuch des Arztrechts, Heinrich Honsell [Hrsg.], 1994, S. 229 f.). Seit den 1990er Jahren entstanden HMO-Praxen, die teilweise als Aktiengesellschaften organisiert waren (CAROLINA MELI, Horizontale und vertikale Konzentrationsprozesse bei den Leistungserbringern in Gesundheitssystemen, Lizentiatsarbeit Bern 2001, S. 79 ff.;
http://www.iop.unibe.ch/lehre/praemierteLiz.asp
[besucht am 15. April 2009]). Dabei bestand Unsicherheit, ob die Ärzte in einer HMO-Klinik eine gemeinsame Sammelnummer oder ob jeder einzelne Arzt eine einzelne Nummer zugeteilt erhalten solle (KUHN/RUSCA/STETTLER, Rechtsfragen der Arztpraxis, in: Arztrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2007, S. 265 ff., 275). Die Gesetzesänderung sollte aufgrund der Entwicklungen im Bereich der besonderen Versicherungsformen und der entsprechend vielfältigen Institutionen zwecks Vermeidung von Rechtsunsicherheiten eine explizite Grundlage schaffen, so dass bei Ärzten, die aufgrund eines vertraglichen Angestelltenverhältnisses in einer HMO oder in einem Zentrum der ambulanten Versorgung tätig sind, die Selbständigkeit nicht zwingend vorausgesetzt wird (Botschaft vom 21. September 1998 betreffend den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung und die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung, BBl 1999 793 ff., 839, Ziff. 42 ad Art. 35, 36a und 38 E-KVG; KUHN/RUSCA/STETTLER, a.a.O., S. 275 f.;
BGE 133 V 613
E. 5.2.1 S. 617 f.). Seither bilden die Einrichtungen im Sinne von Art. 35 Abs. 2 lit. n bzw.
Art. 36a KVG
, welche angestellte Ärzte beschäftigen, eine eigene Kategorie von Leistungserbringern neben den selbständig erwerbenden Ärzten im Sinne von Art. 35 Abs. 2 lit. a bzw.
Art. 36 KVG
(
BGE 133 V 613
E. 6.2 S. 621 f.).
4.3
Auslöser für die neue Regelung waren offenbar hauptsächlich HMO-Praxen. Der klare Wortlaut des Gesetzes ist indessen nicht auf solche Praxen beschränkt. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, welche eine Abweichung von diesem Wortlaut nahelegen
BGE 135 V 237 S. 244
würden.
Art. 36a KVG
gilt daher auch für juristische Personen, welche Ärzte anstellen, ohne dem HMO-Modell zu folgen (ebenso POLEDNA/BERGER, Öffentliches Gesundheitsrecht, 2002, S. 260 f.).
4.4
Üben die einzelnen Ärzte ihre Tätigkeit als Arbeitnehmer der juristischen Person aus, so sind Leistungserbringer im Sinne des KVG nicht die Ärzte, sondern es ist die juristische Person, welche eine Einrichtung im Sinne von Art. 35 Abs. 2 lit. n bzw.
Art. 36a KVG
ist. Da die ZSR-Nummer an den Begriff des Leistungserbringers anknüpft (vorne E. 4.1), muss daher nach der Systematik des Gesetzes diese Nummer der Einrichtung als solcher zugeteilt werden (ebenso KUHN/RUSCA/STETTLER, a.a.O., S. 280). Denkbar ist zwar auch eine Praxisorganisation, wonach die juristische Person nur die Infrastruktur oder gewisse andere Dienstleistungen für mehrere Ärzte zur Verfügung stellt, diese aber ihre Tätigkeit als Einzelunternehmer ausüben und bloss die Dienstleistungen von der Gesellschaft beziehen. In einem solchen Fall wären weiterhin die einzelnen Ärzte als Leistungserbringer zu betrachten. Es ist Sache der beteiligten Ärzte, ihre Praxisorganisation und deren Rechtsform festzulegen. Stellt - wie vorliegend die Beschwerdegegnerin - eine Aktiengesellschaft das Gesuch um eine eigene gemeinsame ZSR-Nummer, so ist davon auszugehen, dass sie selber als Leistungserbringerin auftreten will. Sie hat demnach Anspruch auf Zuteilung einer gemeinsamen Nummer.
4.5
Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass mit einer gemeinsamen Nummer die Kontrolle der Verrechnungsberechtigung nicht mehr möglich wäre.
4.5.1
Einrichtungen, die der ambulanten Krankenpflege dienen, sind gemäss
Art. 36a KVG
nur zugelassen, wenn die dort tätigen Ärzte und Ärztinnen die Voraussetzungen nach
Art. 36 KVG
erfüllen. Es ist selbstverständlich, dass die Einhaltung dieser Voraussetzung überprüft werden und überprüfbar sein muss.
4.5.2
Art. 15 Abs. 2 AV
sieht ausdrücklich vor, dass die anzustellenden Ärzte u.a. an santésuisse vor Antritt der Stelle gemeldet werden müssen und dass im Zeitpunkt der Anstellung für den anzustellenden Arzt die Voraussetzungen gemäss
Art. 36 KVG
und
Art. 38 KVV
(SR 832.102) erfüllt sein müssen. Es versteht sich, dass diese Meldepflicht nicht nur dann gilt, wenn ein Arzt als Einzelunternehmer einen anderen Arzt anstellt, sondern auch dann, wenn die Anstellung durch eine juristische Person wie z.B. die
BGE 135 V 237 S. 245
Beschwerdegegnerin erfolgt. Damit wird die Beschwerdeführerin in die Lage versetzt, die Einhaltung der Voraussetzungen zu überprüfen. Zwar kann damit theoretisch nicht ausgeschlossen werden, dass in der juristischen Person trotzdem ein Arzt beschäftigt wird, der die Voraussetzungen nach
Art. 36 KVG
nicht erfüllt. Dies kann aber so oder anders auch bei selbständig tätigen Ärzten nicht ausgeschlossen werden und ist daher kein ausschlaggebender Grund, um die ZSR-Nummer nicht der juristischen Person zuzuteilen.
4.6
Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, dass die Zuteilung einer gemeinsamen ZSR-Nummer an die juristische Person die Durchführung der Wirtschaftlichkeitskontrolle vereitle.
4.6.1
Die zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abgerechneten Leistungen müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein (
Art. 32 Abs. 1 KVG
). Die Leistungserbringer haben sich in ihren Leistungen auf das Mass zu beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist (
Art. 56 Abs. 1 KVG
). Zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit kann rechtsprechungsgemäss sowohl die statistische Methode (Durchschnittskostenvergleich) als auch die analytische Methode (Einzelfallprüfung) - oder eine Kombination beider Methoden - zur Anwendung gelangen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 6/06 vom 9. Oktober 2006 E. 4.1, nicht publ. in:
BGE 133 V 37
). Die statistische Methode beruht auf Statistiken, welche die Versicherer aufgrund der in Rechnung gestellten Vergütungen erstellen (
Art. 76 lit. b KVV
). Dabei werden die Durchschnittskosten für die einzelnen medizinischen Fachgebiete gesondert erhoben (EUGSTER, a.a.O., S. 662). Zur Erstellung dieser Statistik dient bisher die ZSR-Nummer: Die einzelnen in Rechnung gestellten Leistungen werden dem Inhaber der auf der betreffenden Abrechnung vermerkten ZSR-Nummer zugerechnet. Liegen bei einem Leistungserbringer die Durchschnittskosten pro Patient bzw. Behandlungsfall deutlich über dem Durchschnitt seiner Fachgebietsgruppe, ohne dass sich dies mit Praxisbesonderheiten begründen lässt, so können die Versicherer die zu Unrecht bezahlten Vergütungen zurückfordern (
Art. 56 Abs. 2 KVG
;
BGE 119 V 448
E. 4b S. 453 f.).
4.6.2
Sollte sich die Wirtschaftlichkeitskontrolle mit der vermehrten Zuteilung von Sammel-ZSR-Nummern an Gruppenpraxen nicht mehr effektiv bewerkstelligen lassen, ist es nach den Erwägungen
BGE 135 V 237 S. 246
der Vorinstanz Sache der heutigen Beschwerdeführerin, ein entsprechendes Kontrollsystem einzuführen; diese habe eingeräumt, dass die Wirtschaftlichkeitskontrolle auch anders als mit den ZSR-Nummern möglich sei. Die Beschwerdeführerin rügt letztere Feststellung als offensichtlich unrichtig; sie habe nur zugestanden, dass theoretisch eine neue Codierung ins Abrechnungssystem eingeführt werden könnte; dies würde aber einen enormen Aufwand bedingen. Zudem sei die Benützung der ZSR-Nummer für die Abrechnung im Tarmed-Rahmenvertrag festgelegt, und das Zustandekommen einer Vertragsänderung wäre ungewiss.
4.6.3
Die Gründung einer juristischen Person darf nicht dazu führen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitskontrolle unterlaufen wird. Auch kann entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin nicht gesagt werden, die ZSR-Nummer sei für die Durchführung dieser Kontrolle ohnehin ungeeignet. Vielmehr stellt die Rechtsprechung auf die auf dieser Grundlage erhobenen Durchschnittskostenvergleiche ab.
4.6.4
Hat die juristische Person als solche eine einheitliche ZSR-Nummer und rechnet sie alle Leistungen über diese ab, können die Leistungen in der Statistik nicht mehr den einzelnen Ärzten zugerechnet werden, wenn auf die ZSR-Abrechnungen abgestellt wird. Eine individuelle Zurechnung ist in diesem Fall aber auch nicht erforderlich: Ist die Einrichtung im Sinne von
Art. 36a KVG
bzw. die juristische Person, welche eine solche Einrichtung betreibt, als Leistungserbringerin zu betrachten (vorne E. 4.4), so ist konsequenterweise auch die juristische Person und nicht der einzelne darin tätige Arzt allenfalls nach
Art. 56 Abs. 2 KVG
rückerstattungspflichtig. Zu diesem Zweck genügt es, dass die Abrechnung und die Datenerfassung für die juristische Person gesamthaft erfolgt. Da die massgebenden Durchschnittskosten nicht pro Arzt, sondern pro Patient (bzw. pro Behandlungsfall) massgebend sind, kann grundsätzlich auch bei einer Gruppenpraxis mit mehreren Ärzten ein solcher Kostenvergleich durchgeführt werden, indem die Kosten der gesamten Gruppenpraxis in Relation zu der Gesamtzahl der darin behandelten Patienten gesetzt wird. Analoges gilt für die Leistungen der angestellten Praxisassistenten, die nach
Art. 14 Abs. 5 AV
unter der Verantwortung des ZSR-Nummern-Inhabers handeln. Fliessen diese Leistungen bisher in die Durchschnittskosten des anstellenden Arztes ein, so fliessen bei der Beschwerdegegnerin die Leistungen sämtlicher von ihr angestellten Praxisassistenten in die
BGE 135 V 237 S. 247
Durchschnittskosten der juristischen Person ein. Erschwert wird der Kostenvergleich freilich dann, wenn in der Gruppenpraxis Ärzte verschiedener Fachrichtungen tätig sind. Auch dann bleibt jedoch die juristische Person als solche Leistungserbringerin und ist sie für die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots verantwortlich. Für die Berechnung der Durchschnittskosten scheint es durchaus möglich, einen gewichteten Durchschnitt entsprechend der Anzahl der in der Gruppenpraxis tätigen Vertreter der einzelnen Fachrichtungen zu errechnen. Voraussetzung für ein derartiges Abrechnungsmodell ist selbstverständlich, dass die Beschwerdegegnerin eine einheitliche und transparente Abrechnungspraxis verfolgt. Hat sie sich entschieden, als juristische Person unter einer gemeinsamen ZSR-Nummer tätig zu sein (vorne E. 4.4), so muss sie dies konsequent so handhaben und kann nicht nach Belieben einzelne Leistungen über allfällige individuelle Nummern der einzelnen Ärzte abrechnen, weil so eine zuverlässige Wirtschaftlichkeitskontrolle verunmöglicht würde.
4.6.5
Es ist im vorliegenden Verfahren nicht nötig, die Methode der Wirtschaftlichkeitskontrolle bei Einrichtungen im Sinne von
Art. 36a KVG
abschliessend festzulegen. Die auf der ZSR-Statistik beruhende Methode ist zwar von der Rechtsprechung anerkannt, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch andere geeignete Erfassungsmethoden können rechtskonform sein. Sollte die Beschwerdeführerin zum Schluss kommen, dass die vorne in E. 4.6.4 skizzierte Vorgehensweise nicht gangbar ist, steht es ihr frei, andere Methoden zu entwickeln oder mit der Beschwerdegegnerin zu vereinbaren. Denkbar sind auch unterschiedliche Abrechnungsmodelle für verschiedene Kategorien von Versicherten, wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Praxis in anderen Einrichtungen ausführt. Sie macht freilich geltend, nach den massgebenden Verträgen (RV/AV) müssten die Leistungserbringer nebst den ZSR-Nummern nur die EAN-Nummer (European Article Number) mitteilen, welche für die Wirtschaftlichkeitskontrolle nicht tauglich sei. Auch wenn die geltenden Verträge (RV und AV) in Bezug auf Arztpraxen in der Form der juristischen Personen lückenhaft oder unklar sein mögen (vorne E. 3.6), kann dies aber kein Hindernis sein für die sich aus dem gesetzlichen System ergebende Zuteilung einer gesamthaften ZSR-Nummer an Einrichtungen im Sinne von
Art. 36a KVG
: Nach
Art. 56 Abs. 5 KVG
sehen die Leistungserbringer und Versicherer in den Tarifverträgen Massnahmen zur Sicherstellung
BGE 135 V 237 S. 248
der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor. Die in den Verträgen geregelte Pflicht, die Leistungen über die ZSR-Nummer abzurechnen, ist eine solche Massnahme. Sollte sich erweisen, dass in Bezug auf die Einrichtungen nach
Art. 36a KVG
diese Daten tatsächlich für eine Wirtschaftlichkeitskontrolle nicht genügen, sind gegebenenfalls die Verträge in Bezug auf die Abrechnungsmodalitäten dieser Leistungserbringer-Kategorie zu ergänzen; die Leistungserbringer sind aufgrund von
Art. 56 Abs. 5 KVG
verpflichtet, zu solchen Regelungen Hand zu bieten.
4.7
Die Beschwerde ist damit unbegründet. Für die von der Beschwerdegegnerin beantragten weiteren Beweismassnahmen besteht bei diesem Ausgang kein Anlass. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b158f26a-9959-49c3-98fd-729105c44c22 | Urteilskopf
116 II 215
40. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Mai 1990 i.S. A. gegen E. AG (Berufung) | Regeste
Derogatorische Kraft des Bundesrechts; bundesrechtlicher Klageanspruch.
1. Die Missachtung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts ist in Angelegenheiten des Bundesprivatrechts mit Berufung oder zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen (E. 2b).
2. Ein letztinstanzliches kantonales Urteil, mit welchem die hinreichende Substantiierung eines bundesrechtlichen Anspruchs verneint wird, stellt einen Endentscheid im Sinne von
Art. 48 OG
dar (E. 2b).
3. Auslegung zivilprozessualer Vorschriften (E. 3). Wann verletzt die Forderung eines bezifferten Klagebegehrens Bundesrecht? (E. 4a.) | Sachverhalt
ab Seite 216
BGE 116 II 215 S. 216
A.-
A. bemühte sich als Mäkler um die Veräusserung der N. AG in Gossau. Zu diesem Zwecke stand er u.a. in Verbindung mit der E. AG, welche in der Folge die N. AG ohne seine direkte Mitwirkung übernahm. Streitig ist der Provisionsanspruch des Mäklers.
B.-
Mit Klage vom 15. Oktober 1987 unterbreitete A. dem Bezirksgericht Münchwilen folgendes Rechtsbegehren:
"Die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger auf dem von ihr
bekanntzugebenden Kaufpreis der Aktien der Firma N. AG, Gossau,
(effektiv geleistete Zahlungen) die Provision von 2,5% zuzüglich Zins
von 5% seit dem 19. August 1987 als schuldig anzuerkennen und zu bezahlen;
unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
Am 27. Oktober 1988/6. Januar 1989 wies das Bezirksgericht Münchwilen die Klage ab. Es liess die Frage offen, ob das gestellte Rechtsbegehren hinreichend bestimmt laute, hielt aber den Provisionsanspruch für unbewiesen.
Im Berufungsverfahren trat das Obergericht des Kantons Thurgau am 11. Juli 1989 mangels bezifferten Leistungsbegehrens auf die Klage insgesamt nicht ein.
C.-
A. führt gegen den Entscheid des Obergerichts staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen. Mit dieser beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz zu neuem Entscheid. Er rügt eine Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechts (
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
).
Die E. AG und das Obergericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht nimmt die Nichtigkeitsbeschwerde als Berufung entgegen und heisst sie gut. Es hebt das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau auf und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
BGE 116 II 215 S. 217
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Nach § 148 der auf das vorliegende Verfahren anwendbaren thurgauischen Zivilprozessordnung vom 29. April 1928 (aZPO) ist die Einlassung in den Rechtsstreit als vollendet zu betrachten, wenn der Kläger sein Rechtsbegehren eröffnet, der Beklagte darauf seine Erklärung abgegeben und der Friedensrichter den Ausgleichsversuch ohne Erfolg abgeschlossen hat. Eine spätere Änderung des eingangs gestellten Rechtsbegehrens ist nach der kantonalen Rechtsprechung unzulässig (BÖCKLI, N 1d zu § 148 aZPO TG; RBOG 1975 Nr. 15). Das Rechtsbegehren ist in die Weisung des Friedensrichters an das zuständige Gericht aufzunehmen (§ 149 Abs. 2 Ziff. 3 aZPO), wobei es nach der Rechtsprechung so zu formulieren ist, dass es bei gänzlicher Gutheissung der Klage ohne Ergänzung und Verdeutlichung zum Dispositiv des Urteils erhoben werden kann; bei Forderungsklagen wird demzufolge eine genaue Bezifferung des beanspruchten Betrages verlangt (BÖCKLI, N 4 zu § 149 aZPO; RBOG 1983 Nr. 17, 1984 Nr. 20 und 1987 Nr. 15).
b) Der Beschwerdeführer rügt die Anwendung dieser Rechtsprechung auf sein Klagebegehren. Er macht geltend, die Vorinstanz vereitle die Durchsetzung des materiellen Bundesrechts und missachte dessen derogatorische Kraft, indem sie auf seine Klage aus Gründen des kantonalen Rechts nicht eintrete. Kantonales Recht stehe im Widerspruch zum Bundesrecht, wenn es eine unbezifferte Forderungsklage allgemein ausschliesse.
Die Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts in Angelegenheiten des Bundeszivilrechts ist grundsätzlich mit Berufung oder zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde geltend zu machen (
BGE 115 II 131
E. a mit Hinweisen,
BGE 101 II 42
ff.; SALADIN, N 63 zu Art. 2 ÜbBest.BV mit weiteren Hinweisen in Fn 76). Der Kläger führt entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Obergerichts eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er scheint sich dabei an
BGE 101 II 42
anzulehnen. In diesem Urteil hat das Bundesgericht die Berufungsfähigkeit des dort angefochtenen Entscheids verneint, weil die Vorinstanz den Anspruch materiell nicht endgültig beurteilt habe. Demgegenüber hat das Bundesgericht in
BGE 115 II 237
erkannt, dass ein Endentscheid nach
Art. 48 OG
auch dann vorliegt, wenn ein definitives, instanzabschliessendes Prozessurteil ergeht, das nicht zum endgültigen Rechtsverlust führt (
BGE 115 II 240
/1). Gleich verhält es sich vorliegend. Ein kantonales,
BGE 116 II 215 S. 218
letztinstanzliches Urteil, das die Frage, ob ein bundesrechtlicher Anspruch hinreichend substantiiert wurde, verneint, stellt einen Endentscheid dar, da der Anspruch in derselben Form nicht neu gestellt werden kann und der Kläger Anspruch darauf hat, zu wissen, ob das Bundesrecht den Kantonen gestattet, dem Begehren in dieser Form den Rechtsschutz zu versagen. Da die übrigen Berufungsvoraussetzungen ebenfalls erfüllt sind, ist somit die Nichtigkeitsbeschwerde als Berufung entgegenzunehmen (
BGE 110 II 56
E. 1).
3.
Die Kompetenz der Kantone, ihre Gerichtsorganisation und das Prozessrecht zu ordnen, ergibt sich für das Zivilprozessrecht aus
Art. 64 Abs. 3 BV
. Auch diese Vorschriften unterstehen dem Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts. Dabei ist insbesondere ihre dienende Funktion zu beachten. Das kantonale Recht der Gerichtsorganisation und der Prozessordnung ist darauf ausgerichtet, dem materiellen Recht zum Durchbruch zu verhelfen. Die Kantone sind daher verpflichtet, eine Ordnung zu schaffen, welche die Anwendung des materiellen Bundesrechts gewährleistet. Namentlich ist ihnen untersagt, die Freiheit des kantonalen Richters in der Anwendung des Bundeszivilrechts durch das kantonale Prozessrecht einzuschränken. Unter Beachtung dieser Schranken sind die Kantone jedoch in der Ausgestaltung ihres Prozessrechts frei; sie können insbesondere geeignete Normen zur Sicherung eines geordneten Verfahrens erlassen (
BGE 113 Ia 312
E. b mit Hinweisen). Dagegen sind sie vom Erlass von Vorschriften ausgeschlossen, welche die Verwirklichung des Bundeszivilrechts verunmöglichen oder seinem Sinn und Geist widersprechen (
BGE 115 II 131
E. a mit Hinweisen).
Seine dienende Funktion bestimmt auch die Auslegung des Prozessrechts. Da es die Verwirklichung des materiellen Rechts zum Gegenstand hat, ist im Zweifelsfall nicht anzunehmen, einer prozessualen Gesetzesvorschrift komme eine Bedeutung zu, die geeignet ist, die Verfolgung materieller Ansprüche übermässig zu erschweren (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 52 f. mit Hinweisen). Soll Bundesprivatrecht angewendet werden, hat sich die Auslegung des kantonalen Zivilprozessrechts diesem anzupassen und seine Durchsetzung zu gewährleisten. Die prozessuale Rechtsverwirklichung ist nicht bloss ein Postulat an die Adresse des kantonalen Gesetzgebers, sondern auch ein Grundsatz der Rechtsanwendung. Das kantonale Prozessrecht ist daher im Zweifel in einem Sinn auszulegen, welcher
BGE 116 II 215 S. 219
die Verwirklichung des Bundesprivatrechts auf einfachstem Wege ermöglicht (GULDENER, Bundesprivatrecht und kantonales Zivilprozessrecht, ZSR n.F. 80/1961 II S. 1 ff., 23; VOYAME, Droit privé fédéral et procédure civile cantonale, ZSR n.F. 80/1961 II S. 67 ff., 99). Eine diesen Grundsätzen widersprechende Auslegung ist daher bundesrechtswidrig.
4.
a) Eine Prozessvorschrift, wonach die Rechtsbegehren der Parteien klar und deutlich zu formulieren sind und hinreichend bestimmt lauten müssen, ist nicht zu beanstanden. Den Kantonen ist daher im Grundsatz auch nicht verwehrt, in Forderungsstreitigkeiten die Bezifferung des geforderten Betrages zu verlangen (GULDENER, Zivilprozessrecht, S. 193; GULDENER, ZSR n.F. 80/1961 II S. 59 f.). Der Grundsatz gilt indessen nicht schrankenlos. Das kantonale Recht hat unbezifferte Forderungsklagen einmal dort zuzulassen, wo das Bundesrecht sie ausdrücklich vorsieht (z.B.
Art. 73 Abs. 2 PatG
) oder den Richter auf sein Ermessen verweist (insbesondere
Art. 42 Abs. 2 OR
, dazu
BGE 112 Ib 335
E. 1 mit Hinweisen; PETER LOOSLI, Die unbezifferte Forderungsklage, Diss. Zürich 1977, S. 5 f.; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. Aufl. 1988, S. 135 Rz. 5; a. A. GULDENER, Zivilprozessrecht, S. 193 Fn 8; GULDENER, ZSR n.F. 80/1961 II S. 59 f.). Immerhin begrenzt das Bundesrecht in solchen Fällen des richterlichen Ermessens lediglich die Anforderungen an die materielle Substantiierung der Forderung, nimmt den Kantonen dagegen nicht auch die Möglichkeit, aus formellen Gründen eine rahmenmässige Bezifferung der Klageforderung zu verlangen (
BGE 77 II 188
; STRÄULI/MESSMER, N 16 zu
§ 61 ZPO
ZH; C. JÜRGEN BRÖNNIMANN, Die Behauptungs- und Substantiierungslast im schweizerischen Zivilprozessrecht, Diss. Bern 1989, S. 31). Das bundesprivatrechtliche Verwirklichungsverbot lässt sodann nicht zu, eine Bezifferung der Klageforderung auch dort zu verlangen, wo der Kläger nicht in der Lage ist, die Höhe seines Anspruchs genau anzugeben, oder diese Angabe unzumutbar erscheint (GULDENER, ZSR n.F. 80/1961 II S. 36; LOOSLI, a. a. O., S. 7 und 66 ff.). Dies hat insbesondere dort zu gelten, wo erst das Beweisverfahren die Grundlage der Bezifferung der Forderung abgibt; hier ist dem Kläger zu gestatten, die Präzisierung erst nach Abschluss des Beweisverfahrens vorzunehmen (GULDENER, Zivilprozessrecht, S. 193 Ziff. 2 und 237 bei Fn 41). Wird schliesslich auf Rechnungslegung geklagt, braucht nicht angegeben zu werden, wie die Rechnung zu lauten habe, soll doch die Rechnungslegung dem Kläger erst Kenntnis von den
BGE 116 II 215 S. 220
Abrechnungsverhältnissen verschaffen (GULDENER, Zivilprozessrecht, S. 194 Ziff. 7).
Gleiches gilt für die sogenannte Stufenklage, in welcher ein Begehren um Rechnungslegung mit einer zunächst unbestimmten Forderungsklage auf Leistung des Geschuldeten verbunden wird. (GULDENER, Zivilprozessrecht, S. 167 Ziff. 3; VOGEL, a.a.O., S. 136 Rz. 6). Hauptanspruch ist hier die anbegehrte Leistung, Hilfsanspruch deren Bezifferung durch Rechnungslegung. Da es dem Kläger diesfalls in der Regel nicht möglich ist, seine Forderung ohne Erfüllung des Hilfsanspruchs inhaltsmässig genau zu bestimmen, ist die unbezifferte Forderungsklage zunächst zuzulassen und die Möglichkeit zu gewähren, die Bezifferung nach erfolgter Rechnungslegung oder nach Abschluss des Beweisverfahrens nachzuholen. In solchen Fällen vom Kläger die Bezifferung seiner Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu verlangen, hiesse die Durchsetzung des Bundesprivatrechts vereiteln und verstiesse damit gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts. Vom Kläger aber zu fordern, in einem ersten Prozess bloss auf Rechnungslegung zu klagen, um sich Klarheit über die Bezifferung des Hauptanspruchs zu verschaffen, und danach eine zweite (Leistungs)-Klage anzuheben, widerspräche den Anliegen der Prozessökonomie und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
b) Entsprechend verhält es sich vorliegend. Die Beklagte bestritt einen Provisionsanspruch des Klägers bereits dem Grundsatz nach und war demzufolge nicht bereit, die für dessen Bezifferung erforderlichen Angaben zu machen und Unterlagen vorzulegen. Eine annähernde Bezifferung seines Anspruchs hat der Kläger bereits vor dem Friedensrichter und in seiner Klageschrift vorgenommen, indem er seinen Provisionsanspruch auf ungefähr Fr. 200'000.-- veranschlagt hat. Er war daher vorerst mit einer unbezifferten Forderungsklage zuzulassen und zu ermächtigen, die genaue Bezifferung seines Anspruchs nach Abschluss des Beweisverfahrens nachzuholen. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b159a97b-6a88-477b-b99e-5b7eff60afb5 | Urteilskopf
84 III 117
28. Auszug aus dem Entscheid vom 25. Oktober 1958 i.S. S. und R. | Regeste
Nachlassstundung (
Art. 293 ff. SchKG
).
Die Wirkungen der Stundung hören auf, wenn nicht binnen ihrer Dauer mit allfälliger Verlängerung (
Art. 295 SchKG
) die Akten gemäss
Art. 304 SchKG
der Nachlassbehörde unterbreitet werden. Geschieht dies aber rechtzeitig, so wirkt die Stundung ohne weitere zeitliche Begrenzung fort bis zum Abschluss des Bestätigungsverfahrens, d.h. bis zur Bekanntmachung des rechtskräftigen Entscheides der Nachlassbehörde (
Art. 308 SchKG
). | Sachverhalt
ab Seite 117
BGE 84 III 117 S. 117
Aus dem Tatbestand:
A.-
Die Schuldnerfirma erhielt am 14. Juli 1956 eine Nachlassstundung, die, nach Verlängerung gemäss
Art. 295 Abs. 4 SchKG
, bis zum 14. Januar 1957 dauerte. Über den innert dieser Frist eingereichten Nachlassvertrag entschied die erstinstanzliche Nachlassbehörde zunächst nicht durch Bestätigung oder Verwerfung, sondern sie ordnete, auf ausdrückliches Begehren von Gläubigerseite, eine gutachtliche Überprüfung der schuldnerischen Angaben an. Nach Eingang der Expertise, die weit grössere Aktiven feststellte, als angegeben worden war, fällte das Nachlassgericht wiederum keinen Endentscheid, sondern gab mit Beschluss vom 9. Mai 1958 der Schuldnerin Gelegenheit, binnen zwei Monaten eine neue Nachlassofferte
BGE 84 III 117 S. 118
einzureichen. Nachdem dies geschehen war, wurde durch "Urteilsrezess" vom 25. August/15. September 1958 der Nachlassvertrag bestätigt. Die opponierenden Gläubiger (u.a. die heutigen Rekurrenten) zogen diesen Entscheid an die obere Nachlassbehörde weiter, wo die Sache noch hängig ist.
B.-
Sie leiteten ferner, ohne den Ausgang des Bestätigungsverfahrens abzuwarten, Betreibung ein, da die Nachlassstundung längst abgelaufen sei. Das Betreibungsamt gab ihrem Begehren Folge, doch wurde die Betreibung auf Begehren der Schuldnerin von der untern Aufsichtsbehörde aufgehoben, und die kantonale Oberbehörde bestätigte diesen Entscheid.
C.-
Mit vorliegendem Rekurs halten die betreibenden Gläubiger am Antrag fest, die von ihnen eingeleitete Betreibung sei als gültig anzuerkennen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Die Befristung der Nachlassstundung auf eine bestimmte Dauer mit allfälliger Verlängerung im gesetzlichen Rahmen (
Art. 295 SchKG
) hat nach ständiger, vom Bundesrat begründeter und vom Bundesgericht beibehaltener Praxis keine absolute Bedeutung in dem Sinne, dass das Betreibungsverbot in allen Fällen auf die Dauer jener Frist begrenzt wäre. Notwendig ist freilich, dass das in die Hand des Sachwalters gelegte Vorbereitungsverfahren binnen dieser Frist zum Abschluss komme, d.h. die Akten mit seinem Gutachten vor Ablauf der Stundungsfrist gemäss
Art. 304 SchKG
der Nachlassbehörde unterbreitet werden. Geschieht dies indessen, so gilt einerseits die Angelegenheit als fristgemäss bei der Nachlassbehörde zum Entscheid über Bestätigung oder Verwerfung des Nachlassvertrages angebracht, und anderseits werden die Wirkungen der Nachlassstundung als bis zur öffentlichen Bekanntmachung des Endentscheides der Nachlassbehörde
BGE 84 III 117 S. 119
(allenfalls der obern Instanz im Rekursverfahren nach
Art. 307 SchKG
) fortdauernd erachtet (Entscheid des Bundesrates vom 24. Oktober 1893: Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs 3 N. 9;
BGE 33 I 813
= Sep.-Ausg. 10 S. 237). An dieser von der Rechtslehre gebilligten Praxis (JAEGER, N. 2 zu Art. 295 und N. 5 zu
Art. 308 SchKG
; BLUMENSTEIN, Handbuch S. 901 Fuss-N. 13; E. BRAND, Nachlassvertrag II, SJK 959, Fuss-N. 16) ist festzuhalten. Durch die zeitliche Begrenzung der Nachlassstundung sollen Schuldner und Sachwalter zu ungesäumter Beschaffung der Grundlagen für den behördlichen Entscheid veranlasst werden. Der Zweck der Befristung ist erfüllt, wenn die Nachlassbehörde innert der Frist mit der Vorlage befasst wird. Damit soll aber nicht nur der Anspruch auf einen Sachentscheid gewahrt sein, sondern der Schuldner bis zur rechtskräftigen Erledigung der Sache auch im Genuss der Stundungswirkungen bleiben, ansonst er Eingriffen ausgesetzt wäre, die den Vollzug des Nachlassvertrages erschweren könnten und jedenfalls, wenn dieser bestätigt wird, sich als überflüssig erweisen.
An dieser Rechtslage hat sich durch die Gesetzesrevision vom 28. September 1949 nichts geändert. Wenn danach die Nachlassstundung nunmehr erstmals bis zu vier Monaten (statt wie bisher nur bis zu zwei Monaten) bemessen werden darf (mit unveränderter Möglichkeit einer Verlängerung um höchstens zwei Monate), so ist dadurch lediglich dem Vorbereitungsverfahren mehr Raum gegeben, der Stundung als solcher aber keine andere Bedeutung beigelegt worden. Es bleibt daher bei der wirksamen Einhaltung der Stundungsfrist, wenn vor deren Ablauf das Bestätigungsverfahren bei der Nachlassbehörde gemäss
Art. 304 SchKG
eingeleitet wird. Und mit Rücksicht auf den ausstehenden Sachentscheid müssen die Wirkungen der Stundung nach wie vor bis zur Beendigung des gesamten Nachlassverfahrens fortdauern. Diesen letztern Grundsatz bringt übrigens die Vorschrift von
Art. 308 Abs. 2 SchKG
zum Ausdruck, wonach mit der
BGE 84 III 117 S. 120
öffentlichen Bekanntmachung des Entscheides über Bestätigung oder Verwerfung des Nachlassvertrages (nach Eintritt der Rechtskraft gemäss Abs. 1 daselbst) "die Wirkungen der Stundung dahinfallen". Freilich wird dabei stillschweigend vorausgesetzt, dass binnen der Stundungsfrist als solcher das Nötige vorgekehrt wurde, um einem Hinfall der Stundungswirkungen vorzubeugen. Dies ist aber im vorliegenden Falle nach dem Gesagten geschehen.
2.
Die Rekurrenten nehmen ferner den Standpunkt ein, auch wenn man grundsätzlich die im soeben dargelegten Sinn benutzte Nachlassstundung fortdauern lasse, könne doch das Betreibungsverbot nicht beliebig lange aufrecht bleiben, sondern sei bei ungebührlicher Verzögerung des Entscheides der Nachlassbehörde als hinfällig zu betrachten. Dem ist nicht beizustimmen. Ist die Nachlassbehörde fristgemäss mit der Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Nachlassvertrages befasst worden, so muss vielmehr auch die Stundung bis zur Bekanntmachung des rechtskräftigen Endentscheides andauern. Fraglich kann nur sein, ob die Gläubiger jede Verzögerung dieses Entscheides hinzunehmen haben, oder ob ihnen Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um eine Beschleunigung des Bestätigungsverfahrens zu erwirken oder aber dieses als erfolglos ohne Sachentscheid beendigen zu lassen. Darüber ist indessen hier nicht zu befinden, da es keinesfalls den betreibungsrechtlichen Aufsichtsbehörden zusteht, gegen die Nachlassbehörden einzuschreiten. Solange das Bestätigungsverfahren vor diesen Behörden hängig ist - und das trifft im vorliegenden Falle zur Zeit noch zu - haben die Betreibungsbehörden die fortdauernden Wirkungen der Nachlassstundung zu beachten. AusBGE 51 III 189, worauf die Rekurrenten mit dem von ihnen befragten Gutachter hinweisen, lässt sich nichts Abweichendes herleiten. Wenn die Nachlassbehörde das Bestätigungsverfahren über die bei ihr fristgemäss angebrachte Angelegenheit durchführt, so handelt sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit,
BGE 84 III 117 S. 121
und es kann von einem unzuständigerweise erfolgenden Eingriff in ein Betreibungsverfahren nicht die Rede sein.
.....
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b15e02d6-3912-4ef2-9397-ff607ab865bc | Urteilskopf
122 V 142
20. Urteil vom 24. April 1996 i.S. M. gegen Pensionskasse W. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt | Regeste
Art. 28, 29, 66 BVG
,
Art. 331b OR
,
Art. 89bis ZGB
.
- Damit die als Befreiungsversprechen (
Art. 175 Abs. 1 OR
) zu wertende arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers, den reglementsgemäss dem versicherten Arbeitnehmer obliegenden Einkauf zu finanzieren, vorsorgerechtlich bedeutsam wird, bedarf es nicht nur eines Schuldübernahmevertrages (
Art. 176 Abs. 1 OR
) zwischen Vorsorgeeinrichtung und Arbeitgeber, sondern einer schriftlichen Änderung des Vorsorgevertrages selbst (Präzisierung der Rechtsprechung).
- In casu haben die Parteien des Vorsorgevertrages eine formgültige Absprache getroffen; doch ergibt deren Auslegung, dass damit die reglementarische Ordnung nicht derogiert wird. | Sachverhalt
ab Seite 143
BGE 122 V 142 S. 143
A.-
Der 1950 geborene M., Fürsprecher, nahm am 1. März 1992 seine Tätigkeit im Range eines Stellvertretenden Direktors für die W. Group of Companies auf und war ab diesem Zeitpunkt bei der Pensionskasse W. vorsorgeversichert. Beim Abschluss des Arbeitsvertrages waren dessen Parteien davon ausgegangen, dass M. dereinst den Maximalsatz der Altersrente von 60% des versicherten Jahreslohnes erreichen sollte. Die Finanzierung dieses Ziels erforderte ein Kapital von Fr. 285'601.30, wovon M. Fr. 188'304.10 aus früheren Vorsorgeverhältnissen beibringen konnte. Darüber hinaus vereinbarte er mit seiner Arbeitgeberin, dass der Einkauf des Restbetrages von Fr. 97'297.20 in Form monatlicher Zusatzbeiträge bis zum Alter 65 von beiden Vertragsparteien je zur Hälfte übernommen würde. Die Pensionskasse ihrerseits hielt diese schliesslich befolgte Absprache sowohl mit Schreiben an den Versicherten vom 6. September 1991 als auch in der Aufnahmebestätigung vom 9. April 1992 fest.
Nachdem der Versicherte am 1. Dezember 1992 noch eine einmalige Zahlung von Fr. 14'742.-- auf Anrechnung an seine Einkaufsschuld getätigt hatte, wurde das Anstellungsverhältnis gemäss Schreiben der Arbeitgeberin vom 9. Dezember 1992 im gegenseitigen Einvernehmen auf den 30. Juni 1993 beendet. Hierauf errechnete die Pensionskasse auf diesen Zeitpunkt eine Austrittsleistung von Fr. 234'667.20 (Anteil BVG: Fr. 45'382.30), in welcher die von der Arbeitgeberin monatlich erbrachten Beiträge an den Einkauf nicht enthalten waren (Schreiben vom 23. Dezember 1992). Am 30. März 1993 forderte M. die Pensionskasse schriftlich auf, die Austrittsleistung um rund Fr. 50'000.--, samt Zins, zu erhöhen, was dem von der Arbeitgeberin geschuldeten hälftigen Anteil an der Einkaufssumme entspreche. In der Folge erklärte sich die Pensionskasse - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gegen Saldoquittung - zur zusätzlichen Überweisung der von der Arbeitgeberin tatsächlich geleisteten Beiträge an den Einkauf von insgesamt Fr. 4'719.20 (16 x Fr. 294.95) bereit.
B.-
Am 3. September 1993 liess M. beim Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Klage einreichen mit dem Rechtsbegehren, die Pensionskasse W.
BGE 122 V 142 S. 144
sei zu verpflichten, Fr. 48'648.60, eventuell Fr. 19'193.--, je samt Zins zu 5% seit 1. März 1992, an seine neue Vorsorgeeinrichtung oder auf ein zu errichtendes Freizügigkeitskonto zu überweisen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass die Finanzierung des Einkaufs zusätzlicher Rentenprozente reglementsgemäss den Versicherten obliege, welche Ordnung vorliegendenfalls - trotz der arbeitsvertraglich vereinbarten hälftigen Übernahme der Einkaufssumme durch die Arbeitgeberin - nicht geändert worden sei.
Nach Einholung von Rechtsantwort und Replik und nach Durchführung einer mündlichen Schlussverhandlung wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die Klage mit Entscheid vom 5. Oktober 1994 ab. In seiner Begründung schützte es den in Anlehnung an
BGE 118 V 229
vertretenen Standpunkt der Pensionskasse, dass durch deren Einbezug der Vorsorgevertrag mit dem klagenden Versicherten gemäss der arbeitsvertraglichen Abrede formgültig abgeändert worden sei. Damit handle es sich beim eingeklagten Betrag auch vorsorgerechtlich um Arbeitgeberleistungen, die dem Kläger im Rahmen seiner Freizügigkeitsleistung nicht zustünden.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt M., es sei die Pensionskasse in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides zur Überweisung einer zusätzlichen Freizügigkeitsleistung von Fr. 19'193.--, eventuell Fr. 4'719.20, je samt Zins zu 5% seit 1. März 1992, zu verpflichten.
Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten des Beschwerdeführers, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) einer Stellungnahme enthält.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Zuständigkeit)
2.
(Kognition)
3.
Streitig ist einzig, ob und - gegebenenfalls - in welchem Umfang die Freizügigkeitsleistung des Beschwerdeführers zu erhöhen ist um den Anteil am Einkauf, der an seiner Stelle gemäss arbeitsvertraglicher Absprache und mit Einverständnis der Vorsorgeeinrichtung von der Arbeitgeberin übernommen wurde.
4.
a) Bei den Rechtsbeziehungen, die zwischen dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer und der Personalvorsorgeeinrichtung bestehen, gilt es deutlich
BGE 122 V 142 S. 145
zwischen dem Arbeitsvertrag einerseits und dem Vorsorgevertrag anderseits zu unterscheiden. Dieser darf nicht mit dem Arbeitsvertrag im Sinne von
Art. 319 ff. OR
verwechselt oder als Bestandteil desselben angesehen werden (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 1985, S. 102, N. 13 zu § 4). Ohne Rücksicht auf inhaltliche Unterschiede erweist sich diese Abgrenzung schon deshalb als unumgänglich, weil an den beiden Verträgen je verschiedene Rechtssubjekte beteiligt sind. Während sich im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gegenüberstehen, sind am Vorsorgevertrag der Arbeitnehmer und die rechtlich selbständige Vorsorgeeinrichtung beteiligt (
BGE 118 V 231
Erw. 4a; vgl. ferner
BGE 120 V 344
Erw. 3b).
b) Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine umhüllende Vorsorgeeinrichtung, die nicht nur die gesetzlichen Minimalleistungen gemäss den Vorschriften des BVG erbringt, sondern weitergehende Leistungen, die dem Bereich der freiwilligen beruflichen Vorsorge zuzuordnen sind. Wie sich der aufliegenden Berechnung der Austrittsleistung entnehmen lässt, geht es bei den Freizügigkeitsansprüchen des Beschwerdeführers in erster Linie um solche aus dem überobligatorischen Bereich. Dies gilt auch für die hier streitige Einkaufsleistung.
Im Bereich der vorliegend betroffenen freiwilligen beruflichen Vorsorge wird das Rechtsverhältnis zwischen einer Vorsorgeeinrichtung und dem Vorsorgenehmer durch den Vorsorgevertrag begründet, der den Innominatsverträgen (eigener Art) zuzuordnen ist. Als solcher untersteht er in erster Linie den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts. Das Reglement stellt den vorformulierten Inhalt des Vorsorgevertrages bzw. dessen Allgemeine Bedingungen (AGB) dar, denen sich der Versicherte ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten unterzieht (
BGE 118 V 232
Erw. 4b,
BGE 116 V 221
Erw. 2 mit Hinweisen; vgl. ferner
BGE 119 V 144
Erw. 5b). Dies schliesst nicht aus, dass im Einzelfall auch vom Reglement abweichende Abreden getroffen werden können (RIEMER, Vorsorge-, Fürsorge- und Sparverträge der beruflichen Vorsorge, in: Innominatsverträge, Festgabe zum 60. Geburtstag von Walter R. Schluep, S. 237). Allerdings bedarf es hiefür einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem versicherten Arbeitnehmer, welchem Erfordernis die alleinige arbeitsvertragliche Abrede wesensgemäss nicht zu genügen vermag (
BGE 118 V 232
Erw. 4b; vgl. ferner SZS 1994 S. 202).
BGE 122 V 142 S. 146
c) Die Auslegung des Reglements als vorformulierter Inhalt des Vorsorgevertrages geschieht nach dem Vertrauensprinzip. Dabei sind jedoch die den Allgemeinen Bedingungen innewohnenden Besonderheiten zu beachten, namentlich die sogenannten Unklarheits- und Ungewöhnlichkeitsregeln (
BGE 116 V 222
Erw. 2; SZS 1995 S. 51 und 1994 S. 205 Erw. 3c; zu den Auslegungsregeln vgl. ferner Alfred KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, Bern 1996, Nr. 1580 ff., 1605 ff.). Nach diesen Auslegungsgrundsätzen gilt es ausgehend vom Wortlaut und unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem eine streitige Bestimmung innerhalb des Reglements als Ganzes steht, den objektiven Vertragswillen zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt haben. Dabei hat das Gericht zu berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eine unvernünftige Lösung gewollt haben (KRAMER, Berner Kommentar, Bd. VI/1, N. 42 zu
Art. 18 OR
). Sodann sind nach konstanter Rechtsprechung mehrdeutige Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten ihres Verfassers auszulegen (
BGE 120 V 452
Erw. 5a, 119 II 373 Erw. 4b mit Hinweisen; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, Bd. V/1b, N. 451 ff. zu
Art. 18 OR
; unveröffentlichtes Urteil E. vom 27. September 1995).
Steht eine im Einzelfall getroffene vorsorgevertragliche Abrede in Frage, ist nach den gewöhnlichen Regeln der Vertragsauslegung zunächst nach dem übereinstimmenden wirklichen (subjektiven) Parteiwillen (
Art. 18 Abs. 1 OR
) zu suchen. Lässt sich ein übereinstimmender Wille der Parteien nicht feststellen, so sind deren Erklärungen ebenfalls nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Danach sind Willenserklärungen so zu deuten, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (
BGE 121 III 123
Erw. 4b/aa mit Hinweisen; SJ 1995 S. 263 f. Erw. 1a; vgl. ferner KRAMER, a.a.O., N. 67 ff. und JÄGGI/GAUCH, a.a.O., N. 306, 332, 342 f. je zu
Art. 18 OR
; GUHL/MERZ/KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl., Zürich 1991, S. 97).
5.
a) Nach Art. 13 Ziff. 2 des Reglements der Pensionskasse W. vom 1. Januar 1990 haben deren "Mitglieder" die Möglichkeit, beim Eintritt in die Kasse Rentenprozente bis zum Erreichen der Maximalrente von 60% einzukaufen. Im übrigen entrichten die aktiven "Mitglieder" ab dem auf die Vollendung des 19. Altersjahres folgenden Jahr wiederkehrende Beiträge von 6% des versicherten Lohnes (Art. 16 Ziff. 1), während die Firma ihrerseits Beiträge in Höhe von 10% der versicherten Löhne aller beitragspflichtigen
BGE 122 V 142 S. 147
"Mitglieder" erbringt (Art. 17 Ziff. 1). Unter dem Titel "Höhe der Austrittsabfindung" regelt sodann Art. 37 die Bemessung der Freizügigkeitsleistung. Diese besteht gemäss Ziff. 2 aus den eingebrachten Einlagen (Freizügigkeitsleistungen und Einkäufe) mit Zins, den persönlichen Beiträgen und Nachzahlungen ohne Zins, sowie einem Zuschlag auf die persönlichen Beiträge und Nachzahlungen von 40% im ersten Dienstjahr, jährlich um 4% steigend, bis zu einem Maximum von 120% ab 21. Dienstjahr.
b) Aus der dargelegten reglementarischen Ordnung folgt, dass die Finanzierung des Einkaufs zusätzlicher Rentenprozente - vorsorgerechtlich - allein dem versicherten Arbeitnehmer obliegt. Denn die Beteiligung der Arbeitgeberin (Art. 17 Ziff. 1) bezieht sich einzig auf die paritätische Beitragspflicht (
Art. 66 Abs. 1 BVG
;
Art. 331 Abs. 3 OR
), während der Einkauf (Art. 13 Ziff. 2) davon nicht erfasst wird. Mit anderen Worten handelt es sich bei den zum Zwecke des Einkaufs geleisteten Mitteln - immer aus Sicht des Reglements - ausschliesslich um Arbeitnehmerleistungen. Diese sind dem bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses aus der Vorsorgeeinrichtung austretenden Versicherten (Art. 36 Ziff. 1) im Rahmen der "Austrittsabfindung" mitzugeben (Art. 37 Ziff. 2), was auch von der Beschwerdegegnerin nicht angezweifelt wird. Umstritten und im folgenden zu prüfen ist indes, ob die für den Einkauf aufgewendeten Mittel ihren Charakter als Arbeitnehmerleistungen verloren und daher bei der Bemessung der Freizügigkeitsleistung ausser acht zu bleiben haben, soweit sie gemäss arbeitsvertraglicher Absprache, mit Billigung der Beschwerdegegnerin von der Arbeitgeberin übernommen wurden.
6.
a) Die hier von der Arbeitgeberin im Rahmen des Arbeitsvertrages gleichsam im Sinne eines gebundenen Lohnbestandteils übernommene Verpflichtung, den aus vorsorgerechtlicher Sicht dem Beschwerdeführer obliegenden Einkauf zur Hälfte zu finanzieren, hat das Eidg. Versicherungsgericht in einem ähnlich gelagerten Fall als uneigentliche Schuldübernahme im Sinne eines Befreiungsversprechens gemäss
Art. 175 Abs. 1 OR
gewertet (
BGE 118 V 234
Erw. 6b mit Hinweisen). Damit solche Absprachen (extern) zu einem Schuldnerwechsel führen und darüber hinaus die entsprechenden Leistungen auch vorsorgerechtlich zu solchen des Arbeitgebers werden, bedarf es zusätzlich nicht nur eines Schuldübernahmevertrages (privative Schuldübernahme) im Sinne von
Art. 176 ff. OR
zwischen Vorsorgeeinrichtung (= Gläubigerin) und Arbeitgeberin (= Übernehmerin), sondern einer schriftlichen Änderung des Vorsorgevertrages
BGE 122 V 142 S. 148
selbst (
BGE 118 V 235
f. Erw. 6c). Letzteres ist insofern erforderlich und hier klarer als in
BGE 118 V 235
f. hervorzuheben, als die wesensgemäss ohne unmittelbaren Einbezug des ursprünglichen Schuldners ablaufende Schuldübernahme sich stets auf einzelne Verpflichtungen und nicht auf ganze Vertragsverhältnisse bezieht (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, 6. Aufl., Zürich 1995, Rz. 3713; GUHL/MERZ/KOLLER, a.a.O., S. 247 unten f.). Mithin wechseln beim zweiseitigen Vertrag nur die Pflichten des Schuldners zum Übernehmer, während dieser die daraus fliessenden Rechte nicht geltend machen kann (SPIRIG, Zürcher Kommentar, Bd. V/1k, N. 40 zu Vorbemerkungen zu
Art. 175 - 183 OR
und N. 41 zu
Art. 179 OR
). Folglich kann allein durch den sich im Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Vorsorgeeinrichtung vollziehenden Schuldübernahmevertrag das zwischen dieser und dem Versicherten bestehende vorsorgevertragliche Verhältnis von vornherein nicht wirksam abgeändert werden (insofern ungenau
BGE 118 V 237
Erw. 6d).
b) Im zu beurteilenden Fall ist am Vorliegen einer - über den Arbeitsvertrag und den zwischen Arbeitgeberin und Pensionskasse ergangenen Schuldübernahmevertrag hinausgreifenden - formgültigen Absprache zwischen Versichertem und Vorsorgeeinrichtung nicht zu zweifeln. In dieser Hinsicht ist nicht nur das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 6. September 1991 zu erwähnen, worin die hälftige Aufteilung der Einkaufsleistung zwischen Beschwerdeführer und Arbeitgeberin erwähnt wurde ("Gemäss Unterredung mit Herrn X würde dieser Betrag zu je 1/2 aufgeteilt, so dass Ihnen monatlich Fr. 301.70 als Einkauf vom Salär abgezogen würden, die andere Hälfte von Fr. 301.70 würde von der Firma getragen."), sondern vor allem die Aufnahmebestätigung vom 9. April 1992, die hinsichtlich der Einkaufsregelung wie folgt lautete:
"Damit Sie den Maximalsatz der Altersrente von 60% erreichen, fehlen Ihnen 8,25%. Der Einkauf von Rentenprozenten basiert auf dem versicherten Jahreslohn und dem Alter. Für 1 Rentenprozent sind 8,4% von Fr. 140'400.--, d.h. Fr. 11'793.60 nötig. Der Einkauf der fehlenden 8,25 Rentenprozenten kostet Fr. 97'297.20.
Wie bereits bei Ihrem Eintritt besprochen, werden Sie die fehlenden 8,25 Rentenprozente im Betrage von Fr. 97'297.20 mit einem monatlichen Zusatzbetrag bis Alter 65 (längstens bis zum Tod oder Invalidität) einkaufen; bei allfälliger vorzeitiger Pensionierung sind ausstehende Zusatzbeiträge bis zum Terminalter zu bezahlen. Der monatliche Zusatzbeitrag beträgt ab 01.03.1992 Fr. 589.90 und wird zu 50% von der Firma übernommen, d.h. Ihr monatlicher Abzug beläuft sich auf Fr. 294.95."
BGE 122 V 142 S. 149
Diese Aufnahmebestätigung regelt die Modalitäten des konkreten Vorsorgeverhältnisses in Ergänzung zum Reglement vom 1. Januar 1990. Sie ist mit dem (stillschweigenden) Einverständnis des Beschwerdeführers zwischen den sachlich zuständigen Parteien (vgl. BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Bern 1989, § 8 Rz. 29), in schriftlicher Form ergangen und daher geeignet, zwischen diesen vorsorgerechtliche Wirkungen zu entfalten. Entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der Vereinbarung insbesondere nicht schon deswegen die Verbindlichkeit abzusprechen, weil sie nicht vom Stiftungsrat selbst unterzeichnet wurde. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht ausführt, ist hier zwischen der Vertretung im Aussenverhältnis und der internen Beschlussfassung zu unterscheiden, wobei jene auch im Falle einer Stiftung auf bestimmte Organe oder Geschäftsführer - einzeln oder kollektiv - übertragen werden kann (RIEMER, Berner Kommentar, Bd. I/3, N. 5 ff. und 26 zu
Art. 83 ZGB
), was hier offenbar zutrifft.
Diese Frage der Vertretungsbefugnis mag letztlich offenbleiben. Denn die mangels Feststellbarkeit des subjektiven Vertragswillens nach dem Vertrauensprinzip vorzunehmende objektivierte Auslegung (vgl. Erw. 4c) der Aufnahmebestätigung ergibt, dass damit wohl der Einkauf zusätzlicher Rentenprozente und seine Zahlungsmodalitäten, darüber hinaus jedoch nichts weiter geregelt wurde, was hier von ausschlaggebender Bedeutung sein könnte. Namentlich ist ihr nichts zu entnehmen, was in guten Treuen als Abänderung von Art. 13 Ziff. 2 des Reglements verstanden werden dürfte oder gar müsste und was vor allem im Rahmen von dessen Art. 37 Ziff. 2 bei der Zusammensetzung der Austrittsabfindung beachtlich wäre. Insofern bleibt unerheblich, dass die Vorsorgeeinrichtung zu einer Beteiligung der Arbeitgeberin an der Finanzierung der Einkaufssumme Hand geboten hatte. Deswegen die entsprechenden Zahlungen als vorsorgerechtliche Arbeitgeberleistungen zu qualifizieren mit der Folge, dass diese im Freizügigkeitsfall nicht mitzugeben wären (vgl. Art. 37 Ziff. 2 des Reglements), geht jedenfalls im Lichte von Treu und Glauben nicht an, solange in der Aufnahmebestätigung auf die fraglichen Reglementsbestimmungen nicht einmal andeutungsweise Bezug genommen wird (vgl. hiezu
BGE 118 V 237
Erw. 6c/dd). Dies um so weniger, als darin sogar ausdrücklich davon die Rede ist, dass der Beschwerdeführer ("Sie") die fehlenden Rentenprozente einzukaufen habe, worauf dieser in seiner Klage vergeblich hingewiesen hat.
BGE 122 V 142 S. 150
c) Nach dem Gesagten ist die Vorinstanz zu Unrecht von einer vorsorgerechtlich bedeutsamen Abänderung der Einkaufsregelung gemäss Art. 13 Ziff. 2 des Reglements ausgegangen. Dabei hat sie ihrer Beurteilung zwar richtigerweise die in
BGE 118 V 229
begründete Rechtsprechung zugrunde gelegt, dabei jedoch die - hier nach dem Vertrauensprinzip auszulegende - Einzelabrede zu wenig auf ihren Gehalt hin untersucht, welchem Gesichtspunkt das Eidg. Versicherungsgericht in jenem Fall zufolge Nichterfüllung des Formerfordernisses nicht nachzugehen brauchte.
Nachdem somit die reglementarische Ordnung durch die Beteiligung der Arbeitgeberin an der Finanzierung des Einkaufs zusätzlicher Rentenprozente und die entsprechende Absprache nicht derogiert wurde, erweist sich das Begehren des Beschwerdeführers in grundsätzlicher Hinsicht als begründet. Damit bleibt die Bemessung der gestellten Forderung zu prüfen.
7.
Während der Beschwerdeführer in der Klage noch die Zusprechung des Anteils an der gesamten bis zum 65. Altersjahr zu erbringenden Einkaufssumme (Fr. 48'648.60) anbegehrte, beantragt er vor Eidg. Versicherungsgericht dem Sinne nach bloss noch, dass der ihm zustehende Betrag nach Massgabe der von ihm selbst (Fr. 19'193.--), allenfalls der von seiner Arbeitgeberin bereits erbrachten Leistungen (Fr. 4'719.20) festzusetzen sei.
Diese Reduktion ist zu Recht erfolgt, nachdem das für den Einkauf erforderliche Kapital nach dem klaren Vertragswillen nicht auf einmal einbezahlt wurde, sondern - bis zum Erreichen des Pensionsalters - in monatlichen Raten aufzubringen war oder gewesen wäre. Dieser von allen Beteiligten gebilligte Zahlungsmodus entsprach durchaus dem Lohncharakter der fraglichen Leistung und der von den Parteien des Arbeitsvertrages ursprünglich zweifelsohne gewollten langfristigen Dauer ihrer Bindung. In Anbetracht dieser Sachlage zielte daher die ursprünglich erhobene Forderung nicht nur bei weitem über die real geleisteten Einlagen hinaus, in welchem Umfang ihr folglich jede Grundlage fehlte. Sie liesse sich auch mit den getroffenen vertraglichen Abreden oder den Ergebnissen einer richterlichen Vertragsergänzung nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens (vgl. dazu GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Band I, Rz. 1257) schwerlich in Einklang bringen. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer bereits ab Beginn des Vorsorgeverhältnisses auch für den Invaliditätsfall vollständigen Versicherungsschutz genossen haben mochte.
Mit den nunmehr geforderten Fr. 19'193.--, entsprechend dem Betrag, den der Beschwerdeführer mit monatlichen Beiträgen sowie seiner einmaligen Einlage
BGE 122 V 142 S. 151
vom 1. Dezember 1992 (Fr. 14'742.--) tatsächlich geleistet hatte, verhält es sich ähnlich. Diese im Hinblick auf die Steuerplanung getätigte Kapitaleinlage erfolgte - entgegen dem verabredeten üblichen Zahlungsmodus - aus freien Stücken des Beschwerdeführers. Dass für die Arbeitgeberin vorsorgerechtlich eine Verpflichtung zu analoger Leistung bestanden hätte, ist nicht ersichtlich und namentlich der Aufnahmebestätigung vom 9. April 1992 nicht zu entnehmen. Nachdem auch der Beschwerdeführer solches nicht dargetan hat, vermag er mit seinem Hauptantrag nicht durchzudringen.
8.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Klage im Umfang von Fr. 4'719.20 gutzuheissen ist, welchen Betrag die Beschwerdegegnerin seinerzeit - wenn auch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - zu leisten bereit gewesen wäre. Auf diesem Forderungsbetrag ist ab dem 30. Juni 1993 Verzugszins von 5% zuzusprechen (vgl.
BGE 119 V 133
Erw. 4a mit Hinweisen). Für die davorliegende Zeit ist das Guthaben des Beschwerdeführers nach Massgabe des Reglements zu verzinsen (Art. 37 Ziff. 2).
9.
Der Beschwerdeführer macht die Zusprechung einer Parteientschädigung geltend. Nach der Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts steht einem in eigener Sache prozessierenden Rechtsanwalt indes nur ausnahmsweise eine solche zu; vorliegend sind die Ausnahmebedingungen nicht erfüllt (
BGE 110 V 133
ff. Erw. 4). | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b1639216-fe85-4ba1-a41d-18061159af10 | Urteilskopf
97 V 45
11. Auszug aus dem Urteil vom 12. März 1971 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Ursprung und Rekurskommission des Kantons Zug | Regeste
Art. 12 IVG
und 2 Abs. 1 und 2 IVV.
Auch bei Lähmungen sind die zur Eingliederung geeigneten medizinischen Massnahmen, namentlich diejenigen physiotherapeutischer Natur, so lange zu gewähren, bis der angestrebte Zustand wesentlich und dauerhaft verbesserter Erwerbsfähigkeit eingetreten ist.
Medizinischen Vorkehren, deren Erfolg nicht dauerhaft ist und die der steten Wiederholung bedürfen, um das erreichte Optimum zu erhalten, fehlt der überwiegende Eingliederungscharakter. (Präzisierung der Praxis.) | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 97 V 45 S. 45
A.-
Der Handelsreisende Franz Ursprung erlitt im Februar 1963 ... eine linksseitige Hemiplegie. Die Invalidenversicherung gewährte ihm ... Kostengutsprache für ärztlich verordnete Rehabilitationsmassnahmen, insbesondere für Heilgymnastik und mehrere Badekuren... Ende 1969 ersuchte der Versicherte für 1970 um eine weitere Badekur im Lähmungsinstitut Leukerbad mit Nachkur, um Fortsetzung anderweitiger physiotherapeutischer Vorkehren bis vorläufig 31. Dezember 1970 und um Übernahme der damit zusammenhängenden ärztlichen Kontrollen zu Lasten der Invalidenversicherung. Gestützt auf den Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission des Kantons Zug verfügte die Ausgleichskasse des schweizerischen Gewerbes am 23. Dezember 1969 die Abweisung dieses Begehrens mit der Begründung, weitere Badekuren und physikalische Therapie würden den Gesundheitszustand
BGE 97 V 45 S. 46
und damit die Arbeitsfähigkeit nicht mehr verbessern, sondern nur das Fortschreiten des Leidens verhindern...
B.-
Beschwerdeweise erneuerte Franz Ursprung die erwähnten Begehren...
Die Rekurskommission des Kantons Zug hat die angefochtene Verfügung mit Entscheid vom 5. Juni 1970 aufgehoben und die Invalidenversicherungs-Kommission angewiesen, für das Jahr 1970 die notwendigen physiotherapeutischen Massnahmen im Rahmen des
Art. 12 Abs. 1 IVG
festzusetzen...
C.-
Das Bundesamt für Sozialversicherung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es beantragt die Wiederherstellung der angefochtenen Kassenverfügung...
Franz Ursprung trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Er verweist auf den Bericht, den der Chefarzt des Lähmungsinstitutes Leukerbad am 28. August 1970 erstattet hat...
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach
Art. 12 Abs. 1 IVG
hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Behandlung des Leidens an sich ist rechtlich insbesondere jede medizinische Vorkehr, sei sie kausal oder symptomatisch, auf das Grundleiden oder auf dessen Folgeerscheinungen gerichtet, solange labiles pathologisches Geschehen vorhanden ist. Demnach gehören jene Vorkehren, welche auf die Heilung oder Linderung labilen pathologischen Geschehens gerichtet sind, nicht ins Gebiet der Invalidenversicherung. Erst wenn die Phase des (primären oder sekundären) labilen pathologischen Geschehens insgesamt abgeschlossen ist, kann sich - beim volljährigen Versicherten - überhaupt die Frage stellen, ob eine Vorkehr Eingliederungsmassnahme sei. Dieser Ordnung entspricht es, dass beispielsweise jene medikamentösen Vorkehren, die beim Diabetiker zur Regulierung des Stoffwechsels dienen, als Behandlung des Leidens an sich zu betrachten sind. Solche stabilisierende Vorkehren richten sich nämlich eindeutig gegen labiles pathologisches Geschehen. Kontinuierliche Therapie, die notwendig ist, um das Fortschreiten eines Leidens zu
BGE 97 V 45 S. 47
verhindern, muss als Behandlung des Leidens an sich bewertet werden. Im Anwendungsbereich des
Art. 12 IVG
besteht zwischen derartigen Vorkehren und therapeutischen Akten, welche das Fortschreiten irreversibler Lähmungsfolgen verhindern sollen, kein rechtlicher Unterschied. Unerheblich ist, ob die Lähmungsfolgen eine Zeitlang als praktisch stabilisiert gelten konnten oder nicht, denn es kommt weder auf die Pathogenese der Lähmungen noch darauf an, wie diese sich bisher verhalten haben, sofern allein mittels medizinischer Vorkehren verhütet werden kann, dass ein sekundärer pathologischer Prozess ausgelöst wird (vgl. dazu EVGE 1962 S. 311 Erw. 2 und 1965 S. 158 Erw. 2; ferner ZAK 1968 S. 560). Würde anders entschieden, so widerspräche dies den grundlegenden Kriterien, nach denen der Aufgabenbereich der Invalidenversicherung von demjenigen der sozialen Kranken- und Unfallversicherung abzugrenzen ist. Wenn die Invalidenversicherung nach
Art. 12 Abs. 1 IVG
unter Umständen medizinische Massnahmen zu übernehmen hat, die geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit des Versicherten vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren, so bezieht sich dies nur auf Fälle, in denen bei relativ stabilisiertem Zustand eine wesentliche erwerbliche Einbusse droht (EVGE 1969 S. 97 i.S. Münger).
b) Zur Präzisierung dieser Praxis sei noch folgendes ausgeführt:
Art. 12 Abs. 2 IVG
erteilt dem Bundesrat die Befugnis, "die Massnahmen gemäss Absatz 1 von jenen, die auf die Behandlung des Leidens an sich gerichtet sind, abzugrenzen. Er kann zu diesem Zweck insbesondere die von der Versicherung zu gewährenden Massnahmen nach Art und Umfang näher umschreiben und Beginn und Dauer des Anspruchs regeln". Von dieser Befugnis hat der Bundesrat in
Art. 2 IVV
teilweise Gebrauch gemacht. Nach
Art. 2 Abs. 1 IVV
gelten als medizinische Massnahmen im Sinn des
Art. 12 IVG
"namentlich chirurgische, physiotherapeutische und psychotherapeutische Vorkehren, die eine als Folgezustand eines Geburtsgebrechens, einer Krankheit oder eines Unfalls eingetretene Beeinträchtigung der Körperbewegung, der Sinneswahrnehmung oder der Kontaktfähigkeit zu beheben oder zu mildern trachten, um die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren...". Gemäss dieser Bestimmung sind die medizinischen Massnahmen somit beschränkt auf Folgezustände
BGE 97 V 45 S. 48
von Geburtsgebrechen, Krankheit und Unfall, also auf stabile oder mindestens relativ stabilisierte Folgen von Gesundheitsschäden der erwähnten Ätiologie, soweit körperliche oder psychische Verhältnisse überhaupt stabil sein können.
Art. 2 Abs. 1 IVV
verlangt daher keine grundsätzliche Änderung in der Grenzziehung zwischen der sozialen Kranken- und Unfallversicherung einerseits und der Invalidenversicherung anderseits, wie sie von der geltenden Praxis statuiert wird. Nur stabile Folgen eines Geburtsgebrechens, einer Krankheit oder eines Unfalles können Gegenstand medizinischer Massnahmen sein; alle andern gesundheitlichen Störungen werden als labil betrachtet und gehören ins Gebiet der Kranken- oder Unfallversicherung.
Keine stabile Folge von Krankheit, Unfall oder Geburtsgebrechen ist ein Zustand, der sich nur dank therapeutischer Massnahmen einigermassen im Gleichgewicht halten lässt, gleichgültig welcher Art die Behandlung ist. Der nur durch Stütztherapie, Training usw. aufzuhaltende Schwund des mit medizinischen Massnahmen erreichten Optimums an physischer und psychischer Leistungsfähigkeit bedeutet Rückfall in die Labilität. Die Praxis hat ein Nachlassen dieses Optimums nie als medizinischen Eingliederungsmassnahmen zugänglichen Folgezustand im Sinn des
Art. 2 Abs. 1 IVV
betrachtet. Dies gilt insbesondere auch für Lähmungsfolgen. Nach
Art. 2 Abs. 2 IVV
sind bei Lähmungen und andern motorischen Funktionsausfällen medizinische Massnahmen von dem Zeitpunkt an zu gewähren, in dem nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft im allgemeinen die Behandlung des ursächlichen Gesundheitsschadens als abgeschlossen gilt oder untergeordnete Bedeutung erlangt hat. Im Unterschied zu der bis Ende 1967 gültig gewesenen Regelung, welche als medizinische Massnahmen zu Lasten der Invalidenversicherung einmalige oder während begrenzter Zeit wiederholte Vorkehren anerkannte, fehlt jetzt eine nähere Umschreibung der Leistungsdauer. Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich jedoch, dass bei Lähmungen medizinische Massnahmen, insbesondere auch solche physiotherapeutischer Natur, so lange zu gewähren sind, bis der Zustand wesentlicher und dauerhafter Verbesserung der Erwerbsfähigkeit eingetreten ist. Medizinischen Vorkehren, deren Erfolg nicht dauerhaft ist und die der steten Wiederholung bedürfen, um das erreichte Optimum vor einem Nachlassen zu
BGE 97 V 45 S. 49
bewahren, fehlt der überwiegende Eingliederungscharakter. In diesem Sinn ist Rz. 974 der IV-Mitteilungen Nr. 122 des Bundesamtes (vgl. auch ZAK 1970 S. 267), wonach gestützt auf die Rechtsprechung im Fall Münger fortgesetzte oder periodisch wiederholte physiotherapeutische Massnahmen in Lähmungsfällen nicht gewährt werden dürfen, zu berichtigen.
2.
Den zahlreichen Arztberichten ... kann entnommen werden, dass die seit 1964 von der Invalidenversicherung gewährten physiotherapeutischen Massnahmen die Funktionstüchtigkeit der noch gelähmten linksseitigen Extremitäten des Franz Ursprung stetig verbesserten. Im März 1965 teilte der behandelnde Arzt der Invalidenversicherungs-Kommission mit, die bisherigen Vorkehren zur Eingliederung seien bemerkenswert erfolgreich gewesen. Die Arbeitsfähigkeit und damit die Verdienstmöglichkeiten des Versicherten seien durch den Einsatz im Aussendienst gesteigert worden. Nach der im Juni 1965 durchgeführten Badekur berichtete das Lähmungsinstitut dem behandelnden Arzt, der Beschwerdegegner habe mit einer bedeutend weniger spastischen Hand entlassen werden können. Die Arbeitgeberfirma äusserte sich im Oktober 1965 gegenüber der Invalidenversicherungs-Kommission dahin, dass die Tätigkeit im Aussendienst von bisher zwei bis drei Tagen auf drei bis vier Tage habe ausgedehnt werden können. "In Anbetracht der Tatsache, dass der Endzustand immer noch nicht erreicht ist, der Patient aber voll arbeitet", schlug der Chefarzt des Lähmungsinstitutes im August 1965 dem behandelnden Arzt vor, 1967 und 1968 nochmals eine Badekur zu verordnen, um einerseits "eine Zäsur in der beruflichen Belastung zu schaffen und andererseits um die noch mögliche Funktionsverbesserung jeweils zu realisieren". Im Jahre 1968 begab sich der Versicherte dann zu einer weitern Badekur nach Leukerbad.
Auf Anfrage hin liess sich nun der Chefarzt des Lähmungsinstitutes gegenüber der Rekurskommission im Dezember 1968 wie folgt vernehmen: Durch die Therapie in Leukerbad und die ambulante heilgymnastische Behandlung habe der Zustand des Invaliden in den letzten Jahren deutlich verbessert werden können. Die Erwerbsfähigkeit könne aber nur aufrechterhalten werden, wenn die auch heute noch als mittel bis schwer zu bewertende Behinderung regelmässig behandelt werde. Dadurch lasse sich der Lähmungszustand aber nur noch relativ wenig beeinflussen. Anderseits könne mit ziemlich grosser Sicherheit
BGE 97 V 45 S. 50
verhindert werden, dass sich der Zustand allmählich wieder derart verschlimmere, dass der Versicherte seine Arbeit nicht mehr auszuüben vermöchte. Liesse man nämlich Franz Ursprung ohne jegliche Behandlung, so verschlimmerte sich sein Zustand in verhältnismässig kurzer Zeit bis zum Verlust der Arbeitsfähigkeit. Damit stimmen die eigenen Äusserungen des Versicherten in der vorinstanzlichen Beschwerde überein. - Dies bedeutet, dass die bisherigen physiotherapeutischen Vorkehren den Zustand des Beschwerdegegners bereits optimal verbessert haben und eine Fortsetzung dieser Behandlungen lediglich dazu dienen könnte, den heutigen Zustand im Gleichgewicht zu halten und dadurch einen Rückfall in die Labilität zu verhindern. Die vom Beschwerdegegner verlangten Vorkehren fallen daher nicht unter
Art. 12 Abs. 1 IVG
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der Rekurskommission des Kantons Zug vom 5. Juni 1970 aufgehoben und die Kassenverfügung vom 23. Dezember 1969 wiederhergestellt. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b167e08b-116b-47d4-a840-ad37ecf29bd0 | Urteilskopf
99 II 125
18. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 18 avril 1973 dans la cause T. contre Y. | Regeste
Art. 46 und 47 Abs. 1 OG
.
Berechnung des Streitwertes bei Vereinigung verschiedener Rechtsbegehren im kantonalen Verfahren, wovon nur einige vor Bundesgericht noch streitig sind. Die nicht mehr streitigen werden mit den noch streitigen Ansprüchen nur dann zusammengerechnet, wenn sie miteinander zusammenhangen (Bestätigung der Rechtssprechung). | Sachverhalt
ab Seite 126
BGE 99 II 125 S. 126
A.-
La société anonyme T., à Sion, a érigé à H. un vaste ensemble immobilier, soumis au régime de la propriété par étages. Elle a eu recours aux services de deux notaires, Me X. et Me Y. A fin 1969, le premier a prétendu être le mandataire exclusif de T. et s'est refusé à tout partage d'honoraires. Attaqué par Me Y. devant la Chambre de surveillance des notaires, il a produit une lettre du 23 février 1970 de T. où cette société déclarait qu'il était son unique mandataire pour les affaires traitées à H.
B.-
Me Y. a ouvert action contre T. en paiement de 12 875 fr. 10 à titre d'honoraires et de 5000 fr. pour réparation du tort moral qu'il avait subi du fait de la lettre du 23 février 1970.
Statuant le 15 novembre 1972, le Tribunal cantonal valaisan a condamné la défenderesse à payer 6775 fr. 10 avec intérêt à 5% dès le 3 juin 1970. Ce montant comprend 4275 fr. 10 d'honoraires et 2500 fr. d'indemnité pour tort moral. Le Tribunal cantonal a mis les frais de procédure et de jugement par 2/3 à la charge de la défenderesse et par 1/3 à la charge du demandeur.
C.-
T. recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut au rejet total de la demande en indemnité pour tort moral et à ce que les frais de première instance soient mis pour 2/3 à la charge du demandeur et pour 1/3 à sa charge.
L'intimé conclut à l'irrecevabilité, subsidiairement au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral déclare le recours irrecevable.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recours en réforme est recevable si les droits contestés en dernière instance cantonale atteignent une valeur d'au moins 8000 fr. (art. 46 OJ). Aux termes de l'art. 47 al. 1 OJ, les divers chefs de conclusions formés par le demandeur sont additionnés s'ils ne s'excluent pas, même lorsqu'ils portent sur des objets distincts. Le Tribunal fédéral admet donc la recevabilité du recours en réforme en cas de cumul objectif d'actions
BGE 99 II 125 S. 127
si les prétentions litigieuses atteignent ensemble la valeur prescrite; peu importe qu'elles soient connexes ou non, pourvu qu'elles fassent l'objet d'un seul jugement (RO 78 II 182 s., 89 II 384 s. consid. 6). Selon une jurisprudence constante en revanche, les divers chefs de conclusions réunis en instance cantonale, mais dont certains seulement sont encore litigieux devant le Tribunal fédéral, ne s'additionnent pas lorsqu'ils ne sont pas connexes, mais qu'ils reposent sur des causes juridiques différentes; le recours n'est ainsi recevable en pareil cas que si les prétentions soumises à la juridiction de réforme atteignent à elles seules le montant prescrit (RO 35 II 711, 61 II 196, 65 II 48, 71 II 182 s.). Cette jurisprudence, instaurée sous le régime de l'ancienne organisation judiciaire, vaut aussi pour la nouvelle (RO 71 II 183; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 156). Dans le même sens, le Tribunal fédéral a déclaré recevable le recours en réforme sur un chef de conclusions de nature pécuniaire d'une valeur litigieuse inférieure au minimum de l'art. 46 OJ, à condition toutefois que le recours porte aussi sur la prétention non pécuniaire litigieuse dans le même procès (RO 78 II 291, 80 II 30).
Cette jurisprudence, critiquée par WURZBURGER (Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, thèse Lausanne 1964, p. 153), doit être maintenue. La jonction de prétentions non connexes est une facilité accordée au demandeur, commandée par des raisons d'économie procédurale. Elle irait au-delà de son but si elle devait avoir pour conséquence de fonder la compétence du Tribunal fédéral pour des causes non susceptibles d'être portées devant lui, alors que le motif de simplification pour lequel elle a été introduite a disparu par l'entrée en force du jugement cantonal sur certaines de ces prétentions (RO 61 II 196). Le Tribunal fédéral n'a pas à tenir compte de chefs de conclusions définitivement tranchés, ni d'une jonction qui n'existe plus.
En l'èspèce, le demandeur faisait valoir en instance cantonale une prétention pour tort moral de 5000 fr., montant inférieur à la valeur litigieuse minimale prescrite par l'art. 46 OJ. La recevabilité du recours dépend dès lors de la connexité de cette prétention avec celle qui tendait au paiement d'honoraires et qui n'est plus litigieuse. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b16c8e92-0124-4522-ab87-b0b8d3a98f5c | Urteilskopf
116 II 145
27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. April 1990 i.S. K. gegen W. AG (Berufung) | Regeste
Arbeitsvertrag: Rückruf von einem Auslandeinsatz; fristlose Auflösung; Kündigungsfrist.
- Wird ein Arbeitnehmer aufgrund eines vertraglichen Rückrufsrechtes des Arbeitgebers vorzeitig von einem Auslandeinsatz zurückgerufen, so entfällt sein Anspruch auf Zusatzleistungen des Arbeitgebers, die nur für die Dauer des Auslandeinsatzes vereinbart waren (E. 5).
- Fristlose Auflösung des Arbeitsvertrages aus wichtigen Gründen (Art. 337 aOR). Setzt der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund, wenn er eine unrichtige Spesenabrechnung abliefert? (E. 6).
- Verbot unterschiedlicher Kündigungsfristen (Art. 336 Abs. 2 aOR). Ein Verstoss dagegen liegt auch vor, wenn die in einer bestimmten Situation geltende Kündigungsfrist zwar für beide Parteien gleich lang ist, aber nur einer Partei das Recht zusteht, die Situation herbeizuführen, welche die Anwendbarkeit dieser Kündigungsfrist begründet, während sonst eine andere Frist oder eine feste Dauer des Vertragsverhältnisses gilt (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 116 II 145 S. 146
A.-
Am 25. März 1983 schloss K. mit der W. AG einen Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit, beginnend am 1. Juli 1983, der durch einen "individuellen Auslandvertrag" ergänzt wurde. Diese Zusatzvereinbarung, die einen Arbeitseinsatz im Irak vorsah, sollte für die Zeit vom 17. Januar 1984 bis 16. Januar 1987 gelten. Im Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit wurde ein monatlicher Grundlohn von Fr. 3'700.-- vereinbart. Im individuellen Auslandvertrag verpflichtete sich die Arbeitgeberin zu einer Reihe zusätzlicher Leistungen, worunter eine Pauschalentschädigung von SFr. 30.-- + 18'700.-- irakische Dinar pro Tag, die Stellung einer geeigneten Unterkunft sowie die Übernahme der Reisekosten für den Arbeitnehmer und seine Familie.
K. reiste im Januar 1984 mit seiner Familie in den Irak und übte dort die Funktion eines Experten "Progress Control" aus. Mit Schreiben vom 29. Juli 1985 ordnete die Arbeitgeberin aus geschäftlichen Gründen seine Rückkehr per 31. Dezember 1985 an. K. protestierte dagegen mit Schreiben vom 1. Oktober und vom 15. November 1985 unter Hinweis auf die Geltung des individuellen Auslandvertrages bis 16. Januar 1987. Im Dezember 1985 kehrte er mit seiner Familie aus dem Irak zurück. Am 3. Februar 1986 wurde er fristlos entlassen.
B.-
Mit Klage vom 2. September 1986 machte K. beim Arbeitsgericht Zürich gegenüber der W. AG eine Forderung von Fr. 102'152.95 geltend, die den Grundlohn für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 17. Januar 1987, einen Teil der im individuellen Auslandvertrag vorgesehenen Zusatzleistungen für den genannten Zeitraum sowie verschiedene Schadenersatzansprüche und eine Genugtuung umfasste. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit Urteil vom 3. August 1987 ab. Für die Zeit bis 3. Februar 1986 ging es davon aus, dass der Kläger nur Anspruch auf den Grundlohn gemäss dem Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit habe,
BGE 116 II 145 S. 147
welchen Betrag die Beklagte bereits beglichen habe. Ansprüche für die Zeit nach dem 3. Februar 1986 verneinte das Gericht, da es die fristlose Entlassung für begründet erachtete. Auf Berufung des Klägers bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich dieses Urteil am 19. September 1988.
C.-
Das Bundesgericht weist die Streitsache in teilweiser Gutheissung der vom Kläger eingelegten eidgenössischen Berufung zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Grundlage der streitigen Ansprüche sind die gesetzlichen Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (
Art. 334 ff. OR
), welche auf den 1. Januar 1989 teilrevidiert worden sind. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien am 3. Februar 1986 endete, ist auf den vorliegenden Fall noch die alte Fassung dieser Bestimmungen anwendbar (
Art. 1 SchlT ZGB
).
5.
Der Kläger rügt, dass ihm die Vorinstanz für die Zeit vom 1. Januar bis 3. Februar 1986 lediglich einen Lohnanspruch gemäss dem Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit mit einem Grundlohn von monatlich Fr. 3'860.-- zugestanden, einen Anspruch auf die zusätzlichen Leistungen gemäss dem individuellen Auslandvertrag dagegen verneint hat.
a) Der Kläger anerkennt zwar, dass die Beklagte berechtigt war, ihn auch während der Dauer des individuellen Auslandvertrages von seinem Einsatz im Irak zurückzubeordern. Er stellt sich jedoch auf den Standpunkt, die Beklagte hätte den individuellen Auslandvertrag mit einer festen Vertragsdauer bis 16. Januar 1987 nicht auf einen früheren Termin kündigen dürfen. Die Beklagte kann sich für die Kündigung auf Ziffer 5.5 des betriebsinternen Reglementes für langfristige Auslandaufenthalte stützen, wo bestimmt wird, dass der Auslandvertrag mit dem Angestellten zu beenden oder durch einen neuen zu ersetzen sei, wenn die Rückkehr an den Bestimmungsort zeitlich nicht absehbar oder gar nicht mehr vorgesehen sei. Ob damit hinsichtlich des Zusatzvertrages ein gemäss Art. 336 Abs. 2 aOR unzulässiges einseitiges Kündigungsrecht zugunsten der Arbeitgeberin begründet worden ist, wie dies der Kläger behauptet, kann offen bleiben, wenn die im Auslandvertrag vorgesehenen zusätzlichen Leistungen auch nach diesem selbst nur während der Dauer des Einsatzes im Ausland geschuldet sind.
BGE 116 II 145 S. 148
b) Für die Beurteilung der Lohnansprüche des Klägers nach der Rückkehr aus dem Irak ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass der Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit vom 25. März 1983, der individuelle Auslandvertrag und das Reglement für langfristige Auslandsaufenthalte insgesamt die zwischen den Parteien vereinbarte Regelung des Arbeitsverhältnisses darstellen. In Auslegung dieser Vereinbarungen ist das Obergericht zum Ergebnis gelangt, dass sich die finanziellen Ansprüche des Klägers nach dem Arbeitsort richteten und die im individuellen Auslandvertrag festgelegten zusätzlichen Leistungen nur zu erbringen waren, wenn und solange der Kläger am ausländischen Arbeitsort tätig war.
Der Kläger bringt in seiner Berufung nichts vor, was diese Vertragsauslegung als bundesrechtswidrig erscheinen liesse. Die so ausgelegten Vereinbarungen der Parteien berühren die Lohnzahlungspflicht der Beklagten als solche nicht.
Art. 324 OR
verbietet entgegen der Meinung des Klägers nicht zu vereinbaren, dass bei Rückberufungen auch aus geschäftlichen Gründen, welche dem Unternehmerrisiko zuzurechnen sind, für die Zeit ohne Einsatz im Ausland bestimmte Zulagen und Zusatzleistungen wegfallen. Eine solche Regelung ist vielmehr sachgerecht und gedeckt durch die Freiheit der Parteien bei der Festsetzung des Lohnes. Das Obergericht hat dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 3. Februar 1986 somit zurecht nur die Lohnansprüche gemäss dem Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit zugestanden.
c) Daran vermögen auch die weiteren Vorbringen des Klägers nichts zu ändern:
aa) Unerheblich ist der Hinweis des Klägers, ein Arbeitseinsatz in der Schweiz wäre schon aus fremdenpolizeilichen Gründen nicht möglich gewesen. Daraus lässt sich nicht ableiten, der Kläger hätte ohne Arbeitseinsatz im Ausland Anspruch auf die Zusatzleistungen, welche nur für die Zeit des Auslandeinsatzes vereinbart worden sind.
bb) Das angefochtene Urteil enthält keine tatsächlichen Feststellungen, aus welchen sich eine arglistige Irreführung des Klägers hinsichtlich der Dauer seines Arbeitseinsatzes im Irak ergeben würde. Auch wenn die Beklagte den Kläger nicht über die mit ihrem Kunden vereinbarte Anpassungsklausel über die Dauer des "progress-controlling" orientiert haben sollte, könnte ihr deswegen noch nicht die Verletzung einer ihr obliegenden Aufklärungspflicht vorgeworfen werden. Selbst ohne den Bestand einer solchen Anpassungsklausel musste der Kläger damit
BGE 116 II 145 S. 149
rechnen, dass der Arbeitseinsatz in einem Land, das wie der Irak seit Jahren in kriegerische Ereignisse verwickelt war, allenfalls aus irgendeinem äusseren Anlass vorzeitig abgebrochen werden müsse.
cc) Der Einwand der Übervorteilung scheitert schon an der Nichteinhaltung der Jahresfrist gemäss
Art. 21 OR
.
dd) Inwiefern die getroffene Vereinbarung sittenwidrig sein soll, wie dies der Kläger in allgemeiner Form behauptet, wird in der Berufung nicht im einzelnen dargelegt (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
) und ist auch nicht ersichtlich.
6.
Für die Zeit ab 3. Februar 1986 hat die Vorinstanz jegliche Lohnansprüche des Klägers verneint, da sie dessen fristlose Entlassung als begründet erachtete. Gemäss ihren Feststellungen hat der Kläger am 14. Januar 1986 der Beklagten verschiedene Belege für Spesen im Zusammenhang mit einer geschäftlichen Besprechung vom 7. Januar 1986 in Zürich eingereicht, worunter eine Rechnung eines Restaurants in Horgen im Betrag von Fr. 180.-- für zwei Übernachtungen mit Frühstück; weder der Kläger noch seine Familie habe jedoch in diesem Restaurant übernachtet, da dort gar keine Übernachtungsmöglichkeit bestehe. Ausserdem habe der Kläger für die Fahrt von seinem vorübergehenden Aufenthaltsort in Deutschland nach Zürich und zurück eine überhöhte Zahl von Fahrkilometern angegeben. Dieses Verhalten wertete das Obergericht als krasse Unredlichkeit, welche die fristlose Entlassung als gerechtfertigt erscheinen lasse.
a) Ein Arbeitsverhältnis darf nur dann fristlos gekündigt werden, wenn seine Fortsetzung dem Kündigenden nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (Art. 337 Abs. 1 und 2 aOR). Ob ein wichtiger Grund in diesem Sinne vorliegt, entscheidet der Richter nach seinem Ermessen (Art. 337 Abs. 3 aOR). Gemäss
Art. 4 ZGB
hat er dabei seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit zu treffen. Eine solche Billigkeitsscheidung verlangt, dass alle wesentlichen Besonderheiten des konkreten Falles beachtet werden. Das Bundesgericht überprüft die Ausübung richterlichen Ermessens durch die letzte kantonale Instanz zwar nur mit Zurückhaltung; es schreitet jedoch dann eine, wenn grundlos von den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgegangen wird, wenn Tatsachen berücksichtigt werden, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn umgekehrt Umstände ausser Betracht geblieben sind, die zwingend hätten beachtet werden müssen (
BGE 115 II 32
E. 1b mit Hinweisen).
BGE 116 II 145 S. 150
Eine fristlose Entlassung ist nach der Rechtsprechung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt, welche einerseits objektiv geeignet sind, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist, und die anderseits auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (
BGE 112 II 50
E. 3a;
BGE 97 II 145
f. je mit Hinweisen). Ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Pflichtverletzungen die erforderliche Schwere erreichen, entscheidet sich dabei nicht allgemein, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Stellung und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie von der Natur und Dauer des Vertragsverhältnisses (BGE
BGE 104 II 29
mit Hinweisen).
b) Dass der Kläger im Zusammenhang mit der Besprechung vom 7. Januar 1986 in der Gegend von Zürich übernachten musste, ist unbestritten; ebenso die Tatsache, dass er dafür von seinem Aufenthaltsort in Deutschland anfahren musste und ihm damit Fahrtspesen erwachsen sind. Die Vorinstanz hält für unerheblich, wie stark die Anzahl der vom Kläger angegebenen Kilometer von der effektiven Länge der Wegstrecke abgewichen sei und ob der Kläger den angegebenen Betrag für die Übernachtung an einem anderen Ort als in dem Restaurant, das die Quittung ausgestellt hat, tatsächlich bezahlt habe. Mit der Angabe der Kilometerzahl habe er den Anschein erweckt, die Strecke gemessen zu haben, mit der Quittung des Restaurants jenen, dort übernachtet zu haben, was jedoch beides nicht der Fall gewesen sei. Damit habe er das Vertrauen der Beklagten in seine Korrektheit in massgeblicher Weise erschüttert.
Vom Arbeitgeber zu vergüten sind gemäss
Art. 327a OR
unter Vorbehalt anderer Vereinbarung nur die effektiven Spesen; der Arbeitnehmer soll durch den Spesenersatz nicht entlöhnt werden (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 7 zu
Art. 327a OR
). Da an den Nachweis der zu ersetzenden Auslagen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden können (a.a.O., N. 9 zu
Art. 327a OR
), muss sich der Arbeitgeber gerade dabei auf die Korrektheit des Arbeitnehmers verlassen können. Die Handlungsweise des Klägers war deshalb grundsätzlich geeignet, das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu beeinträchtigen. Ob die angegebene Zahl
BGE 116 II 145 S. 151
von 1050 km gerade den Eindruck einer besonderen Genauigkeit erweckte, mag allerdings bezweifelt werden.
Die vorliegende Situation unterscheidet sich jedoch erheblich vom Fall in
BGE 101 Ia 545
ff., auf welchen sich das Arbeitsgericht berufen hat. Dort hatte ein Chauffeur, der das Entgelt für ausgeführte Fahrten direkt bei den Kunden einzuziehen hatte, auf der dem Arbeitgeber abgegebenen Rechnungskopie einen zu tiefen Betrag vermerkt und den darüber hinaus vom Kunden einkassierten Betrag für sich behalten. Das Bundesgericht hat betont, dass sich ein Arbeitgeber in besonderem Masse auf die absolute Redlichkeit eines Arbeitnehmers müsse verlassen können, wenn dieser in direktem Kontakt mit den Kunden stehe und dabei die Forderungen des Arbeitgebers bei diesem direkt einzuziehen habe (a.a.O., S. 549). Vergleichbare Umstände weist der vorliegende Fall nicht auf. Zur beruflichen Tätigkeit des Klägers als Experte "Progress Control" gehörte keinerlei Abwicklung finanzieller Angelegenheiten mit den Geschäftspartnern der Arbeitgeberin. Gemäss dem individuellen Auslandvertrag war zudem für Spesen bei einem Auslandaufenthalt gerade nicht ein Ersatz nach effektivem Aufwand, sondern nach pauschalen Ansätzen vorgesehen. Die Abrechnung nach Aufwand für Autofahrtspesen und auswärtige Unterkunft im Zusammenhang mit der Besprechung vom 7. Januar 1986 in Zürich stellte somit im Rahmen des ganzen Arbeitsverhältnisses ein isoliertes Ereignis dar, welches sich nicht jederzeit oder zumindest nicht häufig wiederholen konnte. Die dabei vom Kläger begangene Unkorrektheit konnte daher für sich allein nicht genügen, seine fristlose Entlassung ohne vorangegangene Verwarnung zu rechtfertigen.
Die Wertung dieses einmaligen Vorkommnisses durch die Vorinstanz lässt im übrigen auch die besondere Situation ausser Betracht, in welcher sich der Kläger damals aufgrund der vorzeitigen Rückberufung aus dem Ausland befunden hat. Nach seiner im obergerichtlichen Urteil wiedergegebenen Sachdarstellung war ihm bei der Besprechung vom 7. Januar 1986 anfänglich zugesichert worden, dass die pauschalen Tagesentschädigungen in Schweizer Franken und in irakischen Dinar auch während der Zeit ohne Auslandeinsatz ausgerichtet würden; erst bei einer telefonischen Besprechung vom 13. Januar 1986 seien diese mündlichen Zusagen seitens der Beklagten geleugnet und im Zusammenhang mit der Besprechung in Zürich eine Spesenabrechnung nach effektivem Aufwand verlangt worden. Solche Umstände hätten zu einer
BGE 116 II 145 S. 152
milderen Beurteilung des Verhaltens des Klägers führen müssen, so dass die Vorinstanz sie jedenfalls nicht ohne nähere Abklärung als unerheblich hätte beiseite schieben dürfen. Schliesslich ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte dem Kläger zuvor in ihrem Schreiben vom 19. September 1985 in Aussicht gestellt hatte, sie werde den Ausland- und den Arbeitsvertrag durch Kündigung auflösen, wenn sie ihm nach seiner Rückkehr aus dem Irak keinen Arbeitsplatz anbieten könne. Eine solche Kündigung auf einen Zeitpunkt vor dem 16. Januar 1987 wäre indessen rechtlich unzulässig gewesen (E. 7 hienach).
Entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen lagen somit keine Umstände vor, welche die Fortsetzung des konkreten Arbeitsverhältnisses für die Beklagte unzumutbar gemacht hätten. Die von ihr am 3. Februar 1986 ausgesprochene fristlose Entlassung war somit ungerechtfertigt, was zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen muss.
7.
Entlässt der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer fristlos ohne wichtigen Grund, so hat dieser gemäss Art. 337c aOR Anspruch auf den Lohn für die bestimmte Vertragszeit oder für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sowie auf Ersatz der aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Vorteile, wobei er sich auf diese Forderungen allerdings anrechnen lassen muss, was er wegen der Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart und was er durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat. Für die Beurteilung der Ansprüche des Klägers stellt sich daher die Frage, ob für sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten auch nach seiner Rückberufung aus dem Irak die feste Vertragsdauer bis 16. Januar 1987 gemäss dem individuellen Auslandvertrag gegolten hat oder ob die Beklagte gemäss dem Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten per Ende Mai 1986 hätte kündigen können.
a) Gemäss Art. 336 Abs. 2 aOR dürfen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine verschiedenen Kündigungsfristen festgesetzt werden; bei widersprechender Abrede gilt für beide die längere Frist. Unerheblich ist dabei, ob die Abreden über die Kündigungsmöglichkeiten der Parteien gleichzeitig oder nacheinander in verschiedenen Vereinbarungen getroffen werden.
Unterschiedliche Kündigungsfristen liegen gemäss
BGE 108 II 115
ff. auch vor, wenn die in einer bestimmten Situation geltende Kündigungsfrist zwar für beide Parteien gleich lang ist, jedoch nur einer Partei das Recht zusteht, die Situation herbeizuführen,
BGE 116 II 145 S. 153
welche die Anwendbarkeit dieser Kündigungsfrist begründet, während sonst eine andere Frist oder eine feste Dauer des Vertragsverhältnisses gilt. In jenem Fall ging es ebenfalls um den Auslandeinsatz eines Arbeitnehmers, für welchen die Parteien eine feste Vertragsdauer von zwei Jahren vereinbart hatten mit dem einseitigen Recht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer jederzeit zurückzurufen, worauf dann beidseits eine Kündigungsmöglichkeit auf drei Monate bestehen sollte.
b) Genau gleich verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Kläger war durch den individuellen Auslandvertrag an eine feste Vertragsdauer bis 16. Januar 1987 gebunden. Gemäss dessen Ziffer 2.2.2.a lag es indessen im alleinigen Ermessen der Beklagten, aus geschäftlichen Gründen eine vorzeitige Rückkehr des Klägers von seinem Arbeitseinsatz im Irak anzuordnen. Wenn ab dem Zeitpunkt einer solchen Rückkehr die Kündigungsmöglichkeit auf drei Monate gemäss dem Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit gegolten hätte, hätte die Beklagte das Vertragsverhältnis nach freiem Ermessen vor dem Ablauf der vereinbarten festen Dauer auflösen können, während der Kläger keine Möglichkeit gehabt hätte, durch eigenen Willensentschluss die Anwendbarkeit der dreimonatigen Kündigungsfrist herbeizuführen. Das aber wäre mit Art. 336 Abs. 2 aOR nicht zu vereinbaren gewesen. Die feste Vertragsdauer bis 16. Januar 1987 blieb daher bestehen, obwohl die Beklagte von ihrem Rückrufsrecht Gebrauch gemacht hatte. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b16fc678-d9d7-4f98-bbcc-36843c31c154 | Urteilskopf
125 V 324
51. Urteil vom 2. Juni 1999 i.S. "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft gegen Z. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 77 UVG
;
Art. 100 Abs. 3 UVV
: Leistungspflicht bei erneutem Unfall. Welcher Unfallversicherer nach einem erneuten Unfall leistungspflichtig ist, hängt gemäss dem klaren Verordnungswortlaut in
Art. 100 Abs. 3 UVV
von der Beantwortung der Frage ab, ob eine Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten ist; unerheblich ist demgegenüber, ob die zusätzliche durch den zweiten Unfall begründete Invalidität die aus dem ersten Unfall resultierende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit übersteigt.
Art. 78a UVG
;
Art. 128 OG
: Rechtsweg bei Streitigkeit unter Versicherern über deren Zuständigkeit. Die in
Art. 78a UVG
vorgesehene bundesamtliche Verfügungszuständigkeit schliesst nicht aus, dass der Unfallversicherer seine Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten unter Hinweis auf die seiner Ansicht nach fehlende Zuständigkeit mit Verfügung und Einspracheentscheid verneint. | Sachverhalt
ab Seite 325
BGE 125 V 324 S. 325
A.-
a) Z. hatte am 20. April 1975 eine Unterschenkelfraktur mit Beteiligung des Knies erlitten, für deren Folgen die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) aufkam und insbesondere mit Verfügung vom 29. Juni 1979 eine Invalidenrente von 10% zusprach. Ab Juni 1992 war Z. (aus anderen Gründen) vollständig und andauernd arbeitsunfähig, weshalb ihm die Eidg. Invalidenversicherung mit Wirkung ab Juni 1993 unter der Annahme eines Invaliditätsgrades von 100% eine ganze Invalidenrente zusprach.
Am 6. Oktober 1994, als er von der SUVA auf der Grundlage einer - zufolge Verschlimmerung der Beinverletzung - seit 5. April 1994 auf 5% erhöhten unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ein entsprechendes Taggeld erhielt, stürzte Z. im Bahnhof X die Rolltreppe hinunter, wobei er sich eine komplizierte rechtsseitige Oberarmfraktur zuzog. Da er damals im Rahmen eines Beschäftigungsprogrammes gearbeitet hatte und auf Grund der damit verbundenen unselbstständigen Erwerbstätigkeit erneut obligatorisch unfallversichert war, und zwar bei der "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Winterthur), kam dieser Unfallversicherer für die Unfallpflege (Operation der Fraktur usw.) auf. Die beiden Versicherer kamen überein, je ein hälftiges Taggeld auszurichten. In der Folge unterzog sich Z. einer Operation wegen rezidivierender Bursitis am linken Ellenbogen, welcher Eingriff vom 20. Januar 1995 zu Lasten der SWICA-Krankenkasse ging, und am 7. Juli 1995 einer Knieoperation, für welche - da Folge des Unfalles vom 20. April 1975 - die SUVA aufkam.
Im Frühjahr 1997 prüfte die SUVA den Fallabschluss. Sie erklärte sich am 6. März 1997 zwar bereit, wegen der Verschlimmerung der Folgen des ersten Unfalles vom 20. April 1975 ein 50%iges Taggeld bis zum Fallabschluss am
BGE 125 V 324 S. 326
31. März 1997 auszubezahlen; da jedoch beide Unfälle die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten, müsse nachher die Winterthur für den Gesamtschaden aufkommen. Die SUVA erliess am 8. Januar 1998 eine Verfügung, mit welcher sie den Anspruch auf jegliche weiteren Leistungen unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Winterthur ablehnte. Hiegegen erhob der Versicherte vorsorglich Einsprache. Die SUVA hält dieses Einspracheverfahren formlos pendent.
b) Die Winterthur ihrerseits sprach zwar für die Folgen des Unfalles vom 6. Oktober 1994 eine Integritätsentschädigung von 15% zu, lehnte jedoch sämtliche weiteren Leistungspflichten bezüglich Krankenpflege (nach dem 31. Mai 1997), Taggeld (nach dem 31. Januar 1996) und Invalidenrente (generell) ab (Verfügung vom 27. Juni 1997). Auf Einsprache der SUVA und des Versicherten hin erliess die Winterthur am 21. November 1997 einen ablehnenden Einspracheentscheid.
B.-
Gegen diesen Einspracheentscheid erhob Z. Beschwerde an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich. Nach Einholung einer ablehnenden Vernehmlassung der Winterthur und der Beiladung der SUVA ins Verfahren hiess das Sozialversicherungsgericht die Beschwerde in dem Sinne gut, dass es den Einspracheentscheid vom 21. November 1997 aufhob und die Sache an die Winterthur zurückwies, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre (Entscheid vom 5. November 1998).
C.-
Die Winterthur führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren auf Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides, verbunden mit der Feststellung, dass sie Z. keine Leistungen aus der obligatorischen Unfallversicherung zu erbringen habe.
Z. antwortet mit dem Rechtsbegehren, es sei, unter Aufhebung des Einspracheentscheides vom 21. November 1997 und des kantonalen Gerichtsentscheides vom 5. November 1998, festzustellen, dass die Winterthur "für die Folgen des Unfalles vom 20. April 1975 respektive des Rückfalles des Jahres 1994 sowie des Unfalles vom 6. Oktober 1994 allein leistungspflichtig" sei.
Die SUVA verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ist der Einspracheentscheid vom 21. November 1997. Darin hat es die Winterthur abgelehnt, ausser der zugesprochenen Integritätsentschädigung weitere
BGE 125 V 324 S. 327
Leistungen gemäss UVG an den Beschwerdegegner zu erbringen. In dem Anfechtungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Entscheid (
BGE 117 V 295
Erw. 2a) hat das kantonale Gericht den Einspracheentscheid aufgehoben und die Leistungspflicht der Winterthur vom Ergebnis von noch vorzunehmenden zusätzlichen Abklärungen abhängig gemacht.
b) Damit handelt es sich vorliegend um einen Streit betreffend die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen im Sinne von
Art. 132 OG
. Die Ordnungsmässigkeit des Einsprache- und vorinstanzlichen Verfahrens, welche rechtsprechungsgemäss von Amtes wegen geprüft wird (RKUV 1998 Nr. U 308 S. 454 Erw. 2a, 1993 Nr. U 175 S. 200 nicht veröffentlichte Erw. 2), ist daher ebenso zu bejahen wie die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (
Art. 128 ff. OG
). Diese scheidet nicht etwa deswegen aus, weil in einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Unfallversicherern, wie er sich hier in der Verfügung der SUVA vom 8. Januar 1998 und der Verfügung vom 27. Juni 1997 sowie dem Einspracheentscheid vom 21. November 1997 der Winterthur manifestiert, das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) nach
Art. 78a UVG
eine Verfügung hätte erlassen können, gegen welche zuerst die Beschwerde an das Eidg. Departement des Innern und danach erst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht offen gestanden hätten (RKUV 1998 Nr. U 312 S. 470). Die bundesamtliche Verfügungszuständigkeit nach
Art. 78a UVG
und der dadurch begründete Rechtsmittelzug kommt nur dann zum Tragen, wenn entweder ein Unfallversicherer, der gegenüber dem andern Unfallversicherer keine Weisungsbefugnis besitzt (
BGE 120 V 489
), oder ein Versicherter das BSV anruft und dieses über die streitige Zuständigkeit verfügungsweise entscheidet. Hingegen schliesst es
Art. 78a UVG
nicht aus, dass der Unfallversicherer gegenüber dem Ansprecher seine Leistungspflicht mit Verfügung und Einspracheentscheid (
Art. 105 UVG
) ablehnt und dies mit der - seiner Auffassung nach fehlenden - Zuständigkeit begründet. Was es hiebei zu beachten gilt, ist der eben erwähnte rechtliche Umstand, dass kein Unfallversicherer gegenüber dem andern die Zuständigkeitsfrage in seinem Sinne hoheitlich zu entscheiden befugt ist. Prozessual wird dem dadurch Rechnung getragen, dass insbesondere solche gestützt auf die angenommene fehlende Zuständigkeit erlassene Ablehnungsverfügungen und Einspracheentscheide nebst dem Versicherten nach
Art. 129 UVV
auch dem konkurrierenden Unfallversicherer zu eröffnen sind, was hier unstreitig geschehen ist.
BGE 125 V 324 S. 328
2.
Wie der Beschwerdegegner selber richtig bemerkt, kennen die Verwaltungsrechtspflegebestimmungen der Art. 97 ff. in Verbindung mit
Art. 128 ff. OG
das Institut der Anschlussbeschwerde nicht (
BGE 124 V 155
Erw. 1). Hingegen halten sich die vom Beschwerdegegner gestellten Anträge, dass nämlich die Winterthur ohne die vorinstanzlich angeordneten Abklärungen als definitiv leistungspflichtig zu erklären sei, im Rahmen des Anfechtungsgegenstandes um die zuständigkeitsrechtlich begründete Leistungspflicht der Winterthur, welche diese bestreitet, wogegen das kantonale Gericht der Auffassung ist, die Kompetenzabgrenzung zwischen Winterthur und SUVA könne im vorliegenden Fall erst nach Durchführung ergänzender Abklärungen beurteilt werden. Der Antrag des Beschwerdegegners ist daher zwar nicht als förmliches Rechtsbegehren jedoch als Vorbringen entgegenzunehmen, welches der Sozialversicherungsrichter im Lichte der weiten Kognition nach
Art. 132 lit. c OG
würdigt.
3.
a) Nach
Art. 77 Abs. 3 lit. b UVG
ordnet der Bundesrat die Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer bei einem erneuten Unfall (...). Gestützt darauf hat der Bundesrat
Art. 100 UVV
(Leistungspflicht bei erneutem Unfall) erlassen:
"1 Wenn der Versicherte erneut verunfallt, während er wegen eines versicherten Unfalles noch behandlungsbedürftig, arbeitsunfähig und versichert ist, so muss der bisher leistungspflichtige Versicherer auch die Leistungen für den neuen Unfall erbringen.
2 Verunfallt der Versicherte während der Heilungsdauer eines oder mehrerer Unfälle, aber nach der Wiederaufnahme einer versicherten Tätigkeit, erneut und löst der neue Unfall Anspruch auf Taggeld aus, so erbringt der für den neuen Unfall leistungspflichtige Versicherer auch die Leistungen für die früheren Unfälle. Die anderen beteiligten Versicherer vergüten ihm diese Leistungen, ohne Teuerungszulagen, nach Massgabe der Verursachung; damit ist ihre Leistungspflicht abgegolten. Die beteiligten Versicherer können untereinander von dieser Regelung abweichende Vereinbarungen treffen, namentlich wenn der neue Unfall wesentlich geringere Folgen hat als der frühere.
3 Erleidet ein aus einem früheren Unfall Rentenberechtigter einen neuen Unfall und führt dieser zu einer Änderung des Invaliditätsgrades, so muss der für den zweiten Unfall leistungspflichtige Versicherer sämtliche Leistungen ausrichten. Der für den ersten Unfall leistungspflichtige Versicherer vergütet dem anderen Versicherer den Betrag, der dem Barwert des Rentenanteils, ohne Teuerungszulagen, aus dem ersten Unfall entspricht.
Damit ist seine Leistungspflicht abgegolten."
Während das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil F. vom 4. Januar 1994 (
BGE 120 V 65
) zur Bedeutung und zum Verhältnis der Absätze 1 und 2 von
Art. 100
BGE 125 V 324 S. 329
UVV
grundsätzlich Stellung genommen hat, geht es vorliegend, soweit ersichtlich zum ersten Mal, um die Tragweite von Absatz 3 und dessen Verhältnis zu Absatz 2 dieser Verordnungsbestimmung.
b) Wie der im Sachverhaltsteil A.- dargestellte Geschehensablauf zeigt, sind Winterthur und SUVA zunächst im Sinne von
Art. 100 Abs. 2 UVV
vorgegangen: Da der Beschwerdegegner am 6. Oktober 1994, als er den zweiten Unfall erlitt, eine neue versicherte Tätigkeit wieder aufgenommen (und ausgeübt) hatte sowie damals von einer aus dem ersten Unfall vom 20. April 1975 resultierenden 50%igen Arbeitsunfähigkeit betroffen war, stand einer Anwendung dieser Bestimmung nichts entgegen. Dass beide Unfallversicherer je ein hälftiges Taggeld erbrachten (statt die Winterthur als für den zweiten Unfall leistungspflichtige Versichererin die Gesamtleistungen), ist in keiner Weise zu beanstanden, sieht doch Art. 100 Abs. 2 dritter Satz ausdrücklich vor, dass die Versicherer eine abweichende Vereinbarung treffen können. Streitig ist nun aber, ob die Anwendung dieser Bestimmung des Abs. 2 durch Abs. 3 von
Art. 100 UVV
zurückgedrängt wird. Dies rührt daher, dass sich auch für den zweiten Unfall vom 6. Oktober 1994 die Frage nach dem Fallabschluss stellt. Hier liegen drei widerstreitende Standpunkte vor:
aa) Beschwerdegegner und SUVA gehen davon aus, dass der zweite bei der Winterthur versicherte Unfall vom 6. Oktober 1994 eine Beeinträchtigung zurücklasse, welche die Erwerbsmöglichkeiten zusätzlich schmälere, woraus eine Änderung des unfallbedingten Invaliditätsgrades, somit eine Erhöhung der bisher von der SUVA gewährten 10%igen Invalidenrente resultiere. Damit sei das massgebliche Tatbestandsmerkmal des Abs. 3 von
Art. 100 UVV
, die Änderung des Invaliditätsgrades, gegeben. Deshalb habe der für den zweiten Unfall leistungspflichtige Versicherer, eben die Winterthur, sämtliche Leistungen auszurichten.
bb) Die beschwerdeführende Winterthur ist dagegen - anders als im Einspracheentscheid und im kantonalen Verfahren, als sie die Anwendung des
Art. 100 Abs. 3 UVV
noch unter Hinweis auf die mit der SUVA getroffene Abmachung und mit dem Fehlen eines durch den zweiten Unfall geänderten Invaliditätsgrades in Abrede stellte - nunmehr der Auffassung,
Art. 100 Abs. 3 UVV
komme von vornherein nicht zur Anwendung, wenn der zweite Unfall einen vollinvaliden Versicherten treffe. Die rechtskräftige Verfügung der Invalidenversicherung vom 18. Oktober 1996 mit Rentenbeginn im Juni 1993
BGE 125 V 324 S. 330
weise aus, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt "des Unfalles vom 6. Oktober 1994 bereits seit über zwei Jahren aus unfallfremden Gründen vollumfänglich erwerbsunfähig gewesen sei und deshalb aus der zusätzlichen unfallbedingten Beeinträchtigung des rechtsseitigen Armes gar keine Änderung des Invaliditätsgrades (habe) resultieren" können, zu welchem Ergebnis auch "die Vornahme des Einkommensvergleichs gemäss
Art. 28 Abs. 3 UVV
(keine verwertbare Leistungsfähigkeit sowohl vor als auch nach dem Unfall)" führe.
cc) Das kantonale Gericht dagegen will zunächst abklären lassen, welche bleibenden Schädigungen aus den Unfällen von 1975 und 1994 resultieren; abklärungsbedürftig seien hier einzig die angeblichen Restfolgen des 1975 erlittenen Schädel-Hirn-Traumas, zu welcher Frage sich eine nochmalige Begutachtung aufdränge. Stünden die unfallbedingten Schäden fest, sei, im Rahmen eines auf realistischen Vorgaben bezüglich der Verweisungstätigkeiten durchzuführenden Einkommensvergleiches, der unfallbedingte Gesamtinvaliditätsgrad zu ermitteln. Schliesslich sei von dieser Gesamtinvalidität eine Ausscheidung danach vorzunehmen, wie sich die Folgen der Unfälle von 1975 und 1994, je gesondert, auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Stehe fest, dass sich die Folgen des Unfalles von 1975 erheblich mehr auf die Erwerbsfähigkeit auswirkten als die Folgen des Unfalles von 1994, habe die SUVA die Gesamtrente festzusetzen, andernfalls die Winterthur.
c) aa) Zunächst ist festzuhalten, dass die eben wiedergegebene vorinstanzliche Schlussfolgerung, welche die Zuweisung zum Versicherer im Rahmen von
Art. 100 Abs. 3 UVV
nach der Schwere der invaliditätsmässigen Folgen vornehmen will, im Verordnungstext keine Grundlage findet. Verlangt ist nach dem klaren Verordnungswortlaut eine Änderung des Invaliditätsgrades, hingegen nicht, dass die zusätzliche durch den zweiten Unfall begründete Invalidität die aus dem ersten Unfall resultierende Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit übersteigt. Die französisch- und italienischsprachigen Texte ergeben nichts anderes.
bb) Dem Standpunkt der beschwerdeführenden Winterthur kann ebenfalls nicht beigepflichtet werden. Dass der Beschwerdegegner eine ganze Rente der Invalidenversicherung auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100% bezieht, heisst keineswegs, dass er nicht noch über eine Resterwerbsfähigkeit verfügte, welche Gegenstand der obligatorischen Unfallversicherung sein könnte, und zwar auch hinsichtlich des Anspruches auf eine Invalidenrente.
BGE 125 V 324 S. 331
Der Bezug einer ganzen Invalidenrente der Invalidenversicherung ist gesetzlich begründet, selbst wenn der Versicherte noch über eine Resterwerbsfähigkeit von bis zu einem Drittel verfügt (
Art. 28 Abs. 1 IVG
). Dass dem Beschwerdegegner in den Rentenverfügungen der Invalidenversicherung ein 100%iger Invaliditätsgrad bescheinigt wurde, ist daher nicht entscheidend für die Beantwortung der Frage nach dem Unfallversicherungsschutz. Davon abgesehen ist die invalidenversicherungsrechtliche Leistungszusprechung für den unfallversicherungsrechtlichen Status nicht präjudiziell. Es kommt nur darauf an, ob es dem Betroffenen - u.U. entgegen der Berentung durch die Invalidenversicherung - nach dem ersten Unfall gelungen ist, wieder eine versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben. Wenn und insoweit ihm dies in zumutbarer Weise gelingt, liegt darin der Beweis, dass er effektiv über eine Resterwerbsfähigkeit verfügt. Der Standpunkt der beschwerdeführenden Winterthur würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, Versicherten in der Lage des Beschwerdegegners den unfallversicherungsrechtlichen Schutz, zumindest in Bezug auf die Invalidenrentenberechtigung, zu versagen, was nach den gesetzlichen Vorgaben nicht angeht. Ob und inwieweit der durch einen ersten Unfall in seiner Erwerbsfähigkeit schon beeinträchtigte Versicherte aus dem zweiten Unfall eine rentenerhöhende Invalidität geltend machen kann, hängt demgegenüber davon ab, ob er im Rahmen von
Art. 28 Abs. 3 UVV
über einen Lohn verfügte, den er auf Grund der vorbestehenden verminderten Leistungsfähigkeit zu erzielen im Stande wäre und den er nun wegen den Auswirkungen des zweiten Unfalles verliert (OMLIN, Die Invalidität in der obligatorischen Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1995, S. 130). Ob dies zutrifft, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Dazu hat zunächst der zuständige Versicherer Stellung zu nehmen.
cc) Damit bleibt zu prüfen, ob bei der gegebenen Aktenlage zuverlässig gesagt werden kann, dass der zweite Unfall zu einer Änderung des bisherigen 10%igen unfallbedingten Invaliditätsgrades führt, was, wie dargetan, Voraussetzung für die Anwendung von
Art. 100 Abs. 3 UVV
ist. Diese Frage ist gestützt auf die bei den Akten liegenden medizinischen Berichte eindeutig zu bejahen. Der Beschwerdegegner ist durch die Restfolgen der am 6. Oktober 1994 erlittenen rechtsseitigen Oberarmfraktur, zusätzlich zu den Folgen des Unfalles vom 20. April 1975, insbesondere den Kniebeschwerden, beeinträchtigt. In welchem Ausmass dies zutrifft, hat nach dem Gesagten die Winterthur zu entscheiden. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b17825f4-de87-4b3e-a2a5-20708fdee5c7 | Urteilskopf
92 I 490
81. Auszug aus dem Urteil vom 4. November 1966 i.S. Ruf und Marias gegen Regierungsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung, BG vom 16. März 1955.
1.
Art. 14 GSchG
;
Art. 104 Abs. 1 OG
: Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht; Beschwerdegründe (Erw. 1).
2.
Art. 3 GSchG
: Rechtsnatur einer Bewilligung, vorgeklärte häusliche Abwässer einem öffentlichen Gewässer zuzuführen; Befristung einer solchen Bewilligung (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 491
BGE 92 I 490 S. 491
A.-
Franz Ruf und Saul Marias erhielten am 17. Januar 1962 vom Gemeinderat Stallikon die Bewilligung, am Mösliweg in Hinter-Buchenegg zwei Einfamilienhäuser zu bauen. Die Baubewilligung enthielt die Auflage, das Abwasser müsse in eine geschlossene Schmutzwassergrube, welche regelmässig zu entleeren sei, eingeleitet werden. Die Häuser wurden Ende Oktober 1962 bezogen. Am 25. August 1962 - also knapp zwei Monate vor dem Bezug der Häuser - schlossen Ruf und Marias mit Landwirt Mosimann einen Vertrag ab. Darnach hätte dieser die Abwasser übernehmen und in eine Jauchegrube auf seiner Liegenschaft einleiten sollen. Am 9. Oktober 1962 erteilte der Gemeinderat Stallikon dem Mosimann eine Bewilligung zum Bau einer überdeckten Jauchegrube. Doch wurde die Jauchegrube in jenem Winter nicht mehr erstellt. Die Abwasser der beiden Häuser ergossen sich auf das offene Feld und verschmutzten das Ried im Tobel südlich der Bucheneggstrasse.
Am 20. März 1963 griff die Baukommission der Gemeinde ein. Sie verlangte eine Verschiebung der Jauchegrube um 2 m, da sie nach dem ursprünglichen Projekt auf die Hauptleitung der gemeindeeigenen Wasserversorgung zu liegen gekommen wäre. Mosimann weigerte sich. Am 6. Mai 1963 wurde die Bewilligung für den Bau der Jauchegrube vom Gemeinderat widerrufen und die Auflage an Ruf und Marias zum Bau der "Jauchegrube Mosimann" "zurückgestellt", bis die Gemeinde über die Erstellung einer biologischen Kläranlage entschieden habe.
BGE 92 I 490 S. 492
Der Gemeinderat kam am 31. Oktober 1963 auf die Sache zurück und beschloss eine "provisorische Verfügung". Darin wurde eine vorläufige Bewilligung zum Bau einer Kläranlage nach den Plänen der Pro Technik erteilt. Gestützt auf diese Bewilligung liessen die beiden Hauseigentümer einen ungedeckten 3-kammerigen Abwasserfaulraum von etwa 60 m3 erstellen sowie eine Leitung, durch welche die vorgeklärten Wasser in einen eingedolten Zufluss des Lettenbaches geleitet werden.
Am 14. November 1963 ersuchte die Gemeinde Stallikon namens der beiden Hauseigentümer die Baudirektion des Kantons Zürich, diese Ableitung in den Lettenbach dauernd zu bewilligen. Die Direktion der öffentlichen Bauten erteilte am 10. April 1964 aber nur eine bis 30. April 1966 befristete Bewilligung. Sie forderte die beiden Hauseigentümer auf, bis zu diesem Zeitpunkt eine geschlossene wasserdichte Jauchegrube ohne Wasserüberlauf zu erstellen und einen Leerungsdienst einzurichten.
B.-
Gegen diese Verfügung rekurrierten Ruf und Marias an den Regierungsrat des Kantons Zürich, wurden aber mit Entscheid vom 24. März 1966 abgewiesen; dagegen erstreckte der Regierungsrat die Frist für den Bau der geschlossenen, wasserdichten Jauchegrube bis zum 31. Oktober 1966. Der Begründung ist zu entnehmen, der Regierungsrat müsse auf Grund der technischen Richtlinien zum Gewässerschutzgesetz auf einer geschlossenen Grube von 120 m3 beharren. Die Gemeinde Stallikon habe zwar am 28. Mai 1964 einen umfassenden Kanalisationsplan eingereicht, der aber vorläufig nicht genehmigt werden könne. In Frage stehe jetzt ein herabgesetztes Projekt, bei dem das Gebiet der Buchenegg abwassertechnisch nicht erschlossen werde. Es werde längere Zeit nicht möglich sein, die Liegenschaften in der Hinter-Buchenegg an das Kanalisationsnetz der Gemeinde anzuschliessen.
C.-
Ruf und Marias fochten diesen Entscheid sowohl beim Bundesgericht als beim Zürcher Verwaltungsgericht an. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ist auf die Beschwerde nicht eingetreten, da die strittigen Fragen ausschliesslich nach Bundesrecht (hier des Gewässerschutzgesetzes) zu beurteilen seien (Entscheid vom 16. Juni 1966).
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht beantragen die Beschwerdeführer, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und ihnen - zeitlich unbefristet - zu erlauben,
BGE 92 I 490 S. 493
die vorgeklärten Abwasser in den Lettenbach einzuleiten. Allenfalls sei ihnen zu bewilligen, die bisherige Grube von 60 m3 zu belassen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, der Entscheid des Regierungsrates sei gesetzwidrig und unangemessen; es wäre eine nicht zu verantwortende Härte, wenn die Familien der Beschwerdeführer ihre Häuser verlassen müssten. Die Hauseigentümer könnten nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Jauchegrube auf dem Grundstück des Mosimann nicht zustande kam. Ein Bauherr müsse sich darauf verlassen können, dass die ursprüngliche Baubewilligung rechtsbeständig bleibe. Die Beschwerdeführer hätten die Vorklärungsanlage in der Erwartung erstellt, dass eine Gemeindekanalisation mit zentraler Kläranlage verwirklicht werde, in die auch ihre Häuser einbezogen worden wären. Ohne ihr Zutun werde dieses Gemeindewerk vorläufig nicht errichtet. Zudem verstosse der Regierungsrat gegen die Rechtsgleichheit; denn Dr. Dinkelacker sei eine Klärgrube von nur 20 m3 bewilligt worden. Hinsichtlich des Eventualantrages erklären die Beschwerdeführer, angesichts der bescheidenen Benützung der beiden Häuser dürften die schon bestehenden Gruben genügen.
D.-
Der Regierungsrat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Sollten in der Gemeinde Stallikon noch Klärgruben bestehen, die nicht den Vorschriften des Kantons entsprechen, so werde die Regierung dafür sorgen, dass die Misstände beseitigt werden. Das Bundesgericht folgt diesem Antrag und weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Nach
Art. 14 GSchG
kann gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz, die in Anwendung dieses Gesetzes ergehen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht eingereicht werden. Ein solcher Entscheid ist der hier angefochtene. Der Regierungsrat hat die bis zum 31. Oktober 1966 befristete Bewilligung, die mechanisch vorgeklärten Abwasser dem Lettenbach zuzuführen, gestützt auf
Art. 3 GSchG
nicht verlängert.
b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht oder sei nicht angemessen (
Art. 104 Abs. 1 OG
,
Art. 14 GSchG
). Der Gerichtshof hat auf entsprechende Rüge - wie
BGE 92 I 490 S. 494
sie hier erhoben wird - frei zu prüfen, ob die kantonale Behörde das Bundesgesetz zutreffend angewendet und von dem ihr zustehenden Ermessen einen richtigen Gebrauch gemacht habe (
BGE 84 I 154
,
BGE 86 I 193
,
BGE 91 I 147
b). Das Bundesgericht könnte deshalb, sofern die Rüge materiell begründet ist, die Befristung einer Bewilligung aufheben oder die Bedingungen für die Einleitung von Abwassern in ein öffentliches Gewässer abändern. Auf die Beschwerde, die innert Frist erhoben worden ist, ist daher einzutreten.
2.
Nach
Art. 3 Abs. 1 GSchG
dürfen Abwässer und andere flüssige oder gasförmige Abgänge jeder Art - u.a. aus Wohn- und Unterkunftsstätten - nur mit Bewilligung des Kantons mittelbar oder unmittelbar in Gewässer eingebracht werden. Diese Bestimmung enthält ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 9. Februar 1954; BBl 1954 I S. 338). Nach dem Sinn des Gesetzes soll die Erlaubnis nur zurückhaltend und unter sichernden Bedingungen erteilt werden. Bei bestehenden Ableitungen sind Massnahmen zu treffen, um Gewässerverunreinigungen zu beheben (
Art. 3 Abs. 3 GSchG
). Für das Einleiten von verunreinigtem Abwasser in die öffentlichen Gewässer und in die Kanäle ist im Kanton Zürich ausser der Bewilligung der Gesundheitsbehörden diejenige der Direktion der öffentlichen Bauten erforderlich (§ 65 des Wasserbaugesetzes vom 15. Dezember 1901, Zürcher Gesetzessammlung Bd. 5 S. 257 ff.).
Geht man hievon aus, so verletzt die Befristung der Bewilligung, die Abwässer in den Lettenbach einzuleiten, das eidgenössische Recht nicht; im Gegenteil, sie entspricht dem vom Gewässerschutzgesetz gewünschten Ausnahmecharakter einer solchen Erlaubnis. Den Akten ist zu entnehmen, dass die kantonalen Behörden die unbefristete Bewilligung aus der Sorge abgelehnt haben, die Zuflüsse der Reppisch möglichst rein zu halten. Richtig ist allerdings, dass die Gemeinde Stallikon am 31. Oktober 1963 der Erstellung eines 60 m3 fassenden Abwasserfaulraumes zustimmte und die Zuführung der vorgeklärten Abwasser in den I-ettenbach erlaubte. Die Bewilligung wurde vom Gemeinderat aber ausdrücklich als vorläufig bezeichnet und konnte dem Entscheid der kantonalen Behörden nicht vorgreifen. Die Erwartung der Beschwerdeführer, dass Gemeindekanalisationen mit einer zentralen Kläranlage errichtet würden
BGE 92 I 490 S. 495
und ihre Häuser angeschlossen werden könnten, war durch keine Zusicherung der allein zuständigen Baudirektion untermauert. Wenn die Baudirektion sich hinterher damit einverstanden erklärte, dass die Abwasser bis zum Bau einer geschlossenen, 120 m3 fassenden Schmutzwassergrube dem Lettenbach zugeführt werden dürfen, hat sie der besonderen Lage der Beschwerdeführer genügend Rechnung getragen. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b181abdd-f371-4e6c-bd4d-c87a0a2dafd0 | Urteilskopf
137 III 607
92. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. K. gegen X. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_345/2011 vom 28. November 2011 | Regeste a
Art. 464 OR
; Konkurrenzverbot des Prokuristen bzw. Handlungsbevollmächtigten; Gewinnabschöpfung.
Umfang des Konkurrenzverbots des Prokuristen bzw. Handlungsbevollmächtigten; Tätigkeit für Drittunternehmen, die mit dem Geschäftsherrn in direktem Wettbewerb stehen (E. 2.2).
Art. 464 Abs. 2 OR
beinhaltet einen Anspruch auf Abschöpfung des erzielten Gewinns (E. 2.3).
Regeste b
Art. 321a Abs. 3,
Art. 321b und 423 Abs. 1 OR
; Konkurrenzverbot des Arbeitnehmers; Herausgabepflicht; Gewinnabschöpfung.
Frage offengelassen, ob gegenüber einem Arbeitnehmer ohne Handlungsvollmacht oder Prokura ebenfalls ein Anspruch auf Gewinnherausgabe (gestützt auf
Art. 423 Abs. 1 OR
bzw. in analoger Anwendung von Art. 321b oder 464 Abs. 2 OR) geltend gemacht werden kann, wenn er seinen Arbeitgeber in unzulässiger Weise konkurrenziert (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 608
BGE 137 III 607 S. 608
A.
A.a
K. (Beschwerdeführer) arbeitete ab 1. Juli 2000 als Leiter der Abteilung Heizung im Betrieb der X. AG (Beschwerdegegnerin). Er gehörte der Geschäftsleitung an, war handlungsbevollmächtigt und führte selbständig eine Zweigstelle, wobei er in dieser Funktion unter anderem für den Abschluss von Verträgen sowie das Erstellen und Visieren von Rechnungen zuständig war.
Der zwischen den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag hält unter anderem fest, dem Beschwerdeführer sei "jegliche private Erwerbstätigkeit ohne schriftliche Einwilligung der Geschäftsleitung oder des Verwaltungsrates ... untersagt".
Ende Mai 2002 kündigte der Beschwerdeführer das Arbeitsverhältnis per Ende November 2002. Am 30. Juli 2002 stellte ihm die Beschwerdegegnerin ein in jeder Hinsicht gutes Arbeitszeugnis aus.
A.b
Nach dem Austritt des Beschwerdeführers stiess die Beschwerdegegnerin bei Räumungsarbeiten auf Hinweise, dass dieser während des Arbeitsverhältnisses unter Verwendung ihrer Infrastruktur auf privater Basis und gegen Entgelt Aufträge im Heizungsbereich (Planungsarbeiten, Ausarbeiten von Kostenvoranschlägen und Offerten, Rechnungsstellung und dergleichen) für Dritte ausgeführt hatte.
B.
B.a
Am 21. Juni 2010 klagte die Beschwerdegegnerin beim Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland mit dem Rechtsbegehren, es sei
BGE 137 III 607 S. 609
der Beschwerdeführer zur Zahlung von Fr. 23'595.- nebst 5 % Zins seit dem 1. Dezember 2002 zu verpflichten. Der eingeklagte Betrag entsprach den Einnahmen des Beschwerdeführers aus der während des Arbeitsverhältnisses ausgeübten Nebentätigkeit.
Mit Entscheid vom 21. Oktober 2010 hiess das Kreisgericht die Klage im Umfang von Fr. 15'000.- (Einnahmen des Beschwerdeführers aus der Nebentätigkeit abzüglich einer Entschädigung für die eigene Arbeit) nebst 5 % Zins seit dem 14. März 2008 gut. Im Übrigen wies es die Klage ab.
B.b
Mit Entscheid vom 28. April 2011 wies das Kantonsgericht St. Gallen eine vom Beschwerdeführer gegen das Urteil des Kreisgerichts Werdenberg-Sarganserland vom 21. Oktober 2010 erhobene Berufung ab.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, der Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 28. April 2011 sei aufzuheben und die Klage der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Verletzung von
Art. 464 OR
vor.
2.1
Die Vorinstanz erachtete es - im Gegensatz zur Erstinstanz - zunächst als fraglich, ob aus
Art. 321b OR
ein Herausgabeanspruch des Arbeitgebers für Einkünfte des Arbeitnehmers aus vertragswidrig ausgeübter Nebentätigkeit hergeleitet oder ob hierfür gegebenenfalls ergänzend die arbeitsvertragsfremde Bestimmung von
Art. 423 OR
herangezogen werden könne. Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht nur dem in
Art. 321a Abs. 3 OR
geregelten Verbot der Schwarzarbeit unterstanden, sondern als Handlungsbevollmächtigter auch dem gesetzlichen Konkurrenzverbot von
Art. 464 OR
. Der Beschwerdeführer habe gegen das Verbot verstossen, als handlungsbevollmächtigter Arbeitnehmer im Geschäftsbereich des Arbeitgebers auf eigene Rechnung Geschäfte zu machen (
Art. 464 Abs. 1 OR
). Der Arbeitgeber könne daher nach
Art. 464 Abs. 2 OR
die betreffenden Geschäfte auf eigene Rechnung übernehmen, wobei dies auch einen Anspruch auf Abschöpfung der vom
BGE 137 III 607 S. 610
Handlungsbevollmächtigten aus diesen Geschäften erlangten Vorteile umfasse. Ein Herausgabeanspruch der Beschwerdegegnerin für die Einnahmen des Beschwerdeführers aus der konkurrenzierenden Nebentätigkeit ergebe sich damit, wenn auch möglicherweise nicht aus
Art. 321b OR
, so doch jedenfalls aus
Art. 464 Abs. 2 OR
. Ob der von der Erstinstanz vorgenommene Abzug für die eigene Arbeitskraft zu Recht und in zutreffendem Umfang erfolgt sei, könne mangels Anschlussberufung offengelassen werden; eine Erhöhung des Abzugs falle jedenfalls ausser Betracht.
2.2
2.2.1
Nach
Art. 464 Abs. 1 OR
darf der Prokurist und der Handlungsbevollmächtigte, der zum Betrieb des ganzen Gewerbes bestellt ist oder in einem Arbeitsverhältnis zum Inhaber des Gewerbes steht, ohne Einwilligung des Geschäftsherrn weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Geschäfte machen, die zu den Geschäftszweigen des Geschäftsherrn gehören. Der Vertreter darf also nicht die gleichen Produkte oder Dienstleistungen anbieten wie der Prinzipal (ROLF WATTER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 1 zu
Art. 464 OR
; JÖRG SCHWARZ, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, N. 2 zu
Art. 464 OR
). Die Bestimmung dient dem Schutz des Geschäftsherrn und will Interessenkollisionen vermeiden, die insbesondere dann drohen würden, wenn der Vertretungsbefugte je nach Belieben für den Geschäftsherrn oder in eigenem Interesse tätig werden könnte (vgl. HEYMANN/HENSSLER, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 2008, N. 3 zu § 60 HGB).
Nach herrschender Auffassung bezieht sich das Konkurrenzverbot von
Art. 464 Abs. 1 OR
nur auf den Abschluss von Rechtsgeschäften, die der Vertreter statt für den Prinzipal mit sich selber oder für einen Dritten abschliesst, während tatsächliche Handlungen für einen Dritten nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen (WATTER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 464 OR
; SCHWARZ, a.a.O., N. 2 zu
Art. 464 OR
; CHRISTINE CHAPPUIS, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2003, N. 2 zu
Art. 464 OR
; GEORG GAUTSCHI, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1962, N. 5b zu
Art. 464 OR
).
2.2.2
Der Beschwerdeführer war handlungsbevollmächtigt und führte eine Zweigstelle der Beschwerdegegnerin. Er hat nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid während des Arbeitsverhältnisses mit der Beschwerdegegnerin für verschiedene
BGE 137 III 607 S. 611
Drittunternehmen, die mit seiner Arbeitgeberin in direktem Wettbewerb standen, gegen Entgelt mehrere Aufträge im Heizungsbereich ausgeführt. Die entsprechende Tätigkeit übte der Beschwerdeführer überwiegend in den Geschäftsräumen der Beschwerdegegnerin aus und nutzte dabei auch die dort vorhandene Spezialinfrastruktur. Nach vorinstanzlicher Feststellung hat ihm der spezifisch ausgestattete Arbeitsplatz der Beschwerdegegnerin die von dieser beanstandete Tätigkeit für Dritte überhaupt erst ermöglicht.
Angesichts dieser Feststellungen im angefochtenen Entscheid verfängt der pauschal erhobene Einwand des Beschwerdeführers nicht, das von den Konkurrenzunternehmen erhaltene Entgelt sei reiner Arbeitslohn und seine Dienstleistungen als bloss tatsächliche Handlungen für Dritte zu verstehen, die nicht in den Anwendungsbereich von
Art. 464 OR
fallen sollen. Insbesondere geht daraus hervor, dass der Beschwerdeführer gerade nicht in die Arbeitsorganisation der Konkurrenzunternehmen eingegliedert war (vgl.
BGE 125 III 78
E. 4 S. 81; Urteil 4C.276/2006 vom 25. Januar 2007 E. 4; REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2010, N. 6 ff. zu
Art. 319 OR
; ADRIAN STAEHELIN, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 26 ff. zu
Art. 319 OR
), worauf auch die Beschwerdegegnerin zutreffend hinweist. Unabhängig davon, ob die konkret erbrachten Dienstleistungen im Rahmen eines Auftrags (
Art. 394 ff. OR
) oder eines Werkvertrags (
Art. 363 ff. OR
) erfolgten, ist die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer damit für eigene Rechnung Rechtsgeschäfte abgeschlossen hat, die zum Geschäftszweig der Beschwerdegegnerin gehören und von
Art. 464 Abs. 1 OR
erfasst werden.
Unerheblich ist dabei, ob die fraglichen Konkurrenzunternehmen die entsprechenden Geschäfte an die Beschwerdegegnerin vergeben hätten oder diese interessiert gewesen wäre, die konkreten Dienstleistungen selbst zu erbringen (vgl. HEYMANN/HENSSLER, a.a.O., N. 12 zu § 60 HGB). Dem kaufmännischen Vertreter soll der Anreiz zu einem Geschäft in denselben Geschäftszweigen unabhängig davon genommen werden, ob der Geschäftsherr das konkrete Geschäft abgeschlossen hätte oder er selber einen Gewinn hätte erzielen können (vgl. HERBERT BUCHNER, Wettbewerbsverbote während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Heidelberg 1995, S. 37 Rz. B115, S. 50 Rz. B165; HEYMANN/HENSSLER, a.a.O., N. 12 zu § 60 HGB). Entscheidend ist vielmehr, dass die vom Beschwerdeführer erbrachten
BGE 137 III 607 S. 612
Dienstleistungen zu den Geschäftszweigen der Beschwerdegegnerin gehörten und für Drittunternehmen erbracht wurden, die mit der Beschwerdegegnerin in direktem Wettbewerb stehen. Die damit verbundene Gefährdung der Wettbewerbsinteressen der Beschwerdegegnerin ist evident, und dem handlungsbevollmächtigten Beschwerdeführer war es aufgrund seines besonderen Treueverhältnisses nach
Art. 464 Abs. 1 OR
verwehrt, entsprechende Geschäfte ohne Einwilligung des Geschäftsherrn zu machen. Dass die Beschwerdegegnerin die abgeschlossenen Geschäfte genehmigt hätte, macht der Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend.
2.3
Bei Übertretung des Konkurrenzverbots von
Art. 464 Abs. 1 OR
kann der Geschäftsherr Ersatz des verursachten Schadens fordern und die betreffenden Geschäfte auf eigene Rechnung übernehmen (
Art. 464 Abs. 2 OR
). Hat der Prokurist bzw. Handlungsbevollmächtigte das fragliche Geschäft in eigenem Namen abgeschlossen, kann der Geschäftsherr die Ablieferung aller daraus tatsächlich erlangten Vermögenswerte verlangen (GAUTSCHI, a.a.O., N. 7b und 8b zu
Art. 464 OR
; WATTER, a.a.O., N. 8 zu
Art. 464 OR
; JOSEF HOFSTETTER, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, SPR Bd. VII/6, 2000, S. 248 N. 4, die den Übernahmeanspruch jeweils mit der Vorteilsaneignung nach
Art. 423 Abs. 1 OR
gleichsetzen). Es steht ihm demnach ein Anspruch auf Abschöpfung des vom Vertreter bereits erzielten Gewinns zu (JÖRG SCHMID, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1993, N. 75 zu
Art. 423 OR
; vgl. auch HEYMANN/HENSSLER, a.a.O., N. 7 zu § 61 HGB).
Entgegen dem, was der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, ist es nicht erforderlich, dass der Geschäftsherr ausdrücklich eine Übernahme der Geschäfte auf eigene Rechnung im Sinne von
Art. 464 Abs. 2 OR
verlangt. Nachdem die Beschwerdegegnerin - wie auch in der Beschwerde festgehalten - im kantonalen Verfahren die Herausgabe des erzielten Gewinns verlangt hat, ist der Vorinstanz keine willkürliche oder aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung vorzuwerfen, wenn sie die auf Geldzahlung gerichtete Klage der Beschwerdegegnerin (soweit im Berufungsverfahren noch strittig) gestützt auf diese Bestimmung geschützt hat. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht hat die Vorinstanz der Beschwerdegegnerin, deren Begehren auf Bestätigung des kreisgerichtlichen Entscheids vom 21. Oktober 2010 lautete, weder mehr noch anderes zugesprochen, als diese selbst verlangt hatte.
BGE 137 III 607 S. 613
2.4
Der Vorinstanz ist keine Verletzung von
Art. 464 OR
vorzuwerfen, wenn sie das Verhalten des handlungsbevollmächtigten Beschwerdeführers als unzulässig erachtet und die Klage der Beschwerdegegnerin auf Gewinnherausgabe geschützt hat. Die konkrete Bemessung des Herausgabeanspruchs stellt der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht in Frage.
Es braucht somit nicht entschieden zu werden, ob gegenüber einem Arbeitnehmer ohne Handlungsvollmacht oder Prokura ebenfalls ein Anspruch auf Gewinnherausgabe (gestützt auf
Art. 423 Abs. 1 OR
bzw. in analoger Anwendung von
Art. 321b OR
oder
Art. 464 Abs. 2 OR
) geltend gemacht werden kann, wenn er seinen Arbeitgeber in unzulässiger Weise konkurrenziert (vgl.
Art. 321a Abs. 3 OR
), oder ob die arbeitsrechtlichen Bestimmungen eine Gewinnabschöpfung (im Sinne eines qualifizierten Schweigens) ausschliessen (gegen eine Gewinnabschöpfung: SCHMID, a.a.O., N. 82 zu
Art. 423 OR
; THOMAS BRÄNDLI, Arbeitsvertrag und Nebenbeschäftigung, 2000, S. 148 f.; zurückhaltend auch MARKUS NIETLISPACH, Zur Gewinnherausgabe im schweizerischen Privatrecht, 1994, S. 452; für eine Gewinnabschöpfung: CHRISTINE CHAPPUIS, La restitution des profits illégitimes, 1991, S. 141; ROLF H. WEBER, Gewinnherausgabe - Rechtsfigur zwischen Schadenersatz-, Geschäftsführungs- und Bereicherungsrecht, ZSR 111/1992 I S. 337 f.; HOFSTETTER, a.a.O., S. 269 Fn. 7; ALEXANDER CH. BÜRGI-WYSS, Der unrechtmässig erworbene Vorteil im schweizerischen Privatrecht, 2005, S. 272; vgl. im Übrigen
BGE 34 II 694
E. 4 hinsichtlich der Nebentätigkeit eines Dienstverpflichteten unter Verwendung des Betriebsmaterials des Dienstherrn; vgl. zum deutschen Dienstvertragsrecht STAUDINGER/RICHARDI/FISCHINGER, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2011, N. 628 zu § 611 BGB; BUCHNER, a.a.O., S. 48 ff. Rz. B161 ff.). | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b18851b1-a4d9-4ca5-a8d3-e840d2e70e99 | Urteilskopf
105 Ia 200
40. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 19 juillet 1979 dans la cause X. contre Commission de recours de l'Université de Fribourg (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
; Universitätsexamen.
1. Die Entscheidungen der Rekurskommission der Universität Freiburg sind letztinstanzliche Entscheide i.S. von
Art. 87 OG
(E. 1a).
2. Prüfungsbefugnis dieser Kommission (E. 2a und b).
3. Notwendigkeit der Erstellung eines Protokolls bei mündlichen Prüfungen und bei den Beratungen der Examenskommission? (E. 2c.) | Sachverhalt
ab Seite 201
BGE 105 Ia 200 S. 201
Le recourant X. s'est présenté, pour la troisième fois, aux examens de demi-licence de la Section des sciences économiques et sociales de l'Université de Fribourg. Ses prestations à l'épreuve orale d'économie politique ayant été jugées nettement insuffisantes par l'examinateur - le professeur Y. -, la Commission d'examen, puis le Collège des professeurs de la Section précitée ont constaté que le recourant avait échoué et qu'il était de ce fait éliminé de l'Université de Fribourg.
Saisie d'un recours de X., qui se plaignait notamment du fait que le coexaminateur à l'examen d'économie politique était le propre assistant du professeur Y., la Commission de recours de l'Université de Fribourg, après diverses mesures d'instruction, a rejeté le recours.
Agissant par la voie du recours de droit public, X. demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision de la Commission de recours, à laquelle il reproche essentiellement d'être tombée dans l'arbitraire et d'avoir violé l'art. 4 Cst. Il fait valoir notamment que cette commission aurait dû sanctionner l'inexistence de procès-verbal lors de l'examen ou lors des délibérations de la Commission d'examen. Il soutient en outre que c'est à tort que la Commission de recours a estimé n'avoir pas à revoir, sauf cas d'arbitraire, l'appréciation d'un examen.
Le Conseil d'Etat fribourgeois, par ailleurs, a déclaré irrecevable un recours administratif que X. lui avait adressé, parallèlement au présent recours de droit public.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours de droit public dans la mesure où il était recevable.
BGE 105 Ia 200 S. 202
Erwägungen
Extrait des motifs:
1.
a) Selon l'art. 86 al. 2 OJ, les recours pour violation de droits constitutionnels des citoyens ne sont recevables, sauf exceptions expressément mentionnées, qu'après que les moyens de droit cantonal ont été épuisés; de plus, l'art. 87 OJ précise que le recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. n'est recevable que contre des décisions finales prises en dernière instance cantonale.
Dans sa décision d'irrecevabilité, le Conseil d'Etat fribourgeois relève que la loi cantonale sur l'organisation de l'Université, du 1er décembre 1899, complétée et modifiée par une loi du 27 novembre 1970, consacre l'autonomie de l'Université, spécialement en matière d'enseignement et d'ordre interne. En créant au sein de cette institution une commission de recours - présidée par un magistrat de l'ordre judiciaire -, le législateur a simplement voulu créer une garantie supplémentaire dans certains domaines déterminés et non pas instituer un contentieux qui serait en dernier ressort placé dans la compétence du Conseil d'Etat. En outre, il résulte de l'art. 1 de la loi cantonale du 24 mai 1961 fixant la procédure pour les recours administratifs que le Conseil d'Etat bénéficie d'une présomption générale de compétence seulement en ce qui concerne les décisions des Directions (ou Départements) qui dépendent directement de lui. En l'occurrence, aucune disposition légale ne prévoit que les décisions de la Commission de recours de l'Université puissent être déférées au Conseil d'Etat. Ces décisions sont donc prises en dernière instance cantonale.
Ainsi, en attaquant la décision de la Commission de recours directement devant le Tribunal fédéral, X. n'a pas violé la règle de l'épuisement des instances cantonales. Son recours de droit public est donc recevable au regard des dispositions des art. 86 al. 2 et 87 OJ.
2.
La décision attaquée est solidement motivée. Elle ne saurait être qualifiée d'arbitraire.
a) Pour des raisons évidentes, la Commission de recours - composée d'un magistrat de l'ordre judiciaire et d'assesseurs choisis tous les quatre ans parmi les professeurs, les cadres intermédiaires et les étudiants de l'Université - ne peut pas revoir l'appréciation des examens que les Facultés organisent dans toutes les matières enseignées à l'Université de Fribourg.
BGE 105 Ia 200 S. 203
N'étant pas des spécialistes, les membres de cette commission seraient incapables de se prononcer objectivement sur la valeur des prestations d'un étudiant dans n'importe quelle discipline de sciences exactes ou de sciences humaines. Il en résulte logiquement que la Commission ne dispose que d'une cognition restreinte lorsqu'elle est saisie d'un recours formé par un étudiant contre le résultat de ses examens. Selon l'art. 12 du règlement du 17 novembre 1971 sur l'organisation et la procédure de la Commission de recours, le recourant peut invoquer soit la constatation inexacte ou incomplète de faits pertinents, soit la violation du droit (y compris l'excès ou l'abus du pouvoir d'appréciation). Cela signifie que le rôle de la Commission est d'ordre juridique: il consiste à vérifier, d'une part, la régularité de la procédure d'examen - selon les règles que les Facultés peuvent édicter - et, d'autre part, l'objectivité de l'appréciation faite par les examinateurs.
En l'espèce, c'est à tort que le recourant reproche à la Commission de recours d'avoir arbitrairement restreint sa cognition; d'ailleurs, il ne mentionne même pas la norme de droit cantonal que la Commission aurait ainsi violée. En réalité, une telle limitation du pouvoir d'examen est non seulement inévitable, mais encore parfaitement compatible avec le texte légal: en effet, aux termes de l'art. 13 al. 3 de la loi du 27 novembre 1970, complétant et modifiant celle du 1er décembre 1899 sur l'organisation de l'Université, la Commission est saisie des recours que les étudiants peuvent former contre les décisions prises par leurs Facultés touchant leurs droits et obligations, "tels qu'ils sont fixés par la loi et les statuts" de l'Université. En matière d'examens, cette restriction de la cognition n'est donc en tout cas pas arbitraire.
b) Selon le recourant, la Commission se serait "inclinée devant l'avis unilatéral du professeur"; mais cette affirmation se trouve en contradiction flagrante avec les pièces du dossier. Il convient en effet de rappeler que la Commission, avant de prononcer sa décision, a pris la peine d'interroger le coexaminateur qui, exhorté à dire la vérité en sa qualité de témoin, a confirmé l'appréciation entièrement négative de l'examen du recourant, précisant encore qu'il ne s'agissait pas d'un cas limite. De plus, la Commission a aussi pris le soin de s'assurer, en interrogeant notamment le délégué de la Faculté aux examens, que l'ensemble des prestations de X. à cette session
BGE 105 Ia 200 S. 204
d'examens justifiait un échec et, par voie de conséquence, son élimination définitive.
Sur ces questions d'appréciation, la Commission de recours a donc fait tout ce qui était en son pouvoir pour contrôler l'objectivité de la décision prise par la Faculté; le reproche d'arbitraire ne saurait dès lors être admis.
c) Avec raison, la Commission de recours signale, dans sa décision, certains défauts de la procédure suivie par la Faculté. En particulier, elle considère comme nécessaire l'établissement - par le professeur ou le coexaminateur - d'un procès-verbal de l'examen oral subi par chacun des étudiants. On peut se demander toutefois si une telle exigence n'est pas en soi exagérée et quelque peu théorique. On voit mal, en effet, comment des examinateurs, appelés à interroger de nombreux étudiants au cours d'une même session, pourraient tenir un procès-verbal - même sommaire - des questions et réponses pour chacun des candidats. Par ailleurs, l'utilité d'un tel procès-verbal est en soi douteuse, car il serait pratiquement impossible de faire une juste appréciation de la prestation d'un étudiant sur cette seule base; en réalité, seule une personne ayant assisté à l'examen peut en estimer la valeur et c'est là précisément l'utilité de la présence d'un coexaminateur.
En revanche, le second défaut signalé par la Commission est plus sérieux: il s'agit de l'absence de procès-verbal des délibérations du jury des examens. De plus, il semble que, selon les usages en vigueur à la Faculté de droit et des sciences économiques, un procès-verbal indiquant les notes obtenues aux divers examens n'est remis qu'aux étudiants ayant réussi; celui qui a échoué ne reçoit rien et ignore ainsi les notes attribuées à ses divers examens. Or un tel usage apparaît critiquable, car c'est précisément en cas d'échec que l'étudiant doit connaître ses résultats - positifs et négatifs - non seulement pour décider, le cas échéant, si un recours a quelque chance d'être admis, mais aussi et surtout pour savoir dans quelles branches il devra mieux se préparer en vue d'une session future. Toutefois, le recourant lui-même ne cite aucun texte légal ou règlementaire qui déclarerait obligatoire l'établissement d'un procès-verbal des résultats des examens. On peut certes critiquer cet usage de la Faculté et regretter aussi que le professeur Y. ait eu comme coexaminateur son propre assistant. Ces défauts de procédure n'étaient cependant pas suffisants pour obliger la Commission
BGE 105 Ia 200 S. 205
à admettre le recours de X. Ni devant la Commission de recours, ni devant le Tribunal fédéral, le recourant n'a d'ailleurs cherché à démontrer que de tels défauts violeraient une norme de droit cantonal.
Le reproche d'arbitraire n'est donc pas justifié, de sorte que le recours, manifestement mal fondé, doit être rejeté. | public_law | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b18b8e8b-8e7e-47cd-b301-b7721db68e09 | Urteilskopf
113 IV 84
23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. August 1987 i.S. H. c. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 91 Abs. 1 SVG
; Art. 24 f. StGB. Mittäterschaft und Teilnahme zu Fahren in angetrunkenem Zustand.
Wer als Passagier in einem Fahrzeug mitfährt, das vom angetrunkenen Halter geführt wird, macht sich allein dadurch weder der Mittäterschaft noch der Teilnahme (Anstiftung oder Gehilfenschaft) zu Fahren in angetrunkenem Zustand schuldig (E. 1-4). | Sachverhalt
ab Seite 84
BGE 113 IV 84 S. 84
A.-
Am Abend des 18. Februar 1985 feierte M. zusammen mit einigen Personen, unter anderen Frau H., in einem Restaurant am Goldbrunnenplatz in Zürich seinen Geburtstag. Am frühen Morgen des 19. Februar 1985, um ca. 03.30 Uhr, setzte er sich in angetrunkenem Zustand (Blutalkoholgehalt: ca. 1,06 Gewichtspromille) an das Steuer seines PW. Frau H., deren Blutalkoholkonzentration rund 2,73 Gewichtspromille betrug, nahm in Kenntnis der Angetrunkenheit von M. auf dem Beifahrersitz Platz. M. fuhr vom Goldbrunnenplatz bis zu einer Seitenstrasse der Langstrasse, wo Frau H. ein Zimmer hatte.
B.-
Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach Frau H. am 16. März 1987 im Berufungsverfahren des Fahrens in angetrunkenem Zustand (als Mittäterin) schuldig und
BGE 113 IV 84 S. 85
verurteilte sie zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von einem Monat.
C.-
Die Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Zürcher Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zu ihrer Freisprechung, eventuell zur neuen Beurteilung unter Zubilligung von Rechtsirrtum, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Obergericht ging abweichend vom Bezirksgericht Zürich davon aus, dass der PW, dessen Halter M. war, nicht von der Beschwerdeführerin, sondern von M. vom Goldbrunnenplatz in eine Seitenstrasse der Langstrasse gelenkt worden war und dass die Beschwerdeführerin lediglich auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Es bestätigte dennoch die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (
Art. 91 Abs. 1 SVG
), da diese als Mittäterin zu betrachten sei. Gemäss seinen Ausführungen hatte sich die Beschwerdeführerin nach der gemeinsamen Geburtstagsfeier in Kenntnis der erheblichen Angetrunkenheit von M. ohne weiteres in dessen Fahrzeug gesetzt und sich von M. nach Hause chauffieren lassen. Dieser Tatbeitrag ist nach Auffassung des Obergerichts gerade auch wegen des direkten Interesses der Beschwerdeführerin an der Fahrt (nach Hause) nicht nur untergeordneter Art, sondern derart intensiv, dass er Mittäterschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung begründe.
2.
Ob der an der Führung des Fahrzeugs nicht massgeblich Beteiligte Mittäter bei Fahren in angetrunkenem Zustand sein kann, ist umstritten. Nach der Ansicht des Kassationshofes (vgl.
BGE 98 IV 11
ff. sowie die nicht publizierten Urteile vom 19. April 1985 i.S. G. c. BE und vom 6. September 1983 i.S. C. c. GR) und einzelner Autoren (MARINA SCHMUTZ, Fahren in angetrunkenem Zustand, Diss. ZH 1975, S. 126, und PIERRE MARIO MACRI, Schluss- und Nachtrunk beim Fahren in angetrunkenem Zustand, Diss. ZH 1976, S. 41, beide unter Berufung auf
BGE 98 IV 15
) ist Mittäterschaft bei Fahren in angetrunkenem Zustand möglich; andere Autoren stehen dieser Ansicht kritisch bzw. ablehnend gegenüber (SCHULTZ, ZBJV 109/1973, S. 429,
BGE 113 IV 84 S. 86
SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht, 1968, S. 217, REHBERG, "Fremdhändige" Täterschaft bei Verkehrsdelikten? in Lebendiges Strafrecht, Festgabe Schultz 1977, S. 72 ff., 82; ebenso überwiegend die deutsche Lehre und Rechtsprechung, siehe JAGUSCH/HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 29. Aufl. 1987, N. 42 zu § 315c (dt.) StGB, N. 34 zu § 316 (dt.) StGB, mit Hinweisen).
3.
Eine Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (als Mittäterin) fällt im vorliegenden Fall selbst dann ausser Betracht, wenn man die Möglichkeit von Mittäterschaft eines an der Führung des Fahrzeugs nicht massgeblich Beteiligten bejaht.
a) Das eigene Interesse des Passagiers an der Fahrt, das in den meisten Fällen vorliegen wird, vermag entgegen der Ansicht der Vorinstanz Mittäterschaft bei Fahren in angetrunkenem Zustand schon deshalb nicht zu begründen, weil es als solches nicht einen Tatbeitrag, sondern lediglich ein Motiv für das Mitfahren darstellt. Es mag unter Umständen für die Abgrenzung von Gehilfenschaft und Mittäterschaft von Bedeutung sein, welche aber beide bestimmte Tatbeiträge voraussetzen.
b) Die Beschwerdeführerin war weder Halterin des fraglichen Fahrzeugs noch faktisch für dieses verantwortlich. Nichts im angefochtenen Urteil und den Akten deutet darauf hin, dass sie die bestimmende Anführerin des Trinkgelages anlässlich der Feier des Geburtstags von M. gewesen sei. Damit sind die in
BGE 98 IV 15
mit knappen Worten beschriebenen Voraussetzungen, unter denen Mittäterschaft bei Fahren in angetrunkenem Zustand gegeben sein kann, nicht erfüllt. Die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (als Mittäterin) verstösst daher gegen Bundesrecht.
4.
Der Kassationshof kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht prüfen, ob sich die Beschwerdeführerin der Anstiftung oder der Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand schuldig gemacht habe. Dem Entscheid des Zürcher Obergerichts kann nicht entnommen werden, ob M. und die Beschwerdeführerin die Frage der Heimfahrt überhaupt besprachen, welches der Inhalt dieses allfälligen Gesprächs war, aus welchen Gründen M. sich an das Steuer seines Wagens setzte und die Beschwerdeführerin mitnahm und was während der Fahrt sich ereignete. Zwar werden im angefochtenen Urteil Aussagen von M. und des Zeugen F. betreffend ein Gespräch
BGE 113 IV 84 S. 87
über die Frage der Heimfahrt zitiert; diese Aussagen sind nach den Feststellungen der Vorinstanz jedoch widersprüchlich und insoweit falsch, als darin die Beschwerdeführerin als Fahrzeuglenkerin angegeben wird. Die Beschwerdeführerin hatte stets ausgesagt, dass über die Frage der Heimfahrt nicht gesprochen worden sei und M. diskussionslos auf dem Führersitz, sie selber ohne weiteres auf dem Beifahrersitz Platz genommen habe.
Die Vorinstanz wird, sofern dies nach dem kantonalen Prozessrecht möglich ist, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen und entscheiden müssen, ob allenfalls Gehilfenschaft oder Anstiftung zu Fahren in angetrunkenem Zustand vorliege. Sie wird dabei zu beachten haben, dass weder das Interesse der Beschwerdeführerin an der Fahrt noch das Mitfahren als Passagier im Wagen des M. als solches einen Tatbeitrag darstellt. Wer aus eigenen Interessen im Wagen eines angetrunkenen Lenkers mitfährt, macht sich allein dadurch nicht der Gehilfenschaft zu Fahren in angetrunkenem Zustand schuldig, und zwar selbst dann nicht, wenn das Interesse des Mitfahrers für die Fahrt "kausal" ist; das Interesse des Passagiers ist in diesem Fall das Tatmotiv des Lenkers (zutreffend MKGE vom 21. April 1977 i.S. R. und Sch., zitiert von KURT HAURI in ZStrR 96/1979, S. 400 Nr. 3). Allerdings kann die Mitwirkung des Passagiers am Entschluss, die Fahrt zu unternehmen, Gehilfenschaft oder gar Anstiftung zu Fahren in angetrunkenem Zustand sein (vgl. auch BJM 1956 S. 36 f.). Gehilfe zu Fahren in angetrunkenem Zustand kann zudem der Passagier sein, der weder Halter des Fahrzeugs noch für dieses verantwortlich ist, z.B. dann, wenn er den angetrunkenen Lenker wach hält oder auf Verkehrssignale und Hindernisse aufmerksam macht und diese Tatbeiträge mit dem Vorsatz der Hilfeleistung im Sinne von
Art. 25 StGB
erbringt. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b18ddd9d-003a-44c7-8976-ca6f60c4aa3a | Urteilskopf
109 III 11
4. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 5 mai 1983 dans la cause Garage Hoffer & Fils SNC (recours LP) | Regeste
Art. 99 SchKG
.
Die in
Art. 99 SchKG
vorgesehene Anzeige an den Drittschuldner der gepfändeten Forderung ist bloss eine Sicherungsmassnahme, welche keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Pfändung selbst hat. Bestreitet der Drittschuldner, Schuldner der gepfändeten Forderung zu sein, ändert dies nichts an der Gültigkeit der vollzogenen Pfändung; diese umfasst dann einfach eine streitige Forderung. | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 109 III 11 S. 11
Le 5 janvier 1983, l'Office des poursuites de Genève a procédé à une saisie de salaire, à concurrence d'un montant de 400 francs par mois, au préjudice de Calogero Mascellino. Le même jour, il a fait parvenir à l'employeur du débiteur saisi, Garage Hoffer & Fils SNC, un avis concernant la saisie de salaire, l'invitant à informer l'office au cas où le travailleur quitterait son travail avec mention du nouvel employeur, ou en cas d'incapacité de travail de l'employé pour cause de maladie, d'accident ou de service militaire; cet avis précisait en outre: "Conformément à l'
art. 99 LP
, nous vous prévenons que vous ne pouvez vous acquitter désormais qu'en nos mains des sommes saisies sur le salaire du débiteur, et qu'à ce défaut vous vous exposez à devoir payer deux fois. Le montant des retenues sera versé régulièrement chaque quinzaine ou à la fin de chaque mois."
BGE 109 III 11 S. 12
Le procès-verbal de saisie lui-même a été communiqué aux parties à la poursuite le 11 janvier 1983, sans provoquer de réaction de leur part.
En revanche, l'employeur du débiteur poursuivi a déposé plainte contre l'avis qui lui a été notifié le 5 janvier, concluant à son annulation. Cette plainte a été rejetée comme mal fondée par l'Autorité de surveillance du canton de Genève, le 16 mars 1983.
En temps utile, Hoffer & Fils SNC recourt à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral, concluant à l'annulation du prononcé critiqué et de l'avis concernant la saisie de salaire.
Erwägungen
Extrait des motifs:
1.
A l'appui de sa plainte et de son recours, Hoffer & Fils SNC fait valoir qu'elle n'a pas de dette de salaire à l'égard de son employé, le poursuivi Mascellino. Elle ne conteste pas l'existence d'un contrat de travail, du reste réglé par une convention collective. Mais elle affirme qu'il résulte de cette convention que le salaire est payé d'une façon particulière: l'employé, chauffeur de taxi, perçoit directement des clients qu'il transporte pour le compte de son employeur le prix des courses effectuées, et doit, en principe à chaque fin de journée de travail, remettre à son employeur un certain montant correspondant au nombre de prises en charge et au nombre de kilomètres parcourus, conservant le solde par-devers lui à titre de salaire. L'employé doit également remettre à son employeur un certain montant correspondant à la part du salarié pour les primes d'assurances sociales, voire pour l'impôt à la source. Par ce mode de faire, qui découle de la convention collective à laquelle force obligatoire a été accordée par l'autorité cantonale compétente, l'employeur se trouve n'être jamais débiteur d'un salaire à l'égard de son employé, lequel est au contraire débiteur de son employeur des sommes journalières faisant l'objet du décompte sur la base des courses effectuées.
L'autorité cantonale s'est employée, pour sa part, à analyser les rapports juridiques liant le chauffeur de taxi à son employeur. Elle en a conclu qu'il s'agit d'un contrat de travail (ce que la recourante ne conteste nullement) et qu'il en découle nécessairement une prétention de salaire en faveur du chauffeur, prétention qui peut être saisie dans le cadre de l'
art. 93 LP
.
BGE 109 III 11 S. 13
2.
L'analyse à laquelle procède l'autorité cantonale dans le prononcé attaqué n'a pas sa place dans le cadre de la procédure de saisie. Le poursuivi Mascellino déclare - ou du moins admet - qu'il a pour tout bien saisissable une créance de salaire contre son employeur. Ce salaire pouvait et devait dès lors être saisi dans la mesure où il excède le minimum vital en application de l'
art. 93 LP
. La saisie comme telle ne fait au demeurant l'objet d'aucune critique. Elle est parfaite dès l'instant où l'office a fait savoir au débiteur saisi qu'il n'est pas en droit de disposer du montant saisi sans son autorisation (art. 96 al. 1 in fine LP;
ATF 107 III 70
princ. et les références). L'avis au tiers débiteur de la créance saisie donné par l'office en application de l'
art. 99 LP
est une simple mesure de sûreté qui n'affecte en rien la validité de la saisie (même référence).
Quand bien même, en l'espèce, le tiers débiteur de la créance saisie conteste en être débiteur, cela n'affecte en rien la validité de la saisie. Celle-ci portera simplement sur une créance contestée (
ATF 107 III 75
consid. 4 et les références). Les organes d'exécution de la saisie n'ont pas compétence pour se prononcer sur l'existence de la créance saisie, soit sur les relations juridiques existant entre le poursuivi saisi et un tiers qu'il désigne comme son débiteur et qui conteste sa dette. Tout au plus l'office a-t-il la compétence de se prononcer à cet égard lorsqu'il apparaît clairement que les prétendus droits à saisir sont en réalité inexistants (
ATF 81 III 18
/19). Pour le reste, seul le juge peut statuer sur l'existence et le montant de la créance saisie, au moment où l'adjudicataire la fait valoir, soit qu'il l'ait obtenue au cours d'enchères, soit qu'elle lui ait été cédée en paiement, en application de l'
art. 131 LP
(cf.
ATF 85 II 361
/362).
En l'occurrence, la recourante ne démontre nullement que la créance saisie ne reposerait sur aucun fondement, puisqu'elle admet au contraire expressément l'existence d'un contrat de travail entre le poursuivi Mascellino et elle-même. C'est dès lors à bon droit que l'office a saisi la créance de salaire et qu'il a pris la mesure de sûreté prévue par l'
art. 99 LP
. L'avis qu'il a envoyé au tiers débiteur le 5 janvier 1983 ne saurait donc être annulé, en dépit de la contestation soulevée par le tiers débiteur quant à l'existence de la créance, et le recours ne peut ainsi qu'être rejeté. | null | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b18edae8-c124-473f-a619-39ec91f27b5c | Urteilskopf
88 IV 66
20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juli 1962 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 201 Abs. 1 StGB
.
a) Nur der mit dem Makel des Verwerflichen behaftete Unterhaltsbezug aus dem unsittlichen Erwerb der Dirne stellt eine Ausbeutung dar.
b) Die genannte Bestimmung verlangt nicht ein "Ausbeutungsverhältnis" von langer Dauer.
c) Arbeitsscheu und Liederlichkeit sind nicht Tatbestandsmerkmale der Zuhälterei. | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 88 IV 66 S. 67
X. lebte von Juli 1960 bis Ende Februar 1961 beinahe vollständig auf Kosten seiner Ehefrau, von der er mindestens für die Zeit von Mitte September bis Ende Oktober 1960 wusste, dass sie der Erwerbsunzucht nachging.
Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte ihn am 17. Oktober 1961 wegen Zuhälterei, begangen von Mitte September bis Ende Oktober 1960, und anderer strafbarer Handlungen zu sieben Monaten Gefängnis und Fr. 100.-- Busse. Am 7. März 1962 bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt den erstinstanzlichen Entscheid.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Als Zuhälter ist nach
Art. 201 Abs. 1 StGB
nur strafbar, wer sich von der Dirne unter Ausbeutung ihres unsittlichen Erwerbes unterhalten lässt. Das will nach der negativen ethischen Wertung, welche im Begriff der Ausbeutung liegt, besagen, dass bloss der mit dem Makel des Verwerflichen behaftete Unterhaltsbezug aus dem unsittlichen Erwerbe der Dirne unter Strafe fallen soll (nicht veröffentliches Urteil des Kassationshofs vom 15. Dezember 1961 i.S. Mras; vgl. auchBGE 75 IV 121). Ein solcher Makel haftet dem Verhalten des Beschwerdeführers unzweifelhaft an. Denn wer, wie X., beinahe vollständig aus dem Dirnenlohn seiner Ehefrau lebt, selber nichts oder sehr wenig an den gemeinsamen Haushalt beisteuert und sich nicht einmal bemüht, einen nennenswerten Beitrag zu leisten, bekundet eine sittlich verwerfliche Einstellung und verdient als Zuhälter bestraft zu werden. Daran ändert auch nichts, dass nach
Art. 192 Abs. 2 ZGB
die Ehefrau ihren Arbeitserwerb, soweit erforderlich, für die Bedürfnisse des Haushalts zu verwenden hat. Abgesehen davon, dass es fraglich erscheint, ob Dirnenlohn ein Arbeitserwerb im Sinne der genannten Bestimmung sei, obliegt die Pflicht, für den Unterhalt von Weib und Kind gebührend Sorge zu tragen, in erster Linie dem Ehemann (
Art. 160 Abs. 2 ZGB
). Nachdem der Beschwerdeführer praktisch nichts an den gemeinsamen Haushalt beigetragen und sich, wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, nicht einmal bemüht
BGE 88 IV 66 S. 68
hat, einen nennenswerten Verdienst hereinzubringen, ist es von ihm geradezu mutwillig, sich mit dem Hinweis auf
Art. 192 Abs. 2 ZGB
entlasten zu wollen.
Unbehelflich ist sodann auch die in der Beschwerde vertretene These, wonach die Frage der Ausbeutung nach einer Proportion entschieden werden müsse, die der Sachlage des Einzelfalles entspreche. Denn was X. in diesem Zusammenhang vorbringt, spricht zur Hauptsache gegen ihn. Das gilt insbesondere für den von ihm angezogenen Entscheid des deutschen Reichsgerichtes (Höchstrichterliche Rechtsprechung 1942, Nr. 609), dem zufolge der Vorwurf der ausbeuterischen Zuhälterei entfalle, wenn der aus der Gemeinschaftskasse bestrittene Unterhalt des Mannes über seinen eigenen Beitrag zu den gemeinsamen Lebenskosten nicht hinausgehe. Ohne zur Frage der Anwendung dieses Kriteriums auf das schweizerische Strafrecht Stellung zu beziehen, kann jedenfalls gesagt werden, dass es auf Seiten des Beschwerdeführers offensichtlich an jener Proportion zwischen Leistung und Bezug fehlte, da die gesamten Kosten des gemeinsamen Haushaltes in der kritischen Zeit praktisch allein von seiner Ehefrau getragen wurden.
Inwiefern aber ein Zeitraum von anderthalb Monaten nicht genügen sollte, um eine Ausbeutung anzunehmen, ist nicht zu sehen.
Art. 201 Abs. 1 StGB
verlangt nicht ein "Ausbeutungsverhältnis" von langer Dauer. Übrigens hat der Beschwerdeführer nicht bloss während anderthalb Monaten, sondern mindestens ab Juli 1960 bis Ende Februar 1961 auf Kosten seiner Frau gelebt. Dass er nicht für diesen ganzen Zeitraum der Zuhälterei schuldig gesprochen wurde, ist dem Umstand zuzuschreiben, dass der Beweis des subjektiven Tatbestandes bloss für die Zeit von Mitte September bis Ende Oktober 1960 erbracht werden konnte.
Schliesslich ist auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz nicht geprüft hat, ob der Beschwerdeführer arbeitsscheu und liederlich sei. Wohl bilden Arbeitsscheu
BGE 88 IV 66 S. 69
und Liederlichkeit häufig den Grund zuhälterischen Schmarotzertums. Sie sind jedoch nicht Tatbestandsmerkmale des
Art. 201 Abs. 1 StGB
. Wie der Kassationshof in dem oben zitierten Urteil i.S. Mras ausgeführt hat, kann auch ein Mann, der durch redliche Arbeit die Mittel zum notwendigen Lebensbedarf seiner Familie aufbringt, sich dadurch der Zuhälterei schuldig machen, dass er den unsittlichen Erwerb seiner Ehefrau zur Grundlage einer jenen Bedarf übersteigenden höheren Lebensführung macht. Dann aber muss der Vorwurf der Zuhälterei erst recht denjenigen treffen, der, wie der Beschwerdeführer, sich nicht einmal bemüht, den normalen Lebensbedarf seiner Familie sicherzustellen. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1903fd5-9a88-40e0-b984-99d0b285a378 | Urteilskopf
89 I 55
9. Urteil vom 1. Februar 1963 i.S. Meier gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Einspruch gegen Liegenschaftskäufe.
1. Begriff des landwirtschaftlichen Heimwesens. Das Einspruchs verfahren ist auch auf Kleinheimwesen anwendbar (Erw. 1).
2. Ausnahme für ausgeschiedenes Baugebiet; Voraussetzungen (Erw. 1).
3. Offensichtliche Spekulationsabsicht des Käufers? (Erw. 2).
4. Verkauf, der zur Folge hat, dass ein landwirtschaftliches Gewerbe die Existenzfähigkeit verliert (Erw. 3).
5. Wichtige Gründe für die Aufhebung des Gewerbes? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 55
BGE 89 I 55 S. 55
A.-
Landwirt Karl Freivogel ist Eigentümer eines bäuerlichen Heimwesens in Wintersingen. Es hatte früher rund 4,7 ha umfasst. Davon hat Freivogel am 9. Februar 1961 7 a, am 16. November 1961 5,58 a und am 8. März 1962 3,72 a verkauft. Er hat etwas mehr als 1 ha an Bauern verpachtet; den Rest seines Landes bewirtschaftet er selbst.
Gemäss Kaufvertrag vom 26. April 1962 möchte er
BGE 89 I 55 S. 56
ein weiteres, aus zwei aneinanderstossenden Parzellen bestehendes, 63,79 a messendes Stück Land für Fr. 20'000. - an Staatsweibel Ernst Meier in Wintersingen veräussern. Der Käufer will darauf, wie er erklärt, ein Wohnhaus für sich und seine Familie bauen.
B.-
Gegen diesen Verkauf hat die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Basel-Landschaft gestützt auf Art. 19 des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG) Einspruch erhoben.
Der Regierungsrat hat den Einspruch mit Entscheid vom 25. September 1962 bestätigt, mit der Begründung: Das Grundstück, das Ernst Meier erwerben will, sei nicht Bauland. Für den Bau eines Eigenheims wären auch nicht 63,79 a erforderlich. Der Käufer handle offensichtlich in Spekulationsabsicht (
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
). Zudem verliere durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit (lit. c daselbst).
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Ernst Meier, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben und der Einspruch der Landwirtschaftsdirektion unbegründet zu erklären.
Es wird geltend gemacht, der Betrieb Freivogels könne die Existenzfähigkeit nicht erst durch den Verkauf einer Parzelle an den Beschwerdeführer verlieren, da sie ihm schon seit langem abgehe. Dem Eigentümer, der 67 Jahre alt sei und dessen Nachkommen, zwei Töchter, auswärts verheiratet seien, könne nicht verwehrt werden, die Besitzung zu liquidieren. Das in Frage stehende Grundstück gehöre zu dem von der Gemeinde ausgeschiedenen Baugebiet. Der Beschwerdeführer wolle es nicht zum Zwecke der Spekulation erwerben, sondern darauf eine eigene Heimstätte bauen und einen Pflanzgarten anlegen. Er sei bereit, das dafür nicht benötigte Land, das er auf Begehren Freivogels habe in Kauf nehmen müssen, ohne Gewinn an die Gemeinde weiterzuveräussern.
D.-
Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde.
BGE 89 I 55 S. 57
Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hält dafür, dass keine offensichtliche Spekulation vorliege. Es enthält sich indessen eines Antrages, da es mangels genügender Kenntnis des Sachverhalts nicht beurteilen könne, ob der Einspruch nach
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
begründet sei.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 19 EGG
kann gegen den Verkauf landwirtschaftlicher Heimwesen oder zu einem solchen gehörender Liegenschaften Einspruch erhoben werden. Unter einem landwirtschaftlichen Heimwesen im Sinne dieser Bestimmung ist nach der Rechtsprechung eine aus Land und Gebäulichkeiten bestehende Einheit zu verstehen, die geeignet ist, einer Bauernfamilie als Lebenszentrum und Grundlage für den Betrieb eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu dienen (
BGE 87 I 237
Erw. 2). Die Besitzung Freivogels ist ein solches Heimwesen. Sie hat zwar früher, bis Anfang 1961, nur rund 4,7 ha umfasst und misst heute, nach Abtrennung verschiedener in den Jahren 1961/62 verkaufter Parzellen, nur noch rund 4,5 ha. Aber sie war und ist gross genug, dass darauf ein landwirtschaftliches Gewerbe, so klein es auch sein mag, betrieben werden kann. Unter dem Schutz des
Art. 19 EGG
stehen auch Kleinheimwesen, deren Bewirtschaftung für sich allein eine Familie nicht zu ernähren vermag (
BGE 80 I 96
, 412;
BGE 81 I 109
, 254). Wenn Freivogel, wie der Beschwerdeführer erklärt, rund 1 ha an Bauern verpachtet hat und nur den Rest seines Landes selbst bewirtschaftet, so ändert dies nichts daran, dass seine Besitzung als Ganzes, nach ihrer objektiven Beschaffenheit, ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Gesetzes darstellt.
Der Beschwerdeführer wendet ein, dass das Land, das Gegenstand des durch Einspruch angefochtenen Kaufvertrages ist, in dem von der Gemeindeversammlung von Wintersingen am 30. Oktober 1962 genehmigten Plan als Baugebiet ausgeschieden ist. Er will damit vermutlich vor allem geltend machen, dass dieses Land infolgedessen
BGE 89 I 55 S. 58
gemäss
Art. 3 EGG
und § 1 des kantonalen Einführungsgesetzes vom Einspruchsverfahren ausgenommen sei. Indessen ist jener Plan mangels Genehmigung durch den Regierungsrat (noch) nicht verbindlich. Nach der zur Zeit geltenden Ordnung unterliegt das in Frage stehende Land dem Einspruchsverfahren.
2.
Der Beschwerdeführer erklärt, er wolle auf dem gekauften Grundstück ein Wohnhaus für sich und seine Familie bauen. Es darf angenommen werden, dass er den Kaufvertrag wirklich zu diesem Zwecke abgeschlossen hat. Er wohnt bereits in Wintersingen und amtet dort als Gemeindeschreiber, steht also in engen Beziehungen zum Ort und seiner Bevölkerung. Er hat wahrscheinlich, und zwar offenbar nicht ohne Grund, mit einer Zuteilung des Landes zum Baugebiet gerechnet. Gewiss benötigt er, wie er selbst sagt, für Haus und Garten nicht die ganze gekaufte Fläche von 63,79 a, sondern nur ungefähr die Hälfte davon. Aber nach seinen Angaben, die nicht ohne weiteres als unglaubwürdig betrachtet werden können, hat Freivogel ihm nicht nur einen Teil verkaufen wollen und ist er (Beschwerdeführer) bereit, den von ihm nicht benötigten Boden ohne Gewinn an die Gemeinde weiterzuveräussern.
Unter diesen Umständen kann der Auffassung des Regierungsrates, dass dem Kauf offensichtlich Spekulationsabsicht zugrunde liege (
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
), nicht zugestimmt werden. Es ist nicht offensichtlich, dass der Beschwerdeführer das Land bei sich bietender Gelegenheit, möglichst bald, mit Gewinn wieder veräussern möchte (
BGE 83 I 313
) oder dass er einen Gewinn durch eine andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzen Bodens anstrebt, insbesondere durch Erstellung von Miethäusern und Vermietung der Wohnungen (
BGE 87 I 239
/40).
3.
Der Regierungsrat hat den Einspruch ferner deshalb bestätigt, weil durch den in Frage stehenden Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verliere (
Art. 19 Abs. 1 lit c EGG
). Der Beschwerdeführer
BGE 89 I 55 S. 59
wendet hiegegen ein, der Betrieb Freivogels sei schon bisher nicht existenzfähig gewesen.
Wie der Regierungsrat im angefochtenen Entscheide feststellt, vermag allerdings das Heimwesen Freivogels schon in seinem heutigen Umfang (rund 4,5 ha) für sich allein einer Bauernfamilie keine auskömmliche Existenz zu bieten. Aber die Abtrennung der an den Beschwerdeführer verkauften 63,79 a hätte zur Folge, dass das landwirtschaftliche Gewerbe, das bisher auf der Besitzung hat betrieben werden können, noch wesentlich kleiner würde, eine Bauernfamilie noch viel weniger zu ernähren vermöchte. Einem landwirtschaftlichen Gewerbe würde in der Form, in der es bisher hat ausgeübt werden können, durch Veräusserung dieser Fläche die Lebensfähigkeit, die schon infolge der Verkäufe von insgesamt 16,3 a in den Jahren 1961/62 beeinträchtigt worden ist, vollends entzogen.
Auch in einem solchen Fall muss aber angenommen werden, dass im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verliert. Denn dieses Gesetz bezweckt unter anderm gerade die Erhaltung möglichst vieler Bauernbetriebe, welche Grundlage der Existenz einer Bauernfamilie sein können (Art. 1 und 19 Abs. 1 lit. b; vgl.
BGE 83 I 230
Erw. 1). Der abweichenden Auslegung, welche der Beschwerdeführer jener Vorschrift geben möchte, kann nicht beigestimmt werden. Sie würde dazu führen, dass die Bestimmung solange nicht angewendet werden könnte, als noch ein landwirtschaftliches Kleingewerbe, das im Nebenberuf betrieben werden kann, erhalten bleibt. Das ist nicht der Sinn des Gesetzes (
BGE 88 I 327
Erw. 2 und nicht publiziertes Urteil vom 21. Dezember 1962 i.S. Kopp).
4.
Nach
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
wäre, obwohl durch den umstrittenen Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verlöre, der Einspruch gegen ihn dann unbegründet, wenn das zu veräussernde
BGE 89 I 55 S. 60
Grundstück zur Überbauung nicht nur bestimmt, sondern auch geeignet wäre oder wenn der Verkauf sich durch andere wichtige Gründe rechtfertigen liesse.
a) Der Beschwerdeführer will offenbar geltend machen, das von ihm zur Überbauung gekaufte Land sei für diesen Zweck auch geeignet.
Wie oben erwähnt, ist der von der Gemeindeversammlung von Wintersingen gutgeheissene Plan, welcher die Zuteilung dieses Landes zum Baugebiet vorsieht, vom Regierungsrat noch nicht genehmigt worden. Der Regierungsrat stellt fest, dass er den Plan nur soweit genehmigen wird, als das darin als Bauland ausgeschiedene Areal innerhalb des Perimeters des generellen Kanalisationsprojektes liegt. Das in Frage stehende Land liegt aber ausserhalb des Perimeters des heute gültigen generellen Kanalisationsprojekts. Zwar hat der Gemeinderat am 3.Mai 1962 beschlossen, das generelle Kanalisationsprojekt auf dieses Land auszudehnen. Indessen bedürfte auch diese Ausdehnung, um gültig zu sein, der Genehmigung des Regierungsrates. Sie hat jedoch, wie der Regierungsrat erklärt, wenig Aussicht auf Genehmigung, es wäre denn, dass das ganze generelle Kanalisationsprojekt überarbeitet würde. Der Beschwerdeführer behauptet nicht das Gegenteil. Nach der Ordnung, die gegenwärtig besteht und in absehbarer Zeit nicht geändert werden wird, würde aber für eine Baute, wie sie der Beschwerdeführer auf dem gekauften Areal errichten will, keine Bewilligung erteilt.
Dieses Land ist somit jedenfalls zur Zeit für die Überbauung, die der Beschwerdeführer zu beabsichtigen scheint, nicht geeignet, weil ihr Vorschriften des kantonalen Rechtes entgegenstehen.
b) Ein anderer wichtiger Grund im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
wäre nach den Darlegungen der Beschwerde die persönliche Lage des Verkäufers. Es wird darauf hingewiesen, dass Freivogel das 67. Altersjahr erreicht hat, dass seine einzigen Nachkommmen, zwei Töchter, auswärts verheiratet sind und dass er keine Arbeitskräfte
BGE 89 I 55 S. 61
findet. Unter diesen Umständen sei, erklärt der Beschwerdeführer, ohnehin in naher Zukunft mit der Liquidation des landwirtschaftlichen Betriebes des Verkäufers zu rechnen.
Darin, dass der Eigentümer eines Heimwesens den Landwirtschaftsbetrieb aufgeben will, kann jedoch ein wichtiger Grund, der die Auflösung des Gewerbes (in der bisherigen Form) rechtfertigen würde, nicht erblickt werden. Das EGG will die bestehenden landwirtschaftlichen Heimwesen dem Bauernstand erhalten. Es soll verhindern, dass ein landwirtschaftliches Gewerbe deshalb eingeht, weil der derzeitige Eigentümer den Betrieb nicht weiterführen kann oder will. Anderseits schliesst es einen Verkauf, der die Auflösung des Heimwesens nicht zur Folge hat, nicht aus. Es lässt zu, dass der Eigentümer das Heimwesen als Ganzes an jemanden veräussert, der dafür Gewähr bietet, dass es der Landwirtschaft erhalten bleibt (
BGE 88 I 329
lit. b). Diese Möglichkeit hat auch Freivogel, obwohl sein Heimwesen klein und stark parzelliert ist. Nach den - nicht widerlegten - Feststellungen des Regierungsrates ist es in Wintersingen nicht schwierig, Land hinzuzupachten, und könnte dort mit der Zeit auch eine Güterzusammenlegung zustande kommen.
c) Andere Tatsachen, welche als wichtige Gründe in Betracht kommen könnten, werden nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Der vom Beschwerdeführer beanstandete Einspruch ist daher nach
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
begründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b191b4f5-3f85-489a-af51-4ee9d7f0dd63 | Urteilskopf
97 IV 68
17. Urteil des Kassationshofes vom 11. Januar 1971 i.S. Steinegger gegen Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden. | Regeste
1.
Art. 269 Abs. 1 BStP
. In einer dem kantonalen Recht unterstellten Strafsache kann die Nichtanwendung der
Art. 32 ff. StGB
nicht als Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden (Erw. 1).
2.
Art. 268 Ziff. 1 BStP
. Die blosse Androhung von Strafe für künftigen Ungehorsam (
Art. 292 StGB
) ist mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 97 IV 68 S. 68
A.-
Gabrielle Steinegger übte seit September 1967 in Samedan bzw. seit Ende 1969 in St. Moritz den Beruf eines Chiropraktors aus, ohne dass sie dazu die erforderliche kantonale Bewilligung besass.
Das Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden erklärte deshalb Gabrielle Steinegger durch Strafmandat vom 29. Juni 1970 der Übertretung von Art. 27 bis der kantonalen Sanitätsordung und Art. 1 der kantonalen Verordnung über die Chiropraktik schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 500.--.
B.-
Gegen diese Verfügung erhob die Gebüsste Einsprache mit dem Begehren um Beurteilung des Falles durch den Kleinen Rat des Kantons Graubünden. Dieser wies die Einsprache ab und verurteilte die Angeschuldigte am 19. Oktober 1970 wegen vorsätzlicher Übertretung der Art. 27 bis und 33 der kantonalen Sanitätsordnung zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 500.--. Ferner forderte der Kleine Rat die Gebüsste
BGE 97 IV 68 S. 69
unter Hinweis auf die Strafandrohung des
Art. 292 StGB
auf, die Tätigkeit als Chiropraktor sofort einzustellen.
C.-
Gabrielle Steinegger führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kleinen Rates sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, eventuell zur Beweisergänzung, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze
Art. 32,
Art. 34 Ziff. 2 und
Art. 292 StGB
sowie den bundesrechtlich anerkannten Grundsatz der Wahrung berechtigter Interessen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Die Ausübung der Chiropraktik bedarf im Kanton Graubünden einer Bewilligung des Sanitätsdepartements (Art. 27 bis der kantonalen Sanitätsordnung vom 6. September 1953/4. November 1962 und Art. 1 der kantonalen Verordnung über die Chiropraktik vom 9. Dezember 1963). Die Widerhandlung gegen diese Vorschrift wird gemäss Art. 12 der Verordnung über die Chiropraktik auf Grund der Strafbestimmung des Art. 33 der Sanitätsordnung als Übertretung mit Busse geahndet.
Der angefochtene Entscheid, durch den die Beschwerdeführerin wegen unerlaubter chiropraktischer Tätigkeit in Anwendung von Art. 33 der kantonalen Sanitätsordnung zu einer Busse von Fr. 500.-- verurteilt wurde, stützt sich somit auf kantonales Recht (
Art. 335 Ziff. 1 StGB
). Die ausgefällte Strafe kann daher vor dem Kassationshof des Bundesgerichts, der nur die Verletzung von Bundesrecht überprüfen kann, nicht angefochten werden (
Art. 269 Abs. 1 und
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Ist die Strafe in Anwendung kantonalen Übertretungsstrafrechts ausgefällt worden, so beurteilt sich nach diesem Recht auch, ob die Beschwerdeführerin bei der Widerhandlung in Erfüllung einer Berufspflicht, in einem Notstand oder sonstwie zur Wahrung berechtigter Interessen gehandelt habe. Wenn die Vorinstanz keine Rechtfertigungsgründe im Sinne der
Art. 32 und 34 Ziff. 2 StGB
in Betracht zog, was übrigens angesichts der groben Missachtung der Vorschriften über die Ausübung der Chiropraktik nahe lag, so kann auch diese Unterlassung nicht als Verletzung von Bundesrecht gerügt werden, denn die Vorinstanz hat die erwähnten eidgenössischen Bestimmungen in ihrer Eigenschaft als stellvertretendes kantonales Recht nicht angewendet (
BGE 84 IV 28
Nr. 10).
BGE 97 IV 68 S. 70
2.
Die Beschwerdeführerin sieht darin, dass ihr für den Fall der Weiterführung der chiropraktischen Tätigkeit die Bestrafung gemäss
Art. 292 StGB
mit Haft oder Busse angedroht wird, eine Verletzung von Bundesrecht, weil der Ungehorsam gegen das Verbot der unerlaubten Berufsausübung bereits nach Art. 33 der kantonalen Sanitätsordnung mit Busse bestraft werde und daher für die Anwendung der subsidiären Bestimmung des
Art. 292 StGB
kein Raum bleibe (
BGE 90 IV 207
).
Auf diese Rüge ist nicht einzutreten. Die blosse Androhung von Strafe für künftigen Ungehorsam ist kein Urteil im Sinne des
Art. 268 Ziff. 1 BStP
, da durch die Androhung kein Rechtsnachteil ausgesprochen wird, der die Beschwerdeführerin beschwert (
BGE 96 IV 7
Erw. 1 und 67). Nur wenn sie in Anwendung von
Art. 292 StGB
bestraft worden wäre und wenn der kantonale Richter diese Bestimmung als eidgenössisches Recht angewendet hätte, wäre vom Kassationshof zu prüfen, ob der subsidiäre Charakter, den die Bestimmung im Bundesrecht hat, verkannt worden sei.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1940c8c-8b12-424c-80a0-242a32048c50 | Urteilskopf
121 III 345
69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Oktober 1995 i.S. M. H. gegen E. S. und P. G. (Berufung) | Regeste
Art. 933 und 934 ZGB
; anvertraute oder abhandengekommene Sache.
Eine aufgrund einer Täuschung übertragene Sache gilt als anvertraute Sache im Sinne von
Art. 933 ZGB
und nicht als wider Willen abhanden gekommene Sache gemäss
Art. 934 ZGB
, wenn die Täuschung nur das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, nicht jedoch die Besitzübertragung als solche betrifft. | Sachverhalt
ab Seite 346
BGE 121 III 345 S. 346
A.-
Im Mai 1992 bot M. H. ihren VW Golf GTI in einem Zeitungsinserat zum Verkauf an. Auf ihr Inserat hin meldete sich R. B., welcher der Klägerin mitteilte, er habe einen Käufer für den Wagen. Am 12. Mai 1992 übergab M. H. den VW Golf GTI R. B. zum Weiterverkauf an einen Dritten. Es wurde im wesentlichen vereinbart, dass R. B. den Wagen M. H. entweder binnen 48 Stunden zurückbringe oder ihr den Verkaufserlös von Fr. 22'500.-- übergebe.
Am 14. Mai 1992 verkaufte R. B. den Wagen zu einem Preis von Fr. 19'000.-- an den Occasionshändler E. S. Der Erlös wurde M. H. nie herausgegeben. Die in der Folge eingeschaltete Polizei beschlagnahmte am 21. Mai 1992 das Fahrzeug auf dem Gelände von E. S. Bereits am folgenden Tag wurde das Auto nach Rücksprache mit den zuständigen Untersuchungsrichtern wieder zurückgegeben. Am 23. Mai 1992 verkaufte E. S. den VW Golf GTI zum Preis von Fr. 20'500.-- an P. G.
R. B. wurde mit rechtskräftigem Urteil des Tribunal Criminel de la Gruyère vom 16. November 1993 wegen gewerbsmässigen Betruges etc. zu einer Zuchthausstrafe von 3 Jahren verurteilt.
B.-
Mit Klage vom 23. Dezember 1992 vor dem Appellationshof des Kantons Bern verlangte M. H. einerseits von P. G. die Herausgabe des VW Golf GTI und anderseits von P. G. und E. S. unter Solidarhaft Schadenersatz in einer vom Gericht zu bestimmenden Höhe. Im Verlauf des Verfahrens einigten sich die Parteien in einem Prozessvergleich darauf, dass der Wert des VW Golf GTI Fr. 19'000.-- betrage; P. G. verpflichtete sich, den Wagen M. H. zur freien Verfügung zu übergeben, während sich diese bereit erklärte, Fr. 19'000.-- auf ein Sparheft mit alleiniger Verfügungsberechtigung des Instruktionsrichters einzuzahlen. Vor diesem Hintergrund änderte M. H. ihr Rechtsbegehren und verlangte im wesentlichen, dass ihr die alleinige Verfügung über das Sparheft mit dem Betrag von Fr. 19'000.-- zu verschaffen sei. Mit Urteil vom 30. März 1995 wies der Appellationshof des Kantons Bern die Klage ab.
C.-
Mit undatierter Berufung, die am 6. Juni 1995 beim Appellationshof des Kantons Bern eingegangen ist, beantragt M. H. dem Bundesgericht im
BGE 121 III 345 S. 347
wesentlichen, dass ihr das Sparheft mit einem Betrag von Fr. 19'000.-- zur alleinigen Verfügung herauszugeben sei.
E. S. und P. G. beantragen die Abweisung der Berufung, während der Appellationshof des Kantons Bern auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet hat.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Appellationshof des Kantons Bern ist in seinem Urteil vom 30. März 1995 davon ausgegangen, dass die Klägerin R. B. den VW Golf GTI im Hinblick auf einen Verkauf an einen Dritten anvertraut habe und dass in der Folge der Beklagte 1 von R. B. und anschliessend auch der Beklagte 2 vom Beklagten 1 den Wagen gutgläubig erworben habe. Diese Auffassung hält die Klägerin für bundesrechtswidrig.
a) Zunächst macht die Klägerin geltend, dass sie den VW Golf GTI R. B. nicht anvertraut habe. Vielmehr sei ihr das Auto durch eine Täuschung wider ihren Willen abhandengekommen. Ob die unter dem Einfluss einer Täuschung übergebene Sache als anvertraut im Sinn von
Art. 933 ZGB
oder als abhandengekommen im Sinn von
Art. 934 Abs. 1 ZGB
zu gelten hat, ist umstritten (vgl.
BGE 121 IV 26
E. 2d; HINDERLING, Der Besitz, Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, Basel/Stuttgart 1977, S. 475 f. m.w.H.; STARK, Berner Kommentar, N. 29 f. zu
Art. 933 ZGB
m.w.H.). Dieses Problem stellt sich freilich dann nicht, wenn die Täuschung nicht die Besitzübertragung als solche, sondern das zugrundeliegende Rechtsverhältnis betrifft. Die Frage, ob eine Sache als anvertraut oder abhandengekommen zu qualifizieren ist, ist unabhängig vom zugrundeliegenden Rechtsgeschäft zu beantworten. Im Unterschied zum Eigentumserwerb, der nach dem Kausalitätsprinzip ein gültiges Grundgeschäft voraussetzt (
BGE 55 II 302
E. 2), ist der Übergang des Besitzes ein tatsächlicher Vorgang, der nach einhelliger Auffassung nicht von der Gültigkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes abhängt (HINDERLING, a.a.O., S. 429 f.; LIVER, Das Eigentum, Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, Basel/Stuttgart 1977, S. 325 f.; STARK, Berner Kommentar, N. 32 zu
Art. 933 ZGB
; HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Zürcher Kommentar, N. 64 zu
Art. 714 ZGB
). Da die Unverbindlichkeit des Grundgeschäftes keinen Einfluss auf die Besitzübertragung als Realakt hat, erweist sich ein Willensmangel in bezug auf dieses Rechtsgeschäft auch als unerheblich dafür, ob eine Sache mit dem
BGE 121 III 345 S. 348
Willen des Erstbesitzers dem neuen Besitzer anvertraut wurde oder ihm ohne seinen Willen abhandengekommen ist.
Im vorliegenden Fall kann in bezug auf die Besitzübertragung als solche keine Rede sein von einer Täuschung der Klägerin durch R. B. Die Vorinstanz hat verbindlich festgehalten (
Art. 63 Abs. 2 OG
), dass die Klägerin R. B. den Besitz am VW Golf GTI im Hinblick auf einen Verkauf an einen Dritten verschaffen wollte. Die Klägerin wurde nicht über die Besitzübertragung als solche, sondern nur in bezug auf das zugrundeliegende Rechtsgeschäft irregeführt, indem sie von R. B. darüber getäuscht worden war, dass er zum vornherein nicht bereit war, den Verkaufserlös zurückzuerstatten. Da die Klägerin den VW Golf GTI R. B. zum Weiterverkauf übergeben wollte und somit nicht in bezug auf die Besitzübertragung als solche, sondern nur hinsichtlich des zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes getäuscht worden war, hat die Vorinstanz den Wagen zutreffend als anvertraute Sache im Sinn von
Art. 933 ZGB
qualifiziert.
b) Weiter wirft die Klägerin der Vorinstanz vor, zu Unrecht die Gutgläubigkeit der Beklagten beim Erwerb des VW Golf GTI bejaht zu haben. Vielmehr sei sowohl der Beklagte 1 beim Erwerb des Wagens von R. B. als auch der Beklagte 2 beim Kauf vom Beklagten 1 bösgläubig bzw. unvorsichtig im Sinn von
Art. 3 Abs. 2 ZGB
gewesen. Wer von einem Occasionshändler ein Fahrzeug erwerbe, ohne sich den Originalfahrzeugausweis übergeben zu lassen, handle nicht gutgläubig. Die Gutgläubigkeit der Beklagten sei auch zu verneinen, weil sie das Auto ohne Nummernschilder übernommen hätten. Der Beklagte 2 sei schliesslich auch deshalb nicht gutgläubig gewesen, weil er vor Ort gewesen sei, als die Polizei dem Beklagten 1 den beschlagnahmten Wagen zurückgebracht habe.
Der Erwerber einer Sache gilt grundsätzlich als gutgläubig (
Art. 3 Abs. 1 ZGB
). Der Gutglaubensschutz versagt indessen, wenn die Unkenntnis des gutgläubigen Erwerbers vom Rechtsmangel darauf zurückzuführen ist, dass er beim Erwerb der Sache jene Aufmerksamkeit vermissen liess, die von ihm nach den Umständen verlangt werden durfte (
Art. 3 Abs. 2 ZGB
). Die Unaufmerksamkeit zieht somit die gleichen Rechtsfolgen nach sich wie die Bösgläubigkeit (
BGE 113 II 397
E. 2a).
Im vorliegenden Fall kann den Beklagten weder Bösgläubigkeit noch Unaufmerksamkeit vorgeworfen werden. An die Feststellung der Vorinstanz, es entspreche einer branchenüblichen Usanz, dass Autos von Occasionshändlern ohne die Übergabe des Originalfahrzeugausweises gehandelt werden, ist das
BGE 121 III 345 S. 349
Bundesgericht gebunden (
BGE 113 II 25
E. 1a). Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte 1 aufgrund der Tatsache, dass kein Fahrzeugausweis im Original vorgelegt wurde, keinen Verdacht schöpfen, zumal er bereits verschiedentlich ohne Probleme Autos von R. B. gekauft hatte und der Kaufpreis im Rahmen des unter Occasionshändlern gebräuchlichen Eurotax-Tarifes lag. Aus den gleichen Gründen ist auch die Gutgläubigkeit des Beklagten 2 beim Kauf des Autos vom Beklagten 1 zu bejahen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er auf dem Verkaufsgelände des Beklagten 1 war, als die Polizei das tags zuvor beschlagnahmte Auto zurückbrachte. Im Gegenteil durfte der Beklagte 2 in der Meinung bestärkt sein, dass die polizeiliche Beschlagnahmung zu Unrecht erfolgte bzw. deren Grund nachträglich weggefallen war und der Beklagte 1 zur Veräusserung berechtigt sei. Was die Klägerin im übrigen gegen die Gutgläubigkeit der Beklagten vorbringt, erweist sich als unbehelflich. Soweit sie geltend macht, dass die Gutgläubigkeit des Erwerbers von der (notariellen) Beurkundung der Verfügungsberechtigung des Occasionshändlers abhänge, verkennt sie, dass die rechtliche Frage der Verfügungsberechtigung nicht notariell beurkundet werden kann. Die Klägerin geht auch fehl in der Annahme, die Beklagten seien nicht gutgläubig gewesen, weil der Wagen ohne Nummernschilder übergeben worden sei. Da die Autos im Occasionshandel oft nicht eingelöst oder mit einer U-Nummer versehen sind, ist das Fehlen eines Nummernschildes nicht geeignet, die Gutgläubigkeit der Beklagten in die Verfügungsberechtigung ihrer Vertragspartner zu beseitigen.
Aus diesen Gründen kann der Auffassung der Klägerin, die Beklagten hätten unaufmerksam im Sinn von
Art. 3 Abs. 2 ZGB
oder gar bösgläubig gehandelt, nicht gefolgt werden. Vielmehr ist der gute Glaube der Beklagten im Sinn von
Art. 933 ZGB
zu bejahen.
c) Der Appellationshof des Kantons Bern ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass es sich beim VW Golf GTI um eine anvertraute Sache handelt und dass die Beklagten bei ihrem Erwerb gutgläubig waren. Die Berufung ist daher abzuweisen. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b19ffae2-4bc7-49ea-ba67-94f6e7b9276f | Urteilskopf
83 II 544
75. Arrêt de la IIe Cour civile du 5 décembre 1957 dans la cause Uhlmann contre Burkhalter. | Regeste
Art. 48, 64 und 66 OG
.
1. Wann hat ein Abschreibungsbeschluss den Charakter eines Endurteils im Sinne von
Art. 48 OG
? (Erw. 1).
2. Hat eine Partei das ihre Anschlussappellation abweisende und die Hauptappellation der Gegenpartei gutheissende obergerichtliche Urteil weitergezogen mit dem Erfolge, dass das Bundesgericht das kantonale Urteil aufhob und die Sache zur Aktenergänzung und zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die kantonale Instanz zurückwies, so kann die andere Partei nun die seinerzeit an das Obergericht eingelegte Hauptappellation nicht mehr wirksam zurückziehen. Das Obergericht hat das bundesgerichtliche Urteil zu vollziehen und eine ihm entsprechende Sachentscheidung zu fällen (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 545
BGE 83 II 544 S. 545
A.-
Par jugement du 10 février 1956, le Tribunal du district de Neuchâtel a admis l'action en divorce intentée par dame Simone Burkhalter, née Uhlmann, et rejeté celle du mari; il a attribué les deux enfants à la demanderesse en réservant le droit de visite du père, condamné Burkhalter à payer à sa femme 225 fr. par mois pour chacun d'eux jusqu'à leur majorité et une rente de 200 fr. pour elle-même, et donné acte au défendeur qu'il avait restitué les apports de son épouse.
Burkhalter a appelé de ce jugement au Tribunal cantonal neuchâtelois en reprenant ses conclusions tendantes
BGE 83 II 544 S. 546
à ce que son action en divorce fût admise et à ce qu'il fût statué sur l'attribution des enfants en considération de leur seul intérêt, la pension qu'il pourrait être astreint à payer pour eux et son droit de visite devant être fixés par le juge pour le cas où la puissance paternelle serait confiée à la mère. Dans les motifs de son recours, il a fait valoir en outre que la pension allouée à sa femme était "mal fondée et inéquitable" et en a critiqué subsidiairement la durée illimitée.
La demanderesse a formé un "appel par voie de jonction" et a conclu à l'allocation d'une pension de 500 fr. par mois pour elle-même et d'une indemnité de 20 000 fr. "pour atteinte aux intérêts pécuniaires et comme réparation morale".
Par arrêt du 4 juin 1956, le Tribunal cantonal neuchâtelois a admis l'appel principal de Burkhalter, rejeté le recours joint de la femme, réduit à cinq ans la durée de la pension mensuelle de 200 fr. allouée à celle-ci et confirmé pour le surplus le jugement entrepris.
B.-
Contre cet arrêt, dame Burkhalter a interjeté un recours en réforme au Tribunal fédéral et conclu principalement à ce que l'intimé fût condamné à lui payer, "sa vie durant, une rente de 500 fr. par mois exigible d'avance, à titre d'indemnité et non réductible", et une somme "de 20 000 fr. ou ce que justice connaîtra, à titre d'indemnité et de réparation morale", subsidiairement à ce qu'une indemnité à fixer par le tribunal lui fût allouée "pour atteinte aux intérêts personnels et réparation morale". L'intimé a conclu au rejet du recours.
Par arrêt du 15 novembre 1956, la IIe Cour civile du Tribunal fédéral a prononcé:
"Le recours est admis, l'arrêt attaqué est annulé et l'affaire est renvoyée à l'autorité cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants."
Cet arrêt est en substance motivé de la façon suivante: Burkhalter, qui a causé la désunion en commettant l'adultère, doit être considéré comme le conjoint coupable
BGE 83 II 544 S. 547
au sens de l'
art. 151 CC
. En revanche, la recourante a la qualité d'époux innocent, attendu que la rupture du lien conjugal ne lui est pas imputable et qu'aucun comportement contraire au mariage ne peut être retenu contre elle. Elle a droit dès lors aux indemnités prévues par l'
art. 151 CC
. Dans la détermination du revenu de l'intimé, le Tribunal cantonal a commis une erreur qui a complètement faussé le calcul de la rente à laquelle dame Uhlmann peut prétendre. Il a également omis de tenir compte de la fortune de Burkhalter et de son train de vie, alors que ces éléments entrent en considération pour la fixation de la pension due à la recourante. Cela étant, "conformément à l'
art. 64 OJ
, l'arrêt attaqué doit être annulé et la cause renvoyée à la juridiction neuchâteloise, car les lacunes dont il est entaché ne concernent pas des points accessoires sur lesquels le Tribunal fédéral peut compléter lui-même les constatations de l'autorité cantonale. Dans son nouveau jugement, le Tribunal cantonal devra se fonder sur le revenu total de l'intimé, qui est à peu près le double du montant admis par la décision entreprise, sur sa fortune et sur tous les éléments mis en lumière par la procédure". La rente due à dame Uhlmann doit être fixée sans limitation de durée, car aucun motif ne justifie une réduction. Les conditions de l'allocation d'une indemnité à titre de réparation du tort moral sont en outre réunies. Il appartiendra au Tribunal cantonal de fixer cette indemnité dans son nouveau jugement, en tenant compte de tous les éléments fournis par la procédure.
C.-
A la suite de l'arrêt du Tribunal fédéral, les parties ont été assignées devant la juridiction cantonale et ont comparu à l'audience du 18 février 1957. Le 27 février 1957, l'expert Wuilleumier a été entendu et a donné son avis sur le revenu de Burkhalter. Le juge rapporteur a demandé aux parties, le 23 mars 1957, si elles entendaient proposer de nouvelles preuves ou si elles estimaient que le nouveau jugement devait être rendu sur la base du dossier. Dame Uhlmann a renoncé à faire administrer
BGE 83 II 544 S. 548
d'autres preuves. Quant à Burkhalter, par acte du 2 avril 1957, il a déclaré retirer "l'appel interjeté en date du 16 avril 1956". Dame Uhlmann a contesté la recevabilité de ce retrait d'appel et requis le Tribunal cantonal de "rendre un jugement conforme au dispositif et aux considérants de l'arrêt du Tribunal fédéral du 15 novembre 1956".
Le 9 avril 1957, le Tribunal cantonal a rejeté la requête de dame Uhlmann et ordonné "le classement du dossier", considérant notamment que l'appelant peut toujours retirer son appel et que le retrait de l'appel principal de Burkhalter rendait le procès sans objet, attendu que, selon l'art. 378 al. 3 du code de procédure civile neuchâtelois, "le pourvoi par voie de jonction tombe par le fait que l'autre partie retire son appel".
D.-
Dame Uhlmann a recouru en réforme au Tribunal fédéral contre cette ordonnance; elle en demande l'annulation et conclut principalement à l'allocation d'une rente mensuelle de 500 fr. sans limitation de durée et d'une indemnité de 5000 fr. à titre de réparation du tort moral, subsidiairement au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle rende un jugement conforme aux considérants de l'arrêt du Tribunal fédéral du 15 novembre 1956.
L'intimé conclut principalement à l'irrecevabilité du recours, subsidiairement à son rejet et plus subsidiairement au renvoi de la cause au Tribunal cantonal pour nouveau jugement.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recours en réforme n'est recevable en règle générale que contre les décisions finales prises par les tribunaux ou autres autorités suprêmes des cantons et qui ne peuvent pas être l'objet d'un recours ordinaire de droit cantonal (
art. 48 al. 1 OJ
).
Sous l'empire de l'art. 58 de l'ancienne loi d'organisation judiciaire, la jurisprudence a admis qu'une décision sur une question de procédure constitue un jugement au
BGE 83 II 544 S. 549
fond lorsque, dans ses effets, elle a en fait pour résultat le rejet de la prétention de droit matériel (RO 50 II 210). Dans ce sens, le Tribunal fédéral a considéré que le recours en réforme est recevable contre la décision par laquelle un tribunal, estimant qu'une action en contestation de l'état de collocation n'est plus possible après la révocation de la faillite à la suite de la conclusion d'un concordat, raie de son rôle le procès intenté par un créancier à un autre créancier en élimination de la prétention de celui-ci: dans ce cas, la décision de radiation a pour effet de rejeter définitivement l'action de l'instant; elle porte tant sur l'existence matérielle de la créance invoquée par le défendeur contre le débiteur que sur la prétention du demandeur tendant à ce que le dividende afférent à cette créance lui soit dévolu, non seulement dans la faillite mais aussi dans le concordat (RO 49 III 196). Cette jurisprudence reste valable pour l'application de l'
art. 48 OJ
(BIRCHMEIER, Handbuch des OG, p. 165), attendu que la notion de décision finale au sens de cette disposition est plus large que celle du jugement au fond de l'art. 58 de l'ancienne loi (RO 74 II 177).
Dans l'espèce, l'ordonnance de classement rendue par la juridiction cantonale emporte en fait le rejet des prétentions matérielles de la recourante, savoir de celles tendant à la fixation éventuelle d'une pension supérieure à 200 fr. par mois, de sa créance d'une indemnité pour tort moral admise par l'arrêt du Tribunal fédéral du 15 novembre 1956 et de son droit à une répartition des frais qui lui soit favorable. Elle constitue dès lors une décision finale au sens de l'
art. 48 OJ
.
Il est constant par ailleurs que l'ordonnance attaquée a été prise par le tribunal suprême neuchâtelois et qu'elle ne peut pas fairel'objet d'un recours ordinaire de droit cantonal.
D'autre part, la recourante fait valoir que la décision entreprise viole le droit fédéral, savoir les dispositions de la loi fédérale d'organisation judiciaìre, en particulier l'art. 66.
BGE 83 II 544 S. 550
Il suit de là que le recours est recevable au regard des
art. 43 et 48 OJ
.
2.
Lorsqu'un jugement est annulé à la suite d'un recours en réforme et l'affaire renvoyée à l'autorité cantonale, celle-ci est tenue de fonder sa nouvelle décision sur les considérants de droit de l'arrêt du Tribunal fédéral (
art. 66 OJ
). Dans l'espèce, le Tribunal fédéral a jugé que Burkhalter avait provoqué la rupture du lien conjugal et qu'il était l'époux coupable tandis que la recourante devait être considérée comme innocente. Par là, il a prononcé que Burkhalter ne pouvait pas demander le divorce et que son appel principal devant la juridiction cantonale, tendant en particulier à l'admission de son action et, subsidiairement, à la réduction de la pension allouée à dame Uhlmann quant à la quotité et à la durée, n'était pas fondé. Il s'ensuit qu'un retrait de cet appel postérieurement à l'arrêt du 15 novembre 1956 était inopérant. D'autre part, le Tribunal fédéral a reconnu à la recourante la qualité d'époux innocent et jugé qu'elle avait droit aux indemnités prévues par l'
art. 151 al. 1 et 2 CC
. Les constatations de la juridiction cantonale concernant le revenu et la fortune de Burkhalter étant cependant insuffisantes et incomplètes, le Tribunal fédéral n'a pas été en mesure, sur la base du dossier, de fixer la pension due à dame Uhlmann, sans limitation de durée ni réduction. et l'indemnité pour tort moral à laquelle elle avait droit. Cela étant, il a renvoyé l'affaire à l'autorité neuchâteloise pour qu'elle complète le dossier, en particulier établisse le revenu total réel de l'intimé, et qu'elle arrête le montant de la rente et de l'indemnité pour tort moral, en tenant compte de tous les éléments fournis par la procédure. Saisi à nouveau de l'affaire par ce renvoi, le Tribunal cantonal était tenu d'exécuter strictement l'arrêt du Tribunal fédéral et de rendre une décision qui lui soit en tous points conforme (arrêt non publié de la Chambre de droit public du 27 novembre 1957 dans la cause Giorgini c. Fouquet); il devait fixer, quant à leur quotité, la
BGE 83 II 544 S. 551
pension et l'indemnité pour tort moral que le Tribunal fédéral avait en principe allouées, sans restriction aucune, à la recourante. Le renvoi de l'affaire à l'autorité cantonale "pour nouveau jugement dans le sens des considérants" signifiait que la juridiction neuchâteloise devait rendre une nouvelle décision fondée sur l'arrêt du Tribunal fédéral, qui reconnaissait de façon expresse à dame Uhlmann le droit à une pension et à une somme d'argent à titre de réparation morale proportionnées notamment au gain effectif et à la fortune de l'intimé.
Il suit de là que l'ordonnance attaquée est en contradiction avec l'arrêt du Tribunal fédéral du 15 novembre 1956, qu'elle doit, partant, être annulée et l'affaire, renvoyée à nouveau au Tribunal cantonal pour qu'il exécute cet arrêt en rendant une décision qui lui soit conforme.
3.
En l'état, le Tribunal fédéral ne saurait statuer lui-même sur le montant de la rente et de l'indemnité pour tort moral, attendu que la décision attaquée ne contient sur ces points aucune constatation lui permettant de le faire.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis, l'ordonnance de classement du Tribunal cantonal de Neuchâtel du 9 avril 1957 est annulée et l'affaire est renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle statue en conformité de l'arrêt rendu le 15 décembre 1956 par la IIe Cour civile du Tribunal fédéral. | public_law | nan | fr | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1a6b714-5c89-4d92-ad5a-cf2faae5628d | Urteilskopf
83 IV 211
62. Arrêt de la Cour de cassation du 18 novembre 1957 dans la cause Disch contre Ministère public du canton de Genève. | Regeste
Art. 268 Abs.2 BStP
.
Gegen prozessleitende Verfügungen, insbesondere gegen Überweisungsbeschlüsse, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht gegeben. | Erwägungen
ab Seite 211
BGE 83 IV 211 S. 211
Attendu que le pourvoi en nullité est ouvert contre les jugements (art. 268 al. 2 PPF), c'est-à-dire contre les prononcés qui statuent sur l'action pénale (libération, condamnation, révocation du sursis) ou sur une question préjudicielle qui peut y mettre fin (plainte du lésé, prescription, responsabilité de l'accusé); qu'il n'est pas ouvert, en revanche, contre les décisions qui n'intéressent que la marche de la procédure (RO 74 IV 128), les ordonnances de non-lieu rendues en dernière instance étant seules exceptées (art. 268 al. 3 PPF); qu'il est dès lors irrecevable lorsqu'il vise soit une décision donnant suite à l'accusation, comme le dit expressément l'arrêt précité, soit aussi une ordonnance de renvoi; que la cour de céans en a déjà jugé ainsi à de nombreuses reprises (arrêts Wasser, du 13 novembre 1951 et les arrêts antérieurs cités; Clivaz, du 3 octobre 1953; Chardon, du 28 janvier 1954; Gillet, du 5 mai 1955 etc., non publiés). | null | nan | fr | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1a79c2c-2cd4-45c7-bcea-f79f937f81f1 | Urteilskopf
103 IV 106
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Mai 1977 i.S. T. gegen Jugendanwaltschaft des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 39 SVG
,
Art. 28 VRV
.
Radfahrer und Motorfahrrad-Fahrer. Zeichengebung. Vorsichtspflicht beim Linksabbiegen. | Erwägungen
ab Seite 106
BGE 103 IV 106 S. 106
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer glaubt, es sei einem Mofalenker nicht zuzumuten, während des Linksabbiegens den Arm auszustrecken; es genüge, dies vor dem Einspuren zu tun. Er irrt. Es gehört zu den elementaren Fahrregeln für Rad- und Mofafahrer, dass sie rechtzeitig vor Beginn und während des Abbiegens, vor allem auch nach links, ein deutliches Handzeichen zu geben haben. Das lernt der junge Mensch heute schon im Kindergarten und in der Primarschule. Eine "Ausnahme" im Sinne des Beschwerdeführers ist nur dort zulässig, wo auf der Strasse deutliche Markierungen durch Pfeile die Abbiegspuren bezeichnen; hier genügt das Handzeichen bis klar eingespurt ist, während bei der Weiterfahrt auf der so gekennzeichneten Abbiegespur nicht nochmals der Arm ausgestreckt werden muss. Im vorliegenden Fall zeigen die Fotos aber deutlich,
BGE 103 IV 106 S. 107
dass keine gekennzeichneten Abbiegespuren vorhanden waren.
Der Beschwerdeführer durfte sich nicht darauf verlassen, dass er 100 m vorher nach hinten schaute und kein nachfolgendes Fahrzeug sah. Er hat seine Vorsichtspflicht nicht nur durch das mangelnde Handzeichen verletzt, sondern auch dadurch, dass er nicht unmittelbar vor dem Abbiegen sich vergewisserte, dass niemand von hinten nahte, und sich zu überholen anschickte. Schon eine leichte Kopfdrehung hätte ihm ermöglicht, die beiden rasch nahenden Autos zu bemerken. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1aaa0da-0eac-4188-b4b4-19112dad37ac | Urteilskopf
121 II 166
28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. August 1995 i.S. D. gegen Militärpflichtersatzverwaltung und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 4 MPG,
Art. 81 Ziff. 2 MStG
; Befreiung vom Militärpflichtersatz.
Dienstverweigerung aus Gewissensgründen. Verpflichtung zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse (
Art. 81 Ziff. 2 MStG
).
Anerkennung der Arbeitsleistung als dem Militärdienst gleichwertige Dienstleistung?
- Voraussetzungen der Abgabepflicht (E. 1).
- Rechtsnatur der Arbeitsleistung (E. 2 u. 4).
- Verhältnis zum künftigen Zivildienst (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 167
BGE 121 II 166 S. 167
Am 4. Mai 1992 sprach das Militärappellationsgericht 2A D. unter Zubilligung einer schweren Gewissensnot der Dienstverweigerung schuldig, verpflichtete ihn zu einer Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse und verurteilte ihn zum Ausschluss aus der Armee (Art. 81 Ziff. 2 des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927 [MStG, SR 321.0] in der Fassung vom 5. Oktober 1990).
Mit Verfügung vom 19. März 1993 wurde D. zum Militärpflichtersatz für das Jahr 1992 herangezogen. Gegen diese Verfügung erhob er Einsprache und beantragte, die Ersatzabgabe sei aufzuheben. Zur Begründung führte er aus, er stehe im Arbeitsdienst und sehe nicht ein, weshalb er Militärpflichtersatz zu bezahlen habe. Sinngemäss forderte er die Anerkennung der Arbeitsleistung im Sinne von
Art. 81 Ziff. 2 MStG
als dem Militärdienst gleichwertige Dienstleistung.
Gegen den abweisenden Einspracheentscheid der Militärpflichtersatzverwaltung des Kantons St. Gallen führte der Ersatzpflichtige erfolglos Beschwerde bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen.
Die gegen das Urteil der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen erhobene verwaltungsgerichtliche Beschwerde wird vom Bundesgericht abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BV
statuiert die allgemeine Wehrpflicht. Diese ist durch persönliche Dienstleistung (Militärdienst) in den Heeresklassen zu erfüllen (Art. 1 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907 über die Militärorganisation [MO; SR 510.10] in der Fassung vom 22. Juni 1990). Wer die Wehrpflicht nicht durch persönliche Dienstleistung erfüllt, hat einen Militärpflichtersatz zu bezahlen (
Art. 18 Abs. 4 BV
;
Art. 2 Abs. 1 MO
). Das Nähere regelt das Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 über den Militärpflichtersatz (MPG; SR 661). Ersatzpflichtig sind danach die Wehrpflichtigen mit Wohnsitz im In- oder Ausland, die in einem Kalenderjahr (dem Ersatzjahr) während mehr als sechs Monaten nicht in einer Formation der Armee eingeteilt sind oder als Dienstpflichtige ihren Militärdienst versäumen (Art. 2 Abs. 1 MPG). Ausnahmen von der Ersatzpflicht sieht Art. 4 MPG vor. Nach dieser Vorschrift ist von der Ersatzpflicht u.a. befreit, wer wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen sich in einer wirtschaftlichen Notlage befindet (Abs. 1 lit. a) oder wer dienstuntauglich erklärt oder vom Militärdienst dispensiert wird, weil seine Gesundheit durch den
BGE 121 II 166 S. 168
Militärdienst geschädigt wurde (Abs. 1 lit. b).
Diese Ordnung in der Verfassung und im Gesetz ist für das Bundesgericht verbindlich (
Art. 114bis Abs. 3 BV
). Nach der gesetzlichen Regelung kann aber unter der persönlichen Dienstleistung nur der Militärdienst, d.h. die Dienstleistung in der Armee, verstanden werden (
Art. 1 Abs. 3,
Art. 2 Abs. 1 MO
, Art. 1 MPG). Aus der Armee ausgeschlossene Wehrpflichtige schulden demnach die Ersatzabgabe. Vorbehalten bleiben die Ersatzbefreiungsgründe des Art. 4 MPG, doch fällt die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht darunter. Der Beschwerdeführer kann nicht wegen seiner Gewissensnot vom Militärpflichtersatz befreit werden.
2.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf den besonderen Charakter der Arbeitsdienstleistung im Sinne von
Art. 81 Ziff. 2 MStG
und macht geltend, diese müsse als dem Militärdienst gleichwertige Dienstleistung anerkannt werden, weshalb er für die Dauer der Arbeitsleistung keinen Militärpflichtersatz schulde.
Diese Auffassung beruht auf einer Verkennung der verfassungsmässigen und gesetzlichen Ordnung. Nach
Art. 81 Ziff. 2 MStG
in der Fassung vom 5. Oktober 1990 werden Dienstverweigerer, die unter Berufung auf ethische Grundwerte glaubhaft darlegen, dass sie den Militärdienst mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, seit dem 15. Juli 1991 nicht mehr zu Gefängnis verurteilt, sondern sie werden zu einer Arbeitsleistung verpflichtet, die im öffentlichen Interesse liegt. Die Änderung von
Art. 81 Ziff. 2 MStG
wurde im Jahre 1990 in das Militärstrafgesetz eingeführt, um die Dienstverweigerung teilweise zu entkriminalisieren; die Verpflichtung zur Arbeitsleistung wird denn auch nicht in die Strafregister eingetragen (
Art. 226 MStG
in der Fassung vom 5. Oktober 1990). Sie stellt jedoch keinen Ersatz für den Militärdienst dar, sondern wird anstelle von Gefängnis angeordnet. Es handelt sich um eine Ersatzmassnahme zur Gefängnisstrafe, die ihren Strafcharakter beibehalten hat, auch wenn sie durch die zivilen Behörden vollzogen wird (Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1987 über die Änderung des Militärstrafgesetzes, BBl 1987 II 1317). Alle anderen Militärdienstverweigerer werden nach wie vor zu Gefängnisstrafen verurteilt. Handelt es sich aber bei der Arbeitsdienstleistung nicht um eine Form der Erfüllung der persönlichen Dienstpflicht, sondern um eine Sanktion für deren Verletzung, so kann sie auch ersatzrechtlich nicht dem Militärdienst gleichgestellt werden. Wenn daher im Zuge der Revision des Militärstrafgesetzes im Jahre 1990 die
BGE 121 II 166 S. 169
Militärpflichtersatzabgabe keiner Änderung unterzogen wurde, so liegt darin kein Versehen des Gesetzgebers, keine Lücke des Gesetzes, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Der Wehrpflichtige, der aus Gewissensgründen den Militärdienst verweigert, schuldet deshalb den Militärpflichtersatz auch für den Zeitraum, da er zur Arbeitsleistung herangezogen wird.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Dauer der Arbeitsdienstverpflichtung. Die Arbeitsleistung wird in der Regel auf das Anderthalbfache des verweigerten Dienstes festgelegt (
Art. 81 Ziff. 2 Abs. 2 MStG
). Diese Dauer des Arbeitsdienstes bildet indessen nicht den Ausgleich zur persönlichen Dienstleistung, sondern die Sanktion dafür, dass der Dienstverweigerer die persönliche Dienstleistung nicht erfüllt. Schon nach der bisherigen Rechtsprechung trugen die Militärgerichte bei der Bemessung der Gefängnisstrafe der Dauer des insgesamt verweigerten Dienstes Rechnung. Nicht anders verhält es sich bei der Bemessung der Dauer des Arbeitsdienstes.
3.
Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auch auf den Zivildienst, wie er im Entwurf zu einem Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst (Zivildienstgesetz; ZDG) vorgesehen ist. Mit Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 wurde
Art. 18 Abs. 1 BV
durch den Satz ergänzt: "Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor." Nach dem Wortlaut ist der Zivildienst ein Ersatzdienst, wobei sich der Ersatzcharakter auf den Militärdienst und nicht auf die Wehrpflicht als solche bezieht. Beim vorgesehenen Zivildienst handelt es sich deshalb um eine Form der Erfüllung der Wehrpflicht (Botschaft des Bundesrates vom 22. Juni 1994 zum Zivildienstgesetz, BBl 1994 III 1626 ff., Ziff. 141 und 142). Zivildienstpflichtige Personen, die ihren Dienst nicht oder nur teilweise persönlich leisten, müssen denn auch künftig eine Ersatzabgabe bezahlen (Art. 15 Entwurf ZDG; Botschaft, a.a.O., S. 1666).
Daraus kann indessen nicht geschlossen werden, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung im öffentlichen Interesse nach
Art. 81 Ziff. 2 MStG
bilde ebenfalls eine Form der Erfüllung der Wehrpflicht. Am 26. Februar 1984 hatten Volk und Stände zum zweitenmal innert sechs Jahren die Einführung eines Zivildienstes abgelehnt. Mit der Revision des Militärstrafgesetzes im Jahre 1990 wurde daher nur bezweckt, "im Rahmen der Bundesverfassung einen Beitrag zur Entschärfung des Dienstverweigererproblemes zu leisten" und den Strafvollzug für Dienstverweigerer aus Gewissensgründen zu entkriminalisieren. Nach dem erklärten Willen des Bundesrates sollte mit
BGE 121 II 166 S. 170
der Änderung von
Art. 81 MStG
die Einführung eines Zivildienstes nicht vorweggenommen werden. Allenfalls sollten damit Erfahrungen gesammelt werden, um später dem Souverän eine neue Vorlage zur Einführung eines Zivildienstes auf Verfassungsstufe unterbreiten zu können (Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1987, BBl 1987 II S. 1313 Ziff. 11 f.), was inzwischen auch erfolgt ist. Aus der Regelung des Zivildienstes, wie sie im Entwurf zu einem Bundesgesetz vorgesehen ist, lässt sich daher nicht ableiten, beim Arbeitsdienst nach
Art. 81 Ziff. 2 MStG
handle es sich ebenfalls um einen Ersatzdienst zum Militärdienst.
4.
Unbegründet ist schliesslich auch der Einwand des Beschwerdeführers, er werde doppelt bestraft, weil er einerseits zum Arbeitsdienst verpflichtet werde und andererseits den Militärpflichtersatz zu bezahlen habe. Der Militärpflichtersatz ist keine Strafe. Er ist die Ersatzleistung, die der Schweizer Bürger zu bezahlen hat, der seine Wehrpflicht - aus welchen Gründen immer - nicht oder nicht im gesetzlichen Umfang durch persönliche Dienstleistung erfüllt. Die Abgabe ist an sich geschuldet, weil der Wehrpflichtige von seiner ihm gegenüber dem Gemeinwesen obliegenden öffentlichrechtlichen Pflicht zur Leistung von Militärdienst befreit ist (Botschaft des Bundesrates vom 11. Juli 1958 über die Neuordnung des Militärpflichtersatzes, BBl 1958 II 340;
BGE 113 Ib 206
E. 3a). Dass es beim Militärpflichtersatz nicht um eine Strafe geht, zeigt sich auch etwa darin, dass derjenige, der rechtmässig im Ausland weilt und aus diesem Grund den Militärdienst nicht leisten kann, die Ersatzabgabe zu bezahlen hat (Art. 2 Abs. 1 lit. c MPG). Der Beschwerdeführer wird dadurch, dass er sowohl zur Arbeitsdienstleistung als auch zur Ersatzabgabe herangezogen wird, nicht doppelt bestraft. | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1ada977-c35a-4b6f-bc4d-46e84223723d | Urteilskopf
138 I 232
21. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause X. contre Les Transports Publics Genevois (recours constitutionnel subsidiaire)
8C_200/2011 du 13 janvier 2012 | Regeste
Art. 9 BV
;
Art. 85 Abs. 2 und
Art. 113 ff. BGG
;
Art. 329d OR
;
Art. 160C KV/GE
; Personalreglement der Öffentlichen Verkehrsbetriebe Genf (TPG) vom 1. Januar 1999; Vollzugsvorschrift zum Personalreglement der TPG vom 1. Januar 1999.
Forderung eines Mitarbeiters der TPG auf Ausrichtung eines Ferienzuschlags auf den für Nacht-, Wochenend- sowie Feiertagsarbeit ausgerichteten Entschädigungen in Anwendung der gemäss
BGE 132 III 172
betreffend
Art. 329d OR
entwickelten Grundsätze.
Unzulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten: Der Streitwert erreicht den massgebenden Betrag nicht und es stellt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da
Art. 329d OR
hier nur unter dem Titel ergänzenden kantonalen Rechts Anwendung findet (E. 2).
Abweisung der subsidiären Verfassungsbeschwerde: Die vom kantonalen Gericht vorgenommene Auslegung der Vollzugsvorschrift zum Personalreglement der TPG, wonach diese die Frage der Ferienentschädigungen abschliessend regelt, ist nicht willkürlich (E. 6). Es ist auch nicht willkürlich zu erwägen, das kantonale öffentliche Personalrecht könne von den Minimalgarantien des OR auf dem Gebiet des Arbeitsvertrags abweichen (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 233
BGE 138 I 232 S. 233
A.
A.a
X. travaille au service des Transports publics genevois (ci-après: TPG) depuis 1988. Il est affecté au secteur Y. Il est appelé à travailler régulièrement la nuit, les week-ends et les jours fériés. Il est soumis au Statut du personnel des TPG du 1
er
janvier 1999 ([SP] ci-après: le Statut), ainsi qu'à son règlement d'application, du 1
er
janvier 1999 également ([RSP] ci-après: le règlement).
L'art. 2 du Statut prévoit que tous les employés sont liés aux TPG par un rapport de droit public (ch. 2). Le code des obligations, notamment son titre dixième (contrat de travail), s'applique à titre de droit public supplétif (ch. 3).
L'art. 31 ch. 3 du règlement prévoit ceci:
"Pour le personnel travaillant dans les divisions exploitation, technique, ainsi que planification et installations, le travail effectué entre 22h00 et minuit donne droit à une majoration de temps de 10%, entre minuit et 04h00 et entre 04h00 et 05h00 (prise de service avant 04h00) de 30% (dès 55 ans, de 40%).
De plus, le travail de nuit donne droit à une prime fixée à l'heure effective. Une fraction d'heure est arrondie à l'unité supérieure."
Quant à l'art. 32, qui traite du travail le samedi, le dimanche et les jours fériés, il contient un ch. 2 ainsi libellé:
BGE 138 I 232 S. 234
"Une prime est versée à l'employé qui est en service un samedi, un dimanche ou un jour férié au sens de l'art. 47 SP. Elle est fixée:
a) à la journée lorsque l'employé effectue un horaire entier;
b) à la demi-journée, lorsqu'un demi-horaire est effectué;
c) à l'heure, une fraction d'heure étant arrondie à l'unité supérieure, dans les autres cas."
Les TPG ont toujours considéré que le salaire perçu par les employés pendant les vacances ne comprend pas les primes pour le travail de nuit et pour le travail le samedi, le dimanche et les jours fériés (primes pour inconvénients).
A.b
En 2009, huit employés des TPG ont demandé à la direction des TPG le paiement d'un supplément de vacances sur les indemnités versées pour le travail de nuit, du samedi et du dimanche et des jours fériés. Les TPG ont rejeté cette demande par décision du 18 janvier 2010.
B.
Les huit employés concernés ont recouru devant le Tribunal administratif du canton de Genève (depuis le 1
er
janvier 2011: la Chambre administrative de la Cour de justice du canton de Genève). X. a conclu à l'annulation de la décision attaquée et au paiement de 3'600 fr. plus intérêts à 5% l'an "à compter de la moyenne du 1
er
novembre 2006".
La Chambre administrative a statué séparément sur chacun des recours, qu'elle a rejetés, en particulier celui de X. (arrêt du 1
er
février 2011).
C.
X. interjette un recours en matière de droit public et un recours constitutionnel subsidiaire dans lequel il conclut à l'annulation du jugement attaqué et au paiement par les TPG de la somme de 3'600 fr. (plus intérêts). Subsidiairement, il conclut au renvoi de la cause à l'autorité précédente pour nouveau jugement au sens des motifs.
Les TPG concluent à l'irrecevabilité du recours en matière de droit public, subsidiairement à son rejet, et au rejet du recours constitutionnel subsidiaire.
D.
Par des mémoires séparés, six autres employés des TPG ont également saisi le Tribunal fédéral d'un recours contre le jugement du Tribunal administratif les concernant. Il sera statué séparément sur le sort de leur recours.
Le recours en matière de droit public a été déclaré irrecevable; le recours constitutionnel subsidiaire a été rejeté.
BGE 138 I 232 S. 235
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
1.1
Conformément à l'art. 160C de la Constitution de la République et canton de Genève du 24 mai 1847 (Cst./GE; RSG A 2 00), un établissement de droit public est chargé de la gestion des transports publics. Cet établissement est soumis à la surveillance du Conseil d'Etat. En application de cette disposition constitutionnelle, le législateur genevois a adopté la loi du 21 novembre 1975 sur les transports publics genevois (LTPG; RSG H 1 55). Selon l'art. 19 al. 1 LTPG, le Conseil d'administration est le pouvoir supérieur des TPG. Il établit le statut du personnel et fixe les traitements, après consultation du personnel (
art. 19 al. 2 let
. o).
1.2
Comme l'ont retenu avec raison les premiers juges, les règles adoptées par le Conseil d'administration d'un établissement de droit public, sur la base de compétences accordées directement par le législateur cantonal, sont à considérer comme relevant du droit public cantonal (cf. PIERRE MOOR, Droit administratif, vol. III, 1992, n
o
2.2.3.5, p. 75; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, vol. I, 1984, p. 87 s.).
1.3
La présente cause est donc une contestation en matière de rapports de travail de droit public, qui porte sur une contestation pécuniaire et qui ne tombe pas sous le coup de l'exception de l'
art. 83 let
. g LTF. En matière pécuniaire, le recours n'est en principe recevable que si la valeur litigieuse atteint 15'000 fr. (
art. 85 al. 1 let. b LTF
). Les causes des huit employés concernés n'ayant pas été réunies devant l'autorité précédente et n'ayant pas fait l'objet d'une décision unique, les divers chefs de conclusions ne peuvent pas être additionnés lors du calcul de la valeur litigieuse (
ATF 116 II 587
consid. 1 p. 589 et les références citées). En l'espèce, la valeur litigieuse concernant X. est de 3'600 fr. et n'atteint donc pas le seuil requis.
2.
2.1
Lorsque la valeur litigieuse est insuffisante, le recours est néanmoins recevable si la contestation soulève une question juridique de principe (
art. 85 al. 2 LTF
). Lorsque le recours n'est recevable qu'à cette condition, le recourant doit exposer en quoi l'affaire remplit cette exigence (art. 42 al. 2, 2
e
phrase, LTF;
ATF 134 III 267
consid. 1.2 p. 269;
ATF 133 III 439
consid. 2.2.2.1 p. 442).
2.2
Le recourant soutient que la question posée ici soulève une question juridique de principe. Il invoque l'
ATF 132 III 172
. Selon cet arrêt, lorsque les suppléments à la rémunération de base versés en
BGE 138 I 232 S. 236
compensation du travail effectué la nuit, en fin de semaine et les jours fériés ont un caractère régulier et durable, ils doivent être pris en compte dans le calcul du salaire afférent aux vacances au sens de l'
art. 329d al. 1 CO
(consid. 3). Le recourant fait valoir que la portée de cet arrêt dans les rapports de travail liant un établissement public assurant une tâche de transport public et son personnel, lorsque le statut du personnel réserve le droit fédéral à titre de droit supplétif, n'a pas fait l'objet à ce jour d'une jurisprudence du Tribunal fédéral. Il relève l'importance du problème posé en pratique.
2.3
La jurisprudence a souligné qu'il fallait se montrer restrictif dans l'admission d'une dérogation à l'exigence de la valeur litigieuse sur la base de l'
art. 74 al. 2 let. a LTF
, respectivement de l'
art. 85 al. 2 LTF
. Elle s'est efforcée de cerner la notion de contestation soulevant une question juridique de principe. En résumé, il faut qu'il soit nécessaire, pour résoudre le cas d'espèce, de trancher une question juridique qui donne lieu à une incertitude caractérisée, laquelle appelle de manière pressante un éclaircissement de la part du Tribunal fédéral, en tant qu'autorité judiciaire suprême chargée de dégager une interprétation uniforme du droit fédéral (
ATF 135 III 397
consid. 1.2 p. 399; arrêt 4A_54/2010 du 4 mai 2010 consid. 1.1, non publié in
ATF 136 I 290
). Si la question se rapporte à une norme de droit cantonal que le Tribunal fédéral ne peut pas revoir librement, celui-ci ne saurait rendre une décision de principe (cf. arrêt 1C_58/2008 du 7 mai 2009 consid. 1.2). Si son pouvoir d'examen est limité à la violation des droits constitutionnels, il suffit, en effet, que le recourant interjette un recours constitutionnel subsidiaire et une dérogation à l'exigence de la valeur litigieuse ne se justifie pas (
ATF 134 I 184
consid. 1.3 p. 187; arrêts 4A_517/2009 du 4 janvier 2010 consid. 1.3.1; 4A_64/2008 du 27 mai 2008 consid. 1.1; BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, 2009, n
o
36 ad
art. 74 LTF
).
2.4
En l'espèce, l'arrêt invoqué par le recourant a été rendu dans une cause civile et portait sur l'application du droit fédéral (
art. 329d al. 1 CO
). Les règles du code des obligations, dont se prévaut le recourant, ne pourraient être appliquées ici qu'à titre de droit cantonal supplétif, étant entendu que celui-ci ne change pas de nature; s'il y incorpore des notions de droit fédéral, ou s'il renvoie au droit fédéral, il n'en relève pas moins du droit cantonal (voir
ATF 126 III 370
consid. 5 p. 372;
ATF 108 II 490
consid. 7 p. 495), de sorte que le Tribunal fédéral ne peut en contrôler l'application que sous l'angle restreint de l'arbitraire ou d'autres droits constitutionnels en fonction des griefs
BGE 138 I 232 S. 237
invoqués (
art. 106 al. 2 LTF
; arrêt 2C_860/2008 du 20 novembre 2009 consid. 3.2). Partant, la recevabilité du recours en matière de droit public ne saurait être reconnue en application de l'
art. 85 al. 2 LTF
.
3.
Il reste à examiner le recours constitutionnel subsidiaire (
art. 113 ss LTF
) formé simultanément par le recourant. Ce recours ne peut être formé que pour violation des droits constitutionnels (
art. 116 LTF
). Quand il s'agit de droits constitutionnels, le Tribunal fédéral n'applique pas le droit d'office et ne peut entrer en matière que dans la mesure où un grief constitutionnel a été invoqué et suffisamment motivé dans l'acte de recours (
art. 117 et 106 al. 2 LTF
).
4.
Le recourant se plaint d'arbitraire. Selon lui, le renvoi par le Statut (art. 2 ch. 3) aux règles du code des obligations n'est soumis à aucune condition. Ce renvoi trouve application lorsque le Statut ne règle pas une question liée aux rapports de travail ou lorsqu'il la règle de manière contraire à une disposition impérative du droit fédéral, ce qui serait le cas en l'espèce. Ce renvoi devait conduire les premiers juges à appliquer en l'espèce la jurisprudence de l'
ATF 132 III 172
. Les premiers juges auraient ainsi de manière arbitraire refusé d'appliquer une disposition, pourtant expressément prévue par le Statut, et qui devait permettre la mise en conformité de la réglementation des conditions de travail aux TPG avec les standards minimaux que constituent les règles du droit privé en matière de contrat de travail. Le recourant invoque également une violation de son droit d'être entendu au motif que la décision attaquée n'est pas motivée sur la question du renvoi par le Statut aux règles du code des obligations.
5.
5.1
Eu égard à sa nature formelle, la violation du droit d'être entendu dénoncée par le recourant doit être examinée en premier lieu. Le droit d'être entendu garanti par l'
art. 29 al. 2 Cst.
implique notamment pour l'autorité l'obligation de motiver sa décision. Selon la jurisprudence, il suffit que le juge mentionne, au moins brièvement, les motifs qui l'ont guidé et sur lesquels il a fondé sa décision, de manière à ce que l'intéressé puisse se rendre compte de la portée de celle-ci et l'attaquer en connaissance de cause. L'autorité n'a pas l'obligation d'exposer et de discuter tous les faits, moyens de preuve et griefs invoqués par les parties, mais elle peut au contraire se limiter à ceux qui lui paraissent pertinents (
ATF 137 II 266
consid. 3.2 p. 270;
ATF 136 I 229
consid. 5.2 p. 236;
ATF 134 I 83
consid. 4.1 p. 88;
ATF 133 III 439
consid. 3.3 p. 445 et les arrêts cités).
BGE 138 I 232 S. 238
5.2
Dans le cas particulier, comme on le verra, la cour cantonale, contrairement à ce que soutient le recourant, a bel et bien examiné le problème du renvoi du Statut aux règles du code des obligations. Elle a indiqué que ce renvoi n'était applicable que si le Statut ne réglait pas de manière exhaustive la question du droit aux vacances. Entre autres arguments, elle a retenu que le règlement excluait de manière explicite la prise en compte des primes litigieuses dans le calcul du droit aux vacances et, par conséquent, l'application de l'
art. 329d CO
. Ces considérations de l'arrêt entrepris suffisent pour affirmer que le grief soulevé ici par le recourant est dénué de fondement.
6.
6.1
Les rapports de travail de droit public ne sont en principe pas soumis aux dispositions du code des obligations, à l'exception des art. 331 al. 5 et 331a à 331e CO, relatifs aux rapports juridiques avec l'institution de prévoyance (
art. 342 al. 1 let. a CO
). Aussi bien le statut de la fonction publique peut-il être librement organisé par les cantons (arrêts 2P.219/2006 du 23 novembre 2006 consid. 2.2; 1P.37/2000 du 17 mai 2000 consid. 2b). Ce statut, qui, pour être en général globalement plus favorable, peut comporter par rapport au code des obligations des contraintes plus sévères sur certains points (arrêts 2P.121/2005 du 19 juillet 2005 consid. 4.2; 2P.82/1994 du 19 août 1994 consid. 3d; 2P.336/1992 du 31 août 1993 consid. 3c). Les règles relatives au contrat de travail sont seulement applicables à titre subsidiaire, en cas de lacunes dans la réglementation ou si celle-ci le prévoit (SUBILIA/DUC, Droit du travail - Eléments de droit suisse, 2010, n
o
2 ad
art. 342 CO
; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Commentaire du contrat de travail, 3
e
éd. 2004, n
o
1 p. 323; WOLFGANG PORTMANN, in Commentaire bâlois, Droit des obligations, vol I, 5
e
éd. 2011, n° 1 ad
art. 342 CO
; STAEHLIN/VISCHER, in Commentaire zurichois, 3
e
éd.1996, n° 2 ad
art. 342 CO
)
.
Le droit fédéral n'oblige donc pas les TPG à régler le salaire afférent aux vacances de la même manière que l'
art. 329d CO
. Pour que cette disposition soit applicable, il faudrait que le règlement présente une lacune qu'il conviendrait de combler en l'appliquant à titre de droit cantonal supplétif en vertu de la clause générale de renvoi au code des obligations. Par ailleurs, l'application du droit privé à titre de droit cantonal supplétif n'oblige en principe pas le juge administratif à interpréter les normes concernées comme elles le sont en droit privé; il peut tenir compte des spécificités du droit public (arrêt 2C_860/2008 du 20 novembre 2009 consid. 3.2).
BGE 138 I 232 S. 239
6.2
Appelé à revoir l'application faite d'une norme cantonale ou communale sous l'angle de l'arbitraire, le Tribunal fédéral ne s'écarte de la solution retenue que si celle-ci apparaît insoutenable ou en contradiction manifeste avec la situation effective, ou encore si elle a été adoptée sans motifs objectifs et en violation d'un droit certain. En outre, il ne suffit pas que les motifs de la décision critiquée soient insoutenables, encore faut-il que cette dernière soit arbitraire dans son résultat (
ATF 136 I 316
consid. 2.2.2 p. 318 s.;
ATF 135 V 2
consid. 1.3 p. 4), ce qu'il appartient au recourant de démontrer en vertu de l'
art. 106 al. 2 LTF
(
ATF 133 II 396
consid. 3.2 p. 400).
6.3
Les premiers juges considèrent tout d'abord que la prime en question est destinée à compenser les inconvénients effectifs, directs ou indirects, causés par l'horaire de travail. Ces désagréments n'étant pas subis pendant les vacances, la prime correspondante n'est pas octroyée par le Statut et le règlement. Cette argumentation ne saurait toutefois être décisive, du moment que le seul critère à considérer, selon la jurisprudence en droit privé, réside dans le caractère régulier et durable des suppléments versés. Les premiers juges ne prétendent pas à cet égard que des spécificités du droit public justifieraient ici une interprétation divergente de celle du droit privé.
6.4
Les premiers juges insistent également sur le fait que la question de la rémunération des vacances dans les professions impliquant un travail de nuit, en fin de semaine et les jours fériés n'est pas récente. Elle était actuelle en 1999 déjà, lorsque le Statut a été négocié et adopté. L'absence de toute contestation des organisations syndicales pendant les dix premières années qui ont suivi démontre que la pratique aujourd'hui contestée correspondait à ce qui avait été convenu. Cette argumentation n'apparaît pas déterminante. Les TPG ne peuvent rien tirer de l'absence de réclamation du recourant, qui ne saurait être interprétée comme une renonciation à faire valoir ses droits éventuels (cf.
ATF 132 III 172
p. 176 consid. 3.3;
ATF 126 III 337
consid. 7b p. 344).
6.5
Les premiers juges font enfin référence à l'art. 61 ch. 3 du règlement.
6.5.1
Cette disposition traite du droit aux vacances lors d'un engagement ou d'une démission en cours d'année. Elle prévoit que si les vacances n'ont pas pu être prises, elles sont payées. En cas de paiement, les jours sont convertis en heures. Un jour est équivalent à la durée moyenne du travail journalier de la rotation. Les fractions de jour sont prises en compte pour tous les calculs; elles ne sont donc ni arrondies, ni abandonnées. Les premiers juges en déduisent que les
BGE 138 I 232 S. 240
employés engagés ou démissionnaires en cours d'année, qui n'ont pas pu prendre leurs vacances, reçoivent une rémunération proportionnelle à leur droit aux vacances calculée sur le salaire de base, à l'exclusion des primes pour inconvénients (la rémunération tenant compte, en revanche, du temps de travail la nuit, le week-end et les fins de semaine ainsi que des majorations en temps de travail pour le travail de nuit). Les premiers juges retiennent que ce mode de rémunération est l'expression d'une règle plus générale et vaut donc non seulement dans l'hypothèse envisagée par l'art. 61 ch. 3 du règlement, mais également lorsque le salaire est versé pendant les vacances. Ils en concluent que le règlement exclut de façon explicite la prise en compte des primes dans le calcul du salaire afférent aux vacances, de sorte que l'
art. 329d CO
ne trouve pas application.
6.5.2
Le recourant ne conteste pas cette interprétation du règlement par les premiers juges, qui n'apparaît du reste pas d'emblée insoutenable. En l'absence de tout grief à ce propos, le Tribunal fédéral n'a aucune raison de s'en écarter. Partant, on peut tenir pour acquis que le règlement comme tel ne contient pas une lacune, qui justifierait, sur le point ici en discussion, l'application du code des obligations à titre de droit cantonal supplétif et de la jurisprudence y relative.
7.
7.1
Le recourant déclare encore que même si le caractère exhaustif du règlement était admis, la jurisprudence de l'
ATF 132 III 172
s'imposait à l'intimée depuis décembre 2005.
7.2
Cet argument pose la question de la portée des règles minimales du CO dans le domaine du droit cantonal de la fonction publique au regard du principe de l'égalité de traitement. Le recourant peut certes s'appuyer sur l'avis de MOSIMANN qui considère que les règles minimales du CO doivent s'appliquer dans le droit de la fonction publique si elles sont plus favorables (HANS-JAKOB MOSIMANN, Arbeitsrechtliche Minimal Standards für die öffentliche Hand?, ZBl 99/1998 p. 449 ss; plus spécialement p. 462 ss). Cette conception n'est toutefois pas unanimement partagée (d'un avis plus nuancé, MARTIN BERTSCHI, Auf der Suche nach dem einschlägigen Recht im öffentlichen Personalrecht, ZBl 105/2004 p. 617 ss, plus spécialement p. 628 ss; contra: LILIANE SUBILIA-ROUGE, La nouvelle LPers: quelques points de rencontre avec le droit privé du travail, RDAF 2003 I p. 289 ss, plus spécialement p. 297, qui estime nécessaire de considérer les avantages et désavantages respectifs de chaque système, lesquels s'équilibrent globalement, sans qu'il se justifie de procéder à une comparaison des systèmes
BGE 138 I 232 S. 241
point par point). Cependant, comme on l'a vu, le droit de la fonction publique peut comporter des contraintes plus sévères sur certains points (supra consid. 6.1; voir également l'arrêt 2P.107/2006 du 17 janvier 2007 consid. 5.2). Par ailleurs, le recourant ne prétend pas qu'un examen comparatif lui serait défavorable dans le cas concret. | public_law | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b1bd7405-d8e2-44a6-a109-1451cce79856 | Urteilskopf
111 Ib 15
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. Juni 1985 i.S. Angehrn und Mitbet. gegen Schweiz. Bundesbahnen, Kreisdirektion III, und Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 10 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Planauflage und vorzeitige Besitzeinweisung im Enteignungsverfahren für Eisenbahnbauten.
Legitimation zur Einsprache im Enteignungsverfahren (E. 3).
Das Enteignungsverfahren für ein neues Werk kann nur eröffnet werden, wenn ein Werkplan (
Art. 27 Abs. 1 EntG
) vorliegt, aus dem sich die Ausgestaltung des Werkes ergibt. Eine etappenweise Auflage des Werkplanes für eine neue SBB-Teilstrecke, die es den Enteignerinnen ermöglichen soll, die vorzeitige Besitzeinweisung schon vor dem Vorliegen des vollständigen Werkplanes zu verlangen, steht mit den Bestimmungen des Enteignungsgesetzes und der Planvorlagenverordnung vom 23. Dezember 1932 in Widerspruch (E. 4-6).
Eine Besitzeinweisungverfügung im Sinne von
Art. 76 EntG
kann von Dritten, die durch das Projekt des Enteigners in ihren tatsächlichen Interessen oder allenfalls in ihren Nachbarrechten betroffen werden, nicht angefochten werden (E. 8).
Aufsichtsrechtliches Eingreifen des Bundesgerichtes (
Art. 63 EntG
)? (E. 9). | Sachverhalt
ab Seite 16
BGE 111 Ib 15 S. 16
Auf Gesuch der Kreisdirektion III bewilligte das Bundesamt für Verkehr den Schweiz. Bundesbahnen gestützt auf
BGE 111 Ib 15 S. 17
Art. 30 Abs. 2 der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten vom 23. Dezember 1932 (SR 742.142.1)
, das Enteignungsverfahren für die Zürcher S-Bahn in den Gemeinden Dübendorf, Wallisellen und Dietlikon zur gleichen Zeit wie das Plangenehmigungsverfahren durchzuführen. Die SBB ersuchten hierauf den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, Kreis 10, das Enteignungsverfahren für die Teilprojekte 8 und 9 (Glattal) einzuleiten und ihnen die vorzeitige Besitzergreifung zu gestatten. Die öffentliche Planauflage fand im August/September 1984 statt.
Gegen das Projekt erhoben Otto Angehrn und weitere Anwohner des "Föhrlibuck" in Dübendorf Einsprache. Sie stellten in erster Linie den Antrag, die öffentliche Planauflage sei formrichtig auszuschreiben und mit vollständigen Projektplänen und -beschrieben zu wiederholen; auf jeden Fall sei den Einsprechern die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel gegen die definitiven Projektpläne zu ergreifen. Im weiteren beantragten sie eine Verlegung, allenfalls Tieferlegung des Trasses, die bestmögliche Eingliederung des Werkes in die Landschaft, die Projektierung von Lärmschutzmassnahmen, Verkehrsumleitungen während der Bauzeit und behielten sich Entschädigungsforderungen für allfällige Entwertungen durch Immissionen vor. Schliesslich verlangten sie, dass die üblichen vorsorglichen Massnahmen zur Beweissicherung hinsichtlich Lärm, Erschütterungen usw. getroffen würden.
Mit Verfügung vom 21. Januar 1985 wies der stellvertretende Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 10, die Begehren der Einsprecher um Wiederholung der Planauflage und um weitergehende Beweissicherung ab und überwies die Akten zur Behandlung der übrigen Begehren dem Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement. Am 12. Februar 1985 ermächtigte der Präsident die SBB insofern zur vorzeitigen Inbesitznahme ab 1. März bzw. 1. Juli 1985, als die Projektteile Gegenstand des bisherigen Enteignungsverfahrens bildeten. Mit Verfügung vom 14. Februar 1985 wurde die beschränkte vorzeitige Besitzeinweisung für die Teilprojekte 8 und 9 gegenüber Otto Angehrn und den Mitunterzeichnern der Kollektiveinsprache bestätigt.
Gegen diese Verfügungen haben Angehrn und 51 Mitbeteiligte Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und im wesentlichen verlangt, die Planauflage sei zu wiederholen und die vorzeitige Besitzeinweisung aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die gegen die Verfügung vom 21. Januar 1985 gerichtete Beschwerde
BGE 111 Ib 15 S. 18
teilweise gut, während auf die Beschwerde gegen die Verfügungen vom 12. und 14. Februar 1985 nicht eingetreten wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die SBB bestreiten in ihrer Vernehmlassung die Beschwerdelegitimation der Einsprecher, ohne sich allerdings zu diesem Punkte näher zu äussern.
Die Frage, ob die Beschwerdeführer zur Anfechtung der Präsidialverfügung vom 21. Januar 1985 befugt seien, deckt sich mit jener, ob sie im Enteignungsverfahren als Einsprecher auftreten können. Zu dieser Frage führt der Schätzungskommissions-Präsident unter anderem aus, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das projektierte Werk eine Schmälerung der Abwehrrechte gewisser Einsprecher zur Folge habe. Zudem haben die SBB im Verfahren betreffend die vorzeitige Besitzergreifung selbst eingeräumt, dass einzelnen Einsprechern Rechte an über das Bahntrasse führenden Flurwegen zustehen. Soweit die Beschwerdeführer zu diesen Enteigneten zählen, steht ihre Einsprachelegitimation ausser Frage. Sie ist aber auch den Nachbarn, die keine Flurwegrechte besitzen und die aller Voraussicht nach keine übermässigen Immissionen zu ertragen haben werden, für den Fall zuzugestehen, dass sie durch das projektierte Werk in ihren tatsächlichen Interessen berührt werden und diese nicht im Plangenehmigungsverfahren vertreten können. Wie das Bundesgericht im Entscheid Bircher (
BGE 108 Ib 245
f.) dargelegt hat, kann den Privaten, die durch ein öffentliches Werk in ihren tatsächlichen Interessen betroffen werden, die Teilnahme am Plangenehmigungs- und Einspracheverfahren seit der Einführung von
Art. 6 und 48 VwVG
sowie von
Art. 103 OG
nicht mehr verweigert werden. Werden sie vom technischen Plangenehmigungsverfahren ausgeschlossen, so sind sie im Einspracheverfahren gemäss Enteignungsgesetz zuzulassen. Nun behaupten die SBB selbst nicht, dass die betroffenen Privaten im Plangenehmigungsverfahren, das noch vor dem Inkrafttreten der neuen eisenbahnrechtlichen Bestimmungen (1. Januar 1985) eingeleitet wurde, zu Worte gekommen seien oder noch kämen. Im weiteren ergibt sich aus den Akten, dass die Beschwerdeführer alle in unmittelbarer Nähe der projektierten Bahnanlage, zwischen den nach Dübendorf und nach Dietlikon führenden Schienensträngen wohnen. Sie werden zweifellos nach Inbetriebnahme des Werkes den Eisenbahnlärm
BGE 111 Ib 15 S. 19
deutlich wahrnehmen, sind deshalb durch die Anlage stärker betroffen als jedermann und stehen zu ihr in einer besonderen nahen Beziehung (vgl.
BGE 110 Ib 100
ff.,
BGE 108 Ib 93
, 250 f.). Die Einsprecher sind somit zur Beschwerde legitimiert, wobei sie nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht nur ihre eigenen privaten Interessen, sondern auch schutzwürdige öffentliche Interessen geltend machen können (
BGE 100 Ib 408
).
4.
a) Nach
Art. 27 ff. EntG
hat der Enteigner neben dem Enteignungsplan und der Grunderwerbstabelle den Werkplan aufzulegen, aus dem Art, Umfang und Lage des Werkes, die notwendigen Sicherheitszonen sowie die zur Wahrung der öffentlichen Interessen vorgesehenen Vorkehren ersichtlich sind. Ein Exemplar des Planes bleibt bis zur Vollendung des Werkes in Verwahrung des Gemeinderates (
Art. 29 Abs. 4 EntG
), während das andere gemäss
Art. 45 EntG
nach Ablauf der Eingabefrist an den Schätzungskommissions-Präsidenten zurückzusenden ist und die Grundlage für das Einigungs- und Schätzungsverfahren sowie gegebenenfalls für das Einspracheverfahren bildet (vgl. HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 7 zu
Art. 27 EntG
).
Über die Art der Ausführung des einzureichenden Werkplanes enthält das Enteignungsgesetz selbst keine Vorschriften, doch sind solche vereinzelt in der Spezialgesetzgebung, so auch jener betreffend die Eisenbahnbauten, zu finden. Nach Art. 19 der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten vom 23. Dezember 1932 (EbPV) gelten als Werkplan im Sinne von
Art. 27 Abs. 1 EntG
grundsätzlich die in Art. 7 lit. a, b und Art. 8 lit. a, c, d, f genannten Pläne, nämlich der vollständige Situationsplan 1:1000 (Art. 7 lit. a, Art. 10), die Längenprofile (Art. 7 lit. b Art. 11), die Entwürfe zu den Kunstbauten, d.h. Brücken, Tunnels und besonderen Bauwerken, wobei Brücken von über 10 m Länge durch Detailzeichnungen im Minimalmassstab 1:200 darzustellen sind (Art. 8 lit. a, Art. 13), Entwürfe zu den Hochbauten (Art. 8 lit. a, Art. 15), die Stationspläne (Art. 8 lit. c) und die Vorlagen über die Einrichtungen für die elektrische Zugförderung (Art. 8 lit. f, Art. 17). Im Streitfalle entscheidet der Präsident der Schätzungskommission, welche dieser Vorlagen für die Durchführung des Enteignungsverfahrens notwendig sind (Art. 19 Abs. 2 EbPV); indessen kann er, da Art. 19 EbPV blosse Ausführungsvorschrift ist, den Enteigner nur insoweit von der Vorlagenpflicht befreien, als dadurch
Art. 27 Abs. 1 EntG
nicht in Frage gestellt wird.
BGE 111 Ib 15 S. 20
b) Die Teilstrecken 8 und 9 der S-Bahn bestehen im wesentlichen aus den Viadukten Neugut und Weidenholz sowie dem zwischen den Viadukten liegenden Tunnel "Föhrlibuck". Für diese Teilprojekte haben die SBB neben den Enteignungsplänen lediglich einen Übersichtsplan 1:5000 aufgelegt sowie ein bloss provisorisches Längenprofil für die Hauptviadukte; nach den Bemerkungen zu diesen Profil-Plänen steht einzig fest, dass die Brücken nicht höher werden. Sämtliche in der Planvorlagenverordnung genannten Pläne fehlen.
5.
Die SBB und der Schätzungskommissions-Präsident anerkennen, dass im Zeitpunkt der Planauflage die Projektwettbewerbe noch nicht abgeschlossen waren und deshalb auf die Auflage von Detailplänen habe verzichtet werden müssen. Für die noch nachzuliefernden Pläne seien, sobald sie vorlägen, weitere Auflageverfahren durchzuführen. Eine solche abgestufte Planauflage lasse sich bei Dringlichkeit eines Vorhabens rechtfertigen; ihr stünden weder das Enteignungsgesetz noch die Planvorlagenverordnung entgegen. Unabdingbar sei lediglich, dass die verfahrensmässigen Rechte der Betroffenen gewahrt würden, indem in jeder Stufe die entsprechenden Einsprachen und Forderungen angemeldet werden könnten. Die SBB haben zudem in ihrer Vernehmlassung unterstrichen, dass bisher nur der Verlauf des Bahntrasses, die Situierung der Widerlager der Viadukte und die während des Baues beanspruchten Installations- und Deponieplätze Gegenstand des Enteignungsverfahrens gewesen seien und die aufgelegten Pläne hiefür genügten.
Diesen Ausführungen kann indessen nicht beigepflichtet werden.
a) Klarzustellen ist zunächst nochmals, dass es sich bei der hier angestrebten gestaffelten Planauflage weder um eine zeitlich aufeinanderfolgende Vorlage der vollständigen Pläne für einzelne Streckenabschnitte noch um das Ausklammern von bestimmten Werkbestandteilen geht, die erst in einem späteren Zeitpunkt zu erstellen sind. Es handelt sich vielmehr darum, dass das Enteignungsverfahren schon im Anschluss an die Festlegung der Linienführung der Eisenbahnstrecke eröffnet werden soll.
b) Dem Gesetzgeber ist das Problem, dass Enteignungsverfahren häufig lange dauern und die rasche Verwirklichung dringend benötigter öffentlicher Werke in Frage stellen, nicht entgangen. Er hat im Rahmen der Spezialgesetzgebung und bei der Revision des Enteignungsgesetzes vom 18. März 1971 verschiedene
BGE 111 Ib 15 S. 21
Regelungen getroffen, die auf eine Beschleunigung und Vereinfachung des Expropriationsverfahrens hinzielen (vgl. hiezu die Botschaft des Bundesrates betreffend Revision des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Mai 1970, BBl 1970 I 1013 ff.). So kann nun im Gegensatz zu früher das Schätzungsverfahren fortgesetzt und die vorzeitige Besitzeinweisung auch dann gestattet werden, wenn noch Einsprachen und Begehren nach den
Art. 7-10 EntG
hängig sind (Art. 52,
Art. 76 Abs. 1 und 4 EntG
). In einzelnen Spezialgesetzen wird den Unternehmen die vorzeitige Besitzergreifung zusätzlich erleichtert (vgl.
Art. 39 Abs. 3 NSG
,
Art. 53 ElG
). Für dringliche Eisenbahnbauten ist in Art. 30 Abs. 2 der Planvorlagenverordnung die Möglichkeit geschaffen worden, ausnahmsweise das Plangenehmigungsverfahren zur gleichen Zeit wie das Enteignungsverfahren einzuleiten. Dagegen ist nirgends vorgesehen, dass die Verwirklichung des öffentlichen Werkes durch vorzeitige Einleitung des Enteignungsverfahrens beschleunigt werden könne, in einem Zeitpunkt, in dem der Werkplan noch nicht oder noch nicht vollständig vorliegt. Auf den Werkplan kann gemäss
Art. 27 Abs. 3 EntG
einzig bei Enteignung für die Erweiterung schon bestehender öffentlicher Werke verzichtet werden; dass diese Bestimmung hier anwendbar sei, machen heute auch die SBB nicht mehr geltend. Die Erwägung des Schätzungskommissions-Präsidenten, weder das Enteignungsgesetz noch die Planvorlagenverordnung stünden einer abgestuften Planauflage entgegen, erscheint daher als fragwürdig. Sie erweist sich bei näherer Betrachtung von Sinn und Zweck der Planauflage als unrichtig.
c) Die öffentliche Planauflage im Sinne von
Art. 30 ff. EntG
soll es den Enteigneten oder vom Werk Betroffenen ermöglichen, einerseits Entschädigungsforderungen anzumelden, andererseits Einsprachen gegen die Enteignung zu erheben und Planänderungsbegehren zu stellen, wobei, wie erwähnt, auch öffentliche Interessen vertreten werden können (
Art. 30 Abs. 2 EntG
). Die Planauflage muss daher den Privaten - zusammen mit der Aussteckung - sämtliche Informationen liefern, die zur Begründung der Forderungen und Einsprachen notwendig sind. Der Private soll sich anhand der Pläne und der Aussteckung ein Bild über das Werk und seine Auswirkungen machen können (vgl.
BGE 109 Ib 137
). Nur so ist er in der Lage, die richtigen Begehren und Einwendungen vorzubringen, sie konkret zu formulieren und nicht bloss auf Vermutungen zu stützen.
BGE 111 Ib 15 S. 22
Nun machen allerdings die SBB geltend, Gegenstand des bisherigen Enteignungsverfahrens hätten lediglich die Linienführung des Trasses, die Situierung der Widerlager der Viadukte und die Installations- und Deponieplätze gebildet. Ein Werk wie die hier umstrittene Eisenbahnstrecke ist jedoch ein zusammenhängendes Ganzes und kann für die Zwecke der Enteignung nicht in einzelne planerische Elemente aufgespalten werden. Sowenig wie das Werk, sowenig können auch die Forderungen und Einsprachen aufgeteilt werden. Die Enteignungsentschädigung bildet eine Einheit, selbst wenn sie sich aus verschiedenen Faktoren zusammensetzt, und ist grundsätzlich in einem Male zu verlangen (vgl.
BGE 105 Ib 328
ff.) Einsprachen richten sich selten gegen die Erstellung eines Werkes an sich, sondern meistens gegen die vorgesehene Ausführung. Ob der Betroffene aber ein Planänderungsbegehren auf Trasseverschiebung, auf Trasseüberdeckung, auf Ergreifung weiterer Lärm- oder Landschaftsschutzmassnahmen oder auf andere Vorkehren stellen will, hängt nicht allein von der Linienführung, sondern in weitem Masse von der endgültigen Ausgestaltung des Werkes ab. Es kann ihm deshalb nicht zugemutet werden, seine Einsprache allein gestützt auf den Trasseplan zu formulieren. Andererseits schliesst
Art. 39 EntG
die nachträgliche Erhebung von Einsprachen grundsätzlich aus, wenn die Ausführung des Werkes bereits in Angriff genommen worden ist, und hätte ein Begehren um wesentliche Änderung eines umfangreichen Werkes wie dem hier umstrittenen in einem fortgeschrittenen Baustadium geringe Aussicht auf Erfolg. In diesem Zusammenhang wenden zwar die SBB ein, der Trasseverlauf sei durch Beschluss der Bundesversammlung ohnehin festgelegt und an ihm nichts mehr zu rütteln. Ob und inwieweit die projektierte Linienführung noch kritisiert werden kann, ist aber weder vom Enteigner selbst noch vom Schätzungskommissions-Präsidenten vor der Planauflage, sondern nach erfolgter Auflage von der Einsprachebehörde zu entscheiden.
d) Die gestaffelte Planauflage müsste schliesslich auch zu erheblichen prozessualen Schwierigkeiten führen. Unklar wäre insbesondere, wann das Schätzungsverfahren aufzunehmen und wann das Einspracheverfahren zu eröffnen wäre und ob dieses ebenfalls in Etappen oder erst nach Abschluss aller Planauflagen durchgeführt werden müsste. Indessen fiele ein gestaffeltes Einspracheverfahren schon aus Gründen der Prozessökonomie ausser Betracht. Im weiteren wären auch die Einsprachebehörden ausserstande, ohne den vollständigen Werkplan über die erhobenen Einsprachen
BGE 111 Ib 15 S. 23
zu befinden. Nur wenn die Ausführung der gesamten Anlage feststeht, kann beurteilt werden, welche privaten Rechte zur Erreichung des Zweckes notwendigerweise in Anspruch genommen werden müssen (
Art. 1 Abs. 2 EntG
), und welche ebenfalls auf dem Spiele stehenden öffentlichen Interessen hinter dem Interesse am Werk in seiner konkreten Ausgestaltung zurückzutreten haben. Würde andererseits das Einspracheverfahren erst im Anschluss an alle Planauflagen durchgeführt, so bestünde die Gefahr, dass die Bauarbeiten im Zeitpunkt des Entscheides schon weit fortgeschritten wären und dadurch der Einspracheinstanz wenn auch nicht rechtlich, so doch faktisch die Hände gebunden würden.
Es ergibt sich, dass die für die Teilprojekte 8 und 9 der S-Bahn eingeleitete gestaffelte Planauflage mit den Bestimmungen des Enteignungsgesetzes und Art. 19 sowie Art. 30 Abs. 2 EbPV in Widerspruch steht.
6.
Sind die im Enteignungsverfahren aufgelegten Pläne unvollständig, so kann ihre Ergänzung innert der Eingabefrist verlangt werden; die Pläne sind neu aufzulegen, wenn die Abänderungen die Interessen von Enteigneten wesentlich berühren (
Art. 30 Abs. 4 EntG
). Wie oben (E. 3) dargelegt, vermögen die von den SBB aufgelegten Pläne den gesetzlichen Anforderungen, die an einen Werkplan gestellt werden, in keiner Weise zu entsprechen und boten den Betroffenen völlig ungenügende Auskunft über die Ausgestaltung des Werkes. Die Interessen der Enteigneten und weiteren Einspracheberechtigten werden daher durch die Vorlage des eigentlichen Werkplanes erheblich berührt. Die Planauflage ist aus diesem Grunde neu durchzuführen, ganz abgesehen davon, dass die Auflagefrist schon längst abgelaufen ist und die Pläne nicht mehr ergänzt werden könnten. Der Schätzungskommissions-Präsident wird demnach angewiesen, nach Vorliegen eines vollständigen Werkplanes im Sinne von
Art. 27 EntG
unter erneuter öffentlicher Bekanntmachung und persönlicher Benachrichtigung der Enteigneten (
Art. 31 EntG
) nach Aussteckung des Werkes eine neue Planauflage zu veranlassen. Bereits eingereichte Eingaben sind allerdings, um Formalismus zu vermeiden, von Amtes wegen zu behandeln und brauchen nicht erneuert zu werden (vgl.
BGE 109 Ib 139
).
8.
Mit Verfügungen vom 12. und 14. Februar 1985 hat der Präsident der Schätzungskommission den SBB in gewissem Umfange gestattet, die Grundstücke jener Enteigneten vorzeitig in Besitz zu nehmen, die der Besitzergreifung noch nicht
BGE 111 Ib 15 S. 24
zugestimmt hatten. Die Beschwerdeführer fechten auch diese Anordnung an. Sie leiten ihre Beschwerdebefugnis daraus ab, dass sie aufgrund der zu erwartenden Lärmeinwirkungen einspracheberechtigt seien und ihnen allenfalls nachbarrechtliche Abwehransprüche entzogen würden; der Entzug der Nachbarrechte dürfe aber nur unter den in
Art. 76 EntG
genannten Voraussetzungen erfolgen.
Gehen von einem öffentlichen Werk unvermeidbare übermässige Einwirkungen aus und steht dem Werkeigentümer das Enteignungsrecht zu, so werden die nachbarlichen Abwehrrechte auf dem Enteignungswege unterdrückt und wird auf dem Nachbargrundstück zwangsweise eine Grunddienstbarkeit auf Duldung der Immissionen errichtet (
BGE 106 Ib 241
, 244 f.). Der Enteigner erwirbt die beanspruchte Dienstbarkeit wie andere Rechte durch Leistung der Enteignungsentschädigung oder der Anzahlung im Sinne von
Art. 19bis Abs. 2 EntG
. Da jedoch meistens im voraus nicht feststeht, ob die mit dem Bau oder Betrieb des Werkes verbundenen Einwirkungen ein Übermass erreichen, ist der Enteigner nicht in der Lage, schon anlässlich der Planauflage zu umschreiben, ob und welche Nachbarrechte er entziehen oder beschränken möchte. Er ist deshalb davon befreit, in der Grunderwerbstabelle diese Rechte zu bezeichnen (vgl. HESS, a.a.O., N. 4 zu
Art. 5 EntG
). Dementsprechend fällt, solange die Art der Beeinträchtigung nicht feststeht, eine Einweisung in den Besitz der Nachbarrechte ausser Betracht. In "Besitz" genommen werden die Abwehransprüche beim tatsächlichen Auftreten übermässiger Immissionen; von diesem Moment an ist die Entschädigung zu verzinsen (
BGE 106 Ib 245
E. 3, 249). Dieser Zeitpunkt fällt aber kaum je mit der Inbesitznahme des für das Werk beanspruchten Bodens und dem Beginn der Bauarbeiten zusammen. Zwar können auch durch Bauarbeiten Lärm und Erschütterungen entstehen, doch müssen solche vorübergehende Störungen vom Nachbarn grundsätzlich hingenommen werden (
BGE 93 I 295
ff.,
BGE 91 II 107
E. 3,
BGE 83 II 383
, nicht publ. Entscheid i.S. Staat Bern c. Lehmann vom 16. Juli 1984 E. 4). Auch im vorliegenden Fall ist nicht anzunehmen und behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht, dass die vom Schätzungskommissions-Präsidenten bewilligte Besitzergreifung zu Auswirkungen auf die Nachbarparzellen führe, die im Lichte von
Art. 684 ZGB
nicht geduldet werden müssten. Die Beschwerdeführer werden daher durch die Besitzeinweisungsverfügung als (mögliche) Enteignete nicht betroffen.
BGE 111 Ib 15 S. 25
Andererseits lässt sich aus der Stellung der Beschwerdeführer als Einsprecher ebenfalls keine Beschwerdebefugnis im Besitzeinweisungsverfahren herleiten. Werden Private, die nicht oder nicht mit Sicherheit zu den Enteigneten zählen, im enteignungsrechtlichen Einspracheverfahren zugelassen, weil sie vom technischen Plangenehmigungsverfahren ausgeschlossen worden sind, so können ihnen in jenem Verfahren nicht mehr Rechte zukommen, als sie in diesem gehabt hätten. Nun ist offensichtlich, dass der nicht expropriierte Einsprecher, der seine Interessen im Plangenehmigungsverfahren vertreten kann, im Enteignungs- und damit auch im Besitzeinweisungsverfahren nichts zu sagen hat. Auf die gegen die Verfügungen vom 12. und 14. Februar 1985 erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher mangels Legitimation der Beschwerdeführer nicht einzutreten.
9.
Es bleibt die Frage, ob das Bundesgericht aufsichtsrechtlich (
Art. 63 EntG
) einzugreifen habe, weil die vorzeitige Besitzergreifung frühestens an der Einigungsverhandlung (
Art. 76 Abs. 2 EntG
), also erst nach der Durchführung der Planauflage bewilligt werden kann und diese hier zu wiederholen ist. Wie oben im einzelnen dargelegt, sind wesentliche Verfahrensvorschriften missachtet worden und wäre das Bundesgericht insofern zur Aufhebung des bisherigen Verfahrens und insbesondere der Besitzeinweisung kraft Aufsichtsrecht befugt (
BGE 97 I 10
,
BGE 100 Ib 98
; für Enteignungen vgl.
BGE 104 Ib 343
mit Hinweisen). Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass sich die Enteigneten mit dem Enteigner jederzeit, auch vor der Einigungsverhandlung, über den Baubeginn verständigen können und dass im vorliegenden Verfahren keine weiteren Beschwerden gegen die Besitzeinweisung eingegangen sind, sich die betroffenen Grundeigentümer also mit ihr abgefunden haben. Hinzu kommt, dass die Aufhebung der Verfügung vom 12. Februar 1985 zur Folge hätte, dass die Verzinsung für die endgültig geschuldete Entschädigung bis zum Erlass einer neuen Verfügung oder Vereinbarung aufgeschoben würde, obschon möglicherweise bestimmte Grundstücke bereits in Anspruch genommen worden sind. Unter diesen Umständen lässt sich eine aufsichtsrechtliche Massnahme nicht rechtfertigen. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b1c20054-a400-459d-99b5-98360861283e | Urteilskopf
120 II 76
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Februar 1994 i.S. H. gegen Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe in der Schweiz (FEA) (Berufung) | Regeste
Unlauterer Wettbewerb durch die Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Forschungsergebnisses (
Art. 1, 2, 3 lit. a UWG
).
Das UWG ist auf die wissenschaftliche Forschung und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse insoweit anwendbar, als die Äusserungen objektiv geeignet sind, den Wettbewerb zu beeinflussen (E. 3).
Wissenschaftliche Äusserungen sind im Sinne von
Art. 3 lit. a UWG
unlauter, wenn sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen oder wenn ein unmissverständlicher Hinweis auf den Meinungsstreit fehlt (E. 5b). Grundrechtlichen Schutz geniessen nur lautere Aussagen (E. 5c). | Sachverhalt
ab Seite 77
BGE 120 II 76 S. 77
A.-
H., der umweltbiologische Forschung betreibt, verfasste mit Professor B. einen Forschungsrapport mit dem Titel "Vergleichende Untersuchungen über die Beeinflussung des Menschen durch konventionell und im Mikrowellenofen aufbereitete Nahrung". Im Bericht wurde unter anderem ausgeführt, dass die im Blut der Versuchspersonen festgestellten Veränderungen auf krankhafte Störungen hinweisen würden und ein Bild zeigten, "das auch für den Beginn eines kanzerogenen Prozesses gelten kann...".
Im Jahre 1992 erschienen mehr oder weniger vollständige, durch redaktionelle Einführungen begleitete Veröffentlichungen des Forschungsrapportes, namentlich im "JOURNAL Franz Weber", in "RAUM & ZEIT" und im "VITA SANA MAGAZIN". Die Publikation des Forschungsrapportes im "JOURNAL Franz Weber" wurde bereits auf dem Titelblatt mit der Überschrift: "Mikrowellen: Gefahr wissenschaftlich erwiesen!" und mit der Abbildung eines den Tod darstellenden Sensemannes, der einen Mikrowellenherd trägt, angekündigt; unter dem Titel "Der vollständige Rapport der Untersuchung" wurde der Forschungsbericht abgedruckt.
B.-
Am 7. August 1992 reichte der Fachverband Elektroapparate für Haushalt und Gewerbe in der Schweiz (FEA) beim Handelsgericht des Kantons Bern Klage gegen H. ein. Mit Urteil vom 19. März 1993 verbot das Handelsgericht dem Beklagten unter anderem, "die Behauptung aufzustellen, im Mikrowellenherd zubereitete Speisen seien gesundheitsschädlich und führten zu Veränderungen im Blut ihrer Konsumenten, welche auf eine krankhafte Störung hinweisen und ein Bild zeigten, das für den Beginn eines kanzerogenen Prozesses gelten könnte".
C.-
Gegen das Urteil des Handelsgerichts erhebt der Beklagte Berufung, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Nach Auffassung des Beklagten findet das UWG (SR 241) vorliegend keine Anwendung, da die ihm untersagten Äusserungen in ideeller Zielsetzung, zur Wahrung öffentlicher Gesundheitsinteressen und nicht im Wettbewerbsbezug erfolgt seien.
BGE 120 II 76 S. 78
a) Das UWG bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten (Art. 1). Folgerichtig ist jedes gegen Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren unlauter, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst (
Art. 2 UWG
) oder zu beeinflussen geeignet ist (CHERPILLOD, L'application de la loi contre la concurrence déloyale aux journalistes, Résumé de la conférence du 28 janvier 1992, présenté à l'Association suisse pour le droit d'auteur et des médias, S. 7). Liegt aber das Schutzgut des UWG in der Bekämpfung privater Wettbewerbsverfälschungen, kann auch unlauter handeln, wer in keinem Wettbewerbsverhältnis zu den betroffenen Anbietern oder Abnehmern steht. Dies ist heute in Lehre und Rechtsprechung unbestritten (
BGE 117 IV 193
E. 1 S. 195 ff. mit Hinweisen,
BGE 116 II 463
E. 4a S. 470; NOBEL, Zu den Schranken des UWG für die Presse, in SJZ 88/1992 S. 245 ff., S. 246 f.; SCHLUEP, Die Europaverträglichkeit des schweizerischen Lauterkeitsrechts, in Un droit européen de la concurrence déloyale en formation, S. 67 ff., S. 81). Trotz des Verzichts auf das Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses sind aber unverändert nur Verhaltensweisen untersagt, welche als Wettbewerbshandlungen zu qualifizieren sind, d.h. Handlungen, welche objektiv auf eine Beeinflussung der Wettbewerbsverhältnisse angelegt sind und nicht in einem völlig anderen Zusammenhang erfolgen. Das Verhalten des Verletzers hat somit auch nach geltendem UWG marktrelevant, marktgeneigt oder wettbewerbsgerichtet zu sein (SCHLUEP, a.a.O.). Wettbewerb kann nur dort bestehen, wo sich die Betätigung des Handelnden ausserhalb der eigenen, privaten Sphäre auswirkt oder auszuwirken geeignet ist (PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, S. 33). Wettbewerbsrelevant sind demzufolge allein Handlungen, die den Erfolg gewinnstrebiger Unternehmen im Kampf um Abnehmer verbessern oder mindern, deren Marktanteile vergrössern oder verringern sollen oder dazu objektiv geeignet sind (vgl. DAVID, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., 1988, S. 29 Rz. 19). Massgebend ist, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, die wirtschaftliche Relevanz im Sinne einer abstrakten Eignung zur Wettbewerbsbeeinflussung, wobei die objektive Eignung genügt und unbeachtlich ist, ob subjektiv ein Wille zu wirtschaftlicher Tätigkeit gegeben ist. Dem Beklagten hilft daher die Berufung auf eine in der Literatur geäusserte Auffassung nichts, wonach trotz des Verzichts auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ein Verstoss gegen das UWG jedenfalls ein Handeln in der Absicht voraussetze,
BGE 120 II 76 S. 79
den Wettbewerb zu beeinflussen (NOBEL, a.a.O., passim). Abgesehen davon, dass diese Auffassung die Gefahr einer Vermischung des Begriffs der Widerrechtlichkeit mit Elementen des Verschuldens mit sich bringt, verwechselt der Beklagte Motiv und Absicht. Er stellt nicht in Abrede, den Schutz der Konsumenten durch Bestimmung deren Marktverhaltens zu bezwecken und damit den Absatzmarkt der angegriffenen Produkte zu beeinflussen. Darin liegt eine klare Wettbewerbsabsicht, mag sie auch aus ideellen und nicht aus gewinnstrebigen Beweggründen bekundet werden.
b) Wissenschaftliche Forschungen und die Publikation ihrer Ergebnisse sind an sich nicht wettbewerbsgerichtet, solange sie im akademischen Rahmen erfolgen (DAVID, a.a.O.). Sie werden es indessen, sobald die wissenschaftlichen Meinungskundgaben im objektiven Verständnis des Zielpublikums darauf ausgelegt sind, das Verhalten der Marktteilnehmer, namentlich der Abnehmer, zu beeinflussen. Dies bedarf jedenfalls dort keiner weiteren Erörterung, wo die Wissenschaft als getarnte Werbung eingesetzt wird, wo wissenschaftliche Erkenntnisse als Werbemittel gebraucht werden, um den Absatz eines Produkts zu fördern (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., 1993, N. 238 der Einleitung und N. 28 zu § 1 DUWG). Nichts anderes aber kann gelten, wenn die als wissenschaftlich beanspruchte Aussage im Wettbewerbsbezug dazu verwendet wird, den Absatz eines bestimmten Produkts durch dessen Herabsetzung negativ zu beeinflussen. Auch solche Äusserungen stellen Wettbewerbshandlungen dar, die in den Regelungsbereich des UWG fallen und dessen Lauterkeitsgebot unterstehen (vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 5 zu § 14 DUWG).
Die dem Beklagten zur Last gelegten Äusserungen sind nach ihrer Aufmachung und ihrem Inhalt, namentlich aber mit Blick auf den Adressatenkreis der Presseerzeugnisse klarerweise marktgeneigt, da sie zumindest aus objektiver Sicht unmissverständlich darauf ausgerichtet sind, die Konsumenten vom Erwerb und der Benutzung von Mikrowellenherden abzuhalten. Sie sind damit auch geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen. Daher hat das Handelsgericht sie zu Recht dem UWG unterstellt und daraufhin überprüft, ob sie als unlauter im Sinne dieses Gesetzes zu qualifizieren sind.
5.
Das Verbot, "die Behauptung aufzustellen, im Mikrowellenherd zubereitete Speisen seien gesundheitsschädlich und führten zu Veränderungen im Blut ihrer Konsumenten, welche auf eine krankhafte Störung hinweisen und
BGE 120 II 76 S. 80
ein Bild zeigten, das für einen Beginn eines kanzerogenen Prozesses gelten könne", hält der Beklagte für bundesrechtswidrig, da die untersagte Äusserung einerseits nicht unlauter im Sinne des UWG sei und anderseits unter Grundrechtsschutz stehe.
a) Das Handelsgericht hält für das Bundesgericht verbindlich fest (vgl. POUDRET, COJ, N. 4.2.1.5 zu
Art. 63 OG
), der Mitautor des Forschungsrapportes habe sich von den Veröffentlichungen des Beklagten förmlich distanziert. Dabei habe er darauf hingewiesen, die bisherigen Ergebnisse würden nicht den Schluss zulassen, dass die in Mikrowellenherden zubereitete Nahrung in Zusammenhang mit pathologischen Erscheinungen stehe. Die Untersuchungen, die er mit dem Beklagten durchgeführt habe, seien wissenschaftlich nicht erhärtet; es sei keine vollständige oder endgültige Studie, und die publizierten, lächerlichen Schlussfolgerungen des Beklagten würden sich auf eine so schwache Grundlage abstützen, dass ein Wissenschaftler nie gewagt hätte, sie zu formulieren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt seien keine derartigen Gefahren bekannt, die von Mikrowellenöfen herrühren würden. Die Tendenz zur Abnahme der Hämoglobinwerte nach der Einnahme von Nahrungsmitteln, die in Mikrowellenöfen zubereitet worden seien, bewege sich im Rahmen dessen, was physiologisch normal sei. Zudem sei nicht gesagt, dass diese Tendenz langfristig aufrechterhalten bleibe. Der angebliche "Krebs im Vorstadium" beruhe auf einer unwissenschaftlichen Schlussfolgerung. Wenn der Cholesterinspiegel innerhalb von zwei Stunden nach dem Konsum von in Mikrowellenöfen zubereiteten Nahrungsmitteln ansteige, so handle es sich um "gutartiges" Cholesterin HDL. Diese Erkenntnis habe nichts mit einer Langzeitwirkung in bezug auf einen erhöhten Cholesterinspiegel zu tun, den man in gewissen Fällen von Krebs im Vorstadium beobachtet habe.
Weiter übernahm das Handelsgericht in für das Bundesgericht wiederum verbindlicher Beweiswürdigung die von Professor M. T. als Experte dargelegte Auffassung, dass im Mikrowellenherd zubereitete Speisen nicht als wissenschaftlich nachgewiesenermassen gesundheitsschädlich bzw. krebserregend bezeichnet werden dürften. Für eine solche Beeinträchtigung gebe es in der Wissenschaft zum heutigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte. Die Behauptungen des Beklagten seien weder durch dessen, wissenschaftlichen Anforderungen allerdings nicht genügenden, noch durch Untersuchungen anderer, seriöser Wissenschaftler belegt.
BGE 120 II 76 S. 81
Aufgrund dieses Beweisergebnisses kommt das Handelsgericht zum Schluss, die beanstandete Behauptung des Beklagten sei offensichtlich unwahr und falsch und deshalb unrichtig im Sinne von
Art. 3 lit. a UWG
. Im übrigen hält es sie selbst dann für unlauter, wenn sie objektiv richtig sein sollte, da
Art. 3 lit. a UWG
auch irreführende und unnötig verletzende Äusserungen verbiete. Demgegenüber ist der Beklagte der Auffassung, seine wissenschaftliche Überzeugung frei äussern zu dürfen, zumal der Einfluss elektromagnetischer Wellen auf die Gesundheit des Menschen heftig diskutiert werde. Der Forscher sei nicht auf die "Schulwissenschaft" verpflichtet, sondern dürfe seine Erkenntnisse auch auf anderen Wegen finden.
b) Wie bereits dargelegt, hat der Beklagte mit Blick auf den Adressatenkreis seiner Äusserungen, aber auch mit deren wissenschaftlich wenig differenziertem Gehalt den rein akademischen Rahmen verlassen und sich wettbewerbsbezogen verhalten. Damit untersteht er dem Lauterkeitsgebot des UWG.
Nach
Art. 3 lit. a UWG
handelt unlauter, wer andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass der wissenschaftliche Wahrheitsgehalt einer Behauptung nicht immer leicht zu ermitteln ist, da in diesem Erkenntnisbereich oftmals heute als wahr gilt, was morgen bereits überholt und übermorgen wiederum wahr ist (BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 5 zu § 14 DUWG). Das heisst indessen nicht, dass als wissenschaftlich ausgegebene Urteile über die eigene oder fremde Leistung im Wettbewerbsbezug lauterkeitsrechtlich stets voraussetzungslos zulässig wären. Wird in der marktgeneigten Aussage eine fachlich umstrittene Frage übernommen und als objektiv richtig oder wissenschaftlich gesichert hingestellt, so übernimmt der Handelnde dadurch, dass er sich für eine bestimmte Aussage entscheidet, im Wettbewerbsbezug ebenfalls die Verantwortung für ihre Richtigkeit (vgl. BGH vom 23. Oktober 1971, in GRUR 1971 S. 153 ff. E. IV/2 S. 155). Positive wie negative Werbung mit wissenschaftlichen Angaben ist daher im Interesse der Allgemeinheit und des funktionierenden Wettbewerbs bloss zuzulassen, wenn diese Angaben gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, oder wenn jedenfalls unmissverständlich auf den Meinungsstreit hingewiesen wird. Besteht keine volle Gewähr für die Richtigkeit der wissenschaftlichen Angaben, ist deren unkritische Weitergabe zum mindesten täuschend und damit irreführend im Sinne von
Art. 3 lit. a UWG
(BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 5
BGE 120 II 76 S. 82
zu § 14 DUWG). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Handelsgerichts ist die Auffassung des Beklagten keineswegs wissenschaftlich gesichert, vielmehr wird sie überwiegend abgelehnt. Sie im Wettbewerbsbezug als richtig auszugeben, ist nach
Art. 3 lit. a UWG
nicht zulässig, und somit verletzt das vom Handelsgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot kein Bundesrecht.
c) Von einer der Bundesverfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechenden Anwendung des UWG kann dabei nicht die Rede sein. Das Gesetz hat u.a. die Aufgabe, Grundrechtsinteressen und andere, gegenläufige Staatsaufgaben so gegeneinander abzugrenzen, dass beiden verfassungsrechtlichen Anliegen weitestmöglich Rechnung getragen wird (MÜLLER, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, S. 104). Entsprechend diesem Regelungsgedanken und den ihm zugrundeliegenden Wertungen ist das Gesetz auch auszulegen. Funktionalität des Wettbewerbs, Wirtschafts-, Meinungsäusserungs-, Wissenschafts- und Pressefreiheit sind bestmöglich zu gewährleisten, gegenseitig aber auch im Interesse der praktischen Konkordanz der verschiedenen Verfassungsziele zu beschränken. Dabei ist zu beachten, dass das UWG bloss Ansprüche gegenüber unlauteren Äusserungen bietet, und Sinn und Zweck weder der Meinungsäusserungs- noch der Pressefreiheit sein kann, solche widerrechtlichen Kundgebungen zu legitimieren (vgl. HOTZ, Zur Bedeutung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) für die Massenmedien, in SJZ 86/1990 S. 26 ff., S. 27). Wer sodann Wissenschaftsfreiheit für sich beansprucht, ist im akademischen Rahmen durchaus frei, seine Erkenntnisse darzulegen, darf im Wettbewerbsbezug dagegen nicht die Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen, wenn die so vertretene Auffassung umstritten ist. Eine ungesicherte wissenschaftliche Meinung darf namentlich nicht missbraucht werden, um getarnte positive oder negative Werbung für eigene oder fremde Leistung zu betreiben. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als das Handelsgericht dem Beklagten ausdrücklich unbenommen lässt, seine Thesen auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse abzustützen. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1c391ef-2a7b-467a-a433-545b76059602 | Urteilskopf
83 III 46
13. Arrêt du 28 mars 1957 dans la cause Piola | Regeste
Arrest. Dritteigentumsansprache (Art. 275 und 98 SchK G).
1. Ob der Arrestgegenstand in amtliche Verwahrung zu nehmen sei, bestimmt sich nach
Art. 98 SchKG
. Darüber zu entscheiden, steht nur dem Betreibungsamte zu, auch bei Hängigkeit eines Widerspruchsverfahrens.
2. Die amtliche Inverwahrungnahme ist unzulässig, wenn sich der Gegenstand im Gewahrsam des Drittansprechers befindet.
3. An eine Weisung der Arrestbehörde, die zu arrestierende Sache in amtliche Verwahrung zu nehmen, ist das Betreibungsamt nicht gebunden. | Sachverhalt
ab Seite 46
BGE 83 III 46 S. 46
A.-
Fondé sur un acte de défaut de biens, Loppacher a requis un séquestre contre Brodsky. L'ordonnance du 11 novembre 1956 prescrit que le séquestre doit porter notamment sur une voiture Simca-Aronde et qu'il y a lieu de "procéder à son enlèvement".
L'Office des poursuites a séquestré l'automobile en mains de Piola. Celui-ci a présenté à l'huissier le permis de circulation établi à son nom qui se trouvait dans la voiture, a revendiqué la propriété du véhicule et s'est opposé à ce que l'office le prît sous sa garde. Brodsky a confirmé que la voiture appartenait à Piola. Cela étant, l'office a décidé de la laisser en mains de Piola. Conformément à l'art. 109 LP, Loppacher a ouvert action en contestation de la revendication.
BGE 83 III 46 S. 47
B.-
Sur plainte du créancier, l'Autorité de surveillance a ordonné à l'office de prendre sous sa garde la voiture séquestrée. L'office a alors invité Piola à la lui remettre jusqu'au 21 mars 1957.
C.-
Piola a recouru au Tribunal fédéral et conclu à l'annulation de la décision attaquée. L'effet suspensif a été accordé à son recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 275 LP, l'exécution du séquestre a lieu selon les formes prescrites pour la saisie aux
art. 91 à 109
; l'art. 98 LP, qui règle la mise des objets saisis sous la garde de l'office, est dès lors applicable en matière de séquestre (RO 82 III 122). Suivant la jurisprudence (RO, Edition spéciale des arrêts concernant la LP, 16 [1913], 29, 109 ss.), l'office ne peut prendre sous sa garde des objets saisis qui sont en possession du tiers revendiquant; il est seul compétent pour trancher cette question, alors même qu'une procédure en revendication est pendante à leur sujet. Si le résumé qui précède l'arrêt RO 54 III 131 indique que "le fait que l'objet séquestré est revendiqué par un tiers comme sa propriété ne constitue pas pour l'office un motif de renoncer à prendre ledit objet sous sa garde", les motifs précisent (consid. 2, p. 135) que c'est le cas seulement lorsque le bien revendiqué est en possession du débiteur séquestré.
En l'espèce, la voiture n'était pas en possession de Brodsky, mais a été séquestrée en mains de Piola, qui est titulaire du permis de circulation. Il s'ensuit que la mise sous la garde de l'office ne peut être ordonnée.
2.
Contrairement à l'opinion exprimée dans la décision attaquée, le fait que l'autorité de séquestre a non seulement ordonné le séquestre de la voiture mais a prescrit de "procéder à son enlèvement" ne saurait obliger l'office à la prendre sous sa garde, alors qu'elle n'est pas en possession du débiteur. Cet ordre ne lie pas l'office qui est seul compétent pour décider, le cas échéant, l'application
BGE 83 III 46 S. 48
de la mesure prévue à l'art. 98 LP et qui ne peut le faire que lors de l'exécution du séquestre; c'est en effet seulement à ce moment que se pose la question de la mise des biens séquestrés sous la garde de l'office. L'autorité de séquestre ne peut de même ordonner le séquestre d'objets qui s'avèrent insaisissables ou l'emploi de la contrainte pour obtenir la production d'un bien séquestré contre un tiers qui conteste l'avoir en sa possession (RO 60 III 141 ss.).
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites
Admet le recours et annule la décision attaquée. | null | nan | fr | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1c5baab-8efb-4450-8142-6cda18df5530 | Urteilskopf
140 III 404
60. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_475/2013 vom 15. Juli 2014 | Regeste
Art. 8 UWG
,
Art. 1-4 SchlT ZGB
; Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen; Übergangsrecht.
Sind Verträge, die vor Inkrafttreten des revidierten
Art. 8 UWG
abgeschlossen wurden, nach dem neuen Recht zu beurteilen? Frage verneint hinsichtlich einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemäss der sich das Vertragsverhältnis noch vor dem 1. Juli 2012 automatisch verlängert hat (E. 3 und 4). | Erwägungen
ab Seite 404
BGE 140 III 404 S. 404
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Streitgegenstand bildet die Frage, ob sich die Abonnementsverträge mit dem Fitnessstudio gemäss Ziffer 5 der AGB um zwölf Monate bis am 28. Februar 2013 verlängerten, nachdem die Beschwerdeführerin die Verträge nicht bis spätestens drei Monate vor Ablauf der ursprünglichen zwölfmonatigen Vertragslaufzeit am 28. Februar
BGE 140 III 404 S. 405
2012 gekündigt hatte. Dass wichtige Gründe für eine (ausserordentliche) vorzeitige Kündigung vorliegen, machte die Beschwerdeführerin vor dem Kantonsgericht nicht mehr geltend.
Die Beschwerdeführerin stellte sich im kantonalen Verfahren auf den Standpunkt, die Verträge hätten sich nicht verlängert, da Ziffer 5 der AGB insoweit ungültig sei, als sie eine automatische Vertragsverlängerung vorsehe. Eine derartige Regel - so die Beschwerdeführerin - verletze einerseits
Art. 8 UWG
gemäss der Änderung vom 17. Juni 2011 (AS 2011 4909), andererseits die Ungewöhnlichkeitsregel. Die Vorinstanz verwarf die Argumentation unter beiden Gesichtspunkten: Sie verneinte eine "rückwirkende Anwendung" von
Art. 8 UWG
auf den vorliegenden Vertrag und kam überdies zum Schluss, die in Ziffer 5 vorgesehene automatische Verlängerung verstosse nicht gegen die Ungewöhnlichkeitsregel.
3.2
Die Beschwerdeführerin möchte als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Bundesgericht beurteilt wissen, ob der neue
Art. 8 UWG
(SR 241) auf Verträge anwendbar ist, die vor seinem Inkrafttreten am 1. Juli 2012 abgeschlossen wurden. Sie verweist auf Literaturstellen, wo unterschiedliche Meinungen zur "rückwirkenden Anwendung" von
Art. 8 UWG
"auf altrechtliche Verträge" vertreten würden (siehe BÜHLER/STÄUBER, Die AGB-Kontrolle gemäss dem revidierten
Art. 8 UWG
- Anmerkungen zum intertemporalen Recht, recht 2012 S. 86-89; RÜETSCHI, Zur Anwendung von Artikel 8 UWG auf altrechtliche Verträge, recht 2013 S. 101-108; VISCHER, Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen - Gegenstand einer AGB-Kontrolle oder der Selbstverantwortung?, SJZ 2012 S. 177-188).
In der Tat wirft die Revision von
Art. 8 UWG
die übergangsrechtliche Frage auf, ob und inwieweit Verträge, die noch unter Geltung des früheren Rechts abgeschlossen wurden, ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts nach diesem zu beurteilen sind. Die Frage ist für eine grosse Anzahl bestehender Verträge von Bedeutung. Da sie das Bundesgericht bisher nicht beantwortet hat, besteht ein allgemeiner und dringender Klärungsbedarf. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin stellt sich somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG
. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist einzutreten.
4.
4.1
Nach dem revidierten
Art. 8 UWG
(Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen) handelt insbesondere unlauter, wer
BGE 140 III 404 S. 406
allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Das UWG enthält keine Übergangsbestimmung. Namentlich findet sich in der Änderung vom 17. Juni 2011 keine solche.
4.2
Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer privatrechtlichen Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1 bis 4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in
Art. 1 SchlT ZGB
enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt. Sie schützt das Vertrauen in den Bestand einmal rechtsgeschäftlich gesetzeskonform begründeter Rechte (
BGE 138 III 659
E. 3.3 S. 662 mit Hinweis).
Der Grundsatz, wonach die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen, die vor dem Inkrafttreten einer neuen Bestimmung eingetreten sind, auch nachher nach den früheren Bestimmungen beurteilt werden (
Art.1 Abs. 1 SchlT ZGB
), erfährt allerdings gewichtige Einschränkungen. So ist gemäss
Art. 2 SchlT ZGB
eine Rückwirkung und damit auch ein Eingriff in rechtsgeschäftlich erworbene Rechte zulässig, wenn die Gesetzesbestimmung um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt worden ist. Ob eine Rückwirkung nach
Art. 2 SchlT ZGB
eintritt oder nicht, ist eine Frage der Auslegung der rechtspolitischen Motive, welche zur Gesetzesrevision geführt haben (
BGE 138 III 659
E. 3.3). Um sie zu beantworten, sind die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen. In diesem Sinne ist zu beurteilen, ob die vom neuen Recht verfolgten öffentlichen Interessen gegenüber den entgegengesetzten privaten Interessen, namentlich demjenigen am Schutz des Vertrauens in die Anwendung des früheren Rechts, den Vorrang verdienen (
BGE 133 III 105
E. 2.1.4; siehe auch
BGE 127 III 16
E. 3). Sodann sind Rechtsverhältnisse, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben wird, nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts nach diesem zu beurteilen, auch wenn sie vor diesem Zeitpunkt begründet worden sind (
Art. 3 SchlT ZGB
).
4.3
In der Lehre werden zum zeitlichen Anwendungsbereich von
Art. 8 UWG
entgegengesetzte Auffassungen vertreten: Eine Mehrheit der Autoren spricht sich unter Berufung auf den Grundsatz der Nichtrückwirkung dafür aus, unter dem früheren Recht abgeschlossene Verträge und die dabei einbezogenen allgemeinen
BGE 140 III 404 S. 407
Geschäftsbedingungen grundsätzlich nach diesem zu beurteilen. Dies soll jedenfalls insoweit gelten, als die allgemeinen Geschäftsbedingungen seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts nicht geändert wurden (siehe ABEGGLEN UND ANDERE, Aspekte der AGB-Kontrolle im Bankbereich, in: Das Bankkonto, Emmenegger [Hrsg.], 2013, S. 108 f.; BÜHLER/ STÄUBER, a.a.O., S. 89; HESS/RUCKSTUHL, AGB-Kontrolle nach dem neuen
Art. 8 UWG
- eine kritische Auslegeordnung, AJP 2012 S. 1211; MAISSEN, Die automatische Vertragsverlängerung, 2012, S. 197; RUSCH, Schadensabwälzungsklauseln in der Inhaltskontrolle, SZW 2012 S. 444; SCHOTT, Missbräuchliche Allgemeine Geschäftsbedingungen - zur Inhaltskontrolle, Der Schweizer Treuhänder 2012 S. 80; STUCKI,
Art. 8 UWG
: Die neue AGB-Inhaltskontrolle aus Sicht eines Studienabgängers, Jusletter 10. März 2014 Rz. 10-12; THOUVENIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG], 2013, N. 154 zu
Art. 8 UWG
; VISCHER, a.a.O., S. 181 f.). Demgegenüber wurde in verschiedenen anderen Beiträgen eine generelle Anwendung des revidierten
Art. 8 UWG
auch auf vor dem 1. Juli 2012 eingegangene Vertragsverhältnisse befürwortet. Ihre dahingehende Ansicht begründen die Verfasser im Wesentlichen damit,
Art. 8 UWG
sei eine um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellte Norm im Sinne von
Art. 2 SchlT ZGB
(siehe JENNY, Inhaltskontrolle nach revidiertem
Art. 8 UWG
, 2014, S. 38-43; KOLLER,
Art. 8 UWG
: Eine Auslegeordnung, in: Das Bankkonto, Emmenegger [Hrsg.], 2013, S. 78-80; PICHONNAZ, Le nouvel art. 8 LCD - Droit transitoire, portée et conséquences, BR 2012 S. 142 f.; RÜETSCHI, a.a.O., S. 108; SCHMID, Grundpfandrechte und der neue
Art. 8 UWG
, in: Immobilienfinanzierung, Emmenegger [Hrsg.], 2012, S. 102-104). Schliesslich wurde auch erwogen, ob das neue Recht in Anwendung und gemäss den Vorgaben von
Art. 3 SchlT ZGB
auf altrechtliche Verträge anzuwenden sei (siehe ROBERTO/WALKER, AGB-Kontrolle nach dem revidierten
Art. 8 UWG
, recht 2014 S. 60 f.).
4.4
Die übergangsrechtliche Frage braucht vorliegend allerdings nicht in der von der Beschwerdeführerin und in der Literatur diskutierten allgemeinen Form beantwortet zu werden. Die beiden Verträge verlängerten sich - mangels rechtzeitiger Kündigung - in Anwendung von Ziffer 5 der AGB bei Ablauf der ursprünglichen Vertragslaufzeit von zwölf Monaten am 28. Februar 2012 um die gleiche Dauer. Zum Zeitpunkt der Verlängerung war der neue
Art. 8 UWG
noch nicht in Kraft. Jedenfalls
in dieser Konstellation
bieten weder Art. 2 noch
Art. 3 SchlT ZGB
eine Grundlage für die Anwendung der neuen Gesetzesbestimmung, und zwar unabhängig davon, ob diese generell
BGE 140 III 404 S. 408
auch für altrechtliche Verträge und AGB gelten soll. Denn selbst wenn die Regel von
Art. 8 UWG
der öffentlichen Ordnung willen erlassen worden sein sollte, würde doch der Vertrauensschutz gebieten, dass die gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen
vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgte automatische Vertragsverlängerung
nach dem früheren Recht beurteilt wird. Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass - sollte ein Verstoss gegen das neue Recht festgestellt werden - der bereits eingetretenen Vertragsverlängerung nachträglich die Grundlage entzogen würde. Die Parteien hätten die Folgen der unterbliebenen ausdrücklichen Vertragsverlängerung zu tragen, für die sie aber zu jenem Zeitpunkt angesichts der Prolongationsklausel und nach Massgabe des damals geltenden Rechts keinen Anlass hatten. Das Vertrauen der Parteien in die gültige Verlängerung des Vertrages ist insoweit zu schützen, und das neue Recht ist aus diesem Grund jedenfalls nicht auf diese vor seinem Inkrafttreten eingetretene und abgeschlossene vertragliche Rechtswirkung anwendbar (vgl. im Allgemeinen:
BGE 116 III 120
E. 3d S. 126; BRÄNDLI, in: Sachenrecht, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu
Art. 2 SchlT ZGB
; BROGGINI, Intertemporales Privatrecht, in: Geschichte und Geltungsbereich, SPR Bd. I/1, 1969, S. 449 f.; siehe ferner ROBERTO/WALKER, a.a.O., S. 60 f., welche die AGB hinsichtlich von
Ansprüchen
, die bereits vor dem 1. Juli 2012 entstanden sind, der bisherigen Geltungs- und Auslegungskontrolle, in Bezug auf Ansprüche, deren Voraussetzungen sich nach dem 1. Juli 2012 erfüllen, dagegen der Inhaltskontrolle im Sinne des revidierten
Art. 8 UWG
unterziehen möchten). Die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist mithin dahingehend zu beantworten, dass, wenn eine automatische Vertragsverlängerung gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen eintrat, als der revidierte
Art. 8 UWG
noch nicht in Kraft war, die zugrunde liegende Klausel nicht nach dem neuen Recht zu beurteilen ist.
4.5
Die Vorinstanz hat demnach nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie angesichts der vorliegenden Streitsache keine auf den revidierten
Art. 8 UWG
gestützte Inhaltskontrolle vornahm. Damit kann offenbleiben, wie eine solche ausfallen würde. Der Vollständigkeit halber ist immerhin Folgendes zu bemerken: Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass eine "automatische Verlängerung befristet geschlossener Abonnementsverträge" unter dem neuen Recht generell als missbräuchlich anzuschauen sein wird. Indessen ergibt sich eine derartige Regel weder aus dem Wortlaut von
Art. 8 UWG
noch aus der in der Beschwerde zitierten Materialien- und
BGE 140 III 404 S. 409
Literaturstelle: So erwähnte Bundesrat Schneider-Ammann im Nationalrat Klauseln mit einem dahingehenden Inhalt lediglich als solche, die einer "richterlichen Missbrauchskontrolle unterliegen könnten" (AB 2011 N 228 f.). Unter Hinweis auf dieses Votum wurde in der Lehre diese "Klauselgruppe" zu jenen gezählt, die "für ein erhebliches Missverhältnis in Betracht" fallen werden, so wie etwa auch Freizeichnungsklauseln, Abreden über die Verjährung sowie Rechtswahl-, Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklauseln (SCHMID, Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen: Überlegungen zum neuen
Art. 8 UWG
, ZBJV 2012 S. 12 f.). Von der
generellen Unzulässigkeit entsprechender Klauseln
war dagegen weder am einen noch am anderen Ort die Rede. Ein entsprechendes (allgemeines) Verbot folgt schliesslich auch nicht aus der ebenfalls erwähnten Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21. April 1993 S. 29). | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b1cda467-f787-4af7-a6de-89041e5b77e5 | Urteilskopf
125 V 188
28. Arrêt du 10 mai 1999 dans la cause R. contre SUPRA Caisse-maladie et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 80 Abs. 1,
Art. 85 Abs. 1 und
Art. 86 Abs. 2 KVG
;
Art. 4 Abs. 1 BV
: Frist für den Einspracheentscheid.
Mangels einer besonderen Bestimmung über die Frist, innert welcher der Krankenversicherer über eine Einsprache zu befinden hat, sind die von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit ungerechtfertigten Verfahrensverzögerungen entwickelten Grundsätze anwendbar. | Sachverhalt
ab Seite 188
BGE 125 V 188 S. 188
A.-
R., née en 1933, est assurée auprès de la Caisse-maladie SUPRA, notamment pour l'assurance obligatoire des soins. Elle souffre de la maladie d'Alzheimer et elle séjourne, depuis le 1er novembre 1996, dans l'établissement médico-social X. Pour ce séjour, la caisse a pris en charge un forfait dit "ambulatoire" de 60 francs par jour, conformément au tarif de la convention vaudoise d'hébergement médico-social.
BGE 125 V 188 S. 189
Par lettre du 25 juin 1997, le mari de l'assurée a demandé à la caisse de verser pour son épouse les prestations prévues en cas d'hospitalisation, en lieu et place du forfait journalier de 60 francs.
A la suite d'un échange de correspondance entre les parties, la caisse a rendu une décision, le 6 octobre 1997, par laquelle elle a refusé d'allouer les prestations demandées.
Par écriture du 13 octobre 1997, le mari de l'assurée a formé opposition.
B.-
Faisant valoir que la caisse tardait à statuer sur son opposition, R. a saisi le Tribunal des assurances du canton de Vaud par acte du 30 janvier 1998, remis à la poste le 10 février suivant. Elle concluait à ce que la SUPRA prît en charge ses frais de séjour dans l'établissement X, au titre de soins hospitaliers.
Par jugement du 14 septembre 1998, le tribunal des assurances a écarté préjudiciellement le recours. Il a considéré qu'il ne pouvait pas être saisi avant que la SUPRA ait statué sur l'opposition du 13 octobre 1997 et il a au surplus nié l'existence d'un retard injustifié assimilable à un déni de justice.
C.-
R. interjette un recours de droit administratif dans lequel elle conclut à l'annulation du jugement attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle statue au fond.
La SUPRA conclut au rejet du recours. L'Office fédéral des assurances sociales ne s'est pas déterminé à son sujet.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Selon l'
art. 80 al. 1 LAMal
, lorsque l'assuré n'accepte pas une décision de l'assureur, celui-ci doit la confirmer par écrit, dans les trente jours à compter de la demande expresse de l'assuré. Toute décision peut être attaquée, dans les trente jours, par voie d'opposition auprès de l'assureur qui l'a notifiée (
art. 85 al. 1 LAMal
). Les décisions rendues sur opposition peuvent ensuite être attaquées par la voie du recours de droit administratif devant le Tribunal cantonal des assurances (
art. 86 al. 1 LAMal
). Le recours peut aussi être formé lorsque l'assureur n'a pas rendu de décision ni de décision sur opposition, en dépit de la demande de l'assuré (
art. 86 al. 2 LAMal
).
La loi n'impose à l'assureur aucun délai pour statuer sur l'opposition. La recourante soutient cependant que le délai de trente jours dans lequel une caisse est tenue de rendre une décision, conformément à l'
art. 80 al. 1 LAMal
, doit aussi s'appliquer aux décisions sur opposition. Saisi d'une opposition, l'assureur devrait statuer dans le même délai, car l'opposition
BGE 125 V 188 S. 190
constitue une demande de l'assuré pour qu'il soit statué sur ses droits dans un acte susceptible d'être déféré au juge.
b) L'
art. 80 al. 1 LAMal
est destiné à obliger un assureur-maladie, lorsqu'il existe un désaccord entre lui et un intéressé, à confirmer à bref délai sa position dans un acte formel qui doit notamment permettre au destinataire de la décision de déterminer exactement l'objet du litige, l'étape suivante étant alors la procédure de l'opposition, qui doit être formée dans un délai de même durée.
L'"opposition" ou la "réclamation" est une demande adressée à l'auteur d'une décision, dont elle vise l'annulation ou la modification ou tend à faire constater la nullité (GRISEL, Traité de droit administratif, p. 938). Elle constitue une sorte de procédure de reconsidération qui confère à l'autorité ayant statué la possibilité de réexaminer sa décision avant que le juge soit éventuellement saisi (
ATF 123 V 130
sv. consid. 3a et les références citées). Du moment que la demande est adressée par une personne qui a qualité de partie, selon des exigences déterminées, à une autorité qui est obligée de statuer, l'opposition est un véritable moyen juridictionnel (
ATF 123 V 131
consid. 3a; GRISEL, op.cit., p. 884; MOOR, Droit administratif, vol. II, p. 344, § 5.3.1.1; RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, no 587, p. 114 et no 1191, p. 229; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2ème éd., p. 169 ch. 566). En matière d'assurance-maladie, comme en matière d'assurance-accidents (voir l'
art. 105 al. 1 LAA
), la contestation éclate donc au moment où l'assuré forme son opposition; c'est à partir de ce même moment, d'ailleurs, que commence à courir le délai raisonnable dans lequel toute personne a droit à ce que sa cause soit entendue au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
et qui couvre l'ensemble de la procédure, y compris la phase administrative ayant précédé la saisine du tribunal compétent (voir sur ce point la décision de la Commission européenne des droits de l'homme du 16 octobre 1996, JAAC 1998 no 122 p. 1010). Dans cette mesure, la procédure d'opposition fait partie du contentieux administratif au sens large (sur cette notion, voir MOOR, ibidem); en cela, elle se distingue de la procédure de prise de décision selon l'
art. 80 al. 1 LAMal
, dont elle n'est pas la simple répétition. Compte tenu de cette différence et en l'absence d'une norme qui obligerait l'assureur à se prononcer dans un délai déterminé sur l'opposition, on ne saurait appliquer, même par analogie, le délai de trente jours prévu par cette disposition.
BGE 125 V 188 S. 191
La recourante s'appuie principalement sur l'avis d'EUGSTER (in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Krankenversicherung, note 1046 ad chiffre 411), qui ne peut toutefois pas être interprété en faveur de la thèse qu'elle soutient. Cet auteur considère, en effet, que le délai de trente jours fixé par l'
art. 80 al. 1 LAMal
a une simple valeur indicative pour la procédure d'opposition, en précisant bien qu'il peut être prolongé si des circonstances objectives le justifient (dans ce sens également, arrêt non publié O. du 29 mars 1999).
c) On ajoutera que le but de la procédure d'opposition est d'obliger l'assureur à revoir sa décision de plus près, parfois même en confiant l'examen du dossier à une autre personne que l'auteur de la décision contestée (
ATF 123 V 131
consid. 3a, 118 V 186 sv. consid. 2b). Elle doit lui permettre, en particulier, de compléter au mieux le dossier, par des mesures d'instruction appropriées - souvent nécessitées par les nouveaux allégués de l'assuré - afin de décharger les tribunaux, ce qui est le but final recherché (MORGER, Das Einspracheverfahren im Leistungsrecht des Unfallversicherungsgesetzes [UVG], in: RSAS 1985, p. 241; MOOR, op.cit., vol. II p. 349 sv., ch. 5.3.2.2). Dans bien des cas, ce but ne pourrait pas être atteint si l'assureur était tenu, sous peine de commettre un déni de justice, de rendre sa nouvelle décision dans le délai - très bref - de trente jours à compter du dépôt de l'opposition.
L'argumentation de la recourante n'est dès lors pas fondée.
2.
a) Il reste que la procédure d'opposition est soumise aux garanties de procédure de l'
art. 4 al. 1 Cst.
(voir à ce sujet RUMO-JUNGO, Das Verwaltungsverfahren in der Unfallversicherung, in: Schaffhauser/Schlauri (éd.), Verfahrensrecht in der Sozialversicherung, St. Gall 1996, p. 204 sv.), qui exige notamment qu'une procédure soit achevée dans un délai raisonnable (
ATF 119 II 389
consid. 1b et les références; cf. aussi l'art. 29 al. 1 de la Constitution fédérale du 18 avril 1999). Ainsi, en l'absence de dispositions spéciales sur le délai dans lequel l'assureur-maladie doit statuer sur l'opposition, il faut appliquer les principes développés par la jurisprudence en matière de retard injustifié.
Il y a retard injustifié de la part de l'autorité lorsque celle-ci diffère sa décision au-delà de tout délai raisonnable. Le caractère raisonnable de la durée de la procédure s'apprécie en fonction des circonstances particulières de la cause. Il faut notamment prendre en considération l'ampleur et la difficulté de celle-ci, ainsi que le comportement du justiciable (ATF 119 Ib
BGE 125 V 188 S. 192
325 consid. 5b et les références citées; RAMA 1997 no U 286, p. 339; SJ 1998, p. 247), mais non des circonstances sans rapport avec le litige, telle une surcharge de travail de l'autorité (
ATF 108 V 20
consid. 4c,
ATF 103 V 195
consid. 3c).
b) En l'occurrence, le mari de l'assurée a formé opposition le 13 octobre 1997. Il a notamment fait valoir qu'il existait une indication médicale pour l'hospitalisation de son épouse. Il alléguait, en outre, que l'établissement X répondait à la définition d'un établissement hospitalier, du fait que les soins y étaient donnés sous direction médicale et que l'établissement disposait du personnel et d'installations adéquates. Par un courrier du 27 novembre 1997, il a écrit à la caisse pour lui faire savoir qu'il attendait une décision jusqu'au 10 décembre 1997, faute de quoi il saisirait le tribunal des assurances. Cette correspondance a croisé une lettre du 26 novembre 1997, par laquelle la caisse informait l'opposant qu'elle avait demandé des renseignements médicaux complémentaires. Le 17 décembre 1997, la caisse a confirmé à celui-ci que ces renseignements complémentaires étaient indispensables.
On doit admettre que la nature de l'affaire justifiait une instruction assez approfondie de la part de la caisse, sur le plan médical notamment. Juridiquement, le litige posait en outre une question relativement complexe, à laquelle d'ailleurs le mandataire de la recourante a consacré plusieurs publications (par exemple DUC, Statut des assurés dans des établissements médico-sociaux selon la LAMal, in: RSAS 1996 p. 257 ss) et qui se situe dans le contexte d'un arrêt de principe que vient de rendre le Tribunal fédéral des assurances (
ATF 125 V 177
). Il s'est écoulé moins de quatre mois entre l'opposition et le recours devant le Tribunal des assurances. Cette durée n'apparaît pas excessive en regard des circonstances. L'appréciation du juge cantonal doit donc être confirmée.
Le recours de droit administratif est ainsi mal fondé.
3.
(Frais judiciaires) | null | nan | fr | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b1d1a63c-a102-4d22-ad9a-225b7d65da77 | Urteilskopf
134 IV 266
28. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_777/2007 vom 16. Juni 2008 | Regeste
Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung; Anwendungsbereich des Gesetzes, Begriff der verdeckten Ermittlung; verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet zwecks Aufklärung von Straftaten, im Besonderen von sexuellen Handlungen mit Kindern, im Vorfeld eines Strafverfahrens; Erfordernis einer richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler, Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung bei deren Fehlen (Art. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 17, 18 BVE).
Mangels einer klaren, abweichenden Regelung im BVE ist jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwandes und der Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren (E. 3.5-3.7). Die verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet ist trotz der gewissen Besonderheiten dieses Mediums eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE (E. 3.8). Die Voraussetzungen für die Anordnung einer verdeckten Ermittlung durch verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation im Chat zwecks Aufklärung von voraussichtlichen künftigen Straftaten gegen die sexuelle Integrität von Kindern im Vorfeld eines allfälligen Strafverfahrens sind schon vor dem Beginn des Chats erfüllt (E. 4.3). Die für die Ernennung eines verdeckten Ermittlers notwendige richterliche Genehmigung kann nicht erst nach dem Beginn des Einsatzes eingeholt und erteilt werden (E. 4.4). Erkenntnisse, die ein Polizeiangehöriger durch eine verdeckte Ermittlung gewinnt, dürfen nur als Beweis verwertet und für weitere Ermittlungen verwendet werden, wenn der Polizeiangehörige vor seinem Einsatz zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung vor seinem Einsatz richterlich genehmigt worden ist (E. 5.2). Unverwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse mangels dieser notwendigen richterlichen Genehmigung im vorliegenden Fall (E. 5.3). | Sachverhalt
ab Seite 268
BGE 134 IV 266 S. 268
X. nahm am 17. August 2005 unter dem Pseudonym "Jérôme" über das Internet im Bluewin-Chatroom "kidstalk" Kontakt mit einer Person mit dem Pseudonym "manuela_13" auf. Er hatte unter demselben Pseudonym schon vorher am gleichen Tag sowie am 6. August 2005 mit einer Person mit dem Pseudonym "Jenny_13" gechattet. Im Rahmen der Kommunikation im Chat konfrontierte der damals 26-jährige X. die Person mit dem Pseudonym "manuela_13" mit verschiedenen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts. Er fragte sie, ob sie bereits Brüste und schon Haare an ihrem Geschlechtsteil habe. Er forderte sie auf, sich an ihrem Geschlechtsteil zu streicheln, während er dasselbe mit dem seinen täte. Er äusserte, er habe schon einmal mit einer 13-Jährigen Sex gehabt. Er bat sie, eine Fotoaufnahme ihres Geschlechtsteils zu machen und
BGE 134 IV 266 S. 269
ihm diese zu schicken, was "manuela _13" ablehnte. Nach rund einstündigem Chatten schlug er vor, dass er von seinem Wohnort im Tessin nach Zürich komme, um sie zu treffen und im Auto am Geschlechtsteil zu streicheln und alles zu machen. Hierauf wurde ein Treffen auf den nächsten Tag, 11.00 Uhr, am Treffpunkt im Hauptbahnhof Zürich vereinbart. Rund 30 Minuten später gab er "manuela_13" im Chat seine (echte) Mobiltelefonnummer bekannt, worauf ihm "manuela_13" eine E-Mail-Adresse angab. X. erschien am vereinbarten Termin, doch traf er dort nicht auf ein 13-jähriges Mädchen, sondern auf Polizeibeamte, die sich sofort als solche zu erkennen gaben. Hinter dem Pseudonym "manuela_13" hatten sich, wie zuvor hinter dem Pseudonym "Jenny_13", Angehörige der Polizei verborgen.
Im Rahmen der in der Folge gegen X. eröffneten Strafuntersuchung wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind, angeblich begangen dadurch, dass er zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen an dem vereinbarten Treffen erschien, fand unter anderem eine Hausdurchsuchung bei X. statt, wobei in einem Computer kinderpornografische Bildaufnahmen sichergestellt wurden. Gegen X. wurde Anklage wegen unvollendeten untauglichen Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern sowie wegen Pornografie (im Sinne von
Art. 197 Ziff. 3
bis
StGB
) erhoben. Wegen der verschiedenen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts im Chat vom 17. August 2005 mit "manuela_13" wurde offenbar keine Anklage erhoben.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 7. September 2007 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 19. Juni 2006 frei.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Bundesrecht aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
X. beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weit die Beschwerde in Strafsachen ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
3.1.1
Das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8) enthält, wie schon der bundesrätliche
BGE 134 IV 266 S. 270
Entwurf, keine Definition der verdeckten Ermittlung. In der Botschaft des Bundesrates (BBl 1998 S. 4241 ff.) wird dazu ausgeführt, der Begriff der verdeckten Ermittlung werde in der Diskussion immer wieder verschieden gebraucht, was zu Verständnis- und Abgrenzungsschwierigkeiten führe. Gleichwohl solle auf eine Legaldefinition verzichtet werden, weil der Rahmen durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde. Gemäss den Ausführungen in der Botschaft ist verdeckte Ermittlung das Anknüpfen von Kontakten zu verdächtigen Personen, die darauf abzielen, die Begehung einer strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei vorwiegend passiv die deliktische Tätigkeit untersucht wird (a.a.O., S. 4283). Von der verdeckten Ermittlung ist laut Botschaft die Observation zu unterscheiden, welche grundsätzlich das gezielte Beobachten von Vorgängen an öffentlichen oder allgemein zugänglichen Orten - allenfalls unter Einsatz von Bild- und Tonaufnahmegeräten - umfasst (a.a.O., S. 4283). Sowohl bei einer Observation als auch bei einer verdeckten Ermittlung gehe es darum, Beweise für eine strafbare Handlung zu erlangen, wobei diese Tätigkeit für die verdächtigten Personen nicht erkennbar sein soll. Während bei einer Observation von aussen gezielt beobachtet werde, erfolge bei einer verdeckten Ermittlung das Einschleusen von dafür eingesetzten Polizeibeamten in einen bestimmten Personenkreis (a.a.O., S. 4284). Davon zu unterscheiden ist gemäss den weiteren Ausführungen in der Botschaft der Einsatz von Fahndern in Zivilkleidung. Auch diese könnten Personen und Vorgänge beobachten, ohne vorerst ihre Funktion bekannt zu geben. Sie benötigten jedoch keine Legende und beanspruchten keine Zeugenschutzmassnahmen und stünden unter der normalen dienstlichen Aufsicht (a.a.O., S. 4284).
Die Botschaft scheint somit unter anderem zwischen verdeckten Ermittlern einerseits und Fahndern in Zivil andererseits zu unterscheiden, wobei Letztere nicht unter den Anwendungsbereich des BVE fallen. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen in der Botschaft zu anderen Bestimmungen. So wird zu Art. 8 des bundesrätlichen Entwurfs ("Verwendung der Erkenntnisse"), dem
Art. 12 BVE
wörtlich entspricht, unter anderem ausgeführt, dass die verdeckte Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens qualitativ noch sehr nahe beim Einsatz von Fahndern in Zivil oder bei der Observation sei, bei denen die eingesetzten Polizeibeamten nach den meisten kantonalen Polizeigesetzgebungen umfassend verpflichtet seien,
BGE 134 IV 266 S. 271
während des Dienstes festgestellte Straftaten anzuzeigen. Aus diesem Grunde dürften Zufallsfunde, die im Rahmen einer verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens gemacht würden, voraussetzungslos verwertet werden, mithin nicht nur dann, wenn auch zur Verfolgung der zufällig entdeckten Straftat eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden könnte (a.a.O., S. 4293). Sodann hat der Bundesrat auf die im Vernehmlassungsentwurf noch vorgesehene Streichung von
Art. 23 Abs. 2 BetmG
verzichtet, wonach der Polizeibeamte, der zu Ermittlungszwecken selber ein Angebot von Betäubungsmitteln annimmt, straflos bleibt, auch wenn er seine Identität und Funktion nicht bekannt gibt. Der Vernehmlassungsentwurf wollte diese Bestimmung streichen und nur noch für die verdeckte Ermittlung die Straffreiheit zubilligen (a.a.O., S. 4301). Gegen die Streichung wurde in verschiedenen Vernehmlassungen opponiert mit der Begründung, dass auch andere Fahnder in Zivil, die nicht als verdeckte Ermittler eingesetzt seien, die Möglichkeit behalten sollten, zu Ermittlungszwecken ihnen angebotene Drogen anzunehmen. Dieses Argument hat den Bundesrat überzeugt, weshalb
Art. 23 Abs. 2 BetmG
beibehalten wurde mit der Modifikation, dass die betroffenen Beamten mit dem Auftrag zur Bekämpfung des Drogenhandels betraut sein müssen (a.a.O., S. 4301).
Aus der Botschaft geht allerdings nicht hervor, nach welchen Kriterien sich die verdeckten Ermittler von den Fahndern in Zivil unterscheiden. Der Hinweis in der Botschaft, dass die Fahnder in Zivil keine Legende benötigen und keine Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen (a.a.O., S. 4284), ist an sich zutreffend, doch ist die darin enthaltene Andeutung, dass die verdeckten Ermittler eine Legende benötigen und Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen, zumindest ungenau. Denn diese Massnahmen sind sowohl nach dem bundesrätlichen Entwurf (Art. 3) als auch nach dem Gesetz (
Art. 6 BVE
) fakultativ ("[...] kann [...]"), auch wenn offenbar laut Botschaft "in der Praxis" Einsätze von verdeckten Ermittlern "regelmässig" mit Vertraulichkeitszusage und Legende erfolgen (a.a.O., S. 4288).
3.1.2
Der bundesrätliche Entwurf hat in den Verhandlungen der eidgenössischen Räte (AB 2001 N 1812 ff., 1836 ff.; AB 2002 S 534 ff.; AB 2002 N 1259 ff.; AB 2002 S 1073 ff.; AB 2003 N 361 f.; AB 2003 S 487 f.) erhebliche Änderungen erfahren. Aus den Verhandlungen geht hervor, dass auch das Parlament bei der verdeckten Ermittlung relativ langfristige und heikle Einsätze namentlich im Rahmen der
BGE 134 IV 266 S. 272
Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels und der sog. organisierten Kriminalität im Auge hatte. Aus den Verhandlungen ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach den Vorstellungen des Parlaments auch kurze und relativ einfache Einsätze unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sollen.
3.2
Das BVE enthält im Unterschied zum bundesrätlichen Entwurf immerhin einen Zweckartikel. Gemäss
Art. 1 BVE
hat verdeckte Ermittlung nach diesem Gesetz zum Zweck, mit Angehörigen der Polizei, die nicht als solche erkennbar sind (Ermittler oder Ermittlerin), in das kriminelle Umfeld einzudringen und damit beizutragen, besonders schwere Straftaten aufzuklären. Aus diesem Zweckartikel lässt sich indessen nicht ableiten, dass eine verdeckte Ermittlungstätigkeit nur als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren ist, wenn dabei in ein kriminelles Umfeld eingedrungen wird. Der Zweckartikel kann auch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine verdeckte Ermittlung nur im Falle des Eindringens in ein kriminelles Umfeld unter den Anwendungsbereich des BVE fällt. Das in
Art. 1 BVE
erwähnte Eindringen in ein kriminelles Umfeld ist somit weder ein Definitionsmerkmal des Begriffs der verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE noch ein Kriterium für die Bestimmung des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes. Es wäre hiefür ohnehin nicht geeignet, weil es viel zu unbestimmt ist. Der Gesetzgeber scheint damit lediglich zum Ausdruck bringen zu wollen, dass nach seinen Vorstellungen die verdeckte Ermittlung typischerweise namentlich auch der Aufklärung von Straftaten im Rahmen der sog. organisierten Kriminalität dient, und zu diesem Zweck in ein "kriminelles Umfeld" eingedrungen werden muss.
Das BVE ist somit auch anwendbar, wenn es an einem "kriminellen Umfeld" fehlt. Daher kann dahingestellt bleiben, was unter einem "kriminellen Umfeld" im Sinne von
Art. 1 BVE
zu verstehen ist und ob dieser Begriff allenfalls auch in einem weiten Sinne dahingehend verstanden werden könnte, dass in das Umfeld eines Kriminellen eingedrungen wird. Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die von den eidgenössischen Räten am 5. Oktober 2007 verabschiedete künftige schweizerische Strafprozessordnung, welche unter dem 8. Kapitel ("Geheime Überwachungsmassnahmen") die "verdeckte Ermittlung" in Art. 286-298 regelt, keinen dem
Art. 1 BVE
entsprechenden Zweckartikel enthält.
BGE 134 IV 266 S. 273
3.3
Der Bundesrat äussert in der Botschaft zum BVE die Meinung, dass auch ohne Definition des Begriffs der verdeckten Ermittlung der Anwendungsbereich des BVE durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde (BBl 1998 S. 4283). Aus verschiedenen Bestimmungen des BVE (wie übrigens auch der künftigen StPO/CH) lässt sich in der Tat ableiten, dass verdeckte Ermittlungen im Sinne des Gesetzes nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in der Regel relativ langfristige und heikle Einsätze sind, bei denen einerseits zum Zwecke einer erfolgreichen und nachhaltigen Täuschung der Zielpersonen und andererseits zum Schutze der verdeckten Ermittler flankierend verschiedene Anordnungen getroffen werden können. Dies ergibt sich unter anderem und insbesondere aus Art. 6 ("Legende und Vertraulichkeitszusage"), Art. 8 Abs. 3 und Art. 18 Abs. 3 (betreffend die einjährige Höchstdauer mit Verlängerungsmöglichkeit), Art. 9 ("Rechte und Pflichten"), Art. 10 Abs. 3 (betreffend Probekäufe und Dokumentation der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit), Art. 11 ("Führungsperson"), Art. 16 ("Straflosigkeit von Betäubungsmitteldelikten"), Art. 17 Abs. 2 (betreffend Zusicherung von Schutzmassnahmen im Strafverfahren), Art. 20 ("Vorzeigegeld") und Art. 23 ("Schutzmassnahmen"). Entsprechende Bestimmungen enthält auch die künftige schweizerische Strafprozessordnung (siehe Art. 288, 289 Abs. 5, 291, 292, 293 Abs. 3, 294, 295).
Die gesetzliche Regelung ist offensichtlich auf längere und relativ heikle Einsätze zugeschnitten. Verschiedene Bestimmungen des Gesetzes passen überhaupt nicht für kurze und relativ einfache Einsätze, die sich auf wenige Kontakte oder gar nur einen einzigen Kontakt mit einer bestimmten Zielperson beschränken und keine besonderen Vorkehrungen etwa zur Täuschung der Zielperson und zum Schutz des Ermittlers erfordern.
Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch solche kurzen und relativ einfachen Einsätze als verdeckte Ermittlungen im Sinne des BVE anzusehen sind.
3.4
In der Lehre ist ebenfalls erkannt worden, dass der Anwendungsbereich des BVE unter anderem mangels einer gesetzlichen Definition des Begriffs der verdeckten Ermittlung unklar ist (siehe THOMAS HANSJAKOB, Das neue Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung, ZStrR 122/2004 S. 97 ff.; CHARLES HAENNI, Verdeckte Ermittlung, Kriminalistik 4/2005 S. 248 ff.; FRANZ BÄTTIG, Verdeckte Ermittlung nach Inkrafttreten des BVE aus polizeilicher Sicht,
BGE 134 IV 266 S. 274
Kriminalistik 2/2006 S. 130 ff.; PETER RÜEGGER/ROLF NÄGELI, Chatrooms: Ein Tummelplatz für pädosexuelle Straftäter, Kriminalistik 6/2006 S. 404 ff.; WOLFGANG WOHLERS, Das Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung [BVE], Taugliches Instrument zur effizienten Bekämpfung der Organisierten Kriminalität?, ZSR 124/2005 I S. 219 ff.; PATRICK BISCHOFF/MARKUS LANTER, Verdeckte polizeiliche Ermittlungshandlungen in Chatrooms, Jusletter vom 14. Januar 2008, Rz. 5 ff.). Zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des BVE werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen.
3.5
3.5.1
Die in einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung, eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE liege nur vor, wenn der ermittelnde Beamte mit einer Legende ausgestattet ist und/oder seine Identität auch in einem späteren Strafverfahren geschützt werden soll, hat den Vorteil, dass sie den Anwendungsbereich des BVE relativ klar eingrenzt. Sie beruht zudem auf der an sich plausiblen Überlegung, dass das durch das BVE vorgeschriebene Verfahren - etwa betreffend die erforderliche richterliche Genehmigung - nur eingehalten werden muss, wenn die Strafverfolgungsbehörden von den besonderen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen, die das BVE eröffnet. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass die Ausstattung des verdeckten Ermittlers mit einer Legende, die Vertraulichkeitszusage und die Erlaubnis zur Herstellung und Veränderung von Urkunden zwecks Aufbaus und Aufrechterhaltung einer Legende - übrigens auch gemäss der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung (vgl.
Art. 288 StPO
/CH) - zweifellos fakultativ ("[...] kann [...]") sind (siehe
Art. 6 BVE
) und somit klarerweise keine notwendigen Merkmale einer verdeckten Ermittlung im Sinne des Gesetzes darstellen. Das BVE unterscheidet sich damit beispielsweise von der früheren Regelung in der Strafprozessordnung des Kantons Zürich, wonach Personen, die verdeckt ermitteln, unter einer Legende auftreten, die ihre wahre Identität verändert (siehe § 106c aStPO/ZH), sowie von der Regelung in der deutschen Strafprozessordnung, wonach verdeckte Ermittler Beamte des Polizeidienstes sind, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln (
§ 110a Abs. 2 StPO
/D). Die Straflosigkeit des verdeckten Ermittlers im Besonderen betrifft zudem lediglich allfällige Betäubungsmitteldelikte im Sinne von Art. 19 sowie
Art. 20-22 BetmG
(vgl.
Art. 16 BVE
; ebenso
Art. 294 StPO
/CH), mithin nicht auch andere Straftaten,
BGE 134 IV 266 S. 275
welche der Ermittler im Rahmen der verdeckten Ermittlung begeht. Hinzu kommt, dass
Art. 4 Abs. 2 BVE
zahlreiche Katalogtaten auflistet, die, wie gerade auch die Straftat der sexuellen Handlungen mit Kindern (
Art. 187 StGB
), typischerweise auch von Einzeltätern begangen werden und durch verdeckte Ermittlungen in kurzen, relativ einfachen und ungefährlichen Einsätzen aufgedeckt werden können, welche weder die Ausstattung des verdeckten Ermittlers mit einer Legende noch eine Vertraulichkeitszusage oder andere Massnahmen zum Schutz des verdeckten Ermittlers erfordern.
3.5.2
Die zeitliche Dauer des Einsatzes ist kein taugliches Abgrenzungskriterium, da es einerseits ohnehin zu unbestimmt ist und andererseits auch von der Art der aufzuklärenden Straftat sowie nicht zuletzt von Zufälligkeiten abhängt, wie rasch durch die verdeckte Ermittlungstätigkeit Erkenntnisse gewonnen werden. Zwar kann die richterliche Genehmigung sowohl im Vorfeld eines Strafverfahrens als auch im Strafverfahren für (höchstens) ein Jahr - mit Verlängerungsmöglichkeit - erteilt werden (siehe
Art. 8 Abs. 3 und
Art. 18 Abs. 3 BVE
). Dies bedeutet indessen bloss, dass auch langfristige verdeckte Ermittlungen zulässig sind. Daraus folgt aber nicht, dass ein Einsatz, der nur ganz kurz dauert, etwa weil er rasch zu Erkenntnissen führen kann, keine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE ist.
3.5.3
Dem BVE lässt sich mithin nicht entnehmen, dass nur Einsätze von Polizeiangehörigen, die mit einer Legende ausgestattet sind, und/oder nur längere Einsätze als verdeckte Ermittlungen im Sinne des Gesetzes anzusehen sind und kurze Einsätze von Ermittlern ohne Legende nicht unter dessen Anwendungsbereich fallen.
3.6
3.6.1
Verdeckte Ermittlung ist das Anknüpfen von Kontakten durch Polizeiangehörige zu verdächtigen Personen, die darauf abzielen, die Begehung einer strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei die Polizeiangehörigen nicht als solche erkennbar sind (ähnlich die Botschaft, BBl 1998 S. 4283). Von der Observation unterscheidet sich die verdeckte Ermittlung dadurch, dass die Polizeiangehörigen die verdächtigen Personen nicht lediglich gezielt zwecks Aufklärung von Straftaten beobachten, sondern zu diesem Zweck mit den verdächtigen Personen über irgendein Medium kommunizieren.
3.6.2
Die Lehre scheint überwiegend der Auffassung zu sein, dass nicht jede verdeckte Ermittlung in diesem Sinne als verdeckte
BGE 134 IV 266 S. 276
Ermittlung im Sinne des BVE anzusehen ist. Eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE setzt nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum jedenfalls ein gewisses Mass an Täuschungs- und/oder Handlungs- und Eingriffsintensität voraus. Wenn dieses gewisse Mass nicht erreicht ist, liegt nach dieser Auffassung keine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE vor und bestimmt sich die Zulässigkeit der verdeckten Ermittlungstätigkeit nach dem kantonalen Strafprozessrecht. Auch die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz gehen im vorliegenden Verfahren insoweit übereinstimmend davon aus, dass eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE nur vorliegt, wenn das Verhalten der Polizeiangehörigen eine gewisse Täuschungs-, Handlungs- und Eingriffsintensität erreicht. Nach der Meinung der Vorinstanz ist diese im konkreten Fall im Verlauf des Chats vom 17. August 2005 in einem gewissen Zeitpunkt erreicht worden, was die Beschwerdeführerin bestreitet.
3.6.3
Das Kriterium der gewissen Täuschungs- und/oder Handlungs- und Eingriffsintensität ist indessen äusserst vage. Der Anwendungsbereich des BVE muss sich aber nach klaren, einfachen Kriterien bestimmen lassen. Es darf nicht von ungewissen Kriterien abhängen, ob eine verdeckte Ermittlungstätigkeit im konkreten Einzelfall unter den Anwendungsbereich des BVE oder aber unter den Anwendungsbereich der kantonalen Strafprozessordnungen fällt, welche im Übrigen zurzeit - von wenigen Ausnahmen abgesehen - ohnehin nicht die besonderen Vorschriften enthalten, die zur Regelung der verdeckten Ermittlung wegen der darin in jedem Fall liegenden Täuschung eines Verdächtigen erforderlich wären.
3.6.4
Den Bestimmungen des BVE lassen sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Auffassung entnehmen, dass eine verdeckte Ermittlung nur als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren ist, wenn sie ein gewisses Mass an Täuschungs- und/oder Handlungs- und Eingriffsintensität aufweist. Welche Vorkehrungen für eine erfolgreiche Täuschung der Zielperson über die wahre Identität des ermittelnden Polizeiangehörigen erforderlich sind, hängt wesentlich von den gesamten Umständen ab, wozu auch etwa die Person des Verdächtigen, die Art der aufzuklärenden Straftat und nicht zuletzt das Medium gehört, über welches mit der Zielperson kommuniziert wird. Massgebend ist insoweit unter der gebotenen Berücksichtigung des Schutzzwecks der Bestimmungen des BVE nicht der betriebene Täuschungsaufwand, sondern der Umstand, dass der Verdächtige überhaupt getäuscht wird, weil der mit ihm
BGE 134 IV 266 S. 277
zu Ermittlungszwecken kommunizierende Polizeiangehörige nicht als solcher erkennbar ist. Allein schon wegen dieser Täuschung bedarf die verdeckte Ermittlung in jedem Fall einer besonderen gesetzlichen Regelung, ganz unabhängig davon, welche Eingriffsintensität die verdeckte Ermittlung im konkreten Einzelfall aufweist.
3.7
Aus diesen Gründen ist mangels einer klaren, abweichenden Regelung im BVE im Zweifelsfall davon auszugehen, dass jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE ist und unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt. Damit liegt einerseits im BVE die für das Anknüpfen von solchen Kontakten ungeachtet des dabei betriebenen Täuschungsaufwandes in jedem Fall erforderliche besondere gesetzliche Regelung vor und ist andererseits ein solches Anknüpfen von Kontakten, unabhängig von der Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität des polizeilichen Vorgehens, nur unter den im BVE genannten Voraussetzungen zulässig. Sollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des BVE - beziehungsweise der Bestimmungen der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung betreffend die verdeckte Ermittlung (
Art. 286 ff. StPO
/CH) - auf verdeckte Ermittlungen beschränken wollen, die eine gewisse Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität aufweisen, hätte er dies durch entsprechende Vorschriften zum Ausdruck zu bringen, aus welchen sich ein diesbezüglich eingeschränkter Anwendungsbereich klar ergibt. In diesem Fall wäre allerdings im Gesetz - zurzeit in den kantonalen Strafprozessordnungen, künftig in der schweizerischen Strafprozessordnung - auch zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und Umständen verdeckte Ermittlungen, welche das umschriebene Mass an Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität nicht erreichen, zulässig sind; denn wegen der jeder verdeckten Ermittlung durch Anknüpfen von Kontakten innewohnenden Täuschung reichen insoweit die allgemeinen Vorschriften über die polizeiliche Ermittlungstätigkeit nicht aus.
3.8
3.8.1
Der Chat im Internet ist ein Medium der besonderen Art. Die Verwendung von Pseudonymen ist üblich, und offenbar kommt es häufig vor, dass die beteiligten Personen im Chat unwahre Angaben über sich, ihre Vorstellungen und ihre Absichten machen. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in der Kommunikation im Chat eine Täuschung gar nicht möglich ist, weil hier mit
BGE 134 IV 266 S. 278
allem gerechnet werden muss, auch etwa damit, dass der Chatpartner ein ermittelnder Polizeiangehöriger sein könnte, und dass die polizeiliche Beteiligung in einem für Kinder und Jugendliche reservierten Chatroom daher mangels jeglichen Erklärungswerts der darin gemachten Angaben keine Täuschung ist und aus diesem Grunde überhaupt keine verdeckte Ermittlung sein kann. Die polizeilichen Aktionen der vorliegenden Art zielen offensichtlich darauf ab zu ermitteln, ob der (vermeintlich) erwachsene Chatpartner gewillt und bereit ist, sich zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit einem (vermeintlichen) Kind im realen Leben zu treffen (siehe dazu nachfolgend E. 3.9). Die Aktionen machen daher nur Sinn, wenn davon ausgegangen wird, dass die Zielperson sich durch die Angaben im Chat tatsächlich täuschen lässt und deshalb annimmt, sie habe es mit einem Kind zu tun. Die verdeckte polizeiliche Teilnahme an der Kommunikation im Chat ist demnach als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren. Dies gilt unabhängig davon, ob dabei etwa - wie im vorliegenden Fall - noch Telefonnummern und E-Mail-Adressen ausgetauscht werden, über welche beispielsweise eine Verschiebung des vereinbarten Treffens mitgeteilt werden könnte.
3.8.2
Anders verhält es sich hingegen, wenn die Polizeiangehörigen nicht selbst an der Kommunikation im Chat teilnehmen, sondern eine Kommunikation im Chat zwischen Dritten lediglich mitverfolgen. Ein solches Verhalten stellt keine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE dar. Es ist vielmehr dem "Patrouillieren" von Polizeiangehörigen in Zivil vergleichbar und, soweit die Beobachtung gezielt auf bestimmte Teilnehmer im Chat konzentriert wird, allenfalls als Observation zu qualifizieren.
3.9
In den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms im Internet tummeln sich erfahrungsgemäss auch pädosexuell veranlagte Personen, welche im Chat Kinder mit schriftlichen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts konfrontieren und unter Umständen, darüber hinausgehend, ein Treffen im realen Leben anstreben, um mit dem Kind sexuelle Handlungen vorzunehmen. Polizeiliche Ermittlungen in solchen Chatrooms scheinen daher dazu geeignet zu sein, pädosexuelle Personen aufzuspüren, die möglicherweise einschlägige strafbare Handlungen verübt haben oder in der Zukunft begehen könnten. Die polizeiliche Tätigkeit kann sich darauf beschränken, die Kommunikation im Chat zwischen Drittpersonen lediglich mitzuverfolgen. Dies ist keine
BGE 134 IV 266 S. 279
verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE, sondern höchstens eine Observation. Die polizeiliche Tätigkeit kann aber auch darüber hinausgehen, indem Polizeiangehörige sich an der Kommunikation im Chat beteiligen und dabei den unzutreffenden Eindruck erwecken, dass sie weniger als 16 Jahre alt und somit Kinder, seien es Knaben oder Mädchen, sind. Der Zweck dieser verdeckten polizeilichen Beteiligung an einer Kommunikation im Chat scheint zur Hauptsache darin zu bestehen, dass nach einer schriftlichen Kommunikation auch mit sexuellen Inhalten, die in der Regel einseitig vorwiegend vom Chatpartner geführt wird, ein konkretes Treffen im realen Leben vereinbart wird. Erscheint der Chatpartner zum vereinbarten Treffen, begegnet er nicht wie erwartet einem Kind, sondern erwachsenen Personen, die sich sogleich als Polizeiangehörige zu erkennen geben. Gegen den nunmehr identifizierten Chatpartner wird eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern eröffnet, angeblich begangen dadurch, dass er mit dem Vorsatz der Vornahme von sexuellen Handlungen am vereinbarten Treffen mit dem vermeintlichen Kind erschien (siehe dazu
BGE 131 IV 100
). Im Rahmen dieser Strafuntersuchung wird unter anderem eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei welcher unter Umständen kinderpornografische Bildaufnahmen sichergestellt werden, welche die verdächtige Person entweder erworben (
Art. 197 Ziff. 3
bis
StGB
) oder selber hergestellt (
Art. 197 Ziff. 3 StGB
) hat, und können allenfalls auch Erkenntnisse gewonnen werden, die auf sexuelle Handlungen mit Kindern in der Vergangenheit hinweisen. Dergestalt verlief das Prozedere im vorliegenden Fall und auch schon in anderen Fällen (siehe dazu etwa ZR 104/2005 Nr. 68 [Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Juli 2005] und ZR 106/2007 Nr. 49 [Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Dezember 2006]; ferner den
BGE 131 IV 100
zugrunde liegenden Fall).
4.
4.1
4.1.1
Gemäss
Art. 4 Abs. 1 BVE
kann eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden, wenn (a) bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, besonders schwere Straftaten seien begangen worden oder sollen voraussichtlich begangen werden und (b) andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind, oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert
BGE 134 IV 266 S. 280
würden. Eine verdeckte Ermittlung kann mithin nach dem geltenden Recht schon angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen der Verdacht besteht, dass voraussichtlich besonders schwere Straftaten begangen werden sollen. Die verdeckte Ermittlung dient auch in diesem Fall - der im Übrigen in der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung nicht mehr als Grund für eine verdeckte Ermittlung vorgesehen ist (siehe
Art. 286 Abs. 1 StPO
/CH) - nicht etwa der Verhinderung der voraussichtlichen Straftat, sondern deren Aufklärung für den Fall, dass sie begangen wird. Dies ergibt sich auch aus
Art. 1 BVE
, wonach dieses Gesetz bezweckt, besonders schwere Straftaten
aufzuklären
, sowie aus
Art. 2 BVE
, wonach dieses Gesetz für
Strafverfahren
des Bundes und der Kantone gilt. Verdeckte polizeiliche Operationen zur
Verhinderung
von Straftaten fallen unter den Regelungsbereich der Polizeigesetzgebung.
4.1.2.
Im vorliegenden Fall ging es im Wesentlichen nicht um die Aufklärung von möglicherweise bereits begangenen strafbaren Handlungen, sondern um die Aufklärung von Straftaten, die voraussichtlich begangen werden sollten. Diese Straftaten sollten nicht verhindert, sondern ermittelt werden. Es ging im Wesentlichen darum abzuklären, ob eine Person, die ausweislich ihrer schriftlichen Äusserungen im Chat allenfalls pädosexuelle Neigungen hat, gewillt und bereit war, im realen Leben sexuelle Handlungen mit Kindern vorzunehmen und zu diesem Zweck ein Treffen mit dem (vermeintlichen) Kind zu vereinbaren.
4.2
4.2.1
Das BVE kennt - im Unterschied zur künftigen schweizerischen Strafprozessordnung (siehe
Art. 286 Abs. 1 StPO
/CH), dazu die Botschaft zur schweizerischen Strafprozessordnung (BBl 2006 S. 1085 ff., 1255) - zwei Phasen der verdeckten Ermittlung, nämlich die Ermittlung in einer Vorbereitungsphase im Vorfeld eines Strafverfahrens und die Ermittlung im Strafverfahren (Botschaft, BBl 1998 S. 4284). Die Zweiphasigkeit kommt allerdings in der Systematik des Gesetzes nicht klar zum Ausdruck. Das Gesetz regelt im 2. Abschnitt, Art. 14 ff., ausdrücklich den "Einsatz in Strafverfahren". Demgegenüber ergibt sich die Möglichkeit des Einsatzes bereits im Vorfeld eines Strafverfahrens lediglich implizit aus dem 1. Abschnitt des Gesetzes ("Allgemeine Bestimmungen"). Aufgrund dieser etwas verwirrenden Gesetzessystematik ist nicht ohne weiteres klar, welche Vorschriften für welche Phase gelten (siehe THOMAS HANSJAKOB, a.a.O., S. 103, 105).
BGE 134 IV 266 S. 281
Gemäss
Art. 5 BVE
("Ernennung") kann der Kommandant eines Polizeikorps mit gerichtspolizeilichen Aufgaben eine Person mit deren Zustimmung zum Ermittler ernennen, wenn strafbare Handlungen nach Art. 4 abzuklären sind. Zu Ermittlern können nach
Art. 5 Abs. 2 BVE
Angehörige des Polizeikorps (lit. a) sowie Personen, welche vorübergehend für eine polizeiliche Aufgabe angestellt werden (lit. b), ernannt werden. Zu Führungspersonen werden gemäss
Art. 5 Abs. 3 BVE
Angehörige des Polizeikorps ernannt. Für die
Ernennung
von Ermittlern ist eine richterliche Genehmigung notwendig (
Art. 7 Abs. 1 BVE
). Bei strafbaren Handlungen, die von den kantonalen Behörden abzuklären sind, ist zur Genehmigung die vom Kanton bezeichnete richterliche Genehmigungsbehörde zuständig (siehe
Art. 8 Abs. 1 lit. b BVE
).
Nach
Art. 14 lit. b BVE
können die zuständigen kantonalen Strafuntersuchungsbehörden den
Einsatz
von Ermittlern
in einem
Strafverfahren
anordnen. Gemäss
Art. 17 Abs. 1 BVE
ist für den Einsatz von Ermittlern in einem Strafverfahren eine Genehmigung durch eine Behörde nach Artikel 8 Abs. 1 notwendig, mithin etwa durch eine vom Kanton bezeichnete richterliche Genehmigungsbehörde. Gemäss
Art. 18 BVE
reicht die anordnende Behörde innert 48 Stunden nach Anordnung des Einsatzes der Genehmigungsbehörde die Anordnungsverfügung sowie die Begründung und die für die Genehmigung wesentlichen Verfahrensakten ein (Abs. 1). Die Genehmigungsbehörde entscheidet mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung (Abs. 2 Satz 1). Wird der Einsatz nicht genehmigt oder wurde keine Genehmigung eingeholt, so muss die anordnende Behörde den Einsatz beenden und die betreffenden Aufzeichnungen sofort aus den Verfahrensakten aussondern. Durch die verdeckte Ermittlung gewonnene Erkenntnisse dürfen weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden.
Aus dieser etwas unübersichtlichen und umständlichen gesetzlichen Regelung ergibt sich Folgendes. Die zuständige Behörde ernennt einen Polizeiangehörigen zum verdeckten Ermittler. Diese Ernennung bedarf der richterlichen Genehmigung. Der als verdeckte Ermittlung zu qualifizierende Einsatz des dergestalt vorschriftsgemäss ernannten verdeckten Ermittlers bedarf keiner richterlichen Genehmigung, soweit der Einsatz im Vorfeld eines Strafverfahrens durchgeführt wird. Hingegen bedarf der Einsatz des vorschriftsgemäss mit richterlicher Genehmigung ernannten verdeckten Ermittlers in einem
BGE 134 IV 266 S. 282
Strafverfahren seinerseits wiederum einer richterlichen Genehmigung. Diese richterliche Genehmigung des Einsatzes im Strafverfahren kann innert der im Gesetz genannten Fristen auch noch nach der Anordnung beziehungsweise dem Beginn des Einsatzes erteilt werden. Hingegen sieht das Gesetz eine nachträgliche richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler innert bestimmter Fristen nicht vor.
4.2.2
Im vorliegenden Fall wurden die Polizeibeamten, die sich am Chat vom 17. August 2005 im Vorfeld eines allfälligen Strafverfahrens beteiligten, allem Anschein nach nicht gemäss
Art. 5 BVE
zu verdeckten Ermittlern ernannt. Jedenfalls fehlt es an der gemäss
Art. 7 BVE
für die Ernennung notwendigen richterlichen Genehmigung.
4.3
4.3.1
Bestimmte Tatsachen, welche den Verdacht einer voraussichtlichen Straftat begründen, waren im vorliegenden Fall ohne Zweifel gegeben, als im Rahmen der Kommunikation im Chat zwischen dem verdeckt ermittelnden Polizeiangehörigen und dem Beschwerdegegner erkennbar wurde, dass Letzterer an einem Treffen im realen Leben zum Zwecke der Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem vermeintlich 13-jährigen Mädchen gewillt und bereit war. Sexuelle Handlungen von erwachsenen Personen mit Kindern, auch mit 13-jährigen Mädchen, sind in der Regel als besonders schwere Straftaten im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 lit. a BVE
anzusehen, d.h. als Katalogtaten, deren Schwere eine verdeckte Ermittlung rechtfertigt.
4.3.2
Allerdings kommt es im Rahmen der Kommunikation namentlich in den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms häufig sehr rasch, wenige Minuten nach dem Beginn des Chats zu Äusserungen seitens einer (vermeintlich) erwachsenen Person, die erkennen lassen, dass diese zu einem Treffen im realen Leben zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem (vermeintlichen) Kind gewillt und bereit ist. In Anbetracht dessen erscheint es als zu formalistisch, die Anordnungsvoraussetzung im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 lit. a BVE
erst in dem Augenblick als erfüllt anzusehen, in welchem derartige Äusserungen tatsächlich getan werden, zumal sich in diesem Fall praktische Schwierigkeiten für das Prozedere betreffend die Anordnung der verdeckten Ermittlung (
Art. 4 BVE
), die Ernennung des verdeckten Ermittlers (
Art. 5 BVE
) sowie die richterliche Genehmigung der Ernennung (
Art. 7
BGE 134 IV 266 S. 283
BVE
) und das Genehmigungsverfahren (
Art. 8 BVE
) ergeben können. Vielmehr reicht die Erfahrungstatsache, dass in den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms Erwachsene mit pädosexuellen Neigungen häufig sehr rasch nach dem Beginn des Chats ihr Interesse an einem Treffen im realen Leben zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen erkennen lassen, als Voraussetzung für die Anordnung einer verdeckten Ermittlung gemäss
Art. 4 BVE
im Vorfeld eines Strafverfahrens aus. Diese Erfahrungstatsache ist mithin mit Rücksicht auf die in solchen Chatrooms herrschenden Zustände im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 lit. a BVE
eine bestimmte Tatsache, welche den Verdacht begründet, dass voraussichtlich besonders schwere Straftaten begangen werden sollen.
4.3.3
Eine verdeckte Ermittlung durch Anknüpfen von Kontakten mit einer anderen Person im Rahmen der Kommunikation im Chat kann demnach schon vor dem Beginn eines konkreten Chats angeordnet werden, in welchem die Polizeiangehörigen beim Chatpartner den falschen Eindruck erwecken, dass sie Kinder und an sexuellen Handlungen mit dem Chatpartner nicht uninteressiert seien.
4.4
Bei der verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens bedarf, wie dargelegt (siehe E. 4.2.1 hievor), allein die Ernennung des Ermittlers der richterlichen Genehmigung (siehe dazu
Art. 7 BVE
). Der Einsatz des mit richterlicher Genehmigung ernannten verdeckten Ermittlers im Vorfeld eines Strafverfahrens bedarf - im Unterschied zum Einsatz des verdeckten Ermittlers in einem Strafverfahren (siehe dazu
Art. 17 BVE
) - nicht der richterlichen Genehmigung. Während der Einsatz des verdeckten Ermittlers im Strafverfahren noch innert bestimmter Frist nach dessen Anordnung und Beginn richterlich genehmigt werden kann (vgl.
Art. 18 BVE
), sieht das Gesetz eine nachträgliche richterliche Genehmigung der Ernennung des verdeckten Ermittlers nicht vor. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein Polizeiangehöriger einen Einsatz in Form einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE sowohl im Vorfeld eines Strafverfahrens als auch in einem Strafverfahren selbstverständlich erst durchführen darf, nachdem er gemäss
Art. 5 BVE
zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung gemäss Art. 7 f. BVE - zumindest vorläufig oder unter Auflagen (siehe
Art. 8 Abs. 2 Satz 2 BVE
) - vom Richter genehmigt worden ist. Die richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler ist notwendig (
Art. 7 Abs. 1 BVE
). Solange die Ernennung nicht
BGE 134 IV 266 S. 284
richterlich genehmigt worden ist, ist der Polizeiangehörige nicht rechtsgültig zum verdeckten Ermittler bestellt und darf er daher keinen Einsatz in der Form einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE durchführen. Es kann nicht in Betracht kommen, dass Polizeiangehörige verdeckt ermitteln und erst nachträglich, nach dem Beginn eines solchen Einsatzes - unter Umständen gar nach Massgabe der dabei bereits gewonnenen nützlichen Erkenntnisse - rechtsgültig mit richterlicher Genehmigung zu verdeckten Ermittlern ernannt werden. Für eine solche nachträgliche Ernennung beziehungsweise richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler besteht auch kein Bedürfnis, da ein Polizeiangehöriger, solange er nicht zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung nicht richterlich genehmigt worden ist, gar nicht verdeckt ermitteln darf und daher auch nicht in eine Lage kommen sollte, in welcher er unverhofft und unerwartet einen Einsatz in der Form einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE leisten muss.
4.5
Soweit die kantonalen Behörden die verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation im Chat als sinnvoll und zweckmässig erachten, ist dabei im Grundsatz wie folgt zu verfahren.
Die zuständige Behörde ernennt bestimmte Polizeiangehörige zu verdeckten Ermittlern zwecks Abklärung von gewissen strafbaren Handlungen. Die Ernennung wird von der zuständigen richterlichen Behörde genehmigt. Nach der richterlichen Genehmigung, die unter Umständen vorläufig oder unter Auflagen erteilt wird, kann der verdeckte Ermittler im Vorfeld eines Strafverfahrens nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen und im Rahmen der Ernennungs- beziehungsweise Genehmigungsverfügung an der Kommunikation im Chat teilnehmen. Dabei ist namentlich darauf zu achten, dass das Mass der unzulässigen Einwirkung (
Art. 10 BVE
) nicht überschritten wird.
4.6.
4.6.1
Die polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation im Chat hatte im vorliegenden Fall - wie auch in anderen Fällen - offenbar im Wesentlichen den Zweck abzuklären, ob der Chatpartner, der ausweislich seiner schriftlichen Äusserungen im Chat als eine erwachsene Person mit pädosexuellen Neigungen erschien, gewillt und bereit war, mit dem vermeintlichen Kind im realen Leben sexuelle Handlungen vorzunehmen und zu diesem Zweck ein Treffen zu vereinbaren. Es ging mithin um die Aufklärung einer Straftat, die voraussichtlich begangen werden sollte (siehe E. 3.9 hiervor).
BGE 134 IV 266 S. 285
4.6.2
Die kantonalen Behörden gehen offenbar unter anderem aufgrund von
BGE 131 IV 100
davon aus, dass der Chatpartner, der zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem (vermeintlichen) Kind am vereinbarten Treffen erscheint, sich dadurch des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern schuldig macht, beziehungsweise dass zumindest ein hinreichender diesbezüglicher Verdacht besteht, welcher die Eröffnung eines Strafverfahrens erlaubt. Das Bundesgericht hat in der Tat in
BGE 131 IV 100
E. 8 das Erscheinen des Chatpartners am vereinbarten Treffen unter den gegebenen konkreten Umständen mit der Vorinstanz als (untauglichen) Versuch der sexuellen Handlungen mit Kindern qualifiziert (kritisch PETER ALBRECHT, AJP 2005 S. 751 ff.). Aus
BGE 131 IV 100
lässt sich indessen nicht ableiten, dass das Erscheinen des Chatpartners am vereinbarten Treffen mit dem (vermeintlichen) Kind in jedem Fall und ohne weiteres schon als (untauglicher) Versuch der sexuellen Handlungen mit Kindern qualifiziert werden kann. Vielmehr sind insoweit, wie sich aus dem Bundesgerichtsentscheid (E. 8.2) ergibt, die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles massgebend.
4.7
4.7.1
Im Rahmen des Chats mit dem verdeckten Ermittler machte der Beschwerdegegner verschiedene schriftliche Äusserungen mit sexuellen Bezügen. Diese Äusserungen werden zwar in der Anklageschrift aufgeführt, doch geschah dies offenbar lediglich zur Begründung des Vorsatzes des Beschwerdegegners zur Vornahme von sexuellen Handlungen mit einem Kind im realen Leben. Wegen der fraglichen Äusserungen ist gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid allem Anschein nach keine Anklage erhoben worden. Dies unterblieb möglicherweise deshalb, weil es der Anklagebehörde als höchst zweifelhaft erschien, dass die lediglich schriftlichen Äusserungen des Beschwerdegegners im Chat - über eine allfällige Qualifizierung als (bloss auf Antrag strafbare) sexuelle Belästigung (
Art. 198 StGB
) hinausgehend - als sexuelle Handlungen mit Kindern (
Art. 187 Ziff. 1 StGB
) - begangen etwa durch Verleiten eines Kindes zu einer sexuellen Handlung beziehungsweise durch Einbeziehen eines Kindes in eine sexuelle Handlung - oder als pornografische Vorführungen (
Art. 197 StGB
) qualifiziert werden könnten.
4.7.2
Der Beschwerdegegner äusserte im Chat mit dem verdeckten Ermittler ausserdem, er habe bereits einmal Sex mit einem
BGE 134 IV 266 S. 286
13-jährigen Mädchen gehabt. Die zuständigen Behörden haben diese Äusserung nicht zum Anlass genommen, eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der sexuellen Handlungen mit Kindern zu eröffnen. Dies unterblieb offenbar auch deshalb, weil die Aussage des Beschwerdegegners anlässlich seiner Einvernahme, es habe sich bei der fraglichen Äusserung im Chat um eine unwahre Behauptung gehandelt, die seiner Phantasie entsprungen sei, nicht widerlegbar war.
4.7.3
Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber immerhin auf Folgendes hinzuweisen. Der Beschwerdegegner machte die fraglichen Äusserungen mit sexuellen Bezügen sowie seine Äusserung betreffend sexuelle Handlungen mit Kindern in der Vergangenheit im Rahmen der Kommunikation im Chat mit dem verdeckten Ermittler. Die diesbezüglichen Erkenntnisse, die allenfalls auf strafbare Handlungen hinweisen, sind somit durch eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE gewonnen worden. Sie wären daher, falls insoweit Anklage erhoben worden wäre, nur unter den im BVE genannten Voraussetzungen verwertbar.
5.
5.1
Eine allfällige Ernennung der am Chat beteiligten Polizeiangehörigen zu verdeckten Ermittlern ist jedenfalls nicht - wenigstens vorläufig oder unter Vorbehalten - gemäss Art. 7 f. BVE richterlich genehmigt worden. Dieses Prozedere ist im Übrigen auch nicht nachträglich durchgeführt worden, was allerdings ohnehin nicht genügen würde. Zu prüfen ist somit, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Es stellt sich mithin die Frage, ob daraus ein Beweisverwertungsverbot resultiert und wie weit dieses wirkt.
5.2
Gemäss
Art. 18 Abs. 5 BVE
dürfen die durch die verdeckte Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden, wenn der Einsatz nicht genehmigt oder keine Genehmigung eingeholt wurde. Diese Bestimmung bezieht sich angesichts ihrer Stellung im Gesetz auf den Einsatz des verdeckten Ermittlers
in einem Strafverfahren
(
Art. 14 ff. BVE
) und somit auf die gemäss
Art. 17 BVE
für diesen Einsatz notwendige richterliche Genehmigung. Welche Folgen sich hinsichtlich der Verwertbarkeit von Erkenntnissen bei Einsätzen im Vorfeld eines Strafverfahrens ergeben, wenn es an der insoweit allein notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler (
Art. 7 BVE
) fehlt, ist im
BGE 134 IV 266 S. 287
Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Daraus folgt indessen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass die aus einer verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens gewonnenen Erkenntnisse auch bei Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler im Sinne von
Art. 7 BVE
ohne weiteres oder jedenfalls dann verwertet werden dürfen, wenn die Abwägung der auf dem Spiel stehenden öffentlichen und privaten Interessen dies rechtfertigt. Das Fehlen einer
Art. 18 Abs. 5 BVE
entsprechenden Regelung betreffend das Beweisverwertungsverbot in
Art. 8 BVE
beruht nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers (so aber HAENNI, a.a.O., S. 250/251). Vielmehr ist es damit zu erklären, dass der Gesetzgeber als selbstverständlich voraussetzt, dass als verdeckte Ermittlungen zu qualifizierende Einsätze im Vorfeld eines Strafverfahrens, die als solche keiner richterlichen Genehmigung bedürfen, erst beginnen, nachdem der ermittelnde Polizeiangehörige vorschriftsgemäss zum verdeckten Ermittler ernannt (
Art. 5 BVE
) und die für diese Ernennung notwendige richterliche Genehmigung (
Art. 7 BVE
) im hiefür vorgesehenen Genehmigungsverfahren (
Art. 8 BVE
) erteilt worden ist. Wenn das Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung eines Einsatzes im Strafverfahren im Sinne von
Art. 17 BVE
gemäss
Art. 18 Abs. 5 BVE
zu einem Beweisverwertungsverbot führt, dann muss
a fortiori
auch das Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler im Sinne von
Art. 7 BVE
diese Konsequenz haben.
Die Erkenntnisse, die ein Polizeiangehöriger durch einen als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizierenden Einsatz gewinnt, sind somit nur verwertbar, wenn der Polizeiangehörige vorgängig seines Einsatzes zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung vorgängig des Einsatzes richterlich genehmigt worden ist. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sind die gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar.
5.3
5.3.1
Durch die als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizierende Teilnahme der Polizeiangehörigen am Chat mit dem Beschwerdegegner wurde die Erkenntnis gewonnen, dass der Beschwerdegegner gewillt und bereit war, bei einer sich bietenden Gelegenheit mit einem 13-jährigen Mädchen sexuelle Handlungen vorzunehmen. Diese Erkenntnis ist mangels einer richterlichen Genehmigung der allfälligen Ernennung der Polizeiangehörigen zu
BGE 134 IV 266 S. 288
verdeckten Ermittlern nicht verwertbar. Daher kann der Beschwerdegegner nicht wegen (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind, angeblich begangen dadurch, dass er zum vereinbarten Treffen mit dem vermeintlichen Kind erschien, bestraft werden.
5.3.2
Die durch die verdeckte Ermittlung gewonnene Erkenntnis, dass der Beschwerdegegner zu sexuellen Handlungen mit einem 13-jährigen Mädchen gewillt und bereit war, durfte auch nicht für weitere Ermittlungen verwendet werden. Somit war die Hausdurchsuchung unzulässig, da sie nur möglich war, weil der Beschwerdegegner zum vereinbarten Treffen erschien, was aus der Sicht der zuständigen Behörde den Verdacht des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind begründete und die Eröffnung einer Strafuntersuchung ermöglichte. Die bei der Hausdurchsuchung gewonnenen Erkenntnisse sind deshalb nicht verwertbar. Daher darf der Beschwerdegegner nicht wegen der bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Kinderpornografie gemäss
Art. 197 Ziff. 3
bis
StGB
bestraft werden. | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1d5a691-275b-48a6-8c6e-7e7a04729fc4 | Urteilskopf
100 Ia 426
59. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 8 novembre 1974 dans la cause X. contre Masse concordataire du garage Y. SA et Cour pénale du Tribunal cantonal du Valais. | Regeste
Art. 87 OG
:
Es liegt kein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid vor, wenn der Beschwerdeführer auf die Erhebung einer Einrede verzichtet hat, die vom kantonalen Prozessrecht dafür vorgesehen ist, sich über angeblich eine Rechtsverweigerung begründende Tatsachen zu beklagen. | Erwägungen
ab Seite 426
BGE 100 Ia 426 S. 426
1.
Le recourant se plaint d'un déni de justice parce que, selon lui, l'un des membres du Tribunal cantonal valaisan "a ostentiblement dormi" pendant l'audience et qu'un autre juge "a eu quelques assoupissements, lorsqu'il a appuyé sa tête sur ses deux mains posées comme appuie-tête sur son pupitre durant quelques minutes".
Le Tribunal cantonal conteste ces allégations et fait observer que si deux juges s'étaient manifestement livrés au sommeil, cela n'aurait pas manqué d'attirer l'attention des autres membres de la cour, du greffier ou du Ministère public. Or tel n'est pas le cas.
BGE 100 Ia 426 S. 427
En vertu de l'art. 191 ch. 1 PP, les dispositions concernant les débats et le jugement en première instance (art. 122142 PP) sont aussi applicables dans la procédure d'appel, sous réserve d'exceptions qui ne jouent aucun rôle ici. De ce fait, lors de l'audience du 1er juillet 1974, le recourant aurait pu, fondé sur l'art. 128 ch. 3 PP et jusqu'à la fin des débats, faire valoir, outre l'exception de chose jugée et les moyens tirés de la prescription, tous les vices de procédure qui se seraient révélés au cours des débats. Il avait ainsi la faculté d'exiger une décision incidente, rendue sur le siège, en ce qui concerne ces points.
Disposant de cette voie de droit cantonale, le recourant aurait dû, pour respecter les conditions posées à l'art. 87 OJ, faire valoir à l'audience même que les exigences de l'art. 122 ch. 1 PP n'avaient pas été respectées, étant donné le prétendu sommeil de deux membres de la cour. Le recourant ne soutient pas - et cela ne ressort d'ailleurs pas du dossier - avoir agi dans ce sens. On doit dès lors admettre qu'il y a renoncé et que, partant, il n'y a pas eu sur ce point de décision finale, prise en dernière instance cantonale. | public_law | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b1d6378b-89ad-4b56-8da6-8478537b7438 | Urteilskopf
104 II 307
53. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. November 1978 i.S. X., Y. und Z. gegen W. | Regeste
1. Künftiger Invaliditätsschaden: Kapitalisierung auf Grund der Aktivitätstafel (E. 9a-c).
2. Berücksichtigung des sogenannten Quotenvorrechtes (
Art. 100 KUVG
) (E. 9d-f). | Erwägungen
ab Seite 307
BGE 104 II 307 S. 307
Aus den Erwägungen:
9.
Nach dem angefochtenen Urteil besteht beim Kläger eine Lähmung, die als endgültig zu betrachten ist. Dank grossen Anstrengungen und starkem Willen gehe er trotz seiner schweren Behinderung in erheblichem Umfang weiterhin seiner Berufsarbeit nach. Die Behinderung beeinträchtige aber seine Verdienst- und Aufstiegschancen, weshalb er infolge des Unfalls trotz SUVA-Rente nicht das gleiche Einkommen erreichen könne wie ein Gesunder unter den gleichen Voraussetzungen. Das alles wird mit der Berufung nicht bestritten.
a) Die Beklagten richten sich aber gegen die Berechnung des künftigen Invaliditätsschadens. Das Kantonsgericht geht von einem möglichen Monatsverdienst von Fr. 5'000.- aus gegenüber einem tatsächlichen Monatslohn von Fr. 3'000.-. Von der daraus sich ergebenden Differenz von Fr. 2'000.- zieht es die
BGE 104 II 307 S. 308
SUVA-Rente von Fr. 889.- ab. Demnach kommt es auf eine Erwerbseinbusse von Fr. 1'111.- im Monat oder Fr. 13'332.- im Jahr. Für die Kapitalisierung geht das Kantonsgericht vom Alter 38 im Urteilszeitpunkt aus und wendet sodann den Kapitalisierungsfaktor 1831 gemäss Aktivitätstafel 20 nach STAUFFER/SCHÄTZLE (Barwerttafeln, 3. Auflage, Zürich 1970) an, was ein Kapital von Fr. 244'109.- ergibt.
b) Die Beklagten bringen mit ihrer Berufung vor, dass nur eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit, nicht schon die medizinische Invalidität Ersatzansprüche auslöse. Das trifft zu, doch ermittelt das angefochtene Urteil gerade die mutmassliche Erwerbseinbusse, ohne dabei auf den Invaliditätsgrad als solchen abzustellen. Diese konkrete Bemessungsgrundlage wird von den Beklagten mit keinem Wort angefochten.
c) Die Beklagten beanstanden im übrigen die Kapitalisierung nach der Aktivitätstafel 20 von STAUFFER/SCHÄTZLE. Richtigerweise wäre, so meinen sie, die Tafel 23 betreffend temporäre Renten anzuwenden gewesen; es sei nämlich anzunehmen, dass der Kläger sich mit 65 Jahren aus dem Erwerbsleben zurückziehen werde; das führe für die Zeit vom 38. bis 65. Altersjahr zu einem Kapitalisierungsfaktor 1656. Nach Ansicht der Vorinstanz liesse sich das Abstellen auf Tafel 23 vertreten, doch sei es richtiger, mit der SUVA von Tafel 20 auszugehen. Wohl werde der Kläger mit einiger Wahrscheinlichkeit mit 65 Jahren seine Erwerbstätigkeit einstellen. Weil aber nach dem medizinischen Gutachten seine Lebenserwartung nicht eingeschränkt sei und weil er als Behinderter weniger Betätigungsmöglichkeiten habe, sei durchaus denkbar, dass er über dieses Alter hinaus arbeiten werde. Es sei deshalb angezeigt, auf die durchschnittliche Aktivität abzustellen. Nach Meinung des Klägers handelt es sich hier um das Bundesgericht bindende tatsächliche Feststellungen. Das trifft dafür zu, dass die Lebenserwartung des Klägers durch den Unfall nicht beeinträchtigt wurde. Was die Wahrscheinlichkeit eines Rückzugs aus dem Erwerbsleben mit 65 Jahren und für die danach bestehenden geringeren Betätigungsmöglichkeiten betrifft, handelt es sich aber um eine Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles nach der allgemeinen Lebenserfahrung. Eine vom Bundesgericht zu prüfende Rechtsfrage ist es deshalb, auf welche Weise der dem Kläger erwachsende Erwerbsausfall zu kapitalisieren ist.
BGE 104 II 307 S. 309
Die Aktivitätstafel 20 von STAUFFER/SCHÄTZLE beruht auf der im Durchschnitt zu erwartenden Erwerbstätigkeit. Demgegenüber erfasst die Tafel 23 "temporäre Renten" für eine bestimmte Anzahl Jahre. Wendete man die Tafel 23 an, so ginge man deshalb von einer berechenbaren Dauer der Erwerbseinbusse aus. In Fällen wie dem vorliegenden ist aber - von ausserordentlichen Umständen abgesehen - das zuzusprechende Kapital grundsätzlich nach einer Aktivitätstafel zu berechnen, da die Dauer der Erwerbstätigkeit im Einzelfalle nicht mit genügender Sicherheit abgeschätzt werden kann. Die Lösung, einfach auf das allgemeine Pensionierungsalter abzustellen, wäre zu starr. Nicht berücksichtigt würde dergestalt vor allem, dass nach der Pensionierung Erwerbstätigkeiten in andern als den bisherigen beruflichen Funktionen durchaus denkbar sind (vgl. STAUFFER/SCHÄTZLE, a.a.O., S. 131 und 132; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I, 4. Auflage, S. 208 und 215; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, Bern 1975, S. 226). Zutreffend tut die Vorinstanz denn auch dar, dass gerade im Falle des Klägers mit einer Erwerbstätigkeit über das 65. Altersjahr hinaus zu rechnen ist. Dass ein Tiefbautechniker in leitender Stellung über diesen Zeitpunkt hinweg freiberuflich tätig ist, indem er etwa Begutachtungen und dergleichen übernimmt, ist ohnehin nicht ungewöhnlich. Vorliegend ist jedenfalls kein hinreichender Grund dafür ersichtlich, von der Aktivitätstafel 20 abzugehen. Die Berufung erweist sich somit auch in diesem Punkte als unbegründet.
d) Der Berechnungsweise der Vorinstanz ist aber in anderer Hinsicht nicht zu folgen. So rechnet sie die SUVA-Rente des Klägers voll auf den Schaden an und setzt entsprechend die Ersatzpflicht der Beklagten herab. Gemäss
Art. 100 KUVG
tritt die SUVA "bis auf die Höhe ihrer Leistungen" in die Rechte ein, die dem Versicherten und seinen Hinterlassenen gegenüber einem für den Unfall haftenden Dritten zustehen. Wird einem Geschädigten der Schaden durch Versicherungsleistungen nicht voll gedeckt, so können sodann nach
Art. 88 SVG
Versicherer ihre Rückgriffsrechte gegen die Haftpflichtigen oder deren Haftpflichtversicherer nur geltend machen, soweit der Geschädigte nicht benachteiligt wird. Diese Vorschrift des SVG ist nach neuerer Rechtsprechung auf alle von
Art. 100 KUVG
beherrschten Fälle sinngemäss anwendbar. Die SUVA kann deshalb gegen den Schädiger nur dann und insoweit Rückgriff
BGE 104 II 307 S. 310
nehmen, als ihre Leistungen und jene des haftpflichtigen Dritten oder dessen Versicherer zusammen den ganzen Schaden übersteigen. Dem Geschädigten gereicht somit ein Selbstverschulden erst dann zum Nachteil, wenn es so schwer ist, dass seine Schadenersatzansprüche geringer sind als der von der SUVA nicht gedeckte Schaden (
BGE 98 II 133
E. 1a,
BGE 97 II 130
E. 4,
BGE 96 II 360
E. III). Der Kläger verlangt vor Bundesgericht zwar nicht, dass dieses sogenannte Quotenvorrecht berücksichtigt werde. Entscheidend ist aber, dass er die Herabsetzung seines Schadenersatzanspruches wegen Selbstverschuldens ablehnt und entsprechenden Antrag stellt. Ob diesem Antrag trotz Selbstverschuldens wegen des Quotenvorrechtes zu entsprechen ist, ist eine vom Bundesgericht von Amtes wegen zu entscheidende Rechtsfrage; an die Begründung der Parteianträge ist es nicht gebunden (
Art. 63 Abs. 1 und 3 OG
). Mangels konkreter Vorbringen des Klägers in der Anschlussberufung sind die entsprechenden Korrekturen aber nur insoweit vorzunehmen, als sie sich auf Grund der Feststellungen des angefochtenen Urteils aufdrängen.
e) Für die Zeit zwischen Unfalltag und 30. April 1968 berechnet die Vorinstanz den Lohnausfall des Klägers auf Fr. 7'300.- und für die Zeit zwischen 1. Mai 1968 und Tag des kantonsgerichtlichen Urteils auf Fr. 38'960.-. Beide Beträge kürzt sie wegen Selbstverschuldens um 20% und spricht Fr. 5'840.- bzw. Fr. 31'168.-, zusammen Fr. 37'008.- zu. Da die SUVA dem Kläger seit dem 1. Mai 1968 eine Rente ausrichtet, ist die Frage des erwähnten Quotenvorrechtes nur hinsichtlich des zweiten Teilbetrages zu prüfen. Aus den Erwägungen von Kantonsgericht und Bezirksgericht, auf die das Kantonsgericht verweist, ergibt sich eindeutig, dass die Rentenleistungen der SUVA in der Zeit zwischen 1. Mai 1968 und Urteilstag in vollem Umfange angerechnet wurden. Nach den Feststellungen der Vorinstanz bezog der Kläger in der fraglichen Zeitspanne monatliche SUVA-Renten zwischen Fr. 613.- und Fr. 889.-. Da die von der SUVA ausgerichteten Beträge somit den vom Kläger infolge Selbstverschuldens zu übernehmenden Schadensteil bei weitem übersteigen, kann gemäss der aufgezeigten Rechtsprechung nach Berücksichtigung der SUVA-Rente bei der Schadensberechnung nicht noch ein Abzug wegen Selbstverschuldens vorgenommen werden. Für die Zeitspanne zwischen dem 1. Mai 1968 und dem Urteilstag
BGE 104 II 307 S. 311
sind dem Kläger somit unter dem Titel Lohnausfall Fr. 38'960.- zuzusprechen, was zusammen mit dem Teilbetrag für die Zeit vor dem 1. Mai 1968 einen Gesamtbetrag von Fr. 44'800.- ergibt.
f) Entsprechendes gilt bei der Bemessung des Schadenersatzes für die künftige Invalidität. Hier geht das angefochtene Urteil aus von einer monatlichen Lohneinbusse von Fr. 2'000.-, bringt darauf Fr. 889.- SUVA-Rente in Abzug und kapitalisiert die verbleibende Differenz von Fr. 1'111.- im Monat bzw. Fr. 13'332.- im Jahr. Der so errechnete Kapitalbetrag von Fr. 244'109.- wird sodann um den Selbstverschuldensanteil von 20% auf Fr. 195'287.20 herabgesetzt und dem Kläger zugesprochen. Bei dieser Berechnungsweise wird wiederum zu Unrecht ein voller Rückgriffsanspruch der SUVA angerechnet. Richtigerweise ist von einer Lohneinbusse von Fr. 2'000.- monatlich als Schaden des Klägers auszugehen. Nach Kürzung um 20% Selbstverschulden hat er den Beklagten gegenüber noch Ersatz in der Höhe von monatlich Fr. 1'600.- zu beanspruchen. Da diese Kürzung geringer ist als die Rente von Fr. 889.-, kann der Kläger von den Beklagten Deckung seines vollen, nach Abzug der Rente verbleibenden Schadens von Fr. 1'111.- im Monat verlangen, während sich der Rückgriffsanspruch der SUVA entsprechend vermindert. So erhält der Kläger von der SUVA und den Beklagten zusammen Fr. 2'000.- pro Monat, während die Beklagten ihrerseits dem Kläger Fr. 1'111.- und der SUVA Fr. 489.-, zusammen die Fr. 1'600.- schulden. Kapitalisiert entspricht daher der Ersatzanspruch des Klägers gegenüber den Beklagten dem von der Vorinstanz ungekürzt ermittelten Betrag von Fr. 244'109.-. Dieser Betrag ist dem Kläger zuzusprechen. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1d6584d-65e2-4981-9f0a-776472e7d2b9 | Urteilskopf
105 Ib 225
36. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. November 1979 i.S. Spada gegen Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Erwerb des Schweizer Bürgerrechts (
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
).
Die Eltern müssen zur Zeit der Geburt des Kindes den zivilrechtlichen (nicht den bürgerrechtlichen) Wohnsitz in der Schweiz haben. | Sachverhalt
ab Seite 225
BGE 105 Ib 225 S. 225
Katharina Elisabeth Pfister, heimatberechtigt in Basel und Uetikon (ZH), wurde am 31. Januar 1948 geboren. Am 4. April 1972 heiratete sie in Basel den am 17. August 1945 geborenen italienischen Staatsangehörigen Venanzio Narcisio Francesco Spada. Sie erklärte, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. Am 16. Juni 1973 brachte Katharina Elisabeth Spada in Basel die Tochter Anna Pascale zur Welt.
Das Ehepaar Spada wohnt in Basel. Vom 30. November 1972 bis 10. März 1974 leistete der Ehemann in Como (Italien) seinen obligatorischen Militärdienst. In Übereinstimmung mit den fremdenpolizeilichen Vorschriften (
Art. 9 Abs. 1 lit. c ANAG
und
Art. 10 Abs. 4 ANAV
) meldete er ich bei der Fremdenpolizei für diese Zeitdauer ab und kehrte anschliessend wieder in die Schweiz zurück.
BGE 105 Ib 225 S. 226
Mit Entscheid vom 7. November 1978 lehnte es das Zivilstandsamt von Basel-Stadt ab, Anna Pascale Spada gemäss
Art. 57 Abs. 6 BüG
als Schweizerbürgerin anzuerkennen. Die beim Regierungsrat und anschliessend beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht eingereichten Beschwerden blieben ohne Erfolg.
Das Bundesgericht heisst die gegen das Urteil des Appellationsgerichts gerichtete Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 57 Abs. 6 BüG
kann das noch nicht 22jährige Kind eines ausländischen Vaters und einer Mutter, die von Abstammung Schweizerbürgerin ist, bis Ende 1978 (AS 1977, S. 237, 264; die Frist wird verlängert: AS 1980 I 330/1) die Anerkennung als Schweizerbürger beantragen, wenn seine Eltern zur Zeit der Geburt ihren "Wohnsitz" ("domicile", "domiciliati") in der Schweiz hatten. Diese Übergangsbestimmung entspricht inhaltlich dem am 25. Juni 1976 neu eingeführten
Art. 5 Abs. 1 lit. a BüG
, der bestimmt, dass das Kind einer schweizerischen Mutter und ihres ausländischen Ehemannes von Geburt an das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Mutter und damit das Schweizer Bürgerrecht erwirbt, wenn die Mutter von Abstammung Schweizerbürgerin ist und die Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz ihren "Wohnsitz" ("domicile", "domiciliati") haben.
Im vorliegenden Verfahren ist einzig das Wohnsitzerfordernis des Vaters streitig. Die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung der Beschwerdeführerin als Schweizerbürgerin sind erfüllt. Das Bundesgericht überprüft diese Frage mit freier Kognition (
Art. 104 lit. a OG
); an die Begründung der Begehren ist es nicht gebunden (
Art. 114 Abs. 1 OG
).
2.
In
BGE 105 Ib 63
f. hat das Bundesgericht erkannt, dass nach dem Gesetz sowohl die Mutter als auch der Vater zur Zeit der Geburt ihren Wohnsitz in der Schweiz haben müssen. Es hat damit die in der Lehre geäusserte Meinung verworfen, wonach das Wohnsitzerfordernis nur für die Mutter gelte (vgl. HEGNAUER, Wann haben Eltern zur Zeit der Geburt des Kindes ihren Wohnsitz in der Schweiz? in ZBl 1978, S. 490). Diese Rechtsprechung wurde bisher nicht der Kritik unterzogen; das Bundesgericht hat keine Veranlassung, darauf
BGE 105 Ib 225 S. 227
zurückzukommen. In diesem Entscheid (105 Ib 65 E. 3) liess das Bundesgericht die weitere Frage offen, welche Bedeutung dem Wohnsitzerfordernis gemäss
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
zukomme. Sowohl die kantonalen Behörden als auch (grundsätzlich) die Beschwerdeführerin gehen von der Annahme aus, dass
Art. 36 BüG
den Begriff des Wohnsitzes auch für
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
verbindlich umschreibe. Diese Frage soll im folgenden geprüft werden.
3.
a)
Art. 36 BüG
lautet:
"Wohnsitz der Ausländer (résidence de l'étranger; residenza dello straniero).
1 Als Wohnsitz (résidence; residenza) im Sinne dieses Gesetzes gilt für Ausländer Anwesenheit in der Schweiz in Übereinstimmung mit den fremdenpolizeilichen Vorschriften.
2 Kurzfristiger Aufenthalt im Ausland mit der Absicht auf Rückkehr unterbricht den Wohnsitz nicht.
3 Dagegen gilt der Wohnsitz (résidence; residenza) als bei der Abreise ins Ausland aufgegeben, wenn der Ausländer sich polizeilich abmeldet oder während mehr als 6 Monaten tatsächlich im Ausland weilt."
Beim Vergleich des Wortlautes von
Art. 36 BüG
einerseits und
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
andererseits fällt auf, dass lediglich der deutsche Text übereinstimmend in allen Bestimmungen vom "Wohnsitz" spricht, während der französische und der italienische Text in
Art. 36 BüG
den Begriff "résidence" bzw. "residenza" und in
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
den Begriff "domicile" bzw. "domiciliati" verwenden. Der italienische und französische Wortlaut von
Art. 36 BüG
legen die Annahme nahe, dass in dieser Bestimmung nicht der zivilrechtliche "Wohnsitz" gemäss
Art. 23 ZGB
gemeint ist. Das ergibt sich auch aus der in
Art. 36 BüG
gegebenen Definition, die in erster Linie "Anwesenheit" ("présence"; "presenza") in der Schweiz verlangt. Tatsächlich verwenden die Bestimmungen, auf welche sich
Art. 36 BüG
bezieht, auch in der deutschen Fassung nicht den Begriff des "Wohnsitzes", sondern sie sprechen lediglich von "wohnen" (Art. 15 Abs. 1, 20 Abs. 1, 22, 23, 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 lit. a und 30 Abs. 1 BüG), was dem französischen "résider" und dem italienischen "risiedere" entspricht. Aus dem Wortlaut von
Art. 36 BüG
ergibt sich daher, dass der bürgerrechtliche Wohnsitz in erster Linie die objektive Seite des zivilrechtlichen Wohnsitzes, also den tatsächlichen
BGE 105 Ib 225 S. 228
Aufenthalt in der Schweiz erfasst, während eine Absicht dauernden Verbleibens nicht gefordert wird. Dieser Sinn kommt im französischen und im italienischen Text deutlicher zum Ausdruck als im deutschen, so dass jenen der Vorzug zu geben ist. Welches der genaue Sinn von
Art. 36 BüG
ist, braucht indessen im vorliegenden Verfahren nicht abschliessend geprüft zu werden. Von Bedeutung ist lediglich, dass in
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
alle drei Texte gleichermassen den Begriff des "Wohnsitzes" ("domicile"; "domiciliati") verwenden.
Beim Vergleich der beiden Bestimmungen fällt zudem auf, dass
Art. 36 BüG
ausschliesslich vom "Wohnsitz der Ausländer" handelt, während
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
das Wohnsitzerfordernis nicht nur für den ausländischen Vater, sondern auch für die schweizerische Mutter aufstellt. Nach dem Wortlaut von
Art. 36 BüG
könnte die dort enthaltene Begriffsbestimmung ohnehin nur für den Wohnsitz des Vaters massgebend sein, während der Wohnsitz der Mutter auf andere Weise bestimmt werden müsste.
Der Vergleich des Wortlautes dieser Bestimmungen legt daher bereits die Annahme nahe, dass der Wohnsitz (résidence;, residenza) der Ausländer gemäss
Art. 36 BüG
nicht gleichbedeutend ist mit dem Wohnsitz (domicile; domiciliati) von Ausländern und Schweizern gemäss
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
.
b) Eine systematische Betrachtung des Bürgerrechtsgesetzes ergibt, dass es unter I. den "Erwerb und Verlust (des Schweizer Bürgerrechts) von Gesetzes wegen" und unter II. den "Erwerb und Verlust durch behördlichen Beschluss" regelt. II.A. trägt den Titel: "Erwerb durch Einbürgerung". Unter diesem Titel werden in den Art. 12 bis 41 die folgenden Materien behandelt: "a. Ordentliche Einbürgerung" (Art. 12-17), "b. Wiedereinbürgerung" (Art. 18-25), "c. Erleichterte Einbürgerung" (Art. 26-31) und "d. Gemeinsame Bestimmungen" (Art. 32-41). Beim
Art. 36 BüG
handelt es sich demnach um eine gemeinsame Bestimmung des Erwerbs durch Einbürgerung. Aufgrund ihrer Stellung im Gesetz kann diese Bestimmung daher lediglich auf die ordentliche Einbürgerung, die Wiedereinbürgerung und die erleichterte Einbürgerung Anwendung finden, nicht aber auf den Erwerb und Verlust des Bürgerrechts von Gesetzes wegen (so auch OSWALD/STEINER, Bundesgesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, Zürich 1953, S. 35; BURGER, Die erleichterte Einbürgerung, Diss. Bern 1971, S. 60).
BGE 105 Ib 225 S. 229
Anders verhielte es sich, wenn sich diese Bestimmung am Anfang oder an Schluss des Gesetzes unter dem Titel "Gemeinsame Bestimmungen" befinden würde.
Eine andere Frage ist, ob der Gesetzgeber mit der in
Art. 36 BüG
verwendeten Formulierung "als Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes gilt..." die Bedeutung der Bestimmung weiter fassen wollte, als es deren Stellung im Gesetz nahelegen würde; diese Frage kann indessen nicht mit der systematischen Auslegungsmethode beantwortet werden.
c) Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften deutet darauf hin, dass zur Bestimmung des Wohnsitzes gemäss
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
nicht
Art. 36 BüG
massgebend ist.
Art. 36 BüG
wurde im Jahre 1952 erlassen und seither nicht mehr geändert. In seiner Botschaft vom 9. August 1951 führte der Bundesrat zu den "Gemeinsamen Bestimmungen" aus, diese würden die ordentliche Einbürgerung, die Wiedereinbürgerung und die erleichterte Einbürgerung betreffen (BBl 1959 II 701). Bereits daraus ist zu schliessen, dass die "Gemeinsamen Bestimmungen" auf den Erwerb des Bürgerrechts von Gesetzes wegen keine Anwendung finden. Der Bundesrat begründete seinen Vorschlag zu Art. 36 (damals Art. 34) BüG wie folgt: "Alle Bewerber um das Bürgerrecht sind Ausländer, unterstehen also der Fremdenpolizeigesetzgebung. Deshalb stellt Art. 34 für die Bestimmung des Wohnsitzes auf die fremdenpolizeilichen Vorschriften ab. Das bringt Klarheit ohne neuen "Wohnsitzbegriff" (BBl 1951 II 702).
Im Gegensatz zu
Art. 36 BüG
wurden die Art. 5 Abs. 1 lit. a und 57 Abs. 6 BüG erst im Jahre 1976 erlassen. Wie das Bundesgericht in
BGE 105 Ib 55
E. 3d ausgeführt hat, stützt sich Art. 5 Abs. 1 lit. a und ebenso die Übergangsbestimmung in
Art. 57 Abs. 6 BüG
auf die in
Art. 44 Abs. 3 BV
enthaltene Gesetzgebungskompentenz, welche der Gesetzgeber so weit als möglich ausschöpfen wollte. Es ist daher anzunehmen, dass der neu erlassenen Gesetzesbestimmung die gleiche Bedeutung zukommt wie der ihr zugrunde liegenden Verfassungsbestimmung. Der im Jahre 1928 erlassene
Art. 44 Abs. 3 BV
lautet:
"(Die Bundesgesetzgebung) kann bestimmen, dass das Kind ausländischer Eltern von Geburt an Schweizerbürger ist, wenn seine Mutter
BGE 105 Ib 225 S. 230
von Abstammung Schweizerbürgerin war und die Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz ihren Wohnsitz haben. Die Einbürgerung erfolgt in der früheren Heimatgemeinde der Mutter."
Die Entstehungsgeschichte von
Art. 44 Abs. 3 BV
(vgl. dazu VON SALIS/BURCKHARDT, Schweizerisches Bundesrecht I, Nr. 326) weist darauf hin, dass der Begriff des "Wohnsitzes" ("domicile"; "domicilio") absichtlich dem Begriff des "Aufenthaltes" ("résidence"; "residenza") vorgezogen wurde. In seiner Botschaft von 1920 schlug der Bundesrat vor,
Art. 44 BV
in der Weise zu ändern, dass das Kind ausländischer Eltern, die in der Schweiz wohnen, kraft Gebietshoheit Schweizerbürger wird, wenn seine Mutter von Geburt Schweizerin war, oder wenn der Vater oder die Mutter in der Schweiz geboren ist. Das Kind sollte nach diesem Vorschlag von Geburt an das Bürgerrecht der Gemeinde erwerben, in der die Eltern zur Zeit seiner Geburt ihren Wohnsitz haben (BBl 1920 V 1 f.). In einer auf Wunsch des Ständerates erarbeiteten Ergänzungsbotschaft von 1922 änderte der Bundesrat seinen Vorschlag in zwei Punkten: Er ersetzte das Wohnsitzerfordernis der Eltern in der Schweiz zur Zeit der Geburt des Kindes durch das Erfordernis der Geburt des Kindes in der Schweiz und sah für das eingebürgerte Kind nicht mehr das Bürgerrecht der Wohnsitzgemeinde der Eltern vor, sondern das Bürgerrecht der Gemeinde, wo die Mutter durch Abstammung heimatberechtigt war (BBl 1922 III 661). Zur Begründung dieser Änderungen führte der Bundesrat unter anderem aus, die Frage des Domizils sei nicht in allen Fällen derartig liquid und abgeklärt, um eine so wichtige Rechtsfolge wie die Staatsangehörigkeit daran zu knüpfen; müssten solche Fragen später geprüft werden, so fehlten dafür sehr leicht wichtige und sichere Belege. Stelle man dagegen auf den Geburtsort ab, so handle es sich um eine Tatsache, über welche die Zivilstandsregister formgültig Aufschluss geben (BBl 1922 III 672). Im Jahre 1923 entschied sich die Ständeratskommission gemäss dem bundesrätlichen Vorschlag für den Geburtsort Schweiz und gegen das Wohnsitzerfordernis der Eltern in der Schweiz. Auch der Nationalrat zog im Jahre 1925 das Erfordernis des schweizerischen Geburtsortes demjenigen des Wohnsitzes der Eltern vor. In einem der verschiedenen Gegenanträge im Nationalrat wurde auch vorgeschlagen, das Schweizer Bürgerrecht an die zehnjährige ununterbrochene Niederlassung beider Eltern im
BGE 105 Ib 225 S. 231
Zeitpunkt der Geburt des Kindes zu knüpfen. Dieser Antrag wurde indessen abgelehnt. Der Ständerat genehmigte im Herbst 1925 eine Fassung, welche neben dem Geburtsort des Kindes in der Schweiz zusätzlich verlangte, dass die Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz niedergelassen sind. Nachdem diese Fassung auch vom Nationalrat genehmigt war, kehrte der Ständerat im Herbst 1926 auf eine Fassung zurück, welche vorsah, dass die Eltern zur Zeit der Geburt des Kindes in der Schweiz ihren Wohnsitz haben müssen. Der Nationalrat schloss sich dieser Formulierung an. Der Berichterstatter im Ständerat führte zu dieser letzten Änderung aus, man habe auf das Erfordernis des Geburtsortes in der Schweiz verzichtet und durch dasjenige des Wohnsitzes der Eltern in der Schweiz ersetzt, um auch denjenigen Kindern das Schweizer Bürgerrecht geben zu können, deren Eltern die Schweiz lediglich im Hinblick auf die Geburt des Kindes verliessen, ihren Wohnsitz aber nicht aufgaben. Er bezog sich dabei auf den Bericht des Bundesrates vom 9. November 1920. Dieser Vorschlag wurde ohne Diskussion genehmigt (Sten. Bull. SR 1926, S. 285). Der Berichterstatter im Nationalrat bezog sich seinerseits auf den Ergänzungsbericht des Bundesrates von 1922 (BBl 1922 III 672) und wies darauf hin, dass man seinerzeit das Wohnsitzerfordernis der Eltern zugunsten des Erfordernisses der Geburt des Kindes in der Schweiz aufgegeben habe, weil der Wohnsitz nicht immer leicht zu bestimmen sei. Dennoch beantragte er, dem Vorschlag des Ständerates zu folgen. Der französischsprachige Berichterstatter unterstrich, dass das Wohnsitzerfordernis der Eltern besser dem Zweck der Revision entspreche, "c'est-à-dire la réalisation de la qualité de citoyen suisse au moyen de la naissance de parents étrangers domiciliés en Suisse". Dieser Vorschlag wurde angenommen (Sten. Bull. NR 1926, S. 798 f.).
Aus der Entstehungsgeschichte von
Art. 44 Abs. 3 BV
ist daher zu entnehmen, dass man das Erfordernis des "Wohnsitzes" in der Schweiz demjenigen der "Niederlassung" und auch demjenigen des Geburtsortes in der Schweiz vorzog und dass man sich der Schwierigkeiten bewusst war, welche dieses Kriterium in einzelnen Fällen bereiten kann.
d)
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
und auch der diesen Bestimmungen zugrunde liegende
Art. 44 Abs. 3 BV
wollen dem Kind eines ausländischen Vaters und einer Schweizerin
BGE 105 Ib 225 S. 232
von Abstammung nur dann von Gesetzes wegen das Schweizer Bürgerrecht geben, wenn dessen Bindung zur Schweiz offensichtlich andere Bindungen überwiegt, was nach diesen Bestimmungen dann der Fall ist, wenn beide Eltern im Zeitpunkt der Geburt ihren Wohnsitz in der Schweiz haben (
BGE 105 Ib 66
). Es handelt sich bei diesem Bürgerrechtserwerb um eine Verbindung des Erwerbes "iure sanguinis", indem die Mutter von Abstammung Schweizerin sein muss und "iure soli", indem beide Eltern in der Schweiz ihren Wohnsitz haben müssen. Dass die Bindung der Eltern - und damit wohl auch des Kindes - zur Schweiz eng ist, erscheint nur dann als gewährleistet, wenn sich die Eltern nicht nur in der Schweiz aufhalten (objektives Element), sondern zusätzlich auch die Absicht haben, dauernd in der Schweiz zu bleiben (subjektives Element). Würde die Absicht dauernden Verbleibens nicht verlangt, könnte dies zur Folge haben, dass ein Kind, dessen Mutter von Abstammung Schweizerin ist, schon dann das Schweizer Bürgerrecht erhielte, wenn die Eltern lediglich im Hinblick auf die Geburt des Kindes für kurze Zeit in die Schweiz einreisen und diese nach der Geburt wieder verlassen würden. Auf der andern Seite könnte das Kind einer Mutter, welche von Abstammung Schweizerin ist, das Bürgerrecht nicht erwerben, wenn einer der Elternteile im Zeitpunkt der Geburt im Sinne von
Art. 36 BüG
landesabwesend wäre, obwohl beide Eltern ihren zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz haben. Diese Folgen entsprechen Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht.
e) Sowohl der Wortlaut von
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
als auch der Vergleich mit andern Bestimmungen, die Systematik des Gesetzes, die Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Bestimmungen weisen also darauf hin, dass der Wohnsitzbegriff grundsätzlich zivilrechtskonform anzuwenden ist (vgl. dazu IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung I, S. 159). Es finden daher die Art. 23 f. ZGB Anwendung. Das bedeutet, dass sich die Eltern zur Zeit der Geburt nicht nur in der Schweiz aufhalten, sondern auch beabsichtigen müssen, dauernd in der Schweiz zu verbleiben. Auf der andern Seite bleibt der einmal begründete Wohnsitz bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes bestehen (
Art. 24 ZGB
) und er geht z.B. bei einem Aufenthalt an einem Orte zum Zwecke des Besuches einer Lehranstalt
BGE 105 Ib 225 S. 233
nicht verloren (
Art. 26 ZGB
). Freilich ist nicht zu übersehen, dass es sich beim Vater des Kindes stets um einen Ausländer handelt, der den fremdenpolizeilichen Bestimmungen unterworfen ist, und es ist anzunehmen, dass ein Ausländer, der sich in Übereinstimmung mit den fremdenpolizeilichen Vorschriften in der Schweiz aufhält und daher den bürgerrechtlichen Wohnsitz gemäss
Art. 36 BüG
begründet hat, auch den zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz besitzt. Das ändert indessen nichts am Grundsatz, dass dann, wenn der bürgerrechtliche und der zivilrechtliche Wohnsitz auseinanderfallen, dem zivilrechtlichen Wohnsitz die entscheidende Bedeutung zukommt.
4.
Im vorliegenden Fall hat der Vater der Beschwerdeführerin, der seit Jahren in der Schweiz wohnt und hier auch verheiratet ist, die Schweiz lediglich zur Leistung des obligatorischen Militärdienstes verlassen; er konnte sich dem eineinhalbjährigen Aufenthalt in Italien nicht entziehen und meldete sich auch bei der Fremdenpolizei lediglich ab, um seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen. Stets hatte er die Absicht, nach dem Militärdienst in die Schweiz zurückzukehren. Tatsächlich reiste er unmittelbar nach Vollendung des Dienstes zu seiner Frau und seinem Kind zurück.
Da der Vater der Beschwerdeführerin seinen Wohnsitz demnach in der Schweiz begründete (
Art. 23 ZGB
) und während seines Italienaufenthaltes zur Leistung des obligatorischen Militärdienstes nicht aufgab (
Art. 24 ZGB
), ist das Wohnsitzerfordernis des Vaters im Zeitpunkt der Geburt des Kindes erfüllt. Die Beschwerdeführerin muss daher als Schweizerbürgerin anerkannt werden. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b1d9056e-0889-4f76-951b-ebac7d33bead | Urteilskopf
95 IV 150
37. Sentenza del 26 settembre 1969 nella causa Joos contro Camera di cassazione e di revisione penale del Cantone Ticino. | Regeste
Pflichtwidriges Verhalten bei Unfall; Flucht des Fahrzeugführers, der einen Menschen getötet oder verletzt hat.
Art. 92 Abs. 2 SVG
.
1. Im Sinne dieser Bestimmung ist eine Person schon dann "verletzt", wenn sie kleine Schürfungen oder Prellungen erleidet (Erw. 1).
2. Ein Fahrzeugführer, der nicht auf der Unfallstelle bleibt, ergreift die Flucht (Erw. 2). Ist er selber verletzt, so ist er von der Anklage der Führerflucht nur freizusprechen, wenn er die ihm obliegenden Pflichten soweit als möglich erfüllte, bevor er sich von der Unfallstelle entfernte (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 95 IV 150 S. 150
A.-
Nel primo mattino del 17 aprile 1966, mentre stava tornando a casa al volante dell'automobile della moglie, Bernardo Joos si scontrò in via Collina d'oro a Lugano con la vettura guidata da Walter Abt. Joos aveva passato la serata a Castagnola, nella villa del barone von Thyssen, ove aveva giocato a bridge, cenato, e bevuto vino rosso e whisky; successivamente si era recato in due locali notturni di Lugano, nei quali bevve ancora whisky.
Subito dopo l'urto frontale delle vetture, entrambi i conducenti scesero a terra. Joos tuttavia risalì immediatamente e fece indietreggiare l'automobile d'una ventina di metri, lasciandola
BGE 95 IV 150 S. 151
poi ferma sul margine destro della strada. Indi scese di nuovo e, barcollando, si incamminò verso casa, nonostante le insistenze di Abt perchè restasse sul luogo.
La polizia, che scoperse il nome del conducente attraverso il trittico lasciato nella vettura, si recò immediatamente nell'abitazione di Joos, ma i di lui familiari le dichiararono di non averlo ancora visto tornare. Altri interventi degli agenti furono inutili. In realtà, Joos era stato nel frattempo ricoverato all'ospedale, ove gli fu constatata una ferita lacero-contusa alla testa, con segni di commozione cerebrale. La famiglia di Joos avvertì la polizia dell'avvenuto ricovero del loro familiare all'ospedale solo verso le 10.45. L'analisi del sangue, eseguita alle 11.00, rivelò una alcoolemia dell'1,4‰.
Walter Abt riportò dall'infortunio contusioni al braccio destro e alla spalla, e rimase parzialmente inabile al lavoro per circa due mesi.
B.-
Con sentenza dell'11 ottobre 1968 il Presidente delle assise correzionali di Lugano-città riconobbe Bernardo Joos colpevole di circolazione in stato di ebrietà, di infrazione grave alle norme della circolazione e di inosservanza dei doveri in caso d'infortunio, e lo condannò ad una pena di due mesi di detenzione, sospesi condizionalmente.
Un ricorso interposto da Joos contro tale condanna fu respinto dalla Corte di cassazione e di revisione penale del Cantone Ticino il 25 febbraio 1969.
C.-
Joos impugna quest'ultima sentenza davanti al Tribunale federale, mediante un tempestivo ricorso per cassazione. Egli chiede che gli atti siano rinviati all'autorità cantonale per nuovo giudizio.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Il ricorrente fa in questa sede valere soltanto una violazione dell'art. 92 cpv. 2 LCStr., e rimprovera alla Corte cantonale d'averlo illegittimamente ritenuto colpevole del reato d'inosservanza dei doveri in caso d'infortunio. La condanna per guida in stato di ebrietà e per infrazione grave alle regole della circolazione, non più litigiosa già davanti alla precedente istanza, è cresciuta in giudicato.
Secondo l'art. 92 cpv. 2 LCStr., il conducente che, dopo aver ucciso o ferito una persona in un infortunio della circolazione, si dà alla fuga, commette un reato che va punito. Giusta gli
BGE 95 IV 150 S. 152
accertamenti di fatto vincolanti della Corte cantonale (art. 277bis cpv. 1 PPF), Walter Abt ha riportato nell'infortunio provocato dall'agire colpevole di Joos ferite al braccio e alla spalla. Il ricorrente, invero, contesta che Abt possa essere considerato come un "ferito" ai sensi della legge, dal momento ch'egli non sarebbe rimasto nemmeno un sol giorno totalmente inabile al lavoro. Questa opinione è infondata. La legge par la semplicemente di persona "ferita", cosicchè la gravità delle lesioni appare irrilevante (BADERTSCHER, p, 257 all'art. 92 cpv. 2 LCStr.; v. pure SCHULTZ, Strafbestimmungen, p. 218, secondo cui basta anche una leggera ferita). Anche nel caso di lievi contusioni o di escoriazioni, quando si può rinunciare al concorso della polizia, l'autore del danno deve almeno indicare al ferito il proprio nome e l'indirizzo (art. 55 OCStr.): ciò presuppone naturalmente che l'autore del danno non si allontani puramente e semplicemente dai luoghi. Del resto, in concreto, Abt ha riportato dall'infortunio ferite non del tutto lievi o insignificanti, se ha dovuto rimanere inabile al lavoro nella misura del 50% per poco meno di due mesi, e nella misura del 25% per altri cinque giorni.
Se ne deve dedurre che le ferite subite da Walter Abt e che il ricorrente a ragione non pretende d'aver ignorate, fanno ritenere senz'altro adempiuto il citato requisito dell'art. 92 cpv. 2 LCStr.
2.
Joos contesta in secondo luogo d'essersi "dato alla fuga", dal momento ch'egli si è fermato sul posto dell'infortunio, vi ha lasciato la vettura ed è ripartito a piedi verso casa. Secondo il ricorrente, il reato di fuga sarebbe consumato solo da chi, nonostante un incidente, non si ferma, ma prosegue la marcia al volante dell'automobile. Questa opinione è infondata.
Prescrivendo di non allontanarsi dal luogo dell'infortunio, l'art. 92 LCStr. intende perseguire un triplice scopo. Innanzitutto, quello di limitare al minimo i danni subentrati, attraverso l'aiuto ai feriti e l'adozione di misure atte a garantire la sicurezza della circolazione. Poi, quello di permettere un accertamento rapido e sicuro delle circostanze in cui l'infortunio si è prodotto. Infine, lo scopo di identificare gli interessati e i testimoni, anche in vista d'eventuali pretese civili. Sotto tale luce, è pertanto irrilevante che l'autore del danno prosegua nella sua marcia senza nemmeno fermarsi, oppure fermi la vettura sul luogo dell'infortunio per poi allontanarsene a piedi senza il
BGE 95 IV 150 S. 153
permesso della polizia (v. SCHULTZ, op.cit., p. 218). D'altra parte, fuggendo dal luogo dell'incidente, l'autore del danno, secondo le circostanze, si sottrae pure illegittimamente alla prova del sangue ai sensi dell'art. 91 cpv. 3 LCStr.
3.
Vero è che il ricorrente sostiene di essersi allontanato dal luogo dello scontro perchè necessitevole di cure mediche. Ed è vero che, secondo la recente e tuttora valida giurisprudenza, possono abbandonare il posto dell'infortunio gli interessati che hanno personalmente bisogno di un soccorso medico (RU 90 IV 221). Tuttavia, è chiaro che sarà liberato dall'accusa di fuga in caso di infortunio solo colui che abbia adempiuto tutti i suoi doveri nell'ambito e nei limiti delle sue possibilità. Così, l'automobilista che ha riportato dall'infortunio solo lievi ferite, deve innanzitutto curarsi degli altri protagonisti dello scontro, e adottare le opportune misure di sicurezza, prima di abbandonare senza il permesso della polizia il luogo dell'incidente (SCHULTZ, op.cit., p. 221/2).
Nella fattispecie, secondo le constatazioni vincolanti delle istanze cantonali, Bernardo Joos si è prodotto solo una lieve ferita al cuoio capelluto e, forse, anche una leggera commozione cerebrale. Comunque, egli ha lasciato l'ospedale appena 10 minuti dopo esservi entrato. Vero è che il ricorrente produce, per la prima volta in questa sede, un certificato medico da cui risulta ch'egli sarebbe stato tosto ricoverato in un altro ospedale, ove si sarebbe fermato qualche giorno. Ma questo certificato, anche a prescindere dalla sua inammissibilità (art. 273 cpv. 1 lett. b PPF), è irrilevante, perchè non dice più di quanto ha accertato la polizia. Quest'ultima non ha d'altra parte rilevato nè sulla vettura di Joos nè sul luogo dell'incidente alcuna traccia di sangue del ricorrente. Lo stato di Joos non era quindi tale da permettergli di abbandonare immediatamente, e senza indicare il proprio nome e indirizzo all'altro protagonista dello scontro, il luogo dell'incidente. In ogni caso, egli avrebbe dovuto almeno spiegare ad Abt perchè e dove andava. Certo, il ricorrente ha abbandonato sul posto la vettura che aveva guidato: ma questa circostanza non gli giova, perchè, in realtà, l'automobile apparteneva alla moglie, e l'identità del conducente ha potuto essere accertata solo dopo l'intervento della polizia. Joos è quindi fuggito dal luogo dell'incidente senza averne il diritto, e comunque senza aver prima adempiuto il propri doveri. I requisiti per il reato previsto dall'art. 92 LCStr. sono
BGE 95 IV 150 S. 154
quindi adempiuti. In tali circostanze, il ricorso si rivela non solo infondato, ma, tenuto conto della notevole mitezza della pena inflitta, anche temerario.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto. | null | nan | it | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1df20e9-eaf9-44e5-a2fb-d7659a608d12 | Urteilskopf
95 I 409
59. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1969 i.S. Aiello gegen das Versicherungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Armenrechtliche Verbeiständung
Wegen Nichtzulassung als armenrechtlicher Prozessvertreter kann sich der ausserkantonale Anwalt nicht auf die Freizügigkeit wissenschaftlicher Berufsarten berufen (Erw. 4);
Dem im Ausland wohnhaften Ausländer darf im Prozess gegen die Suva die Bestellung eines nicht im Kanton Luzern praktizierenden Anwaltes nicht ohne hinreichende Gründe verweigert werden (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 409
BGE 95 I 409 S. 409
Der italienische Staatsangehörige Giuseppe Aiello erlitt im September 1966 bei der Arbeit für die Bauunternehmung Zentrale Ova Spin in Zernez einen Unfall. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) erliess am 22. April und
BGE 95 I 409 S. 410
7. November 1968 Rentenverfügungen. Im November gleichen Jahres ersuchte Advokat Dr. Stein das Versicherungsgericht des Kantons Luzern, Aiello zur Anfechtung der Verfügung vom 7. November 1968 die unentgeltliche Rechtspflege mit Verbeiständung zu gewähren. Das Gericht bewilligte das Gesuch für die Gerichts- und Beweiskosten, lehnte dagegen die armenrechtliche Verbeiständung ab, weil es einen ausserkantonalen Anwalt nicht als Armenanwalt bestellen könne.
Eine staatsrechtliche Beschwerde dagegen hat das Bundesgericht gutgeheissen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung der
Art. 4, 31 und 33 BV
sowie von Art. 5 Üb. Best. z. BV. Er sieht sie darin, dass das kantonale Versicherungsgericht seinen in Basel wohnhaften bevollmächtigten Vertreter nicht als Armenanwalt anerkennt. Die Kantone, so wird in der Beschwerde ausgeführt, seien in der Gestaltung ihrer Prozessrechte und der Gerichtsorganisation durch die Verfassung und die Gesetze des Bundes eingeschränkt. Personen, welche den wissenschaftlichen Berufsarten angehören, seien nämlich befugt, den Beruf in der ganzen Eidgenossenschaft auszuüben. Es verstosse gegen die genannten Vorschriften, wenn das luzernische Recht als armenrechtliche Beistände nur die im Kanton wohnhaften und praktizierenden Anwälte zulasse. Die bezüglichen kantonalen Befugnisse seien insbesondere durch
Art. 121 KUVG
beschränkt.
Die Nichtanerkennung eines Anwaltes als Prozessvertreter einer Partei in einem andern als seinem Wohnsitzkanton, bzw. als im Kanton, dessen Fähigkeitsausweis er besitzt, berührt zunächst bloss die Rechtsstellung des Anwaltes selbst. Doch anerkennt die Rechtsprechung, dass auch die Prozesspartei durch die Verfügung in ihren Rechten betroffen ist, und betrachtet sie zur Beschwerde wegen Verletzung der bezüglichen Vorschriften ebenfalls als legitimiert (
BGE 33 I 492
,
BGE 59 I 199
,
BGE 73 I 370
).
Geschützt wird durch
Art. 33 BV
und Art. 5 Üb. Best. z. BV die freie Tätigkeit des Anwaltes, sein Anspruch darauf, dass sein Befähigungsausweis für seine private Anwaltstätigkeit für die ganze Eidgenossenschaft anerkannt wird. Mit dem Mandat, für eine arme Partei als unentgeltlicher Prozessvertreter tätig zu werden, übernimmt der Anwalt jedoch keinen privaten Auftrag.
BGE 95 I 409 S. 411
Es kann verbindlich nur durch den Kanton selbst erteilt werden, und stellt sich als Übernahme einer staatlichen Aufgabe dar. Der Anwalt tritt damit zum Staat in ein öffentlichrechtliches Dienst- oder Auftragsverhältnis (
BGE 60 I 13
,
BGE 73 I 370
). Kann sich aber der Anwalt zur Erlangung eines solchen Auftrages nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit und auf seinen Befähigungsausweis berufen, wenn er vom Prozesskanton wegen seines auswärtigen Wohnsitzes nicht als unentgeltlicher Beistand anerkannt wird, so kann es auch die Partei selbst nicht.
Auf die
Art. 31, 33 BV
und Art. 5 Übergangsbestimmungen zur BV kann sich deshalb der Beschwerdeführer nicht berufen, wenn sein Vertreter nicht als unentgeltlicher Rechtsbeistand anerkannt wird. Dagegen ist er als Ausländer mit Wohnsitz im Ausland befugt, sich aus diesem Grunde über eine Verletzung von
Art. 4 BV
zu beschweren (
BGE 74 I 99
, 361;
BGE 78 I 205
).
5.
Aus
Art. 4 BV
, dem daraus folgenden Anspruch der armen Partei darauf, dass der Richter ihr für die Verfolgung eines nicht aussichtslosen Anspruches einen unentgeltlichen Prozessvertreter stellt, wenn sie dessen zur Wahrung ihrer Rechte bedarf, folgt nicht notwendig auch, dass sie den unentgeltlichen Prozessvertreter frei bestimmen kann. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, lässt sich die in verschiedenen Kantonen geltende Ordnung, dass zu Armenanwälten nur die im Prozesskanton wohnhaften oder ständig tätigen Rechtsanwälte ernannt werden können, mit sachlichen Gründen vertreten (
BGE 67 I 4
). Die Führung eines Prozesses setzt die Kenntnis des kantonalen Prozessrechtes voraus, in dem sich der im Kanton tätige Anwalt regelmässig besser auskennt als sein ausserkantonaler Kollege. Zudem unterstehen nur jene allgemein der Überwachungs- und Disziplinargewalt des Prozesskantons. Nur sie sind auch verpflichtet, die Wahl als Armenanwalt anzunehmen (
BGE 60 I 17
).
Das Bundesgericht liess aber schon bisher offen, ob einer Partei ein anderer als der von ihr vorgeschlagene Prozessvertreter aufgedrängt werden darf, wenn sie zu diesem ganz besondere Beziehungen hat, er für die richtige Führung des Prozesses Gewähr bietet und seine Tätigkeit den Kanton nicht teurer zu stehen kommt als die Bestellung eines einheimischen Anwaltes. Es hatte auch keine Gelegenheit, zu entscheiden,
BGE 95 I 409 S. 412
ob andern berechtigten Wünschen der Prozesspartei Rechnung zu tragen ist.
In der Tat können im Einzelfall Verhältnisse vorliegen, welche den Schutz, den
Art. 4 BV
der armen Partei zukommen lassen will, illusorisch machen oder doch ganz erheblich erschweren. Liegen solche Verhältnisse vor und würde der Anspruch der armen Partei, den Richter für einen nicht aussichtslosen Anspruch anrufen zu dürfen, ohne dass ihr zum voraus grössere Kosten und Umtriebe erwachsen, verunmöglicht oder erheblich beeinträchtigt, so gebietet der mit der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege angestrebte Zweck, ihr für die Führung des Prozesses auch einen ausserkantonalen Anwalt zu bestellen, wenn dieser wie ein einheimischer Anwalt die erforderlichen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Prozessvertretung besitzt.
Derartige besondere Verhältnisse können dann vorliegen, wenn die Partei im Ausland wohnt und sich zur Führung des Prozesses an einen ganz bestimmten Richter wenden muss, währenddem sie bereits den Anwalt ihrer Wahl mit Instruktionen versehen hat, dessen Kosten sie selbst zu tragen hätte, wenn ihr ein anderer Armenanwalt bestellt würde. Das muss umso mehr gelten, wenn sie die Sprache des Gerichtes und des ihr bestellten Armenanwaltes nicht versteht und sich deshalb in der Wahrung ihrer Rechte beeinträchtigt vorkommen müsste.
Bei Prozessen, welche die arme Partei gegen die SUVA zu führen hat, sieht das KUVG, sofern die Partei im Ausland wohnhaft ist, den besondern Gerichtsstand des Sitzes der Anstalt vor (
Art. 120 Abs. 2 KUVG
). Sie muss sich an diesen Gerichtsstand auch dann halten, wenn sie im Zeitpunkt des Unfalles und vor Einleitung des Verfahrens in einem andern Kanton wohnhaft war. Art. 121 Abs. 1 des erwähnten Gesetzes verpflichtet zudem die Kantone, für die Erledigung dieser Anstände einen möglichst einfachen und raschen Prozessweg vorzusehen und dafür zu sorgen, dass der bedürftigen Partei auf ihr Verlangen die Wohltat des unentgeltlichen Rechtsbeistandes gewährt wird. Der Bundesgesetzgeber umgibt damit derartige Klagen von obligatorisch versicherten Personen mit einem besonders ausgeprägten Rechtsschutz. Er will die Rechtsverfolgung erleichtern und dafür sorgen, dass die Klagen in einem raschen und billigen Verfahren erledigt werden. Die Beschränkung des Prozessvertreters auf einen im Kanton
BGE 95 I 409 S. 413
praktizierenden Anwalt gerät mit diesen Forderungen in Konflikt. Hat der Beschwerdeführer sich während des Aufenthaltes in der Schweiz bereits an eine Berufsorganisation oder an einen Anwalt des Aufenthaltsortes gewandt, so wäre er genötigt, den Anwalt zu wechseln und die Kosten des bisherigen Vertreters zu seinen eigenen Lasten zu übernehmen. Zu bedenken ist insbesondere auch, das die Erwägungen, welche zur beanstandeten Vorschrift Anlass gegeben haben, der einheimische Anwalt kenne das eigene Prozessrecht besser und könne deshalb auch die Interessen der Partei besser wahren, für derartige Prozesse nicht von Gewicht sind. Diese sind nicht im ordentlichen Verfahren durchzuführen. Die Vorschrift, für die Prozesse gegen die SUVA ein einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen, hat praktisch alle Kantone veranlasst, sie im Offizialverfahren durchzuführen. Das trifft auch für die anwendbare kantonale Verfahrensordnung zu. Der Richter kann danach jederzeit die zur Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise von Amtes wegen erheben (§ 15 der Verordnung). Er würdigt die Beweise nach seinem Ermessen (§ 18) und wendet das Recht von Amtes wegen an (§ 19); er entscheidet von Amtes wegen auch über die Kosten (§ 22). Wenn er vor der Urteilsfällung findet, der Versicherte habe irrtümlich zu wenig verlangt, gibt er ihm Gelegenheit zur Änderung der Klage (§ 23).
Führt daher die Anwendung von § 77 Abs. 2 der Verordnung für die Partei zu einer erheblichen Erschwerung oder Verteuerung des Prozessganges, und werden die Interessen der Partei durch die Ernennung eines ausserkantonalen Prozessvertreters ebenso gut gewahrt wie bei Ernennung eines Anwaltes des Prozesskantons, so folgt nicht bloss aus
Art. 121 Abs. 2 KUVG
, sondern schon aus
Art. 4 BV
, dass es an hinreichenden Gründen fehlt, der Partei keinen ausserkantonalen Anwalt zur Verfügung zu stellen. Der Richter kann zwar prüfen, ob dieser persönlich die erforderlichen Eigenschaften hat und genügend Garantien für eine ordnungsgemässe Prozessführung bietet, darf aber den Vorschlag der Partei zu solcher Ernennung nicht ohne hinreichende Gründe ablehnen.
Dem Beschwerdeführer durfte bei dieser Rechtslage die Verbeiständung durch Advokat Dr. Stein nicht verweigert werden. Er ist im Ausland wohnhaft und wird deshalb durch
Art. 120 Abs. 2 KUVG
vor den Richter des Anstaltssitzes verwiesen, dessen Sprache er nicht spricht. Er hat die Behandlung
BGE 95 I 409 S. 414
seiner Sache der baslerischen Zweigstelle des Istituto Nazionale Confederale di Assistenza übertragen, für welche von Anfang an Advokat Dr. Stein handelte. Die rasche Abwicklung des Verfahrens würde durch die Pflicht, die Führung des Prozesses einem luzernischen Anwalt zu übertragen, weiter verzögert. Wenn dem Beschwerdeführer dadurch Kosten erwachsen würden, was dahingestellt bleiben mag, würde die richtige Anwendung von
Art. 121 Abs. 1 KUVG
mittelbar weiter in Frage gestellt. Gegen den vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Anwalt hat der kantonale Richter keine Einwendungen erhoben. Es ist ihm zwar unbenommen, diese Frage zu prüfen, wenn er dazu noch nicht Stellung genommen hätte. Doch dürften nur ausreichende Gründe dazu führen, ihn abzulehnen. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b1e2e5ed-1df2-425c-8e1d-9d3cefb5b1db | Urteilskopf
122 IV 91
15. Estratto della sentenza della Camera d'accusa del Tribunale federale del 23 gennaio 1996 nella causa P. c Ministero pubblico della Confederazione | Regeste
Art. 65 ff., 100 ff. und 259 BStP
;
Art. 24 und 29 BetmG
;
Art. 59 StGB
. Einziehung von Vermögenswerten, die durch im Ausland verübte strafbare Handlungen erlangt worden sind; Zuständigkeit des Bundesanwalts zur Anordnung von Ermittlungen und Zwangsmassnahmen (Durchsuchung und Beschlagnahme von Bankkonten und -unterlagen).
Befinden sich Vermögenswerte, die durch im Ausland verübte BetmG-Widerhandlungen erlangt worden sind, in der Schweiz, so kann ein selbständiges Einziehungsverfahren eröffnet werden (E. 3b). In dessen Rahmen ist der Bundesanwalt befugt, Ermittlungen und insbesondere auch Zwangsmassnahmen anzuordnen (E. 3c).
Voraussetzungen für die Anordnung von Zwangsmassnahmen. Im konkreten Fall waren diese Voraussetzungen erfüllt (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 92
BGE 122 IV 91 S. 92
Il 5 settembre 1994, il Ministero pubblico della Confederazione ha, nel quadro di un procedimento volto alla scoperta, al sequestro ed alla confisca di valori patrimoniali provenienti da attività illecite, segnatamente dal traffico illecito di stupefacenti, chiesto a tutti gli istituti bancari della città di Zurigo di controllare e, se del caso, comunicargli se determinate persone, fra cui P., sospettate di appartenere alla Mafia siciliana e di essere coinvolte nel finanziamento di traffici illeciti di stupefacenti, disponessero presso tali istituti, in qualità di titolari, procuratori, organi societari o aventi diritto economico, di conti bancari, depositi o altri valori patrimoniali.
In seguito alla susseguente comunicazione della sede principale zurighese della Banca X. concernente P., il Ministero pubblico della Confederazione ha domandato, il 23 febbraio 1995, di poter esaminare la documentazione relativa alle relazioni bancarie scoperte.
Il 15 marzo 1995, dopo aver preso visione della menzionata documentazione, il Ministero pubblico della Confederazione ha ordinato il sequestro di alcuni documenti concernenti la fondazione "Y", di cui P. risulta essere l'avente diritto economico, nonché il blocco degli averi appartenenti a tale fondazione.
Dopo aver preso conoscenza, per il tramite del suo rappresentante legale, delle tre citate decisioni, P. ha impugnato con ricorso dinanzi alla Camera d'accusa del Tribunale federale tali decisioni, postulando il loro annullamento e, in particolare, il dissequestro dei documenti e lo sblocco degli averi della fondazione "Y". Preliminarmente, egli richiede la restituzione per inosservanza del termine di ricorso.
Con osservazioni del 30 novembre 1995, il Ministero pubblico della Confederazione non contesta la tempestività del gravame, ma chiede ch'esso venga integralmente respinto nel merito.
BGE 122 IV 91 S. 93
Erwägungen
Considerando in diritto:
3.
Il ricorrente contesta - in secondo luogo, ma la censura va esaminata preliminarmente - la competenza del Ministero pubblico della Confederazione di ordinare le citate misure coercitive. A suo avviso, il perseguimento penale, incluso il procedimento teso alla confisca (indipendente), spetta ai cantoni, segnatamente alle autorità penali cantonali. Sarebbe d'altronde esclusa la facoltà del Procuratore generale della Confederazione, fondata sull'art. 29 cpv. 4 LS (RS 812.121) in combinazione con l'
art. 259 PP
, di ordinare (a titolo eccezionale) indagini, dato che nelle circostanze non ne sarebbero dati i presupposti.
Nelle sue osservazioni al ricorso, il Ministero pubblico della Confederazione ribadisce la sua competenza in base all'art. 29 cpv. 4 LS e all'
art. 259 PP
, visto che i rimproveri mossi al ricorrente concernono atti (traffico di stupefacenti, appartenenza ad un'organizzazione criminale, riciclaggio) commessi esclusivamente all'estero, segnatamente in Italia. Il sequestro, rispettivamente, il blocco dovrebbero pertanto essere mantenuti in attesa che vengano effettuati gli ulteriori accertamenti finalizzati alla confisca o che l'autorità giudiziaria di Palermo inoltri una richiesta rogatoriale.
a) Secondo gli
art. 64bis cpv. 2 Cost.
e 343 CP, il perseguimento ed il giudizio dei reati spetta di regola ai cantoni, salvo i casi enumerati agli
art. 340-342 CP
sottoposti alla giurisdizione federale. Tale principio è valido sia per i reati previsti dal Codice penale svizzero sia per quelli contemplati da altre leggi federali, il cui perseguimento è attribuito ai cantoni. Ciò è il caso, ad esempio, dei reati previsti dalla legge federale sugli stupefacenti, del 3 ottobre 1951 (art. 28 cpv. 1 LS). In questo ambito è nondimeno riservato, giusta l'art. 29 cpv. 4 LS, il diritto del Procuratore generale della Confederazione di ordinare delle indagini nei limiti dell'
art. 259 PP
, ossia qualora gli atti siano stati totalmente o parzialmente commessi all'estero o in più cantoni (
art. 259 PP
). Nel quadro di tali indagini preliminari sono ammissibili tutti i provvedimenti che il Procuratore generale della Confederazione sarebbe autorizzato a prendere nell'ambito di una procedura penale federale (art. 100 segg. PP), ivi incluse le misure coercitive imposte dalle circostanze (art. 65 segg. PP). Di principio, la competenza ed il procedimento rimangono, comunque, cantonali (MARKUS PETER, Bundesgerichtsbarkeit und kantonale Gerichtsbarkeit, in: RPS 87/1971, pag. 190; del medesimo autore: Die Bundesanwaltschaft als Staatsanwaltschaft des Bundes, diss. Berna 1971,
BGE 122 IV 91 S. 94
pag. 85; FRANZ STÄMPFLI, Das Bundesgesetz über die Bundesrechtspflege vom 15. Juni 1934, 1935, n. 1 e 2 ad art. 259).
b) Giusta l'
art. 59 n. 1 cpv. 1 CP
, il giudice ordina la confisca dei valori patrimoniali che costituiscono il prodotto di un reato o erano destinati a determinare o a ricompensare l'autore di un reato, indipendentemente dal fatto che quest'ultimo possa essere perseguito o che addirittura non possa essere identificato (FF 1993 III 217). La medesima sorte spetta a tutti i valori patrimoniali di cui un'organizzazione criminale ha facoltà di disporre (
art. 59 n. 1 cpv. 3 CP
), indipendentemente dalla loro origine (FF 1993 III 215). La confisca avviene ove si trovano i relativi valori. La sua esecuzione è garantita da sequestro a titolo conservativo, secondo le norme di procedura penale cantonale o federale. Il sequestro non ha, peraltro, solo funzione confiscatoria, bensì pure probatoria (NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 1993, pag. 225).
La confisca nonché i provvedimenti coercitivi (perquisizione, sequestro e blocco) tesi a permetterne e a garantirne l'esecuzione possono essere ordinati nell'ambito di un procedimento penale, rispettivamente, di una procedura indipendente di confisca svizzeri (
DTF 117 IV 233
consid. 3; NIKLAUS SCHMID, op.cit., pag. 224 segg.). La questione se e a quali condizioni tali misure siano suscettibili di essere pronunciate nel caso in cui il reato cui si riferiscono è stato commesso esclusivamente all'estero è dibattuta. Secondo alcuni autori le autorità svizzere possono procedere alla confisca e, quindi, adottare le misure che la precedono solo qualora il reato sia sottoposto alla giurisdizione svizzera in base agli
art. 3 a 7
CP, al principio dell'universalità o a quello della competenza sostitutiva (art. 19 n. 4 LS), oppure quando una norma particolare (art. 24 LS) lo consente nonostante che l'infrazione sia stata commessa all'estero (HANS SCHULTZ, Die Einziehung, der Verfall von Geschenken und anderen Zuwendungen zu Gunsten des Geschädigten gemäss StGB, in: ZBJV 1978/114, pag. 325 seg.; LOUIS GAILLARD, La confiscation des gains illicites, in: FJS n. 73 pag. 7; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT II, § 14 n. 79; v. pure FF 1992 VI 22;
DTF 117 IV 233
consid. 4;
DTF 112 Ib 576
consid. 12 ca;
DTF 109 IV 51
consid. 2). NIKLAUS SCHMID ritiene, per contro, che sussiste una competenza originaria svizzera per la confisca (già) qualora l'infrazione sia punibile nello Stato ove è stata commessa così come in Svizzera (principio della punibilità concreta reciproca; SCHMID, op.cit., pag. 225 seg.; del medesimo autore: Anwendungsfragen der Straftatbestände gegen die Geldwäscherei, vor allem StGB 305bis, in: FSA 8/1991, pag. 124; Das neue
BGE 122 IV 91 S. 95
Einziehungsrecht nach StGB Art. 58 ff., in: RPS 4/1995, pag. 325 seg.).
c) Nella fattispecie, il Ministero pubblico della Confederazione ha aperto, previa ricezione di informazioni concernenti il ricorrente dalle autorità italiane, segnatamente dal Servizio centrale operativo della polizia di Stato, un procedimento finalizzato alla scoperta, al sequestro ed alla confisca di valori patrimoniali depositati in Svizzera, provenienti, tra l'altro, dal traffico illecito di stupefacenti. Secondo quanto dichiarato dal Procuratore generale medesimo, i reati rimproverati al ricorrente sarebbero stati commessi esclusivamente all'estero, segnatamente in Italia. L'art. 24 prima proposizione LS o il principio della punibilità concreta reciproca consentono, ciononostante, l'espletamento di una procedura (indipendente) di confisca secondo il diritto svizzero. Dato che gli averi del ricorrente sono stati localizzati presso la sede zurighese della Banca X., competente per tale procedura è il Cantone di Zurigo (art. 24 seconda proposizione e 28 cpv. 1 LS,
art. 343 CP
,
art. 247 cpv. 1 PP
), segnatamente il competente Procuratore distrettuale zurighese (art. 96 segg., 106a seg. StPO/ZH). Senonché, come già evidenziato (v. consid. 3a), nell'ambito di procedimenti per reati contro leggi federali che assegnano alla Confederazione un diritto particolare di alta vigilanza - come la LS (art. 29 LS) - il Procuratore generale della Confederazione può ordinare indagini, tra cui misure coercitive, se gli atti sono stati totalmente o parzialmente commessi all'estero (
art. 259 PP
). Ne discende che nella circostanza concreta, ove si tratta (fra l'altro) di infrazioni alla legge sugli stupefacenti commesse in Italia, il Ministero pubblico della Confederazione era competente per ordinare le misure coercitive contestate.
4.
Il ricorrente contesta, inoltre, l'esistenza di un qualsiasi nesso fra i reati a lui prospettati in Italia e i beni depositati sui conti bloccati in Svizzera. Quest'ultimi sarebbero invece risparmi di famiglia, derivanti dalla sua attività imprenditoriale. A suo avviso, il blocco ordinato dal Procuratore generale della Confederazione sarebbe pertanto assolutamente sproporzionato.
Per giustificare l'adozione di un sequestro - così come di qualsiasi altra misura coercitiva - occorre che sussistano sufficienti, ragionevoli motivi per ritenere che i fondi oggetto della misura si identificano con quelli che sono pervenuti all'interessato quale frutto di un reato. Un indiscriminato sequestro di beni patrimoniali del perseguito, che non abbiano prima facie alcuna relazione con il reato, sarebbe quindi inammissibile (
DTF 117 Ia 424
consid. 20a). Ora, come rilevato dal
BGE 122 IV 91 S. 96
ricorrente, gli indizi al proposito disponibili sono piuttosto scarsi. Il contenuto delle informazioni trasmesse dalle autorità italiane non è particolarmente preciso. Le informazioni fornite sembrano inoltre legittimare il sospetto che i fondi depositati in Svizzera siano, semmai, collegati con l'appartenenza ad un'organizzazione criminale o con un'atteggiamento di collusione con una tale organizzazione, ossia con circostanze per le quali fa difetto - trattandosi di reato represso dal Codice penale che, diversamente dalla LS, non costituisce una legge che conferisce alla Confederazione un diritto particolare di alta vigilanza (v. MARKUS PETER, op.cit., pag. 189) - la competenza del Procuratore generale, piuttosto che con un traffico illecito di stupefacenti. Nondimeno, alcuni episodi, più ridimensionati che non smentiti dal ricorrente, sembrano riferirsi ad un simile traffico: ciò consente di non escludere che i documenti sequestrati ed i valori depositati sui conti bloccati concernono, rispettivamente, vadano fatti risalire (perlomeno in parte) ad una tale attività illecita. Al proposito non va dimenticato che, trattandosi di misure provvisionali che riservano espressamente il giudizio di merito, un rigore eccessivo quanto ai requisiti che ne giustificano l'adozione apparirebbe, se non altro nello stadio attuale della procedura, prematuro. La sussistenza di tali requisiti deve tuttavia essere costantemente verificata e un maggior rigore essere preteso man mano che l'inchiesta avanza. Simili misure vanno levate allorché, nel corso dell'inchiesta, il sospetto iniziale si rivela infondato e la confisca risulta di conseguenza esclusa (
DTF 119 IV 326
consid. 7e). Da quanto esposto discende che i provvedimenti coercitivi impugnati sfuggono, seppur di stretta misura, alla censura sollevata. | null | nan | it | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1e4dcf4-d7ac-41b7-a05a-7927dacc121f | Urteilskopf
123 IV 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Oktober 1996 i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen L. (Nichtigkeitsbeschwerden) | Regeste
Art. 10 StGB
und
Art. 11 StGB
;
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
;
Art. 63 StGB
; Strafzumessung und Verwahrung bei einem schwer vermindert zurechnungsfähigen gefährlichen Sexualmörder.
Die schuldadäquate Strafe kann bei einer an der Grenze zur Zurechnungsunfähigkeit liegenden schwer verminderten Zurechnungsfähigkeit nur relativ gering sein (E. 2 und 3).
Dem Gesichtspunkt der Gefährlichkeit des Täters darf nicht durch eine schuldunangemessene lange Freiheitsstrafe Rechnung getragen werden; er ist gegebenenfalls durch die Verhängung einer Verwahrung nach
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
zu berücksichtigen (E. 4).
In der Verwahrung ist eine ärztliche und therapeutische Hilfe nach Möglichkeit zu leisten (E. 4c). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 123 IV 1 S. 2
A.-
L. verbüsste zwischen 1974 und April 1981 mehrere Strafen wegen Diebstahls. Am 14. Februar 1986 verurteilte ihn das Strafgericht Basel-Land wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung zu 12 Monaten Gefängnis, weil er im Jahre 1985 einer Dirne mit einem Messer in den Bauch gestochen hatte. Aus dem Vollzug dieser Strafe wurde er am 20. Dezember 1987 entlassen.
B.-
L. fuhr am Abend des 4. Novembers 1989 durchs Seefeld in Zürich und führte ein Heftpflaster und ein Messer von circa 13 cm Klingenlänge mit sich. Er suchte eine hübsche, schlanke Dirne mit einem "feinen, weichen Bauch", um ihr das Messer in den Bauch zu stossen. Das Heftpflaster wollte er dem Opfer auf den Mund kleben. In der Folge sprach er die neunzehnjährige E. an und fuhr sie an einen günstigen Ort, wo sie sich im Fahrzeug auszogen. Er prüfte ihren Bauch und griff zum Messer. Wie sie die Hände schützend vor sich hielt, versicherte er, ihr nichts anzutun, und veranlasste sie so, die Hände wegzunehmen. Sogleich stiess er zu. L. fügte der Frau 37 Stich- und Schnittverletzungen zu. Unmittelbare Todesursache war Verbluten, hervorgerufen durch mehrere Herzdurchstiche.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte ihn am 5. März 1992 wegen Mordes zu 17 Jahren Zuchthaus und ordnete eine ambulante Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
während des Strafvollzugs an.
Das Bundesgericht hiess am 22. September 1993 eine Nichtigkeitsbeschwerde des L. teilweise gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurück.
C.-
Zur Neubeurteilung holte das Obergericht des Kantons Zürich bei der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel ein Gutachten und auf Antrag der Verteidigung eine Ergänzung durch den Gutachter ein. Am 13. Dezember 1995 erkannte das Obergericht L. des Mordes schuldig und bestrafte ihn mit 16 Jahren Zuchthaus. Es ordnete eine ambulante Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
während des Strafvollzugs an.
D.-
L. und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erheben Nichtigkeitsbeschwerden.
BGE 123 IV 1 S. 3
- L. beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen. Er ficht das Urteil im Strafpunkt und eventualiter im Massnahmenpunkt an wegen Verletzung von Art. 63 i.V.m.
Art. 11 StGB
sowie eventualiter von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
(ohne letzten Satz).
- Die Staatsanwaltschaft beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Es verletze Bundesrecht, bei Vorliegen der Voraussetzungen der Verwahrung gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
bloss eine ambulante Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
während des Strafvollzugs anzuordnen.
E.-
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. L. beantragt, die Beschwerde der Staatsanwaltschaft abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die kantonale Behörde muss bei einer Rückweisung ihrer neuen Entscheidung die Begründung der Kassation zugrundelegen (
Art. 277ter BStP
). Das gilt im Entscheidpunkt und für weitere Fragen insoweit, als sich die bundesgerichtliche Kassation auf andere Punkte auswirkt und es der Sachzusammenhang erfordert. In diesem Umfang ist die neue Entscheidung vor Bundesgericht anfechtbar (
BGE 121 IV 109
E. 7;
BGE 117 IV 97
E. 4).
Gemäss dem Rückweisungsentscheid lag die verminderte Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit eher an der Grenze zur Zurechnungsunfähigkeit (
Art. 10 StGB
). Die Vorinstanz verletzte
Art. 11 StGB
, weil sie der verminderten Zurechnungsfähigkeit im Vorfeld der Tat zu wenig Gewicht beimass und anschliessend dem Strafmilderungsgrund kaum Rechnung trug. Sie wurde angewiesen, die Strafzumessung unter bundesrechtskonformer Berücksichtigung der schweren Verminderung der Zurechnungsfähigkeit neu vorzunehmen. In diesem Zusammenhang - und angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise gefährdet - werde sich unter neuen Voraussetzungen die Frage stellen, ob und welche Massnahme anzuordnen sei; die Vorinstanz werde die Möglichkeit einer Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
(vgl.
BGE 118 IV 108
) ebenfalls prüfen müssen.
BGE 123 IV 1 S. 4
2.
Im Strafrecht gilt das Schuldprinzip. Bei Schuldunfähigkeit (Zurechnungsunfähigkeit,
Art. 10 StGB
) und verminderter Zurechnungsfähigkeit (
Art. 11 StGB
) verweist das Gesetz auf das Massnahmenrecht (Art. 43 und 44 bzw.
Art. 42-44 und 100bis StGB
). Der Rückweisungsentscheid geht vom Sinn und Zweck und dem systematischen Zusammenhang der
Art. 10 und 11 StGB
mit dem Massnahmenrecht aus.
In der Sache geht es um das Verhältnis von Freiheitsstrafe und Verwahrung nach
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
, und zwar besonders hinsichtlich deren Sicherungsfunktion. Bei Zurechnungsunfähigkeit kommt beim gefährlichen Täter nur diese Massnahmeform in Betracht (vgl.
BGE 118 IV 108
). Im Verhältnis der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit (
Art. 11 StGB
) wird die schuldangemessene Strafe kleiner, und kann umgekehrt beim gefährlichen Täter die Sicherungsfunktion der Massnahme und deren Dauer entsprechend zunehmen. Gefährdet der Täter infolge seines Geisteszustands die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise, muss der Richter nach dieser gesetzlichen Konzeption die Verwahrung anordnen, wenn sie notwendig ist, um ihn von weiterer Gefährdung anderer abzuhalten (
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
). Während die Freiheitsstrafe spätestens mit Ablauf der gesamten Strafdauer endet und der Betroffene entlassen werden muss, ist die Massnahme erst aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist (
Art. 43 Ziff. 4 StGB
). Die Freiheitsstrafe kann unter dem Sicherungsaspekt keinen genügenden Schutz bieten, weil sie bei erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit schuldadäquat nur verhältnismässig kurz dauern kann. Dagegen erlaubt eine Massnahme der Gefährlichkeit Rechnung zu tragen, so dass der Betroffene erst zu entlassen ist, wenn die Gefahr weggefallen ist. Indem die Vorinstanz offensichtlich der kurz- oder mittelfristigen Sicherungsfunktion der Freiheitsstrafe den Vorrang einräumt, verkennt sie neben den Schwierigkeiten, die endgültige Entlassung stufenweise vorzubereiten (dazu
BGE 119 IV 5
E. 2), einerseits die Problematik im Entlassungszeitpunkt (Entlassung eines nicht geheilten und entsprechend weiterhin gefährlichen Täters) und verletzt sie anderseits die Kriterien der Strafzumessung, weil sie sich gezwungen sieht, unter Sicherungsgesichtspunkten eine bundesrechtlich nicht zulässige längere Freiheitsstrafe auszufällen. Die Sicherung und Betreuung des im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
gefährlichen Täters lässt sich nicht nach den im ordentlichen Schuldstrafrecht geltenden Kriterien bewältigen. Dies zeigt sich darin, dass gerade der zurechnungsunfähige Täter mangels Schuldfähigkeit
BGE 123 IV 1 S. 5
nicht strafbar ist (
Art. 10 StGB
;
BGE 118 IV 1
E. 2). Bei einem infolge seines Geisteszustands gefährlichen Täter kann es dabei aber nicht sein Bewenden haben, weshalb
Art. 10 StGB
Massnahmen nach
Art. 43 StGB
vorbehält.
3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit bei der Strafzumessung zu wenig berücksichtigt und zu Unrecht die beantragte stationäre Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
verweigert. Das erste Vorbringen ist begründet, das zweite geht fehl.
a) Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe aufgrund seiner früheren Tat vom Jahre 1985 um die Gefahr wissen müssen, dass sein Zwang zuzustechen durchbrechen könnte; wer derart überlegt handle, lege einen erheblichen deliktischen Willen an den Tag.
Diese Argumentation geht fehl. Zwang liegt vor, wenn sich Denkinhalte oder Handlungsimpulse immer wieder aufdrängen und nicht unterdrückt oder verdrängt werden können, obwohl erkannt wird, dass sie unsinnig sind oder zumindest ohne Grund Denken und Handeln beherrschen. Nicht die Inhalte des Zwangs sind das Pathologische, sondern ihr dominierender Charakter und die Unfähigkeit, sie zu verdrängen (NORBERT NEDOPIL, Forensische Psychiatrie, Stuttgart 1996, S. 66; RAINER TÖLLE, Psychiatrie, 8. Auflage, Berlin 1988, S. 84). Es kann demnach durchaus zutreffen, dass der Beschwerdeführer um die Gefahr wusste und insoweit überlegt handelte. Dass er seinen deliktischen Willen nicht oder nur beschränkt steuern konnte, ist ihm aber nicht oder nur teilweise vorwerfbar.
Weiter schärft die Vorinstanz die Strafe wegen Rückfalls (
Art. 67 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
), obwohl der Beschwerdeführer an einer progredient verlaufenden sadomasochistischen Perversion leidet, einer sehr schweren Erkrankung aus dem Formenkreis der Neurosen. Diese Krankheit entwickelte sich während vieler Jahre und lässt sich bis in die Kindheit zurückverfolgen. Wegen dieses langjährigen Krankheitsbildes und der einhergehenden Einschränkung der Willensfähigkeit kann der Rückfall nur beschränkt strafschärfend wirken.
Somit ist von einer verminderten Zurechnungsfähigkeit an der Grenze zur Zurechnungsunfähigkeit auszugehen. Der Rückfall ist von beschränktem Gewicht. Die neu festgesetzte Freiheitsstrafe verletzt Bundesrecht erneut in klarer Weise, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen ist.
b) Für die Vorinstanz kommt eine Einweisung des Beschwerdeführers in eine Heil- oder Pflegeanstalt im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
BGE 123 IV 1 S. 6
nicht in Betracht, weil die Gefahr eines Rückfalls in perverse Phantasien und damit verbundene gefährliche Rituale trotz deutlicher Behandlungsfortschritte keineswegs beseitigt sei. Angesichts des jahrelangen Verlaufs und des Ausprägungsgrads der psychischen Störung lasse sich nicht annehmen, er sei für Dritte nicht mehr gefährlich. Eine Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt mit ihrer begrenzten Sicherungsmöglichkeit sei nicht verantwortbar.
Nach dieser zutreffenden Ansicht können gefährliche Täter nicht in eine Heil- oder Pflegeanstalt gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
eingewiesen werden, wenn bei ihnen trotz ärztlicher Behandlung oder Pflege ernstlich die Gefahr schwerer Straftaten, vor allem von Gewaltdelikten, innerhalb oder ausserhalb der Anstalt bestehen bleibt (
BGE 118 IV 108
E. 2a). Die Bestimmung ist nicht anwendbar bei behandlungsfähigen gefährlichen Tätern, deren Heilungschancen kurz- oder mittelfristig derart ungewiss sind, dass in diesem Zeitraum schwere Delikte zu befürchten wären (
BGE 121 IV 297
E. 2b). Folglich kommt - wie e contrario aus
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
zu schliessen ist - eine Einweisung gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
nur in Betracht, wenn der Täter bei ärztlicher Behandlung oder besonderer Pflege nicht gefährlich erscheint und sich die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt verantworten lässt. Die Vorinstanz verneint diese Voraussetzungen gestützt auf das Gutachten zu Recht, weshalb die Beschwerde insoweit abzuweisen ist.
c) Zusammenfassend ist die Beschwerde des Verurteilten im Massnahmenpunkt abzuweisen und im Strafpunkt gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zur Festsetzung einer bundesrechtskonformen Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie wird von einer an der Grenze zur Zurechnungsunfähigkeit liegenden schwer verminderten Zurechnungsfähigkeit auszugehen haben, eingedenk dessen, dass der Beschwerdeführer, wäre er zurechnungsunfähig gewesen (wie von den Gutachtern der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Rheinau 1990 und 1991 angenommen worden war), überhaupt nicht strafbar gewesen wäre, und zwar auch nicht im Rückfall (vgl.
BGE 118 IV 1
E. 2).
4.
Die Staatsanwaltschaft macht eine Verletzung von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
geltend, weil vorliegend von einer Verletzung des Verschlechterungsverbots durch die Anordnung einer Verwahrung nicht die Rede sein könne.
a) Für die Vorinstanz steht die Gefährlichkeit des Beschwerdegegners ausser Zweifel und bleibt die Prognose derart unsicher,
BGE 123 IV 1 S. 7
dass auch eine langjährige Freiheitsstrafe die Öffentlichkeit nicht hinreichend schützt. Sie führt weiter aus, nach dem Gutachten könne der Gefahr mit einer Intensivierung und Ergänzung der laufenden Psychotherapie während des Strafvollzugs begegnet werden, während eine Verwahrung einen Rückfall am sichersten vermeiden würde. Der Gefahr könne mittels einer allerdings noch mehrere Jahre dauernden intensivierten Therapie mit hoher Wahrscheinlichkeit begegnet werden, so dass aus forensisch-psychiatrischer Sicht auf eine zeitlich unbegrenzte Verwahrung im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
verzichtet werden könne. Nach dem Gutachten handle es sich dabei um eine Risikoeinschätzung aus forensisch-psychiatrischer Sicht, die der definitiven juristischen Entscheidung nicht vorgreifen wolle; welches Ausmass an Risiko der Bevölkerung und welche Freiheitsbeschränkung dem Täter zuzumuten seien, hätten die dazu legitimierten juristischen Instanzen zu entscheiden. Die Vorinstanz bejaht zwar die Voraussetzungen einer Verwahrung, ordnet sie aber nicht an, weil sie wegen des Verschlechterungsverbots nicht eine schärfere Strafe als im Erstentscheid ausfällen dürfe. Schliesslich äussere sich der Rückweisungsentscheid zur Vereinbarkeit einer Verwahrung mit dem Verbot der reformatio in peius nicht.
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz verkenne ihre und des Bundesgerichts Bindung an die Rechtsauffassung im Rückweisungsentscheid. Das Bundesgericht hätte darauf hinweisen müssen, wenn es in der Verwahrung eine Verschlechterung erblickt hätte. Die Vorinstanz überschätze die Tragweite des Verschlechterungsverbots. Das Verfahren sei durch die bundesgerichtliche Kassation in den Stand vor der Ausfällung des aufgehobenen Urteils zurückversetzt worden. Eine Schlechterstellung unter diesen Umständen wäre nur diskutierbar, wenn die Verwahrung gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
in ihrer Eingriffsintensität über jene der stationären Massnahme gemäss Abs. 1 hinausgehen würde. Das sei nicht der Fall, weil sich die Vollzugsmodalitäten der beiden Sanktionen im wesentlichen nach den gleichen gesetzlichen Kriterien richteten, ausser dass bei der Verwahrung in einer geeigneten Vollzugsanstalt dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis Rechnung getragen werden müsse. Zudem lasse
Art. 43 Ziff. 3 Abs. 3 StGB
selbst nach rechtskräftiger Anordnung einer stationären Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
deren spätere Umwandlung in eine Verwahrung zu; das müsse umso mehr zulässig sein, wenn noch kein rechtskräftiges Urteil vorliege.
BGE 123 IV 1 S. 8
c) Die Vorinstanz verkennt die Tragweite der Rückweisung, wenn sie annimmt, das Bundesgericht habe sich zur Frage der reformatio in peius nicht geäussert, wobei einzuräumen ist, dass der Rückweisungsentscheid die Frage nicht ausdrücklich behandelt (anders als etwa
BGE 117 IV 97
E. 4c oder
BGE 111 IV 51
E. 2; zu dieser Praxis Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, N. 631). Das Bundesgericht hat jedoch festgehalten, mit der neuen Strafzumessung und der schwerwiegenden Gefährdung werde sich unter neuen Voraussetzungen die Frage stellen, ob und welche Massnahme anzuordnen sei; dabei werde die Vorinstanz eine Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
prüfen müssen. Es hat damit unausgesprochen die Vereinbarkeit mit dem Verschlechterungsverbot bejaht. Dem Beschwerdegegner seinerseits musste bereits im ersten Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren der Zusammenhang zwischen Strafzumessung und Verwahrung klar sein. Er hatte denn auch geltend gemacht, er habe mit dem Freispruch keineswegs die Freilassung angestrebt, sondern die Einweisung in eine geschlossene Anstalt oder Klinik. Damit ging auch er davon aus, es sei die Öffentlichkeit vor einem gefährlichen, kranken Straftäter zu schützen. Nun schloss aber seine Gefährlichkeit nur eine Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
aus. Demgegenüber sind gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
nicht nur die weder heilbaren noch pflegebedürftigen hochgefährlichen Täter zu verwahren, sondern auch die behandlungsfähigen gefährlichen Täter und damit der Beschwerdegegner: In der Verwahrung ist beiden Täterkategorien eine therapeutische und ärztliche Hilfe nach Möglichkeit zu leisten, so dass neben dem Sicherungsaspekt dem Heilungsaspekt und damit der Behandlung im Hinblick auf Heilung und Entlassung Rechnung zu tragen ist (
BGE 121 IV 297
E. 2b;
BGE 120 IV 1
E. 2b;
BGE 118 IV 108
E. 2c).
Entscheidend jedoch ist, dass eine Verwahrung gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
angeordnet werden muss, wenn diese Massnahme notwendig ist. Gesichtspunkte des Grundsatzes des Verbots der reformatio in peius sind nicht massgeblich (vgl.
BGE 117 IV 40
E. 2b; ferner Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. Juni 1973, ZR 73/1974 Nr. 54).
d) Zusammenfassend hat die Vorinstanz durch die Nichtanwendung von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
BGE 123 IV 1 S. 9
5.
Im neuen Entscheid hat die Vorinstanz die Strafe bundesrechtskonform zuzumessen. Weiter wird sie die Anordnung einer Massnahme im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
zu prüfen haben. Sollte sich die Entscheidgrundlage seit dem Urteilszeitpunkt der angefochtenen Entscheidung wesentlich verändert haben, müsste die Vorinstanz gegebenenfalls eine Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
prüfen.
6.
(Kostenfolgen) | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1e945c5-fec7-4f66-a5a1-d076a4d17adc | Urteilskopf
105 II 253
42. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1979 i.S. Kantonalbank von Bern gegen Lüthy-Pfund-Stiftung (Berufung) | Regeste
Erbvertrag, in dem einer Bank ein Vermächtnis ausgesetzt wird mit dem Auftrag, den vermachten Betrag zur Errichtung einer Stiftung zu verwenden.
- Zustandekommen der Stiftung (E. 1).
- Unter welchem Titel kann die Stiftung gegen die Bank Anspruch auf das Stiftungsvermögen erheben? (E. 2.)
- Behandlung der auf dem vermachten Betrag erhobenen Erbschaftssteuern (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 105 II 253 S. 253
A.-
Karl und Flora Lüthy-Pfund schlossen am 26. Mai 1924 einen Erbvertrag, in dem sie unter anderem sich gegenseitig zu Erben ihrer Hinterlassenschaft einsetzten und bestimmten: "Das Vermögen ist von der Kantonalbank von Bern zu verwalten" (Ziff. 3 und 4). In Ziffer 5 bis 7 des Erbvertrags richtete Karl Lüthy verschiedene Vermächtnisse aus und
BGE 105 II 253 S. 254
regelte die Modalitäten für deren Auszahlung. Ziffer 8 des Erbvertrags hatte folgenden Wortlaut:
"Der Kantonalbank von Bern, ein Legat von Fr. 500'000.-, schreibe:
Fünfhunderttausend Franken.
Die Kantonalbank von Bern wird beauftragt, dieses Legat zur Errichtung einer Stiftung, mit Sitz in Biel, unter dem Namen "Lüthy-Pfund" zu verwenden, unter den nachfolgenden nähern Bestimmungen:
1. Das Stiftungsvermögen beträgt Fr. 500'000.-, schreibe:
Fünfhunderttausend Franken.
2. Zweck der Stiftung:
Der jährliche Zins des Stiftungsvermögens soll dienen:
a) Zur Hälfte zur Bestreitung der Kosten von Ferienaufenthalten armer kränklicher schulpflichtiger Kinder in Biel.
b) Zur Hälfte zur Bestreitung von Auslagen von Ferienreisen des Ober-Gymnasiums und der obern Klassen der Mädchensekundarschule in Biel und zum Ankauf von literarischen Werken, vorwiegend schweizerischer Autoren, für die Schulbibliothek des Gymnasiums in Biel. Zu letzterem Zwecke sollen jährlich mindestens Fr. 2'000.- verwendet werden.
Das Stiftungsvermögen soll unangetastet bleiben.
3. Organisation Die Stiftung wird verwaltet durch einen Stiftungsrat von drei Mitgliedern, die vom Regierungsrat des Kantons Bern zu wählen sind. Der Stiftungsrat erhält das Recht, die nötigen Vorschriften zur Erreichung des Stiftungszweckes zu erlassen.
Dem Stiftungsrat wird ebenfalls die Vorsorge für die zweckdienliche Geldanlage überbunden; dabei ist dem Grundsatze Rechnung zu tragen, dass das Stiftungsvermögen möglichst in mündelsichern Papieren anzulegen ist. Die Wertpapiere sind auf der Kantonalbank von Bern zu deponieren. Das Legat ist innerhalb Jahresfrist nach dem Todestage des überlebenden Ehegatten Lüthy-Pfund in barem Gelde oder in Wertpapieren auszurichten und auf der Kantonalbank von Bern zu deponieren.
Sollte die in diesem Erbvertrag erfolgte Stiftungserrichtung von irgend einer Seite angefochten werden, so verfügt Herr Karl Lüthy-Pfund, dass aus seinem Nachlass innerhalb Jahresfrist nach dem Todestage des überlebenden Ehegatten Lüthy-Pfund der Kantonalbank von Bern in barem Gelde oder in Wertpapieren ein Legat von Fr. 500'000.- (Fünfhunderttausend Franken) auszurichten ist.
Mit dem Vermächtnis wird die Auflage verbunden, dass der jährliche Zins desselben verwendet werden soll:
a) Zur Hälfte zur Bestreitung der Kosten von Ferienaufenthalten armer kränklicher schulpflichtiger Kinder in Biel;
b) Zur Hälfte zu Bestreitung der Auslagen von Ferienreisen des Ober-Gymnasiums und der Obern Klassen der
BGE 105 II 253 S. 255
Mädchensekundarschule in Biel und zum Ankauf von literarischen Werken, vorwiegend schweizerischer Autoren, für die Schulbibliothek des Gymnasiums in Biel.
Zu letzterem Zwecke sollen jährlich mindestens Fr. 2'000.- verwendet werden.
Das Kapital des Vermächtnisses soll unangetastet bleiben."
In Ziffer 9 des Erbvertrags wurde Flora Lüthy ermächtigt, die Vermächtnisse zugunsten ihrer Verwandten durch letztwillige Verfügung aufzuheben oder abzuändern und über die entsprechenden Vermögensteile anderweitig zu verfügen sowie weitere Vermächtnisse auszurichten und nach dem allfälligen Vorversterben ihres Mannes einen oder mehrere Erben einzusetzen, wobei jedoch
"die unter Ziffer fünf und acht dieses Erbvertrages ausgesetzten Legate zu Gunsten der Verwandten des Herrn Karl Lüthy und der Kantonalbank von Bern unter allen Umständen zu Recht bestehen bleiben und aus der Erbschaft ausgerichtet werden sollen." Am 27. Dezember 1932 ordnete Karl Lüthy durch letztwillige Verfügung an:
"Sollte durch die Folgen der Wirtschaftskrisis nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten das Vermögen unter Fr. 900'000.- ... fallen, so wird das zu wohltätigen Zwecken bestimmte Legat von Fr. 500'000.- verkleinert bis zur Hälfte des übrigbleibenden Vermögens."
Dieser Anordnung stimmte die Ehefrau schriftlich zu.
Am 5. September 1935 starb Karl Lüthy in Conches GE und am 22. Februar 1972 Flora Lüthy in Zürich. Diese hatte durch Testament vom 10. Mai 1966 Rechtsanwalt Dr. Staehelin zu ihrem Willensvollstrecker eingesetzt. Der Erbvertrag vom 26. Mai 1924 wurde nicht angefochten.
Nach dem Ableben von Flora Lüthy wählte der Regierungsrat des Kantons Bern H. Kern, F. Pellaton und W. Bernhard zu Mitgliedern des Stiftungsrates der Lüthy-Pfund Stiftung (im folgenden Stiftung genannt). Diese errichteten am 3. März 1976 vor dem Notar die Stiftungsurkunde. Die Gründung der Stiftung wurde am 20. März 1976 im Handelsamtsblatt publiziert.
Am 20. April 1972, also rund zwei Monate nach dem Tod Flora Lüthys, teilte der Willensvollstrecker Dr. Staehelin der Kantonalbank von Bern mit, das ihr ausgesetzte Vermächtnis betrage Fr. 500'000.-, abzüglich die von Frau Lüthy bereits bezahlten Erbschaftssteuern von Fr. 77'650.45, mithin also Fr. 422'349.55. Gleichzeitig ersuchte er die Bank, diejenigen Wertschriften, welche den Betrag von Fr. 422'349.55 überstiegen,
BGE 105 II 253 S. 256
an die Privatbank & Verwaltungsgesellschaft Zürich zu überweisen. Mit Schreiben vom 16. Mai 1972 äusserte die Kantonalbank Zweifel daran, ob die Erbschaftssteuern vom Legat abzuziehen seien. In der Folge schloss sie sich jedoch der Betrachtungsweise des Willensvollstreckers an und überwies von den damals noch bei ihr liegenden Vermögenswerten in der Höhe von Fr. 505'953.10 (nach Abzug des um die Erbschaftssteuern reduzierten Vermächtnisses von Fr. 422'349.55) Fr. 83'603.55 an die Privatbank & Verwaltungsgesellschaft Zürich.
Im Jahre 1976 stellte die Kantonalbank von Bern der Stiftung den Betrag von Fr. 422'349.55 zur Verfügung. Diese verlangte jedoch die Auszahlung des vollen Stiftungsvermögens von Fr. 500'000.-. Eine Einigung kam nicht zustande.
B.-
Mit Klageschrift vom 12. Februar 1979 stellte die Stiftung beim Appellationshof des Kantons Bern das Begehren, die Kantonalbank von Bern sei zu verpflichten, ihr Fr. 77'650.45 (Differenz zwischen dem ausgesetzten Stiftungsvermögen von Fr. 500'000.- und dem zur Verfügung gestellten Betrag von Fr. 422'349.55) nebst 5% Zins seit 6. Mai 1977 sowie einen Betrag in richterlich zu bestimmender Höhe mit Zins zu 5% ab 27. Januar 1978 und Fr. 110.- Betreibungskosten zu zahlen.
Der Appellationshof des Kantons Bern hiess die Klage am 21. Juni 1979 im wesentlichen gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 77'650.45 nebst 5% Zins seit 6. Mai 1977 sowie Fr. 110.- Betreibungskosten zu zahlen. Soweit die Klage weiterging, wurde sie abgewiesen.
C.-
Gegen diesen Entscheid erhebt die Beklagte Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 81 Abs. 1 ZGB
kann eine Stiftung entweder in der Form einer öffentlichen Urkunde oder durch letztwillige Verfügung errichtet werden. Ob die Stiftung im vorliegenden Fall schon durch den Erbvertrag vom 26. Mai 1924 oder erst nach dem Ableben Flora Lüthy durch die Handlungen des Regierungsrats bzw. der von diesem gewählten Stiftungsratsmitglieder errichtet worden sei, kann offenbleiben.
BGE 105 II 253 S. 257
a) Nimmt man das Letzte an, dann wurde die Stiftung formgemäss errichtet. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht.
b) Geht man jedoch davon aus, dass die Stiftung durch den Erbvertrag vom 26. Mai 1924 errichtet worden ist, dann wendet die Beklagte ein, eine so errichtete Stiftung sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 96 II 273
ff.) nichtig.
Nach Rechtsprechung und Lehre können Verfügungen von Todes wegen, die in der Form des Erbvertrags getroffen wurden, neben Bestimmungen vertraglicher Art, welche beide Parteien binden, auch letztwillige Verfügungen enthalten, die gemäss
Art. 509 ZGB
frei widerruflich sind (
BGE 101 II 309
/310,
BGE 96 II 281
E. 3 mit Hinweisen). Das von der Beklagten angeführte Präjudiz bezieht sich nun lediglich auf einen Fall, in dem eine Stiftung durch vertragliche (beidseitig bindende) Bestimmungen eines Erbvertrags errichtet worden war. Nur für diesen Fall hielt das Bundesgericht fest,
Art. 81 Abs. 1 ZGB
schliesse die Errichtung einer Stiftung durch einen Erbvertrag im materiellen Sinne, das heisst durch eine den Stifter vertraglich bindende Verfügung von Todes wegen, aus. Den andern Fall, die Gründung einer Stiftung durch eine in einem Erbvertrag enthaltene (frei widerrufliche) letztwillige Verfügung, hatte das Bundesgericht nicht zu entscheiden. In den Erwägungen führte es diesbezüglich immerhin aus,
Art. 81 Abs. 1 ZGB
stehe der Gründung einer Stiftung durch eine in einem Erbvertrag enthaltene letztwillige Verfügung, wie sie vorkommen könne, nicht entgegen (
BGE 96 II 286
/87).
Nun hat aber Karl Lüthy eine Ersatzverfügung getroffen für den Fall, dass "die in diesem Erbvertrag erfolgte Stiftungserrichtung von irgend einer Seite angefochten werden" sollte. Für diesen Fall richtete er der Beklagten aus seinem Nachlass ein Vermächtnis von Fr. 500'000.- aus mit der Auflage, das Kapital des Vermächtnisses unangetastet zu lassen und die Zinsen für bestimmt umschriebene Zwecke zu verwenden. Diese Bestimmung stellt, obschon im Rahmen eines Erbvertrags getroffen, materiell eine letztwillige (frei widerrufliche) Verfügung von Todes wegen dar, durch welche der Beklagten ein Vermächtnis ausgerichtet wurde. Nimmt man an, die Stiftung sei damit bereits errichtet worden, dann war dies gemäss
Art. 81 Abs. 1 ZGB
nach den gemachten Ausführungen zulässig. Nimmt man dagegen an, die Stiftung sei durch diese testamentarische Anordnung
BGE 105 II 253 S. 258
noch nicht errichtet worden, dann wurde sie jedenfalls in der Folge durch den Regierungsrat und die von diesem gewählten Stiftungsräte gegründet. Dass dieser Gründungsakt an einem Formmangel leide, behauptet die Beklagte nicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Stiftung auch in diesem Falle rechtsgültig zustande gekommen ist. Die Beklagte hat ihr denn auch in der Folge den Betrag von Fr. 422'349.55 zur Verfügung gestellt und dadurch deren Existenz konkludent anerkannt. Wenn sie heute behauptet, die Stiftung sei nichtig, setzt sie sich mit ihrem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch. Wäre die Errichtung der Stiftung tatsächlich nichtig, müsste die Beklagte ja die der Klägerin überwiesene Summe von Fr. 422'349.55 zurückverlangen. Soweit geht sie aber selbst nicht.
c) Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die Stiftung unter jeder rechtlichen Annahme in jedem Fall rechtsgültig errichtet worden ist.
2.
a) Streitig ist zwischen den Parteien, unter welchem Titel und in welcher rechtlichen Stellung die Klägerin aktivlegitimiert sei und Anspruch auf das Stiftungsvermögen erheben könne. Die Vorinstanz ist der Meinung, die Klägerin sei (Nach-)Vermächtnisnehmerin und als solche aktivlegitimiert. Die Beklagte behauptet dagegen, die Klägerin sei weder Vermächtnis- noch Nachvermächtnisnehmerin, sondern lediglich Auflageberechtigte und habe als solche kein Klagerecht.
b) Nach den Ausführungen des angefochtenen Urteils und den Rechtsschriften fallen hinsichtlich der Rechtsstellung der Klägerin im vorliegenden Prozess drei Möglichkeiten in Betracht:
- Der Erblasser setzte die Beklagte als Vor- und die Klägerin als Nachvermächtnisnehmerin ein;
- Der Erblasser setzte die Beklagte als Vermächtnisnehmerin ein und machte ihr die Auflage, den Betrag des Vermächtnisses vollumfänglich der Klägerin zur Verfügung zu stellen; dieser kommt darnach nicht die Stellung einer Nachvermächtnisnehmerin, sondern nur diejenige einer Auflagebegünstigten zu;
- Der Erblasser setzte die Klägerin als Vermächtnisnehmerin ein und wies der Beklagten lediglich die Funktion einer "Durchgangsstation", bzw., die Rolle eines Willensvollstreckers oder Beauftragten zu.
BGE 105 II 253 S. 259
Welche dieser drei Möglichkeiten bei der Errichtung der letztwilligen Anordnungen gewollt war, kann wiederum offenbleiben, weil unter jeder Annahme die Klägerin aktiv- und die Beklagte passivlegitimiert ist.
c) Nimmt man an, die Beklagte sei Vor- und die Klägerin Nachvermächtnisnehmerin der Fr. 500'000.-, ist folgendes zu bemerken: ESCHER vertrat in der 2. Auflage seines Kommentars die Auffassung, nach schweizerischem Recht (und im Gegensatz zum deutschen Recht) richte sich die Forderung eines Nachvermächtnisnehmers grundsätzlich nicht gegen den Vorvermächtnisnehmer, weil er zu diesem in keinem Rechtsverhältnis stehe. Anderseits sei der Beschwerte bzw. der Erbe, der das Vermächtnis dem Vorvermächtnisnehmer bereits ausgehändigt habe, nicht mehr in der Lage, den Anspruch des Nachvermächtnisnehmers zu erfüllen. Die Lösung müsse in der Weise gesucht werden, dass dem Beschwerten oder Erben mit dem Eintritt des Nachvermächtnisfalles ein Rückleistungsanspruch gegen den Vorvermächtnisnehmer entstehe, den er geltend machen könne und müsse, um das Vermächtnis dem Nachvermächtnisnehmer ausliefern zu können (ESCHER, 2. Aufl., N. 8 der Vorbemerkungen zu
Art. 488-493 ZGB
; auch TUOR, N. 16 zu
Art. 488 ZGB
). In der 3. Auflage des Kommentars kam ESCHER jun. jedoch von dieser Lösung ab, die er als umständlich bezeichnete. Er führte aus,
Art. 488 Abs. 1 ZGB
, wonach der Erblasser den Vorerben verpflichten könne, eine Erbschaft einem Nacherben auszuliefern, könne entsprechend auch auf den Vor- und Nachvermächtnisnehmer angewendet werden, was zur Annahme eines direkten Forderungsrechts des Nachvermächtnisnehmers gegenüber dem Vorvermächtnisnehmer führe, wobei sich die Forderung auf die Aushändigung des zugewiesenen Vermögensvorteils richte (ESCHER, 3. Aufl., N. 8 der Vorbemerkungen zu
Art. 488-493 ZGB
). Dieser Auffassung scheint sich PIOTET angeschlossen zu haben, wenn er schreibt, das Nachvermächtnis sei immer vom (Vor-)Vermächtnisnehmer und nicht von einem Erben geschuldet (Schweizerisches Privatrecht, IV/1, S. 141).
Dieser Ansicht ist beizupflichten. Steht danach dem Nachvermächtnisnehmer ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Vorvermächtnisnehmer zu, dann ist im vorliegenden Fall die Klägerin aktiv- und die Beklagte passivlegitimiert.
d) Geht man davon aus, der Beklagten sei ein Vermächtnis
BGE 105 II 253 S. 260
in der Höhe von Fr. 500'000.- ausgerichtet worden mit der Auflage, den fraglichen Betrag der Klägerin zur Verfügung zu stellen, dann erweist sich die Beklagte als auflagebeschwerte Vermächtnisnehmerin und die Klägerin als Begünstigte. Nach
Art. 482 Abs. 1 ZGB
kann die Vollziehung einer Auflage von jedermann verlangt werden, der an ihr ein Interesse hat. Ein solches berechtigtes Interesse hat in erster Linie der Begünstigte. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist demnach auch unter diesem Gesichtspunkt gegeben.
Die Beklagte legt grosses Gewicht auf die Unterscheidung zwischen Vermächtnis und Auflage und macht geltend, die Auflage bezwecke zwar eine Begünstigung, gewähre aber dem Begünstigten (im Gegensatz zum Vermächtnisnehmer) kein Forderungsrecht und mache ihn nicht zum Gläubiger. Zur Begründung dieser Ansicht stützt sie sich auf die Lehre (ESCHER, 3. Aufl., N. 19 zu
Art. 482 ZGB
und N. 8 Ziff. 3 zu
Art. 493 ZGB
; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht, IV/1, S. 148/49), die sie jedoch unvollständig zitiert. Wohl führt ESCHER am angegebenen Ort aus, dass der aus einer Auflage Begünstigte nicht Gläubiger werde, weil sonst der Unterschied gegenüber dem Vermächtnisnehmer verwischt würde. Er fährt aber unmittelbar anschliessend fort, dagegen könne jedermann, der ein Interesse habe, also insbesondere auch der Begünstige, die Vollziehung der Auflage verlangen. Der Gesetzgeber war in der Tat bestrebt, durch die allgemeine Formulierung von
Art. 482 Abs. 1 ZGB
jedem, der ein berechtigtes Interesse hat, die Erfüllung der ihn begünstigenden Auflage zu sichern. Der Begünstigte erhält dadurch zwar keine obligatorische Forderungsklage, wohl aber einen Anspruch besonderer Art, der auf die Vollziehung des in der Auflage zu Tage getretenen erblasserischen Willens gerichtet ist (
BGE 99 II 379
, 382 oben; ESCHER, 3. Aufl., N. 20, und TUOR, N. 13 ff. zu
Art. 482 ZGB
; PIOTET, a.a.O., S. 149). Die Klägerin ist demnach als aus der Auflage Begünstigte befugt, von der Beklagten als Auflagebelasteten die Vollziehung der Auflage zu verlangen (vgl. dazu mit Bezug auf die Widmung eines Vermögens an eine Stiftung gemäss
Art. 493 ZGB
auch TUOR, N. 9c zu
Art. 493 ZGB
).
Im Falle der vom Belasteten zu vertretenden Nichterfüllung stände der Klägerin gegenüber der Beklagten allerdings kein Schadenersatzanspruch zu (
BGE 99 II 379
, 382 oben). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch ohne Bedeutung, weil die Klägerin keine Schadenersatzklage angestrengt hat.
BGE 105 II 253 S. 261
e) Nimmt man schliesslich an, durch die erblasserischen Anordnungen sei die Klägerin als Vermächtnisnehmerin eingesetzt worden, während der Beklagten lediglich die Funktion einer "Durchgangsstation", das heisst die Rolle eines Willensvollstreckers oder Beauftragten zugedacht und sie beauftragt worden sei, die bisher verwalteten Fr. 500'000.- der Klägerin zu übereignen, dann fällt folgendes in Betracht: Aufträge, die erst nach dem Tod des Auftraggebers oder eines Dritten ausgeführt werden können und sollen (mandata post mortem), sind zulässig. Ihr Hauptanwendungsfall ist der Willensvollstreckerauftrag (GAUTSCHI, N. 90a zu
Art. 395 OR
). Derartige Aufträge beurteilen sich deshalb nach den Sonderregeln über den Willensvollstrecker.
Dass im Streit um die Ausrichtung eines Vermächtnisses die Klägerin als Vermächtnisnehmerin aktivlegitimiert ist, kann im Ernste nicht bezweifelt werden. Ihre Klage darf sie nicht nur gegen die Erben, sondern auch gegen den beauftragten Willensvollstrecker als Treuhänder richten, der im Streit darüber, ob gemäss Verfügung von Todes wegen einem Bedachten gewisse Rechte zustehen, neben den Erben passivlegitimiert ist (ESCHER und TUOR,je N. 33 zu
Art. 518 ZGB
; PIOTET, a.a.O., S. 164/65; dazu auch
BGE 94 II 142
).
f) Die Aktivlegitimation der Klägerin und die Passivlegitimation der Beklagten sind demnach im vorliegenden Fall gegeben, gleichgültig welche der erwähnten Rechtsstellungen der Klägerin im Prozess zukommt.
Soweit die Beklagte geltend macht, der Klägerin fehle das Klagerecht, weil die Errichtung einer Stiftung keine erzwingbare Vermögensleistung darstelle, stösst ihre Rüge ins Leere, da mit der vorliegenden Klage nicht die Errichtung einer Stiftung, sondern lediglich die Übertragung der von der Beklagten bisher verwalteten Fr. 500'000.- auf die bereits bestehende Stiftung, das heisst die Auszahlung eines vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisses, bzw., die Erfüllung einer von ihm gemachten Auflage verlangt wird. Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestreitet, ist ihre Berufung somit unbegründet.
3.
a) Beim Tode Karl Lüthys im Jahre 1935 fiel der gesamte Nachlass (ausgenommen die bereits damals fälligen Vermächtnisse) an die überlebende Ehefrau. Diese erhielt somit auch Eigentum an den Fr. 500'000.-, welche nach ihrem Ableben der Beklagten bzw. der Klägerin auszuzahlen waren. Das
BGE 105 II 253 S. 262
ergibt sich im übrigen auch daraus, dass sie gemäss der Zusatzverfügung ihres Mannes vom 27. Dezember 1932 in einer allfälligen Notlage die Substanz dieser Fr. 500'000.- für sich hätte verwenden dürfen. Wurde Frau Lüthy aber Eigentümerin des ganzen Vermögens (einschliesslich der Fr. 500'000.-), dann war dieses gesamte Vermögen damals Erbschaftssteuerobjekt. Frau Lüthy zahlte für das ganze Vermögen, mithin auch für den Teil von Fr. 500'000.-, Erbschaftssteuern.
Nach dem Ableben Frau Lüthys im Jahre 1972 trat bezüglich der erwähnten Fr. 500'000.- ein zweiter Steuerfall (allerdings mit Steuerbefreiung) ein, der im vorliegenden Prozess jedoch nicht von Bedeutung ist.
b) Zwischen den Parteien ist vor allem streitig, ob die Klägerin Anspruch auf den vollen ihr zugesprochenen Betrag von Fr. 500'000.- habe oder ob von dieser Summe die von der überlebenden Ehefrau bezahlten Erbschaftssteuern abgezogen werden dürfen und der Klägerin demzufolge nur Fr. 422'349.55 auszurichten seien. Bei der Beantwortung dieser Frage ist durch Auslegung der vorliegenden letztwilligen Anordnungen zu erforschen, was die Eheleute Lüthy seinerzeit beabsichtigt hatten. Das Bundesgericht ist dabei nach ständiger Rechtsprechung an die vorinstanzliche Auslegung nicht gebunden, sondern prüft frei, was der Erblasser letztwillig verfügen wollte. Verbindlich sind für das Bundesgericht nur die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, aus denen dieser Wille erschlossen wird (
BGE 103 II 92
,
BGE 100 II 446
,
BGE 91 II 99
,
BGE 90 II 480
).
c) Im Erbvertrag vom 26. Mai 1924 wurde der Beklagten "ein Legat von Fr. 500'000.-" ausgesetzt und die Kantonalbank wurde verpflichtet, "dieses Legat" zur Errichtung einer Stiftung zu verwenden. Dabei wurde ausdrücklich bestimmt, dass das Stiftungsvermögen Fr. 500'000.- betrage, die jährlichen Zinsen "des Stiftungsvermögens" in bestimmter Weise zu verwenden seien und "das Stiftungsvermögen" unangetastet bleiben müsse. Auch in seinen testamentarischen Anordnungen verfügte Karl Lüthy, dass der Beklagten "in barem Geld oder in Wertpapieren ein Legat von Fr. 500'000.-" auszurichten sei, dass "der jährliche Zins desselben" zu bestimmten Zwecken verwendet werden solle und dass "das Kapital des Vermächtnisses" unangetastet bleiben müsse.
BGE 105 II 253 S. 263
Aus dem Wortlaut dieser Anordnungen leitete die Vorinstanz ab, die beiden Eheleute seien seinerzeit davon ausgegangen und hätten gewollt, dass der Stiftung nach dem Tod des überlebenden Gatten ein Kapital von Fr. 500'000.- ohne jeden Abzug zur Verfügung gestellt werde (vorbehältlich natürlich einer allfälligen Erbschaftssteuer beim Eintritt des zweiten Steuerfalles, welche durch Parteiabrede nicht ausgeschlossen werden konnte, im Hinblick auf die Bestimmungen der kantonalen Steuergesetze zu Gunsten wohltätiger Institutionen jedoch eher unwahrscheinlich war). Dieser Auslegung ist beizutreten; jedenfalls stellt sie, entgegen der Meinung der Beklagten, keine Verletzung von Bundesrecht dar. Wer für die Errichtung einer gemeinnützigen Stiftung einen bestimmten Betrag aussetzt und diesen noch ausdrücklich als Stiftungsvermögen bezeichnet, von dem ist anzunehmen, sein Wille gehe dahin, dass die Stiftung diesen vollen Betrag, ohne jeden Abzug, auch wirklich erhalten solle.
Wohl enthielten die letztwilligen Anordnungen der Eheleute Lüthy keine Bestimmung über die Tragung der Erbschaftssteuern; dies offenbar deshalb, weil beide Ehegatten und der Notar davon ausgingen, der für die Stiftung vorgesehene Betrag sei steuerfrei. Aus dem Fehlen testamentarischer Anweisungen über die Erbschaftssteuern kann jedoch entgegen der Meinung der Beklagten nicht abgeleitet werden, die beiden Ehegatten hätten seinerzeit der Stiftung nicht Fr. 500'000.-, sondern nur einen Betrag zukommen lassen wollen, der sich um jene Summe reduziere, welche Frau Lüthy für die zunächst auf sie übergegangenen Fr. 500'000.- als Erbschaftssteuer hatte bezahlen müssen.
Die Klägerin hatte daher Anspruch auf die vollen ihr zugesprochenen Fr. 500'000.-. Die Beklagte anderseits war entweder als Vorvermächtnisnehmerin oder als mit einer Auflage beschwerte Vermächtnisnehmerin oder als Beauftragte bzw. Willensvollstreckerin verpflichtet, der Klägerin als Nachvermächtnisnehmerin oder Auflageberechtigten oder Vermächtnisnehmerin diesen Betrag zur Verfügung zu stellen. Da sie dieser Pflicht nicht in vollem Umfange nachgekommen ist, hat die Vorinstanz die Klage zu Recht gutgeheissen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1e95ba1-6c52-4a7e-b648-13d48b435e4f | Urteilskopf
122 IV 37
6. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 5 février 1996 dans la cause G. c. S. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 271 BStP
;
Art. 8 Abs. 1 lit. c und
Art. 9 OHG
; Legitimation des Opfers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt.
Das Opfer im Sinne von
Art. 2 OHG
kann ungeachtet der in
Art. 271 BStP
und
Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG
genannten Voraussetzungen im Zivilpunkt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung der ihm durch das OHG, insbesondere durch
Art. 9 OHG
, eingeräumten Rechte erheben (E. 1a).
Art. 9 OHG
; Beurteilung der Zivilansprüche des Opfers durch den Strafrichter.
Der Strafrichter muss den vor ihm geltend gemachten Zivilanspruch in jedem Fall zumindest dem Grundsatz nach beurteilen, und sein diesbezüglicher Entscheid bindet den Zivilrichter; einzig die Frage der Höhe des Zivilanspruchs kann, unter Vorbehalt von
Art. 9 Abs. 3 OHG
, an den Zivilrichter verwiesen werden (E. 2c und d).
Ist der Strafrichter mit einem Zivilanspruch, der sofort beurteilt werden kann, befasst, kann er dessen Behandlung nicht allein deshalb auf den Zivilweg verweisen, weil eine andere Zivilforderung, etwa auf entsprechendes Verlangen des Opfers, vom Zivilrichter zu beurteilen ist (E. 2e und f). | Sachverhalt
ab Seite 38
BGE 122 IV 37 S. 38
Le 17 septembre 1991, une altercation est intervenue, notamment entre S., W. et G. A un moment donné, W. a porté une clef au cou de G., S. saisissant ce dernier aux parties génitales. G. a perdu momentanément connaissance et a par la suite dû être hospitalisé d'urgence.
BGE 122 IV 37 S. 39
G. a déposé plainte pénale et s'est constitué partie civile. A l'audience de jugement, il a conclu, principalement, à ce que S. et W. soient reconnus ses débiteurs de la somme de 5'040 francs, plus intérêt à 5% l'an dès le 17 septembre 1991, à titre de tort moral et de réparation du dommage matériel (pull-over déchiré), la réparation de tout autre préjudice, pouvant notamment résulter d'une réduction des prestations de la CNA, demeurant réservée, tout comme les prétentions contre d'autres tiers responsables qui pourraient être identifiés ultérieurement; subsidiairement, il a conclu à l'allocation de ses réserves civiles.
Par jugement du 16 janvier 1995, le Tribunal correctionnel du district d'Echallens a, notamment, reconnu S. et W. coupables de lésions corporelles simples et de rixe; il a libéré G. du chef d'accusation de rixe et lui alloué ses conclusions civiles, disant que S. et W. étaient ses débiteurs solidaires de la somme de 5'040 francs, avec intérêt à 5% l'an dès le 17 septembre 1991, et lui donnant acte de ses réserves civiles pour le surplus de son dommage.
S. a recouru contre ce jugement, concluant notamment à ce qu'il soit donné acte à G. de ses réserves civiles à l'encontre de W., lui-même ne devant aucune somme à G.
Par arrêt du 3 avril 1995, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a admis partiellement le recours et a notamment réformé le jugement qui lui était déféré en ce sens qu'elle a donné acte à G. de ses réserves civiles contre S. et l'a renvoyé à agir devant le juge civil.
G. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt en ce qui concerne les conclusions civiles. Invoquant une violation de l'
art. 9 LAVI
(RS 312.5), il conclut principalement à l'annulation de l'arrêt attaqué et au rétablissement du jugement de première instance.
La cour cantonale se réfère aux considérants de son arrêt. L'intimé S. conclut au rejet du pourvoi, avec suite de frais et dépens.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Le recourant, qui a subi des lésions corporelles, revêt la qualité de victime au sens de l'
art. 2 LAVI
. Se plaignant d'avoir été renvoyé à agir devant les tribunaux civils, il invoque une violation des droits découlant pour lui de l'
art. 9 LAVI
.
La LAVI confère à la victime, au sens de l'
art. 2 LAVI
, certains droits dans la procédure pénale. Il y aurait une lacune dans la possibilité pour le Tribunal fédéral d'assurer une application uniforme du droit fédéral, si
BGE 122 IV 37 S. 40
la victime - faute de remplir les conditions de l'
art. 270 ou 271 PPF
ou de l'
art. 8 al. 1 let
. c LAVI - ne pouvait pas se plaindre de la violation de ces droits par un recours ordinaire au Tribunal fédéral. Ainsi, la jurisprudence a-t-elle admis que la victime peut, indépendamment des conditions de l'
art. 270 al. 1 PPF
, se pourvoir en nullité pour se plaindre de ce que les autorités cantonales ne l'ont pas mise au bénéfice des droits qui lui sont reconnus par la LAVI (
ATF 120 IV 38
consid. 2c p. 42, 44 consid. 3b p. 50 et consid. 7 p. 57, 90 consid. 1a/bb p. 92, 94 consid. 1a/bb p. 95/96; cf. également B. CORBOZ, Le pourvoi en nullité interjeté par le lésé, in SJ 1995 p. 133 ss, p. 151 et les auteurs cités). Il y a également lieu d'admettre que la victime peut, indépendamment des conditions de l'
art. 271 PPF
ou de l'
art. 8 al. 1 let
. c LAVI, se pourvoir en nullité en ce qui concerne les conclusions civiles pour se plaindre d'une violation des droits découlant pour elle de la LAVI, notamment de l'art. 9 de cette loi (cf. B. CORBOZ, op.cit., p. 154; N. SCHMID, Strafprozessrecht, 2ème éd., Zurich 1993, p. 322 no 1094).
En l'espèce, le recourant a donc qualité pour se pourvoir en nullité en ce qui concerne les conclusions civiles en invoquant une violation des droits découlant pour lui de l'
art. 9 LAVI
, alors même que les conditions des
art. 271 PPF
ou 8 al. 1 let. c LAVI ne seraient pas réalisées.
b) Saisie d'un pourvoi en nullité, la Cour de cassation examine librement s'il y a eu violation du droit fédéral, sans être limitée par les moyens soulevés (art. 269 al. 1 et 277bis al. 2 PPF); elle ne peut toutefois aller au-delà des conclusions du recourant et, sous réserve de la rectification d'une inadvertance manifeste, elle est liée par les constatations de fait de l'autorité cantonale (
art. 277bis al. 1 PPF
).
En l'espèce, il résulte des conclusions présentées que le recourant, qui demande essentiellement le rétablissement du jugement de première instance, s'en prend exclusivement au fait qu'il a été renvoyé à agir devant le juge civil en ce qui concerne sa prétention tendant à l'allocation d'une somme de 5'040 francs, avec intérêts à 5% l'an dès le 17 septembre 1991, à titre de réparation du tort moral et du dommage matériel; son renvoi à agir devant le juge civil pour le surplus de son dommage n'est pas litigieux.
2.
Le recourant reproche à la cour cantonale de l'avoir renvoyé à agir devant le juge civil en ce qui concerne sa prétention tendant à l'allocation d'une somme de 5'040 francs, en violation des droits découlant pour lui de l'
art. 9 LAVI
.
a) Alors que les premiers juges avaient alloué au recourant ses conclusions
BGE 122 IV 37 S. 41
en ce qui concerne cette prétention, lui donnant acte de ses réserves civiles pour le surplus de son dommage, la cour cantonale, sur recours de l'intimé, a réformé le jugement qui lui était déféré sur ce point en ce sens qu'elle a également renvoyé le recourant à agir devant le juge civil en ce qui concerne cette prétention. Elle a considéré, en substance, que la LAVI n'excluait pas l'application du principe de l'indivisibilité des prétentions civiles en procédure pénale et que les
art. 97 et 372 CPP
vaud., qui n'avaient pas été modifiés lors de l'entrée en vigueur de la LAVI, ainsi que la jurisprudence y relative demeuraient donc valables.
b) Le recourant objecte que l'autorité cantonale était tenue, en vertu de l'
art. 9 LAVI
, de statuer sur ses conclusions en paiement d'une somme de 5'040 francs et qu'il n'y avait aucun motif, au regard de cette disposition, de renvoyer au juge civil le jugement de cette prétention, qui était claire, n'exigeait pas un travail disproportionné et était au demeurant de peu d'importance. En procédant ainsi qu'elle l'a fait, la cour cantonale aurait violé l'
art. 9 LAVI
, la solution adoptée par les premiers juges étant correcte et devant être rétablie.
c) La LAVI vise à fournir une aide efficace aux victimes d'infractions et à renforcer leurs droits, notamment dans la procédure pénale (art. 1 al. 1 et al. 2 let. b LAVI). A cette fin, le législateur a prévu d'accorder à la victime un certain nombre de garanties minimales importantes, dont les droits de procédure des cantons doivent désormais tenir compte, parmi lesquelles le droit pour la victime d'exiger, sous certaines réserves, que le juge pénal statue sur ses prétentions civiles (cf.
art. 9 LAVI
; Message du Conseil fédéral relatif à la LAVI, FF 1990 II 909 ss, 921).
Ainsi, l'
art. 9 al. 1 LAVI
pose le principe que, dans la mesure où le prévenu n'est pas acquitté et où la poursuite n'est pas abandonnée, le tribunal pénal statue aussi sur les prétentions civiles de la victime. L'alinéa 2 de cette disposition prévoit toutefois que le tribunal peut, dans un premier temps, ne statuer que sur la question pénale et traiter ultérieurement les prétentions civiles; elle lui donne ainsi la possibilité de statuer sur les prétentions civiles dans une phase distincte de la procédure, après avoir statué au pénal, étant entendu que les deux décisions sont rendues par le juge pénal dans le cadre de la procédure pénale (cf. Message précité, FF 1990 II 936); la loi ne fixe aucun critère, de sorte que le juge dispose d'un large pouvoir d'appréciation dans son choix.
L'alinéa 3 de l'
art. 9 LAVI
apporte une limitation au principe énoncé à l'alinéa 1 en prévoyant que "dans les cas où le jugement complet des
BGE 122 IV 37 S. 42
prétentions civiles exigerait un travail disproportionné, le tribunal pénal peut se limiter à adjuger l'action civile dans son principe et renvoyer la victime pour le reste devant les tribunaux civils", ajoutant que "dans la mesure du possible, il doit cependant juger complètement les prétentions de faible importance". Cette disposition a été prévue afin d'éviter que, dans les cas complexes, le tribunal pénal doive se livrer à de longues et difficiles investigations sur des questions qui n'influent pas la décision au pénal, par exemple le calcul exact d'une rente d'invalidité (cf. Message, FF 1990 II 936/937). N'importe quel supplément de travail exigé par le jugement des prétentions civiles ne suffit pas pour que le juge pénal se limite à statuer sur l'action civile dans son principe; il faut que le travail requis apparaisse disproportionné; ainsi, lorsque la quotité du dommage est difficile à établir et supposerait des mesures probatoires spécifiques qui auraient pour effet de différer longuement le prononcé du jugement (cf. GOMM/STEIN/ZEHNTNER, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Berne 1995, p. 155; BANTLI KELLER/WEDER/MEIER, Anwendungsprobleme des Opferhilfegesetzes, Plädoyer 5/1995, p. 38). Par ailleurs, le juge pénal doit, dans la mesure du possible, juger complètement les prétentions civiles de faible importance, soit celles qui ne dépassent pas quelques milliers de francs (cf. Message précité, FF 1990 II 937); il ne saurait d'ailleurs renvoyer la cause devant le juge civil simplement parce que la valeur litigieuse est trop élevée (cf. GOMM/STEIN/ZEHNTNER, op.cit. p. 155).
Ainsi qu'il résulte du texte de l'
art. 9 al. 3 LAVI
, le juge pénal doit cependant toujours rendre une décision sur l'action civile dans son principe, c'est-à-dire se prononcer sur la responsabilité de l'accusé envers la victime; il n'est dispensé de statuer que sur le montant de la prétention civile. Il doit donc dire si l'accusé est ou non responsable et, dans l'affirmative, déterminer en règle générale la part de responsabilité de celui-ci; il n'est cependant pas tenu de fixer des quotes-parts en cas de faute concomitante ou de recours interne entre coresponsables (cf. GOMM/STEIN/ZEHNTNER, op.cit., p. 156/157).
La décision du juge pénal statuant sur l'action civile dans son principe lie le juge civil qui sera amené à statuer ensuite (
ATF 120 Ia 101
consid. 2e p. 107 ss).
d) Il résulte de ce qui précède que la cour cantonale ne pouvait pas se borner à donner acte au recourant de ses réserves civiles contre l'intimé en ce qui concerne sa prétention en paiement d'une somme de 5'040 francs - qui seule est ici litigieuse - et le renvoyer à agir devant le juge civil.
BGE 122 IV 37 S. 43
Si elle estimait que le jugement de cette prétention exigerait un travail disproportionné - ce qu'elle devait alors dire en expliquant pourquoi - elle devait à tout le moins se prononcer sur celle-ci quant à son principe, c'est-à-dire constater si et, le cas échéant, dans quelle mesure l'intimé était responsable, seule la question du calcul du dommage et, partant, du montant de la réparation pouvant être renvoyée au juge civil (cf. supra, let. c).
Au demeurant, outre que la somme de 5'040 francs réclamée par le recourant à titre de réparation du tort moral et du dommage matériel doit être considérée comme une prétention de peu d'importance au sens de l'
art. 9 al. 3 LAVI
, son jugement n'exigeait manifestement pas un travail disproportionné au sens de cette disposition (cf. supra, let. c), comme le montre d'ailleurs le fait que les premiers juges ont statué sans difficulté sur cette prétention; la cour cantonale ne prétend du reste pas le contraire.
e) Reste à examiner si, comme l'a estimé l'autorité cantonale, le renvoi du recourant à agir devant le juge civil pour le surplus de son dommage - qui, comme on l'a vu (cf. supra, consid. 1b), n'est pas litigieux - impliquait, en raison de l'indivisibilité des prétentions civiles en procédure pénale, qu'il soit aussi renvoyé à agir devant le juge civil pour le jugement de sa prétention de 5'040 francs.
Ainsi qu'on l'a vu (cf. supra, let. c), le droit que l'
art. 9 LAVI
confère à la victime d'exiger, sous certaines réserves, que le juge pénal statue sur ses prétentions civiles fait partie des garanties minimales que le législateur lui a accordées et dont les droits de procédure des cantons doivent désormais tenir compte. Ce droit a pour but de permettre à la victime d'obtenir plus facilement et plus efficacement la reconnaissance et, autant que possible, l'allocation de ses prétentions civiles. Conformément à ce but, la victime a donc un droit à obtenir que ses prétentions soient tranchées rapidement et dans toute la mesure possible dans le cadre de la procédure pénale. En conséquence, lorsque le juge pénal est saisi d'une prétention civile qui peut être jugée immédiatement, il ne saurait en renvoyer le jugement au juge civil pour le seul motif qu'une autre prétention doit l'être, par exemple parce que, comme en l'espèce, la victime en a elle-même demandé le renvoi au juge civil. Admettre le contraire serait contraire au but et à l'esprit de la loi, notamment à son article 9, ainsi qu'à la volonté du législateur. Au demeurant, dans de nombreux cas, une telle solution aurait pour effet de vider en bonne partie l'
art. 9 LAVI
de sa substance; il suffirait, par exemple, que le renvoi
BGE 122 IV 37 S. 44
d'une prétention au juge civil soit demandé parce que les prestations de tiers (AI, CNA; etc.) sont, même partiellement, encore indécises ou parce qu'il faut procéder au calcul exact d'une rente d'invalidité, pour que la victime se voit contrainte de s'adresser aux tribunaux civils et d'attendre parfois longuement afin que soit jugée une autre prétention, par exemple en réparation du tort moral ou du dommage matériel, dont elle aurait pu obtenir la reconnaissance, voire l'allocation, déjà dans le cadre de la procédure pénale.
Le passage du Message relatif à la LAVI auquel se réfère la cour cantonale n'a pas le sens qu'elle lui attribue. Constitue une violation de règles importantes de la procédure fédérale le fait de ne pas statuer ou de ne statuer que partiellement sur une prétention civile invoquée dans la procédure pénale, en violation de l'
art. 9 LAVI
, comme le précise expressément le passage invoqué du Message (cf. FF 1990 II 936), et non pas le fait de ne statuer que sur les prétentions invoquées et non sur d'autres dont le renvoi au juge civil est demandé par la victime elle-même. Quant aux auteurs cités par la cour cantonale, à savoir MAURER et KILLIAS, s'ils n'évoquent pas la possibilité pour le juge pénal de "fractionner" les prétentions civiles, c'est parce qu'il ne traitent pas de la question ici discutée (cf. MAURER, Das Opferhilfegesetz und die kantonalen Strafprozessordnungen, RPS 1993, p. 375 ss, notamment p. 391 ch. 5.6; KILLIAS, La LAVI comme fruit de recherches sur les attentes et les difficultés des victimes d'infractions criminelles, RPS 1993, p. 397 ss, notamment p. 407-408), de sorte que c'est en vain que la cour cantonale se réfère à ces auteurs à l'appui de son point de vue. Au reste, le fait que même en procédure civile l'action partielle se heurte à certaines réserves ou difficultés est manifestement insuffisant à justifier une pratique ayant pour effet de retarder le jugement de prétentions civiles sur lesquelles il peut être statué immédiatement dans le cadre de la procédure pénale déjà. Enfin, le risque de jugements contradictoires évoqué dans l'arrêt attaqué est sans fondement, puisque, comme on l'a vu, dans le cas de l'
art. 9 al. 3 LAVI
, la décision du juge pénal lie le juge civil (cf. supra, let. c;
ATF 120 Ia 101
consid. 2e p. 107 ss).
f) Au vu de ce qui précède, en renvoyant le recourant à agir devant le juge civil pour le jugement de sa prétention de 5'040 francs, sur laquelle il pouvait être statué dans le cadre de la procédure pénale, la cour cantonale a violé le droit fédéral.
Le pourvoi doit ainsi être admis, l'arrêt attaqué annulé et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
3.
(Suite de frais). | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1e98263-beb6-45a1-9dc7-fb68ee49fe9a | Urteilskopf
84 II 335
45. Auszug aus dem Urteil der III. Zivilabteilung vom 10. Juli 1958 i.S. X. gegen Y. | Regeste
Ehescheidung wegen tiefer Zerrüttung.
1. Auf Klage des an der tiefen Zerrüttung mehr schuldigen Ehegatten kann die Scheidung ausgesprochen werden, wenn der weniger schuldige auf den Schutz des
Art. 142 Abs. 2 ZGB
verzichtet und in die Scheidung einwilligt (Bestätigung der Praxis).
2. Der vorwiegend schuldigen Partei ist, obwohl die Scheidung in Gutheissung ihrer Klage ausgesprochen wird, von Amtes wegen eine Wartefrist aufzuerlegen, die bei Ehebruch bis auf 3 Jahre gehen kann (
Art. 150 ZGB
). | Sachverhalt
ab Seite 336
BGE 84 II 335 S. 336
Zwei frühere Scheidungsklagen der Ehefrau, denen sich der Beklagte widersetzte, waren in Anwendung von
Art. 142 Abs. 2 ZGB
abgewiesen worden, weil die bestehende Zerrüttung hauptsächlich der ehebrecherischen Bindung der Klägerin an einen Dritten und ihrer daherigen Abwendung vom Manne zuzuschreiben war. Eine dritte Klage der Frau wurde von den Vorinstanzen aus demselben Grunde gleich beschieden.
Nachdem die Klägerin Berufung an das Bundesgericht eingelegt hatte, kam zwischen den Parteien eine Konvention zustande, gemäss welcher sich der Beklagte mit der Scheidung einverstanden erklärt, die güterrechtliche Auseinandersetzung geregelt und die Gerichts- und Anwaltskosten von der Klägerin übernommen werden. In seiner Berufungsantwort beantragt demgemäss der Beklagte seinerseits Gutheissung der Berufung, Scheidung der Ehe und Genehmigung der Konvention.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Den bisherigen Scheidungsklagen sowie noch vor der Vorinstanz auch der vorliegenden opponierte der Beklagte mit Erfolg unter Anrufung des
Art. 142 Abs. 2 ZGB
, wonach dem an der Zerrüttung vorwiegend schuldigen Ehegatten kein Scheidungsrecht zusteht. Diese Einschränkung des Klagerechtes wurde von der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichts dahin ausgelegt, dass sie nicht der öffentlichen Ordnung wegen aufgestellt sei, sondern lediglich
BGE 84 II 335 S. 337
zum individuellen Schutze des schuldlosen oder weniger schuldigen Ehegatten. Diesem soll, trotz gegebenem Scheidungsgrund, gegen seinen Willen die Scheidung nicht aufgedrängt werden können; es soll ihm aber unverwehrt bleiben, auf diesen gesetzlichen Schutz zu verzichten und, statt selber die Scheidungsklage zu erheben, in das Scheidungsbegehren des andern Ehegatten einzuwilligen, sei es auch erst vor Bundesgericht, sofern nur der Scheidungsgrund an sich, die tiefe Zerrüttung im Sinne von
Art. 142 Abs. 1 ZGB
, wirklich vorliegt (
BGE 51 II 116
,
BGE 54 II 2
). Diese Auffassung blieb zwar in der Lehre und kantonalen Rechtsprechung nicht unangefochten (z.B.: ZR 42 Nr. 138), wurde aber vom Bundesgericht - nach einigen Schwankungen (Urteile vom 1. Oktober 1948 i.S. Jeanneret, vom 28. Februar 1949 i.S. Perret-Gentil) - neuerdings bestätigt (Urteile vom 19. Oktober 1950 1950 i.S. Koller, vom 10. März 1955 i.S. Buchs; zustimmend HINDERLING, SJZ 45 S. 268 III und Ehescheidungsrecht S. 40 ff.). Es ist daran - aus den ursprünglich und bei HINDERLING dargelegten Gründen - festzuhalten.
Demnach ist, nachdem nun der Berufungsbeklagte dem Scheidungsbegehren der Klägerin zustimmt, diesem ohne weiteres Folge zu geben, vorausgesetzt, dass der Scheidungsgrund gegeben, d.h. eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses eingetreten ist, dass den Ehegatten die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden darf. Daran kann, auch nach der Auffassung beider Vorinstanzen in den Urteilen aller drei Prozesse, kein Zweifel bestehen. Dem Mann ist die Fortsetzung der Ehe nicht zuzumuten, weil die Frau nicht zu bewegen ist, zu ihm zurückzukehren, was genügen muss; und der Frau mit Rücksicht auf ihre - vom Manne bestätigte - unheilbare Abneigung gegen diesen, gleichgültig ob sie objektiv gerechtfertigt sei oder nicht.
Der Umstand, dass der Beklagte in die Scheidung einwilligt und diese in Gutheissung der Berufung und der Klage der Frau ausgesprochen wird, ändert nichts daran,
BGE 84 II 335 S. 338
dass letztere an der Zerrüttung das vorwiegende Verschulden trifft. Es ist ihr daher gemäss
Art. 150 ZGB
von Amtes wegen eine Wartefrist aufzuerlegen (
BGE 68 II 149
,
BGE 69 II 353
,
BGE 71 II 53
E. 2, Urteil vom 18. Oktober 1949 i.S. Meier c. Laugéry). Erfolgt die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung, die wesentlich auf Ehebruch zurückzuführen ist, gilt für die Wartefrist das Maximum von drei Jahren (
BGE 74 II 7
). Mit Rücksicht auf das zeitlich weite Zurückliegen der zerrüttungbegründenden Fehltritte der Klägerin und die lange faktische Trennung der Parteien kann die Dauer jedoch auf ein Jahr beschränkt werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts aufgehoben und die Ehe geschieden.
2.- Der Klägerin wird die Eingehung einer neuen Ehe für die Dauer eines Jahres untersagt.
3.- Die Scheidungskonvention der Parteien vom 16. Mai 1958 wird genehmigt. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1ebdc3f-ea83-4bbf-85e8-386321a6bdd3 | Urteilskopf
96 II 119
21. Sentenza 29 agosto 1970 della I. Corte civile nella causa Da Pra-Pastore contro Ticino. | Regeste
Recht der Erben, eine Schenkung des Erblassers wegen Nichterfüllung der Auflage zu widerrufen. Voraussetzungen.
Art. 251 Abs. 2 OR
.
1. Der Begriff des Erben im Sinne von
Art. 251 Abs. 2 OR
entspricht dem allgemeinen des ZGB (Erw. 1a).
2. Die Aktivlegitimation beurteilt sich nicht nach Prozess-, sondern nach dem Zivilrecht (Erw. 1 b).
3. Bis zum Ablauf der Frist des
Art. 251 Abs. 1 OR
können die Erben die Schenkung widerrufen und aus einem bereits vor dem Tode des Schenkers eingetretenen Grunde Klage einreichen (Art. 251 Abs. 2; Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 120
BGE 96 II 119 S. 120
A.-
Mediante atto pubblico del 2 febbraio 1956 l'ing. Secondo Reali donò allo Stato del Cantone Ticino un complesso immobiliare di 1374 mq sito nel centro di Lugano, e portante il numero di mappa 302. Nell'atto di donazione l'ing. Reali manifestava la volontà di legare il nome proprio e della famiglia ad "un'opera culturale di carattere pubblico": egli intendeva così favorire la creazione di quel museo ticinese d'arte che dal 1953 rientrava nei piani cantonali. L'opera sarebbe dovuta sorgere sul sedime donato.
Ancora nel 1957, e cioè prima del decesso del donatore, sopravvenuto il 19 novembre 1958, lo Stato del Cantone Ticino indisse un concorso d'architettura per la progettazione d'un museo cantonale di belle arti sulla proprietà Reali. Esaminati i lavori, la giuria suggerì allo Stato di aprire un secondo concorso, ristretto agli autori dei cinque migliori progetti presentati, nessuno dei quali dava piena soddisfazione. Inoltre, su consiglio della giuria, lo Stato intavolò trattative con i signori Riva, proprietari d'un fondo attiguo, al fine d'ottenere convenzionalmente la cancellazione di servitù reciproche di distanza e di non costruire, gravanti entrambi i fondi. Queste trattative, che si protrassero durante i primi cinque mesi del 1958, fallirono per il rifiuto della parte Riva. Nell'ottobre del 1958, il Consiglio di Stato aprì pertanto il secondo concorso, imponendo ai partecipanti di rispettare le servitù. Subito dopo la sua scadenza, avvenuta il 30 gennaio 1959, la giuria, non ritenendo ancora nessuno dei progetti pienamente soddisfacente, propose al Consiglio
BGE 96 II 119 S. 121
di Stato di affidare agli autori dei primi due progetti premiati il compito di allestire in comune un progetto definitivo che tenesse conto di alcuni suggerimenti.
Frattanto, il titolare del Dipartimento della pubblica educazione, incaricato della creazione del museo, cambiò. Il 18 dicembre 1958, d'altra parte, il Consiglio di Stato aveva ricevuto una lettera degli esecutori testamentari dell'ing. Reali, i quali affermavano di comprendere che la realizzazione del progetto richiedeva tempo. Infine, si rifece viva negli ambienti luganesi l'idea di aggiungere al museo una sala dei congressi, estendendo il previsto edificio su altre proprietà. Il Consiglio di Stato entrò nuovamente in trattative con i signori Riva, al fine di acquistare il loro immobile. Ma questi approcci, che si estesero dal maggio al novembre del 1960, non furono più fruttuosi dei primi. Il Consiglio di Stato rimase allora inattivo per oltre un anno. Interpellato in Gran Consiglio nell'aprile 1961, riferì delle trattative condotte per l'estensione dell'area dell'edificio, e sottolineò le preoccupazioni d'ordine finanziario collegate al progetto.
Nell'agosto del 1962, il municipio di Lugano informò il Consiglio di Stato di avere previsto una variante del piano regolatore cittadino, comportante la costruzione di una larga strada attraverso la proprietà Reali, che si sarebbe ridotta da 1374 a 500 mq circa. Il Consiglio di Stato rispose che tale progetto era compatibile con i piani dello Stato solo nella misura in cui si sarebbe potuta acquisire la adiacente proprietà Riva. Furono quindi intavolate, per la terza volta, trattative con questi proprietari, ma ancora senza successo. Lo Stato intervenne allora presso il comune di Lugano che, dopo lunghe resistenze, rinunciò alla variante del piano regolatore: tale rinuncia fu ratificata dal Consiglio di Stato nel febbraio 1968.
Eliminato siffatto ostacolo, la situazione ritornò ad essere quella di fine 1958 - inizio 1959, ed il Consiglio di Stato riprese l'esame del problema. Esso incaricò l'arch. Jäggli, il cui progetto era stato premiato, della progettazione definitiva; fece egualmente allestire piani per l'arredamento del museo; i problemi d'ordine finanziario, nel frattempo, s'erano attenuati per l'intervenuto accrescimento dei fondi speciali.
B.-
Con lettera del 16 maggio 1964 Angela Pastore, di Milano, nella sua qualità di erede legittima del cugino ing. Secondo Reali, del quale aveva raccolto, in virtù della sentenza
BGE 96 II 119 S. 122
17 maggio 1963 del Tribunale federale, il residuo successorale, ha fatto comunicare al Consiglio di Stato la sua volontà di revocare la donazione del 2 febbraio 1956. Essa rimproverava allo Stato di non aver adempiuto gli oneri incombentigli dalla donazione e chiedeva di conseguenza la restituzione della proprietà in virtù dell'art. 249 num. 3 CO. Lo Stato del Cantone Ticino vi si è opposto, confermando la sua ferma intenzione di costruire il museo. Angela Pastore ha ripetuto la sua dichiarazione di revoca con lettera del 16 agosto 1964. Mediante petizione del 17 maggio 1965, presentata direttamente davanti alla Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino, Alma Da Pra, figlia ed erede di Angela Pastore, decessa il 5 ottobre 1964, unitamente al padre Antonio Pastore, usufruttuario dei beni della defunta, ha chiesto la revoca giudiziale della donazione e la restituzione dei beni donati.
Antonio Pastore è morto nel corso della procedura. Sua figlia ha continuato da sola la causa.
C.-
La Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino ha respinto la petizione con sentenza del 12 dicembre 1969.
La Corte cantonale ha innanzitutto scartato le eccezioni di mancata legittimazione attiva e di abuso di diritto sollevate dallo Stato a titolo pregiudiziale. Nel merito ha negato che alla donazione litigiosa fosse connessa una condizione risolutiva, l'esistenza d'una simile condizione non essendo per nulla desumibile dal contratto di donazione; essa ha poi ritenuto non pertinenti gli argomenti tratti dal testamento dell'ing. Reali, vale a dire da un atto unilaterale del donatore.
La precedente istanza ha inoltre osservato che la donazione in esame dev'essere qualificata come una donazione "modale", vale a dire gravata da un onere. L'inadempimento di questo comporta per il donatore il diritto di revocare la donazione. Tale diritto è tuttavia personalissimo, e gli eredi del donatore non possono sostituirsi alla sua volontà: giusta l'
art. 251 cpv. 2 CO
, questi ultimi non posseggono infatti che il diritto di proseguire un'azione già proposta dal donatore o di dar seguito a una revoca da lui già esplicitamente dichiarata. La Corte cantonale ha poi aggiunto che, quando pure si dovesse riconoscere agli eredi dell'ing. Reali il diritto d'avvalersi dell'asserito inadempimento, il termine perentorio dell'
art. 251 cpv. 1 CO
sarebbe in ogni caso ampiamente spirato, determinante essendo
BGE 96 II 119 S. 123
soltanto la conoscenza che il donatore stesso può avere avuto della causa di revoca.
L'azione sarebbe comunque, secondo la Corte cantonale, infondata nel merito. L'attrice invoca infatti l'inadempimento dell'onere di cui all'art. 249 num. 3 CO, sola causa di revoca che può del resto entrare in linea di conto nella fattispecie. Ora, a prescindere dal caso previsto dall'
art. 251 cpv. 3 CO
, il diritto di revoca è un diritto strettamente personale del donatore. Esso può passare agli eredi solo qualora fosse già sorto a beneficio del donatore, prima della sua morte. Ora, rileva la precedente istanza, fino al decesso dell'ing. Reali, lo Stato ha senz'altro agito con diligenza, come l'attrice stessa ha del resto ammesso nella procedura. Ma quand'anche si volessero considerare i fatti posteriori al decesso del donatore, la domanda sarebbe pure priva di fondamento, non potendosi in alcun momento rimproverare allo Stato d'essersi disinteressato del progetto e d'aver nutrito l'intenzione di non più rispettare le volontà del donatore.
Da ultimo, la Corte cantonale dichiara come frutto di pura fantasia la tesi subordinata dell'attrice, secondo cui lo Stato avrebbe impedito all'ing. Reali di esercitare il diritto di revoca, facendogli credere ch'esso desiderava realizzare l'opera, mentre questa non rientrava nelle sue reali intenzioni.
D.-
Alma Da Pra-Pastore impugna questa sentenza davanti al Tribunale federale mediante un tempestivo ricorso per riforma. Essa chiede d'annullare il giudizio e di riconoscere lo Stato del Cantone Ticino come donatario inadempiente; domanda quindi di revocare la donazione del 2 febbraio 1956 e di ordinare la restituzione a suo favore dei beni mobili ed immobili oggetto della donazione; da ultimo, la ricorrente chiede di condannare lo Stato del Cantone Ticino a rimborsarle la somma di Fr. 300 000.--, costituita dai redditi netti degli immobili in oggetto dal 1959 in poi.
Lo Stato del Cantone Ticino propone la reiezione del ricorso.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Occorre innanzitutto esaminare se l'attrice è titolare dei diritti di cui si avvale giudizialmente. La legittimazione attiva di Alma Da Pra-Pastore è infatti il primo requisito per la proponibilità dell'azione. Questo esame va operato d'ufficio (RU 74 II 216 consid. 1).
BGE 96 II 119 S. 124
L'attrice deduce la sua pretesa dalla propria qualità di erede dell'ing. Reali.
a) Giusta l'
art. 251 cpv. 2 CO
, se il donatore muore prima del decorso del termine di cui al capoverso precedente, l'azione di revoca della donazione si trasmette agli eredi. L'intimato sostiene che, dato il carattere strettamente personale del diritto di revoca, per eredi ai sensi della citata norma bisogna intendere solo gli eredi immediati del donatore, non già anche gli eredi dei suoi eredi legittimi. Questa opinione è priva di fondamento. La restrittiva interpretazione professata dallo Stato urta contro la nozione generale di erede come la intende in modo costante il nostro codice civile, alla quale l'
art. 251 cpv. 2 CO
, nell'assenza d'ogni indicazione contraria nel testo legale e nei lavori preparatori, è reputato riferirsi. Se ne deve quindi concludere che l'attrice rientra nella nozione di erede di cui all'
art. 251 cpv. 2 CO
.
b) Più delicato è il quesito di sapere se Alma Da Pra-Pastore ha veste per agire da sola in qualità di erede del donatore. È infatti pacifico ch'essa non è la sua unica erede legale.
Secondo l'
art. 602 CC
i coeredi dispongono in comune dei beni della successione. Appoggiandosi a questa norma, la Corte cantonale sembra ammettere, senza peraltro dirlo esplicitamente, che l'attrice non poteva agire in concreto da sola, nonostante avesse essa sola chiesto e ottenuto la nullità delle disposizioni testamentarie dell'ing. Reali. La Corte cantonale ha tuttavia sorvolato su tale quesito, adducendo che la legittimazione "ad causam" non viene esaminata d'ufficio nella procedura civile ticinese. Quest'ultima opinione è errata. Quella della veste per agire in giudizio è una questione attinente al diritto civile, non alla procedura. Per sapere se l'attrice ha sola il diritto di disporre dei beni donati, o se lo ha in comunione con i coeredi, occorre esaminare la titolarità del diritto invocato, vale a dire sciogliere un quesito di diritto materiale, retto dal diritto federale. Secondo la giurisprudenza del Tribunale federale, approvata dalla dottrina, il giudizio che dichiara nulla una disposizione d'ultima volontà esplica effetti solo nei confronti delle parti in causa (RU 81 II 36 e sentenze anteriori ivi citate; ESCHER, 2. ed., N. 6 all'art. 519; TUOR, 2. ed., nota preliminare 6 b agli art. 519-521). Ne consegue che l'attrice non può, di massima, pretendere d'essere unica erede dell'ing. Reali, invocando il semplice fatto di avere essa sola impugnato
BGE 96 II 119 S. 125
le disposizioni testamentarie e di avere essa sola ottenuto la pronuncia giudiziale della loro nullità. Sennonchè, nella fattispecie, l'azione è stata diretta non soltanto contro i beneficiari delle disposizioni contestate, ma pure contro gli esecutori testamentari: ci si può pertanto chiedere se l'accennato principio giurisprudenziale è ancora applicabile in un simile caso. La questione può qui rimanere aperta, perchè il ricorso dev'essere senz'altro respinto sulla base dei motivi che saranno indicati più sotto.
2.
L'atto di donazione indica in modo esplicito come fine della liberalità la creazione del museo ticinese di belle arti. A ragione la Corte cantonale ha rifiutato di qualificare come una condizione l'obbligo assunto dallo Stato di istituire il museo nell'immobile donato. Un contratto è infatti ritenuto condizionale ai sensi della legge quando la sua obbligatorietà venga fatta dipendere da un avvenimento incerto (
art. 150 cpv. 1 CO
). Ed è chiaro che, costituendo una modalità dell'obbligazione, la condizione dev'essere contrattualmente pattuita, vale a dire deve formare l'oggetto di una comune e reciproca manifestazione di volontà. Sennonchè, nel citato atto di donazione, steso nella forma pubblica da un notaio, nulla esprime la comune intenzione dei contraenti di sospendere o di sciogliere gli effetti del contratto nel caso in cui non venisse realizzato il progettato museo. D'altra parte, fa specie che la ricorrente non sembra più sostenere, davanti al Tribunale federale, la tesi della donazione condizionale. Ed appare infine decisiva la circostanza che l'attrice chieda essenzialmente, con il ricorso per riforma, la revoca della donazione: una tale conclusione implica necessariamente che, dal punto di vista di Alma Da Pra-Pastore, la donazione non ha cessato di esplicare i suoi effetti nonostante il preteso mancato compimento della condizione.
Bisogna dunque convenire che la donazione in oggetto è una donazione cosiddetta modale, vale a dire vincolata ad un onere. È pertanto in questa luce che la causa dev'essere esaminata e decisa.
3.
Contro il beneficiario inadempiente d'una liberalità gravata da un onere la sanzione normale è costituita dall'azione volta ad ottenere l'adempimento. Trattandosi di liberalità a causa di morte, l'azione è prevista dall'
art. 482 CC
, ed è promovibile da "qualsiasi interessato". Per quel che riguarda
BGE 96 II 119 S. 126
le liberalità tra vivi, l'azione è istituita, giusta l'
art. 246 CO
, a favore del donatore e, quando l'onere è di interesse pubblico, a favore dell'autorità. Non v'è alcun dubbio che il diritto del donatore di chiedere l'adempimento è trasmissibile a causa di morte e può quindi essere esercitato dagli eredi.
La revoca della liberalità per inadempimento dell'onere è invece una sanzione estrema. In completo accordo con la dottrina, il Tribunale federale qualifica d'altra parte come personalissimo il diritto di revoca (RU 85 II 616 consid. 5). Ora, in linea di principio, i diritti strettamente personali non sono trasmissibili e non passano agli eredi (cfr.
art. 93 cpv. 2 CC
). È così che, in materia di oneri gravanti una liberalità a causa di morte, la legge non riconosce nè agli eredi nè agli esecutori testamentari il diritto di revoca. Loro non resta che l'azione volta all'adempimento.
L'
art. 251 cpv. 2 CO
introduce invero un'eccezione a tale principio e, in misura limitata - com'è del resto il caso per il suesposto
art. 93 CC
- ammette il trapasso del diritto di revoca agli eredi: più precisamente, l'azione di revoca si trasmette loro fino al compimento del termine di cui all'
art. 251 cpv. 1 CO
, quando il donatore muoia prima del decorso del medesimo.
a) Il testo di questa norma non è certo molto chiaro e la dottrina è divisa sul punto di sapere se gli eredi possono agire in giudizio solo per ottenere l'esecuzione di una revoca già dichiarata dal donatore vita sua natural durante, o se invece essi possono revocare la donazione quand'anche il donatore non l'avesse fatto. Si deve dare la preferenza a quest'ultima tesi (v. W. MEIER, Der Widerruf der Schenkungen im schweiz. Recht, tesi Winterthur 1958, p. 54 e 91; v. pure OSER/SCHÖNENBERGER, N. 5 all'art. 251) e intendere l'
art. 251 cpv. 2 CO
nel senso che, fino al compimento del termine, gli eredi possono revocare la donazione e promuovere l'azione per un motivo anteriore alla morte del donatore. In altre parole, il termine di perenzione non dev'essere abbreviato in seguito al decesso del donatore, ma, al contrario, durante la rimanente frazione del termine gli eredi devono poter esercitare il diritto di revoca che sarebbe spettato al loro predecessore.
È chiaro tuttavia che il diritto di revoca è limitato nel tempo da un termine di perenzione, che l'
art. 251 cpv. 1 CO
fissa ad un anno, a contare dal giorno in cui il donatore ha conosciuto
BGE 96 II 119 S. 127
la causa di revoca. Poichè l'
art. 251 cpv. 2 CO
si riferisce manifestamente e senza ombra di dubbio a questo termine, è evidente che, in ogni caso, gli eredi possono chiedere la revoca della donazione al più tardi un anno dopo la morte del donatore. Ora, in concreto, l'attrice ha dichiarato la sua volontà di revocare la donazione il 16 maggio 1964, ed ha proposto la relativa azione giudiziale il 17 maggio 1965. Il termine dell'
art. 251 cpv. 2 CO
era quindi ampiamente decorso quando l'attrice s'è determinata ad agire. Trattandosi d'altra parte di un termine di perenzione, che non può essere nè interrotto nè sospeso, il diritto di Alma Da Pra-Pastore di chiedere la revoca della donazione era quindi manifestamente estinto il giorno in cui essa ha deciso di esercitarlo.
A ciò s'aggiunge che l'attrice avrebbe comunque dovuto dimostrare che l'inadempimento ingiustificato che essa rimprovera al Cantone sarebbe anteriore al decesso dell'ing. Reali. Ma non si vede come avrebbe potuto addurre la prova di una siffatta circostanza, che non trova alcuna rispondenza nella realtà. L'ing. Reali è in effetti deceduto il 19 novembre 1958, circa due anni e mezzo dopo la donazione. Nel frattempo, il Consiglio di Stato aveva aperto un concorso d'architettura per la progettazione del museo, e avviato trattative per la cancellazione di servitù reciproche di vicinato; in seguito al fallimento di questi passi, lo Stato indisse poi, nell'ottobre del 1958, un concorso ristretto, secondo il suggerimento della giuria del primo concorso. Si deve quindi ammettere che lo Stato ha agito, almeno fino a quel momento, con diligenza. Le accennate considerazioni conducono pertanto alla reiezione pura e semplice del ricorso.
b) Quando pure si volesse adottare un'interpretazione più lata dell'
art. 251 cpv. 2 CO
, e prescindere dal carattere perentorio del termine, il risultato non cambierebbe.
In effetti, l'interpretazione più estensiva della citata norma limita il diritto di revoca ad un anno dopo il decesso del donatore. La revoca degli eredi non potrebbe evidentemente in nessun caso fondarsi su fatti posteriori all'estinzione del loro diritto di revocare. Ne consegue che, sulla base di questa interpretazione, l'azione di Alma Da Pra-Pastore non potrebbe poggiare che su fatti antecedenti al 19 novembre 1959. Ora, è nella primavera del 1959 che lo Stato, in seguito alla scadenza del secondo concorso, avvenuta il 30 gennaio 1959, ha avuto
BGE 96 II 119 S. 128
dalla giuria la proposta di affidare agli autori dei due progetti premiati il compito di allestire in comune un progetto definitivo, che tenesse conto di alcuni suggerimenti. L'attrice medesima, del resto, ha riconosciuto in corso di procedura che il donatario, fino al decesso dell'ing. Reali, ha proceduto attivamente; e la Corte cantonale accerta in modo vincolante che questa ammissione trova rispondenza nella realtà. Dopo la primavera del 1959, bisogna riconoscere che la pratica ha avuto qualche remora. Ma il ritardo, oltre a non essere considerevole, è giustificato da varie circostanze di fatto, accertate dalla precedente istanza: innanzitutto, il capo del Dipartimento cantonale della pubblica educazione era nel frattempo cambiato; poi, si era rifatta viva, da diverse parti, l'idea di abbinare al costituendo museo una sala dei congressi, mediante l'assorbimento di proprietà contigue; infine, si profilava sempre la necessità di trovar fondi adeguati e di elaborare un piano di finanziamento. Nè va dimenticato che un ente di diritto pubblico non possiede la libertà d'azione e soprattutto la rapidità di decisione possibili in una persona privata. Sulla base di tutti questi elementi e considerazioni, si impone di escludere l'ammissione, a carico dello Stato, di un inadempimento, e ciò soprattutto nel breve periodo di tempo che corre fino al 19 novembre 1959. In ogni caso, il lieve ritardo denunciato dall'attrice - che però s'è ben guardata dal mettere in mora il donatario - non è tale da comportare la gravissima sanzione della revoca.
4.
...
5.
Qualunque sia l'interpretazione data all'
art. 251 cpv. 2 CO
, l'azione promossa da Alma Da Pra-Pastore oltre cinque anni dopo il decesso del donatore è perenta. Il presente ricorso, diretto contro il giudizio cantonale che aveva respinto quell'azione, si rivela quindi manifestamente infondato, e dev'essere respinto.
Ciò non significa evidentemente che l'onere imposto dal donatore sia rimasto lettera morta. AI contrario, se l'attrice, com'essa afferma, ha a cuore il desiderio di far rispettare le volontà del suo defunto cugino, le rimane sempre aperta la possibilità di chiedere giudizialmente l'adempimento dell'onere, qualora lo Stato tardi eccessivamente ad eseguirlo.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto e la sentenza impugnata è confermata. | public_law | nan | it | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1ebe882-7885-4f26-a90b-52bd260fb5b5 | Urteilskopf
105 II 49
9. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Januar 1979 i.S. Bosshard Partners Intertrading AG gegen Sunlight AG (Berufung) | Regeste
Art. 1 Ziff. 2 und 24 lit. c MSchG
; Verwendung einer Konzernmarke.
1. Die Eintragung einer Konzernmarke in das schweizerische Register verleiht nur Schutz in der Schweiz; Rechtsfolgen, Vorbehalt für den Gebrauch durch Konzernfirmen. Funktionen der Marke (E. 1a).
2. Täuschungsgefahr als Voraussetzung einer rechtswidrigen Verwendung der Marke (E. 1b).
3.
Art. 6bis und 11 MSchG
,
Art. 5 lit. C Abs. 3 PVÜ
. Verwendung einer Konzernmarke durch mehrere Berechtigte: Voraussetzungen (E. 2a).
4. Beurteilung der Täuschungsgefahr: Rücksicht auf die Verkehrsgeltung der Marke und auf die Qualitätsvorstellungen, welche das Zeichen beim Publikum erweckt (E. 2b); unlauterer Wettbewerb (E. 2c)?
5. Art. 13 und 20 des Freihandelsabkommens enthalten keine Verhaltensnormen mit zivilrechtlichen Folgen, welche dem schweizerischen Markenrecht entgegenständen (E. 3).
6. Aus einem rechtmässigen Verbot ergibt sich kein Anspruch auf Schadenersatz (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 105 II 49 S. 50
A.-
Die Sunlight AG, Olten, vertreibt neben Seifen und Putzmitteln insbesondere ein Waschmittel, das sie in der Schweiz allein herstellt und unter der Marke OMO ausschliesslich im Inland absetzt. Diese Marke steht seit 1919 im schweizerischen Register und ist von der Sunlight AG letztmals am 27. März 1975 unter Nr. 276322 erneuert worden. Sie ist für Seifen aller Art, Waschmittel, Parfümerieartikel und kosmetische Präparate, Stärke sowie Reinigungs-, Desinfektions-, Putz- und Poliermittel bestimmt.
Die Sunlight AG gehört zum Unilever-Konzern, der eine Muttergesellschaft mit Sitz in Holland und Tochtergesellschaften in fast allen westeuropäischen Ländern umfasst. Diese Gesellschaften verwenden das Zeichen OMO ebenfalls als Fabrik- und Handelsmarke für Waschmittel.
Im Juli 1976 stellte die Sunlight AG fest, dass die Bosshard Partners Intertrading AG, Thalwil, Waschmittel und Seifen deutscher und holländischer Herkunft unter den Marken OMO, CORALL, REXONA und LUX zahlreichen schweizerischen Grossverteilern zum Kaufe anbot. Das mit "einmalige Gelegenheit" überschriebene Angebot offerierte unter der Klausel "frei deutsche Grenze, unverzollt" insbesondere OMO-Packungen zu 4,5 kg für Fr. 11.25, wenn mindestens 2880 Einheiten bezogen würden. Die Packungen stammten aus dem Betrieb einer
BGE 105 II 49 S. 51
Tochtergesellschaft des Unilever-Konzerns in Hamburg. Ihr Preis lag erheblich unter demjenigen, den damals Grossbezüger für OMO-Packungen schweizerischer Herkunft bezahlen mussten. Die Sunlight AG versuchte zunächst, den geplanten Verkauf unter Berufung auf Marken- und Wettbewerbsrecht zu verhindern. Da ihr dies nicht gelang, liess sie der Firma Bosshard durch gerichtlichen Befehl vorsorglich verbieten, die angebotenen Produkte in der Schweiz zu vertreiben. Dennoch verkaufte diese Firma unter anderem etwa 3000 OMO-Packungen an schweizerische Grossverteiler.
B.-
Im Oktober 1976 klage die Sunlight AG gegen die Bosshard Partners Intertrading AG mit dem Begehren, der Beklagten bei Strafe zu verbieten, Waschmittel deutscher Herkunft unter den Marken OMO und CORALL, Seifen deutscher Herkunft unter der Marke REXONA und solche holländischer Herkunft unter der Marke LUX in der Schweiz anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu verkaufen, durch Dritte anbieten oder in Verkehr bringen zu lassen, zu solchen Handlungen anzustiften, ihre Begehung zu begünstigen oder zu erleichtern. Die Klägerin berief sich auf
Art. 24 lit. c MSchG
und
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
.
Die Beklagte widersetzte sich diesem Begehren und erhob Widerklage auf Ersatz von Schaden, der ihr durch das vorsorgliche Verbot verursacht worden und nach Durchführung des Beweisverfahrens zu beziffern sei. Durch Teilvergleich vom 13./15. Juni 1977 anerkannte sie die Klage bezüglich der Marken CORALL, REXONA und LUX, einigte sich in diesen Punkten mit der Klägerin über die gegenseitigen Ansprüche und beschränkte ihr Widerklagebegehren auf den Schaden, den sie bezüglich OMO durch die vorsorgliche Massnahme erlitten habe. Das Rechtsbegehren der Klägerin umfasste daraufhin noch Waschmittel deutscher Herkunft mit der Marke OMO.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich hiess am 3. Juli 1978 das noch streitige Begehren der Klägerin gut und wies die Widerklage ab.
C.-
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Sache zur Beurteilung der Widerklage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie macht geltend, das Handelsgericht habe
Art. 24 lit. c MSchG
verkannt und Bestimmungen des Freihandelsabkommens falsch ausgelegt.
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
BGE 105 II 49 S. 52
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 24 lit. c MSchG
kann zivilrechtlich belangt werden, wer Erzeugnisse oder Waren, von denen er weiss, dass sie mit einer nachgemachten, nachgeahmten oder rechtswidrig angebrachten Marke versehen sind, verkauft, feilhält oder in Verkehr bringt.
a) Das Immaterialgüterrecht beruht auf dem Territorialitätsprinzip, das die Anwendung der Spezialgesetze von einer räumlichen Beziehung des Gutes zum Schutzland abhängig macht und auf dessen Gebiet beschränkt. Die Gesetze jedes Schutzlandes bestimmen selbständig, wie Rechte an Immaterialgütern entstehen und erworben werden, welchen Inhalt und Umfang sie haben. Das gilt auch für das MSchG, das den Schutz von Markenrechten und deren Verletzung durch rechtswidrige Verwendung der Marke unabhängig vom Rechtsschutz in andern Ländern regelt (TROLLER, Immaterialgüterrecht I, 2. Aufl. S. 148 ff; H. DAVID, Kommentar zum MSchG, 2. Aufl. S. 52; MATTER, Kommentar zum MSchG S. 50).
Aus dem MSchG ergibt sich nach dem Territorialitätsprinzip insbesondere, dass die Eintragung einer Marke in das schweizerische Register nur Schutz in der Schweiz verleiht, der als Inhaber Eingetragene hier aber allein berechtigt ist; dieser kann daher den ausschliesslichen Gebrauch des Zeichens beanspruchen, wenn Waren mit einer ausländischen Marke, die mit der seinigen übereinstimmt oder verwechselbar ist, auf dem schweizerischen Markt erscheinen. Das gilt selbst dann, wenn er mit dem ausländischen Markeninhaber durch Zugehörigkeit zum gleichen Konzern wirtschaftlich verbunden ist und das Zeichen im Ausland rechtmässig angebracht worden ist. Anders verhält es sich selbst zwischen zwei Konzernfirmen nur dann, wenn beide zur Kennzeichnung gleichartiger Waren die nämliche Marke im Inland gleichzeitig gebrauchen dürfen, diese insbesondere im schweizerischen Register nebeneinander eintragen liessen.
Art. 6bis MSchG
lässt eine solche Eintragung bei Konzernmarken zu, wenn der Gebrauch der Marke durch rechtlich selbständige, wirtschaftlich eng miteinander verbundene Firmen weder zur Täuschung des Publikums über die Herkunft und die Beschaffenheit der Ware geeignet ist noch sonstwie das öffentliche Interesse verletzt. Jede der beiden Firmen kann sich diesfalls der Verwendung der Marke durch Dritte widersetzen,
BGE 105 II 49 S. 53
hat dagegen den Gebrauch durch die andere zu dulden (
BGE 89 II 100
,
BGE 86 II 272
und 274,
BGE 78 II 169
/70).
Gemäss
Art. 1 Ziff. 2 MSchG
ist die Fabrik- und Handelsmarke ein Mittel, um die Herkunft der Ware festzustellen oder sie von andern Waren zu unterscheiden. Unter Herkunft im Sinne dieser Bestimmung ist nicht wie in
Art. 18 MSchG
die Beziehung zu einem Orte, einer Gegend oder einem Lande zu verstehen; gemeint ist vielmehr der Umstand, dass die Ware aus einem bestimmten Unternehmen stammt, in ihm hergestellt oder von ihm in Verkehr gebracht wird. Das trifft nicht nur zu, wenn die Marke zur Feststellung der Herkunft angebracht wird, sondern auch, wenn der Inhaber in ihr ein Mittel zur Unterscheidung der Ware sieht. Deswegen bestimmt
Art. 11 Abs. 1 MSchG
denn auch, die Marke dürfe nur mit dem Geschäft übertragen werden, dessen Erzeugnissen sie zur Unterscheidung dient (
BGE 86 II 277
). Bei Konzernmarken wird deren hinweisende Kraft freilich dadurch abgeschwächt, dass sie nicht die Herstellung oder den Vertrieb durch eine bestimmte Firma andeuten, sondern die Erzeugnisse als solche des Konzerns individualisieren. Gleichwohl ist auch in ihnen eine Angabe über die Herkunft der Waren zu erblicken, die von den Konzernfirmen unter der Marke erzeugt oder vertrieben werden (
BGE 95 II 360
E. b und c,
BGE 86 II 279
/80).
b)
Art. 24 MSchG
schützt den Markeninhaber nach ständiger Rechtsprechung nur gegen Handlungen, durch die das Publikum über die Herkunft eines Erzeugnisses getäuscht werden könnte (
BGE 95 II 193
und 465,
BGE 86 II 279
mit Zitaten). Das gilt auch für lit. c der Bestimmung, womit vor allem der Handel mit Waren untersagt wird, die im Sinne von lit. a und b rechtswidrig mit der Marke gekennzeichnet werden. Im internationalen Warenverkehr erhält
Art. 24 lit. c MSchG
freilich noch eine selbständige Bedeutung, da die Kennzeichnung im Ausland vom schweizerischen Recht nicht erfasst wird; sie ist aber als rechtswidrig anzusehen, wenn die Ware ohne Zustimmung des schweizerischen Markeninhabers eingeführt wird (TROLLER, Immaterialgüterrecht II, 2. Aufl. S. 762; vgl.
BGE 97 II 172
). Das gilt auch für Konzernmarken, wenn die Abnehmer die damit versehene Ware nach den Umständen der schweizerischen Konzernfirma zurechnen, nicht dagegen, wenn die Marke bloss als Hinweis darauf zu verstehen ist, die Ware stamme aus irgendeinem inländischen oder ausländischen Konzernbetrieb (
BGE 89 II 105
E. c,
BGE 86 II 284
E. g).
BGE 105 II 49 S. 54
2.
Nach dem angefochtenen Urteil stammten die von der Beklagten in der Schweiz angebotenen OMO-Packungen aus dem Betrieb der Lever Sunlight AG in Hamburg, die ebenfalls dem Unilever-Konzern angehört, die Marke OMO bisher aber nicht mit Wirkung für die Schweiz registrieren liess und sie selber auch nicht in der Schweiz gebraucht hat. Ob die deutsche Konzernfirma sich wie die schweizerische und offenbar auch andere Tochtergesellschaften darauf beschränkt, das von ihr hergestellte OMO-Waschmittel im Inland zu vertreiben, kann offen bleiben. Für das Gebiet der Schweiz ist jedenfalls nur die Klägerin als Inhaberin der Marke OMO im Register eingetragen, ohne ihre Zustimmung folglich ausschliesslich berechtigt, das Zeichen als Fabrik- und Handelsmarke im Inland zu gebrauchen und sich einer rechtswidrigen Verwendung durch Dritte zu widersetzen. Dass sich die Klägerin nach der Hinterlegungsurkunde im Verkehr mit dem Eidg. Amt für geistiges Eigentum durch die Unilever (Schweiz) AG, Zürich, vertreten lässt, ändert daran nichts.
Was die Beklagte zur Begründung ihrer Rüge vorbringt, das Handelsgericht habe
Art. 24 lit. c MSchG
unrichtig ausgelegt, geht an dieser Rechtslage vorbei.
a) Das gilt vorweg von ihrem Versuch, das streitige Zeichen nicht bloss als Konzernmarke im Sinne von
Art. 6bis MSchG
auszugeben, sondern den Gebrauch der Marke in der Schweiz selbst dann dem Konzern zuzurechnen, wenn das Zeichen hier auf Waren ausländischer Herkunft verwendet wird. Der Versuch scheitert im ersten Punkt schon daran, dass die deutsche Tochtergesellschaft des Konzerns weder von der Möglichkeit einer parallelen Eintragung gemäss
Art. 6bis MSchG
noch von der Möglichkeit einer internationalen Registrierung mit Wirkung für die Schweiz Gebrauch gemacht hat. Dass gemäss
BGE 75 I 348
ff. angeblich auch die holländische Muttergesellschaft dazu berechtigt wäre, hilft darüber nicht hinweg; der Eintrag im schweizerischen Register lautet nur auf den Namen der Klägerin.
Es liegt auch nichts dafür vor, dass eine ausländische Konzernfirma die Marke in der Schweiz neben der Klägerin gebraucht habe, was gemäss
Art. 5 lit. C Abs. 3 PVÜ
auch die Schweiz als Verbandsland dulden müsste. Das Handelsgericht liess dahingestellt, inwieweit OMO-Packungen, die seit Mitte 1976 gelegentlich im schweizerischen Detailhandel auftauchten, aus dem Angebot der Beklagten stammten. Es stellt dagegen
BGE 105 II 49 S. 55
fest, dass die Klägerin bis heute willens gewesen und es ihr im wesentlichen auch gelungen ist, den Import ausländischer Ware mit der Marke OMO durch Dritte zu verhindern und das Zeichen in der Schweiz allein zu verwenden. Die Beklagte vermutet denn auch, dass die Konzernfirmen den Markt und damit auch den Gebrauch der Marke territorial geregelt haben und der Kontrolle der Muttergesellschaft unterstehen. Das schweizerische Recht steht dem nicht entgegen.
Art. 11 MSchG
gestattet vielmehr, das Markenrecht nach Staatsgebieten derart aufzuteilen, dass die gleiche Marke in verschiedenen Ländern zugunsten verschiedener Inhaber geschützt wird (
BGE 78 II 170
). Das leuchtet insbesondere bei einer Konzernmarke ein, die diesfalls im einzelnen Land die Bedeutung einer Individualmarke erhalten kann.
Nach der Rechtsprechung gilt der Markengebrauch durch den Lizenznehmer als Gebrauch durch den Lizenzgeber (
BGE 83 II 330
,
BGE 72 II 427
). Die Beklagte kann daraus nichts für sich ableiten, da sie nicht behauptet, die OMO-Packungen mit Zustimmung der deutschen Konzernfirma eingeführt oder von ihr gar eine Markenlizenz erhalten zu haben; ein stellvertretender Gebrauch, welcher der deutschen Firma anzurechnen wäre, ist daher zu verneinen (vgl. TROLLER, a.a.O. I S. 332). Markenlizenzen sind übrigens nur bei wirtschaftlich enger Verbundenheit mit dem Lizenznehmer zulässig; sie haben zudem nicht den Übergang des Markenrechts auf den Lizenznehmer zur Folge, sondern geben diesem nur einen Anspruch, das Zeichen als fremdes zu gebrauchen (
BGE 92 II 280
). Das deutsch-schweizerische Abkommen von 1892 (BS 11 S. 1057, BBl 1950 III 468), wonach der Gebrauch der Marke in einem Staat auch als Gebrauch im andern gilt, wird von der Beklagten mit Recht nicht erwähnt; darauf könnte sich nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht, nur die deutsche Firma selber berufen (
BGE 100 II 231
,
BGE 96 II 254
/5).
Da das Zeichen OMO in der Schweiz nur von der Klägerin hinterlegt worden ist, kommt für die Rechtswidrigkeit des streitigen Markengebrauchs auch nichts darauf an, ob der Unilever Konzern den Tochtergesellschaften gestattet, Waren unterschiedlicher Beschaffenheit unter dem Zeichen OMO zu vertreiben. Der Hinweis auf den Cinzano-Entscheid des Deutschen Bundesgerichtshofes (BGHZ 60 S. 185 ff.) geht schon deshalb fehl, weil der Begriff des Gebrauchs nach deutschem Recht erheblich weiter gefasst wird als nach schweizerischem (
BGE 100 II 233
/4) und die Konzernmarke, wie noch auszuführen ist,
BGE 105 II 49 S. 56
in EWG-Staaten eine andere Bedeutung hat als in der Schweiz. Wenn eine ausländische Konzernfirma die Marke in der Schweiz nicht eintragen lässt und hier nicht selber gebraucht, bleibt es dabei, dass die inländische Markeninhaberin sich dem Inverkehrbringen von Waren, die von jener im Ausland mit der Marke versehen worden sind und von einem Dritten eingeführt werden, in der Schweiz widersetzen kann (
BGE 78 II 171
).
b) Davon ist auch bei der Prüfung der Frage auszugehen, ob das Publikum durch die rechtswidrige Verwendung der Marke über die Herkunft der Ware getäuscht werden könnte. Das Handelsgericht führt dazu insbesondere aus, die Beklagte behaupte nicht, dass bisher entgegen dem Willen der Klägerin erhebliche Mengen OMO-Waschmittel eingeführt worden und hier während Jahren angeboten worden seien; die Klägerin habe sich gegen die Einfuhr vielmehr gewehrt, und zwar im wesentlichen mit Erfolg. Bei dieser Sachlage lässt sich zum vorneherein nicht sagen, die schweizerischen Endabnehmer der Ware verständen OMO als Konzernmarke mehrerer Unternehmen, weshalb sie das Waschmittel irgendeinem Betrieb im In- oder Ausland zuschrieben.
Davon kann umsoweniger die Rede sein, als die Klägerin ihr Erzeugnis auf die Bedürfnisse des schweizerischen Abnehmers abgestimmt und den inländischen Bedarf während Jahrzehnten mit dem in Olten hergestellten Produkt gedeckt haben will, was die Beklagte nach dem angefochtenen Urteil nicht zu widerlegen vermochte. Das OMO-Waschmittel der Klägerin unterscheidet sich zudem durch die beigemischten blauen Nadeln, das Parfum und seine textilschonende Wirkung namentlich von demjenigen der deutschen Firma. Bei solchen Unterschieden ist es den schweizerischen Abnehmern, wie die Vorinstanz insbesondere gestützt auf ein EMPA-Gutachten feststellt, nicht gleichgültig, ob sie OMO-Ware irgendeines Betriebes kaufen. Hausfrauen laufen beim Kauf von OMO-Packungen deutscher Herkunft vielmehr Gefahr, über die schonende Behandlung der Wäsche oder andere Eigenschaften des schweizerischen Erzeugnisses getäuscht zu werden.
Besondere Vorteile einer Ware haben mit den Funktionen der Marke im Sinne von
Art. 1 Ziff. 2 MSchG
an sich freilich nichts zu tun (vgl.
BGE 99 II 108
/9). Gleichwohl dürfen sie bei Beurteilung der Täuschungsgefahr mitberücksichtigt werden, da sie in Verbindung mit der Marke Qualitätsvorstellungen wecken,
BGE 105 II 49 S. 57
die Ware individualisieren und deshalb selbst innerhalb eines Konzerns auf einen bestimmten Betrieb hinweisen können. Das liegt vor allem dann auf der Hand, wenn die Marke wie hier mit der Ware identifiziert wird. Der Abnehmer hat ein schützenswertes Interesse daran, in seiner auf Erfahrung begründeten Erwartung nicht dadurch getäuscht zu werden, dass unter der gleichen Marke Waschmittel angeboten werden, deren Qualität oder Eigenschaften erheblich voneinander abweichen. Dass die Qualitätserwartung durch die Marke nicht garantiert ist, hindert den Richter nicht daran, auf die Interessen der Abnehmer ebenfalls Rücksicht zu nehmen. Das angefochtene Urteil ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.
Welche Vorstellungen die Abnehmer mit einer Konzernmarke verbinden, ob sie die Ware einer bestimmten Firma zuschreiben oder ob ihnen die Herkunft innerhalb des Konzerns gleichgültig ist, sind übrigens Tatfragen, über die der kantonale Richter entscheidet. Der vorliegende Fall unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht aber deutlich von dem in
BGE 86 II 271
ff. veröffentlichten, wo es um international registrierte Marken eines Weltkonzerns ging und die Täuschungsgefahr schon nach tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu verneinen war. Vergleiche mit diesem Entscheid helfen der Beklagten daher nicht. Dass die Waschmittelreklame über die Landesgrenzen hinausreicht, ist dem Handelsgericht nicht entgangen; es hat dem angesichts der marktrelevanten Unterschiede zwischen den streitigen Produkten mit Recht keine besondere Bedeutung beigemessen, pflegt doch jeder Konkurrent die Reklame auf die Vorteile seines Erzeugnisses auszurichten und Nachteile zu verschweigen. Das Risiko des Publikums, über Unterschiede zwischen Konzernwaren aus verschiedenen Ländern getäuscht zu werden, wird dadurch nicht beseitigt, sondern eher erhöht.
c) Das Handelsgericht fand, dass das mit der Klage verlangte Verbot schon nach Markenrecht begründet sei. Es liess deshalb dahingestellt, ob die Beklagte mit der rechtswidrigen Verwendung der Marke OMO nicht nur Handlungen gemäss
Art. 24 lit. c MSchG
, sondern auch unlauteren Wettbewerb im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
begangen habe, was in Fällen wie dem vorliegenden in der Regel zu bejahen ist (
BGE 102 II 127
E. 3 mit Hinweisen). Die Frage kann auch im Berufungsverfahren offen bleiben, wenn das angefochtene Urteil zu bestätigen ist.
3.
Ein von der Bundesversammlung genehmigter Staatsvertrag wird mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden für die
BGE 105 II 49 S. 58
Schweiz verbindlich und zum Bestandteil des Landesrechts. Seine Normen können deshalb neben den Behörden auch Einzelpersonen verpflichten, wenn sie unmittelbar anwendbar, d.h. inhaltlich hinreichend bestimmt und klar sind, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Die erforderliche Bestimmtheit geht vor allem blossen Programmartikeln ab. Sie fehlt auch Bestimmungen, die eine Materie nur in den Umrissen regeln, dem Vertragsstaat einen beträchtlichen Ermessens- oder Entscheidungsspielraum lassen oder blosse Leitgedanken enthalten, sich also nicht an die Verwaltungs- oder Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber richten (
BGE 100 Ib 230
E. 3, 98 Ib 387,
BGE 94 I 672
,
BGE 88 I 90
/91).
Die Beklagte hält in der Berufung daran fest, dass das zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) geschlossene Freihandelsabkommen (FHA), das am 1. Januar 1973 in Kraft getreten ist (AS 1972 II 3115), die Gutheissung der Klage ausschliesse. Sie beruft sich auf
Art. 13 und 20 FHA
. Nach der ersten Bestimmung dürfen im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz keine neuen mengenmässigen Einfuhrbeschränkungen oder Massnahmen gleicher Wirkung eingeführt werden (Abs. 1). Bestehende Beschränkungen waren am 1. Januar 1973 und Massnahmen gleicher Wirkung spätestens bis zum 1. Januar 1975 zu beseitigen (Abs. 2). Nach der zweiten Vorschrift sodann steht das FHA Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen insbesondere nicht entgegen, wenn sie aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit oder zum Schutze des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind (Satz 1). Die Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien darstellen (Satz 2). Die Beklagte macht geltend, Art. 13 sei zusammen mit Art. 20 auszulegen; diesfalls umfassten die Massnahmen gleicher Wirkung auch das gewerbliche Eigentum. Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu den angeblich gleichlautenden Art. 30 und 36 des EWG-Vertrages, worüber die Schweiz sich schon bei Abschluss des Abkommens habe Rechenschaft geben müssen.
a) Dem ist vorweg Abs. 4 der Präambel zum FHA entgegenzuhalten, wonach keine Bestimmung des Abkommens dahin ausgelegt werden darf, dass sie die Vertragsparteien von ihren
BGE 105 II 49 S. 59
Verpflichtungen aus anderen internationalen Verträgen entbindet. Vor dem 1. Januar 1973 geschlossene Verträge gehen daher dem Abkommen vor. Dazu gehören insbesondere die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums und das Madrider Markenabkommen, die auch von mehreren EWG-Staaten, insbesondere von der Bundesrepublik Deutschland, ratifiziert worden sind (AS 1970 S. 620 und 1689, 1976 S. 923, 1978 S. 806). Nach diesen Verträgen beurteilen sich grundsätzliche Fragen, wie die Funktion, der Inhalt und die Verkehrsgeltung einer Marke aber nach den Gesetzen des Verbandslandes, in dem der Schutz verlangt wird (
BGE 99 Ib 25
E. 4,
BGE 98 Ib 182
E. 2 mit Zitaten).
Aus der Entstehungsgeschichte des FHA ist festzuhalten, dass dieses ein reines Handelsabkommen ist, das nicht wie der EWG-Vertrag einen einheitlichen Binnenmarkt mit überstaatlicher Wettbewerbsordnung, sondern bloss eine Freihandelszone schaffen will. Es beschränkt sich zudem im wesentlichen auf den industriellen Freihandel. Bei seiner Aushandlung wurde nicht nur eine Pflicht zur gegenseitigen Angleichung der gemeinschaftlichen und schweizerischen Rechtsnormen bewusst ausgeschlossen; die bestehenden Rechtsordnungen und deren uneingeschränkte autonome Durchsetzung wurden vielmehr gegenseitig vorbehalten (
BGE 104 IV 179
E. c mit Hinweisen auf amtliche Stellungnahmen). Das Abkommen sieht auch kein Organ vor, das wie der Europäische Gerichtshof als Institution der EWG die unmittelbare Anwendbarkeit einzelner Normen für die Vertragsparteien verbindlich festlegen könnte. Es begnügt sich mit einem Gemischten Ausschuss, der für die ordnungsgemässe Erfüllung des Abkommens zu sorgen hat, aber nur Empfehlungen aussprechen kann (
Art. 29 FHA
).
Diese Unterschiede sind auch bei der Auslegung einzelner Bestimmungen zu beachten, weshalb es entgegen den Einwänden der Beklagten nicht angeht, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu analogen Bestimmungen des EWG-Vertrages unbesehen zu übernehmen. Die Schweiz wird durch das Abkommen nicht gezwungen, ihre Wirtschaftspolitik und innere Gesetzgebung mit derjenigen der EWG zu harmonisieren, mag es auch nahe liegen, in konkreten Fällen für gleichartige Probleme ähnliche Lösungen wie die Nachbarstaaten anzustreben (Botschaft zum FHA, in BBl 1972 S. 730); dies ändert jedoch nichts daran, dass der schweizerische Richter das Abkommen seinem handelspolitischen Charakter und Zweck entsprechend
BGE 105 II 49 S. 60
autonom auszulegen und anzuwenden hat. Staatsverträge sind zudem in erster Linie nach ihrem Text auszulegen. Ist dieser klar und seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus dem Gegenstand und Zweck des Vertrages ergibt, nicht offensichtlich sinnwidrig, so kommt eine andere Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder aus der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist (
BGE 97 I 363
E. 3, 96 I 648 mit Hinweisen).
b)
Art. 13 FHA
ist nach seinem Wortlaut klar, und für eine davon abweichende Auslegung liegen keine Anhalte vor. Mit "Massnahmen gleicher Wirkung" können nur solche gemeint sein, welche die Wareneinfuhr unmittelbar betreffen. Einfuhrverbote oder -beschränkungen, die zum Schutze des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind, werden in
Art. 20 FHA
ausdrücklich vorbehalten. Solche Vorbehalte können sich aber auch aus dem schweizerischen Markenrecht ergeben, die Anwendung des
Art. 13 FHA
folglich ausschliessen.
Die Vorschriften des Art. 13 richten sich zudem an den schweizerischen Gesetzgeber und an die Verwaltung. Dass sie Rechte und Pflichten begründen würden, welche der schweizerische Richter in einem Entscheid über eine zivilrechtliche Streitigkeit zu beachten hätte, ist ihnen nicht zu entnehmen. Eine bestimmte Verhaltensnorm mit zivilrechtlichen Folgen ergibt sich auch dann nicht, wenn Art. 13 in Verbindung mit
Art. 20 Satz 2 und 23 FHA
ausgelegt wird. Art. 20 Satz 2 will Diskriminierungen und verschleierte Beschränkungen des Handels von den Rechtfertigungsgründen ausgenommen wissen, während Art. 23 lediglich feststellt, welche Praktiken mit dem guten Funktionieren des Abkommens unvereinbar sind; er erklärt sie im Gegensatz zu den entsprechenden Bestimmungen des EWG-Vertrages aber weder als rechtswidrig noch als nichtig und sieht auch keine Sanktionen vor, sondern ermächtigt die Vertragsparteien lediglich, gemäss den in
Art. 27 FHA
festgelegten Voraussetzungen und Verfahren vorzugehen (
BGE 104 IV 179
/80).
c) Daraus erhellt, dass das mit der Klage verlangte Verbot vor
Art. 13 und 20 FHA
standhält, das angefochtene Urteil in diesem Punkte folglich ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Da die Voraussetzungen des
Art. 24 lit. c MSchG
gegeben sind, kann die Klägerin sich als Inhaberin der nach schweizerischem Recht
BGE 105 II 49 S. 61
geschützten Marke OMO auch nach Inkrafttreten des FHA gegen den Import von Waren wehren, die im Ausland mit dem gleichen Zeichen versehen worden sind.
4.
Beim vorsorglich angeordneten Verbot verhält es sich nicht anders. Es lässt sich nach der aufgezeigten Rechtslage ebenfalls nicht als rechtswidrig ausgeben, weshalb die Beklagte daraus keinen Schadenersatzanspruch ableiten kann. Damit ist der Widerklage die Grundlage entzogen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 3. Juli 1978 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1ef645e-4216-4f87-93fc-b104ecaa3260 | Urteilskopf
116 Ia 186
31. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Juni 1990 i.S. X. AG gegen Genossenschaft Y. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Parallelbeschwerde bei freiwilliger Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (
Art. 58 BV
,
Art. 86 Abs. 2 und 3 OG
).
Bei gleichzeitiger Anfechtung eines Entscheides mit einem kantonalen Rechtsmittel und einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 58 BV
ist auf die sistierte staatsrechtliche Beschwerde nach Abweisung des kantonalen Rechtsmittels nur einzutreten, wenn auch dieser Rechtsmittelentscheid angefochten wird. | Sachverhalt
ab Seite 186
BGE 116 Ia 186 S. 186
A.-
Mit Urteil vom 8. März 1989 wies das Handelsgericht des Kantons Bern eine Klage der X. AG gegen die Genossenschaft Y. ab. Vor der schriftlichen Urteilseröffnung machte der Anwalt der X. AG das Handelsgericht darauf aufmerksam, dass gegen eines seiner fachkundigen Mitglieder, welches am Entscheid mitgewirkt hatte, ein Ablehnungsgrund gegeben sei. Der Vizepräsident des Handelsgerichts trat auf das Ablehnungsbegehren nicht ein.
B.-
Nach der schriftlichen Eröffnung des handelsgerichtlichen Sachentscheids reichte die X. AG beim Appellationshof des
BGE 116 Ia 186 S. 187
Kantons Bern eine Nichtigkeitsklage auf Aufhebung dieses Entscheids wegen Mitwirkung eines ausstandspflichtigen Richters ein. Das Plenum des Appellationshofs wies die Nichtigkeitsklage am 7. Dezember 1989 ab.
C.-
Gegen das Urteil des Handelsgerichts hat die X. AG ebenfalls staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 und 58 BV
erhoben. Den Entscheid des Appellationshofs über ihre Nichtigkeitsklage hat sie hingegen beim Bundesgericht nicht angefochten. Nachdem das Bundesgericht das Verfahren bis zum Entscheid über die kantonale Nichtigkeitsklage ausgesetzt hatte, trat es auf die Beschwerde nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 58 BV
bedarf der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht (
Art. 86 Abs. 2 OG
;
BGE 113 Ia 408
E. 1). Gleiches gilt für die aus
Art. 4 BV
abgeleiteten Rügen, soweit ihnen keine selbständige, über die Garantie des verfassungsmässigen Richters hinausgehende Bedeutung zukommt (
BGE 111 Ia 122
). Insoweit war der Entscheid des Handelsgerichts selbständig mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar.
Die Beschwerdeführerinnen haben indessen von der Möglichkeit nach
Art. 86 Abs. 3 OG
Gebrauch gemacht und den Entscheid des Handelsgerichts zusätzlich mit kantonaler Nichtigkeitsklage angefochten, somit auch den kantonalen Rechtsmittelweg beschritten und diesen ausgeschöpft. Den Entscheid des Appellationshofs haben sie hingegen beim Bundesgericht nicht angefochten.
2.
Wo das Bundesrecht die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht vorschreibt (Art. 84 Abs. 1 lit. b-d und
Art. 86 Abs. 2 OG
), hat der Beschwerdeführer die Wahl, einen ihm ungünstigen kantonalen Hoheitsakt entweder sogleich mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten oder vorerst den kantonalen Rechtsweg zu beschreiten (
Art. 86 Abs. 3 OG
). Es steht ihm nach der Rechtsprechung auch frei, die staatsrechtliche Beschwerde neben einem kantonalen Rechtsmittel zu ergreifen (
BGE 49 I 551
E. 2).
Kumuliert ein Beschwerdeführer die staatsrechtliche Beschwerde mit einem kantonalen Rechtsbehelf, so befindet das Bundesgericht nach Erwägungen der Zweckmässigkeit darüber, ob es die bei
BGE 116 Ia 186 S. 188
ihm erhobene Beschwerde sofort behandeln oder das Verfahren bis zur Erledigung des kantonalen Rechtsmittels aussetzen will (
BGE 115 Ia 161
E. 1a,
BGE 112 Ia 87
, je mit Hinweisen).
a) Nicht restlos geklärt scheint nach der Rechtsprechung das Schicksal einer ausgesetzten staatsrechtlichen Beschwerde nach Abschluss des kantonalen Rechtsmittelverfahrens.
In
BGE 45 I 290
(E. 1b) vertrat das Bundesgericht die Auffassung, auf die staatsrechtliche Beschwerde sei nicht einzutreten, sofern die Beurteilung der Streitsache durch die kantonale Behörde sich als zweckmässig erweise. Nach
BGE 49 I 348
(E. 1) wird in der Regel auf eine staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten, solange noch ein kantonales Rechtsmittel hängig ist (ähnlich
BGE 82 I 83
,
BGE 83 I 105
E. b,
BGE 112 Ia 87
).
In
BGE 49 I 551
(E. 2) bezeichnete das Gericht als reine Zweckmässigkeitsfrage, ob es eine staatsrechtliche Beschwerde neben einem kantonalen Rechtsmittel zulasse oder den Beschwerdeführer auf die spätere Anfechtung eines ihm ungünstigen Entscheids der kantonalen Rechtsmittelinstanz verweise. Nach
BGE 101 Ia 68
(E. 2a) lädt das Gericht den Beschwerdeführer nach Beurteilung des kantonalen Rechtsmittels zu einer "allfälligen neuen Anfechtung" ein, falls es das Verfahren ausgesetzt hat. In die gleiche Richtung zielt
BGE 115 Ia 161
(E. 1a).
In der Literatur werden, soweit sie sich mit dem Problemkreis befasst, die unterschiedlichen Formulierungen der Rechtsprechung unverändert übernommen (so BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 350; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl. 1979, S. 111; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 285).
b) Nicht klar beantwortet ist damit namentlich die Frage, ob das Bundesgericht das eingestellte Verfahren nach Vorliegen eines für den Beschwerdeführer ungünstigen kantonalen Rechtsmittelentscheids ohne weiteres wiederum aufnimmt oder sich mit der Sache bloss befasst, wenn auch dieser Rechtsmittelentscheid angefochten wird.
In
BGE 87 I 64
f. hat das Bundesgericht nicht ohne weiteres als gegeben erachtet, dass sich in Fällen, welche die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht bedingen, die staatsrechtliche Beschwerde bei freiwilliger Ausschöpfung der kantonalen Rechtsmittel (
Art. 86 Abs. 3 OG
) gleichfalls in erster Linie gegen den Rechtsmittelentscheid und nicht gegen das Sachurteil wenden müsse. Es hat allerdings die Frage offengelassen, ob die durch
BGE 116 Ia 186 S. 189
BGE 81 I 148
und
BGE 84 I 234
f. (E. 1) eingeleitete Rechtsprechung, wonach die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich an den Rechtsmittelentscheid anzuknüpfen hat, auch auf Beschwerden Anwendung finde, die vor Durchführung der kantonalen Rechtsmittel erhoben werden können.
In
BGE 109 IV 53
(E. 1b) erklärte das Bundesgericht, dass der Beschwerdeführer, welcher vorerst freiwillig den kantonalen Instanzenzug ausschöpfe (
Art. 86 Abs. 3 OG
), den Entscheid der unteren kantonalen Instanz bloss dann noch zusammen mit dem kantonalen Rechtsmittelentscheid anfechten könne, wenn der kantonalen Rechtsmittelinstanz nur eine beschränkte Überprüfungsbefugnis zukam. Unbeantwortet blieb auch in jenem Entscheid die Frage, ob dieser Grundsatz ebenfalls gelte, wenn die staatsrechtliche Beschwerde neben und nicht nach dem kantonalen Rechtsmittel ergriffen wird.
c) Die Lösung dieser Frage ergibt sich aus dem Prinzip der relativen Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde (dazu AUER, Die schweizerische Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 217 Rz. 391) und den Zweckmässigkeitsüberlegungen, welche das Bundesgericht in konstanter Praxis für das verfahrensrechtliche Vorgehen als massgebend erachtet hat. Dabei ist allerdings der Grundsatz der Verfahrensfairness zu beachten, insbesondere die Zweckmässigkeit nach Grundsätzen zu beurteilen, welche den Rechtsunterworfenen das einzuschlagende Verfahren mit der gebotenen Klarheit erkennen lassen.
aa) Keine grundsätzlichen Probleme bietet der Entscheid, ob die Behandlung einer Parallelbeschwerde zu einem kantonalen Rechtsmittel sogleich an die Hand zu nehmen oder bis zum Vorliegen des kantonalen Rechtsmittelentscheids auszusetzen ist. Im einen wie im andern Fall bleiben die Rechte des Beschwerdeführers gewahrt.
bb) Wird das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren ausgesetzt und weist die kantonale Behörde das bei ihr parallel eingelegte Rechtsmittel ab, ergibt sich folgendes:
Hat die kantonale Rechtsmittelinstanz mit freier Kognition entschieden, tritt ihr Urteil an die Stelle desjenigen der unteren kantonalen Instanz und kann damit allein noch Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde sein.
Hat die kantonale Rechtsmittelinstanz mit engerer Kognition entschieden, als sie dem Bundesgericht bei der Beurteilung der entsprechenden Rügen zukommt, kann sich die staatsrechtliche
BGE 116 Ia 186 S. 190
Beschwerde sowohl gegen ihren wie den vorangegangenen Entscheid richten. Eine Anfechtung bloss des unterinstanzlichen Entscheids ist dabei nach der Rechtsprechung ausgeschlossen, sofern der kantonale Instanzenzug erschöpft werden muss. Gleiches muss aber auch bei freiwilliger Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges gelten. Mit der Parallelanfechtung eines kantonalen Hoheitsakts nimmt der Beschwerdeführer in Kauf, dass das Bundesgericht vorerst den kantonalen Rechtsmittelentscheid abwartet und damit den kantonalen Behörden die Möglichkeit gibt, den angefochtenen Entscheid auf seine Recht- und Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. Weist die kantonale Behörde alsdann die bei ihr erhobenen Rügen ab, obliegt dem Beschwerdeführer darzutun, dass und inwiefern die Rechts- und Verfassungskontrolle im kantonalen Verfahren fehlerhaft oder zufolge bloss beschränkter Kognition ungenügend ausgeübt wurde. Anders entscheiden hiesse das Bundesgericht verpflichten, einen unterinstanzlichen kantonalen Entscheid gegebenenfalls auch ohne Berücksichtigung der kantonalen Rechtsmittelerwägungen auf seine Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen, was kaum haltbar erscheint und zu widersprüchlichen Parallelentscheiden über denselben Streitgegenstand führen kann.
Zu vollends unhaltbarem Ergebnis führt der Verzicht auf die Anfechtung des kantonalen Rechtsmittelentscheids schliesslich dort, wo neben der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen unterinstanzlichen Entscheid ein voll devolutives kantonales Rechtsmittel (Appellation, Berufung) ergriffen wird und die Rechtsmittelinstanz einen reformatorischen Sachentscheid fällt. Hier gäbe die Aufhebung des unterinstanzlichen Entscheids überhaupt keinen Sinn mehr, da der oberinstanzliche mangels Anfechtung in formelle und materielle Rechtskraft erwächst und einzig er einen Vollstreckungstitel abgibt, welcher selbst bei Aufhebung des ihm vorangegangenen Sachurteils nicht beseitigt würde.
Im Falle von Parallelverfahren ist auf die sistierte staatsrechtliche Beschwerde nach Abweisung des kantonalen Rechtsmittels somit nur dann einzutreten, wenn ebenfalls dieser Rechtsmittelentscheid angefochten wird. Dies gilt jedenfalls dort, wo mit der staatsrechtlichen Beschwerde und dem kantonalen Rechtsmittel die gleichen Rügen vorgetragen werden. Damit hängt die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Parallelbeschwerde bei freiwilliger Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges auch davon ab, dass der letzte kantonale Entscheid mitangefochten wird, sofern mit ihm auf das Rechtsmittel eingetreten wird.
BGE 116 Ia 186 S. 191
cc) Vorliegend haben die Beschwerdeführerinnen einzig den Sachentscheid des Handelsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten. Dieser befasst sich mit der Ablehnung eines seiner Mitglieder nicht, da der Rekusationseinwand erst nach der Urteilsfällung erhoben wurde. Der Appellationshof sodann hat die bei ihm eingereichte Nichtigkeitsklage einzig gestützt auf kantonales Prozessrecht abgewiesen, welches ein Ablehnungsbegehren gemäss
Art. 11 Ziff. 5 ZPO
BE nach dem Termin der Urteilsfällung nicht mehr zulassen soll. Die Beschwerdeführerinnen hätten daher dartun müssen, dass und inwiefern die massgebenden Prozessrechtsbestimmungen oder deren Anwendung im konkreten Fall verfassungswidrig ist. Entsprechende Rügen aber wären in einer Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationshofs vorzutragen gewesen. Da die Beschwerdeführerinnen auf dessen Anfechtung verzichtet haben, ist folgerichtig auf ihre Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts nicht mehr einzutreten. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b1f17d07-19ca-4ca8-8951-ac24f37538d7 | Urteilskopf
138 I 475
41. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Integration Handicap contre X. Sàrl (recours en matière civile)
4A_367/2012 du 10 octobre 2012 | Regeste
Beschwerde- und Klagelegitimation einer Behindertenorganisation (
Art. 9 Abs. 1, 2 und 3 lit. a BehiG
); Diskriminierung im Sinne von
Art. 6 BehiG
.
Integration Handicap ist berechtigt zur Klage auf Feststellung einer Diskriminierung in einem Zivilverfahren und gegebenenfalls zur Erhebung einer Beschwerde in Zivilsachen (E. 1).
Begriff der Diskriminierung gegenüber Behinderten bei Dienstleistungen Privater (E. 3). Bezug zur EMRK (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 476
BGE 138 I 475 S. 476
A.
A. est paraplégique depuis vingt ans. Le 4 octobre 2008, il s'est rendu seul au cinéma V., à Genève, pour assister à la projection d'un film qui ne figurait à l'affiche d'aucune autre salle genevoise. Le bâtiment abritant le cinéma, lequel est exploité par X. Sàrl, n'est pas adapté aux personnes en fauteuil roulant; celles-ci ne peuvent ni accéder aux salles, ni en sortir sans l'aide de tiers. A. s'est vu refuser l'accès au cinéma en vertu de directives de sécurité internes de la société exploitante. Il s'en est plaint auprès de cette dernière, sans succès.
B.
Integration Handicap est une association venant en aide aux personnes handicapées. Elle a ouvert action contre X. Sàrl, demandant qu'il soit constaté que A. avait été traité de façon discriminatoire et que l'interdiction faite par la société exploitante aux personnes avec un handicap physique d'accéder au cinéma constituait un traitement discriminatoire.
Par jugement du 15 septembre 2011, le Tribunal de première instance du canton de Genève a rejeté l'action dans la mesure où elle était recevable.
Integration Handicap s'est pourvue en appel. La Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement attaqué dans un arrêt du 11 mai 2012.
C.
Integration Handicap a interjeté un recours en matière civile.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le Tribunal fédéral examine d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis (
ATF 138 III 46
consid. 1,
ATF 138 III 471
consid. 1 p. 475;
ATF 137 III 417
consid. 1).
1.1
La loi fédérale du 13 décembre 2002 sur l'élimination des inégalités frappant les personnes handicapées (loi sur l'égalité pour les handicapés, LHand; RS 151.3) a pour but de prévenir, de réduire ou d'éliminer les inégalités qui frappent les personnes handicapées (
art. 1 al. 1 LHand
). Est notamment considérée comme personne
BGE 138 I 475 S. 477
handicapée toute personne dont la déficience corporelle présumée durable l'empêche de se mouvoir ou la gêne dans l'accomplissement de cette activité (
art. 2 al. 1 LHand
). L'inégalité dans l'accès à une prestation est l'une des inégalités visées par la loi; elle suppose que l'accès à une prestation est impossible ou difficile aux personnes handicapées (
art. 2 al. 4 LHand
). L'
art. 6 LHand
précise que les particuliers qui fournissent des prestations au public ne doivent pas traiter une personne handicapée de façon discriminatoire du fait de son handicap.
Si elles existent depuis dix ans au moins, les organisations d'importance nationale d'aide aux personnes handicapées ont qualité pour agir ou pour recourir en leur propre nom contre une inégalité qui affecte un nombre important de personnes handicapées (
art. 9 al. 1 LHand
); elles peuvent en particulier agir devant les instances de la juridiction civile afin de faire constater une discrimination au sens de l'
art. 6 LHand
(
art. 9 al. 3 let. a LHand
). Le Conseil fédéral établit la liste des organisations qui disposent de ce droit (
art. 9 al. 2 LHand
); la recourante en fait partie (ch. 6 de l'annexe 1 à l'ordonnance du 19 novembre 2003 sur l'élimination des inégalités frappant les personnes handicapées [OHand; RS 151.31 ]).
Le refus opposé à A. d'accéder à la salle de cinéma est fondé sur des directives internes de l'intimée applicables à toutes les personnes à mobilité réduite. L'inégalité dénoncée comme discriminatoire est ainsi susceptible d'affecter un nombre important de personnes, de sorte que la recourante a qualité pour agir en constatation devant les juridictions civiles et, le cas échéant, pour recourir.
1.2
Une organisation d'aide aux handicapés qui agit en constatation d'une discrimination de personnes handicapées poursuit un intérêt d'ordre idéal, et non patrimonial. Le recours en matière civile est ouvert sans restriction lorsque la cause n'est pas de nature pécuniaire (
art. 74 LTF
a contrario).
1.3
Pour le reste, interjeté par la partie qui a succombé dans ses conclusions en constatation (cf.
art. 76 al. 1 LTF
) et dirigé contre une décision finale (
art. 90 LTF
) rendue par une autorité cantonale de dernière instance statuant sur recours (
art. 75 LTF
), le recours est recevable puisqu'il a été déposé dans le délai (
art. 45 al. 1 et
art. 100 al. 1 LTF
) et la forme (
art. 42 LTF
) prévus par la loi.
(...)
3.
En deuxième lieu, la recourante se plaint d'une violation de l'
art. 6 LHand
.
BGE 138 I 475 S. 478
3.1
A juste titre, elle ne critique pas le fait que le bâtiment abritant le cinéma est construit de telle manière que l'accès aux salles est impossible ou difficile pour les personnes en fauteuil roulant. En effet, la LHand ne s'applique pas à cet édifice, construit et rénové avant l'entrée en vigueur de la loi, le 1
er
janvier 2004 (
art. 3 let. a LHand
). La recourante ne s'en prend pas non plus à l'absence de personnel chargé d'aider les personnes en chaise roulante à accéder à la salle, puisque la LHand ne crée pas d'obligation dans ce sens à la charge du prestataire privé (
art. 6 LHand
a contrario; Message du 11 décembre 2000 relatif à l'initiative populaire fédérale "Droits égaux pour les personnes handicapées" et au projet de loi fédérale sur l'élimination des inégalités frappant les personnes handicapées, FF 2001 1698 ch. 5.4.4).
La recourante conteste en revanche les motifs avancés par l'intimée pour refuser à A. l'accès à la salle de cinéma. Elle relève que les risques particuliers en cas d'évacuation sont inhérents à la condition de personne en fauteuil roulant et propres à de très nombreuses situations de la vie quotidienne des personnes concernées; à titre d'exemple, elle cite le non-fonctionnement des ascenseurs en cas d'incendie d'un bâtiment, éventualité qui ne saurait manifestement justifier une interdiction d'entrée, sauf à exclure les handicapés de tous les locaux accessibles uniquement par escalier ou ascenseur. En outre, la recourante est d'avis que le défaut de personnel susceptible d'assister la personne handicapée n'est pas déterminant si des tiers sont prêts à l'aider, tiers qu'en l'occurrence, A. était disposé à rechercher lui-même parmi les spectateurs. Enfin, elle fait valoir que, contrairement à ce que l'intimée prétend, la responsabilité de l'exploitant de cinéma n'aurait pas été engagée si A. ou les tiers précités s'étaient blessés à cette occasion. La recourante en déduit qu'il n'y avait pas de motif justificatif valable pour refuser l'accès du cinéma à A. et que celui-ci a subi une discrimination au sens de l'
art. 6 LHand
.
3.2
Les objections de la recourante ne sont pas dénuées de toute pertinence. Elles ne font pas pour autant apparaître comme inconsistants les motifs avancés par l'intimée pour justifier le refus de vendre un billet d'entrée à A.
Certes, l'évacuation d'urgence de n'importe quel bâtiment ou local comporte des risques particuliers pour une personne en fauteuil roulant, d'autant plus si celle-ci n'est pas accompagnée. Cependant, ces risques sont encore accrus lors de l'évacuation d'urgence d'une salle de spectacle, en raison du grand nombre de personnes pouvant s'y trouver et du danger de bousculade que cela implique. Par ailleurs, même si
BGE 138 I 475 S. 479
la responsabilité juridique de l'exploitant du cinéma devait ne pas être engagée en cas de décès ou de blessures de la personne handicapée ou d'un tiers lui ayant prêté assistance, il est compréhensible que l'exploitant craigne les critiques qui pourraient lui être adressées par des proches de la victime ou par des tiers pour ne pas s'être soucié d'une personne handicapée à qui il avait pourtant fait payer un billet pour accéder à la salle.
Cela étant, il convient d'examiner si, en refusant à A. l'entrée au cinéma pour les motifs susmentionnés, l'intimée a commis à son égard une discrimination prohibée par la loi.
3.3
Selon l'
art. 6 LHand
, les particuliers qui fournissent des prestations au public ne doivent pas traiter une personne handicapée de façon discriminatoire du fait de son handicap. La notion de discrimination au sens de cette disposition doit être interprétée, en se référant en particulier à la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (cf.
ATF 135 III 20
consid. 4.4 p. 23,
ATF 135 III 112
consid. 3.3.2 p. 116).
3.3.1
A part le remplacement de la dénomination "personnes privées" par "particuliers", l'
art. 6 LHand
correspond à l'art. 6 du projet du Conseil fédéral. Les Chambres fédérales ont adopté cette disposition sans discussion (cf. BO 2001 CE 619 et BO 2002 CN 944). Dans le message déjà cité, la discrimination prohibée est définie en ces termes: "La discrimination est une inégalité qualifiée, c'est-à-dire une différence de traitement manifeste ou particulièrement choquante qui peut avoir une connotation dépréciative. Appliqué à une personne privée, le principe de non-discrimination n'entraîne cependant pas pour cette personne l'obligation de prendre des mesures particulières (positives) pour éliminer des inégalités de fait. Elle ne l'oblige pas davantage à adopter des comportements égalitaires et ne lui interdit pas de différencier ses prestations en fonction de ses clients. En d'autres termes, cette disposition a pour but de prévenir des comportements ségrégationnistes graves qui tendent à exclure les personnes handicapées de certaines activités de peur que leur seule présence ne trouble la quiétude ou les habitudes sociales de la clientèle habituelle. Ainsi un restaurateur ne saurait refuser à une personne mentalement handicapée l'accès à son établissement, par seule crainte que la présence de cette personne handicapée ne dissuade sa clientèle habituelle de venir chez lui et sans qu'il ait des indices suffisants pour penser que cette personne compromettra l'ambiance et la tranquillité de son établissement. Dans la mesure où la personne handicapée ne trouble pas
BGE 138 I 475 S. 480
l'ordre et la bienséance des lieux et où son comportement n'est pas de nature à perturber les autres clients, il serait discriminatoire de lui en refuser l'accès. Cette norme vise donc des comportements particulièrement choquants et contraires à la tolérance que se doivent mutuellement les différents membres d'une même société" (FF 2001 1671 ch. 4.3.2 ad art. 6).
Le Conseil fédéral a repris ces principes dans l'ordonnance d'application; celle-ci définit la discrimination au sens des
art. 6 et 8 al. 3 LHand
comme toute différence de traitement particulièrement marquée et gravement inégalitaire qui a pour intention ou pour conséquence de déprécier une personne handicapée ou de la marginaliser (
art. 2 let
. d OHand).
En l'espèce, le refus de prestation incriminé ne saurait être qualifié de la sorte. Fondé sur des considérations sécuritaires à tout le moins compréhensibles, le comportement adopté par l'exploitant à l'égard de A. ne peut pas être tenu pour particulièrement choquant; il ne dénote ni un manque de tolérance, ni une volonté d'exclusion des personnes handicapées en fauteuil roulant. L'intimée accorde d'ailleurs à ces dernières un accès libre aux autres salles de cinéma qu'elle exploite à Genève, dans la mesure où elles sont adaptées aux personnes à mobilité réduite.
3.3.2
Se fondant sur un avis récent de deux auteurs, la recourante défend une notion plus étendue de la discrimination et soutient que l'
art. 6 LHand
doit être interprété conformément à la Constitution. Sans autre démonstration, les auteurs en question affirment qu'une discrimination n'a pas besoin d'être particulièrement crasse; il suffit qu'il y ait une inégalité de traitement qui ne peut être suffisamment justifiée (SCHEFER/HESS-KLEIN, Die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung bei Dienstleistungen, in der Bildung und in Arbeitsverhältnissen, Jusletter du 19 septembre 2011, B/II/2 p. 6).
Est ainsi posée la question de l'application de l'interdiction constitutionnelle de discrimination (
art. 8 al. 2 Cst.
) aux relations entre particuliers, soit, plus généralement, de l'effet horizontal des droits fondamentaux. Selon l'
art. 35 Cst.
, les droits fondamentaux doivent être réalisés dans l'ensemble de l'ordre juridique (al. 1) et les autorités veilent à ce que ces droits, dans la mesure où ils s'y prêtent, soient aussi réalisés dans les relations qui lient les particuliers entre eux (al. 3). S'il l'on admet que les droits fondamentaux n'ont pas seulement une fonction de défense contre les atteintes dues à l'Etat, mais fondent également un devoir étatique de protection contre les atteintes provoquées
BGE 138 I 475 S. 481
par des tiers, il n'en demeure pas moins que les droits constitutionnels de ces tiers doivent également être protégés; une pesée des différents intérêts en présence est alors nécessaire. C'est en priorité la tâche de la législation spécifique de fixer quels sont les actes admissibles ou non et de délimiter les droits des particuliers impliqués. La question de l'étendue du devoir de protection des droits fondamentaux se confond ainsi avec celle de l'application correcte de la législation spécifique (
ATF 126 II 300
consid. 5 p. 314 s.; cf. également
ATF 137 I 305
consid. 2.4 p. 315).
En l'espèce, l'
art. 6 LHand
pose le principe selon lequel l'interdiction de la discrimination au sens de l'
art. 8 al. 2 Cst.
ne vaut pas seulement dans les rapports entre l'Etat et les particuliers, mais également dans les relations entre particuliers (FF 2001 1671 ch. 4.3.2 ad art. 6). Cette disposition légale a ainsi été adoptée expressément dans le but de fixer l'effet horizontal de l'interdiction constitutionnelle de discrimination. Il convient dès lors de s'en tenir à la notion de discrimination voulue par le législateur, telle qu'exposée plus haut (consid. 3.3.1).
3.4
En conclusion, le moyen tiré d'une violation de l'
art. 6 LHand
est mal fondé.
4.
En dernier lieu, la recourante se plaint d'une violation du droit international. Elle invoque l'
art. 14 CEDH
relatif à l'interdiction de discrimination en liaison, d'une part, avec l'
art. 10 CEDH
qui garantit la liberté d'expression et, d'autre part, avec l'
art. 8 CEDH
qui garantit le droit au respect de la vie privée et familiale. Elle fait valoir que le droit d'accéder à une salle de cinéma, haut lieu de diffusion de productions culturelles, est couvert par l'
art. 10 CEDH
combiné avec l'
art. 14 CEDH
et que ce droit a été refusé à A. sans aucune justification pertinente du point de vue de la CEDH. De même, le refus de l'intimée, en tant qu'il porte une atteinte grave à l'intégrité psychique de A., constituerait, en l'absence de justification objective, une violation de l'
art. 8 CEDH
combiné avec l'
art. 14 CEDH
.
4.1
L'obligation de respecter les droits fondamentaux résultant de la CEDH s'adresse à l'Etat (
art. 1 CEDH
). Pour garantir l'effectivité de ces droits, il peut être néanmoins nécessaire de les protéger dans les relations entre particuliers. Sous peine de violer les droits conventionnels, l'Etat peut se trouver dans l'obligation de prendre les mesures suffisantes pour protéger lesdits droits contre les atteintes par les particuliers (cf.
ATF 136 I 167
consid. 2.2 p. 170; WERRO/SCHMIDLIN, La protection de la personnalité et les médias: une illustration de la
BGE 138 I 475 S. 482
rencontre du droit civil et du droit constitutionnel, in Droit civil et Convention européenne des droits de l'homme, 2006, p. 184).
4.2
En l'espèce, la Suisse a adopté la LHand dans le but de prévenir, de réduire ou d'éliminer les inégalités qui frappent les personnes handicapées (
art. 1 LHand
). Dans ce cadre, le législateur fédéral a prévu notamment que les constructions et installations accessibles au public pour lesquelles l'autorisation de construire ou de rénover était accordée après l'entrée en vigueur de la LHand devaient être facilement accessibles aux personnes handicapées (
art. 2 al. 3 et
art. 3 let. a LHand
); il a imposé une interdiction de discrimination aux particuliers qui fournissent des prestations au public (
art. 6 LHand
); il a également donné aux personnes handicapées et à certaines organisations d'aide aux handicapés le droit d'agir en justice le cas échéant (art. 7 al. 1, art. 8 al. 3,
art. 9 al. 3 let. a et b LHand
). La question est de savoir si ces mesures législatives sont suffisantes ou non au regard de la CEDH et, en particulier, si la Convention impose à la Suisse d'adopter une notion de discrimination plus étendue que celle de l'
art. 6 LHand
(cf. consid. 3.3.1 et 3.3.2).
La recourante l'affirme en se fondant sur des considérations générales. Mais elle ne cite aucun arrêt dans lequel la Cour européenne des droits de l'homme aurait retenu une obligation comparable. L'arrêt
Botta contre Italie
du 24 février 1998 qu'elle invoque (
Recueil CourEDH 1998-I p. 412
) concerne le cas d'une personne handicapée qui reprochait aux autorités de n'avoir pas réagi à ses plaintes au sujet de plages non équipées de structures pour handicapés, pourtant prescrites par la loi sous menace de révocation de licence. La Cour a nié une violation des
art. 8 et 14 CEDH
au motif que le droit invoqué par le requérant, à savoir celui de pouvoir accéder à la plage et à la mer loin de sa demeure habituelle pendant ses vacances, concerne des relations interpersonnelles d'un contenu si ample et indéterminé qu'aucun lien direct entre les mesures exigées de l'Etat pour remédier aux omissions des établissements de bains privés et la vie privée de l'intéressé n'était envisageable (§ 35). L'arrêt est certes assez ancien, mais la recourante ne démontre pas que la Cour s'en serait explicitement ou implicitement écartée récemment.
Au contraire, dans un arrêt ultérieur concernant des personnes à mobilité réduite ne pouvant pas accéder à des bâtiments ouverts au public (
Zehnalová et Zehnal contre République tchèque
du 14 mai 2002,
Recueil CourEDH 2002-V p. 317
), la Cour a jugé que le champ
BGE 138 I 475 S. 483
d'intervention de l'Etat et la notion progressive de vie privée ne correspondent pas toujours au contenu plus limité des obligations positives de l'Etat. Elle a estimé que l'
art. 8 CEDH
ne saurait s'appliquer en règle générale et chaque fois que la vie quotidienne de la personne handicapée est en cause, mais seulement dans les cas exceptionnels où un manque d'accès aux établissements publics et ouverts au public empêchent cette personne de mener sa vie de façon telle que le droit à son développement personnel et son droit d'établir et d'entretenir des rapports avec d'autres êtres humains et le monde extérieur sont mis en cause; elle a en outre relevé, même si elle n'y attachait pas une importance déterminante, que les autorités nationales n'étaient pas restées inactives (p. 332).
La recourante fait encore référence à l'arrêt
Glor contre Suisse
du 30 avril 2009 (in ASA 80 p. 693), dans lequel la Cour a admis un traitement discriminatoire, violant l'
art. 14 CEDH
combiné avec l'
art. 8 CEDH
, d'une personne qui souffre de diabète. Comme cette cause concerne la soumission à la taxe d'exemption du service militaire, à savoir une taxe étatique, l'arrêt précité est d'emblée sans pertinence lorsqu'il s'agit, comme en l'espèce, d'apprécier l'effet horizontal des droits fondamentaux entre particuliers.
Dans ces circonstances, il n'apparaît pas que la CEDH oblige la Suisse à adopter, dans sa législation visant à éliminer les inégalités qui frappent les personnes handicapées, une notion de la discrimination plus large que celle décrite plus haut ou qu'elle contraint le juge à interpréter de manière plus étendue la discrimination au sens de l'
art. 6 LHand
. | public_law | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b1f478d8-c05f-4302-8dfb-9aa264fadb3b | Urteilskopf
118 Ia 175
25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juni 1992 i.S. X. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche Beschwerde). | Regeste
Art. 31 BV
; Beschränkung des Medikamentenverkaufs durch Ärzte.
1. Die Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Bern verbietet den Ärzten die Führung einer Privatapotheke in Ortschaften, in denen die Notfallversorgung mit Medikamenten durch mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet ist. Hierin liegt eine genügende gesetzliche Grundlage (E. 2).
2. Die Regelung beruht auf einem genügenden öffentlichen Interesse und ist verhältnismässig (E. 3 und E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 175
BGE 118 Ia 175 S. 175
Dr. X., Arzt für allgemeine Medizin FMH, eröffnete im Januar 1988 in Ittigen eine Arztpraxis. Gleichzeitig stellte er bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern das Gesuch um Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke.
Der Direktionssekretär wies ihn darauf hin, die Arztpraxis gehöre zur Agglomeration Bern, wo die Notfallversorgung mit Medikamenten
BGE 118 Ia 175 S. 176
durch mehrere öffentliche Apotheken in Bolligen, Ittingen und in der Stadt Bern gewährleistet sei. Gemäss Art. 29 Abs. 1 und 2 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Bern vom 2. Dezember 1984 (811.01; nachfolgend "Gesundheitsgesetz") könne die Erlaubnis nicht erteilt werden.
Dr. X. bestritt diese Auffassung und machte geltend, die Gemeinde Ittingen sei als selbständige Ortschaft zu betrachten. Da nur eine öffentliche Apotheke vorhanden sei, sei die Notfallversorgung in Ittingen nicht sichergestellt (Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz). Die Bewilligung müsse erteilt werden.
Der Direktionssekretär unterbreitete deshalb die Angelegenheit der "Fachkommission Selbstdispensation", einer verwaltungsinternen Kommission von Ärzten und Apothekern, und wies das Gesuch gestützt auf deren Stellungnahme ab.
Dr. X. führte erfolglos Beschwerde bei den kantonalen Instanzen (Gesundheitsdirektion, Verwaltungsgericht). Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt er, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern sei u.a. wegen Verletzung von
Art. 31 BV
aufzuheben und die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern sei anzuweisen, die Bewilligung zu erteilen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit im Sinne von
Art. 31 BV
. Arzt und Apotheker üben einen freien Beruf aus, und die entsprechenden Tätigkeiten fallen grundsätzlich unter den Schutz von
Art. 31 BV
. Das gilt auch für die Herstellung und den Verkauf von Heilmitteln. Die Handels- und Gewerbefreiheit erstreckt sich sodann auf die nebenberufliche oder bloss gelegentliche Erwerbstätigkeit (
BGE 111 Ia 186
E. 2 und dort angeführte Urteile; vgl.
BGE 113 Ia 40
).
Art. 31 Abs. 1 BV
gewährleistet im Rahmen der Bundesverfassung die Handels- und Gewerbefreiheit, behält indes in Abs. 2 "kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben" vor; doch dürfen diese ihrerseits den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Zulässig sind
BGE 118 Ia 175 S. 177
dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen, wie namentlich polizeilich motivierte Eingriffe zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit sowie von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr (
BGE 116 Ia 121
f.;
BGE 115 Ia 121
E. 2b) oder sozialpolitisch begründete Einschränkungen (
BGE 113 Ia 139
E. 8b;
BGE 111 Ia 29
E. 4b). Solche Einschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (
BGE 116 Ia 121
E. 3;
BGE 115 Ia 121
E. 2b und dort zitierte Entscheide) sowie der Rechtsgleichheit (namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität) wahren (
BGE 112 Ia 34
;
BGE 91 I 462
E. 3).
2.
Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, Art. 29 Abs. 2 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Bern vom 2. Dezember 1984 bilde keine genügende gesetzliche Grundlage, um ihm die Führung einer Privatapotheke im Rahmen seiner Arztpraxis in Ittigen zu verbieten.
a) Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht grundsätzlich unter dem Gesichtswinkel der Willkür und nur dann frei, wenn ein besonders schwerer Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit in Frage steht (
BGE 116 Ia 348
E. 4b;
BGE 115 Ia 122
E. 2c mit Verweisung). Ein solcher Eingriff liegt nicht vor, wenn einem Arzt die Führung einer Privatapotheke verboten wird. Seine Haupttätigkeit als Arzt wird davon nicht berührt.
Von einem schweren Eingriff könnte allenfalls gesprochen werden, wenn ein Arzt auf die Einnahmen aus dem Medikamentenverkauf zwingend angewiesen ist, um z.B. in einer Randregion wirtschaftlich bestehen zu können. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Die Auslegung und Anwendung des Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz durch das Verwaltungsgericht ist daher nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen. b) Art. 29 des kantonalen Gesundheitsgesetzes lautet:
1 Der Arzt ist zur Führung einer Privatapotheke berechtigt. Dazu braucht er die Bewilligung der Gesundheitsdirektion.
2 Die Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke durch Ärzte beschränkt sich auf Ortschaften, in denen die Notfallversorgung mit Medikamenten nicht durch mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet ist.
3 Auch ohne Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke sind die Medizinalpersonen zur unmittelbaren Anwendung von Medikamenten am Patienten und zur Abgabe in Notfällen sowie bei Hausbesuchen und bei Erstversorgung des Patienten berechtigt.
BGE 118 Ia 175 S. 178
Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Notfalldienst in der Stadt Bern und weiteren Gemeinden der Agglomeration Bern im Sinne von Art. 29 Abs. 2 des Gesetzes durch mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet ist. Ebenfalls steht ausser Frage, dass die Gemeinde Ittigen, wo der Beschwerdeführer seine Arztpraxis führt, über eine öffentliche Apotheke verfügt, die zusammen mit den Apotheken der Stadt Bern und weiterer Gemeinden den Notfalldienst sicherstellt. Streitig ist einzig, ob die Gemeinde Ittigen noch zur "Ortschaft" Bern zu zählen ist (Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz), ob mit anderen Worten gestützt hierauf dem Beschwerdeführer die Führung einer Privatapotheke verboten werden kann.
Das Verwaltungsgericht hat diese Frage bejaht. Demgegenüber hält der Beschwerdeführer den Entscheid des Verwaltungsgerichts und dessen Begründung für willkürlich. Er verweist hierzu auf den Wortlaut der Bestimmung, auf ihre systematische Stellung, auf ihren Sinn und Zweck sowie auf die Materialien.
c) Mit dem Wortlaut der fraglichen Bestimmung steht die Auffassung des Verwaltungsgerichts durchaus im Einklang. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, die Regelung über die Selbstdispensation bezwecke eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten. Der Begriff Ortschaft müsse folglich aufgrund der für die Medikamentenversorgung wichtigen Kriterien ausgelegt werden: Zu berücksichtigen seien namentlich die verkehrsmässige Erschliessung sowie der Umstand, ob die diensthabenden Apotheken im Notfall leicht zu erreichen seien. Nach diesen Gesichtspunkten stehe nichts entgegen, auch zusammenhängende Siedlungsgebiete und Ballungszentren als eine Ortschaft zu betrachten, selbst wenn sie neben einem Kernbereich noch über mehrere Subzentren verfügten. Diese Auslegung des Begriffes Ortschaft hält sich im Rahmen des möglichen Wortsinnes (auch wenn das Wort Ortschaft im gewöhnlichen Sprachgebrauch im allgemeinen in einem engeren Sinn, für "Dorf" oder "kleinere Gemeinde", gebraucht wird) und kann nicht als willkürlich bezeichnet werden.
d) Aus der systematischen Stellung der Norm ergeben sich keine Anhaltspunkte, die eine andere Auslegung zwingend nahelegen würden. Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz stellt zwar im Verhältnis zu Abs. 1, wonach der Arzt mit Bewilligung der Gesundheitsdirektion zur Führung einer Privatapotheke grundsätzlich berechtigt ist, eine Ausnahmebestimmung dar. Doch kann daraus entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht abgeleitet werden, der Begriff Ortschaft müsse in einem einschränkenden Sinn interpretiert werden.
BGE 118 Ia 175 S. 179
Ausnahmebestimmungen sind weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen (
BGE 114 V 302
f.;
BGE 108 Ia 79
).
Wenn Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz den Ärzten die Führung einer Privatapotheke in Ortschaften, in denen die Notfallversorgung mit Medikamenten durch mehrere Apotheken sichergestellt ist, untersagt, so ist diese Bestimmung offensichtlich mit Art. 36 des Gesetzes koordiniert, wonach "in Ortschaften mit mehreren öffentlichen Apotheken" deren Inhaber verpflichtet sind, die Notfallversorgung mit Medikamenten zu gewährleisten. Diese inhaltliche Übereinstimmung legt es nahe, den Begriff Ortschaft in beiden Bestimmungen gleich auszulegen, und zwar in einem weiteren Sinn, d.h. als Einzugsgebiet oder Agglomeration; die Voraussetzung, dass in einer "Ortschaft" der Notfalldienst durch mindestens zwei öffentliche Apotheken gewährleistet ist, wäre sonst kaum je erfüllt. Das hat das Verwaltungsgericht in durchaus haltbarer, jedenfalls nicht willkürlicher Weise getan.
e) Diese Auslegung entspricht entgegen den Vorbringen in der staatsrechtlichen Beschwerde durchaus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und kann auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als willkürlich bezeichnet werden.
Das öffentliche Interesse, dem mit einem Verbot des Verkaufs von Medikamenten durch freipraktizierende Ärzte entsprochen werden soll, liegt in der regional guten Versorgung mit Apotheken. Diese dienen der öffentlichen Gesundheit im allgemeinen besser als die auf kleinere Sortimente beschränkten (und mit weiteren Nachteilen verbundenen) Privatapotheken von Ärzten, wie das Bundesgericht bereits in
BGE 111 Ia 184
festgehalten und wie auch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid erwogen hat. Es ist zudem nicht zu bestreiten, dass sich Privatapotheken von Ärzten und öffentliche Apotheken konkurrenzieren (ebenda S. 189). Einige Kantone machen deshalb das Recht der Ärzte zur Selbstdispensation davon abhängig, dass sich in einem bestimmten Umkreis von der Arztpraxis keine öffentliche Apotheke befindet (z.B. Wallis: Art. 55 Heilmittelreglement; Freiburg: Art. 25 Verordnung zum Sanitätsgesetz; Aargau: § 32 Gesundheitsgesetz). Demgegenüber stellt der Kanton Bern darauf ab, ob die Notfallversorgung in einer bestimmten Ortschaft gewährleistet ist. Welche Regelung dem mit der Beschränkung der Selbstdispensation verfolgten Zweck, der regional guten Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, besser gerecht wird, ist hier nicht zu entscheiden. In jedem Fall hat das Verwaltungsgericht daraus
BGE 118 Ia 175 S. 180
in haltbarer Weise geschlossen, dass auf die für die Medikamentenversorgung wichtigen Kriterien abzustellen und der Begriff Ortschaft entsprechend, d.h. in einem eher weiten Sinn, auszulegen sei. Willkür kann hierin nicht erblickt werden.
f) Eine solche Auslegung steht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch mit den Materialien im Einklang. Der Entwurf zum Gesundheitsgesetz wurde in einer Expertenkommission des Sanitätskollegiums mit Vertretern der interessierten Kreise diskutiert. Wie aufgrund der Entstehungsgeschichte festgestellt werden kann, bestand unter den Experten nicht restlos Klarheit über die Bedeutung des Wortes Ortschaft. Fest stand lediglich, dass darunter ein Gebiet zu verstehen ist, das nicht mit der politischen Gemeinde, d.h. der Gebietskörperschaft, zusammenzufallen braucht. Der erste Entwurf bestimmte noch, dass Bewilligungen zur Führung einer Privatapotheke an Ärzte erteilt würden, die in "Ortschaften ohne öffentliche Apotheke" praktizierten. Er wurde vor allem aus Kreisen der Ärzte abgelehnt.
Der von Professor Preisig in der Folge erarbeitete neue Entwurf sah vor, dass Privatapotheken von Ärzten auf Ortschaften beschränkt sein sollen, "in denen die Notfallversorgung mit Medikamenten nicht durch mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet ist". Diese Lösung kam den Ärzten wesentlich entgegen. Im Expertengremium wurde auch diskutiert, wie der Begriff Ortschaft zu verstehen sei. Begriffe wie "Gegend" oder "Einzugsgebiet" wurden erwogen, dann aber als zu unbestimmt abgelehnt. Anderseits wurde betont, bei der Bestimmung des Begriffes müsse darauf abgestellt werden, ob die Notfallversorgung in einem bestimmten Gebiet sichergestellt sei (Voten Hochstrasser, Kurt, Preisig, Flury, Schnetzer). Auch wurde der Begriff Ortschaft als dehnbar genug erachtet, um diesem Kriterium gerecht zu werden. In der Folge stimmte die Expertenkommission der neuen Fassung zu. Diese gab im Grossen Rat kaum zu Diskussionen Anlass, wurde vom Parlament unverändert beschlossen und so in das Gesetz aufgenommen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach es bei der Frage, ob eine Gemeinde noch zur Ortschaft Bern zu rechnen sei, primär auf die verkehrsmässige Erschliessung (und weitere Kriterien) ankomme, lässt sich daher mit sachlichen Gründen halten und kann nicht als willkürlich bezeichnet werden.
g) Zu prüfen bleibt, ob der durch das Verwaltungsgericht willkürfrei ausgelegte Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz im vorliegenden Fall willkürlich angewendet wurde, wie der Beschwerdeführer
BGE 118 Ia 175 S. 181
beanstandet. Auch bei dieser Frage handelt es sich um eine solche nach der gesetzlichen Grundlage, die das Bundesgericht nur auf Willkür hin untersucht, da kein besonders schwerer Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit vorliegt (vgl. vorn E. 2a).
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Gemeinden Ittigen und Bolligen räumlich zusammengewachsen und damit als Teile der gleichen Ortschaft zu bezeichnen seien. Ebenso würden die Aussenquartiere der Stadt Bern (Tiefenau und Wankdorf) in den Randbereichen mit der Gemeinde Ittigen zusammenstossen, wenn auch weniger ausgeprägt. Zudem seien Ittigen und Bolligen mit der Stadt Bern verkehrstechnisch vorzüglich verbunden. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was geeignet wäre, diese Feststellungen als willkürlich erscheinen zu lassen; er gewichtet sie bloss anders. Der Beschwerdeführer hat auch nichts gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts eingewendet, dass die Apotheken der Gemeinden Bolligen und Ittigen zusammen mit denjenigen der Stadt Bern und weiterer Gemeinden rund um die Stadt Bern einen genügenden Notfalldienst sicherstellen; er ergibt sich aus dem Dienstplan des Apothekervereins der Stadt Bern. Daraus ist auch ersichtlich, dass für den Notfalldienst jeweils drei Apotheken zusammengefasst werden, so dass sie sich regional gut verteilen.
h) Nach dem Gesagten lässt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Gemeinde Ittigen zu einer "Ortschaft" gehöre, in der die Notfallversorgung mit Medikamenten durch mehrere öffentliche Apotheken gewährleistet sei, und dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Führung einer Privatapotheke nicht bewilligt werden könne, mit sachlichen Gründen vertreten. Die Auslegung und Anwendung von Art. 29 Abs. 2 Gesundheitsgesetz durch das Verwaltungsgericht kann deshalb nicht als willkürlich bezeichnet werden; sie hielte nach dem Gesagten selbst einer freien Prüfung stand. Die Rüge, die Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit beruhe nicht auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, erweist sich demnach als unbegründet.
3.
a) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, die Beschränkung der Selbstdispensation sei nicht durch ein überwiegendes öffentliches Interesse geboten und unverhältnismässig. Die Fragen nach dem öffentlichen Interesse und der Verhältnismässigkeit prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Es auferlegt sich allerdings eine gewisse Zurückhaltung, wenn sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen oder besondere örtliche Umstände zu würdigen sind, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht (
BGE 115 Ia 372
E. 3).
BGE 118 Ia 175 S. 182
b) Die Allgemeine Medizinalprüfungsverordnung vom 19. November 1980 (AMV; SR 811.112.1) sieht, gestützt auf das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1877 betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 811.11), für Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker verschiedene Prüfungen vor und setzt für sie verschiedene Ausbildungslehrgänge voraus. Die Tätigkeit des Arztes unterscheidet sich grundlegend von derjenigen des Apothekers. Wenn daher der Kanton das Recht zur Abgabe von Medikamenten den Apothekern vorbehält und den Ärzten nur ausnahmsweise das Recht einräumt, Heilmittel an Patienten abzugeben, so trägt er lediglich der schon im Bundesrecht vorgesehenen Aufgabenteilung zwischen Ärzten und Apothekern Rechnung.
c) Die Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Bern beruht auf dieser Aufgabenteilung. Das Gesundheitsgesetz (Art. 28 ff.) und die Verordnung über die öffentlichen und die privaten Apotheken sowie über die Spitalapotheken vom 21. März 1990 (Apothekenverordnung; BSG 813.41) umschreiben die Aufgaben und Pflichten der Ärzte und Apotheker verschieden. Gemäss Verordnung gehört zum Aufgabenkreis des Apothekers namentlich, dass er ärztliche Rezepte ausführt, Heilmittel herstellt, sie vorrätig hält und abgibt (Art. 7 Abs. 3). Er ist zudem verpflichtet, die gebräuchlichsten Heilmittel zu führen (Art. 7 Abs. 2). Vergleichbare Pflichten bestehen für den Arzt, der eine Privatapotheke führt, nicht. Jeder Apotheke hat zudem grundsätzlich ein Apotheker als verantwortlicher Leiter vorzustehen (Art. 7 Abs. 1). Diese Aufgabe muss er hauptberuflich und persönlich wahrnehmen (Art. 13). Stellvertretungen sind nur mit Bewilligung des zuständigen Direktionssekretärs der Gesundheitsdirektion unter einschränkenden Bedingungen zulässig (Art. 14). Der Apotheker hat ferner folgende Arbeiten selbst vorzunehmen oder zu überwachen: a) alle Arbeiten im Bereich der Rezeptur, b) die Beratung des Publikums oder der Ärzteschaft in Heilmittelfragen, c) die Abgabe apothekenpflichtiger Heilmittel an das Publikum und d) heikle analytische und präparative Arbeiten im Labor (Art. 16 Abs. 2).
Aus dieser Regelung erhellt, dass der Kanton Bern nicht nur Wert auf ein gut ausgebautes Netz öffentlicher Apotheken legt, sondern - im Interesse einer optimalen medizinischen Versorgung der Bevölkerung - die Aufgaben zwischen Arzt und Apotheker aufteilt und die Tätigkeitsbereiche beider Berufe festlegt. Dabei erschöpfen sich die Aufgaben des Apothekers keineswegs in der Ausführung
BGE 118 Ia 175 S. 183
von Rezepten bzw. in der Abgabe von Heilmitteln. Die Beratungspflicht des Apothekers umfasst, wie angenommen werden darf, auch die Medikation in leichten Fällen. Das liegt durchaus im Interesse des Patienten, für den sich damit ein aufwendiger Gang zum Arzt erübrigt. Darüber hinaus ist der Apotheker aufgrund seiner Ausbildung in der Lage und verpflichtet, den Patienten an den Arzt zu weisen, wo sich das als notwendig erweist.
Ohne eine genügende Zahl öffentlicher Apotheken könnte diese Funktion des Apothekers aber nicht mehr sichergestellt werden. Wenn daher der Kanton Bern die Selbstdispensation durch Ärzte einschränkt, um damit eine regional gute Streuung öffentlicher Apotheken zu erreichen, so entspricht das durchaus einem öffentlichen Interesse. Eine Grundrechtsverletzung kann darin nicht erblickt werden.
d) Was der Beschwerdeführer einwendet, dringt nicht durch.
"Revisionsbedürftig" ist nach seiner Ansicht das vom Bundesgericht in
BGE 111 Ia 190
erwähnte Argument der Doppelkontrolle durch Arzt und Apotheker. Er übersieht indes, dass das Bundesgericht schon im damaligen Entscheid die Doppelkontrolle durch Arzt und Apotheker nicht als überaus gewichtiges Argument für eine Beschränkung der Selbstdispensation durch Ärzte betrachtet hat. Auch nach der Regelung im Kanton Bern steht nicht die Überwachung des Arztes durch den Apotheker bzw. die doppelte Kontrolle im Vordergrund.
Es trifft nicht zu, dass durch die Aufgabenteilung zwischen Arzt und Apotheker die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten an die Bevölkerung erschwert wird. Das Gegenteil ist der Fall. Im übrigen sind die Medizinalpersonen in jedem Fall berechtigt, Medikamente am Patienten unmittelbar anzuwenden sowie in Notfällen, bei Hausbesuchen und bei der Erstversorgung des Patienten abzugeben (Art. 29 Abs. 3 Gesundheitsgesetz), so dass auch die erstmalige oder die notfallmässige Versorgung mit Medikamenten sichergestellt ist.
Schliesslich ist auch nicht erwiesen, dass sich die Gesundheitskosten verringern würden, wenn die Selbstdispensation freigegeben würde, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Die Statistik über die Medikamentenkosten in Kantonen mit freier bzw. verbotener oder eingeschränkter Selbstdispensation (die der Beschwerdeführer übrigens erst im bundesgerichtlichen Verfahren und damit verspätet vorgelegt hat) berücksichtigt nicht die Beratung des Apothekers, die keine direkt wirksamen Kosten für das Gesundheitswesen entstehen lässt (so bereits das Urteil des aargauischen Verwaltungsgerichts vom 28. Oktober 1986, ZBl 89/1988 S. 58).
BGE 118 Ia 175 S. 184
4.
Die durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigte Beschränkung der Selbstdispensation ist nicht unverhältnismässig.
Dem Beschwerdeführer ist es nicht verwehrt, Medikamente bereitzuhalten und unmittelbar beim Patienten anzuwenden oder bei Hausbesuchen sowie in Notfällen abzugeben (Art. 29 Abs. 3 Gesundheitsgesetz). Voraussetzung für eine Beschränkung des Rechts zur Selbstdispensation ist auch nicht, dass eine bestimmte Apotheke im näheren Umkreis der betreffenden Arztpraxis in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet erscheint, wie der Beschwerdeführer meint. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Selbstdispensation durch Ärzte im allgemeinen zu einer Abnahme der Zahl der Apotheken führt. In dieser Hinsicht besteht klarerweise ein Zusammenhang in dem Sinne, als bei Selbstdispensation die Zahl der Apotheken pro Einwohnerzahl geringer ist (
BGE 111 Ia 189
E. 4b). Im übrigen betrifft das Verbot zur Führung einer Privatapotheke nicht die Haupttätigkeit des Beschwerdeführers als Arzt, so dass auch in dieser Hinsicht nicht von einer unverhältnismässigen Massnahme gesprochen werden kann. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b1f4a30c-b399-496b-bb42-f63e4c7feafb | Urteilskopf
115 IV 175
40. Urteil des Kassationshofes vom 21. September 1989 i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB
; Einziehung von Drogenerlös.
Die Einziehung kann sich nicht nur gegen den Täter selber oder einen Teilnehmer richten, sondern unter Umständen auch gegen eine Drittperson, die einen Vorteil aus einem von einem anderen begangenen Delikt erlangt hat (E. 2b/aa).
Geld, das als Bezahlung für eine tatsächlich erbrachte Leistung und ohne Kenntnis des kriminellen Hintergrundes von einer Drittperson entgegengenommen worden ist, kann bei dieser Drittperson nicht eingezogen werden (E. 2b/bb).
Ob und inwieweit dem Betroffenen im Falle einer nachträglich ungerechtfertigten Vermögensbeschlagnahme ein Zins zusteht, beurteilt sich nach den Regeln betreffend Schadenersatz für ungerechtfertigte strafprozessuale Massnahmen, soweit es nicht um laufende, von der Vermögensbeschlagnahme ebenfalls erfasste Zinserträge geht (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 176
BGE 115 IV 175 S. 176
Der Uhrenhändler X. erhielt von Y. am 13. bzw. 16. Mai 1983 zwei Geldüberweisungen über insgesamt Fr. 350'000.-- auf sein Konto bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) Biel, welche mit Valuta vom 16. bzw. 18. Mai 1983 gutgeschrieben wurden und die erwiesenermassen aus einem Drogenhandel des Y. stammten. Am 17. Mai 1983 eröffnete die Untersuchungsrichterin I von Biel gegen den Uhrenhändler eine Strafuntersuchung wegen vermuteter Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel (BetmG). Am 19. Mai 1983 ersuchte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das Polizeikommando Bern, alle Konten des X. bei der SKA zu sperren, was gleichentags durch Verfügung der
BGE 115 IV 175 S. 177
Untersuchungsrichterin geschah. Schliesslich wurden die Fr. 350'000.-- am 14. Juni 1983 beschlagnahmt.
Der zunächst bestehende Verdacht, X. sei aktiv an Heroingeschäften beteiligt gewesen oder er habe bei seinen Transaktionen zumindest Kenntnis davon gehabt, dass ein Teil des Geldes Erlös aus Drogengeschäften gewesen sei, bestätigte sich nicht. Die Untersuchungsrichterin II von Biel beantragte deshalb am 1. November 1988 dem Bezirksprokurator des Seelandes, die gerichtliche Strafverfolgung aufzuheben; die beschlagnahmten Fr. 350'000.-- seien jedoch gemäss
Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB
einzuziehen, da das Geld aus Heroingeschäften stamme. Der Staatsanwalt des Seelandes stimmte diesem Antrag am 9. November 1988 bei.
X. rekurrierte (unter anderem) gegen die Einziehungsverfügung. Die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern hiess den Rekurs am 17. März 1989 in einem hier nicht interessierenden Punkt gut und wies ihn im übrigen insbesondere in bezug auf die Einziehung der Fr. 350'000.-- ab.
Mit der vorliegenden eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beantragt X., der Entscheid der Anklagekammer sei hinsichtlich der Anwendung von
Art. 58 StGB
aufzuheben und die Sache zur vorbehaltlosen Freigabe der Fr. 350'000.-- inklusive eines Zinses von 3,5% ab dem 10. Juni 1983 an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB
verfügt der Richter ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten, die durch eine strafbare Handlung hervorgebracht oder erlangt worden sind, an oder mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde oder die zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt waren, soweit die Einziehung zur Beseitigung eines unrechtmässigen Vorteils oder Zustandes als geboten erscheint.
Es ist unbestritten, dass es sich bei den heute in Frage stehenden Fr. 350'000.-- um Geld handelt, das Y. bei Heroingeschäften eingenommen hatte. Folglich steht auch fest, dass der Vermögenswert durch strafbare Handlungen des Y. erzielt worden ist. Ebenfalls unbestritten ist, dass es sich bei der Gutschrift auf einem Bankkonto um einen grundsätzlich einziehbaren Vermögenswert
BGE 115 IV 175 S. 178
handelt (
BGE 110 IV 8
f.; STRATENWERTH, AT II, § 14 N. 49; TRECHSEL, Kurzkommentar, N. 5 zu Art. 58). Insoweit sind die Voraussetzungen der Einziehung des auf dem Konto des Beschwerdeführers befindlichen Vermögenswertes gemäss
Art. 58 StGB
gegeben.
2.
a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschlagnahme sei ausdrücklich "zum Verfahren Y." erfolgt;
Art. 58 StGB
beziehe sich ausschliesslich auf die Einziehung bei Tätern oder Teilnehmern, deren Tathandlung allerdings nicht unbedingt zu einer Strafe führen müsse; er sei demgegenüber weder Täter noch Teilnehmer gewesen, weshalb er als "Dritter" angesehen werden und
Art. 58bis StGB
zum Zuge kommen müsse. Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, die Zahlung der Fr. 350'000.-- habe keinen unrechtmässigen Vorteil für ihn bewirkt, da der Betrag - nach der eigenen Feststellung der Vorinstanz - eine Zahlung für gelieferte Uhren dargestellt habe.
b) aa) Die in Frage stehenden Fr. 350'000.-- waren bereits dem Konto des Beschwerdeführers gutgeschrieben, als sie beschlagnahmt wurden, weshalb die Vorinstanz zu Recht von einem Anwendungsfall von
Art. 58 Abs. 1 StGB
ausging. Nach dieser Bestimmung wird die Einziehung der Vermögenswerte ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person verfügt. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Täter eine vom Gesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen hat. Die Einziehung kann sich hingegen nicht nur gegen den Täter selber oder einen Teilnehmer richten, sondern unter Umständen auch gegen eine Drittperson, die einen Vorteil aus einem von einem anderen begangenen Delikt erlangt hat (GAUTHIER, in Lebendiges Strafrecht, Festgabe für Hans Schultz, Bern 1977, S. 369; SCHULTZ, AT II, S. 209; REHBERG, Strafrecht II, 3. Aufl., S. 85; vgl. auch STRATENWERTH, AT II, § 14 N. 76). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung, insbesondere auch in seiner französischen Fassung ("Alors même qu'aucune personne déterminée n'est punissable, le juge prononcera ..."). Der Vermögensvorteil muss jedoch ein unrechtmässiger sein und die Einziehung zur Beseitigung dieses unrechtmässigen Vorteils als geboten erscheinen (
Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB
).
bb) Im vorliegenden Fall hat Y. durch den Verkauf der Betäubungsmittel eine vom Gesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen. In der Folge überwies er den Erlös auf ein Konto des Beschwerdeführers. Dieser hat somit durch die Gutschrift auf seinem Konto
BGE 115 IV 175 S. 179
einen Vorteil aus dem von Y. begangenen Betäubungsmittelhandel erlangt. Nach den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Behörden stellte das beschlagnahmte Geld eine Gegenleistung für tatsächlich vom Beschwerdeführer in die Türkei gelieferte Uhren dar; weiter ist davon auszugehen, dass er nicht um die kriminelle Herkunft des Geldes wusste.
Bei dieser Sachlage verhält es sich prinzipiell wie bei jedem Verkäufer, der einem von ihm nicht als solchen erkannten Drogenhändler einen Gegenstand verkauft, ohne zu wissen, dass das als Bezahlung entgegengenommene Geld aus dem Betäubungsmittelhandel stammt. Es ist ausgeschlossen, dass in derartigen Fällen das Geld, das als Bezahlung für eine tatsächlich erbrachte Leistung und ohne Kenntnis des kriminellen Hintergrundes entgegengenommen worden ist, vom Staat eingezogen werden könnte. Nach der Ansicht von STRATENWERTH und REHBERG endet die Unrechtmässigkeit des Vorteils durch den gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten (STRATENWERTH, AT II, § 14 N. 56; REHBERG, Strafrecht II, S. 85); dies muss ohne Zweifel jedenfalls dann gelten, wenn der Erwerber wegen einer von ihm erbrachten Gegenleistung einen Anspruch auf das Erworbene hat. Es kann nicht Sinn und Zweck der Einziehung sein, in Rechte von Dritten einzugreifen, die einen Vermögenswert durch ein legales Rechtsgeschäft und ohne das Bewusstsein, er sei krimineller Herkunft, erworben haben. In einem solchen Fall kann von einem unrechtmässigen Vermögensvorteil nicht gesprochen werden. Indem die Vorinstanz den Geldbetrag von Fr. 350'000.-- mit der Bestimmung, dass er dem Staat verfalle, einzog, verletzte sie Bundesrecht.
Ob bei einem nachgewiesenen Umgehungsgeschäft anders zu entscheiden wäre, kann offenbleiben, weil die Vorinstanz ein solches zumindest implizite ausgeschlossen hat.
Weil der Geldbetrag bei Y., der durch ihn einen unrechtmässigen Vermögensvorteil erlangt hat und bei dem er einzuziehen wäre, nicht mehr vorhanden ist, wird allenfalls diesem gegenüber und im Verfahren gegen ihn eine Ersatzforderung des Staates gemäss
Art. 58 Abs. 4 StGB
festzulegen sein.
3.
Der Beschwerdeführer beantragt die Zusprechung eines Zinses auf den seit dem 14. Juni 1983 beschlagnahmten Fr. 350'000.--. Die Beschlagnahme dieses Vermögenswertes stellte eine vorläufige strafprozessuale Massnahme dar, die vom kantonalen Recht beherrscht wird. Soweit die Beschlagnahme nicht nur den Vermögenswert von Fr. 350'000.-- betroffen haben sollte,
BGE 115 IV 175 S. 180
sondern überdies die daraus entstehenden laufenden Zinserträge, wären diese zusammen mit dem beschlagnahmten Betrag freizugeben. Im übrigen ist die Frage, ob und inwieweit dem Beschwerdeführer ein Zins zusteht, nach den Regeln betreffend Schadenersatz für nachträglich ungerechtfertigte strafprozessuale Massnahmen zu beurteilen. Diese Regeln ergeben sich nicht aus dem eidgenössischen materiellen Recht; vielmehr ist die Frage aufgrund des kantonalen Rechts, gegebenenfalls unter Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze, zu prüfen. Das Zinsbegehren ist deshalb abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1f505d0-9574-4621-82a0-dd604f33f48b | Urteilskopf
119 II 249
50. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Juli 1993 i.S. D. gegen T. (Berufung) | Regeste
Architektenvertrag; Haftung für Überschreitung des Kostenvoranschlags (
Art. 398 Abs. 2 OR
).
Wird die vereinbarte Bausumme infolge eines ungenauen Kostenvoranschlags überschritten, haftet der Architekt bei Verschulden für den dem Bauherrn dadurch entstandenen Vertrauensschaden. Dieser Schaden errechnet sich aus der Differenz zwischen den effektiven Erstellungskosten und dem subjektiven Wert der Baute, der sich aufgrund der Vertragsgrundlage ergibt. | Sachverhalt
ab Seite 249
BGE 119 II 249 S. 249
A.-
Die Parteien schlossen am 24. September 1984 einen Architektenvertrag nach SIA-Formular ab. Darin übertrug T., Bauherr (Kläger), an D., Architekt (Beklagter), "für die Planung des Einfamilienhauses mit Atelierhaus in Siglistorf AG die Architekturarbeiten (Vorprojekt, Bauprojekt, Detailstudien, Kostenvoranschlag, Ausführungspläne, Ausschreibung, Oberleitung der Bauausführung, Rechnungswesen und örtliche Bauführung) gemäss Skizzen und approximativer Kostenberechnung, datiert vom 15. Juli 1984". Die Parteien vereinbarten ein Pauschalhonorar von Fr. 64'000.--,
BGE 119 II 249 S. 250
zahlbar in vier Raten. Die voraussichtlichen Baukosten betrugen Fr. 650'000.--; vorgesehener Fertigstellungstermin war Herbst 1985. Kostenüberschreitungen durch den Architekten sollten dem Bauherrn aufgrund der Submissionsunterlagen sofort mitgeteilt und durch Kürzung des Bauprogramms aufgefangen werden.
Der Beklagte erstellte am 12. Februar 1985 aufgrund der Baueingabepläne vom 22. Oktober 1984, der Unternehmerofferten sowie der Referenzpreise (Stand 1984/1985) einen detaillierten Kostenvoranschlag mit Gesamtkosten von Fr. 705'000.--. Gestützt darauf reichte der Kläger ein Finanzierungsgesuch bei der Aargauischen Kantonalbank Baden ein.
B.-
Am 2. April 1985 erhielt der Kläger die Baubewilligung, worauf am 3. Juni 1985 mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Am 24. Juni 1985 teilte der Beklagte dem Kläger schriftlich mit, der Kostenvoranschlag werde um ca. Fr. 100'000.-- überschritten. In der Folge kam es zu Differenzen zwischen den Parteien, was dazu führte, dass der Beklagte seine Verpflichtungen per 20. Januar 1986, 10.15 Uhr, einstellte und jegliche weitere Verantwortung und Haftung ab diesem Zeitpunkt ablehnte. Mit Schreiben vom 29. Januar 1986 wies der Kläger die Schlussrechnung und die Vorgehensweise des Beklagten zurück. Ab dem Zeitpunkt des Rücktritts des Architekten führte der Kläger die Bauleitung selbst. Das Haus war im März 1986 bezugsbereit, fertiggestellt indessen erst im September 1986. Die Bauabrechnung wies am Schluss eine Gesamtsumme von Fr. 1'415'985.10 auf. Der Kläger bestritt einen Teil der Bauunternehmerrechnung, der Rechnung des Beklagten sowie anderer Rechnungen. Nach seiner Auffassung fiel von der gesamten Kostenüberschreitung von Fr. 710'985.10 (Fr. 1'415'985.10)./. Fr. 705'000.--) lediglich ein Anteil von Fr. 116'781.50 zu seinen Lasten. Die darüber hinausgehende Summe von Fr. 594'203.60 lastete er dem Beklagten an.
C.-
Am 20. Oktober 1986 klagte T. vor Bezirksgericht Frauenfeld und verlangte, D. sei zu verpflichten, ihm Fr. 345'179.35 nebst Zins zu bezahlen. Nach Einholung eines Gutachtens vom 27. Mai 1988, der Erläuterung dazu vom 12. Oktober 1988 sowie der Befragung verschiedener Zeugen hiess das Bezirksgericht mit Urteil vom 15. Mai 1991 die Klage im Umfang von Fr. 108'981.50 nebst Zins gut.
Eine Berufung des Beklagten und Anschlussberufung des Klägers wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 24. März 1992 ab und schützte die Klage im selben Betrag.
BGE 119 II 249 S. 251
D.-
Das Bundesgericht weist die vom Beklagten gegen das obergerichtliche Urteil eingelegte Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
3.
Der Beklagte rügt, die Vorinstanz gehe von einem falschen Schadensbegriff aus, wenn sie den Schaden als Differenz zwischen dem detaillierten Kostenvoranschlag und den effektiven Kosten, das heisst als Mehrkosten, berechne. Er hafte lediglich für die Ungenauigkeit der Kostenberechnung, weshalb er dem Kläger nur den Vertrauensschaden zu ersetzen habe. Ein solcher Schaden sei dem Kläger jedoch nicht entstanden, da zwischen dem Vermögensstand, den er ohne enttäuschtes Vertrauen auf den Kostenvoranschlag auswiese, und dem aktuellen Vermögensstand keine Differenz bestehe.
a) Die Bemessung des Schadens ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich eine vom kantonalen Richter abschliessend zu beurteilende Tatfrage. Rechtsfrage und vom Bundesgericht im Berufungsverfahren zu prüfen ist einzig, ob der kantonale Richter den Rechtsbegriff des Schadens verkannt (
BGE 116 II 486
E. 4a) oder Rechtsgrundsätze der Schadensberechnung verletzt hat (
BGE 117 II 628
E. 12a,
BGE 116 II 444
E. 3a, je mit Hinweisen).
b) Nach
Art. 398 Abs. 2 OR
, welche Bestimmung auf das vorliegende Vertragsverhältnis anzuwenden ist, haftet der Beauftragte dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäfts. Er hat zum Nutzen und nicht zum Schaden des Auftraggebers zu handeln. Namentlich hat der beauftragte Architekt einen Kostenvoranschlag sorgfältig zu erstellen und die Baukosten ständig daraufhin zu überprüfen, ob sie sich im Rahmen des Voranschlags halten (
BGE 108 II 198
E. a, mit Hinweisen).
aa) Im Rahmen der Haftung des Architekten bei Überschreitung des Kostenvoranschlags ist zwischen der Haftung für verursachte Zusatzkosten und jener für Bausummenüberschreitung, das heisst für die Überschreitung der durch Kostenvoranschlag berechneten Bausumme, zu unterscheiden. Der Grund für die Bausummenüberschreitung - wie sie hier vorliegt - besteht darin, dass die vom Architekten erstellte Kostenberechnung ungenau war. Die Ungenauigkeit des Voranschlags kann sich etwa ergeben aus dem Nichtberücksichtigen von Einzelleistungen, aus einem Rechnungsfehler,
BGE 119 II 249 S. 252
der mangelhaften Abklärung des Baugrunds, dem falschen Abschätzen der erforderlichen Leistungsmengen, des Umfangs von Regiearbeiten oder der erwarteten Preise (GAUCH, Überschreitung des Kostenvoranschlages - Notizen zur Vertragshaftung des Architekten (oder Ingenieurs), BR 1989, S. 79 ff., 80). Nach zutreffender Auffassung stellt ein ungenauer Kostenvoranschlag - wobei dem Architekten mit Rücksicht auf die damit verbundenen Unsicherheiten eine Toleranzgrenze zugebilligt wird - eine unrichtige Auskunft des Architekten über die zu erwartenden Baukosten dar. Es liegt eine Schlechterfüllung des Vertrags vor, wofür der Architekt bei Verschulden haftet. Nach GAUCH (a.a.O., S. 81) richtet sich die Haftung für Falschauskunft auf den Ersatz des "Vertrauensschadens", der dem Bauherrn daraus erwächst, dass er auf die Richtigkeit des Kostenvoranschlags vertraut und dementsprechend seine Dispositionen getroffenen hat. Dieser Schaden kann namentlich darin bestehen, dass das Bauwerk auf billigere Weise hätte realisiert werden können.
bb) Bei der Ermittlung des Schadens kann diesfalls nicht auf den Mehrwert der Baute, den diese durch die Kostenüberschreitung erfahren hat, abgestellt werden. Die Anrechnung des vollen Mehrwerts bedeutete eine Benachteiligung des Bauherrn, soweit dieser den Mehrwert nicht gewollt hat. Es kann für die Schadensberechnung infolgedessen nicht einfach die objektive Wertsteigerung der gesamten Liegenschaft in Anschlag gebracht werden, sondern es ist von einem subjektiven Wert, den die Baute für den betreffenden Bauherrn aufweist, auszugehen (vgl. unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 8. Oktober 1992 i.S. C. gegen la société en commandite R., E. 2a; RAINER SCHUMACHER, Die Haftung des Architekten aus Vertrag, in Das Architektenrecht, N. 677 S. 191). Der Schaden des Bauherrn, den dieser durch die Überschreitung des Kostenvoranschlags erleidet und der mit GAUCH (a.a.O.) als Vertrauensschaden zu bezeichnen ist, entspricht daher nicht dem objektiven Minderwert der Baute, sondern ergibt sich aus der Differenz zwischen den effektiven Erstellungskosten und dem subjektiven Wert der Baute. Er stellt die vertragsbezogene Verschlechterung der Vermögenslage des Bauherrn dar. Zur Berechnung des Schadens ist dabei immer von der Vertragsgrundlage auszugehen. Wird während der Bauausführung von dieser vertraglichen Vereinbarung abgewichen, stellen die dadurch verursachten Mehraufwendungen einen subjektiven Schaden des Bauherrn dar. Dazu gehören auch solche Mehrkosten, die nicht vom Bauherrn verursacht und vom Architekten
BGE 119 II 249 S. 253
pflichtwidrig nicht vorausgesehen wurden. Der Architekt haftet indessen nicht für Mehrkosten für Unvorhersehbares.
Diese Grundsätze der Schadensberechnung ergeben sich auch aus sinngemässer Anwendung von
Art. 672 Abs. 3 ZGB
, wonach es nicht auf die objektive Wertsteigerung, die das Grundstück durch den Bau bzw. die Kostensteigerung erfahren hat, ankommt, sondern einzig auf das persönliche Interesse des Grundeigentümers an dem Bau (BK-MEIER-HAYOZ, N. 18 zu
Art. 672 ZGB
; vgl. auch
BGE 99 II 149
E. c). Ein Mehrwert, der vom Bauherrn nicht gewollt und für ihn nutzlos ist oder dessen Berücksichtigung zu einer untragbaren finanziellen Belastung des Bauherrn führt, ist daher von der Anrechnung auszunehmen (GAUCH, a.a.O., S. 85).
Nach dem Gesagten errechnet sich der Vertrauensschaden daher aus der Differenz zwischen den objektiven Erstellungskosten und dem subjektiven Wert der Baute, der sich aufgrund der Vertragsgrundlage ergibt. Ist die Berechnung des subjektiven Mehrwerts für den betroffenen Bauherrn unmöglich, bedürfen die Existenz und das Ausmass des Mehrwerts der Schätzung des Richters gemäss
Art. 42 Abs. 2 OR
(SCHUMACHER, a.a.O., N. 679 S. 192).
c) Das Obergericht wendet die oben dargelegten Grundsätze an und berücksichtigt, dass nicht einfach auf den objektiven Sachwert abgestellt werden kann. Es geht gestützt auf die Expertise von effektiven Erstellungskosten von Fr. 1'351'526.85 und einem objektiven Gegenwert von Fr. 1'331'276.85 aus, der sich aus den effektiven Baukosten, abzüglich der nicht wertvermehrenden Investition von Fr. 20'250.-- ergebe. Die Kosten, von denen der Kläger aufgrund des Kostenvoranschlags und der gewünschten Mehrleistungen auszugehen hatte, beziffert es mit Fr. 1'085'600.--. Diese Summe setzt sich wie folgt zusammen: Kosten gemäss Kostenvoranschlag von Fr. 705'000.--, Toleranzzuschlag von Fr. 70'500.--, Eigenleistungen des Bauherrn von Fr. 7'700.-- und Mehrleistungen von Fr. 302'400.--. Ebenfalls zu den vom Bauherrn zu vertretenden Kosten rechnet es einen Betrag für diverse Arbeiten von Fr. 28'963.85, die nicht als Mehrleistungen zu qualifizieren seien, sowie einen Teil des Architektenhonorars von Fr. 19'000.--. Es lastet dem Kläger infolgedessen einen Betrag von insgesamt Fr. 1'133'563.85 an. Den Schaden ermittelt die Vorinstanz in der Differenz zwischen den effektiven Erstellungskosten von Fr. 1'351'526.85 und den zu Lasten des Bauherrn fallenden Kosten von Fr. 1'133'563.85 mit Fr. 217'963.--. Da beide Parteien an der Verursachung der Mehrkosten mitschuldig seien, halbiert sie den ermittelten Schadensbetrag
BGE 119 II 249 S. 254
und verpflichtet den Beklagten zur Bezahlung von Fr. 108'981.50.
Diese Schadensberechnung der Vorinstanz ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Das Obergericht geht richtigerweise nicht vom objektiven Wert des Hauses aus, sondern rechnet dem Kläger den subjektiven, einen auf der Vertrauensbasis gemäss Vertrag beruhenden Mehrwert an. Der Kläger plante ein Einfamilienhaus mit Atelier für Fr. 650'000.--. Gemäss detailliertem Kostenvoranschlag vom 12. Februar 1985 sollte es Fr. 705'000.-- kosten. Berücksichtigt man eine Toleranzgrenze von 10%, ergibt sich ein Betrag von Fr. 775'500.-- bzw. von Fr. 783'200.-- unter Hinzurechnung von Eigenleistungen. Von diesem Höchstbetrag musste der Kläger bei Baubeginn ausgehen. Werden zu dieser Summe die vom Kläger zu vertretenden Mehrleistungen von Fr. 302'400.-- addiert, ergibt sich ein Betrag von Fr. 1'085'600.--. Dieser Betrag ist als subjektiver Wert zu verstehen, den das Haus für den Kläger aufweist. Es ist daher nicht bundesrechtswidrig, wenn das Obergericht diesem subjektiven Wert die effektiven Baukosten von Fr. 1'351'526.85 abzüglich einzelner Positionen (Fr. 28'963.85 für diverse Arbeiten und Fr. 19'000.-- an Architektenhonorar) gegenüberstellt und die Differenz von Fr. 217'963.-- als Schaden bezeichnet. Überdies ist festzuhalten, dass die einzelnen Positionen, namentlich der Wert des Hauses, vom Beklagten nicht bzw. nicht substantiiert bestritten werden. Die Rüge erweist sich daher als unbegründet.
d) Aus den oben dargelegten Gründen ist auch das Eventualvorbringen des Beklagten unbegründet, wonach dem Kläger insofern kein Schaden entstanden sei, als sämtliche Leistungen wertvermehrend gewesen seien, mit Ausnahme von Fr. 20'250.--, welche die Vorinstanz als nicht wertbildende Investitionen bezeichne und die ebenfalls nicht in seinen Verantwortungsbereich fielen. Der Kläger habe sich den vollen Mehrwert des Hauses anrechnen zu lassen. Nach dem Gesagten ist vom subjektiven Mehrwert des Hauses auszugehen, da es unbillig wäre, dem Bauherrn die gesamte, ihm aufgedrängte Mehrwertsteigerung als Vorteil anzurechnen. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1f92461-c606-4efc-8819-afc768dab237 | Urteilskopf
113 II 179
33. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1987 i.S. Treuhand AG Bern TAK-Immobilien gegen Handelsregisteramt Bern und Justizdirektion des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 944 Abs. 1 OR
,
Art. 38 Abs. 1 HRegV
; Firmenwahrheit.
Ortsbezeichnung als Bestandteil einer Firma. Unzulässige Beibehaltung bei Sitzverlegung, wenn die Bezeichnung auf den Sitz der Gesellschaft hinweist (E. 2). | Erwägungen
ab Seite 179
BGE 113 II 179 S. 179
Wird in Erwägung gezogen:
1.
Die Treuhand AG Bern TAK-Immobilien verlegte ihren Sitz von Bern nach Wabern, Gemeinde Köniz. Sie meldete am 21. August 1986 die Sitzverlegung dem Handelsregisteramt Bern zum Eintrag an. Mit Verfügung vom 9. September 1986 wies der Handelsregisterführer die Anmeldung zurück, weil die Beibehaltung der Ortsbezeichnung "Bern" als Bestandteil der Firma dem Grundsatz der Firmenwahrheit (
Art. 944 OR
) widerspreche. Die Treuhand AG Bern TAK-Immobilien führte dagegen Beschwerde; die Justizdirektion des Kantons Bern wies diese am 1. Dezember 1986 ab und forderte die Beschwerdeführerin auf, gestützt auf die vollzogene Sitzverlegung die Firma entsprechend abzuändern und ohne die Ortsbezeichnung "Bern" eintragen zu lassen.
Die Treuhand AG Bern TAK-Immobilien führt gegen diesen Beschwerdeentscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des Handelsregisteramts vom 9. September 1986 aufzuheben und dieses anzuweisen, die Sitzverlegung in die
BGE 113 II 179 S. 180
Gemeinde Köniz unter Beibehaltung der Firma "Treuhand AG Bern TAK-Immobilien" einzutragen. Die Justizdirektion des Kantons Bern und das Eidgenössische Amt für das Handelsregister schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
2.
Nach
Art. 944 OR
sind nur Firmen zulässig, deren Inhalt der Wahrheit entspricht, keine Täuschungen verursachen kann und keinem öffentlichen Interesse zuwiderläuft (Abs. 1). Damit übereinstimmend verlangt
Art. 38 Abs. 1 HRegV
für alle Eintragungen im Handelsregister, dass sie wahr sein müssen, keine Täuschungen veranlassen und keinem öffentlichen Interesse widersprechen dürfen.
Ob eine Firma täuschend wirkt, ist nach dem Eindruck zu entscheiden, den sie beim Durchschnittsleser hervorruft (
BGE 100 Ib 243
E. 4). Unter diesem Gesichtspunkt kann nach den Vorinstanzen und dem Eidgenössischen Amt für das Handelsregister die Ortsangabe "Bern" in der Firma der Beschwerdeführerin nur als Hinweis auf deren Sitz aufgefasst werden. Das bestreitet die Beschwerdeführerin und meint, der Durchschnittsleser gelange vielmehr zur Auffassung, dass es sich dabei um eine Gesellschaft in oder um Bern "als geografische Einheit" handeln müsse. Dieser Einwand läuft darauf hinaus, mit der Ortsbezeichnung Bern sei eine regionale oder territoriale Bezeichnung gemeint. Eine solche bedarf indes einer Ausnahmebewilligung, die nur in Frage kommt, wenn besondere Umstände sie rechtfertigen (
Art. 944 Abs. 2 OR
,
Art. 46 HRegV
). Das trifft zu, wenn ein schutzwürdiges Interesse besteht, die Bezeichnung insbesondere der Individualisierung des Unternehmens durch ein Element dient, das sie objektiv von anderen unterscheidet (
BGE 104 Ib 265
f. E. 2 mit Hinweisen). Solche Umstände tut die Beschwerdeführerin nicht dar. Die Bezeichnung kann demnach nur als Hinweis auf den Sitz verstanden werden, für welchen die politische Gemeinde massgebend ist (
BGE 94 I 566
E. 4). Durch die Sitzverlegung nach Wabern in die Gemeinde Köniz wird deshalb die Bezeichnung "Bern" unwahr. Sie ist zudem täuschend; dass der Durchschnittsleser nach der Darstellung der Beschwerdeführerin in der falschen Vorstellung befangen sei, Wabern gehöre zur Gemeinde Bern, ändert daran nichts.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b1fa8499-5ed5-422c-8343-af6fc7c88d7a | Urteilskopf
114 Ia 111
19. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Juni 1988 i.S. Lüscher gegen Staatsanwaltschaft und Kantonsgericht des Kantons Freiburg (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
, gesetzliche Grundlage; Sportlagerobligatorium (Art. 1 Abs. 2 VO Turnen und Sport).
Die Verpflichtung zur Teilnahme an Sportlagern (Art. 1 Abs. 2 VO Turnen und Sport) geht über die Zielsetzung eines ausreichenden Turn- und Sportunterrichts (Art. 2 BG Turnen und Sport) hinaus, und genügt daher als Grundlage für eine Bestrafung wegen Schulversäumnis nicht. | Sachverhalt
ab Seite 111
BGE 114 Ia 111 S. 111
Bernhard Lüscher wurde am 9. Juni 1987 vom Oberamtmann des Seebezirks zu einer Busse von Fr. 60.-- verurteilt, weil sein Sohn Christian Lüscher dem obligatorisch erklärten Skilager der Schule Kerzers vom 16. bis zum 21. Februar 1987 fernblieb.
Eine Strafkassationsbeschwerde wies das Kantonsgericht des Kantons Freiburg mit Urteil vom 26. Oktober 1987 ab.
Mit Eingabe vom 7. Januar 1988 erhebt Bernhard Lüscher fristgerecht staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht heisst diese gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Nach Art. 5 Abs. 2 des freiburgischen Staatsratsbeschlusses vom 29. September 1975 betreffend die Schulversäumnisse von Schülern, die der Schulpflicht unterstellt sind, können Eltern eines Schülers, die für eine ungerechtfertigte Abwesenheit von der Schule verantwortlich sind, mit einer Busse bestraft werden. Streitig ist vorliegend einzig, ob das Kantonsgericht ohne Verstoss gegen die Bundesverfassung annehmen konnte, das Skilager, an dem der
BGE 114 Ia 111 S. 112
Sohn des Beschwerdeführers nicht teilgenommen hatte, unterliege dem Schulobligatorium.
2.
Das Kantonsgericht erblickt die gesetzliche Grundlage für ein Sportlagerobligatorium im Bundesrecht.
a) Unter dem Titel "Obligatorischer Turn- und Sportunterricht an Volks- und Mittelschulen" sieht Art. 1 der vom Bundesrat erlassenen Verordnung zum Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport vom 26. Juni 1972 (VO Turnen und Sport; SR 415.01) vor, dass an den Volks- und Mittelschulen in der Woche mindestens drei Stunden Turn- und Sportunterricht zu erteilen ist (Abs. 1) und zudem Sporthalbtage, Sporttage und Sportlager durchgeführt werden sollen (Abs. 2).
Art. 1 Abs. 2 VO Turnen und Sport verlangt von den Kantonen - anders als beim wöchentlichen Turn- und Sportunterricht - die Durchführung von Sportlagern nicht zwingend. Sportlager "sollen", müssen aber nicht veranstaltet werden. Werden allerdings Sportlager durchgeführt, so sind sie für die Schüler obligatorisch. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung der Bestimmung unter dem Titel "Obligatorischer Turn- und Sportunterricht an Volks- und Mittelschulen". Hätte der Bundesrat die Teilnahme freiwillig erklären wollen, wäre die entsprechende Bestimmung unter dem Titel "Freiwilliger Schulsport" (Art. 6-8 VO Turnen und Sport) aufgeführt worden.
b) Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, die VO Turnen und Sport, die sich auf das Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport vom 17. März 1972 (BG Turnen und Sport; SR 415.0) stützt, gehe - sofern sie ein Sportlagerobligatorium vorsehe - über den Rahmen des Gesetzes hinaus.
Nach Art. 2 BG Turnen und Sport sorgen die Kantone für ausreichenden Turn- und Sportunterricht (Abs. 1), wobei dieser an allen Volks-, Mittel- und Berufsschulen einschliesslich Seminaren und Lehramtsschulen obligatorisch ist (Abs. 2). Art. 16 Abs. 2 des Gesetzes beauftragt den Bundesrat mit dem Erlass der erforderlichen Ausführungsvorschriften.
Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber erklärtermassen "aus Gründen der Flexibilität" die Zahl der zu unterrichtenden Stunden der bundesrätlichen Verordnung vorbehalten. Gedacht wurde dabei an den wöchentlichen Turnunterricht, wobei vom Bundesrat in Aussicht gestellt wurde, diesen auf drei Stunden festzulegen (BBl 1971 II 796). In der parlamentarischen Beratung wurde denn auch positiv vermerkt, dass der Gesetzesentwurf auf
BGE 114 Ia 111 S. 113
Obligatorien weitgehend verzichte (Voten Bommer und Bräm: Amtl.Bull. 1972 N 1623, 1627); vom Berichterstatter der nationalrätlichen Kommission wurde bestätigt, dass ein obligatorischer Turnunterricht von drei Stunden je Woche vorgesehen sei (Amtl.Bull. 1972 N 1621). Daraus folgt, dass der Bundesrat nicht ermächtigt werden sollte, beliebigen Turn- und Sportunterricht obligatorisch zu erklären. Vielmehr hat er in der Verordnung nach der gesetzgeberischen Ordnung lediglich näher zu umschreiben, was unter "ausreichendem" Turn- und Sportunterricht zu verstehen ist. Massgebend ist hiefür der Aspekt der Volksgesundheit, deren Gefährdung durch die heutige Lebensweise Anlass zur bundesrechtlichen Regelung war (BBl 1971 II 790). Die Verpflichtung zur Teilnahme an Sportlagern, zusätzlich zu den in der Verordnung des Bundesrates festgesetzten und in der parlamentarischen Beratung als ausreichend erachteten drei wöchentlichen Turnstunden, geht über die gesetzliche Zielsetzung hinaus. Mithin reicht Art. 1 Abs. 2 VO Turnen und Sport als Grundlage nicht aus, um das Fernbleiben von einem durch den Kanton Freiburg durchgeführten Sportlager mit einer Busse zu ahnden (keine Strafe ohne Gesetz).
c) Die Bundesgesetzgebung bezweckt die Förderung von Turnen und Sport. Daraus ergibt sich, dass nicht eine abschliessende Regelung getroffen wurde, den Kantonen vielmehr unbenommen ist, Turnen und Sport weitergehend zu fördern als dies vom Bund verlangt wird. Soweit damit ein Sportlagerobligatorium verbunden sein soll, bedarf es dazu einer Grundlage im kantonalen Recht.
Das Kantonsgericht stützt seine Auffassung, wonach Sportlager für die Schüler obligatorisch seien, allein auf Bundesrecht und macht nicht geltend, das freiburgische Recht sehe ein Obligatorium vor. Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen, und das angefochtene Urteil aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b1fb4460-098a-4f5b-a777-6fdba482e4fc | Urteilskopf
89 IV 160
32. Urteil des Kassationshofes vom 24. Mai 1963 i.S. Schweiz. Bundesanwaltschaft gegen Schwegler, Eberle und Denis. | Regeste
Art. 284 BStP
, 76 Ziff. 2. und 110 Abs. 2 ZG, 124 Abs. 1 VV zum ZG.
1. Verjährung von Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze gemäss
Art. 284 BStP
. Die Frist zur Verjährung der Strafverfolgung ruht während des Verfahrens zur Festsetzung des Zollbetrages auch bei Bannbruch im Sinne von
Art. 76 Ziff. 2 ZG
, jedenfalls dann, wenn der Zollbann nach der Zolltarifnummer bestimmt wird (Erw. 2-5).
2. Zur Wirkung der Beschwerde "für" alle andern zur Beschwerde befugten Personen gemäss
Art. 110 Abs. 2 ZG
gehört auch die Hemmung der Verfolgungsverjährung (Erw. 6).
3. Den Zollorganen mögliche Erkennbarkeit falscher Deklaration (Erw. 7). | Sachverhalt
ab Seite 161
BGE 89 IV 160 S. 161
A.-
P. G. Schwegler, Inhaber der Handelsfirma gleichen Namens, und sein Prokurist Eberle führten unter Mithilfe von Denis, dem Geschäftsführer einer belgischen Handelsfirma, in der Zeit vom 4. Juli bis zum 29. August 1956 wiederholt in Blechbehälter abgefüllten, für die Impexmetal in Warschau bestimmten Kobalt von Belgien in die Schweiz ein und von da nach Österreich aus. Schwegler und Eberle deklarierten die Ware bei der schweizerischen Zollabfertigung als "Desoxydations-Kobaltstahlfilter aus cadmiertem Eisenblech", weshalb sie nach Zolltarif Nummer 788 b verzollt wurde. Bei einer am 31. August 1956 zur Ausfuhr nach Österreich gemeldeten neuen Teillieferung stellte das Zollamt Buchs SG fest, dass es sich nicht um gebrauchsfähige Filter, sondern um eine getarnte Kobaltsendung handelte. Mit Verfügung vom 5. November 1956 wurde diese nach den niedrigeren Ansätzen der Tarifnummer 878 neu veranlagt und Schwegler der zuviel bezahlte Zollbetrag zurückerstattet.
Am 18./20. Dezember 1956 verhörte der Strafsachendienst Zürich der Zollbehörde Schwegler, Eberle und Denis zu Protokoll über die Anschuldigung, insgesamt 17'973,6 kg Kobalt unrichtigerweise nach Nummer 788 b statt nach Nummer 878 des Tarifs zur Ausfuhr deklariert zu haben.
Mit Eingabe vom 5. Januar 1957 erhob Schwegler
BGE 89 IV 160 S. 162
Beschwerde gegen die Rückerstattungsverfügung mit dem Antrag, die Verzollung nach Tarif Nummer 788 b zu bestätigen. Gegen den abweisenden Entscheid der Oberzolldirektion vom 12. Juni 1957 rekurrierte er an die eidgenössische Zollrekurskommission. Diese wies den Rekurs am 29. Mai 1959 ab.
B.-
Da Zollgut, das unter Nummer 878 des (bis zum 31. Dezember 1959 gültig gewesenen) Tarifs fällt, einer besondern Ausfuhrbewilligung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes bedarf, und die vorliegenden, unter Tarif Nummer 878 fallenden Sendungen unrichtigerweise nach Tarif Nummer 788 b deklariert worden waren, büsste das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement am 7. April 1960 Schwegler mit Fr. 250'000.--, Eberle mit Fr. 44'839.50 wegen Bannbruchs im Sinne des Art. 76 Ziffer 2 das Zollgesetzes (ZG) und Denis mit Fr. 56'049.35 wegen Gehilfenschaft hiezu.
Auf Begehren um gerichtliche Beurteilung sprachen das Bezirksgericht Zürich und mit Urteil vom 10. Mai 1962 das Obergericht des Kantons Zürich die Angeklagten von Schuld und Strafe frei, das Obergericht mit der Begründung, die Strafverfolgung sei verjährt. Überdies legte es dar, weshalb es auch bei Verwerfung der Verjährungseinrede zum Freispruch gelangt wäre.
C.-
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Bundesanwaltschaft, die Vorinstanz sei zur Schuldigsprechung und Bestrafung der Beschwerdegegner im Sinne der Strafverfügung des eidgenössischen Finanz- und Zolldepartementes vom 7. April 1960 anzuweisen.
D.-
Die Beschwerdegegner schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 284 BStP
, der gemäss
Art. 279 BStP
den inhaltlich übereinstimmenden
Art. 83 ZG
ersetzt (
BGE 74 IV 26
), verjähren Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze, wozu die Zollvergehen im Sinne des
BGE 89 IV 160 S. 163
Art. 73 ZG
gehören, in zwei Jahren (Absatz 1), gerechnet vom Tage der Tatbegehung bzw. -beendigung an (Absatz 2). Die Verjährung wird unterbrochen durch jede gegen den Täter gerichtete Verfolgungshandlung (Absatz 3). Die Unterbrechung ist ohne jede zeitliche Begrenzung möglich; für die Verfolgung von Übertretungen fiskalischer Bundesgesetze besteht nur eine relative, keine absolute Verjährungsfrist (
BGE 74 IV 26
).
Die letzte Handlung der Beschwerdegegner im Rahmen des Bannbruches fand am 29. August 1956 statt. Die Untersuchung war abgeschlossen, als Schwegler und Eberle am 4. Januar 1957, Denis am 24. Januar 1957 von den Strafprotokollen Kenntnis genommen hatten und der Untersuchungsbericht des chemischen Laboratoriums der Oberzolldirektion vom 29. März 1957 eingegangen war. Nach den unangefochtenen Feststellungen der Vorinstanz fanden bis zum Erlass der Strafverfügungen vom 7. April 1960, also während über drei Jahren, keine weitern Untersuchungshandlungen mehr statt.
2.
Dagegen lief in dieser Zeit das am 5. Januar 1957 von Schwegler eingeleitete Beschwerde- und Rekursverfahren gegen die Rückerstattungsverfügung vom 5. November 1956. Es fand am 29. Mai 1959 seinen Abschluss damit, dass die angeblichen Kobaltfilter als Kobalt gemäss Tarif Nummer 878 verzollt wurden.
Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob das Verfahren zur Festsetzung des Zollbetrages eine Verfolgungshandlung im Sinne von
Art. 284 Abs. 3 BStP
darstellt und damit die Frist für die Verjährung eines Zollvergehens unterbricht oder sie wenigstens hemmt. Dagegen schreibt
Art. 101 Abs. 3 ZG
vor, dass vor der administrativen Strafverfügung über ein Zollvergehen durch die zuständige Zollbehörde der geschuldete Betrag festzusetzen ist und dann als Grundlage für die Strafzumessung zu dienen hat. Nach
Art. 299 Abs. 2 und
Art. 305 BStP
ist der Erlass der Strafverfügung aufzuschieben, bzw. ist das Strafverfahren einzustellen, wenn der Beschuldigte
BGE 89 IV 160 S. 164
die Leistungspflicht durch Beschwerde beim Verwaltungsgericht bestreitet. Daraus hat der Kassationshof in einem Fall der Einfuhr von Goldmünzen ohne Anmeldung zur Verzollung in sinngemässer Auslegung geschlossen, die Verfolgungsverjährung ruhe während des Beschwerdeverfahrens über die Feststellung der Abgabepflicht; die Frage nach der Unterbrechung der Verjährung brauche deshalb nicht mehr gestellt zu werden (
BGE 88 IV 91
Erw. 2). Diese Überlegungen gelten auch hier.
3.
Richtig ist, dass nach Art. 124 Abs. 1 Satz 2 der Vollziehungsverordnung zum Zollgesetz (BS 6 S. 539) eine Strafverfügung erfolgen kann, trotzdem gegen die Zollfestsetzung Beschwerde erhoben worden ist. Daraus lässt sich aber nicht mit der Vorinstanz ableiten, der Gesetzgeber habe der Strafverfolgungsbehörde ein Mittel in die Hand geben wollen, um die sonst unvermeidliche Verjährung unterbrechen zu können. Vielmehr darf, wie das Obergericht mit Recht bemerkt, eine Leistung vom Bürger in der Regel nicht verlangt werden, solange deren Rechtsgrundlage nicht klargestellt ist. Demgemäss bestimmt auch
Art. 101 Abs. 3 ZG
, dass erst der rechtskräftig gewordene Zollansatz als Grundlage für die Strafzumessung dient. Die Verfolgungsbehörde ist somit nicht gezwungen, in jedem Beschwerdefall zur Abwendung der Verjährung noch vor Erstellung der Entscheidungsgrundlage eine Strafverfügung zu erlassen. Dazu nötigt sie auch die Kannvorschrift des Art. 124 VVZG nicht.
4.
Anders als bei der im Bundesgerichtsentscheid 88 IV 87 beurteilten Zollübertretung wird allerdings beim Bannbruch die Strafe gemäss
Art. 77 ZG
grundsätzlich nicht nach der Höhe des hinterzogenen oder gefährdeten Zolls berechnet. Indessen bedurfte die Ausfuhr von unter Tarifnummer 878 fallendem Kobalt gemäss Verfügung Nr. 7 des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 5. April 1955 über die Überwachung der Ausfuhr lebenswichtiger Güter (AS 1955, 411; ersetzt ab 1. Januar 1959 durch Bundesratsbeschluss Nr. 1 vom 23. Dezember
BGE 89 IV 160 S. 165
1958 über die Warenausfuhr, AS 1958, 1353, und Verfügung Nr. 1 des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes über die Warenausfuhr vom 24. Dezember 1958, AS 1958, 1363) einer besondern Bewilligung. Ob eine solche im vorliegenden Fall erforderlich war, ein Bannbruch also überhaupt vorlag, hing somit wiederum von der Unterstellung unter die Zolltarifnummer ab. Über diese Unterstellung hatte in letzter Instanz und für den Strafrichter verbindlich (
BGE 88 IV 87
) die Zollrekurskommission zu befinden (Archiv für Schweizerisches Abgaberecht, 5. Band 1936/37 S. 316 Nr. 135). Dass der Entscheid über eine solche Vorfrage nicht von der Strafverfolgungsbehörde selbst getroffen wurde, ist für die Beurteilung der Verjährung bedeutungslos.
5.
Ebenso wenig kommt darauf etwas an, dass der Entscheid schon im Zusammenhang mit der Einfuhr der Kobaltsendungen gefällt wurde. Die Ware wurde unverändert wieder aus der Schweiz ausgeführt, und die Verfügung der Zollrekurskommission blieb daher für die Frage der anwendbaren Tarifnummer nach wie vor massgebend. Die Pflichtigen haben denn auch bezeichnenderweise keine erneute Veranlagung verlangt.
Aus diesen Gründen konnte die Strafverfolgung Schweglers während des von ihm angehobenen Rechtsmittelverfahrens nicht verjähren.
6.
Nach
Art. 110 Abs. 2 ZG
wirkt die von einem Berechtigten erhobene Beschwerde auch für alle andern zur Beschwerde befugten Personen. Das Obergericht legt diese Bestimmung dahin aus, ein Obsiegen des Beschwerdeführers wirke nur für und nicht gegen die beteiligten Personen. Nach
Art. 299 Abs. 3 BStP
fällt in der Tat die Strafverfügung über eine Übertretung fiskalischer Bundesgesetze für alle Beteiligten dahin, wenn der Beschwerdeentscheid den Abgabeanspruch als unbegründet erklärt. Bei der engen Abhängigkeit des Straftatbestandes von der Abgabepflicht drängt es sich aber auf, auch die verjährungshemmende Wirkung des Beschwerdeverfahrens gegen alle
BGE 89 IV 160 S. 166
am Strafverfahren Beteiligten eintreten zu lassen (vgl.
BGE 88 IV 95
). Die gegenteilige Lösung liefe auf ein Verbot der reformatio in peius zum Nachteil der am Beschwerdeverfahren nicht Beteiligten hinaus, wozu jede gesetzliche Grundlage fehlt. Die Verjährung ist somit auch für die übrigen Beschwerdegegner nicht eingetreten.
7.
In der Sache selbst hat das Obergericht angenommen, Schwegler und Eberle hätten die Zollbehörden nicht täuschen können, da die Metallgefässe zu primitiv gewesen seien, als dass sie von den Tarifierungsbeamten für Filter hätten gehalten werden können; es sei für die Zollorgane offenkundig gewesen, dass sie es mit einer Kobaltsendung zu tun hätten. Ein Verbot der Ausfuhr von Waren als Tatbestandsmerkmal des Bannbruches im Sinne des Art. 76 Ziffer 2 ZG verletzt aber schon, wer die Ware unrichtig deklariert, d.h. falsche Angaben macht über ihre Art oder Beschaffenheit oder über andere Tatsachen, die für die Zulässigkeit der Ausfuhr erheblich sind (
BGE 79 IV 87
). Einer Täuschung von Zollbeamten bedarf es nicht.
Wenn die Vorinstanz im übrigen eine Täuschungsabsicht der Beschwerdegegner mit der Feststellung verneint, diese hätten sich um eine korrekte Behandlung der Angelegenheit bemüht (S. 17), so steht dem die Tatsache entgegen, dass sie die Behälter auch vor den schweizerischen Zollbeamten bewusst unwahr als Filter bezeichnet, das Bestimmungsland falsch deklariert und weitere unwahre Einzelheiten angegeben haben.
Es kann der Vorinstanz auch insofern nicht gefolgt werden, als sie das Verschulden der Beschwerdegegner im Ergebnis damit verneint, die Zollbeamten hätten Anlass zu Zweifeln behabt und die Unrichtigkeit der von den Beschwerdegegnern 1 und 2 gemachten Angaben ohne weiteres erkennen können. Die Zollorgane müssen sich auf die Richtigkeit der Deklaration verlassen können. Revisionen lassen sich nur bei einem Bruchteil der Sendungen durchführen. Die Rechtsprechung stellt deshalb an die
BGE 89 IV 160 S. 167
Zuverlässigkeit der Deklaration hohe Anforderungen (vgl.
BGE 87 IV 28
). Unwahre Angaben, wie sie von den Beschwerdegegnern 1 und 2 gemacht worden sind, entsprechen ihnen nicht und schliessen im allgemeinen eine Schuldlosigkeit im Sinne des
Art. 77 Abs. 4 ZG
aus.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b1fd758a-a26a-426f-922a-abfc8b3bcd50 | Urteilskopf
138 III 166
26. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. et Y. contre Z. SA (recours en matière civile)
4A_630/2011 du 7 mars 2012 | Regeste
Art. 250 lit. c Ziff. 6 und 11 ZPO
;
Art. 731b OR
.
Anwendbarkeit des summarischen Verfahrens auf die aktienrechtliche Auflösungsklage nach
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
. Jede auf Behebung von Organisationsmängeln der Gesellschaft gerichtete Massnahme untersteht dem summarischen Verfahren, ungeachtet der Tatsache, dass
Art. 250 lit. c ZPO
in Ziff. 6 und 11 bloss zwei der Massnahmen nennt, die aufgrund der nicht abschliessenden Aufzählung von
Art. 731b OR
angeordnet werden können (E. 3.4-3.9). | Sachverhalt
ab Seite 167
BGE 138 III 166 S. 167
A.
Le 8 février 2011, X. et Y. ont déposé une requête en dissolution de la société anonyme Z. SA devant le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de ... dans le canton de Fribourg. Invoquant des carences dans l'organisation de la société au sens de l'
art. 731b CO
, ils soutenaient que la cause relevait de la procédure sommaire conformément à l'
art. 250 let
. c ch. 6 CPC. Dans sa réponse du 1
er
avril 2011, la société a conclu principalement à l'irrecevabilité de la requête.
Par décision du 21 juillet 2011, le Président a déclaré la requête recevable quant à la compétence
ratione materiae
. En bref, il a considéré que la procédure sommaire était applicable à l'action en dissolution de la société et qu'il était l'autorité compétente pour en connaître en vertu de l'art. 51 al. 1 let. b LJ (loi du 31 mai 2010 sur la justice [RSF; 130.1]).
B.
La société a saisi la I
e
Cour d'appel civil du Tribunal cantonal fribourgeois. Par arrêt du 7 septembre 2011, cette autorité a admis l'appel et déclaré irrecevable la requête du 8 février 2011. En substance, la cour a concédé qu'il paraissait justifié d'appliquer la procédure sommaire à l'ensemble des mesures prévues par l'
art. 731b CO
, mais a jugé que la requête fondée sur cette disposition du droit des obligations cachait en réalité une action relative à un conflit d'actionnaires relevant de la procédure ordinaire et, sur le fond, du Tribunal civil (art. 50 al. 2 LJ); la demande aurait dû être précédée d'une tentative de conciliation. En conséquence, la requête devait être déclarée irrecevable.
C.
Les requérants ont interjeté un recours en matière civile auprès du Tribunal fédéral. Le recours a été admis par arrêt du 7 mars 2012. La requête introduite le 8 février 2011 a été déclarée recevable quant à la compétence
ratione materiae
et la cause a été renvoyée à l'autorité précédente.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
L'
art. 248 CPC
(RS 272) énonce que la procédure sommaire s'applique
BGE 138 III 166 S. 168
a. aux cas prévus par la loi;
b. aux cas clairs;
c. à la mise à ban;
d. aux mesures provisionnelles;
e. à la juridiction gracieuse.
Aux art. 249 à 251, le Code énumère des causes de droit civil, droit des obligations et droit des poursuites soumises à la procédure sommaire. L'
art. 250 CPC
dispose notamment ce qui suit:
"Art. 250 Code des obligations
La procédure sommaire s'applique notamment dans les affaires suivantes:
(...)
c. droit des sociétés
(...)
6. fixation d'un délai lorsque le nombre des membres est insuffisant ou que des organes requis font défaut (
art. 731b, 819 et 908 CO
)
(...)
11. désignation et révocation de l'organe de révision (
art. 731b CO
)
(...)."
Les recourants déduisent de l'
art. 250 CPC
que toute mesure fondée sur l'
art. 731b CO
, y compris une action en dissolution, relève de la procédure sommaire.
3.2
La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre. Si le texte se prête à plusieurs interprétations, s'il y a de sérieuses raisons de penser qu'il ne correspond pas à la volonté du législateur, il convient de rechercher sa véritable portée au regard notamment des travaux préparatoires, du but de la règle, de son esprit, ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (
ATF 136 III 283
consid. 2.3.1 p. 284;
ATF 136 I 297
consid. 4.1 p. 299).
3.3
L'
art. 731b CO
énonce trois types de mesures générales que le juge peut prendre en cas de carences dans l'organisation de la société, soit la fixation d'un délai pour rétablir la situation légale, la désignation d'un organe et la dissolution de la société. Comme l'indique la lettre de la loi, ce catalogue n'est pas exhaustif (PETER/CAVADINI, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. II, 2008, n° 7 ad
art. 731b CO
; WATTER/WIESER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. II, 3
e
éd. 2008, n° 16 ad
art. 731b CO
).
BGE 138 III 166 S. 169
L'
art. 250 CPC
ne soumet expressément à la procédure sommaire que deux mesures particulières fondées sur l'
art. 731b CO
et ne mentionne notamment pas la dissolution de la société. Il est vrai que l'
art. 250 CPC
ne se veut pas exhaustif, ce qui peut faire inférer que toute mesure d'organisation autre que les deux citées relève aussi de la procédure sommaire. Dès lors toutefois que l'
art. 250 CPC
traite spécifiquement du cas de l'
art. 731b CO
, l'on peut se demander s'il faut accorder une signification particulière au fait que le législateur n'use pas d'une tournure plus générale, en indiquant par exemple que les mesures d'organisation fondées sur l'
art. 731b CO
relèvent de la procédure sommaire.
3.4
Au stade de l'avant-projet de CPC, la commission d'experts proposait déjà des catalogues tels que ceux dressés aux actuels
art. 249 et 250 CPC
. Elle disait renoncer à établir des listes exhaustives au motif qu'il y aurait toujours des cas où la procédure sommaire découlerait de la nature de la cause; elle ajoutait que les affaires régies par le droit privé cantonal pouvaient aussi relever d'une telle procédure (Rapport accompagnant l'avant-projet de la commission d'experts, juin 2003, p. 125 ad art. 259 et 260; documentation accessible sur le site Internet
www.ejpd.admin.ch
, en sélectionnant les rubriques Thèmes/Etat & Citoyen/Législation/Projets terminés/Unification de la procédure civile). L'avant-projet proposait même une clause générale prescrivant l'application de la procédure sommaire "lorsque la nature de la cause l'impose" (
art. 258 let
. e de l'avant-projet). Ce critère a été jugé trop imprécis et peu compatible avec la sécurité du droit, de sorte qu'il a été supprimé dans le projet de 2006 (cf. Classement des réponses à la procédure de consultation, 2004, p. 657 ss ad art. 258; FF 2006 7073 ad art. 244 du projet).
Dans son Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse, le Conseil fédéral a précisé qu'il se limitait à dresser une liste non exhaustive des plus importantes causes du CC et du CO régies par la procédure sommaire et que ce catalogue reprenait des cas classiques prévus dans des lois d'introduction cantonales (FF 2006 6957 ad art. 244 à 247). L'
art. 246 let
. c du projet soumettait expressément à la procédure sommaire notamment les cas suivants (FF 2006 7075):
"6. dispositions à prendre si le nombre des membres est insuffisant ou que des organes nécessaires manquent (art. 625, al. 2, 775, al. 2, et 831, al. 2 CO),
(...)
BGE 138 III 166 S. 170
11. désignation et révocation de l'organe de révision (art. 727e, al. 3 et 727f, al. 2 à 4 CO).
(...)"
La version française du chiffre 6 précité ne correspondait pas aux textes allemand et italien, lesquels mentionnaient uniquement la fixation d'un délai ("
Ansetzung einer Frist
bei ungenügender Anzahl von Mitgliedern [...]", BBl 2006 7470; "
fissazione del termine
in caso di mancanza di membri [...]", FF 2006 6841).
Les délibérations du parlement ont commencé le 14 juin 2007 devant le Conseil des Etats et se sont achevées au début du mois de décembre 2008. Les deux Chambres ont accepté sans discussion l'
art. 246 let
. c ch. 6 et 11 du projet (cf. BO 2007 CE 532 s.; BO 2008 CN 968, CE 729, CN 1631 s.).
3.5
Dans l'intervalle, le droit des sociétés a été révisé. Il a été décidé d'harmoniser la procédure à suivre en cas de carences dans l'organisation d'une société anonyme, d'une société à responsabilité limitée et d'une société coopérative. Selon les termes mêmes du Message du Conseil fédéral, les bases légales étaient "nombreuses et touffues" et manquaient de coordination (Message du 19 décembre 2001 concernant la révision du code des obligations [...], FF 2002 3028). Sous l'ancien droit, le juge pouvait notamment dissoudre la société,après fixation d'un délai convenable pour rétablir la situation légale, lorsque le nombre d'actionnaires, respectivement d'associés, tombait en dessous du minimum légal ou que la société ne possédait pas les organes prescrits (anciens art. 625 al. 2, 775 al. 2 et 831 al. 2 CO; RO 53 200, 241 et 255); cette mesure n'était plus appliquée en pratique (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4
e
éd. 2009, p. 1739 s. n° 491). Le juge pouvait en outre désigner ou révoquer un réviseur (anciens
art. 727e al. 3 et 727f CO
; RO 1992 773 s.). L'ancienne réglementation se caractérisait par un partage de compétences entre le juge, les autorités de tutelle et le préposé au registre du commerce (WATTER/WIESER, op. cit., n° 4 ad
art. 731b CO
).
L'
art. 731b CO
confie désormais au seul juge la compétence de remédier aux carences dans l'organisation de la société. Il ne limite pas les mesures envisageables, afin de laisser au juge une liberté d'action suffisante et lui permettre d'adopter la mesure adéquate au regard des circonstances concrètes; le juge peut ordonner une autre mesure que celle demandée par la partie requérante (FF 2002 3028 s.; WATTER/WIESER, op. cit., n
os
16 s. ad
art. 731b CO
; PETER/CAVADINI, op. cit., n
os
7 s. ad
art. 731b CO
).
BGE 138 III 166 S. 171
Cette disposition est entrée en vigueur le 1
er
janvier 2008.
3.6
Les délibérations parlementaires sur le CPC n'ont pas intégré cette révision du Code des obligations. Toutefois, en prévision du vote final du 19 décembre 2008, la Commission de rédaction des Chambres fédérales a établi un projet de CPC (accessible sur le site Internet
www.parlement.ch
, rubriques Sessions/Textes soumis au vote final/Archives/2008 IV). A l'
art. 250 let
. c ch. 6 et 11 CPC, les
art. 731b, 819 et 908 CO
ont été simplement substitués aux dispositions de l'ancien droit, et le texte français a été aligné sur les versions allemande et italienne. Le texte proposé a été adopté tel quel (cf. BO 2008 CN 1974, CE 1058).
3.7
Avant la révision du Code des obligations, la quasi-totalité des lois cantonales (accessibles sur le site Internet
www.lexfind.ch
) soumettaient à la procédure sommaire ou à une procédure spéciale la désignation et révocation de l'organe de révision (cf., entre autres, LICC/BE art. 2 al. 2; LICC/FR art. 349
quater
al. 1 ch. 7-8 et al. 2; CPC/ZH § 219 ch. 14a). Un petit nombre de cantons assujettissaient aussi à une telle procédure la fixation d'un délai pour doter la société des organes prescrits et en nombre suffisant (ancien
art. 625 al. 2 CO
), respectivement pour adapter ses statuts au nouveau droit (art. 2 al. 2 disp. fin. titre 26 CO) (cf. notamment CPC/AR art. 7 al. 1 ch. 4 et art. 221; LU/Grossratsbeschluss [LU/GB] vom 27. Juni 1994über die Anwendung des summarischen Verfahrens bei bundesrechtlichen Zivilstreitigkeiten, § 2 ch. 56; CPC/ZH § 219 ch. 20). Quelques rares cantons consacraient la procédure sommaire ou spéciale pour dissoudre la société anonyme en vertu de l'art. 2 al. 2 des dispositions finales du titre 26 CO, voire de l'ancien
art. 625 al. 2 CO
(cf. notamment LICC/BE art. 2 al. 2; LU/GB vom 27. Juni 1994, § 2 ch. 67; LICO/VD art. 1 ch. 19 et 20 et art. 4 ch. 3; CPC/ZG § 135 ch. 52
bis
; CPC/ZH § 219 ch. 20). Le canton d'Argovie soumettait à la procédure sommaire toutes les décisions confiées au juge dans les matières régies par les titres 24 à 33 CO, et donc notamment les mesures en cas de carences dans la société (cf. AG/V vom 23. Juli 1937 über den Vollzug des BG über die Revision der Titel 24-33 OR, § 1).
La plupart des cantons se sont abstenus d'adapter leur droit de procédure à l'
art. 731b CO
. Ceux qui l'ont fait ont adopté une tournure générale selon laquelle les mesures prévues par l'
art. 731b CO
en cas de carences dans l'organisation de la société relevaient de la procédure sommaire ou d'une procédure spéciale (CPC/AI art. 38 ch. 2
BGE 138 III 166 S. 172
et art. 236; LICC/BS § 217c ch. 7 en relation avec CPC/BS § 214; LICO/GR art. 1 ch. 32 et art. 2; LICO/NE titres 23-34 art. 2 let. b; LICO/NW § 40 al. 1 ch. 3 et § 51; SG/Zivilprozessverordnung vom 5. Februar 1991, annexe 1 ch. 71; LICC/VS art. 78 al. 1 ch. 33 et al. 2 let. a).
3.8
Avant l'entrée en vigueur du CPC, des auteurs avaient déjà souligné la nécessité de soumettre les mesures de l'
art. 731b CO
à la procédure sommaire, à l'instar de ce que les cantons prévoyaient déjà pour la désignation et la révocation des réviseurs (WATTER/WIESER, op. cit., n° 10 ad
art. 731b CO
).
Les commentateurs de l'
art. 250 CPC
qui s'expriment sur la question sont d'avis que la procédure sommaire doit s'appliquer à toutes les mesures fondées sur l'
art. 731b CO
. Selon eux, il n'y a pas de raison de limiter le champ d'application de cette procédure spéciale à quelques mesures précises alors que l'
art. 731b CO
n'est pas exhaustif (MICHAEL LAZOPOULOS, in ZPO Kommentar, 2010, n° 39 ad
art. 250 CPC
). Il n'est pas cohérent de soumettre à des procédures différentes la fixation d'un délai pour rétablir une situation régulière et la mesure tirant les conséquences de l'inobservation de cet ordre. En outre, la nécessité d'assurer une situation conforme au droit appelle une certaine célérité (BERNHARD RUBIN, in Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, n° 22 ad
art. 250 CPC
).
De manière plus générale, la doctrine considère les listes des
art. 249- 251 CPC
comme des lignes directrices susceptibles d'être complétées non seulement dans les domaines du droit civil, droit des obligations et droit des poursuites, mais aussi dans d'autres domaines du droit (MARCO CHEVALIER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, n° 13 ad
art. 248 CPC
; FRANÇOIS BOHNET, La procédure sommaire selon le Code de procédure civile suisse, Revue jurassienne de jurisprudence [RJJ] 2008 p. 279 s.).
3.9
Il résulte de ce qui précède que l'
art. 250 let
. c ch. 6 et 11 CPC a été élaboré sur la base des anciennes législations cantonales, sans tenir compte de l'entrée en vigueur de l'
art. 731b CO
. Une rectification purement rédactionnelle a tout au plus été apportée avant le vote final du CPC, adaptation qui se confinait à renvoyer aux dispositions correspondantes du nouveau droit. L'on ne saurait ainsi conclure à un silence qualifié du législateur s'agissant de l'action en dissolution fondée sur l'
art. 731b al. 1 ch. 3 CO
.
Cette disposition entend laisser au juge une grande latitude pour remédier aux carences d'organisation, quitte à devoir s'écarter des
BGE 138 III 166 S. 173
conclusions de la partie requérante. Avec les auteurs précités et les cantons ayant adapté leur procédure entre 2008 et 2011, il faut admettre qu'il n'apparaît pas conforme à la logique de l'
art. 731b CO
de soumettre les différentes mesures envisageables à deux types de procédure. L'intimée objecte que la dissolution de la société est une mesure grave incompatible avec la procédure sommaire, qui limite les moyens de preuve. Le litige lié aux carences dans la société implique d'établir l'incapacité civile ou l'inexistence d'un organe, l'impossibilité d'élire un organe ou de gérer les affaires en raison d'une situation de blocage, toutes situations qui ne devraient en principe pas poser de difficultés particulières au niveau de l'établissement des faits. Quoi qu'il en soit, la loi admet d'autres moyens que la preuve par titres lorsque le but de la procédure l'exige (
art. 254 al. 2 let. b CPC
). A cet égard, la doctrine relève que les procédures aboutissant à une décision définitive supposent un examen complet de la cause, en fait et en droit (cf.
ATF 120 II 352
consid. 2a); elle en déduit à juste titre que l'élargissement des moyens de preuve doit toujours être possible pour ce type de procédure (BOHNET, in Code de procédure civile commenté, 2011, n° 7 ad
art. 254 CPC
; INGRID JENT-SØRENSEN, in Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, 2010, n
os
6 s. ad
art. 254 CPC
; CHEVALIER, op. cit., n
os
11 s. ad
art. 254 CPC
; RUBIN, op. cit., n° 5 ad
art. 254 CPC
).
En conclusion, il faut comprendre l'
art. 250 let
. c ch. 6 et 11 CPC en ce sens que les mesures destinées à remédier aux carences dans l'organisation de la société relèvent toutes de la procédure sommaire, en particulier la dissolution prévue par l'
art. 731b al. 1 ch. 3 CO
.
3.10
Dans le canton de Fribourg, le président du tribunal d'arrondissement connaît des causes soumises à la procédure sommaire (art. 51 al. 1 let. b LJ). Ce point n'est pas contesté, pas plus que la compétence
ratione loci
du juge de l'arrondissement de ....
Il s'ensuit que la décision par laquelle le Président du Tribunal civil de l'arrondissement de ... avait constaté sa compétence
ratione materiae
pour connaître de la requête introduite le 8 février 2011 par les recourants était bien fondée. (...) | null | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b20076f9-b484-47e0-bc63-88a8ad30fedf | Urteilskopf
85 IV 1
1. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 6 février 1959 dans la cause Genoud contre Ministère publie du canton de Genève. | Regeste
Art. 12 und 263 StGB
.
Verhältnis dieser Bestimmungen zueinander.
Vorsätzliche und fahrlässige actio libera in causa. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 85 IV 1 S. 1
A.-
Le soir du 24 mai 1958, au volant de son automobile Jaguar, Xavier Genoud, qui habite à Genève, se rendit à Hermance en compagnie de Gilbert Gertsch. Ensemble, ils fréquentèrent les cafés de cette localité, qu'ils quittèrent au milieu de la nuit. Genoud, qui était ivre, laissa Gertsch piloter la voiture. En cours de route, après avoir cherché inutilement à reprendre le volant, il consentit qu'un chauffeur de taxi conduisît la Jaguar à sa place pour rentrer à Genève. De crainte que Genoud ne poursuivît seul sa course, le chauffeur mena la voiture au garage de l'entreprise où il était employé. Cependant, à peine était-il descendu de l'automobile que Genoud la remettait en marche et partait à une allure désordonnée. Il était près de cinq heures du matin. Sur le quai de Cologny, la voiture heurta un cycliste, Pasquale Carsana, qui succomba sur-le-champ. Elle s'arrêta d'elle-même un kilomètre plus loin en raison des dégâts causés par le choc aux commandes de gaz et d'embrayage. Genoud se cacha derrière une haie, où la gendarmerie le découvrit une heure plus tard. Au moment de l'accident, son sang contenait 2,33 à 2,58 ‰ d'alcool.
BGE 85 IV 1 S. 2
B.-
Le 5 juillet 1958, la Cour correctionnelle de Genève condamna Genoud à deux ans et demi d'emprisonnement pour infraction à diverses règles de circulation (art. 25 al. 1, 26 al. 4, 36 al. 1 et 2, 59 al. 1 et 2 LA, 46 al. 3 RA), homicide par négligence (art. 117 CP), abandon de blessé (art. 128 CP) et entrave intentionnelle à la circulation publique (art. 237 ch. 1 CP).
Le condamné attaqua cette décision par un recours que la Cour de cassation pénale du canton de Genève rejeta le 8 décembre 1958.
C.-
Genoud se pourvoit en nullité contre l'arrêt de seconde instance. Il en requiert l'annulation et demande le renvoi de la cause à de nouveaux juges.
Le Ministère public du canton de Genève propose le rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Le recourant fait valoir qu'il aurait dû être mis "au bénéfice de la spécialité du délit d'ivresse prévue par l'art. 263 CP". Il conteste que l'art. 12 CP lui soit applicable.
Cette disposition prévoit que l'inculpé ne peut invoquer son irresponsabilité quand il l'a créée dans le dessein de commettre l'infraction. Elle consacre l'existence de l'actio libera in causa. Elle n'en vise, il est vrai, que la forme intentionnelle. Cependant, d'après la doctrine, la règle énoncée à l'art. 12 CP est également applicable à l'actio libera in causa par négligence, c'est-à-dire à l'.accusé qui se met en état d'irresponsabilité alors qu'il peut prévoir que, dans cet état, il risque de commettre des actes punissables (HAFTER, Allg. Teil, p. 113; LOGOZ, note 2 ad art. 12, p. 46; THORMANN/VON OVERBECK, notes 2 et 3 ad art. 12; SCHWANDER, no 222; GERMANN, Das Verbrechen, p. 168). Cette opinion est exacte. En effet, si l'auteur d'une actio libera in causa intentionnelle est punissable, c'est parce que en s'étant rendu irresponsable, il a commis une faute qui est une cause de son infraction. Or ce double élément
BGE 85 IV 1 S. 3
de culpabilité et de causalité se retrouve dans l'actio libera in causa par négligence. D'ailleurs, si l'auteur d'une telle actio pouvait arguer de son irresponsabilité, il serait, sans raison valable, privilégié par rapport aux autres délinquants qui ont agi par négligence.
Sous sa double forme, l'actio libera in causa exclut l'application de l'art. 263 CP. qui punit l'auteur d'une infraction commise en état d'irresponsabilité fautive et réprimée comme crime ou délit (LOGOZ, note 3 ad art. 263; SCHWANDER no 224). Sinon l'art. 12 CP ne viserait pas les cas de crime ou de délit et perdrait ainsi presque toute raison d'être. En réalité, l'art. 263 CP ne peut s'appliquer que lorsque les conditions de l'actio libera in causa ne sont pas réunies, soit qu'avant de s'enivrer, le prévenu n'ait pas eu le dessein de commettre une infraction, soit qu'il n'ait pu prévoir alors qu'il risquait d'en commettre.
En l'espèce, le recourant ne s'est pas mis en état d'ivresse dans le dessein de commettre des infractions. Aussi bien la Cour de cassation genevoise ne lui reproche-t-elle pas une actio libera in causa intentionnelle. Il est clair en revanche que ses actes constituent des actiones liberae in causa par négligence. En effet, celui qui consomme de l'alcool, alors qu'il sait qu'il lui faudra encore rentrer chez lui avec sa voiture, peut et doit se rendre compte que, s'il en absorbe des quantités excessives, il risque, en reprenant le volant, de violer les règles de la circulation et même de causer un accident. Le recourant allègue, il est vrai, que des tiers l'ont ramené pratiquement jusque chez lui et qu'il ne pouvait pas prévoir qu'une fois ainsi rentré à son domicile, il reprendrait le volant par ruse. Cette argumentation tombe à faux. Le recourant pourrait tout au plus se prévaloir de cette intervention de personnes complaisantes si, avant de s'enivrer, il avait pris la précaution de la solliciter. Or il n'a rien fait de tel et a évidemment toujours supposé qu'il rentrerait par ses propres moyens. D'autre part, quand il a repris le volant, il ne se trouvait pas dans son garage, mais dans celui d'une entreprise de
BGE 85 IV 1 S. 4
taxis où le chauffeur avait ramené l'automobile; il ne s'était donc pas encore éloigné de son véhicule et n'avait pas davantage regagné son domicile. Or le conducteur qui s'enivre en route ne peut pas ignorer qu'il sera tenté de piloter lui-même sa voiture et exposé ainsi à causer un accident, aussi longtemps du moins qu'il reste dans son véhicule ou à côté de lui et qu'il n'a pas effectivement regagné sa demeure. Il ne peut pas ignorer davantage qu'il risque de perdre la conscience de ses actes et des ses devoirs et que, dès lors, s'il provoque un accident, il sera peut-être incapable de s'en apercevoir ou de réagir conformément aux prescriptions légales. Par conséquent, lorsque le recourant s'est mis à boire, il pouvait et devait prévoir la possibilité d'un accident grave, voire mortel, ainsi que ses contraventions aux règles de la circulation, en particulier son omission de s'arrêter, de secourir la victime et d'annoncer l'accident. Les actes qu'il a commis à cet égard sont donc des actiones liberae in causa par négligence. C'est, partant, à juste titre qu'il a été condamné pour homicide par négligence et pour infraction par négligence à diverses règles de circulation, notamment aux prescriptions relatives aux devoirs en cas d'accident. | null | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b201d623-0771-4539-a496-3429dcbf68ee | Urteilskopf
119 II 114
25. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 février 1993 dans la cause B. contre D. (recours en réforme) | Regeste
Erbschaftsklage (
Art. 598 Abs. 1 ZGB
); Vermutung des Eigentums (
Art. 930 Abs. 1 ZGB
); Beweislast (
Art. 8 ZGB
).
1. Das mit der Erbschaftsklage befasste Gericht kann vorfrageweise die Gültigkeit eines speziellen Rechtstitels prüfen, aufgrund dessen der Beklagte selber Eigentum an der Sache geltend macht. Vorliegend macht der Beklagte eine Schenkung geltend (E. 4a).
2. Der Umstand, dass der Beklagte nicht im Besitz der Sache ist - vorliegend eines auf den Inhaber lautenden, bei der Bank gesperrten Sparhefts -, hindert die Einleitung einer Erbschaftsklage nicht (E. 4b).
3. Der Kläger muss die Vermutung umstossen, der Beklagte sei Eigentümer, um die sich aus dem früheren Besitz des Erblassers ergebende Vermutung zu Gunsten dessen Eigentums wieder aufleben zu lassen. Die anscheinliche Verletzung dieses Grundsatzes hat aber im vorliegenden Fall keinen Einfluss auf den Prozessausgang, weil es die Beweiswürdigung dem Gericht erlaubt hat, sich davon zu überzeugen, dass keine Schenkung vorliegt (E. 4c). | Sachverhalt
ab Seite 115
BGE 119 II 114 S. 115
Dame X. a, par testament olographe du 4 juillet 1974, institué pour seul héritier, soit légataire universel, son neveu D. Dans les dernières années de sa vie, elle a entretenu des relations amicales avec B. Celui-ci, vu l'état de santé déficient de dame X., s'est notamment occupé du paiement de ses factures.
Dame X. était titulaire d'un carnet d'épargne au porteur ouvert auprès de l'Union de Banques Suisses. Ce carnet se trouvait dans le tiroir d'un meuble de sa chambre, ce que savaient tant D. que B. En août 1989, le premier constata l'absence dudit carnet; il interrogea sa tante qui lui indiqua que B. avait pris "quelque chose"; il avisa alors la banque qui procéda au blocage du compte. En novembre 1989, B. se présenta à l'Union de Banques Suisses pour retirer de l'argent au moyen du livret; la banque reprit alors possession de celui-ci. Au 14 août 1989, le carnet présentait un solde créditeur de Fr. 46'816.05.
Dame X. est décédée le 15 décembre 1989. Le 17 avril 1990, un certificat d'héritier fut délivré à D., auquel la succession de sa tante était dévolue.
Par demande du 8 juin 1990, D. a intenté à B. devant le Tribunal de première instance de Genève une action en pétition d'hérédité, concluant à la remise en ses mains par la banque du livret d'épargne. Il fut débouté. Le tribunal a en effet admis l'existence d'une donation du carnet à B. par la défunte. Sur appel de D., la Cour de justice genevoise a, par arrêt du 19 juin 1992, annulé le jugement de première instance et dit que le demandeur était seul titulaire du livret.
Saisi d'un recours en réforme de B., le Tribunal fédéral l'a rejeté dans la mesure où il était recevable et a confirmé l'arrêt attaqué.
BGE 119 II 114 S. 116
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
a) C'est à juste titre que la cour cantonale a estimé être en présence d'une action en pétition d'hérédité. Selon l'
art. 598 al. 1 CC
, une telle action appartient à quiconque se croit autorisé à faire valoir, comme héritier légal ou institué, sur une succession ou sur des biens qui en dépendent, des droits préférables à ceux du possesseur. Or le demandeur ne pouvait prétendre avoir des droits sur le carnet litigieux qu'en sa qualité d'héritier de sa tante, puisqu'il n'en a jamais eu la possession auparavant.
Le défendeur n'a contesté ni la qualité d'héritier institué du demandeur, ni le fait - retenu par les juges cantonaux - que le livret litigieux avait appartenu à la défunte qui en avait été le possesseur originaire.
Le défendeur allègue être propriétaire dudit livret en soutenant qu'il lui a été donné par la défunte. Selon certains auteurs, le fait d'invoquer un titre spécial de propriété aurait pour effet qu'une action en pétition d'hérédité ne pourrait être intentée: il faudrait alors introduire une action spéciale en constatation de droit (ARNOLD ESCHER, Der Erbgang, Zürcher Kommentar, 3e éd., 1960, ad art. 598, nos 7, 8, 10, p. 357-358, qui se réfère à l'
ATF 41 II 26
; PETER TUOR/VITO PICENONI, Der Erbgang, Berner Kommentar, 2e éd., 1964, ad art. 598, no 19, p. 789).
Pour d'autres auteurs, cette manière de voir ne se justifie pas. A leur avis, le juge de l'action en pétition d'hérédité doit pouvoir examiner, à titre préjudiciel, la validité du titre spécial allégué (LEUCH, Erbschaftsklage und Einrede des Sondertitels zum Besitze, RSJ 35 (1939), p. 352-356; ERIC BAUDAT, L'action en pétition d'hérédité, thèse Lausanne 1964, p. 47-50; PAUL PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, t. IV, Fribourg 1975, p. 672/673). Le Tribunal fédéral a statué dans ce sens en jugeant qu'une action en pétition d'hérédité et une action en nullité d'un acte d'abandon de biens pouvaient être cumulées (
ATF 91 II 332
consid. 3). Il n'y a aucun motif de revenir sur cette jurisprudence pour les raisons longuement développées par LEUCH et BAUDAT, qui réfutent la thèse contraire et auxquels le Tribunal fédéral s'est déjà rallié (
ATF 91 II 336
/337 consid. 6).
b) Lors de l'introduction de l'action, le défendeur n'était pas en possession du livret, qui était détenu par l'Union de Banques Suisses, mais il n'a pas contesté sa qualité pour défendre au procès; il ne le
BGE 119 II 114 S. 117
fait pas non plus devant le Tribunal fédéral. Celui-ci doit cependant examiner d'office ce problème.
Si le défendeur ne détenait pas le livret, c'est parce qu'à la suite de l'intervention du demandeur, la banque avait bloqué le compte de la défunte, n'acceptant de s'en dessaisir que sur accord des deux parties ou sur le vu d'une décision de justice indiquant que celle-ci était la légitime propriétaire des fonds à la date de son décès. L'on se trouve ainsi dans une situation semblable à celle où une autorité aurait ordonné l'administration d'office de la succession: en pareil cas, le fait que le défendeur ne soit pas en possession des biens ne constitue pas un obstacle à l'introduction d'une action en pétition d'hérédité (
ATF 56 II 258
consid. 2).
c) Les auteurs admettent que la possession du bien entraîne la présomption de la propriété du défendeur (
art. 930 al. 1 CC
), de sorte que le demandeur doit détruire cette présomption pour faire renaître celle de la possession antérieure du de cujus (LEUCH, loc.cit., p. 355, Ic; ESCHER, loc.cit., no 9, p. 358; PIOTET, loc.cit., p. 673, § 94).
En l'espèce, l'autorité cantonale a considéré que le défendeur n'avait "pas rapporté la preuve d'une donation en sa faveur, faisant de lui le porteur légitime du carnet d'épargne litigieux". Ce faisant, elle semble bien avoir transféré au défendeur la charge de la preuve. Le recourant a donc raison de lui reprocher une violation des règles sur le fardeau de la preuve découlant de l'
art. 930 CC
. Mais cela ne signifie pas encore que son recours doive être admis. En effet, selon la jurisprudence, lorsque l'appréciation des preuves convainc le juge que le fait litigieux est établi, la répartition du fardeau de la preuve (
art. 8 CC
) n'a plus d'objet (
ATF 115 II 305
,
ATF 114 II 291
et les références). Or la Cour cantonale a procédé à l'examen des témoignages recueillis par le premier juge et en a tiré la conclusion "que le dossier ne renfermait aucun élément quelconque permettant de déduire de la part de dame X. un animus donandi par rapport audit livret". Cette appréciation des preuves - qui ne saurait être remise en cause dans le cadre du présent recours (
ATF 114 II 291
) - a donc convaincu l'autorité cantonale que la donation n'était pas établie. Cette autorité pouvait donc admettre que le demandeur avait détruit la présomption procurée au défendeur par la possession du titre. Ayant constaté l'inexistence du titre particulier allégué par le défendeur, la cour ne pouvait en conséquence qu'admettre l'action en pétition d'hérédité et condamner le défendeur à remettre le livret au demandeur, sous réserve des montants qu'il avait lui-même versés sur le carnet.
BGE 119 II 114 S. 118
Cela étant, il n'est pas nécessaire de rechercher si le carnet au porteur litigieux est un papier-valeur ou non; ce problème est d'ailleurs sans intérêt dans la présente cause, qui oppose un héritier à un prétendu donataire, et non ledit donataire à la banque émettrice. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b203c99a-1177-4169-b730-df32339607c8 | Urteilskopf
101 Ib 353
62. Auszug aus dem Urteil vom 12. Dezember 1975 i.S. Erbengemeinschaft des Emil Burkard gegen Schweizerische Eidgenossenschaft. | Regeste
Art. 21 der EVK-Statuten: Voraussetzungen für die Ausrichtung einer Invalidenrente.
Abgrenzung der Invalidität von der Krankheit (E. 2 und 3).
Ein Beamter, der das Dienstverhältnis selber gekündigt hat und während der Kündigungszeit von einer invalidierenden Krankheit befallen wird, hat Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenrente, wenn die Invalidität nachgewiesenermassen vor Beendigung des Dienstverhältnisses, d.h. während der Zugehörigkeit des Beamten zur Versicherungseinrichtung des Bundes, eingetreten ist (Änderung der Rechtsprechung; E. 4-6). | Sachverhalt
ab Seite 353
BGE 101 Ib 353 S. 353
Emil Burkard stand seit 1964 im Dienste der Kreistelefondirektion Zürich. Am 28. Juni 1973 kündigte er das Dienstverhältnis
BGE 101 Ib 353 S. 354
auf den 30. September 1973. Am 28. Juli 1973 musste er wegen plötzlich auftretender Schmerzen und Unwohlseins mit der Arbeit aussetzen. Die medizinischen Abklärungen ergaben zunächst den Befund auf Kreislaufstörungen im Bereiche der Herzkranzarterie, später das Vorliegen einer Amyloidose, d.h. einer Gewebsentartung, bei welcher Gewebe durch Einlagerung von Amyloid, also Eiweisskörper unbekannter Zusammensetzung, starr, glänzend und durchsichtig wird. Der Gesundheitszustand wurde als nicht heilbar und sich verschlechternd bezeichnet. Gesuche von Burkard um Rückgängigmachung seiner Kündigung und um Weiterführung der Mitgliedschaft bei der Eidgenössischen Versicherungskasse (EVK) wurden abgelehnt, und ein nach Beendigung des Dienstverhältnisses gestellter Antrag auf Ausrichtung einer Rente wurde ebenfalls abgewiesen.
Mit verwaltungsrechtlicher Klage beim Bundesgericht stellte Burkard das Hauptbegehren, die EVK sei anzuweisen, ihm eine angemessene Invalidenrente auszuzahlen.
Das Eidgenössische Personalamt beantragt Abweisung der Klage mit der Begründung, es sei kein Versicherungsfall eingetreten, da bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine Krankheit und noch keine Invalidität bestanden habe.
Emil Burkard ist am 8. August 1975 verstorben, ohne wieder eine Arbeit aufgenommen zu haben. Seine Erben sind in seine Ansprüche eingetreten.
Das Bundesgericht heisst die Klage grundsätzlich gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Unter dem Titel "Invalidität" wird in Art. 21 der Statuten der Eidgenössischen Versicherungskasse vom 29. September 1950 (EVK-Statuten) ausgeführt, dass der Versicherte, der für seine bisherige oder für eine andere ihm zumutbare, ähnliche Beschäftigung nach Feststellung des verwaltungsärztlichen Dienstes invalid geworden ist, Anspruch auf eine Invalidenrente hat, wenn sein Dienstverhältnis aus diesem Grunde von der Wahlbehörde aufgelöst wird. Art. 9 Abs. 3 der EVK-Statuten ergänzt, dass kein Anspruch auf Kassenleistungen entsteht bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf eigenes Begehren vor Erreichen der Altersgrenze sowie bei Nichtwiederwahl oder Auflösung des Dienstverhältnisses aus eigenem Verschulden.
BGE 101 Ib 353 S. 355
Ein Versicherter ist demnach dann als invalid zu betrachten, wenn sein Gesundheitszustand seine bisherige oder eine ähnliche, ihm zumutbare Beschäftigung auf Zeit hinaus ausschliesst; mehr sagen die EVK-Statuten über den Begriff der Invalidität nicht aus. Der Rentenanspruch entsteht nicht automatisch mit dem Eintritt der Invalidität, sondern erst, nachdem diese vom verwaltungsärztlichen Dienst festgestellt und das Dienstverhältnis aus diesem Grunde aufgelöst worden ist. Die EVK-Statuten bestimmen nicht, wann die Invalidenrente einzusetzen hat; Sinn und Zweck der Versicherung gebieten jedoch, die Rente sofort nach Eintritt der Invalidität auszurichten. Im ungekündigten Arbeitsverhältnis profitiert allerdings der Versicherte davon, dass das Verhältnis auch bei Vorliegen einer Invalidität nicht aufgelöst werden muss und dass er - solange die Auflösung nicht erfolgt ist - das volle Gehalt bezieht, das erheblich grösser ist, als die ihm gegebenenfalls zustehende Invalidenrente der EVK. Der beabsichtigte soziale Schutz ist hier auf jeden Fall gewährleistet, gleichgültig, wann die invaliditätsbedingte Auflösung des Arbeitsverhältnisses eintritt; der Beamte erhält entweder sein Gehalt oder seine Rente. Anders liegt der Fall, wenn Invalidität beim gekündigten Arbeitsverhältnis eintritt. Es stellt sich die Frage, ob hier der Eintritt der Invalidität während der Kündigungsfrist nach den EVK-Statuten eine Rente auszulösen vermag. Die Frage kann dann offen bleiben, wenn die Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes als Krankheit oder Unfallausheilung und nicht als Invalidität zu qualifizieren ist. Deshalb ist zunächst abzuklären, ob der Gesundheitsschaden des Klägers als Krankheit oder als Invalidität einzustufen war.
3.
Angesichts der Verschiedenartigkeit von Gesundheitsschäden besteht ein grosser Spielraum bei der Abgrenzung von Krankheit resp. Unfallausheilung einerseits und Invalidität anderseits. Während unter Invalidität die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit als Folge einer Einbusse der körperlichen oder geistigen Integrität zu verstehen ist (
Art. 4 Abs. 1 IVG
), kann Krankheit als eine in vielen Fällen reversible Gesundheitsstörung von unterschiedlicher Dauer umschrieben werden. Die Grenze zwischen Krankheit und Invalidität ist keineswegs leicht zu ziehen; die Übergänge sind vielfach fliessend und unmerklich (König, Schweiz. Privatversicherungsrecht,
BGE 101 Ib 353 S. 356
3. Aufl., S. 481). So ist eine Gesundheitsstörung, die sich stabilisiert und zu einer voraussichtlich bleibenden körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung führt, als Invalidität zu bezeichnen, wohingegen irreversible Gesundheitsstörungen, die einen raschen letalen Ausgang nehmen, mangels genügender Dauer nicht als Invalidität, sondern als Krankheit zu bezeichnen sind. Zudem decken sich medizinische und rechtliche Begriffe nicht durchwegs. Unter Umständen kann der medizinische Sachverhalt einer Krankheit Invalidität im versicherungstechnischen Sinn bedeuten, insbesondere dann, wenn eine Krankheit unheilbar ist, aber stationär bleibt oder nur sehr langsam fortschreitet. Auch ein solches Krankheitsbild kann Anlass sein, das Arbeitsverhältnis gemäss
Art. 55 BtG
aus wichtigen Gründen umzugestalten oder aufzulösen.
Emil Burkard erkrankte am 28. Juli 1973 derart, dass der Hausbesuch eines Arztes erforderlich wurde. Er wurde in der Folge zunächst wegen Rückenschmerzen und danach wegen Schmerzen in der Herzgegend behandelt, wobei anlässlich einer Untersuchung im Kreisspital Muri ein Befund auf Kreislaufstörungen im Bereiche der Herzarterie und Rhythmusstörungen gestellt wurde. Am 8. Februar 1974 schliesslich wurde in der kardiologischen Abteilung des Kantonsspitals Zürich die für den Gesundheitsschaden massgebende Myokardiopathie als Folge einer Amyloidose festgestellt. Diese Krankheit gilt bis heute als nicht heilbar; eine Kausaltherapie ist nicht bekannt. Burkard war denn auch bis zu seinem Tode am 8. August 1975 nicht mehr in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Verlauf der Krankheit und die fehlende Therapiemöglichkeit lassen es angezeigt erscheinen, die Amyloidose versicherungstechnisch als invaliditätsbegründende Krankheit zu betrachten.
4.
Dass Invalidität eingetreten ist, wird von keiner Seite bestritten. Die Invalidenkommission des Kantons Aargau beschloss, dem Kläger am 1. Juli 1974 eine Invalidenrente auszurichten, wobei von einem Invaliditätsgrad von mehr als zwei Dritteln ausgegangen wurde. Umstritten ist aber, ob der Versicherungsfall der Invalidität noch während der Dauer des Arbeitsverhältnisses oder erst nachher eingetreten ist.
a) Der behandelnde Arzt führte in seinem Bericht vom 5. Oktober 1973 aus, Burkard sei tauglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten, sollte aber nicht mehr schwere Arbeiten
BGE 101 Ib 353 S. 357
verrichten müssen. Der ärztliche Dienst der Bundesverwaltung übernahm diesen Bericht und führte gestützt darauf noch am 21. Mai 1975 in einem an das Eidgenössische Personalamt gerichteten Schreiben aus, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe eine Krankheit und noch nicht eine Invalidität bestanden.
Der Bericht des behandelnden Arztes vom 5. Oktober 1973, der somit erstattet wurde, bevor die massgebende Diagnose auf Amyloidose gestellt wurde, mochte medizinisch damals richtig gewesen sein, ist aber rechtlich nicht massgebend, da - wie ausgeführt - vom rechtlichen Begriff der Invalidität auszugehen ist und die Krankheit im medizinischen Sinn im Rahmen der EVK-Statuten Invalidität bedeuten kann. Nach
Art. 60 Abs. 2 BtG
entscheidet das Bundesgericht selbständig, ob dauernde Invalidität vorliegt.
b) Wäre der Rentenanspruch nach dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung zu bestimmen, so käme
Art. 29 Abs. 1 IVG
zur Anwendung: Nach der sogenannten Variante II würde die Rente nach einer mindestens hälftigen Arbeitsunfähigkeit von 360 Tagen und bei voraussichtlich mindestens hälftiger Erwerbsunfähigkeit ausgerichtet. Nach dieser Regelung hat die Invalidenkommission des Kantons Aargau Burkard mit Wirkung ab 1. Juli 1974 eine Rente zugesprochen.
Davon zu unterscheiden ist die für die SUVA geltende Ordnung. Nach
Art. 76 KUVG
wird eine Invalidenrente dann ausgerichtet, wenn von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes des Versicherten nicht erwartet werden kann und der Unfall eine voraussichtlich bleibende Erwerbsunfähigkeit hinterlässt. Dabei werden die Berufskrankheiten dem Betriebsunfall grundsätzlich gleichgestellt. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat jedoch in einem Urteil aus dem Jahre 1945 festgestellt, dass der Wortlaut von
Art. 76 KUVG
offensichtlich auf Unfälle abgestimmt ist, bei denen sich in der Regel eine klare Grenze zwischen Krankengeldzahlung und Rentenbeginn ziehen lässt, dass die Bestimmung aber bei langwierigen Berufskrankheiten nicht unbesehen angewendet werden kann. Es hat entschieden, dass bei Berufskrankheiten die Rente das Krankengeld von dem Moment an zu ersetzen hat, in dem der Gesundheitszustand stabil geworden ist und der
BGE 101 Ib 353 S. 358
Invaliditätsgrad für eine bestimmte Periode vorausgesehen werden kann; die Rente kann aber auch bereits dann einsetzen, wenn eine relative Heilung erreicht ist (EVGE 1945 S. 82). Daraus darf geschlossen werden, dass Berufskrankheiten, bei denen eine kausal-therapeutische Behandlung nicht möglich ist, praktisch sofort einen Rentenanspruch begründen, sofern die Erwerbsfähigkeit in Zukunft beeinträchtigt wird.
c) Die im IVG und im KUVG entwickelten Grundsätze können nicht ohne weiteres übernommen werden, um zu entscheiden, wann Invalidität nach den Vorschriften des Beamtengesetzes und der EVK-Statuten als eingetreten zu betrachten ist. Es ist zu prüfen, welche Lösung den für die Versicherungseinrichtung des Bundes massgebenden Bestimmungen am besten entspricht.
Nach
Art. 55 BtG
kann ein Dienstverhältnis aus wichtigen Gründen, namentlich auch wegen Invalidität, umgestaltet oder aufgelöst werden, wobei vor einem solchen Entscheid der Sachverhalt zu untersuchen und der Beamte anzuhören ist. Art. 21 der EVK-Statuten setzt für die Massnahme voraus, dass der Versicherte für seine bisherige oder eine andere ihm zumutbare, ähnliche Beschäftigung invalid geworden ist. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Umgestaltung oder Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Invalidität dem konkreten Einzelfall gerecht werden soll; eine schematische Lösung, wie sie in
Art. 29 Abs. 1 IVG
enthalten ist, kann deshalb nicht in Frage kommen. Vielmehr ist - ähnlich wie nach
Art. 76 KUVG
in der Auslegung des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes - Invalidität dann anzunehmen, wenn der wichtige Grund, d.h. die unheilbare, invalidierende Krankheit tatsächlich eintritt. Nicht von Belang ist dagegen der Zeitpunkt, in dem das Bestehen einer derartigen Krankheit ärztlich festgestellt wird; nicht ausschlaggebend ist anderseits der Ausbruch der Krankheit, also der Beginn der gesundheitlichen Beeinträchtigung an sich, da, wie bereits ausgeführt, Krankheits- und Invaliditätsbegründung sich nicht in jedem Falle decken.
Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die Beschwerden, die bei Burkard am 28. Juli 1973 auftraten, sogleich eine völlige Arbeitsunfähigkeit herbeiführten, dass die Beschwerden von einer bis heute noch nicht heilbaren Krankheit herrührten,
BGE 101 Ib 353 S. 359
der sog. Amyloidose, und dass diese Krankheit zum Tode Burkards führte, ohne dass er die Arbeit wieder aufnehmen konnte. Da eine unheilbare Krankheit bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit vorlag, und da die dieser Krankheit eigentümliche Dauer nicht als ausgesprochen kurz bezeichnet werden kann, ist im vorliegenden Fall die rechtlich relevante Invalidität beim Ausbruch der Krankheit, also während der Kündigungszeit, eingetreten. Dass die Krankheit vorerst falsch diagnostiziert und erst später richtig erkannt wurde, spielt für die versicherungsmässige Leistungspflicht keine Rolle.
5.
Das Eidgenössische Personalamt vertritt die Auffassung, ein Versicherungsfall sei trotzdem nicht eingetreten, selbst wenn der Beginn der Invalidität in die Kündigungszeit gefallen sei. Das Personalamt stützt sich auf den Wortlaut von Art. 21 der EVK-Statuten, wonach ein Anspruch auf Ausrichtung einer Invalidenrente nur besteht, wenn das Dienstverhältnis von der Wahlbehörde wegen Invalidität aufgelöst wird. Da Burkard das Arbeitsverhältnis selber aufgekündigt habe, könne er keinen Rentenanspruch geltend machen; es wäre seine Aufgabe gewesen, für genügenden Versicherungsschutz nach Auflösung des Dienstverhältnisses besorgt zu sein.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen des Versicherungsrechtes, dass alle während der Versicherungsdauer eintretenden Versicherungsfälle zu decken sind. Diese Regel wird durch
Art. 48 BtG
, auf den sich die EVK-Statuten stützen, in keiner Weise eingeschränkt; diese Vorschrift bestimmt allgemein, dass der Beamte gegen die wirtschaftlichen Folgen von Invalidität, Alter und Tod zu versichern ist. Dazu kommt, dass - auch nach Auffassung des Eidgenössischen Personalamtes - Witwen- und Waisenrenten geschuldet sind, wenn ein Versicherter während der Kündigungszeit stirbt. Es ist nicht einzusehen, aus welchen Gründen kassenrechtlich zwischen Tod und Invalidität ein Unterschied gemacht werden könnte. Ein Ausschluss von Kassenleistungen hätte zwangsläufig eine Versicherungslücke zur Folge, da sich der bei der EVK Versicherte bis zum Ende des Dienstverhältnisses vernünftigerweise nicht anderswo versichert und wohl auch nicht versichern könnte und er nach Auflösung des Dienstverhältnisses und eingetretener Invalidität wegen seines Gesundheitszustandes in keine
BGE 101 Ib 353 S. 360
Versicherungseinrichtung mehr aufgenommen würde. Die vom Eidgenössischen Personalamt vertretene wörtliche Auslegung von Art. 21 der EVK-Statuten lässt sich somit vor
Art. 48 BtG
nicht halten. Die Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Invalidität durch die Wahlbehörde kann für den Rentenanspruch nicht ausschlaggebend sein. Die Wahlbehörde hätte es sonst in der Hand, zu entscheiden, ob ein invalider Arbeitnehmer in den Genuss einer Rente kommt oder nicht. Sie könnte beispielsweise einen invalid gewordenen Arbeitnehmer vorderhand weiter beschäftigen und das Dienstverhältnis später aus einem anderen Grund auflösen. Solche Zufälligkeiten dürfen für die Realisierung des Rentenanspruchs nicht entscheidend sein; dieser ist vielmehr davon abhängig zu machen, ob der Versicherungsfall während der Zugehörigkeit des Versicherten zur Kasse eintritt. Ist dem so, so wird die Kasse mit Ablauf der ordentlichen Gehaltszahlung rentenleistungspflichtig. Die Auflösung des Dienstverhältnisses wegen Invalidität durch die Wahlbehörde stellt keine echte Anspruchsvoraussetzung dar; die Vorschrift ist, in Verbindung mit Art. 24 Abs. 7 der EVK-Statuten, nur von Bedeutung für den Rentenbeginn, nicht aber für den Anspruch an sich.
Diese Ordnung gilt im übrigen ohne Einschränkung für die freiwillig Versicherten nach Art. 3 Abs. 2 der EVK-Statuten. Diese sind nicht mehr Beamte des Bundes, und ihr Dienstverhältnis kann deshalb nicht mehr von einer eidgenössischen Wahlbehörde aufgelöst werden. Es wäre unhaltbar, den Beamten, auch wenn er im gekündigten Dienstverhältnis steht, schlechter zu behandeln als den freiwillig Versicherten und bei jenem den Rentenbezug von einer Bedingung abhängig zu machen, die es für diesen nicht geben kann.
6.
Dieses Auslegungsergebnis steht in Widerspruch zum Urteil
BGE 89 I 143
ff. Damals entschied das Bundesgericht ausdrücklich, dass eine Rente wegen vorzeitiger Invalidität nur dann beansprucht werden könne, wenn das Dienstverhältnis aus diesem und nicht aus einem anderen Grunde aufgelöst werde, und dass kein Anspruch auf irgendwelche Kassenleistungen entstehe, wenn der Bedienstete auf eigenes Begehren vor Erreichen der Altersgrenze oder aus eigenem Verschulden ausscheide. Diese Ordnung trage den Schwierigkeiten Rechnung, auf welche die Beurteilung der Frage der Invalidität oft stosse (
BGE 89 I 146
). Das Bundesgericht hatte in jenem Falle
BGE 101 Ib 353 S. 361
zu prüfen, ob ein Beamter, der die Auflösung seines Dienstverhältnisses selber schuldhaft herbeigeführt hatte, nachträglich durch Berufung auf Invalidität die für ihn nachteiligen Folgen einer disziplinarischen Entlassung beseitigen könne. Das Bundesgericht verneinte eine solche Möglichkeit, und an dieser Betrachtungsweise ist festzuhalten, soweit damit eine missbräuchliche Umgehung des Disziplinarrechts verhindert werden soll. Dagegen ist die damalige Rechtsprechung aufzugeben, soweit sie die Ausrichtung einer Invalidenrente an einen Beamten verbietet, der selber gekündigt hat und erwiesenermassen während der Kündigungszeit invalid geworden ist. Eine derart weitreichende Interpretation von Art. 21 der EVK-Statuten ist weder vom Standpunkt des Arbeitgebers noch von dem der Kasse aus erforderlich; die Durchsetzung des Disziplinarrechts bis zum Ende des Dienstverhältnisses kann durch andere Massnahmen sichergestellt werden. Wie bereits ausgeführt, verstösst eine solche Auslegung von Art. 21 gegen
Art. 48 BtG
, was im damaligen Urteil nicht geprüft worden war. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b2091cbf-c008-42e5-a031-fee820d562dc | Urteilskopf
84 II 521
72. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 4 novembre 1958 dans la cause Ravussin contre Zbinden. | Regeste
Mäklervertrag.
1. Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem Zustandekommen des Geschäftes; Beweislast (Erw. 1).
2. Einfluss des Umstandes, dass der Mäkler dem Auftraggeber von der Anbietung an den schliesslichen Erwerber keine Kenntnis gegeben hat (Erw. 2 u. 3). | Sachverhalt
ab Seite 522
BGE 84 II 521 S. 522
A.-
Le 8 avril 1953, Charles Zbinden a chargé le courtier Jean Ravussin de trouver un acheteur pour un immeuble sis à l'avenue des Toises 18, à Lausanne. Ravussin offrit l'immeuble à de nombreuses personnes, notamment à la Fondation des oeuvres sociales des Fabriques d'assortiments réunies, au Locle (ci-après: la Fondation), qui, par son intermédiaire, avait déjà acheté, dans le même bloc, un immeuble de Zbinden. Le 5 mai 1953, la Fondation répondit que son conseil avait examiné l'offre et renonçait à y donner suite, les loyers étant très élevés. Ravussin n'avisa Zbinden ni de l'offre adressée à la Fondation ni de la réponse reçue. En revanche, il lui signala les noms de trois autres personnes auxquelles il avait fait des offres.
Le 10 septembre 1953, deux représentants de la Fondation vinrent visiter l'immeuble qu'elle possédait à Lausanne et dont Zbinden avait conservé la gérance. A cette occasion, ils visitèrent également le bâtiment sis à l'avenue des Toises 18 et discutèrent son achat éventuel avec Zbinden. Le 16 septembre, celui-ci adressa à la Fondation divers renseignements sur l'immeuble en question et déclara que le prix de vente était de 800 000 fr., "compte tenu de ce qu'il n'y aurait pas d'intermédiaire". Finalement, le contrat de vente fut passé le 23 octobre 1953; le prix fut fixé à 775 000 fr.
Entre temps, Zbinden avait résilié le mandat du courtier, en l'informant que l'immeuble n'était plus à vendre.
B.-
Ravussin a fait assigner Zbinden devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois; il concluait à ce que le défendeur fût condamné à lui payer le salaire convenu.
Zbinden a conclu principalement au rejet de l'action.
Par jugement du 4 juillet 1958, la Cour civile a rejeté
BGE 84 II 521 S. 523
la demande. Elle s'est fondée, en substance, sur les motifs suivants:
La convention du 8 avril 1953 était à la fois un courtageindication et un courtage-négociation. En principe, Ravussin peut donc prétendre à une commission si l'indication qu'il a donnée a abouti à la conclusion du contrat de vente. Il suffit à cet égard qu'il existe un rapport psychologique de causalité entre l'activité de courtier et la décision prise par le tiers de passer le contrat; il appartient au courtier d'établir ce rapport, mais, s'il a accompli des actes propres à amener l'amateur à conclure, il bénéficie d'une présomption de fait et il appartient au mandant de prouver l'absence du lien psychologique exigé. En l'espèce, Ravussin a offert l'immeuble à la Fondation et on doit présumer que le contrat de vente est la conséquence de cette démarche. Or Zbinden n'a pu détruire cette présomption: il n'est nullement exclu qu'en septembre 1953, les représentants de la Fondation se soient encore rappelé l'intervention de Ravussin et l'aient sciemment tue à Zbinden pour éviter que le prix ne soit majoré du montant de la commission du courtier. Cependant, il est constant que Zbinden ignorait l'offre que le courtier avait adressée à la Fondation. Par la faute de Ravussin, il n'a pu tenir compte de la commission due à celui-ci, lorsqu'il a fixé le prix de vente, et il est présumé avoir subi un dommage équivalent au montant de ce salaire. Le courtier n'ayant pas établi l'inexistence d'un tel préjudice, il doit être débouté de ses conclusions.
C.-
Ravussin recourt en réforme au Tribunal fédéral, en reprenant les conclusions qu'il a formulées dans l'instance cantonale.
Zbinden propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Aux termes de l'art. 413 CO, le courtier a droit à son salaire dès que l'indication qu'il a donnée ou la négociation qu'il a conduite aboutit à la conclusion du contrat.
BGE 84 II 521 S. 524
La Cour civile a admis en l'espèce qu'il existait une relation de causalité entre les démarches de Ravussin et la décision, prise par la Fondation, d'acquérir l'immeuble de Zbinden. L'argumentation de cette juridiction repose sur une saine conception de la notion de causalité et sur une répartition du fardeau de la preuve conforme aux règles établies par la jurisprudence du Tribunal fédéral (cf. notamment RO 40 II 531, 57 II 193, 62 II 344, 69 II 108, 72 II 89 et 422, 76 II 382). Dans la mesure où ce point de la décision attaquée est soumis à son examen, la juridiction fédérale de réforme ne peut donc que s'y rallier. Il n'est du reste l'objet d'aucune critique de la part de l'intimé.
Ainsi, la seule question qui reste posée est de savoir si Ravussin peut prétendre à sa commission bien qu'il n'ait pas informé son mandant de l'offre adressée à la Fondation.
2.
a) Dans son arrêt Engi c. Ruff (RO 57 II 187), le Tribunal fédéral a laissé indécise la question de savoir si, pour que le courtier ait droit à son salaire, il faut que le mandant ait su, lorsqu'il a traité, que le contrat était dû à l'indication donnée ou à la négociation conduite par le courtier. La doctrine est divisée: OSER/SCHÖNENBERGER (Komm. zum OR, ad art. 413, rem. 26), BRUNNER (Der Grundstückkauf, 2e éd., p. 133) et MINOLA (Le contrat de courtage spécialement du point de vue du salaire du courtier, p. 56) résolvent cette question par la négative. En revanche, SCHNEIDER et FICK (Das schweizerische Obligationenrecht, I, 4e éd., ad art. 413, rem. 22) et TURRETTINI (Le contrat de courtage et le salaire du courtier, p. 139 et suiv.) se prononcent affirmativement (dans le même sens, Revue de la Société des Juristes bernois, 1906, p. 193, et Blätter für zürcherische Rechtssprechung, 1907, no 41, et 1934, no 101). Leur thèse est conforme à la jurisprudence et à la doctrine allemandes, selon lesquelles le courtier n'a pas droit à son salaire si le mandant ignorait, au moment de conclure, que le contrat était le résultat
BGE 84 II 521 S. 525
de l'activité de l'intermédiaire, à moins qu'on ne doive admettre que le mandant aurait passé le contrat aux mêmes conditions s'il avait connu cette circonstance (cf. notamment Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, 31 p. 289, 68 p. 195, 83 p. 32; STAUDINGER's Kommentar zum BGB, 11e éd., ad § 652, rem. 21 e; Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, 10e éd., ad § 652, rem. 2 d. Contra: REICHEL, Die Mäklerprovision, p. 195 et suiv.).
b) Le premier argument qu'invoquent les partisans de cette dernière thèse (cf. notamment Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, 31 p. 289) est que le droit du courtier à son salaire suppose, outre une activité d'intermédiaire, un élément indépendant de sa volonté: la conclusion de l'affaire par le mandant; c'est celui-ci qui décide librement s'il veut ou non accepter les services du courtier; or il ne peut être question d'une telle acceptation si, lors de la conclusion du contrat envisagé, le mandant ignorait l'activité du courtier.
Cette argumentation est inexacte, du moins en droit suisse. Le contrat de courtage est parfait dès le moment où le mandant et le courtier conviennent que le premier paiera un salaire au second si l'affaire envisagée aboutit ensuite de l'indication donnée ou de la négociation conduite par ce dernier. Ainsi, le droit au salaire est subordonné à une seule condition: c'est que l'affaire soit conclue grâce à l'activité du courtier. Il ne dépend pas d'une manifestation de volonté expresse ou tacite par laquelle le mandant ratifierait les actes du courtier ou accepterait après coup ses services. Sans doute, le mandant est libre de conclure l'affaire ou de la refuser, ce qui conditionne le droit du courtier à son salaire. Mais, s'il conclut, il ne lui appartient plus de décider de son obligation de payer une commission. Par le fait même qu'il tire profit du résultat de l'activité du courtier, il doit en principe le salaire convenu. La conclusion de l'affaire n'est donc pas une
BGE 84 II 521 S. 526
acceptation des services du courtier. Aussi bien considère-t-on unanimement que, si le mandant passe le contrat en connaissant l'activité du courtier, celui-ci a droit à sa commission même si le mandant le désavoue ou conteste tout rapport de causalité entre cette activité et l'aboutissement de l'affaire.
c) D'autre part, les adeptes de la doctrine et de la jurisprudence allemandes relèvent que, si le mandant ignore les démarches du courtier, il court le risque de ne pas tenir compte, en traitant, de la commission due à ce dernier. Il serait ainsi exposé à un dommage.
Cette considération n'est pas suffisante, en soi, pour mettre à la charge du courtier le préjudice que le mandant peut subir de ce fait. Le paiement du salaire du courtier est une charge pour le mandant, un élément passif qu'il doit prendre en. considération lorsqu'il établit les conditions de l'affaire. Aussi est-ce à lui qu'il incombe de s'informer au cas où cet élément a de l'importance à ses yeux. Ayant conclu un contrat de courtage, il doit compter avec la possibilité que les amateurs lui aient été envoyés par le courtier. Du reste, celui-ci n'est pas toujours à même de renseigner le mandant. Si, par exemple, il fait de la publicité dans la presse, il se peut qu'une personne intéressée par une annonce apprenne par un autre amateur ou un homme de paille le nom du mandant et l'aborde directement à l'insu du courtier.
En principe, c'est donc le mandant qui doit supporter la perte résultant du fait qu'il n'a pas tenu compte, dans les conditions du contrat, de la commission due au courtier, soit qu'il ait négligé de se renseigner, soit que son cocontractant lui ait donné de fausses indications.
d) Cependant, ce principe ne s'applique pas si l'ignorance du mandant provient d'une exécution imparfaite des obligations du courtier. Celui-ci, en effet, répond dans ce cas du préjudice subi par le mandant, sauf s'il établit qu'il n'a commis aucune faute (art. 97 al. 1 CO). Il faut
BGE 84 II 521 S. 527
donc, pour résoudre la question en l'espèce, rechercher quelles sont les obligations du courtier.
Le courtier ne s'engage pas à accomplir certains actes déterminés d'avance, mais à exercer une activité tendante à un but fixé: indiquer un amateur au mandant ou négocier en qualité d'intermédiaire. Il est libre d'organiser son activité comme il l'entend et d'user des moyens qui lui paraissent les plus appropriés, par exemple de faire de la publicité, de recourir à des placiers, etc. En principe, il n'a pas l'obligation de prendre l'avis du mandant. Ce qui intéresse ce dernier, c'est uniquement le résultat. Si le courtier entre en pourparlers avec un amateur qui, après examen de l'offre, déclare la rejeter, il n'a pas l'obligation de signaler cette démarche au mandant, pour qui elle est dénuée d'intérêt. Il n'en est autrement qu'en cas de stipulation contraire ou si, pour des raisons particulières, le courtier doit penser que son silence pourra entraîner un dommage pour le mandant. Ainsi, il devra avertir son mandant s'il a des motifs sérieux de croire que l'amateur se mettra directement en relation avec lui, sans lui signaler l'offre de l'intermédiaire. De même, s'il a spontanément avisé le mandant de toutes ses démarches, celui-ci peut admettre qu'il a la liste complète des personnes abordées par le courtier; une omission serait donc de nature à l'induire en erreur et constituerait, de la part du courtier, une exécution imparfaite de ses obligations.
D'autre part, si le résultat de son activité est positif, le courtier est toujours tenu d'en aviser le mandant. En particulier, le courtier indicateur doit mettre les parties en présence; il a donc l'obligation d'amener l'amateur au mandant, soit qu'il le lui présente, soit qu'il le lui annonce. C'est amsi qu'il n'exécuterait pas complètement ses obligations si, ayant trouvé un amateur, il négligeait l'affaire ou adressait l'amateur au mandant sans prévenir ce dernier. Si, en pareil cas, l'affaire est conclue par le mandant dans l'ignorance de l'activité du courtier, celui-ci répond
BGE 84 II 521 S. 528
du dommage subi par le mandant du fait, par exemple, qu'il n'a pas tenu compte, dans la fixation des conditions de l'affaire, du salaire dû au courtier.
3.
En l'espèce, Ravussin avait indiqué l'occasion de conclure à la Fondation. Mais il avait reçu un refus net. En effet, l'affaire avait été examinée par un organe qui avait pris une décision au cours d'une séance et qui savait de quoi il s'agissait, puisque la Fondation avait déjà acheté un immeuble dans le même bloc. La réponse ne laissait donc place à aucun doute. En outre, Ravussin connaissait les organes de la Fondation et n'avait aucune raison de penser qu'ils aborderaient directement Zbinden. Dans ces conditions, il n'avait pas l'obligation de communiquer son offre à son mandant, pour qui elle paraissait sans intérêt, l'échec semblant définitif.
On ne devrait apprécier différemment le comportement du courtier que s'il s'était engagé à informer son mandant de ses démarches ou s'il lui avait spontanément signalé toutes ses offres, sauf celle qu'il avait envoyée à la Fondation. Mais aucune de ces conditions n'est remplie. Il est vrai que Ravussin a avisé son mandant des offres envoyées à trois personnes. On ignore cependant quel accueil celles-ci avaient fait à l'intervention du courtier, qui pouvait avoir des raisons spéciales de renseigner son mandant dans ces cas. Au surplus, Zbinden ne pouvait admettre que Ravussin s'était borné à ces trois démarches et lui avait donné ainsi la liste complète des personnes auxquelles l'immeuble avait été offert.
L'intimé soutient cependant qu'il n'avait aucune raison de penser que Ravussin avait envoyé une offre à la Fondation. Cela importe peu. Si, comme il le prétend, il a été victime d'une réticence de sa cocontractante, c'est à celle-ci qu'il doit s'en prendre. Mais le recourant a droit en principe à son salaire, puisqu'il a exécuté toutes ses obligations et que l'indication qu'il a donnée a abouti à la conclusion du contrat envisagé.
4.
(Le recourant a droit au salaire convenu, c'est
BGE 84 II 521 S. 529
à-dire 10 000 fr., et à l'intérêt moratoire dès le 3 août 1955.)
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis, le jugement attaqué est annulé et l'intimé est condamné à payer au recourant le montant de 10 000 fr. avec intérêt à 5% dès le 3 août 1955. | public_law | nan | fr | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b20bfc14-632d-4d7f-bb48-e2e6ded4fae1 | Urteilskopf
113 Ia 97
18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. März 1987 i.S. X. und Y. sowie Z. und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Beamtenrecht: Abgabe eines Anteils der Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit der Klinikdirektoren.
Im Gesetzgebungsverfahren besteht von Verfassungs wegen kein Anspruch auf Anhörung (E. 2).
Zur Ausübung einer privatärztlichen Tätigkeit bedürfen die Klinikdirektoren grundsätzlich einer Bewilligung durch den Regierungsrat; sie können sich daher nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 4).
Die Honorarabgabe findet ihre Rechtsgrundlage in der Kompetenz des Regierungsrates, einen Anteil der Honorareinnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit als Sonderleistung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses abzuschöpfen (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 98
BGE 113 Ia 97 S. 98
Im Kanton Zürich hatten die Klinikdirektoren bis zum Jahre 1971 für die Ausübung der privaten Sprechstundentätigkeit eine jährliche Pauschalentschädigung von Fr. 2'000.-- bis Fr. 10'000.-- zu leisten. Nach dem Erlass der Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser vom 25. März 1971 (Krankenhausverordnung 1971) mussten die Klinikdirektoren 25% der Honorare aus ambulanter und 30% der Honorare aus stationärer Behandlung von Privatpatienten dem Kanton Zürich überlassen. Eine gegen diese Abgaberegelung gerichtete staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 11. Dezember 1974 ab, soweit es darauf eintrat (
BGE 100 Ia 312
ff.). Im Jahre 1983 wollte der Regierungsrat des Kantons Zürich eine progressive Abgaberegelung einführen. Die Klinikdirektoren hätten von ihren Honorareinnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit Anteile von 10% (bei Einnahmen bis Fr. 50'000.--) bis 60% (bei Einnahmen über Fr. 600'000.--) dem Kanton Zürich überlassen müssen. Eine dagegen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 18. Oktober 1985 gut, soweit es darauf eintrat (publiziert in ZBl 1986 (87), S. 265 ff.).
Am 18. Dezember 1985 beschloss der Regierungsrat des Kantons Zürich, die Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser
BGE 113 Ia 97 S. 99
vom 28. Januar 1981 (Krankenhausverordnung 1981) wie folgt zu ändern:
"§ 30a. Als Entgelt für die Bewilligung zur Tätigkeit auf eigene Rechnung haben die Ärzte dem Krankenhaus von ihren Honorarerträgen 40% abzugeben.
Ärzte mit leitenden Funktionen, deren privatärztliche Einnahmen Fr. 100'000.-- im Jahr nicht übersteigen, leisten für die ersten Fr. 50'000.-- eine Abgabe von 20%.
Die Entschädigung für honorarberechtigte Konsilien sowie Berichte, Zeugnisse und Gutachten über Privatpatienten wird zu den abgabepflichtigen Honorarerträgen hinzugerechnet.
In Sonderfällen kann der Regierungsrat Abweichungen anordnen."
Die Änderung wurde auf den 1. Januar 1986 in Kraft gesetzt. Die Veröffentlichung im Amtsblatt des Kantons Zürich erfolgte am 27. Dezember 1985.
Gegen diesen Beschluss führen sieben Klinikdirektoren staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Direktion des Gesundheitswesens habe den Antrag auf Änderung der Krankenhausverordnung 1981 an den Regierungsrat gestellt, ohne die ihnen zur Stellungnahme eingeräumte Frist abzuwarten. Sie berufen sich in diesem Zusammenhang auch auf § 82 des zürcherischen Gesetzes über das Gesundheitswesen vom 4. November 1962 (Gesundheitsgesetz). Gemäss dieser Bestimmung hat der Regierungsrat vor dem Erlass von Ausführungsbestimmungen Vertreter der Wissenschaft und der unmittelbar beteiligten Berufsverbände anzuhören.
a) Der einzelne hat im Verwaltungsverfahren unter gewissen Voraussetzungen aufgrund von
Art. 4 BV
einen Anspruch darauf, dass er vor Erlass einer in seine Rechtsstellung eingreifenden Verfügung angehört wird. Im Gesetzgebungsverfahren, d.h. beim Erlass generell-abstrakter Normen, besteht jedoch nach der bundesgerichtlichen Praxis von Verfassungs wegen kein Anspruch auf Anhörung (
BGE 104 Ia 67
E. 2b mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 110 Ia 75
f. mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer können sich deshalb zur Begründung der von ihnen geltend gemachten Gehörsverweigerung nicht auf
Art. 4 BV
berufen. Auch aus dem von
BGE 113 Ia 97 S. 100
ihnen angerufenen § 82 des Gesundheitsgesetzes lässt sich kein Anspruch auf Anhörung der Beschwerdeführer herleiten: Einerseits geht es bei der umstrittenen Abgaberegelung nicht um eine Frage von wissenschaftlicher Bedeutung, und andererseits kann aus der erwähnten Bestimmung kein Anspruch auf Anhörung der von einer Verordnungsbestimmung unmittelbar betroffenen Personen hergeleitet werden.
Im übrigen hatten die Beschwerdeführer mehrmals Gelegenheit, ihren Standpunkt mündlich und schriftlich vorzutragen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Regierungsrat seinen Beschluss zur Änderung der Krankenhausverordnung 1981 erst am 18. Dezember 1985 fasste, somit eine von den Beschwerdeführern bis zum 11. Dezember 1985 eingereichte Stellungnahme den Regierungsrat bei seiner Beschlussfassung über den für ihn nicht verbindlichen Antrag der Direktion des Gesundheitswesens hätte beeinflussen können. Die Beschwerdeführer haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie die Möglichkeit einer Vernehmlassung bis zum 11. Dezember 1985 nur dazu nutzten, um Kritik am Verhalten des Vorstehers der Direktion des Gesundheitswesens zu üben, jedoch ausdrücklich darauf verzichteten, eine materielle Stellungnahme zur Verordnungsbestimmung abzugeben.
b) Die Beschwerdeführer rügen zudem als Verweigerung des rechtlichen Gehörs bzw. als willkürliches Verhalten, dass der Regierungsrat seinen Beschluss über eine neue Abgaberegelung fasste, ohne die schriftliche Begründung des bundesgerichtlichen Urteils vom 18. Oktober 1985 abzuwarten. Sie berufen sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Rechtskraft der Erwägungen bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide.
Das Verfahren betreffend die Änderung von § 30a Krankenhausverordnung 1981 in der Fassung vom 21. Dezember 1983 hat mit der Ausfällung des bundesgerichtlichen Urteils vom 18. Oktober 1985 definitiv seinen Abschluss gefunden. Mit der Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wurde § 30a in der Fassung vom 21. Dezember 1983 ersatzlos aufgehoben. Das bundesgerichtliche Urteil vom 18. Oktober 1985 konnte wegen der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde keine verbindlichen Anweisungen an den Regierungsrat für die Ausgestaltung einer allfälligen zukünftigen, verfassungskonformen Abgaberegelung enthalten. Unter diesen Umständen konnte der Regierungsrat eine von der aufgehobenen Abgaberegelung abweichende neue Regelung in Kraft setzen, ohne die bundesgerichtlichen Erwägungen abzuwarten.
BGE 113 Ia 97 S. 101
Der Regierungsrat handelte nicht willkürlich und beging keine Gehörsverweigerung, als er den Erlass einer neuen Abgaberegelung nicht bis zur Eröffnung der schriftlichen Urteilsbegründung hinausschob.
3.
Die Beschwerdeführer machen geltend, der Regierungsratsbeschluss stelle eine einseitige Änderung ihrer Anstellungsbedingungen dar; der Regierungsrat verletze ihre wohlerworbenen Rechte und verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Das Bundesgericht hat sich bereits im Urteil vom 18. Oktober 1985 eingehend mit diesen Argumenten der Beschwerdeführer auseinandergesetzt und die diesbezüglichen Rügen als unbegründet zurückgewiesen (E. 4, S. 15 ff.; ZBl 1986 (87), S. 266 ff.). Die Beschwerdeführer werfen im vorliegenden Verfahren keine neuen Gesichtspunkte auf. Die Begründung ihrer Beschwerden vermag zudem den Anforderungen gemäss
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
kaum zu genügen. Unter diesen Umständen sind die Beschwerden unter Hinweis auf die Erwägungen in E. 4 des Urteils vom 18. Oktober 1985 in diesem Punkte ohne weitere Begründung abzuweisen.
4.
a) Der Regierungsrat geht im angefochtenen Beschluss davon aus, die Abgabe sei "Entgelt für die Bewilligung zur Tätigkeit auf eigene Rechnung". Die Beschwerdeführer rügen diese Begründung für die Abgabe als willkürlich: Die Klinikdirektoren seien als Professoren frei, auf eigene Rechnung ärztlich tätig zu sein; der angefochtene Beschluss verletze folglich die Handels- und Gewerbefreiheit der Beschwerdeführer (
Art. 31 BV
).
b) Das Bundesgericht hatte im Urteil vom 18. Oktober 1985 festgestellt, dass die Beschwerdeführer sowohl als Universitätsprofessoren wie auch als Klinikdirektoren in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Kanton Zürich stehen (E. 3e, S. 14; vgl. auch
BGE 111 II 151
E. 3 mit Hinweisen und
BGE 112 Ib 314
ff). Folglich gelte die in § 57 des zürcherischen Gesetzes betreffend die Organisation und die Geschäftsordnung des Regierungsrates und seiner Direktionen vom 26. Februar 1899 festgelegte grundsätzliche Bewilligungspflicht für die Ausübung einer Nebentätigkeit bei Beamten auch für die privatärztliche Tätigkeit der Klinikdirektoren in vollem Umfange. Entsprechend können sich die Beschwerdeführer bei der Ausübung ihrer Privatarzttätigkeit im vornherein nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 3e und f, S. 14 f.).
c) Im vorliegenden Verfahren berufen sich die Beschwerdeführer neu auf § 135 des zürcherischen Gesetzes über das gesamte
BGE 113 Ia 97 S. 102
Unterrichtswesen vom 23. Dezember 1859 (Unterrichtsgesetz). Diese Bestimmung lautet wie folgt:
"Mit den ordentlichen Professuren an der Universität Zürich, welche die gesetzliche Besoldung in sich schliessen, sind unvereinbar:
1. Vollbesoldete Stellen im Dienste des Staates, der Bezirke, der Gemeinden und der Kirchen;
2. die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes."
Die Beschwerdeführer weisen zudem auf einen regierungsrätlichen Vorschlag für eine Änderung des Unterrichtsgesetzes hin. In den neuen § 135a und 135b soll die Bewilligungspflicht für eine Nebentätigkeit der Universitätsprofessoren ausdrücklich geregelt werden. Nach Ansicht der Beschwerdeführer wäre eine derartige Änderung nicht notwendig, wenn eine Bewilligungspflicht schon de lege lata bestünde.
d) Aus dem von den Beschwerdeführern zitierten § 135 Unterrichtsgesetz lässt sich einzig schliessen, dass für die dort umschriebenen (Neben)-Tätigkeiten eine regierungsrätliche Bewilligung gemäss § 57 Organisationsgesetz im vornherein nicht erteilt werden kann. Es handelt sich dabei um eine Art von Unvereinbarkeiten, wie sie für die Universitätsprofessoren hinsichtlich öffentlicher Ämter in einer ähnlichen Aufzählung in § 108 Ziff. 10 des zürcherischen Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen vom 4. September 1983 umschrieben werden. Auf keinen Fall kann aus der zitierten Bestimmung gefolgert werden, jede in § 135 Unterrichtsgesetz nicht genannte Tätigkeit könne neben einer vollamtlichen Professur ohne vorgängige Bewilligung durch den Regierungsrat ausgeübt werden. Es entbehrt auch rechtlicher Logik, in § 135 Unterrichtsgesetz eine Ausnahme von der 40 Jahre später in § 57 Organisationsgesetz erlassenen Bewilligungspflicht für Nebentätigkeiten sehen zu wollen.
An der Bewilligungspflicht für die privatärztliche Tätigkeit vermag auch der Vorschlag für eine Neufassung von § 135 Unterrichtsgesetz nichts zu ändern. Gesetzgeberisches Tätigwerden setzt in keiner Weise einen bisher ungeregelten Sachbereich voraus. In vielen Fällen steht die Verbesserung, Weiterentwicklung oder auch die Konkretisierung bereits normierter Materien im Vordergrund legislativer Arbeiten.
e) Auch die von den Beschwerdeführern vorgebrachten neuen Argumente vermögen die im Urteil vom 18. Oktober 1985 festgestellte Bewilligungspflicht für die Privatarzttätigkeit der Klinikdirektoren
BGE 113 Ia 97 S. 103
nicht umzustossen. Die in diesem Zusammenhang erhobene Willkürrüge und die Rüge der Verletzung von
Art. 31 BV
erweisen sich als unbegründet, soweit sie als ausreichend substantiiert angesehen werden können.
5.
a) Im wesentlichen machen die Beschwerdeführer geltend, der vom Regierungsrat beschlossenen Abgabe fehle es an einer genügenden gesetzlichen Grundlage bzw. der Regierungsrat verletze mit der Abgabeerhebung das Legalitäts- und das Gewaltentrennungsprinzip. Die Beschwerdeführer gehen von der Annahme aus, die Ausübung der privatärztlichen Tätigkeit der Klinikdirektoren unterstehe nicht der Bewilligungspflicht durch den Regierungsrat. Die Abgabe als Entgelt für die Bewilligung zur Tätigkeit auf eigene Rechnung zu erheben, sei folglich im vornherein unzulässig. Die Abgabe könnte lediglich noch als Gebühr für die Inanspruchnahme der Spitaleinrichtungen oder als Vorzugslast zur Abgeltung des Sondervorteils aus der Möglichkeit zur Nutzung der Räume und Einrichtungen des Universitätsspitals für die privatärztliche Tätigkeit angesehen werden. Auch in dieser Hinsicht fehle es der Abgabe jedoch an einer genügenden gesetzlichen Grundlage; zudem verletze der Regierungsrat mit der Höhe des gewählten Abgabesatzes die abgaberechtlichen Grundsätze des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips. Schliesslich mangle es der Abgabe auch an einer differenzierten Ausgestaltung in bezug auf die einzelnen medizinischen Disziplinen. So sei der Sondervorteil für den Psychiater mit einem nur bescheidenen Praxiseinrichtungsbedarf weit geringer als beispielsweise für den Chirurgen. Die Abgabe erscheine aus diesem Grunde als willkürlich.
b) Das Bundesgericht konnte im Urteil vom 18. Oktober 1985 die Frage im einzelnen offenlassen, auf welcher spezifischen Rechtsgrundlage der Regierungsrat berechtigt sei, aufgrund einer Verordnung einen Anteil an den Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit der Klinikdirektoren abzuschöpfen. Als mögliche Grundlage für die Abgabe nannte das Bundesgericht u.a. auch die Abgeltung der Berechtigung, als Staatsangestellte privatärztlich tätig zu sein (E. 5d, S. 25; ZBl 1986 (87), S. 271).
c) Es wurde bereits unter E. 4 festgestellt, dass die Klinikdirektoren dem kantonalen Personalrecht unterstehen und dass sie zur Ausübung einer privatärztlichen Tätigkeit einer Bewilligung durch den Regierungsrat bedürfen. Der Umfang der bewilligten privatärztlichen Tätigkeit wird denn auch für jeden Klinikdirektor gesondert entweder in der Wahlurkunde oder in einem speziellen
BGE 113 Ia 97 S. 104
Regierungsratsbeschluss festgelegt. Die Rechtsgrundlage für die Abgabeerhebung auf den Honorareinnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit kann aus diesem Grunde ohne weiteres darin erblickt werden, dass der Staat, wo er eine private, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ganz untersagen kann, auch berechtigt ist, eine solche Tätigkeit im Rahmen des Dienstverhältnisses bloss einzuschränken, sie zu regeln und sie an gewisse Bedingungen zu knüpfen. Daraus ergibt sich für den Regierungsrat, ohne dass eine besondere gesetzliche Grundlage erforderlich wäre, die Kompetenz, einen Anteil von den Honorareinnahmen als Sonderleistung im Rahmen des Dienstverhältnisses abzuschöpfen (
BGE 100 Ia 318
E. 4).
d) Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, die Abgabe sei - sollte sie auf der von ihnen bestrittenen Rechtsgrundlage als Sonderleistung im Rahmen des Dienstverhältnisses vor der Verfassung Bestand haben - wegen ihrer linearen Ausgestaltung oder wegen der Höhe ihres Abgabesatzes als verfassungswidrig anzusehen. Das Bundesgericht muss sich deshalb im Rahmen der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerden in dieser Hinsicht mit der angefochtenen Abgaberegelung nicht auseinandersetzen (
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
).
Erweist sich die fragliche Abgaberegelung in ihrer Ausgestaltung als Sonderleistung im Rahmen des Dienstverhältnisses nicht als verfassungswidrig, so vermögen die auf einer wesentlich anderen Grundlage beruhenden übrigen Rügen der Beschwerdeführer eine Verfassungsverletzung im vornherein nicht zu begründen. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b20cd93c-3b92-4d9c-8971-d08b4b5ded12 | Urteilskopf
105 Ia 392
69. Extrait de l'arrêt de la 1re Cour de droit public du 7 novembre 1979, en la cause Nino Rezzonico c. Lausanne, président du Tribunal du district et commune (recours de droit public) | Regeste
Art. 59 BV
.
Eine Vereinbarung, die kommunale Subventionsbeiträge für den Bau eines Mehrfamilienhauses vorsieht, untersteht dem öffentlichen Recht (E. 3). Die Garantie des Wohnsitzgerichtsstandes gilt nur im Bereich privatrechtlicher Streitigkeiten (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 392
BGE 105 Ia 392 S. 392
Le 30 septembre 1947, la commune de Lausanne passa avec Gustave Dénériaz une convention prévoyant l'octroi d'une subvention communale de 36'000 fr., en vue de la construction d'un immeuble à loyers modérés situé à l'avenue des Oiseaux, à Lausanne. Les parties fixèrent notamment le prix des loyers, certaines conditions de location et le pouvoir de contrôle de la commune. Le propriétaire s'engagea à se conformer à toutes les dispositions du règlement communal concernant l'encouragement à la construction de logements du 11 mars 1947, à peine de devoir rembourser la subvention et payer une indemnité de 3600 fr. La convention fut conclue pour une durée illimitée.
BGE 105 Ia 392 S. 393
Les parties firent mentionner au Registre foncier une restriction au droit d'aliéner l'immeuble d'une durée de vingt ans.
Le 26 juin 1962, Nino Rezzonico acquit l'immeuble de Gustave Dénériaz dont il reprit les obligations envers la commune de Lausanne.
Des divergences apparurent entre Nino Rezzonico et la commune de Lausanne sur les effets et la durée de la convention du 30 septembre 1947. La commune de Lausanne ouvrit finalement action contre Nino Rezzonico devant le Tribunal du district de Lausanne. Elle conclut au paiement de 62'240 fr. 20, soit le remboursement de la subvention qu'elle avait allouée, augmentée des intérêts composés et de la peine conventionnelle stipulée.
Le défendeur déclina la compétence du tribunal saisi en invoquant son droit à n'être recherché que devant le juge de son domicile.
Par jugement du 30 mai 1979, le président du Tribunal du district de Lausanne rejeta l'exception déclinatoire et mit les dépens de l'incident à la charge du défendeur.
Nino Rezzonico a formé un recours de droit public fondé sur l'
art. 59 Cst.
contre le jugement incident du 30 mai 1979, dont il a demandé l'annulation. Il a en outre requis le Tribunal fédéral de déclarer les juridictions tessinoises compétentes pour connaître de la cause.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Il n'est pas contesté que le recourant est un débiteur solvable et qu'il a son domicile en Suisse, à Lugano. L'action ouverte par la commune de Lausanne tend au paiement d'une somme d'argent et la demanderesse ne soutient pas avoir un droit quelconque sur l'immeuble construit à l'aide des subventions qu'elle entend répéter. La restriction apportée en sa faveur au droit d'aliéner l'immeuble, mentionnée au Registre foncier, est en effet radiée depuis plusieurs années déjà. Le recourant pourrait sans aucun doute se prévaloir de l'
art. 59 Cst.
si le litige qui le divise d'avec la commune de Lausanne relevait du droit privé. Le sort du recours dépend donc de la qualification des rapports juridiques liant les parties, et de l'application de l'
art. 59 Cst.
aux contestations de droit public ou aux seuls litiges de droit privé.
BGE 105 Ia 392 S. 394
3.
En droit suisse, le contrat de droit privé et le contrat de droit administratif se distinguent essentiellement par leur objet (
ATF 99 Ib 120
consid. 2; ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, RDS 1958/77 p. 510a s.). Une convention relève notamment du droit administratif lorsqu'elle met directement en jeu l'intérêt public, parce qu'elle a pour objet même une tâche d'administration publique ou une dépendance du domaine public (
ATF 102 II 57
s.; ZWAHLEN, op.cit.).
En l'espèce, l'accord conclu par les parties le 30 septembre 1947 fixe leurs droits et obligations réciproques dans l'accomplissement d'une tâche d'intérêt public, l'encouragement à la construction de logements. Il doit donc être soumis aux règles du droit public, d'autant qu'il porte sur l'octroi d'une subvention. Or les subventions sont des prestations qui, de par leur nature, relèvent du droit public, qu'elles soient allouées par acte administratif ou par contrat (
ATF 101 Ib 80
ss. consid. 3a; IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, RDS 1958/77, p. 156a-l62a, p. 210a; ZWAHLEN, op. cit. p. 602a s.).
4.
Selon une jurisprudence ancienne, mais plusieurs fois confirmée, la garantie du for du domicile ne porte que sur les litiges relevant du droit privé. L'
art. 59 Cst.
ne s'applique pas aux prétentions de droit administratif et fiscal ou de droit pénal (ATF 17, p. 364 s. et 371 s., 14, p. 168 s. et 520, 12, p. 40, 10, p. 458 s.). Cette jurisprudence est approuvée en doctrine (AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, t. 1, p. 320, no 850; BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3e éd., p. 548 s.; FAVRE, Droit constitutionnel suisse, 2e éd., p. 433; GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, p. 73). Elle doit être maintenue. Les contestations sur l'existence ou l'étendue de prétentions de droit public ressortissent en effet aux autorités de l'Etat dont la législation leur est applicable. La compétence des juridictions administratives ou civiles pour prononcer dans des litiges administratifs est fondée sur l'activité administrative en cause, sur le droit auquel elle est soumise et non sur le domicile ou le siège des parties. La juridiction administrative des tribunaux d'un Etat se limite en principe à l'activité administrative de cet Etat, soumise au droit national (ATF 17, p. 364, 10, p. 458 s.; AUBY et DRAGO, Traité de contentieux administratif, 2e éd., t. 1, p. 49 ss.). Si le défendeur à une action de droit administratif pouvait se prévaloir de la garantie du for de son domicile,
BGE 105 Ia 392 S. 395
l'administration demanderesse serait pratiquement renvoyée à agir devant des juridictions qui ne pourraient que se déclarer incompétentes.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours dans la mesure où il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b211a930-ea03-42bc-835d-698ca03fdb05 | Urteilskopf
124 I 297
36. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 26 août 1998 dans la cause Luc Meylan, Jean-Marc Terrier, Gérard L'Héritier, Gérard Bosshart, Marc-André Nardin et Patrick Frunz contre Grand Conseil du canton de Neuchâtel (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
: Alterslimite für die Ausübung des Notariats.
Urkundspersonen können sich nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 3a).
Darstellung der Funktion eines Notars (E. 4a), insbesondere im Kanton Neuenburg, der das System des freien Notariats kennt (E. 4b). Art. 62 des neuenburgischen Gesetzes über das Notariat, der die Funktion des Notars als Urkundsperson einer Alterslimite von 70 Jahren unterstellt, verletzt weder das Willkürverbot noch das Gleichbehandlungsgebot (E. 4c). | Sachverhalt
ab Seite 297
BGE 124 I 297 S. 297
A.-
Le 26 août 1996, le Grand Conseil du canton de Neuchâtel a adopté une nouvelle loi sur le notariat (LN) qui, notamment, introduit à son
art. 62 la
limite d'âge suivante:
"1 Le notaire perd sa qualité d'officier public dès l'âge de 70 ans révolus.
2 Il conserve néanmoins son titre et son brevet."
En conséquence, s'agissant de la perte du caractère d'acte authentique d'un acte notarié, l'
art. 76 lettre a LN
prévoit:
"L'acte notarié n'a pas le caractère d'un acte authentique, notamment:
a) si le notaire se trouve dans un cas d'inhabilité, s'il est atteint par la limite d'âge ou si les conditions requises pour instrumenter dans l'espace ne sont pas remplies."
BGE 124 I 297 S. 298
A titre de disposition transitoire, l'
art. 101 LN
dispose toutefois:
"Ne sont pas visés par la limite d'âge prévue à l'article 62, les notaires qui, à l'entrée en vigueur de la présente loi, ont déjà atteint l'âge de 65 ans."
La nouvelle loi sur le notariat a été publiée dans la Feuille officielle du canton de Neuchâtel le 6 septembre 1996 et est entrée en vigueur le 1er janvier 1998, après l'expiration du délai référendaire.
B.-
Agissant le 7 octobre 1996, puis le 7 janvier 1998 par la voie du recours de droit public, Luc Meylan, Jean-Marc Terrier, Gérard L'Héritier, Gérard Bosshart, Marc-André Nardin et Patrick Frunz, tous notaires établis dans le canton de Neuchâtel, ont demandé au Tribunal fédéral d'annuler l'art. 62 de la loi du 26 août 1996 sur le notariat ainsi que, en conséquence, l'art. 76 lettre a, mots 11 à 19 («s'il est atteint par la limite d'âge») et l'art. 101 de ladite loi. Ils se prévalaient à cet égard des principes de l'égalité de traitement et de l'interdiction de l'arbitraire (
art. 4 Cst.
).
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) Les recourants renoncent à invoquer la liberté du commerce et de l'industrie, si ce n'est par analogie, considérant à juste titre que celle-ci ne s'applique pas aux officiers publics (
ATF 103 Ia 394
consid. 2c p. 401;
ATF 73 I 366
consid. 2 p. 371; RDAT 1997 II 1014, consid. 3f; question laissée indécise in SJ 1990 97 consid. 5a et ZBGR 75 1994 239 consid. 3).
En revanche, les recourants se plaignent d'une violation des principes de l'égalité de traitement et de l'interdiction de l'arbitraire. Ils reprochent aux dispositions litigieuses, d'une part, de mettre sur le même pied l'ensemble des personnes du troisième âge en instituant une limite d'âge unique alors que le maintien des aptitudes diffère selon les individus, et, d'autre part, d'appliquer aux notaires le système prévalant pour les fonctionnaires, alors que les premiers exercent, contrairement aux seconds, une profession libérale et indépendante. De plus, les recourants soutiennent que la mesure attaquée est arbitraire au sens où elle ne respecte pas le principe de la proportionnalité.
Par ailleurs, les recourants ne remettent véritablement en cause que la limite d'âge introduite par l'
art. 62 LN
. Ils ne contestent pas, en eux-mêmes, les
art. 76 lettre a et 101 LN
, de sorte que ceux-ci n'ont pas à être examinés indépendamment de l'
art. 62 LN
.
BGE 124 I 297 S. 299
b) Selon la jurisprudence, un arrêté de portée générale est arbitraire lorsqu'il ne repose pas sur des motifs sérieux et objectifs ou n'a ni sens ni but. Il est contraire au principe de l'égalité de traitement lorsqu'il établit des distinctions juridiques qui ne se justifient par aucun motif raisonnable au regard de la situation de fait à réglementer ou lorsqu'il omet de faire des distinctions qui s'imposent au vu des circonstances, c'est-à-dire lorsque ce qui est semblable n'est pas traité de manière identique et ce qui est dissemblable ne l'est pas de manière différente; cela suppose que le traitement différent ou semblable injustifié se rapporte à une situation de fait importante (
ATF 123 I 241
consid. 2b p. 243;
ATF 123 II 16
consid. 6a p. 26;
122 I 305
consid. 6a p. 313 et la jurisprudence citée). La question de savoir s'il existe un motif raisonnable pour une distinction peut recevoir des réponses différentes suivant les époques et les idées dominantes. Il convient de respecter en cette matière le pouvoir d'appréciation qui appartient à l'autorité compétente, spécialement lorsqu'il s'agit de questions d'organisation et de rémunération (
ATF 121 I 49
consid. 3b p. 51, 102 consid. 4a p. 104; ZBl 98 1997 210 consid. 2 p. 211 ss).
4.
a) Les modalités de la forme authentique relèvent du droit cantonal (
art. 55 al. 1 tit. fin. CC
), mais la notion de forme authentique appartient au droit fédéral. En ce sens, les dispositions cantonales doivent non seulement respecter les limites tracées par le droit fédéral, mais encore satisfaire à certaines exigences minimales dictées par la finalité de l'institution selon le droit matériel (
ATF 106 II 146
consid. 1 p. 147; CHRISTIAN BRÜCKNER, Schweizerisches Beurkundungsrecht, Zurich 1993, p. 3-8). Toutefois, le droit fédéral donne aux cantons la compétence de désigner les personnes aptes à instrumenter les actes authentiques, soit de fixer le statut du notaire et le cadre de l'exercice du notariat. En particulier, le canton peut choisir entre le notariat libre et le notariat fonctionnarisé, l'instrumentation restant dans les deux cas une fonction officielle (
ATF 73 I 366
consid. 2 p. 371/372).
En tant que détenteurs du pouvoir d'instrumentation, les notaires sont des organes de la juridiction gracieuse et remplissent ainsi une activité étatique (
ATF 73 I 366
consid. 2 p. 371; ALFRED SANTSCHI, Die Berufspflichten des bernischen Notars, Winterthour 1959, p. 7; RUDOLF ULRICH, Die Organisation des solothurnischen Notariates, Winterthour 1966, p. 5; LOUIS CARLEN, Notariatsrecht der Schweiz, Zurich 1976, p. 36). Dans les cantons où le notariat est une profession libre - par opposition au système des notaires fonctionnaires -,
BGE 124 I 297 S. 300
la personne choisie par le canton pour revêtir les fonctions de notaire ne bénéficie pas, en principe, d'une autorisation ordinaire comparable au brevet d'avocat dont l'octroi est obligatoire lorsque certaines conditions sont remplies; plutôt que de simplement lever une interdiction générale, le brevet de notaire confère à son destinataire un droit dont l'Etat est seul titulaire. En obtenant le pouvoir d'instrumenter, le particulier acquiert la qualité d'officier public. Qu'il soit alors considéré comme un concessionnaire (HANS MARTI, Notariatsprozess, Berne 1989, p. 56; le même, Das freiberufliche Notariat, in: Le notaire bernois 39, 1978 p. 449 ss, spéc. p. 452) ou comme un simple délégataire de l'Etat (BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, Bâle 1991, no 2734), cette position d'officier public, détenteur d'une parcelle du pouvoir étatique, le place dans un rapport de droit public spécial. Cela le soumet notamment à une série d'incompatibilités visant à garantir la qualité du service qu'il accepte d'assurer; étant cependant indépendant de l'Etat, il agit non seulement en son nom, mais aussi pour son compte, à ses profits et à ses risques (RDAT 1997 II 1014 consid. 3b; SJ 1990 p. 97 ss consid. 2, voir aussi
ATF 94 I 213
consid. 3 p. 217).
b) Le canton de Neuchâtel a adopté le système du notariat libre et l'a réglementé de la façon suivante:
Le notaire est un officier public soumis à la surveillance de l'Etat (
art. 1 al. 1 LN
), qui exerce toutefois une profession libérale, de manière indépendante et sous sa propre responsabilité (
art. 1 al. 2 LN
). Le brevet n'est octroyé qu'à celui qui est de nationalité suisse, a l'exercice des droits civils, est licencié en droit d'une université suisse ou porteur d'un titre jugé équivalent, a accompli le stage légal et réussi l'examen, et présente des garanties suffisantes de solvabilité, de probité et de moralité (
art. 7 LN
). Le Conseil d'Etat exerce la haute surveillance sur les notaires qui pratiquent dans le canton (
art. 17 al. 1 LN
). Le Conseil notarial veille à ce que les notaires remplissent leurs devoirs professionnels et ne compromettent pas la réputation du notariat; sa surveillance concerne aussi bien la manière de traiter les affaires que l'exercice technique de la fonction (
art. 20 LN
). Enfin, la Commission de surveillance du notariat est l'autorité disciplinaire (
art. 24 ss LN
) et peut en outre, indépendamment de toute responsabilité disciplinaire, retirer le brevet de notaire de celui qui ne remplit plus les conditions de son octroi (
art. 27 LN
).
Ainsi, comme les membres des autres professions libérales, le notaire établi dans le canton de Neuchâtel exerce de manière indépendante et sous sa propre responsabilité, jouit d'une confiance particulière
BGE 124 I 297 S. 301
du public et est soumis à l'autorisation ainsi qu'à la surveillance de l'Etat. Toutefois, contrairement, par exemple, aux avocats et aux médecins, le notaire est un officier public, investi d'une parcelle de la puissance publique et, à ce titre, représentant de l'Etat, partant, subordonné à des exigences rigoureuses d'aptitudes, de moralité et de probité. Dans ces conditions, il se justifie en principe de comparer sa situation à celle des autres agents publics plus qu'à celle des membres d'autres professions libérales. Du reste, considérant précisément que, contrairement aux avocats, les notaires sont des officiers publics, le canton de Neuchâtel a limité l'accès au notariat aux citoyens suisses, alors qu'il a ouvert l'exercice du barreau aux étrangers titulaires d'un permis d'établissement (Rapport du 15 mai 1996 du Conseil d'Etat au Grand Conseil à l'appui d'un projet de loi sur le notariat, p. 6; art. 22 al. 1 lettre a de la loi du 26 mars 1986 sur la profession d'avocat).
c) Avec le temps, les facultés intellectuelles, physiques ou mentales, de même que l'aptitude à s'adapter aux conditions nouvelles ainsi qu'à l'évolution des connaissances et de la technique, sont susceptibles de s'altérer. A partir d'un certain âge, le risque existe que ces capacités soient diminuées au point de ne plus être compatibles avec la sécurité que doit assurer l'acte authentique ni, plus généralement, avec la confiance dont le notaire jouit, de sorte que celui-ci n'est plus en mesure d'exercer sa fonction d'officier public de manière parfaitement irréprochable.
Pour remédier à ce risque, plusieurs systèmes sont concevables. On peut opter pour une méthode subjective, consistant à examiner de cas en cas, périodiquement à partir d'un certain âge, si les intéressés peuvent continuer à exercer leur charge, ou choisir une méthode objective, consistant à appliquer à tous une limite unique. Il est également possible de laisser les organes de surveillance des notaires décider librement de retirer le brevet de ceux qui ne sont plus aptes à remplir leur fonction. En revanche, la solution fondée sur l'idée que le notaire qui ne dispose plus des capacités nécessaires en raison de son âge voit fatalement sa clientèle diminuer, ce qui conduirait à un contrôle automatique des membres les plus âgés de la profession, ne peut être admise, car l'Etat ne saurait prendre le risque que les citoyens réalisent tardivement, à leurs dépens, l'inaptitude du notaire choisi.
aa) Dans le canton de Neuchâtel, comme ailleurs en Suisse, les fonctionnaires, magistrats et autres membres d'autorités sont assez généralement soumis au système objectif susdécrit. La limite d'âge
BGE 124 I 297 S. 302
est fixée très souvent en fonction de l'âge de la retraite au sens de l'art. 21 de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants du 20 décembre 1946 (LAVS; RS 831.10), certaines catégories ne devant toutefois cesser leur activité qu'à l'âge de 70 ans (pour les membres de l'exécutif et du législatif, cf. infra).
En effet, les fonctionnaires neuchâtelois doivent cesser leur activité lorsqu'ils arrivent à l'âge fixé par la loi sur l'assurance-vieillesse et survivants pour l'ouverture du droit à une rente de vieillesse simple (art. 38 de la loi du 28 juin 1995 sur le statut de la fonction publique). Il en va de même des magistrats du pouvoir judiciaire et de leurs suppléants, les fonctions des jurés cantonaux et des assesseurs de l'autorité tutélaire ne prenant toutefois fin que lorsqu'ils atteignent l'âge de 70 ans (art. 25 al. 4 de la loi du 27 juin 1979 d'organisation judiciaire neuchâteloise). Enfin, les fonctions des présidents, des membres et des secrétaires des commissions cantonales administratives, consultatives, d'examens ou d'experts expirent lorsque les intéressés sont âgés de 70 ans (art. 1er de l'arrêté du Conseil d'Etat du 18 mai 1973 concernant les membres des commissions cantonales administratives, consultatives, d'examens ou d'experts).
Au plan fédéral, les rapports de service prennent fin au plus tard à 65 ans révolus (art. 57 al. 1bis de la loi fédérale du 30 juin 1927 sur le statut des fonctionnaires; RS 172.221.10), même pour les membres des commissions fédérales de recours et d'arbitrage, lorsqu'ils exercent à plein temps (art. 8 al. 2 de l'ordonnance concernant l'organisation et la procédure des commissions fédérales de recours et d'arbitrage; RS 173.31), et les professeurs des Ecoles polytechniques fédérales (art. 16 al. 1 de l'ordonnance sur le corps des maîtres des EPF; RS 414.142). Les juges fédéraux n'échappent pas davantage à une telle mesure, puisque, selon un gentlemen's agreement entre l'Assemblée fédérale et le Tribunal fédéral, ils doivent quitter leur fonction à un âge déterminé, fixé précédemment à 70 ans et, depuis peu, à 68 ans (EDUARD SCHNEIDER, 150 und 125 Jahre Bundesgericht, Berne 1998, p. 39/40).
Il est vrai que les membres des pouvoirs législatifs ou exécutifs, tels que les conseillers d'Etat ou les députés au Grand Conseil ou au Parlement fédéral, ne sont pas soumis à une limite d'âge, mais leur charge est remise en cause à intervalles réguliers indépendamment de leur âge.
bb) Certes, contrairement aux fonctionnaires, les notaires ne sont pas salariés et ne bénéficient pas nécessairement d'une pension de
BGE 124 I 297 S. 303
retraite. En ce sens, il n'est pas exclu que la limite d'âge mette dans une situation difficile ceux d'entre eux qui n'ont pas réussi à constituer des ressources suffisantes pour assurer leurs vieux jours, alors que leurs aptitudes leur permettraient de continuer à pratiquer. Toutefois, un fonctionnaire retraité ne touche pas forcément une pension complète. De plus, la nécessité de constituer soi-même sa retraite est la contrepartie des avantages du statut d'indépendant tels que la possibilité d'obtenir des revenus fondés sur le résultat. Il n'est donc pas arbitraire, ni contraire au principe de l'égalité de traitement d'appliquer aux notaires le système objectif auquel sont soumis les fonctionnaires.
Par ailleurs, l'âge limite choisi n'est pas davantage contraire à l'
art. 4 Cst.
En effet, l'âge de 70 ans est un seuil normalement assez élevé pour permettre aux notaires de constituer leur pension de retraite, d'autant que rien n'empêche les intéressés de compléter leurs ressources en poursuivant d'autres activités juridiques. Du reste, si certains fonctionnaires ou magistrats peuvent prolonger leur activité au-delà de 65 ans, cette extension ne dépasse pas les 70 ans, comme on l'a vu plus haut. Certes, le projet de loi du Conseil d'Etat fixait cette limite à 75 ans (rapport susmentionné du 15 mai 1996, p. 26). Toutefois, des discussions serrées ont ensuite eu lieu au Grand Conseil, qui ont abouti à ramener ce seuil à 70 ans (Bulletin du Grand Conseil, séance de relevée du 26 août 1996, p. 942 ss), de sorte que cette délimitation constitue un choix politique dont le Tribunal fédéral n'a pas à remettre en cause l'opportunité.
Enfin, s'il est certes schématique, partant, nécessairement rigoureux dans certains cas, le système objectif a l'avantage d'éviter des discussions pénibles avec les intéressés et des décisions délicates. Cette méthode est en outre de nature à assurer la mobilité et le renouvellement nécessaires à un exercice dynamique des fonctions officielles et s'inscrit finalement dans le cadre de la réalité sociale de la retraite, qui, si elle s'impose au premier chef pour les salariés, n'en influence pas moins l'activité professionnelle des personnes de condition indépendante.
d) Dès lors, l'
art. 62 LN
ne viole ni le principe de l'égalité de traitement, ni le principe de l'interdiction de l'arbitraire. Cette disposition, ainsi que les
art. 76 lettre a et 101 LN
, doivent donc être maintenus et le recours doit être rejeté. | public_law | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b2120ed4-c21d-43c0-bb00-7206639f6ea2 | Urteilskopf
107 V 39
8. Urteil vom 6. April 1981 i.S. F. gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 3 Abs. 5 alt KUVG und
Art. 128 OG
.
Eine von einer anerkannten Krankenkasse auf eigene Rechnung betriebene Risiko-Lebensversicherung untersteht nicht dem Bundessozialversicherungsrecht. Streitigkeiten aus einem solchen Rechtsverhältnis unterliegen daher nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 107 V 39 S. 39
A.-
Die Schweizerische Krankenkasse Helvetia führte auf Juli 1975 die sogenannte automatische und die zusätzliche Risiko-Lebensversicherung ein und schloss zugleich mit der COOP-Lebensversicherungs-Genossenschaft in Basel einen Kollektivversicherungsvertrag für das Todesfallrisiko ihrer krankengeldversicherten Mitglieder ab. Die Leistungen der Risiko-Lebensversicherung werden bei Ableben infolge Unfalls oder Krankheit fällig. Bei Tod infolge Selbstmordes gilt eine reglementarische Karenzfrist; sie betrug ursprünglich zwei Jahre und wurde im März 1977 auf drei Jahre ausgedehnt.
Manfred F. war der zusätzlichen Risiko-Lebensversicherung auf den 1. Februar 1976 beigetreten Am 7. Juli 1978 starb er infolge Suizids. Die Kasse anerkannte ihre Leistungspflicht aus der
BGE 107 V 39 S. 40
automatischen Risiko-Lebensversicherung (Fr. 2'430.-). Dagegen lehnte sie mit Verfügung vom 28. August 1978 die Leistungspflicht aus der zusätzlichen Risiko-Lebensversicherung mit der Begründung ab, dass am 7. Juli 1978 die dreijährige Karenzfrist laut der in ihrem Organ Nr. 3/1977 publizierten Reglementsänderung noch nicht abgelaufen gewesen sei.
B.-
Die von der Ehefrau des Versicherten gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich am 9. März 1979 ab. Die Begründung des Entscheides geht im wesentlichen dahin, dass hinsichtlich der Risiko-Lebensversicherung kein Versicherungsvertrag im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) vorliege. Ein Versicherungsvertrag zwischen der Kasse und ihren Mitgliedern sei schon deshalb nicht möglich, weil die Kasse keine Bewilligung zum Geschäftsbetrieb im Sinne von Art. 3 Abs. 2 alt VAG besessen habe. Die Krankenkassen könnten nur in ihrer eigenen Form der Sozialversicherung tätig werden. Dies gelte auch dort, wo sie selbständig Deckung gewährten, die normalerweise zur Privatversicherung gehöre, was ihnen aber nur akzessorisch zur Krankenversicherung erlaubt sei (Art. 5 neu VAG). Es handle sich hier demnach um eine Versicherung im Rahmen des Mitgliedschaftsverhältnisses. Für die Beziehungen der Kasse zu ihren Mitgliedern seien somit auch bezüglich der Risiko-Lebensversicherung die Statuten und Reglemente massgebend. Auch deren Änderung könne die Kasse grundsätzlich autonom regeln. Geändert werden könnten auch die reglementarischen Bestimmungen für bereits bestehende Versicherungsverhältnisse. Damit eine dem Versicherten nachteilige Reglementsänderung diesem entgegengehalten werden könne, sei einzig deren gehörige Bekanntmachung erforderlich. Die Publikation der neuen Karenzfrist im Mitteilungsblatt Nr. 3/77 der Kasse an die Mitglieder genüge den Anforderungen.
C.-
Die Ehefrau des Versicherten lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei die Kasse ihr gegenüber zur Bezahlung von Fr. 102'856.- zuzüglich 5% Verzugszins ab 28. August 1978 unter dem Titel der Risiko-Lebensversicherung zu verpflichten. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, dass zwischen den seinerzeitigen Parteien ein privatrechtlicher Versicherungsvertrag abgeschlossen worden sei, der eine lediglich zweijährige Karenzfrist vorsehe; diese habe mangels Zustimmung des Versicherten nicht in eine
BGE 107 V 39 S. 41
dreijährige Frist umgewandelt werden können. Eventualiter sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber auch unter rein sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten gutzuheissen, weil sich der Versicherte auf das ihm seinerzeit vorgelegte ursprüngliche Reglement habe verlassen dürfen und weil die für ihn nachteilige Neuerung in völlig ungenügender Weise publiziert worden sei.
Die Kasse beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, im wesentlichen unter Hinweis auf die Begründung des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich. Auf die Stellungnahmen des Bundesamtes für Sozialversicherung und des Bundesamtes für Privatversicherungswesen, welches ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladen wurde, wird in den nachstehenden Erwägungen zurückzukommen sein.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 128 in Verbindung mit
Art. 97 Abs. 1 OG
beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Nach
Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen weitere, hinsichtlich ihres Gegenstandes näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen). Anordnungen von Krankenkassen aufgrund ihrer statutarischen oder reglementarischen Bestimmungen - soweit sie sich auf das KUVG stützen - fallen ebenfalls unter den Begriff Verfügung gemäss
Art. 5 Abs. 1 VwVG
.
2.
Um die Frage beantworten zu können, ob das Eidg. Versicherungsgericht zur materiellen Beurteilung der vorliegenden Streitsache zuständig ist, muss vorweg geprüft werden, ob die anerkannten Krankenkassen überhaupt eine Risiko-Lebensversicherung betreiben dürfen.
a) Nach dem hier anwendbaren Art. 3 Abs. 5 alt KUVG (gültig bis 31. Dezember 1978) stand es den anerkannten Krankenkassen "frei, neben der Krankenversicherung noch andere Versicherungsarten zu betreiben". Dieser Wortlaut wurde mit dem Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978 (Versicherungsaufsichtsgesetz/VAG) dahin erweitert, es stehe den Krankenkassen
BGE 107 V 39 S. 42
frei, "neben der Kranken- und Mutterschaftsversicherung im Rahmen der vom Bundesrat festgelegten Bedingungen und Höchstgrenzen noch andere Versicherungsarten zu betreiben".
Der Wortlaut von Art. 3 Abs. 5 alt KUVG enthielt keine Beschränkung für die Betätigung der Kassen in Versicherungszweigen ausserhalb der sozialen Krankenversicherung. Auch aus den Materialien ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass den anerkannten Krankenkassen der Betrieb bestimmter Versicherungszweige nicht gestattet gewesen wäre (vgl. BBl 1906 VI 268f.; die KUVG-Revision von 1964 erwähnt diesen Artikel nicht). Nichts anderes resultiert aus der Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts. Dieses hat zugelassen, dass anerkannte Krankenkassen Sterbegeldversicherungen sowie Unfall- oder Lähmungsversicherungen führen (
BGE 106 V 29
,
BGE 97 V 65
,
BGE 98 V 8
, RSKV 1973 Nr. 168 S. 68). Es hat es den Krankenkassen auch nicht verwehrt, eine kantonale Schülerunfallversicherung zu betreiben (RSKV 1977 Nr. 281 S. 67; unveröffentlichte Urteile Deschenaux vom 9. Oktober 1975 und 23. Juni 1977), und einem Rückversicherungsverband gemäss
Art. 27 Abs. 1 KUVG
das Recht zur Aufnahme ausländischer Krankenkassen zugebilligt (
BGE 105 V 294
).
Daraus folgt, dass auch das Eidg. Versicherungsgericht das Recht der anerkannten Krankenkassen zum Betrieb anderer Versicherungsarten neben der sozialen Krankenversicherung nicht beschränkt hat. Allerdings hat es nicht alle der angeführten Versicherungszweige dem Sozialversicherungsrecht des Bundes und damit seiner richterlichen Zuständigkeit unterstellt. Die genannte Schülerunfallversicherung, welche auf kantonalem Recht basierte, schloss es davon ebenso aus wie das erwähnte Rückversicherungsverhältnis, welches dem Bundesprivatrecht zugeordnet wurde. Die Abgrenzungskriterien werden in den folgenden Erwägungen zu erörtern sein.
b) Zusammengefasst ergibt sich somit, dass weder der Wortlaut von Art. 3 Abs. 5 alt KUVG noch die Materialien noch die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts einen Hinweis darauf enthalten, dass die Berechtigung der anerkannten Krankenkassen, neben der sozialen Krankenversicherung andere Versicherungsarten zu betreiben, eingeschränkt gewesen wäre. Dass die Krankenkasse Helvetia (als Versichererin und nicht bloss als Vermittlerin eines Versicherungsabschlusses bei einer
BGE 107 V 39 S. 43
privaten Lebensversicherungsgesellschaft) auch das Todesfallrisiko versichert, erweist sich daher aus der Sicht des KUVG als zulässig.
3.
Zu prüfen ist sodann, welchem Recht (öffentlichem oder privatem Bundesrecht) die hier fragliche Risiko-Lebensversicherung untersteht bzw. ob diese dem Sozialversicherungsrecht des Bundes zugehört.
a) Art. 102 Abs. 1 bis 3 der Statuten regeln die Sterbegeldversicherung, die nach dem Gesagten dem Bundessozialversicherungsrecht untersteht. Abs. 4 des gleichen Artikels räumt der Zentralverwaltung der Kasse die Kompetenz ein, eine freiwillige Sterbegeld- oder Todesfallversicherung mit besondern Prämien sowie eine besondere zusätzliche Versicherung mit Kapitalleistungen bei Tod und Invalidität einzuführen. Gestützt auf diese Regelung schuf der Zentralvorstand die Abteilung der Risiko-Lebensversicherung und führte in Art. 1 von deren Reglement aus:
"Die Schweizerische Krankenkasse Helvetia (nachstehend Helvetia genannt) hat mir der COOP Lebensversicherungs-Genossenschaft in Basel einen Kollektivversicherungsvertrag für das Todesfallrisiko ihrer krankengeldversicherten Mitglieder abgeschlossen. Dieser Vertrag regelt ausschliesslich die Rechtsbeziehungen zwischen den vorgenannten Vertragsparteien."
Daraus erhellt, dass dieser Kollektivversicherungsvertrag die Rechtsbeziehungen zwischen der Kasse und den versicherten Mitgliedern hinsichtlich der Risiko-Lebensversicherung (Abteilung RL) nicht beschlägt. Die weiteren Bestimmungen des Reglements ordnen der äussern Form nach die Risiko-Lebensversicherung so, wie wenn es sich um eine der sozialen Krankenversicherung gleichgestellte "andere Versicherungsart" handeln würde. Immerhin wird in Art. 14 des Reglements nicht nur auf die subsidiäre Anwendbarkeit des KUVG, sondern auch des VVG (im Nachgang zum KUVG) verwiesen.
b) Die Vorinstanz hat denn auch angenommen, es liege eine (Sozial-)Versicherung im Rahmen des durch Statuten und Reglement geordneten Mitgliedschaftsverhältnisses vor, und sie hat daher Bundessozialversicherungsrecht zur Anwendung gebracht. Als massgebliches Kriterium für die Annahme einer Versicherung im Rahmen des Mitgliedschaftsverhältnisses erachtete sie, dass die Kasse keine Bewilligung zum Geschäftsbetrieb im Sinne von Art. 3 Abs. 2 alt VAG habe. Krankenkassen
BGE 107 V 39 S. 44
könnten nur in ihrer eigenen Form der Sozialversicherung tätig werden. Dies gelte auch dort, wo von ihnen selbständig Deckungen gewährt würden, die normalerweise zum Kreis der Privatversicherungen gehörten. Dem ist gemäss den vorstehenden Erwägungen entgegenzuhalten, dass die anerkannten Krankenkassen auch Versicherungsarten betreiben dürfen, die nicht dem Bundessozialversicherungsrecht unterstehen. Neben der sozialen Krankenversicherung geführte andere Versicherungsarten sind daher nicht schon deshalb dem Bundessozialversicherungsrecht zugehörig, weil sie zum Versicherungsangebot einer anerkannten Krankenkasse zählen.
Ein wesentliches Kriterium für die Abgrenzung der (bundes-)sozialversicherungsrechtlichen Versicherungsarten einer Kasse von ihren übrigen Versicherungszweigen lässt sich auch nicht aus der Stellungnahme des Bundesamtes für Sozialversicherung gewinnen, welche sich im wesentlichen auf die Feststellung beschränkt, dass nach Massgabe der reglementarischen Bestimmungen und nach der Art des Abschlusses der zusätzlichen Risiko-Lebensversicherung, ferner im Hinblick auf die dem eigentlichen Tätigkeitsbereich einer anerkannten Krankenkasse fremde Versicherungsart eher ein privatrechtlicher Versicherungsvertrag gegeben sein dürfte.
Das Bundesamt für Privatversicherungswesen geht davon aus, dass der Kollektivversicherungsvertrag habe abgeschlossen werden müssen, weil die Krankenkasse Helvetia in ihrer Eigenschaft als anerkannte Krankenkasse nicht ermächtigt sei, die Lebensversicherung zu betreiben. Die Helvetia sei als Versicherungsnehmerin und die für das Lebensversicherungsgeschäft konzessionierte COOP-Versicherungs-Genossenschaft als Erstversicherer zu betrachten, welche die Verpflichtungen aus dem Vertrag materiell zu garantieren habe. Nicht Stellung genommen wird jedoch zur entscheidenden Frage, ob es sich bei der Rechtsbeziehung zwischen Kasse und Versichertem im Rahmen der hier fraglichen Risiko-Lebensversicherung um ein sozialversicherungsrechtliches Verhältnis oder um einen privatversicherungsrechtlichen Vertrag handelt.
Auch die Rechtspraxis im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 5 alt KUVG lässt kein eindeutiges Abgrenzungsprinzip erkennen. Bei der - faktisch ohnehin wenig bedeutenden - Sterbegeldversicherung war für die Unterstellung unter Bundessozialversicherungsrecht wohl die historische Tatsache massgebend,
BGE 107 V 39 S. 45
dass diese Versicherungsart schon vor Erlass des KUVG zum klassischen Tätigkeitsbereich vieler (kombinierter) Kassen gehörte. Bei der Unfallversicherung dürfte die enge innere Beziehung zur sozialen Krankenversicherung im Vordergrund gestanden haben. Demgegenüber besteht die offenbar erst in jüngster Zeit in Erscheinung getretene Tatsache, dass eine anerkannte Krankenkasse als Versichererin (und nicht bloss als Vermittlerin eines Versicherungsabschlusses bei einer privaten Lebensversicherungsgesellschaft) für das Todesfallrisiko auftritt, nicht auf historisch erklärbaren Gründen. Auch besteht zwischen der Krankenversicherung und der Risiko-Lebensversicherung keine unmittelbare innere Beziehung. Die aus der bisherigen Rechtspraxis ableitbaren Kriterien für die Unterstellung einer neben der Krankenversicherung betriebenen andern Versicherungsart unter das Sozialversicherungsrecht des Bundes sind daher im vorliegenden Fall nicht gegeben.
c) Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass es zur Ausübung öffentlich-rechtlicher Funktionen - sei es durch öffentliche Organe oder auch durch Privatrechtssubjekte - einer entsprechenden rechtlichen Grundlage bedarf, welche diese Kompetenz begründet. Demzufolge kann eine anerkannte Krankenkasse nicht aus eigener Entscheidungsbefugnis bestimmen, dass sie eine neben der sozialen Krankenversicherung betriebene andere Versicherungsart als bundessozialversicherungsrechtlich führen wolle. Vielmehr müsste ihr dieses Recht durch das Gesetz oder allenfalls (wie etwa bei der Unfallversicherung) durch die verwaltungsgerichtliche Praxis verliehen werden. Eine solche gesetzliche Kompetenzzuweisung besteht ebensowenig wie eine solche durch verwaltungsrechtliche bzw. verwaltungsgerichtliche Praxis. Demzufolge fehlt im vorliegenden Falle eine Rechtsgrundlage, welche die Zuordnung der in Frage stehenden Risiko-Lebensversicherung zum Bundessozialversicherungsrecht zu begründen vermöchte.
4.
Für die Rechtsbeziehungen zwischen Kasse und Beschwerdeführerin kommt demnach bezüglich der vorliegenden Risiko-Lebensversicherung als Rechtsgrundlage nur Bundesprivatrecht in Frage. Daraus folgt, dass die Kasse in der streitigen Frage keine Verwaltungsverfügung im Sinne von
Art. 30 Abs. 1 KUVG
erlassen durfte und dass der verwaltungsgerichtliche Weg zur materiellen Beurteilung der Streitsache nicht gegeben ist (vgl. dazu
BGE 105 V 294
).
BGE 107 V 39 S. 46
Trotz materieller Unzuständigkeit hat das Eidg. Versicherungsgericht jedoch auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. Denn auf dem Beschwerdeweg kann auch gerügt werden, dass zu Unrecht Bundessozialversicherungsrecht angewendet worden sei (
BGE 105 V 296
Erw. 1b). Diesbezüglich erweist sich die Rüge der Beschwerdeführerin als begründet. Gemäss den vorstehenden Erwägungen hat jedoch das Eidg. Versicherungsgericht die materielle Seite nicht zu prüfen, sondern sich darauf zu beschränken, die zu Unrecht in Anwendung von Bundessozialversicherungsrecht ergangenen Entscheide von Kasse und Vorinstanz aufzuheben und die Beschwerdeführerin mit ihrer Forderung auf den Zivilweg zu verweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. März 1979 und die Verfügung der Schweizerischen Krankenkasse Helvetia vom 28. August 1978 aufgehoben werden. Es wird festgestellt, dass die zusätzliche Risiko-Lebensversicherung der Krankenkasse Helvetia nicht dem Bundessozialversicherungsrecht untersteht. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b21a9af8-b8e6-4544-a56d-88dc8571429f | Urteilskopf
121 I 181
26. Extrait de l'arrêt de la Ière Cour de droit public du 14 août 1995 dans la cause E. contre Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
; Beschlagnahme eines als Kaution aus dem Ausland überwiesenen Betrags.
Die Beschlagnahme eines als Kaution aus Deutschland überwiesenen Betrags, von dem vermutet wird, dass er deliktisch erworben wurde, verletzt im vorliegenden Fall den Grundsatz von Treu und Glauben nicht (E. 2b). Mit einer derartigen Beschlagnahme dürfen indessen die Bestimmungen betreffend die internationale Rechtshilfe nicht umgangen werden (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 182
BGE 121 I 181 S. 182
Ressortissant allemand, E. est en détention préventive depuis le 21 mars 1995, sous l'inculpation d'escroquerie par métier. Il lui est reproché d'avoir escroqué des investisseurs en Allemagne, pour plusieurs dizaines de millions de Deutschmark; aux termes d'un contrat de participation avec une société vaudoise, les investisseurs mettaient à disposition une certaine somme destinée à l'achat d'objets d'art et d'antiquités, et à leur revente avec bénéfice après restauration. En réalité, les fonds des nouveaux clients étaient utilisés pour rembourser les premiers investisseurs. Au sein de cette organisation, E. aurait fonctionné comme distributeur exclusif en Allemagne. Les commissions touchées à ce titre auraient constitué son unique revenu depuis le 19 juin 1991.
A l'issue d'une audience du 10 mai 1995, le Juge informateur de l'arrondissement de Lausanne s'est déclaré prêt à libérer E. provisoirement moyennant le dépôt d'une caution de 100'000 fr. conformément aux art. 69 ss du Code de procédure pénale vaudois (CPP vaud.). Les sûretés exigées ont été versées le 18 mai 1995 sur le compte bancaire de son conseil. Saisi de l'enquête le même jour, le substitut du Juge d'instruction du canton de Vaud s'est opposé à la libération sous caution du prévenu. Considérant que les fonds destinés à servir de caution provenaient de l'activité délictueuse déployée par E., il en a ordonné le séquestre. En outre, il a rejeté le 27 mai 1995 la demande de mise en liberté provisoire formée par le prévenu, en raison du risque de collusion que cette mesure présenterait.
BGE 121 I 181 S. 183
Sur recours du prévenu, le Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal du canton de Vaud a confirmé ces décisions par deux arrêts rendus les 20 et 23 juin 1995.
Agissant par la voie du recours de droit public, E. demande au Tribunal fédéral d'annuler ces arrêts et d'ordonner sa mise en liberté provisoire. Il se plaint notamment d'une interprétation arbitraire des
art. 59 et 70 CPP
vaud., et se prévaut du comportement contradictoire de l'autorité.
Statuant par deux arrêts séparés, le Tribunal fédéral a rejeté le recours en tant qu'il portait sur la mise en liberté du recourant, mais il l'a admis partiellement au sens des motifs en tant qu'il concernait la saisie de la somme versée à titre de caution.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Dans son arrêt du 20 juin 1995, la cour cantonale considère que le nouveau magistrat saisi de la cause n'a pas commis d'abus de droit en saisissant la somme de 100'000 fr. en mains de l'avocat du recourant, car il y avait des indices sérieux que cette somme versée par l'épouse du recourant provienne du produit d'infractions, de sorte qu'il se justifiait de les saisir provisoirement.
Le recourant se prévaut en bref d'une violation des règles de la bonne foi (
art. 4 Cst.
). La somme litigieuse aurait été transmise d'Allemagne en Suisse sur la base de la seule assurance du magistrat instructeur que le montant en serait reçu comme caution et permettrait la mise en liberté du recourant; or le nouveau magistrat non seulement aurait refusé la mise en liberté, mais il aurait de plus saisi la somme transférée en Suisse à d'autres fins. La République fédérale d'Allemagne, dont le recourant aurait demandé la protection, aurait aussi été trompée par ce comportement des autorités suisses, soit du canton de Vaud.
a) Le principe de la bonne foi entre administration et administré exige que l'une et l'autre se comportent réciproquement de manière loyale. En particulier, l'administration doit s'abstenir de tout comportement propre à tromper l'administré et elle ne saurait tirer aucun avantage des conséquences d'une incorrection ou insuffisance de sa part (
ATF 117 Ia 124
consid. 3,
ATF 114 Ia 106
consid. 2a et les arrêts cités; cf. aussi les
art. 107 al. 3 OJ
et 23 PA, qui ne sont qu'une expression d'un principe général). Pour sa part, l'administré ne saurait non plus tirer d'une erreur de l'administration un profit propre à nuire à autrui. Il convient par
BGE 121 I 181 S. 184
ailleurs de juger du respect des règles de la bonne foi par l'administration selon des critères objectifs, indépendamment de la personne des agents en cause; aussi l'administration peut-elle être rendue responsable d'un comportement contradictoire, même si celui-ci est dû à des personnes différentes, au besoin à l'insu des unes et des autres (
ATF 114 Ia 23
/24, 119 Ia 9 et 19).
b) Il résulte de ce qui précède que, face au recourant, le comportement des deux magistrats successifs ayant conduit l'enquête est à attribuer à l'Etat comme s'il avait été accompli par le même magistrat. Il n'en résulte pas toutefois que le principe de la bonne foi ait été violé, dans le cas particulier, à l'égard du recourant.
Contrairement à ce que soutient ce dernier, on ne saurait assimiler l'évocation, par le Juge informateur, d'une libération sous caution, à un "accord de procédure" liant le magistrat. Le recourant ne pouvait en particulier ignorer qu'une telle mesure devait encore faire l'objet d'une décision formelle (cf. arrêt non publié du 10 août 1995 relatif à la mise en liberté, consid. 3b). L'avis du juge informateur ne pouvait en tout cas constituer une assurance quant à l'affectation définitive de la somme qui pourrait être versée à titre de caution, de sorte que le recourant ne pouvait, à la seule évocation d'une libération contre caution, se croire à l'abri de l'application, prévisible, des règles relatives à la confiscation du produit de l'infraction et aux mesures provisoires à cet effet. Certes, lorsqu'il a laissé entrevoir la possibilité d'une libération contre caution, le magistrat ne pouvait pas ignorer que le recourant vivait uniquement, depuis 1991, des commissions perçues dans le cadre des faits qui lui sont reprochés; il pouvait toutefois raisonnablement compter avec la possibilité que l'argent destiné à servir de caution provienne d'une autre source ou d'autres personnes, comme c'est fréquemment le cas. L'appréciation juridique de la situation s'est fondamentalement modifiée lorsque l'autorité allemande a fait savoir que l'épouse du recourant avait vidé le contenu d'un safe détenu par le recourant. En effet, il devenait alors évident qu'on pouvait d'emblée suspecter que l'argent mis à disposition pour le paiement de la caution provenait d'une activité pouvant être tenue pour délictueuse.
Compte tenu de ces circonstances, l'attitude des autorités d'instruction ne peut être considérée ni comme un piège tendu au recourant, ni même comme la violation d'une assurance donnée; elle ne viole pas le principe de la bonne foi à l'égard du prévenu.
c) aa) La bonne foi doit également être respectée par les Etats dans l'accomplissement de leurs devoirs internationaux. Tel est en particulier
BGE 121 I 181 S. 185
le cas dans le respect des règles internationales régissant l'entraide judiciaire (
ATF 119 Ib 71
). C'est ainsi que la jurisprudence a sévèrement condamné des pratiques déloyales destinées à éluder les règles normales de l'entraide judiciaire (cf. l'arrêt non publié du Tribunal fédéral du 20 mars 1981, en la cause C., où, pour éluder l'impossibilité d'obtenir l'extradition d'un ressortissant de l'Etat de résidence, un Etat étranger avait tendu un piège à ce ressortissant pour le faire venir en Suisse, à laquelle l'extradition fut demandée, et qui la refusa; ASDI 1983 p. 228, cité in
ATF 117 Ib 340
; à ce sujet, cf. l'étude de SCHULTZ, Male captus, bene deditus in ASDI 1984 p. 93 ss., ainsi que les références citées dans l'ATF susmentionné). A cet égard, les Etats se doivent de respecter réciproquement leur souveraineté; ils méconnaîtraient cette règle s'ils se procuraient, par des moyens jugés objectivement déloyaux, des moyens de preuve ou des biens frappés de mesures conservatoires, en violation des règles régissant l'entraide internationale en matière pénale.
bb) En l'espèce, l'Etat de Vaud est responsable d'un comportement qui a conduit le recourant et son épouse à transférer en Suisse une somme de 100'000 fr. sur la base de renseignements donnés par un magistrat, qui se sont révélés par la suite inexacts et ont permis la saisie de cette somme, contrairement à ce qui avait été envisagé et annoncé. Ce comportement a eu objectivement pour effet d'éluder les règles internationales relatives à l'entraide judiciaire, soit à soustraire à la souveraineté de la République fédérale d'Allemagne une somme d'argent de 100'000 fr. alors que des traités fixent les conditions auxquelles l'entraide judiciaire, notamment une saisie provisoire, est accordée. En effet, les relations entre les deux Etats sont régies à ce sujet par la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale (RS 0.351.1) et par l'accord complémentaire à cette convention conclu entre les deux Etats le 13 novembre 1969 (RS 0.351.913.61), notamment en son art. II, avec les observations communes formulées par les deux Etats à cet égard.
Même si le recourant n'a pas expressément invoqué cet argument sous cette forme, il s'en est prévalu implicitement en prétendant qu'il y avait violation des règles de la bonne foi et d'un engagement suisse à l'égard de l'Allemagne, qui fautivement n'aurait pas été tenu, de sorte que le Tribunal fédéral doit entrer en matière à ce sujet. La décision attaquée ne saurait être maintenue telle quelle en tant qu'elle permet d'éluder, par des moyens fallacieux, les engagements suisses à l'égard de l'Etat étranger - moyen que le particulier touché est aussi recevable à invoquer selon la
BGE 121 I 181 S. 186
jurisprudence (
ATF 117 Ib 340
et la jurisprudence citée).
cc) Il sied de rétablir une situation conforme au droit international, ce qui n'empêche point de prévoir des mesures conservatoires. Il convient donc de rechercher si la saisie litigieuse pourrait être obtenue dans le respect des engagements internationaux de la Suisse. Le droit suisse autorise une saisie provisoire, destinée à assurer une confiscation éventuelle ultérieure (
ATF 117 Ia 427
consid. 20a); de son côté, l'art. II de l'accord complémentaire germano-suisse prévoit aussi une entraide en cette matière. Aussi conviendra-t-il de rechercher si l'autorité allemande compétente est disposée à saisir les avoirs des époux E. provenant des ressources tirées de l'activité reprochée dans le cadre de la présente procédure, et si elle consent à la saisie de la somme de 100'000 fr. Si tel était le cas, rien ne s'opposerait au maintien de la saisie. A défaut, celle-ci devrait être levée; d'ordinaire, la levée d'une saisie pénale doit ménager les intérêts des lésés en leur permettant de solliciter du juge civil des mesures conservatoires (cf.
ATF 120 Ia 122
consid. 2, 119 Ib 73/74); dans la présente hypothèse, un tel objectif ne saurait être recherché que dans le respect de la souveraineté de l'Etat étranger. | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b21abafb-ba52-49cc-894a-d5faec0a03a2 | Urteilskopf
120 II 53
13. Estratto della sentenza 3 febbraio 1994 della I Corte civile nella causa A contro Banca I (ricorso per riforma) | Regeste
Wechselrecht; Blankowechsel (Blankett); Verjährung (
Art. 1069 Abs. 1 OR
).
Die Verjährung von Blankowechseln beginnt, unter Vorbehalt von
Art. 1000 OR
, an dem vom Gläubiger angegebenen Verfalltag an zu laufen (E. 3d). | Sachverhalt
ab Seite 53
BGE 120 II 53 S. 53
A.-
Nell'aprile 1976 l'avvocato A e C hanno sottoscritto "per avallo" un vaglia cambiario in bianco rilasciato dalla X Inc. Panama, e per essa firmato da A nella sua qualità di amministratore, che doveva servire quale garanzia per crediti concessi dalla Banca I alla società panamense. Nel maggio 1982 la Banca I, non avendo la X Inc. rispettato il piano di rimborso del proprio debito, ha completato il vaglia in bianco, in particolare con la data di scadenza e l'importo dovuto, e ha escusso A per la somma di fr. 990'520.--. Il 24 giugno 1983 la Camera di esecuzione e
BGE 120 II 53 S. 54
fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino ha confermato il giudizio di primo grado di rigetto provvisorio dell'opposizione interposta dall'escusso.
B.-
Il 25 luglio 1983 A ha chiesto che fosse pronunciata l'inesistenza del debito, adducendo che lo stesso era prescritto, che si era prodotta novazione e che vi era parziale copertura del credito.
Con sentenza 7 dicembre 1992 il Pretore ha respinto l'azione. Il 7 luglio 1993 la II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino, in parziale accoglimento dell'azione, ha stabilito che il debito sussisteva per l'importo di fr. 625'811.-- oltre interessi.
C.-
Insorto al Tribunale federale con ricorso per riforma, A chiede che la sua azione del 25 luglio 1983 sia integralmente accolta e accertata l'inesistenza del suo debito nei confronti della Banca I. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso, in quanto ammissibile.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
a) I Giudici cantonali hanno respinto l'eccezione di prescrizione riferendosi alla dottrina e alla giurisprudenza, secondo cui le azioni cambiarie si prescrivono in tre anni a decorrere dalla data di scadenza (
art. 1069 CO
), norma questa applicabile anche ai vaglia cambiari e ai titoli in bianco. Secondo i Giudici cantonali questa soluzione si impone per motivi di sicurezza del diritto e per il fatto che la semplice firma di un effetto bancario crea sì una pretesa cambiaria, ma non un debito cambiario scaduto ed esigibile. Siffatta soluzione, che è l'unica praticabile, implica che gli effetti giuridici dell'obbligo cambiario possano subentrare ancora molto tempo dopo la firma.
b) L'attore fa valere la violazione di principi fondamentali del diritto. Egli rimprovera alla Corte cantonale di aver praticamente ammesso l'esistenza di un diritto perenne, lasciando al solo creditore il potere di stabilirne la data di esigibilità.
c) Questa adduzione è errata. La Corte cantonale non ha mai accennato ad un diritto imprescrittibile. Essa ha unicamente osservato che nel caso di effetto emesso in bianco la prescrizione non decorre fintantoché non sia possibile far valere le pretese cambiarie. Occorre quindi esaminare alla luce dell'
art. 130 cpv. 1 CO
, secondo cui la prescrizione decorre dall'esigibilità, quando diventano esigibili le pretese fondate su un effetto in bianco.
d) La prescrizione delle azioni cambiarie è regolata dagli
art. 1069-1071 CO
, collocati sistematicamente fra le disposizioni disciplinanti la
BGE 120 II 53 S. 55
cambiale, ma applicabili anche al vaglia cambiario (pagherò) in virtù del riferimento contenuto all'
art. 1098 cpv. 1 CO
. L'
art. 1069 cpv. 1 CO
stabilisce che le azioni cambiarie contro l'accettante si prescrivono in tre anni a decorrere dalla data della scadenza (v. per il diritto germanico l'art. 70 cpv. 1 WG che ha analogo contenuto). Secondo l'
art. 1022 cpv. 1 CO
, in relazione con l'
art. 1098 cpv. 3 CO
, l'attore, che ha dato l'avallo per colui che ha emesso la cambiale (traente), è obbligato nello stesso modo del traente. Questi, a sua volta, è obbligato nello stesso modo dell'accettante di una cambiale. Ne segue che l'azione cambiaria contro l'avallante soggiace al termine di prescrizione triennale dell'
art. 1069 cpv. 1 CO
(
DTF 91 II 370
consid. 10 con rinvio a
DTF 30 II 70
seg.; opinione condivisa da W. VON STEIGER, in ZBJV 103/1967, pag. 128; dello stesso avviso JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, Wertpapierrecht, pag. 190 par. 2, e MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, Wertpapierrecht, pag. 214, n. 2).
La norma dell'
art. 1069 cpv. 1 CO
, secondo la quale il termine di prescrizione triennale decorre dalla data di scadenza, è conforme al precetto generale dell'
art. 130 cpv. 1 CO
, secondo cui la prescrizione inizia a decorrere dall'esigibilità. Per la decorrenza dei termini delle azioni cambiarie non sussiste quindi alcuna eccezione (cfr. JÄGGI, in Zürcher Kommentar, n. 259 ad art. 972). In particolare, contrariamente all'opinione dell'attore, la regola enunciata dall'
art. 130 cpv. 2 CO
per le obbligazioni dipendenti da disdetta non è applicabile alla cambiale. Non vi è alcun termine entro cui "disdire" (JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, op.cit., pag. 227).
Rimane quindi unicamente da vagliare a partire da quale momento decadono le azioni cambiarie incorporate in un effetto in bianco. Dottrina e giurisprudenza sono concordi nel ritenere che il traente di un effetto non deve apporvi tutti gli elementi. È sufficiente che il titolo sia completo al momento in cui sono fatte valere le pretese fondate su di esso. E quindi ammissibile dal profilo giuridico il cosiddetto effetto in bianco (biancosegno). Il titolo può essere firmato, accettato e girato, ceduto, trasferito e depositato, prima ch'esso contenga tutti gli elementi essenziali. Le dichiarazioni apposte sul biancosegno sono irrevocabili e il dichiarante sopporta il rischio insito nella successiva completazione del titolo. Il diritto al riempimento si trasmette, quale diritto accessorio, al prenditore e ai suoi legittimi successori cambiari, civili e di diritto pubblico (
DTF 108 II 320
consid. 4,
DTF 91 II 110
consid. 2,
DTF 89 II 343
consid. 5,
DTF 88 III 101
; GUHL/KUMMER/DRUEY, Das Schweiz. Obligationenrecht, 8a
BGE 120 II 53 S. 56
edizione, pag. 823; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, op.cit., pag. 160; MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, op.cit., pag. 94 segg. n. 98 segg. come pure pag. 152 n. 39 segg.). Per il diritto germanico (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wechselgesetz und Checkgesetz, 18a edizione, n. 1 a 3 ad art. 10 WG). L'eventuale riempimento abusivo del biancosegno è regolato dall'
art. 1000 CO
. In concreto, non occorre tuttavia affrontare tale questione, atteso che l'attore non adduce, né motiva a sufficienza una violazione in tal senso.
Discende da queste considerazioni che il diritto al riempimento comprende pure la facoltà di determinare la data di scadenza ai sensi dell'
art. 1069 CO
(in tal senso MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, pag. 94 n. 98). A ragione SPIRO afferma che anche per la cambiale in bianco è irrilevante quando essa venga riempita (Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Vol. I, pag. 59 n. 24 come pure pag. 74 n. 10; lo stesso vale per il diritto germanico: v. BAUMBACH/HEFERMEHL, n. 2 ad art. 70 WG, secondo cui è irrilevante che in un'accettazione in bianco la data di scadenza sia apposta solo in seguito; diversa invece la situazione nel diritto italiano v.
art. 14 n. 2 del
Regio decreto 5 dicembre 1933, n. 1669, secondo cui il diritto al riempimento decade dopo tre anni dal giorno dell'emissione del titolo). Questo autore considera a ragione che la prescrizione, nel caso di cambiale con scadenza in bianco, assume un ruolo analogo al termine di presentazione nella cambiale a vista (
art. 1023 cpv. 1 CO
; op.cit., pag. 74 n. 10). Nel caso di cambiale a vista (
art. 1023 cpv. 1 CO
) spetta parimenti ad ogni avente diritto di determinare il momento della presentazione per il pagamento e quindi la data di scadenza (MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, pag. 190 e riferimenti).
Ne segue che nel caso di effetto cambiario in bianco la prescrizione decorre, con la riserva di quanto prevede l'
art. 1000 CO
, dalla data di scadenza indicata dal creditore.
e) Le considerazioni contenute nel ricorso non modificano questa conclusione, nella misura in cui il gravame non si esaurisce in una critica inammissibile dell'apprezzamento delle prove della Corte cantonale, risp. si fonda su una fattispecie che non trova alcun riscontro nella sentenza impugnata. Devono pertanto essere respinti gli argomenti che, in concreto, il termine di prescrizione è iniziato a decorrere già nel 1976 con la consegna del vaglia cambiario quale garanzia o con la possibilità di disdire il credito sei mesi dopo il suo pagamento e che il primo atto interruttivo della prescrizione (maggio 1982) è tardivo.
BGE 120 II 53 S. 57
f) La Corte cantonale ha constatato in modo vincolante per la giurisdizione per riforma che la data di scadenza è il 5 maggio 1982 ed è incontestato che a partire da questa data il termine di prescrizione è stato interrotto più volte. L'eccezione di prescrizione deve quindi essere respinta. | public_law | nan | it | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b21b9e06-79cb-419c-9720-2eaf7352dc94 | Urteilskopf
99 Ib 421
56. Extrait de l'arrêt du 18 mai 1973 dans la cause Etat de Vaud et commune de Lausanne contre Département fédéral de justice et police. | Regeste
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Art. 99 lit. h OG
.
Wann räumt das Bundesrecht einen Anspruch auf einen Beitrag ein? | Sachverhalt
ab Seite 421
BGE 99 Ib 421 S. 421
Résumé des faits:
La loi fédérale du 6 octobre 1966 "sur les subventions de la Confédération aux établissements servant à l'exécution des peines et mesures et aux maisons d'éducation" prévoit à son art. 1er que "la Confédération subventionne la construction et l'agrandissement" de certains établissements officiels et privés jusqu'à concurrence de 50 ou de 70% suivant les cas. Il s'agit notamment des "établissements servant à l'exécution des peines de réclusion, d'emprisonnement et d'arrêts encourues par des adultes au sens du code pénal suisse" (art. 1er al. 2 lit. c). L'art. 3 dispose que, "sauf pour les établissements destinés aux enfants ou adolescents, les subventions sont calculées proportionnellement au nombre effectif ou présumé des pensionnaires renvoyés dans l'établissement en vertu du code pénal suisse". L'art. 5 al. 1 charge le Conseil fédéral de fixer les conditions auxquelles l'octroi d'une subvention est subordonné. Cette loi
BGE 99 Ib 421 S. 422
(art. 7 al. 2) a remplacé et abrogé les
art. 386 à 390
CP. Les dispositions d'exécution se trouvaient d'abord dans l'"ordonnance sur les subventions" du 6 novembre 1968, remplacée par l'ordonnance du 14 février 1973 "sur les subventions aux établissements servant à l'exécution des peines et mesures et aux maisons d'éducation", qui en vertu de son art. 19 a pris effet le 1er janvier 1973.
La prison du Bois-Mermet, à Lausanne, est utilisée à la fois pour la détention préventive et pour l'exécution des peines d'emprisonnement jusqu'à un mois et des peines d'arrêts. Se fondant sur les dispositions précitées, l'Etat de Vaud et la commune de Lausanne ont demandé l'octroi de subventions fédérales pour les travaux de rénovation de cette prison. Ils estimaient que pour le calcul des subventions, il fallait assimiler aux journées d'exécution d'une peine les journées de détention préventive imputées par le juge sur la peine prononcée par lui. Le Département fédéral de justice et police ne les ayant pas suivis sur ce point, ils ont formé un recours de droit administratif que le Tribunal fédéral a déclaré recevable, mais mal fondé.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
a) ...
b) Il faut examiner cependant si la présente espèce ne tombe pas sous le coup de la clause d'exception de l'art. 99 lit. h OJ, aux termes de laquelle le recours de droit administratif n'est pas recevable contre l'octroi ou le refus de subventions auxquelles la législation fédérale ne confère pas un droit.
Selon la jurisprudence, il faut entendre ici par législation fédérale ("Bundesrecht") les lois fédérales proprement dites, les arrêtés fédéraux de portée générale et les ordonnances législatives du Conseil fédéral, de ses départements et des services subordonnés, à l'exclusion des simples ordonnances administratives (RO 97 I 879). Pour qu'on puisse dire de la législation fédérale ainsi comprise qu'elle confère un droit, il faut qu'elle définisse de façon exhaustive les conditions dont dépend l'octroi de la subvention, et que la décision ne soit pas laissée à l'appréciation de l'autorité administrative, ce qui est normalement le cas lorsque la loi dit que la subvention "peut" être accordée (RO 98 Ib 78/79). Dans une circulaire du 18 septembre 1972 à ses départements, le Conseil fédéral a de son côté posé les mêmes principes, en ajoutant que l'indication dans
BGE 99 Ib 421 S. 423
la loi, sans autre précision, du montant maximum de la subvention ne suffit pas à exclure qu'il y ait droit à celle-ci; que, suivant le but de la loi ou la pratique suivie de façon constante, le mot "peut" ne signifie pas toujours que la décision dépend de la libre appréciation de l'administration; et enfin que l'emploi par le législateur de concepts indéterminés ou très techniques pour définir les conditions d'octroi de subventions n'a pas non plus cette signification. Il n'y a aucune raison pour que le Tribunal fédéral ne se rallie pas à ces précisions.
En l'espèce, ces principes conduisent à dire que les subventions dont il s'agit sont de celles auxquelles la législation fédérale confère un droit. Cela résulte déjà du texte même de la loi du 6 octobre 1966, qui dit de façon impérative à son art. 1er al. 1 que "la Confédération subventionne" (et non pas "peut" subventionner) la construction et l'agrandissement de certains établissements. Peu importe, d'après ce qu'on vient de voir, que cette loi ne fixe pas de façon précise le montant de la subvention, en se contentant d'en indiquer le maximum (50 ou 70% suivant le cas); cette particularité pourrait jouer un rôle en ce qui concerne le fond, mais pas en ce qui concerne la recevabilité. Quant aux conditions dont dépend l'octroi de la subvention, elles ont été fixées en vertu d'une délégation de la loi (art. 5) dans une ordonnance qui émane du Conseil fédéral et qui a le caractère d'une ordonnance législative. Ces conditions n'en réservent pas d'autres qui dépendraient de l'appréciation de l'autorité administrative. Enfin, l'art. 5 de l'ordonnance du 14 février 1973 - dont on verra plus loin qu'elle est applicable en l'espèce - par le de "reconnaissance du droit à la subvention", ce qui implique l'existence d'un droit préexistant découlant de la loi elle-même.
On ne se trouve donc pas dans l'hypothèse envisagée par la clause d'exception de l'art. 99 lit. h OJ. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b21f4396-c0b2-4daa-9e8b-64f758a99a5e | Urteilskopf
118 II 435
85. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. November 1992 i.S. Eiport AG gegen Genossenschaft für Landeiereinkauf (Berufung) | Regeste
Genossenschaftsrecht. Erwerb der Mitgliedschaft (
Art. 839 OR
).
1. Berufungsfähigkeit gemäss
Art. 44 ff. OG
(E. 1).
2. Zusammenfassung von Rechtsprechung und Lehre zu
Art. 839 Abs. 2 OR
(E. 2).
3. Selbständiger Anspruch auf Feststellung der Ungültigkeit einer Statutenbestimmung? (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 436
BGE 118 II 435 S. 436
A.-
Die Eiport AG handelt mit Eiern, Geflügel und verwandten Produkten. Als Importeurin muss sie gemäss
Art. 17 der Verordnung über den Eiermarkt und die Eierversorgung (Eierverordnung; SR 916.371)
eine jährlich neu festgesetzte Pflichtmenge von Eiern aus der geschützten inländischen Produktion übernehmen. Für die Sammlung der für die Pflichtübernahme bestimmten Inlandproduktion und deren Zuteilung auf die Importeure bestehen zwei Sammelorganisationen, nämlich der Verband Schweiz. Eier- und Geflügelverwertungsgenossenschaften (SEG) und die Genossenschaft für Landeiereinkauf (GELA). In letzterer sind zwölf Eierimporteure in Genossenschaftsform zusammengeschlossen. Die SEG sammelt 75%, die GELA 25% der gesamten Pflichtmenge. Wegen der vom Bundesamt für Landwirtschaft festgelegten, fixen jährlichen Sammelmenge führt eine Änderung in der Anzahl Genossenschafter automatisch zu einer entsprechenden Veränderung der jeweiligen Liefermenge der bestehenden Produzenten. Abgesehen von zwei Sonderfällen können daher gemäss Art. 3 lit. b der Statuten der GELA als neue Mitglieder nur Firmen aufgenommen werden, die im Besitze einer Bestätigung des Bundesamtes sind, wonach die Gesamtsammelberechtigung der GELA im Ausmass des Pflichteieranteils der neuen Mitgliedfirma erhöht wird.
Nachdem die Eiport AG beim Bundesamt erfolglos eine solche Bestätigung verlangt hatte, klagte sie beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die GELA auf Feststellung, dass Art. 3 lit. b der Statuten nichtig sei, sowie auf Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin als Mitglied aufzunehmen. Das Handelsgericht wies die Klage am 2. April 1992 ab. Es vertrat die Auffassung, unter dem Blickwinkel des Genossenschaftsrechts sei die angefochtene Statutenvorschrift nicht zu beanstanden. Unter jenem des Kartellgesetzes sei die Klage bereits mangels einer erheblichen Wettbewerbsbehinderung im Sinne von
Art. 6 KG
abzuweisen; würde letzteres bejaht, fehlte es am überwiegenden schutzwürdigen Interesse im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 und 2 lit. c KG
.
B.-
Die Eiport AG führt gegen das handelsgerichtliche Urteil Berufung. Sie beantragt festzustellen, dass Art. 3 lit. b der GELA-Statuten nichtig sei.
BGE 118 II 435 S. 437
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Den Streitwert beziffert die Klägerin auf mindestens Fr. 225'000.--, und aus den Akten ergeben sich Hinweise auf finanzielle Interessen, die in dieser Grössenordnung liegen. Da somit der für die Berufungsfähigkeit vermögensrechtlicher Zivilrechtsstreitigkeiten geforderte Streitwert von wenigstens Fr. 8'000.-- bei weitem gegeben ist, erübrigt sich eine nähere Prüfung der Frage, ob es sich vorliegend um eine Streitigkeit vermögensrechtlicher Natur oder um eine solche nicht vermögensrechtlicher Art handelt (vgl.
BGE 108 II 78
E. 1a,
BGE 98 II 223
E. 1, POUDRET, N. 1.3.4 zu
Art. 44 OG
mit Hinweisen).
2.
Der Erwerb der Mitgliedschaft in einer Genossenschaft wird von
Art. 839 OR
geregelt. Abs. 2 dieser Vorschrift hält fest, dass die Statuten unter Wahrung des Grundsatzes der nicht geschlossenen Mitgliederzahl die näheren Bestimmungen über den Eintritt treffen können; sie dürfen diesen jedoch nicht übermässig erschweren.
a) In
BGE 98 II 225
ff. hat sich das Bundesgericht ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob diese Gesetzesvorschrift dem Bewerber ein Recht auf Aufnahme in die Genossenschaft gewähre. Zusammenfassend hielt es fest,
Art. 839 Abs. 2 OR
könne nach Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte nicht dahin ausgelegt werden, dass einem Anwärter ein klagbares Recht auf Eintritt in eine Genossenschaft zustehe, selbst dann nicht, wenn er die statutarischen Eintrittsvoraussetzungen erfülle. Die Pflicht der Genossenschaft, neue Mitglieder aufzunehmen, müsse eine in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, wie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs und dem Schutz der Persönlichkeit, begründete Ausnahme bleiben.
Dieser Entscheid aus dem Jahre 1972 wurde bis heute nicht in Frage gestellt. Die seither erschienene Literatur begrüsst ihn durchwegs (PATRY, SAG 45/1973 S. 170 f.; KUMMER, ZBJV 110/1974 S. 84 ff.; FORSTMOSER, N 16 zu
Art. 839 OR
; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 6. Auflage, S. 335; GUHL/KUMMER/DRUEY, Das schweizerische Obligationenrecht, 8. Auflage, S. 745; ROTHENBÜHLER, Austritt und Ausschluss aus der Genossenschaft, Diss. Zürich 1984, S. 13).
b) Das Prinzip der offenen Tür ist ebenfalls im deutschen und im Österreichischen Genossenschaftsrecht verwirklicht. Auch diesen beiden Rechtsordnungen ist indessen der Aufnahmezwang fremd. Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme wird grundsätzlich abgelehnt (MEYER/MEULENBERGH/BEUTHIEN, N 4 zu § 1 des deutschen Gesetzes
BGE 118 II 435 S. 438
betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften; KEINERT, Österreichisches Genossenschaftsrecht, S. 79 ff., vor allem Rz. 112).
c) Im vorliegenden Verfahren nicht zur Diskussion steht, ob die Verweigerung der Aufnahme der Klägerin in die beklagtische Genossenschaft gegen allgemeine Rechtsgrundsätze, insbesondere gegen die
Art. 2 und 28 Abs. 1 ZGB
, verstösst und aus diesem Grunde widerrechtlich wäre. Ein solcher Einwand wurde vor dem Handelsgericht ebensowenig geltend gemacht wie ein allfälliger statutarischer Anspruch auf Beitritt (vgl. FORSTMOSER, N 19 zu
Art. 839 OR
).
3.
Vor Bundesgericht wird nur noch die Feststellungsklage aufrechterhalten. Zur Begründung dieses Begehrens bringt die Klägerin vor, die angefochtene Statutenbestimmung verletze den genossenschaftsrechtlichen Grundsatz der nicht geschlossenen Mitgliederzahl. Sie wirft dem Handelsgericht vor, es sei der Frage, ob die Statutenbestimmung eine übermässige Beitrittserschwerung im Sinne von
Art. 839 Abs. 2 OR
bewirke, in keiner Weise nachgegangen. Eine Verletzung von Bundesrecht sieht sie darin, dass die Vorinstanz den selbständigen Charakter des Feststellungsbegehrens verkannt und dieses ausschliesslich unter dem Gesichtspunkt der enger gefassten Voraussetzungen eines klagbaren Beitrittsanspruchs geprüft und verworfen habe.
Richtig verstanden macht die Klägerin einen vom Aufnahmebegehren unabhängigen, selbständigen Anspruch auf Feststellung der Ungültigkeit einer Statutenbestimmung geltend. Sie will verhindern, dass
Art. 839 Abs. 2 OR
toter Buchstabe bleibe, falls die darin gesetzte Schranke nicht befolgt werde. Denn aus
BGE 98 II 221
ergebe sich letztlich bloss eine sanktionslose Verpflichtung der Genossenschaft, bei der Regelung der Beitrittsvoraussetzungen in den Statuten
Art. 839 Abs. 2 OR
zu beachten. Das Bundesgericht habe in jenem Entscheid die Möglichkeit eines solchen Feststellungsanspruchs ausdrücklich erwähnt. Die Frage habe dort jedoch offengelassen werden können.
a) Werden die Statuten einer Genossenschaft unter dem Blickwinkel des Prinzips der offenen Tür in Zweifel gezogen, so geht es der klagenden Partei in aller Regel um eine Aufnahme in die betreffende Gesellschaft. Mit andern Worten fehlt es dem Kläger normalerweise an einem selbständigen Feststellungsinteresse. Ob überhaupt die Möglichkeit eines separaten Feststellungsanspruchs bestehen könne, hat das Bundesgericht in
BGE 98 II 229
E. 4d entgegen der klägerischen Formulierung offengelassen. Die Frage braucht auch heute nicht abschliessend entschieden zu werden. Denn im
BGE 118 II 435 S. 439
vorliegenden Fall hat der blosse Feststellungsanspruch ohnehin zurückzutreten, weil die Klägerin einen kartellrechtlichen Mitgliedschaftsanspruch behauptet und Art. 9 Kartellgesetz diesfalls einen Leistungsanspruch auf Mitgliedschaft im Kartell gibt (SCHLUEP, in: SCHÜRMANN/SCHLUEP, N III/2 zu
Art. 9 KG
).
b) Es fehlt aber nicht nur am Feststellungsinteresse der Klägerin, sondern ebenso an der Durchsetzbarkeit eines allfälligen die Nichtigkeit der Statutenbestimmung feststellenden Gerichtsurteils. Die Auffassung von GUTZWILLER (N 25 zu
Art. 839 OR
), wonach die Nichtigkeit ein Hindernis beseitigt und den Weg freimacht für die Befolgung eines gesetzlichen Befehls, dem nach erneutem Aufnahmegesuch auch ohne richterliches Zutun nachgelebt werden müsste, widerspricht der eigenen Meinung des Autors (a.a.O.), wonach unumwunden zuzugeben ist, dass an sich die Nichtigkeitsfeststellung wegen Übertretung eines gesetzlichen Imperativs den Weitsprung zur Aufnahmeverpflichtung nicht zu rechtfertigen vermag. Zu Recht halten indessen GUHL/KUMMER/DRUEY (a.a.O., S. 745) fest, da dem Bewerber kein durchsetzbarer Rechtsanspruch gegen die Genossenschaft auf Aufnahme zustehe, könne er ebensowenig vom Richter überprüfen lassen, ob die Eintrittserschwerungen übermässig im Sinne von
Art. 839 Abs. 2 OR
seien. Die gleiche Ansicht vertritt FORSTMOSER (N 24 f. zu Art. 839), wenn er aus der bundesgerichtlichen Praxis und der herrschenden Lehre folgert, dass der Abgewiesene kein Rechtsmittel ergreifen kann, auch wenn er die Aufnahmevoraussetzungen erfüllt, es sei denn, der Beitrittswillige könne sich auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, ein Spezialgesetz oder ein statutarisch vorgesehenes Beitrittsrecht stützen.
c)
Art. 839 Abs. 2 OR
verbietet nur die übermässige Erschwerung des Eintritts in eine Genossenschaft. Es darf kein faktischer Numerus clausus eingeführt werden. Wann Eintrittsbedingungen übermässig erschwerend sind, lässt sich nicht allgemein umschreiben. Vielmehr kommt es auf den konkreten Fall an (FORSTMOSER, N 33 zu
Art. 839 OR
; GUTZWILLER, N 22 zu
Art. 839 OR
). Die Klägerin macht sinngemäss geltend, das Handelsgericht habe die Güterabwägung falsch vorgenommen. Sie legt aber nicht dar, inwiefern die angefochtene Statutenbestimmung das erträgliche Mass vermissen lässt, sich als unerträglich, unzumutbar erweist. Es wird lediglich ausgeführt, aufgrund des zwingenden Charakters der gesetzlichen Sammelquoten und der unstreitigen Tatsache, dass die Eierimporte, wie in der Vergangenheit, so auch in Zukunft eher rückläufig seien oder zumindest stagnieren würden, stehe fest, dass die in den Statuten
BGE 118 II 435 S. 440
verlangte Bescheinigung des Bundesamtes kaum jemals werde beigebracht werden können, bzw. dass ein Beitritt auf Jahre hinaus gänzlich ausgeschlossen werde. Diese Behauptungen genügen indes den Anforderungen gemäss
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
an die Begründung einer Berufung nicht, abgesehen davon, dass die Behauptung, die statutarische Beitrittsvoraussetzung schliesse einen Beitritt auf Jahre hinaus gänzlich aus, ein unzulässiges Novum darstellt.
Auch aus diesen Gründen kann somit auf die Berufung nicht eingetreten werden. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b21f5eeb-49da-4012-b0f0-8a857d8903f8 | Urteilskopf
113 V 212
34. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1987 i.S. Sch. gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 12bis KUVG
: Krankengeldversicherung mit aufgeschobenem Leistungsbeginn.
Die Kassen dürfen in ihren Statuten die Leistungsdauer für die Krankengelder, welche die gesetzlichen Minima übersteigen, in der Weise beschränken, dass die jeweilige Wartefrist auf die Bezugsberechtigungsperiode von 720 Tagen gemäss
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
angerechnet wird. | Sachverhalt
ab Seite 212
BGE 113 V 212 S. 212
A.-
Sch. war bei der Schweizerischen Krankenkasse Helvetia unter anderem für ein Krankengeld von Fr. 70.-- mit einer Aufschubszeit von drei Monaten versichert (Abteilung C) und bezog ab März 1984 Leistungen. Im Dezember 1985 eröffnete ihm die Kasse, dass der maximale statutarische Leistungsanspruch aus dieser Versicherungsabteilung - 630 Tage im Verlaufe von 900 aufeinanderfolgenden Tagen (Art. 81 und 88 der Statuten) - am 14. Januar 1986 erschöpft sein werde. Auf dessen Begehren um Gewährung des Krankengeldes während insgesamt 720 Tagen teilte sie ihm mit, nach den Statuten sei die vom Versicherten gewählte Wartefrist auf die Bezugsberechtigungsdauer anzurechnen, so dass ihm das Krankengeld nur für die Dauer von 630 Tagen zu bezahlen sei. Am 27. Januar 1986 erliess sie eine entsprechende Verfügung.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 18. März 1986 ab.
C.-
Sch. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, ihm das versicherte Krankengeld von Fr. 70.-- während insgesamt 720 Tagen auszurichten.
Die Kasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
BGE 113 V 212 S. 213
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) In der Krankengeldversicherung haben die anerkannten Krankenkassen bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankengeld von mindestens zwei Franken auszurichten (
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
). Das Krankengeld ist für eine oder mehrere Krankheiten während wenigstens 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen auszuzahlen (
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
). Bei statutengemässer Krankheitsanzeige sind ärztliche Behandlung und Arznei von Anfang an, das Krankengeld aber spätestens mit dem dritten Tage nach dem Tage der Erkrankung (Wartefrist) zu gewähren (
Art. 13 Abs. 2 KUVG
). Der Bundesrat setzt die Bedingungen fest, unter denen die Wartefrist für den Anspruch auf Krankengeld verlängert werden kann (
Art. 13 Abs. 3 KUVG
). Der gestützt hierauf vom Bundesrat erlassene Art. 28 Vo III zum KUVG (SR 832.140) schreibt für ein Krankengeld mit einer Aufschubszeit bis zum 90. Tag vor, dass dieses mindestens Fr. 12.-- zu betragen habe.
b) Nach Art. 79 der Statuten der Schweizerischen Krankenkasse Helvetia können sich die Mitglieder in der Versicherungsabteilung B für ein Krankengeld von Fr. 2.-- bis Fr. 150.-- versichern. Die Leistungen werden gemäss Art. 81 der Statuten während 720 Tagen im Verlaufe von 900 aufeinanderfolgenden Tagen ausgerichtet. Die Kasse führt ferner in der Abteilung C eine Krankengeldversicherung mit aufgeschobenem Leistungsbeginn (Art. 87 der Statuten). In dieser können Krankengelder von Fr. 10.-- bis Fr. 300.-- pro Tag mit Beginn der Leistungen nach 11 oder 21 Tagen und nach 1 bis 6 sowie 9 oder 12 Monaten versichert werden. Gemäss Art. 88 Abs. 1 in der bis 31. Dezember 1982 gültigen Fassung wurden die Leistungen aus der Abteilung C während 720 Tagen im Verlaufe von 900 aufeinanderfolgenden Tagen gewährt. Anlässlich der Delegiertenversammlung der Kasse vom 10. Oktober 1982 wurde beschlossen, Art. 88 Abs. 1 der Statuten per 1. Januar 1983 neu folgenden Inhalt zu geben:
"Die Leistungen der Abt. C werden während 720 im Verlaufe von 900
aufeinanderfolgenden Tagen gewährt, wobei die gewählte Wartefrist im
Sinne der Art. 45 und 87 auf die Dauer der Genussberechtigung
angerechnet wird."
2.
a) Im vorliegenden Fall stellt sich vorab die Frage, ob die Versicherungsabteilung C der Krankenkasse Helvetia als
BGE 113 V 212 S. 214
gesetzliche Grundversicherung oder als eine neben dieser betriebene Zusatzversicherung zu qualifizieren ist. Diese Unterscheidung ist bedeutsam, weil die Kassen nicht befugt sind, im Bereiche der Grundversicherungen den gesetzlichen Leistungskatalog mittels statutarischer Bestimmung abzuändern. Aufgrund der mit
Art. 1 Abs. 2 Satz 2 KUVG
gewährleisteten Autonomie sind sie dagegen in der statutarischen Ausgestaltung der Zusatzversicherungen grundsätzlich frei.
b) Die Versicherungsabteilung B der Krankenkasse Helvetia erfüllt die Voraussetzungen, die eine gesetzliche Grundversicherung im Bereiche des Krankengelds zu erfüllen hat. Die Krankenkassen können im Krankengeldbereich in der gesetzlichen Grundversicherung aber auch einen aufgeschobenen Leistungsbeginn vorsehen, haben allerdings die vom Bundesrat aufgestellten besondern Bedingungen zu erfüllen, wenn die Wartefrist mehr als drei Tage betragen soll (
Art. 13 Abs. 2 und 3 KUVG
). Die Versicherungsabteilung C entspricht diesem gesetzlichen Modell und genügt - von der hier streitigen Leistungsdauer abgesehen - den Anforderungen, die an eine gesetzliche Grundversicherung mit aufgeschobenem Leistungsbeginn gestellt werden. Sie weist daher nicht den Charakter einer die gesetzliche Grundversicherung ergänzenden Zusatzversicherung oder einer sonstwie ausserhalb der gesetzlichen Grundversicherung stehenden Versicherung auf. Vielmehr handelt es sich nach dem Gesagten lediglich um eine Mischform zwischen einer Grundversicherung entsprechend den gesetzlichen Mindestanforderungen und einem weitergehenden Versicherungsschutz.
3.
a) Dennoch bedeutet das nicht, dass die Kasse im Rahmen der Versicherungsabteilung C die gesetzliche Leistungsdauer gemäss
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
uneingeschränkt zu respektieren hätte. Das KUVG gibt dem Kassenmitglied keinen Anspruch auf ein die gesetzliche Mindestleistung übersteigendes Krankengeld (RSKV 1970 Nr. 80 S. 204 Erw. 1). Kann aufgrund entsprechender statutarischer Bestimmungen innerhalb der Grundversicherung auch ein höheres Krankengeld versichert werden, so steht den Kassen bezüglich dieser Mehrleistungen die gleiche Gestaltungsfreiheit zu wie im Rahmen einer von der Grundversicherung getrennt geführten Zusatzversicherung. Denn es wäre nicht ersichtlich, weshalb ein unterschiedliches Mass an Autonomie geboten wäre, je nachdem, ob das die gesetzlichen Pflichtleistungen übersteigende Krankengeld organisatorisch Teil einer erweiterten
BGE 113 V 212 S. 215
Grundversicherung oder Gegenstand einer Zusatzversicherung bildet.
b) Es gehört zum wesentlichen Inhalt der Autonomie gemäss
Art. 1 Abs. 2 Satz 2 KUVG
, dass die Kassen grundsätzlich frei darüber befinden können, ob und welche Leistungen sie über das Gesetz hinaus in einer statutarisch erweiterten Grundversicherung oder in Zusatzversicherungen anbieten wollen. Dies umfasst auch die Befugnis, die Dauer einer bestimmten Leistung zu bestimmen. Die Gestaltungsfreiheit der Kassen ist allerdings nicht ohne Schranken. Nach der Rechtsprechung haben die Kassen bei der Reglementierung von Zusatzleistungen die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu beachten, wie sie sich aus dem allgemeinen Bundessozialversicherungsrecht und dem übrigen Verwaltungsrecht sowie der Bundesverfassung ergeben. Insbesondere haben sie sich an die wesentlichen Grundsätze der sozialen Krankenversicherung zu halten, namentlich an die Grundsätze der Gegenseitigkeit, der Verhältnismässigkeit und der Gleichbehandlung (
BGE 111 V 139
Erw. 1a,
BGE 109 V 147
f.,
BGE 108 V 258
Erw. 2 mit Hinweisen).
c) Die Krankenkasse Helvetia war nach dem Gesagten berechtigt, die Bezugsberechtigungsdauer für die über das Gesetz hinausgehenden Leistungen nach ihrem Gutdünken festzulegen. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung, die sie verpflichtet hätte, sich hiebei nach der Regel des
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
zu richten. Ebensowenig besteht eine Norm, die der Kasse ausdrücklich oder mittelbar verboten hätte, in der Versicherungsabteilung C die übliche Bezugsberechtigungsdauer von 720 Tagen (
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
und Art. 81 der Statuten) um die jeweiligen Aufschubszeit zu kürzen. Diese Regelung verstösst schliesslich auch nicht gegen einen der oben genannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. Es liegt insbesondere keine willkürliche Begrenzung der versicherten Leistungen vor. Die vollumfängliche Beibehaltung einer Leistungsdauer von 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen in der Krankengeldversicherung mit aufgeschobenem Leistungsbeginn mag als wünschenswert erscheinen. Doch kann nicht gesagt werden, dass sich die von der Kasse getroffene Leistungsbegrenzung mit sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten liesse.
4.
a) Die oben getroffene Qualifikation der Versicherungsabteilung C als gesetzliche Grundversicherung hat zur Folge, dass die Wartezeit nur für das über die gesetzliche Pflichtleistung hinausgehende Krankengeld an die übliche Bezugsberechtigungsdauer
BGE 113 V 212 S. 216
von 720 Tagen angerechnet werden darf. Mit Bezug auf die Pflichtleistungen steht der Kasse im Rahmen dieser Versicherungsabteilung kein Recht auf anspruchsvermindernde Änderungen zu. Das nach dem Gesetz zu erbringende Mindestkrankengeld ist deshalb bei dauernder Arbeitsunfähigkeit in jedem Fall, wie in
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
vorgeschrieben, während 720 innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen zu gewähren.
b) Die Kasse trägt in der gesetzlichen Krankengeldversicherung mit Aufschubszeit das Leistungsrisiko von der zurückgelegten Wartefrist an, und dementsprechend beginnt die gesetzliche Leistungsdauer von 720 Tagen mit dem Ende des Aufschubs zu laufen (so auch die BSV-Mitteilung in RSKV 1978 S. 71 Ziff. 4). Soweit in Art. 88 der Kassenstatuten durch die streitige Anrechnung auch die für das gesetzliche Minimaltaggeld vorgeschriebene Leistungsdauer verkürzt wird, erweist sich diese Bestimmung daher als gesetzwidrig.
c) Der Beschwerdeführer hat ab Beginn des Leistungsanspruchs bzw. der massgebenden Bezugsberechtigungsperiode in der Versicherungsabteilung C das gesetzliche (wie auch das darüber hinausgehende) Krankengeld nur während 630 Tagen erhalten. Er hat deshalb noch Anspruch auf die Gewährung des gesetzlichen Minimaltaggeldes für die Dauer von 90 Tagen. Das Minimaltaggeld beträgt hier nicht Fr. 2.-- (
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
), sondern nach Massgabe von
Art. 13 Abs. 3 KUVG
in Verbindung mit Art. 28 Vo III und abgeschlossener Versicherung Fr. 12.-- pro Tag. Der Restanspruch des Beschwerdeführers beläuft sich demnach auf total Fr. 1'080.--.
d) Das BSV scheint demgegenüber in Anlehnung an Art. 27 Abs. 2 Vo III und RSKV 1970 Nr. 80 S. 204 Erw. 1 die Auffassung zu vertreten, die Kasse komme ihrer Leistungspflicht genügend nach, wenn der Gesamtbetrag der ausgerichteten Krankengelder, geteilt durch die Anzahl Bezugstage, mindestens Fr. 2.-- betrage. Das ist jedoch mit
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
nicht vereinbar. In Art. 27 Abs. 2 Vo III wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass das gesetzlich vorgeschriebene Krankengeld während der Entschädigungsperiode von 720 (Kalender-)Tagen gemäss
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
zu gewähren und diese konkret einzuhalten ist; Art. 27 Abs. 2 Vo III - auf den vorliegenden Zusammenhang zugeschnitten - umschreibt lediglich, unter welchen Bedingungen es gesetzlich zulässig ist, während den 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen nur den Erwerbsausfall aus
BGE 113 V 212 S. 217
den innerhalb dieser 720 Tage liegenden Arbeitstagen zu entschädigen (RSKV 1970 Nr. 80 S. 204 Erw. 1). Im vorliegenden Fall ist aber gerade diese Entschädigungsperiode nicht voll eingehalten worden, indem das Krankengeld nur während 630 Tagen ausbezahlt wurde, so dass das gesetzliche Minimaltaggeld noch während 90 Tagen auszurichten ist. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b2206802-5d49-4797-bf36-c4b42983e559 | Urteilskopf
135 III 374
55. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Betreibungsamt Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_814/2008 vom 12. März 2009 | Regeste
Angabe einer unzutreffenden Beschwerdefrist in der Rechtsmittelbelehrung (
Art. 49 BGG
).
Die rechtsunkundige Prozesspartei, die schon im kantonalen Verfahren nicht rechtskundig vertreten war und über keine einschlägige Erfahrung etwa aus früheren Verfahren verfügt, darf sich auf die im kantonalen Entscheid enthaltene unzutreffende Fristangabe (ordentliche Frist von 30 Tagen für die Beschwerde in Zivilsachen gemäss
Art. 100 Abs. 1 BGG
statt der nach
Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG
bei Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen geltenden Frist von 10 Tagen) verlassen (E. 1.2.2). | Sachverhalt
ab Seite 375
BGE 135 III 374 S. 375
In der von der Stiftung S. gegen die X. AG in A. eingeleiteten Betreibung Nr. 1 erliess das Betreibungsamt Z. am 9. Oktober 2008 die Konkursandrohung. Diese wurde der X. AG am 15. Oktober 2008 zugestellt.
Mit einer vom 21. Oktober 2008 datierten und am 22. Oktober 2008 der Post übergebenen Eingabe, die nicht unterzeichnet war, erhob die X. AG beim Einzelrichter in Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Nidwalden als kantonaler Aufsichtsbehörde Beschwerde gegen die Konkursandrohung.
Am 23. Oktober 2008 erliess der Einzelrichter eine Verfügung, worin er die X. AG auf die fehlende Unterschrift und daneben auch darauf aufmerksam machte, dass die Eingabe ungenügend begründet sei, und sie auf die Möglichkeit hinwies, innert der durch die Zustellung der Konkursandrohung ausgelösten Beschwerdefrist von zehn Tagen eine verbesserte Beschwerdeschrift einzureichen. Eine neue Eingabe ging bei der kantonalen Aufsichtsbehörde hierauf nicht ein.
Am 3. November 2008 erkannte der Einzelrichter, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. In der in seinem Entscheid enthaltenen Rechtsmittelbelehrung wird erklärt, dass innert 30 Tagen ab Zustellung beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen eingereicht werden könne.
Mit einer vom 1. Dezember 2008 datierten und am 3. Dezember 2008 zur Post gebrachten Eingabe führt die X. AG Beschwerde in Zivilsachen.
Die II. zivilrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat die Sache am 12. März 2009 öffentlich beraten und die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
BGE 135 III 374 S. 376
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.2
1.2.1
(Feststellung, dass die bei Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen geltende Beschwerdefrist von zehn Tagen [
Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG
] nicht eingehalten ist.)
1.2.2
In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Entscheids wird auf die für Beschwerden an das Bundesgericht im Allgemeinen geltende Beschwerdefrist von 30 Tagen (
Art. 100 Abs. 1 BGG
) hingewiesen.
1.2.2.1
Gemäss
Art. 49 BGG
dürfen den Parteien aus unrichtiger Rechtsmittelbelehrung keine Nachteile erwachsen. Hiermit wurde der für die (frühere) Verwaltungsgerichtsbeschwerde in
Art. 107 Abs. 3 OG
verankerte Grundsatz übernommen (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4299 Ziff. 4.1.2.5), dem in der Praxis bereits früher allgemeine Tragweite zukam (
BGE 117 Ia 297
E. 2 S. 298 f.,
BGE 117 Ia 421
E. 2c S. 423 f.; je mit Hinweisen). Den erwähnten Schutz kann eine Prozesspartei nur dann beanspruchen, wenn sie sich nach Treu und Glauben auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen durfte. Wer die Unrichtigkeit erkannte oder bei gebührender Aufmerksamkeit hätte erkennen können, kann sich nicht auf
Art. 49 BGG
berufen, wobei allerdings nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt der betroffenen Partei oder ihres Anwalts eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen vermag. Der Vertrauensschutz versagt zudem nur dann, wenn der Mangel in der Rechtsmittelbelehrung für den Rechtsuchenden bzw. seinen Rechtsvertreter allein schon durch Konsultierung der massgebenden Verfahrensbestimmung ersichtlich gewesen wäre (zum Ganzen
BGE 134 I 199
E. 1.3.1 S. 202 f.;
BGE 129 II 125
E. 3.3 S. 134 f.;
BGE 124 I 255
E. 1a/aa S. 258;
BGE 117 Ia 421
E. 2a S. 422; je mit weiteren Hinweisen). Zu bedenken ist schliesslich, dass mit der in
Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG
neu verankerten Pflicht der kantonalen Instanzen, ihre Entscheide mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, den Beteiligten, namentlich den nicht rechtskundig vertretenen Prozessparteien, die Aufgabe erleichtert werden sollte.
1.2.2.2
Wann der Prozesspartei, die sich auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung verlassen hat, eine als grob zu wertende Unsorgfalt
BGE 135 III 374 S. 377
vorzuwerfen ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen und nach ihren Rechtskenntnissen (vgl.
BGE 106 Ia 13
E. 4 S. 19). Ist sie rechtsunkundig und auch nicht rechtskundig vertreten, darf sie nicht der anwaltlich vertretenen Partei gleichgestellt werden (dazu BERNHARD EHRENZELLER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 18 zu
Art. 112 BGG
), es sei denn, sie verfüge namentlich aus früheren Verfahren über einschlägige Erfahrungen. Eine Überprüfung der in der Rechtsmittelbelehrung enthaltenen Angaben kann von einer Prozesspartei im Übrigen nur dann verlangt werden, wenn diese über die Kenntnisse verfügt, die es ihr überhaupt ermöglichen, die massgebende Gesetzesbestimmung ausfindig zu machen und gegebenenfalls auszulegen.
Die Beschwerdeführerin ist nicht anwaltlich vertreten und war es auch im kantonalen Verfahren nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die für sie handelnde Person über hinreichende Rechtskenntnisse verfügte oder (namentlich aufgrund früherer Verfahren) die Länge der Frist für Beschwerden gegen Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gekannt hätte oder zumindest hätte kennen müssen, sind nicht ersichtlich. Wenn die erwähnte Person unter den gegebenen Umständen den - auf die ordentliche Frist für Beschwerden in Zivilsachen (
Art. 100 Abs. 1 BGG
) hinweisenden - Angaben des Einzelrichters vertraut und diese nicht überprüft hat, liegt darin keine Unsorgfalt, die es nicht zuliesse, das Vertrauen auf die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung zu schützen (dazu FRANÇOIS BOHNET, Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht [SZZP] 2008 S. 22). Im Übrigen ist zu bemerken, dass die Vorinstanz den die Beschwerdefrist regelnden
Art. 100 BGG
nicht ausdrücklich genannt hat und dass zudem diese Bestimmung nicht für jeden juristischen Laien ohne weiteres verständlich ist.
1.2.2.3
Bei einer hier durch die Zustellung des angefochtenen Entscheids am 6. November 2008 ausgelösten Frist von 30 Tagen war die Beschwerde spätestens am 8. Dezember 2008 aufzugeben, zumal der dreissigste Tag, der 6. Dezember 2008, auf einen Samstag fiel. Die am 3. Dezember 2008 der Post übergebene Beschwerde ist nach dem Gesagten als rechtzeitig eingereicht zu betrachten, so dass auf sie aus dieser Sicht einzutreten ist. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b223dca4-406e-4293-8f05-28dc6c6d2ac9 | Urteilskopf
113 Ib 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. April 1987 i.S. X. gegen X. und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Einbeziehung eines Kindes in die Anerkennung seiner Mutter als Schweizer Bürgerin (
Art. 57 Abs. 8 BüG
).
1. Frage der Legitimation des ausländischen Vaters zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der zuständigen Behörde des Heimatkantons (offengelassen) (Erw. 2).
2. Voraussetzungen, unter denen das Kind auf Antrag der Mutter und ohne Zustimmung des ausländischen Vaters zusammen mit jener in das Schweizer Bürgerrecht aufgenommen werden kann (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 113 Ib 1 S. 1
A.X. wurde am 25. März 1982 als Sohn der ägyptischen Eheleute B. und C.X.-Y. in Stuttgart (Bundesrepublik Deutschland) geboren. Nachdem B.X. im Dezember 1984 die Ehe für geschieden erklärt und die zuständige Instanz in Ägypten die Scheidung vollzogen hatte, wurde diese im Mai 1985 durch das Justizministerium von Baden-Württemberg anerkannt. Ende Oktober 1984 hatten B. und C.X.-Y. in Stuttgart einen notariellen Vertrag geschlossen,
BGE 113 Ib 1 S. 2
worin sie unter anderem vereinbarten, dass die elterliche Sorge für den Sohn auf die Mutter übertragen werden soll.
Auf ein entsprechendes Gesuch von C.Y. hin beschloss das Amtsgericht Stuttgart am 20. Dezember 1985, dass die elterliche Sorge für den Sohn A.X. auf sie als Mutter übertragen werde. Eine von B.X., dem Vater, hiergegen erhobene Beschwerde schützte der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Beschluss vom 10. März 1986 in dem Sinne, dass er in Anwendung des ägyptisch-islamischen Rechts (hanefitischer Schule) feststellte, dem Vater stehe die elterliche bzw. väterliche Gewalt ("wilâya") und der Mutter die tatsächliche Personensorge ("hadâna") zu. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft.
C.Y. hatte als Tochter eines Ägypters seit ihrer Geburt die ägyptische Staatsangehörigkeit. Da ihre Mutter eine in Liestal heimatberechtigte Schweizerin ist, suchte sie gestützt auf Art. 57 Abs. 8 des Bürgerrechtsgesetzes (BüG; SR 141.0) am 17. Juli 1985 beim Schweizerischen Generalkonsulat in Stuttgart um Anerkennung als Schweizer Bürgerin nach. Mit Verfügung der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion Basel-Landschaft vom 18. März 1986 wurde dem Gesuch stattgegeben, wobei der Sohn A.X. in die Anerkennung einbezogen wurde. Diese Verfügung focht B.X. mit Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft in dem Umfange an, als sie den Sohn betraf. Die Beschwerde wurde am 30. September 1986 abgewiesen.
Hiergegen hat B.X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, die Entscheide der beiden kantonalen Instanzen seien aufzuheben.
C.Y., die heute mit einem deutschen Staatsangehörigen namens Z. verheiratet ist und nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland wohnt, beantragt in ihrer Vernehmlassung dem Sinne nach Abweisung der Beschwerde.
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde, und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement stellt sich hinter den angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 103 lit. a OG
, der hier hinsichtlich der Beschwerdebefugnis als einzige Bestimmung in Betracht fällt, ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch den
BGE 113 Ib 1 S. 3
angefochtenen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Der Beschwerdeführer ist durch die Aufnahme des Sohnes in das Schweizer Bürgerrecht ohne Einholung seiner, des Beschwerdeführers, Zustimmung bzw. gegen seinen Willen persönlich berührt. Indessen erscheint es als fraglich, ob er auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids habe. Freilich braucht dieses Interesse nicht rechtlicher Natur zu sein, sondern es kann auch bloss tatsächlichen Charakter haben. Es wird jedoch verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die von ihm angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht (vgl.
BGE 112 Ib 41
E. 1a;
BGE 111 Ib 63
, mit Hinweisen). Dies ist dann der Fall, wenn die Gutheissung der Beschwerde dem Beschwerdeführer einen praktischen Nutzen brächte bzw. geeignet wäre, ihn vor einem wirtschaftlichen, ideellen, materiellen oder anders gearteten Nachteil zu bewahren (vgl.
BGE 109 V 59
E. 1 mit Hinweisen). Hier könnte diese Voraussetzung allenfalls dann erfüllt sein, wenn der Sohn des Beschwerdeführers durch den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts die ägyptische Staatsangehörigkeit verloren hätte. Aus schweizerischer Sicht trifft das jedoch nicht zu, und im übrigen geht der Beschwerdeführer selbst von einer doppelten Staatsbürgerschaft seines Sohnes aus. Eine Beeinträchtigung der Interessen des Beschwerdeführers liegt somit einzig noch darin, dass er als Inhaber der "wilâya" über seinen Sohn zu dessen Aufnahme in das Schweizer Bürgerrecht nicht angehört worden ist. Ob dies für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausreiche, braucht nicht abschliessend beurteilt zu werden, da diese, wie im folgenden darzutun sein wird, ohnehin abzuweisen ist.
3.
a) C.Z.-Y. (Mutter) wurde in Anwendung von
Art. 57 Abs. 8 BüG
in das Schweizer Bürgerrecht aufgenommen. Diese Bestimmung sieht (am Ende) vor, dass die Art. 32-34 sinngemäss gelten. Nach
Art. 33 BüG
werden in der Regel die unmündigen Kinder des Bewerbers in die Einbürgerung einbezogen, und
Art. 34 Abs. 1 BüG
bestimmt, dass Unmündige das Gesuch um Einbürgerung nur durch ihren gesetzlichen Vertreter einreichen können.
b) Der Regierungsrat gelangte zum Schluss, C.Z. ... sei legitimiert gewesen, für den Sohn ... das Gesuch um Aufnahme in das Schweizer Bürgerrecht einzureichen. Er hat nicht übersehen, dass das Oberlandesgericht Stuttgart in Anwendung des hanefitischen
BGE 113 Ib 1 S. 4
Rechts dem Beschwerdeführer die (umfassendere) väterliche Gewalt (wilâya) zuerkannt hatte und der Mutter einzig die "hadâna" zusteht. Indessen hält die Vorinstanz dafür, dass es gegen den schweizerischen ordre public verstosse, bei der Zuweisung der elterlichen Gewalt die Bedürfnisse und Interessen des Kindes ausser acht zu lassen. Unter Berufung auf
Art. 9 Abs. 1 NAG
, wonach sich die elterliche Gewalt nach dem Recht des Wohnsitzes bestimmt, prüfte der Regierungsrat, wie aufgrund der Bestimmungen des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches, die in den Grundzügen denjenigen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches entsprächen, hätte entschieden werden müssen. Er gelangte dabei zum Schluss, dass aufgrund der unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Amtsgerichts Stuttgart im Entscheid vom 20. Dezember 1985, die offensichtlich auf den Abklärungen des Jugendamtes Stuttgart beruht hätten, namentlich auch in Anbetracht des Alters von A.X., die elterliche Sorge der Mutter zuzusprechen gewesen wäre. Im vorliegenden Verfahren sei es deshalb so zu halten, wie wenn sie Inhaberin der elterlichen Gewalt wäre. Somit sei C.Z. legitimiert gewesen, ohne Einverständnis des Beschwerdeführers die Einbeziehung des Kindes in das Schweizer Bürgerrecht zu beantragen.
c) Gegen die regierungsrätliche Betrachtungsweise wendet der Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 3 des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA; SR 0.211.231.01) einzig ein, dass der Entscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart auch für die schweizerischen Instanzen verbindlich sei. Diesem Vorbringen ist vorab entgegenzuhalten, dass das vom Beschwerdeführer angerufene Abkommen hier, wo es darum geht, ob einem Kind ohne Zustimmung des Vaters das Bürgerrecht der Mutter zuerkannt werden könne, nicht zum Tragen kommt. Die schweizerischen Instanzen hätten allenfalls aufgrund des Abkommens vom 2. November 1929 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.361) an den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart gebunden sein können. Gemäss Art. 3 dieses Abkommens werden in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten die Entscheidungen der bürgerlichen Gerichte des andern Vertragsstaates jedoch nur anerkannt, wenn sie Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen eines der beiden Staaten oder beider Staaten zum Gegenstand haben, was hier
BGE 113 Ib 1 S. 5
gerade nicht zutraf. Dass der Regierungsrat sich von
Art. 9 Abs. 1 NAG
leiten liess und dementsprechend prüfte, wem nach deutschem Recht die elterliche Sorge über A.X. hätte zugesprochen werden müssen, ist nach dem Gesagten nicht zu beanstanden. Das gleiche gilt für die regierungsrätliche Schlussfolgerung, C.Z. sei als zur Beantragung der Aufnahme ihres Sohnes in das Schweizer Bürgerrecht berechtigt zu betrachten.
d) Die Beschwerde wäre auch dann unbegründet, wenn davon auszugehen wäre, dass die Anwendung des einschlägigen deutschen Rechts zum gleichen Ergebnis führe wie die Beurteilung nach dem vom Oberlandesgericht herangezogenen ägyptischen (hanefitischen) Recht, d.h. dass der Beschwerdeführer Inhaber der elterlichen Gewalt sei. Das heute geltende Bürgerrechtsgesetz zielt darauf ab, dem Kind einer gebürtigen Schweizerin, die mit dem Vater ausländischer Staatsangehörigkeit verheiratet ist, das Schweizer Bürgerrecht von Geburt an einzuräumen (in diesem Sinne der am 1. Juli 1985 in Kraft getretene
Art. 1 Abs. 1 lit. a BüG
; vgl. dazu Botschaft des Bundesrates vom 18. April 1984 zur Änderung des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, BBl 1984 II S. 218). Dem ausländischen Vater (der Mitinhaber der elterlichen Gewalt ist) steht kein Einspruchsrecht zu, da nach Auffassung des Gesetzgebers der Erwerb des Schweizer Bürgerrechts im Interesse des Kindes liegt. Für den Sachverhalt, wie er hier vorliegt, wird in der erwähnten bundesrätlichen Botschaft unter Hinweis auf HEGNAUER (Die Vertretung Unmündiger durch die Eltern beim Erwerb des Schweizer Bürgerrechts, in: ZBl 80/1979, S. 64 ff.) ausgeführt, dass der Einspruch des ausländischen Vaters unbeachtlich bleibe, falls dieser bloss seine eigenen Interessen wahrnehme; verfolge er die Interessen des Kindes, sei diesem ein Beistand zu bestellen (BBl 1984 II S. 224, Fussnote). Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement begründet diesen Hinweis in seiner Vernehmlassung mit den praktischen Erfahrungen, die bei der Revision des Kindesrechts im Jahre 1978 und der damit verbundenen Möglichkeit für gewisse Kinder einer Schweizerin und eines Ausländers, das Schweizer Bürgerrecht durch Anerkennung als Schweizer zu erwerben (
Art. 57 Abs. 6 und 7 BüG
), gemacht worden seien. In seinem Kreisschreiben vom 30. Mai 1985 an die Kantone habe es betreffend
Art. 57 Abs. 8 BüG
in analoger Weise festgehalten, dass Unmündige ein Anerkennungsgesuch nur durch ihren gesetzlichen Vertreter stellen lassen könnten und dass im Falle der Einreichung des Gesuchs
BGE 113 Ib 1 S. 6
durch die Mutter ein allfälliger Widerstand des Vaters unbeachtlich bleibe, wenn dieser bloss seine eigenen Interessen wahrnehme...
Ob diese Verwaltungspraxis sich bei ungetrennter Ehe der Eltern eines Kindes ohne weiteres anwenden lässt, braucht nicht abschliessend erörtert zu werden. Von der Zustimmung des Vaters darf jedenfalls dann abgesehen werden, wenn - wie hier - vor Einreichung des Gesuchs um Anerkennung als Schweizer Bürger die Ehe der Eltern geschieden worden ist und wenn ferner das Kind aller Voraussicht nach weiterhin mit der Mutter zusammenleben wird und der Vater keine einleuchtenden Tatsachen namhaft zu machen vermag, die aus der Sicht der Interessen des Kindes einer Einbeziehung in das Schweizer Bürgerrecht entgegenstehen. Unter solchen Umständen ist letztlich unerheblich, welchem Elternteil die elterliche Gewalt zusteht.
Inwiefern das Wohl von A.X. gebieten würde, von der Erteilung des Schweizer Bürgerrechts abzusehen, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Mit dem Regierungsrat ist davon auszugehen, dass die Doppelbürgerschaft keine Nachteile zur Folge haben wird. Dass der (heute erst fünfjährige) Knabe sich dereinst möglicherweise vor den Entscheid gestellt sehen wird, wo er seiner Militärdienstpflicht nachkommen wolle, vermag daran nichts zu ändern. Das Schweizer Bürgerrecht bringt ihm dagegen vor allem den Vorteil, dass er ohne weiteres in die Schweiz, den Heimatstaat seiner Mutter, mit welcher er (in einem Nachbarland) zusammenlebt, wird einreisen können. Dass das Kind nach den Vorbringen des Beschwerdeführers auch zu ihm enge Beziehungen hat, ist insofern unerheblich, als - wovon auch der Beschwerdeführer ausgeht - A.X. die ägyptische Staatsbürgerschaft nicht verlieren wird. Die mit dem Hinweis auf die engen persönlichen Beziehungen verbundene Rüge des Beschwerdeführers, er sei zum Bericht des Jugendamtes Stuttgart nie ordentlich angehört worden, stösst daher von vornherein ins Leere. Abgesehen davon, ist sie schon deshalb nicht zu hören, weil sie das in Stuttgart durchgeführte Verfahren betrifft. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b2269978-38ae-4216-97f1-3490f53c4aaf | Urteilskopf
140 III 227
35. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. et consorts contre H. (recours en matière civile)
4A_616/2013 du 16 juin 2014 | Regeste
Art. 59, 60 und 209 ZPO
; Prüfung der Gültigkeit der Klagebewilligung.
Die Beschwerde beim kantonalen Gericht gegen die von einer Schlichtungsbehörde ausgestellte Klagebewilligung ist unzulässig. Es obliegt dem zuständigen Richter, bei dem die Klage innert der Frist nach
Art. 209 Abs. 3 ZPO
einzureichen ist, im Rahmen der Prüfung der Prozessvoraussetzungen (vgl.
Art. 59 ZPO
) über die Gültigkeit der Klagebewilligung zu befinden (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 228
BGE 140 III 227 S. 228
A.
Par courrier du 13 juin 2012, le préposé de l'Office des faillites de l'arrondissement de La Côte a imparti à la Fédération A., à la Caisse B., à la Fédération C., à la Caisse D., à E., à I. SA, à F. SA et à G. SA un délai au 14 février 2013 pour agir en justice sur la base de la cession des droits de la masse en faillite de la société J. Sàrl (notamment action en responsabilité contre les organes).
B.
Le 11 février 2013, les huit consorts ont déposé, par leur conseil commun, devant le Juge délégué de la Chambre patrimoniale cantonale une requête de conciliation contre H. (défendeur), à qui ils reprochent des agissements inadéquats dans sa fonction d'organe de la société faillie.
Le 27 mars 2013, jour de l'audience, les huit consorts étaient assistés par leur conseil commun. Ils étaient représentés par une personne déléguée par chaque entreprise concernée, excepté I. SA qui ne s'est pas présentée, invoquant (par l'intermédiaire du conseil commun) des indisponibilités pour cause de vacances.
Le défendeur a conclu à l'éconduction d'instance des demanderesses du fait de l'absence de I. SA, subsidiairement à l'éconduction de la seule demanderesse absente.
Les demanderesses ont conclu à libération, I. SA requérant sa dispense de comparution.
Par décision du 27 mars 2013, le Juge délégué de la Chambre patrimoniale cantonale a admis la dispense de comparution aux motifs que sept codemanderesses sur huit étaient présentes, que I. SA avait fait état de difficultés de représentation, compte tenu des vacances, et que, de surcroît, son conseil était présent.
A l'issue de l'audience, le Juge délégué a par ailleurs notifié aux huit demanderesses une autorisation de procéder contre le défendeur.
Par acte du 8 avril 2013, le défendeur a recouru contre la décision incidente du 27 mars 2013 et la délivrance de l'autorisation de procéder concluant, avec dépens, à leur annulation.
BGE 140 III 227 S. 229
Le 28 mai 2013, I. SA a renoncé à poursuivre son action.
Le 3 juin 2013, les sept demanderesses ont porté l'action devant le tribunal compétent.
Par arrêt du 4 décembre 2013, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois a admis le recours, annulé la décision de dispense de comparution personnelle du 27 mars 2013, constaté le défaut de I. SA à l'audience du même jour, considéré que le défaut avait un effet sur tous les autres consorts, renvoyé la cause au Juge délégué pour qu'il constate que la procédure est devenue sans objet et qu'il raye la cause du rôle, et mis les frais judiciaires et les dépens de deuxième instance à la charge des demanderesses.
C.
Les sept demanderesses exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre l'arrêt cantonal du 4 décembre 2013, aux fins d'obtenir sa réforme, en ce sens que la dispense de comparution et les autorisations de plaider délivrées par le premier juge soient validées.
Par arrêt du 16 juin 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la décision attaquée.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
Il est de jurisprudence que l'autorisation de procéder, bien que consistant en un acte d'une autorité, n'est pas une décision sujette à recours; sa validité doit être examinée par le tribunal saisi de la cause (
ATF 139 III 273
consid. 2.3 p. 277).
L'autorisation de procéder délivrée par l'autorité de conciliation revêt dès lors, du point de vue de son caractère définitif, le même statut qu'une décision ayant acquis force de chose jugée formelle (cf.
ATF 139 III 486
consid. 3 p. 487 s.), de sorte que le délai pour déposer la demande devant le juge compétent (
art. 209 al. 3 CPC
) court dès sa notification (
ATF 138 III 615
consid. 2.3 p. 618 qui admet la suspension du délai pendant les féries).
Seuls les frais fixés par l'autorité de conciliation peuvent faire l'objet d'un recours à la cour cantonale (cf. arrêt 4A_387/2013 du 17 février 2014 consid. 3.2, non publié in
ATF 140 III 70
).
3.2
L'existence d'une autorisation de procéder valable, délivrée par l'autorité de conciliation, est une condition de recevabilité de la
BGE 140 III 227 S. 230
demande (cf.
art. 59 CPC
) que le tribunal doit examiner d'office en vertu de l'
art. 60 CPC
(
ATF 139 III 273
consid. 2.1 p. 275 s.).
Le Tribunal fédéral a eu récemment l'occasion d'entreprendre un examen sous l'angle de l'
art. 59 CPC
. Dans le cadre d'un recours interjeté contre la décision d'entrée en matière du tribunal saisi, il s'est en effet penché sur la validité d'une autorisation de procéder délivrée préalablement par l'autorité de conciliation; il a jugé que la société demanderesse n'avait pas comparu personnellement à l'audience de conciliation et considéré qu'une des conditions de recevabilité de la demande n'était pas remplie (arrêt 4A_387/2013 déjà cité, consid. 3.2).
3.3
En l'espèce, l'intimé ne disposait donc d'aucune voie de recours pour s'en prendre à l'autorisation de procéder délivrée par l'autorité de conciliation. C'est à tort que la cour cantonale s'est estimée compétente et qu'elle a demandé au juge conciliateur - après avoir annulé la dispense de comparution et considéré que la requête de conciliation était réputée retirée - que la cause soit rayée du rôle, laissant ainsi entendre, sans toutefois le dire expressément, que l'autorisation de procéder n'aurait pas dû être accordée et qu'elle était annulée.
Il en résulte que le recours en matière civile formé par les recourantes doit être admis et que l'arrêt entrepris doit être annulé.
La question de savoir si la décision est frappée de nullité absolue (cf.
ATF 137 III 217
consid. 2.4.3 p. 225 s. et les arrêts cités) n'a pas besoin d'être résolue ici, la décision cantonale ayant été attaquée dans le délai fixé à l'
art. 100 al. 1 LTF
, de sorte qu'elle peut être annulée.
L'arrêt attaqué est annulé et il est réformé en ce sens que le recours dirigé contre l'autorisation de procéder (notifiée le 27 mars 2013 par l'autorité de conciliation) est irrecevable.
Il incombera à l'autorité compétente, devant laquelle la demande a été déposée le 3 juin 2013, de se prononcer, dans l'examen des conditions de recevabilité, quant à la validité de l'autorisation de procéder (l'autorisation étant donnée à chacune des demanderesses, il s'agit en réalité de sept autorisations de procéder) accordée par l'autorité de conciliation, étant précisé que cette question ne concerne plus I. SA qui a renoncé à poursuivre son action. | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b229d577-807a-4280-b5f9-e8a5bceb7d2f | Urteilskopf
125 III 382
65. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurs- kammer vom 25. Oktober 1999 i.S. L.B. und Mitbeteiligte -(Beschwerde) | Regeste
Art. 20a Abs. 1 SchKG
.
Das Beschwerdeverfahren nach Art. 17ff. SchKG ist grundsätzlich kostenlos. Es ist nicht zulässig, dass von einem Beschwerdeführer ein Kostenvorschuss im Hinblick darauf verlangt wird, dass ihm ausnahmsweise - nämlich wegen böswilliger oder mutwilliger Beschwerdeführung - die Verfahrenskosten oder eine Busse auferlegt werden. | Erwägungen
ab Seite 382
BGE 125 III 382 S. 382
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 20a Abs. 1 SchKG
ist das Beschwerdeverfahren nach Art. 17ff. SchKG grundsätzlich kostenlos. Bei böswilliger oder mutwilliger Beschwerdeführung können einer Partei oder ihrem Vertreter Bussen bis zu 1'500 Franken sowie Gebühren und Auslagen auferlegt werden.
BGE 125 III 382 S. 383
Die grundsätzliche Kostenlosigkeit des Beschwerdeverfahrens wird zwar als systemwidrig betrachtet (COMETTA, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 20a N. 7); doch ändert dies nichts daran, dass sie dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zulässig, dass eine Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs einem Beschwerdeführer antizipiert - wie in der vorliegenden Rechtsschrift zutreffend gesagt wird - Verfahrenskosten oder Busse auferlegt. Sie nimmt damit ein Urteil über die Böswilligkeit oder Mutwilligkeit der Beschwerdeführung voraus, welches sie erst fällen kann, nachdem sie eine Beschwerde behandelt hat (vgl. AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage Bern 1997, § 13 N. 14).
Die Einforderung von Kostenvorschuss wäre - insbesondere wenn es, wie im vorliegenden Fall, zu Fristerstreckungen für dessen Bezahlung käme - überdies dem Beschleunigungsgebot abträglich (COMETTA, a.a.O., Art. 19 N. 3; MARKUS DIETH, Beschwerde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gemäss Art. 17ff. SchKG, Zürcher Diss. 1999, S. 117f.), welches für die kantonalen Aufsichtsbehörden nicht weniger gilt als für die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
b) Die Frage, ob im Beschwerdeverfahren nach Art. 17ff. SchKG ein Kostenvorschuss für allfällige Verfahrenskosten oder eine allfällige Busse verlangt werden dürfe, ist - wie soeben dargelegt - eine solche des Bundesrechts und nicht, wie das Kantonsgericht St. Gallen angenommen hat, eine solche des kantonalen Prozessrechts (vgl.
BGE 123 III 271
). Sie lässt sich nicht auf die Kategorie verfahrensleitender Entscheide reduzieren und hätte von der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs beantwortet werden müssen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, die einen kassatorischen Entscheid fällen kann (COMETTA, a.a.O., Art. 19 N. 41 und Art. 21 N. 12), hebt den angefochtenen Entscheid, insoweit als darin auf die Frage der Zulässigkeit des Kostenvorschusses nicht eingetreten wurde, wie auch die Verfügungen des Bezirksgerichtspräsidenten von Untertoggenburg vom 4. September 1999, womit die Beschwerdeführer zur Bezahlung eines Kostenvorschusses verpflichtet wurden, auf. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b22bd96d-0114-4cf5-a69e-17e01a82bab9 | Urteilskopf
109 Ib 43
6. Urteil des Kassationshofes vom 22. März 1983 i.S. A. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
SVG - Art. 22 ff. der Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 (VVV).
Das berufsmässige Vermieten von Motorfahrzeugen fällt nicht unter
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
, weshalb dafür keine Kollektiv-Fahrzeugausweise in Verbindung mit Händlerschildern abgegeben werden können. | Sachverhalt
ab Seite 44
BGE 109 Ib 43 S. 44
A. ist Inhaberin der Einzelfirma A.-Wohnauto-Vermietung in Egg/ZH. Das Geschäft besteht seit 1973. Gegenwärtig werden zwölf Fahrzeuge vermietet. Am 27. Januar 1982 stellte A. das Gesuch um Erteilung eines Kollektiv-Fahrzeugausweises in Verbindung mit Händlerschildern. Das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich lehnte das Begehren mit Verfügung vom 2. Februar 1982 ab mit der Begründung, die Gesuchstellerin erfülle die in
Art. 23 Abs. 1 lit. a und c VVV
verlangten Voraussetzungen nicht. Weder werden in ihrem Betrieb berufsmässig Motorfahrzeuge oder Motorfahrzeuganhänger hergestellt noch damit Handel getrieben oder solche Fahrzeuge zu Reparaturen, Umbau und ähnlichen Zwecken entgegengenommen. Zudem könne sie nicht nachweisen, dass eine im Betrieb tätige Person die nötigen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen zur Verwendung nichtgeprüfter Fahrzeuge besitze. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Beschluss vom 10. November 1982 ab.
A. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, der Beschluss des Regierungsrates sei aufzuheben und ihrem Gesuch um Erteilung eines Kollektiv-Fahrzeugausweises in Verbindung mit Händlerschildern sei zu entsprechen. Eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
Nach
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
werden Kollektiv-Fahrzeugausweise nur an Personen und Unternehmungen abgegeben, die in ihrem Betriebe berufsmässig Motorfahrzeuge oder Motorfahrzeuganhänger herstellen oder damit Handel treiben oder solche Fahrzeuge zu Reparaturen, Umbau und ähnlichen Zwecken entgegennehmen.
a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Autovermietung falle im weitesten Sinne unter den Begriff "Handel" gemäss
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
. Nach ihrer Auffassung bestehe kein rechtserheblicher Unterschied zwischen dem Autohandel im
BGE 109 Ib 43 S. 45
eigentlichen Sinn und der Autovermietung hinsichtlich Erteilung eines Kollektiv-Fahrzeugausweises.
b)
Art. 23 VVV
ist auf
Art. 25 Abs. 2 lit. d SVG
zurückzuführen, wonach der Bundesrat Vorschriften erlässt über Ausweise und Kontrollschilder, inbegriffen kurzfristig gültige für geprüfte oder nichtgeprüfte Motorfahrzeuge und Anhänger sowie für Unternehmen des Motorfahrzeuggewerbes. Zu den Unternehmen des Motorfahrzeuggewerbes gehört nach
Art. 71 Abs. 2 SVG
auch der Motorfahrzeughändler. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass nur der Handel im engeren Sinn gemeint ist und die Vermietung von Fahrzeugen nicht darunter fällt. Nach
Art. 71 Abs. 2 SVG
haben die Unternehmer im Motorfahrzeuggewerbe, denen Motorfahrzeuge zur Aufbewahrung, Reparatur, Wartung, zum Umbau oder zu ähnlichen Zwecken übergeben wurden, sowie die Unternehmer, die Motorfahrzeuge herstellen oder damit Handel treiben, für die Gesamtheit ihrer eigenen und der ihnen übergebenen Motorfahrzeuge eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen. Für Vermieter von Motorfahrzeugen ist kein Grund zum Abschluss einer solchen Versicherung vorhanden, da sie entsprechend der Natur ihres Geschäftes keine Fahrzeuge von Dritten entgegennehmen.
Im übrigen hätte, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkte, der Verordnungsgeber in
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
keine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Unternehmen des Motorfahrzeuggewerbes treffen müssen, wenn er unter Handel jeglichen Austausch wirtschaftlicher Güter hätte verstehen wollen. Diese Unterscheidung lässt sich einzig damit erklären, dass nur die eigentlichen Fahrzeughändler im engeren Sinn von der genannten Bestimmung erfasst werden wollten. Bezeichnenderweise wird in der Lehre, soweit ersichtlich, nirgends der Vermieter von Motorfahrzeugen als Händler im Sinne von
Art. 71 SVG
und
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
bezeichnet (vgl. etwa die Definition bei BERNASCONI, Die Haftung des Motorfahrzeughalters für andere Personen, Diss. Zürich 1973, S. 90). Aus dem Hinweis auf SCHLEGEL (Kommentar, 1938, N. 69 zu Art. 7 MFG), der Kommissionäre, Agenten und Vertreter erwähnte, kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Kommissionäre, Agenten und Vertreter können nur dann Kollektiv-Fahrzeugausweise erwerben, wenn sie Handel im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
betreiben, d.h. Verkaufsgeschäfte tätigen. Dass es unter der Herrschaft des MFG noch keine berufsmässige Vermietung von Wohnmobilen gab, wie
BGE 109 Ib 43 S. 46
die Beschwerdeführerin behauptet, mag zutreffen. Indes war die Vermietung von Personenwagen bekannt.
c) Die Auslegung der Vorinstanz entspricht auch dem Sinn und Zweck von
Art. 22 ff. VVV
. Nach
Art. 23 Abs. 1 VVV
sollen Kollektiv-Fahrzeugausweise nur an solche Unternehmen abgegeben werden, die nach der Natur ihres Betriebes mit nichtgeprüften Motorfahrzeugen fahren müssen. Dementsprechend werden diese Fahrten in
Art. 24 Abs. 1 VVV
an erster Stelle aufgezählt, und verlangt
Art. 23 Abs. 1 lit. c VVV
, dass eine im Betrieb tätige Person die nötigen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen zur Verwendung nichtgeprüfter Fahrzeuge besitzt. Das Motiv für die Abgabe von Kollektiv-Fahrzeugausweisen nach
Art. 23 Abs. 1 VVV
besteht somit in der Notwendigkeit bestimmter Unternehmen, mit nichtgeprüften Fahrzeugen fahren zu müssen. Dies trifft für Vermieter von Motorfahrzeugen aber nicht zu. Die Einsparung von Versicherungsprämien, worauf sich die Beschwerdeführerin beruft, kann nicht zur Abgabe von Kollektiv-Fahrzeugausweisen berechtigen.
d) Es trifft zudem nicht zu, dass die Abgabe eines Kollektiv-Fahrzeugausweises für den Betrieb der Beschwerdeführerin unentbehrlich wäre. Für Fahrten im Zusammenhang mit Reparaturen in betriebsfremden Werkstätten und beim Kauf neuer Fahrzeuge sind die Händlerschilder der Reparaturwerkstätte bzw. des Verkäufers verwendbar. Für die übrigen noch notwendigen Fahrten ist es der Beschwerdeführerin zuzumuten, sich mit Tagesausweisen zu behelfen, wenn sie die ordentlichen Schilder hinterlegt hat.
2.
Würde das Unternehmen der Beschwerdeführerin keinen Handel treiben, so wäre es nach ihrer Auffassung zumindest als Betrieb im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
zu qualifizieren, der Fahrzeuge zur Wartung, Reparatur, Umbau und zu anderen Zwecken entgegennehme. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da die genannte Bestimmung sich nur auf die Entgegennahme von fremden, nicht auch von eigenen Fahrzeugen bezieht.
3.
Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie annahm, die Beschwerdeführerin treibe keinen Handel mit Motorfahrzeugen im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 lit. a VVV
. Unter diesen Umständen kann die Frage offengelassen werden, ob eine im Betriebe der Beschwerdeführerin tätige Person die nötigen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen zur Verwendung nichtgeprüfter Fahrzeuge besitze. Die Voraussetzungen von
Art. 23 Abs. 1 lit. a-d VVV
müssen kumulativ erfüllt sein. Die Beschwerde ist somit abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b22d6641-228f-4ac1-93e7-13f4f7df58e1 | Urteilskopf
120 Ib 207
31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Mai 1994 i.S. Gemeinde Wangen gegen KIBAG sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Planungspflicht für Abbau- und Deponievorhaben (
Art. 2 und 24 RPG
), Gemeindeautonomie.
Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, die Gemeinden anzuweisen, im Rahmen der Nutzungsordnung bestimmte Zonen auszuscheiden (E. 3).
Bedeutung der kantonalen Richtplanung für die Behandlung von Abbau- und Deponievorhaben in der Nutzungsplanung (E. 4).
Planungspflicht für Abbau- und Deponievorhaben im Sinne von
Art. 2 RPG
; Ausschluss des Baubewilligungsverfahrens nach
Art. 24 RPG
(E. 5).
Die Ausscheidung von Abbau- und Deponiezonen erfordert die wesentlichen umweltrelevanten Abklärungen, insbesondere auch zur Beschaffenheit des Ablagerungsmaterials (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 208
BGE 120 Ib 207 S. 208
Die KIBAG ist Eigentümerin verschiedener Grundstücke auf dem Buechberg in Wangen-Nuolen (SZ). Gestützt auf rechtskräftige Bewilligungen baut sie auf diesen Parzellen Kies und Gestein ab und betreibt eine Bauschutt- und Grubendeponie. Diese Abbau- und Deponiegebiete (Rütihof, Buebental/Stuhlwäldli und Bachtellen) befinden sich gemäss dem geltenden Zonenplan aus dem Jahre 1982 im übrigen Gemeindegebiet. Im Jahre 1984 reichte die KIBAG ein Gesuch für eine Multikomponentendeponie ebenfalls im Gebiet Rütihof ein, welches derzeit noch in Bearbeitung ist.
In einem im November 1990 öffentlich aufgelegten Zonenplanentwurf der Gemeinde Wangen sollten die drei Abbaugebiete der KIBAG neu einer Abbau- und Deponiezone zugewiesen werden. Auf Einsprachen hin teilte der Gemeinderat Wangen im März 1991 die genannten Gebiete dem "Übrigen Gemeindegebiet" zu.
Gegen diesen Beschluss des Gemeinderates erhob die KIBAG beim Regierungsrat des Kantons Schwyz erfolglos Verwaltungsbeschwerde. Dieser führte im wesentlichen aus, die Einzonung der streitigen Gebiete in eine Abbau- und/oder Deponiezone sei zur Zeit nicht erforderlich; wenn das umfassende Deponiebewilligungsverfahren aufgrund von
Art. 24 RPG
positiv abgeschlossen werden könne, werde die Gemeinde jedoch den Zonenplan mit den dannzumal bewilligten Abbau- und Deponievorhaben in Übereinstimmung bringen müssen.
In der Folge gelangte die KIBAG an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde mit Urteil vom 24. Mai 1993 gut und wies die Gemeinde Wangen an, im Sinne der Erwägungen für die streitigen Gebiete eine Abbau-/Deponiezone auszuscheiden. Es bejahte für die Vorhaben eine Planungspflicht. Unter Berücksichtigung der Anliegen des Umweltschutzes gelte es zu bestimmen, welche Materialien abgelagert werden dürfen. Es rechtfertige sich, diese Frage nicht im Rahmen der Nutzungsplanung, sondern im konkreten Bewilligungsverfahren zu behandeln.
BGE 120 Ib 207 S. 209
Deshalb sei von der kommunalen Planungsbehörde zu verlangen, dass sie die Abbau-/Deponiezone derart offen formuliert, dass die Deponierung von Multikomponentengut weder präjudiziert noch verhindert wird.
Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichtes erhob die Gemeinde Wangen beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut und hebt den Entscheid des Verwaltungsgerichts auf.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts stellt einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid im Rahmen einer Ortsplanungsrevision dar. Er kann daher gestützt auf Art. 34 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG, SR 700) mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.
Der Verwaltungsgerichtsentscheid weist die Gemeinde Wangen an, im Sinne der Erwägungen für die betreffenden Gebiete eine Abbau-/Deponiezone auszuscheiden. Damit wird das Verfahren nicht abgeschlossen, und der angefochtene Entscheid ist ein Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 87 OG
. Soweit dieser die Gemeinde anhält, im Sinne der Erwägungen bestimmte Vorkehren zu treffen, hat er für sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge und kann von ihr nach der Rechtsprechung wegen Verletzung der Gemeindeautonomie angefochten werden (
BGE 116 Ia 221
E. 1d S. 224, mit Hinweisen).
b) Der Entscheid des Verwaltungsgerichts trifft die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt. Sie ist daher zur Autonomiebeschwerde legitimiert (
BGE 119 Ia 285
E. 4a S. 294, mit Hinweisen).
c) Die weitern Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen zusätzlichen Erwägungen Anlass. Demnach kann auf die vorliegende Autonomiebeschwerde der Gemeinde Wangen eingetreten werden.
2.
Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht dafür keine abschliessende Ordnung trifft, sondern diese ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (
BGE 119 Ia 285
E. 4b S. 294).
Nach dem Planungs- und Baugesetz des Kantons Schwyz vom 14. Mai 1987 (PBG) sind die Gemeinden verpflichtet, Zonenpläne und Erschliessungspläne samt
BGE 120 Ib 207 S. 210
den zugehörigen Vorschriften zu erlassen; bei der Erfüllung ihrer Planungspflicht sind die Gemeinden im Rahmen der Vorschriften und der übergeordneten Interessen des Bundes frei (
§ 15 PBG
). Die Gemeinden haben im Zonenplan die erforderlichen Bau-, Landwirtschafts- und Schutzzonen auszuscheiden und können weitere Zonenarten festlegen (
§ 17 PBG
). - Diese Vorschriften zeigen, dass die Schwyzer Gemeinden auf dem Gebiete des Planungsrechts in bezug auf die Ausscheidung von Nutzungszonen autonom sind.
Wird eine Gemeinde durch eine kantonale Anordnung in ihrer Autonomie eingeschränkt, so kann sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde dagegen zur Wehr setzen und insbesondere verlangen, dass die kantonale Behörde in formeller Hinsicht ihre Befugnisse nicht überschreitet und korrekt vorgeht und dass sie in materieller Hinsicht die kantonal- und bundesrechtlichen Vorschriften im autonomen Bereich nicht verletzt. Das Bundesgericht überprüft den Entscheid der kantonalen Behörde auf Willkür hin, soweit Gesetzes- oder Verordnungsrecht in Frage steht (
BGE 119 Ia 285
S. 295 f.). In diesem Sinne sind im folgenden die Rügen der Beschwerdeführerin zu behandeln.
3.
In erster Linie macht die Beschwerdeführerin geltend, das Verwaltungsgericht hätte die Gemeinde nicht anweisen dürfen, eine bestimmte Zonenart auszuscheiden. Eine solche Kompetenz komme höchstens dem Regierungsrat als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde zu.
§ 26 PGB sieht die Anfechtung von Einspracheentscheiden des Gemeinderates betreffend Nutzungspläne nach der Verordnung über die Verwaltungsrechtspflege (VRP) vor. Die Verwaltungsrechtspflegeverordnung gilt nach deren § 1 sowohl für Verwaltungsbehörden wie auch für das Verwaltungsgericht. Gemäss
§ 43 VRP
hebt die Rechtsmittelinstanz den angefochtenen Entscheid im Falle der Gutheissung auf und entscheidet selbst über die Sache; ebenso kann sie die Sache mit den erforderlichen Weisungen zum Erlass einer neuen Entscheidung zurückweisen.
In Anbetracht dieser Vorschriften kann dem Verwaltungsgericht nicht vorgeworfen werden, in willkürlicher Anwendung von
§ 43 VRP
den Regierungsratsentscheid aufgehoben und die Sache mit verbindlichen Weisungen an die Gemeinde zurückgewiesen zu haben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist daher davon auszugehen, dass nicht nur der Regierungsrat, sondern ebensosehr das Verwaltungsgericht entsprechende
BGE 120 Ib 207 S. 211
Anordnungen treffen kann. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht nicht eigentliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde gegenüber den Gemeinden ist. Weiter ist zu beachten, dass das Verwaltungsgericht nicht einfach das Ermessen der Gemeinde durch sein eigenes ersetzt hat, sondern in Übereinstimmung mit der Regel von
Art. 2 Abs. 2 RPG
die Angelegenheit zur Neubearbeitung durch die Gemeinde selbst zurückgewiesen hat. Damit erweist sich die Rüge der Beschwerdeführerin, das Verwaltungsgericht habe seine Kompetenzen in formeller Hinsicht überschritten, als unbegründet.
4.
Das Verwaltungsgericht und die private Beschwerdegegnerin halten die umstrittene Anweisung im angefochtenen Urteil zunächst deshalb als gerechtfertigt, weil sie gestützt auf den kantonalen Richtplan geboten sei. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin geltend, der kantonale Richtplan erfordere die Schaffung einer entsprechenden Abbau- und Deponiezone nicht ohne weiteres; es müsse ihr mindestens möglich sein, die entsprechenden Abklärungen umweltschutzrechtlicher Natur zu tätigen, bevor sie die entsprechenden Zonen ausscheide.
Der Richtplan des Kantons Schwyz enthält für die streitigen Gebiete verschiedene Anordnungen. Im Sinne einer Festsetzung werden eine regionale Aushubdeponie Bachtellen-Wangen (Blatt Nr. 12.7), eine Multikomponentendeponie Buebental-Nuolen (Blatt Nr. 13.2) und Materialabbau Bachtellen und Rütihof (Blatt Nr. 16.2) aufgeführt. Lediglich als Zwischenergebnis ist eine in Bearbeitung stehende Multikomponentendeponie Rütihof-Nuolen (Blatt Nr. 13.3) erwähnt. Die Verbindlichkeit dieser Angaben mit den Kategorien "Festsetzung" und "Zwischenergebnis" ergibt sich aus der Einleitung zum Richtplan bzw. aus der eidgenössischen Verordnung über die Raumplanung (RPV, SR 700.1, vgl. insbes. Art. 5). Es wird von der beschwerdeführenden Gemeinde nicht in Frage gestellt, dass diese Richtplanvorgaben teils dem heutigen Zustand entsprechen und teils in Bearbeitung stehen. Sie macht insbesondere nicht geltend, dass sie von diesen Vorgaben abweichen möchte oder sich gegen die entsprechenden Vorhaben wenden würde.
Bei dieser Sachlage braucht nicht im einzelnen entschieden zu werden, inwiefern der Richtplan als solcher für die Realisierung der Richtplanvorgaben die Gemeinde Wangen zu einer bestimmten Planung verpflichtet oder inwiefern der Richtplan die Realisierung auch über Ausnahmebewilligungen zulässt. Es kann im vorliegenden Fall auch offengelassen werden, welches das Ausmass der Bindung der Gemeinde an die
BGE 120 Ib 207 S. 212
richtplanerischen Vorgaben ist (vgl.
BGE 119 Ia 362
E. 4 S. 366). Wie nachfolgend zu zeigen ist, ergibt sich eine Planungspflicht schon aus dem Bundesrecht.
5.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung für die streitigen Abbau- und Deponievorhaben eine Planungspflicht bejaht und ausgeführt, dass grossflächiger Kiesabbau ebenso wie Golfplätze heute nicht mehr aufgrund von Ausnahmebewilligungen nach
Art. 24 RPG
, sondern nur noch gestützt auf eine entsprechende Nutzungsplanung zugelassen werden könnten. Demgegenüber macht die beschwerdeführende Gemeinde geltend, für die Abbau- und Deponievorhaben bedürfe es keiner spezifischen Nutzungsplanung; diese könnten mittels Ausnahmebewilligungen realisiert werden, wie auch schon der Regierungsrat angenommen hatte.
Die Raumplanung bildet mit der Richt- und Nutzungsplanung sowie nachfolgenden Baubewilligungs- und allfälligem Ausnahmebewilligungsverfahren ein Ganzes, in dem jeder Teil eine spezifische Funktion erfüllt. Baubewilligungen und auch Ausnahmebewilligungen haben den planerischen Stufenbau zu beachten. Für Bauten und Anlagen, die ihrer Natur nach nur in einem Planungsverfahren angemessen erfasst werden können, dürfen keine Ausnahmebewilligungen erteilt werden. Zieht ein nicht zonenkonformes Vorhaben durch seine Ausmasse oder seine Natur bedeutende Auswirkungen auf die bestehende Nutzungsordnung nach sich, so darf es nicht nach
Art. 24 RPG
, sondern erst nach einer entsprechenden Änderung des Zonenplanes bewilligt werden. Wann ein nicht zonenkonformes Vorhaben so gewichtig ist, dass es der Planungspflicht nach
Art. 2 RPG
untersteht, ergibt sich aus den Planungsgrundsätzen und -zielen (
Art. 1 und 3 RPG
), dem kantonalen Richtplan und der Bedeutung des Projekts im Lichte der im Raumplanungsgesetz festgelegten Verfahrensordnung (
Art. 4 und 33 RPG
; vgl. zum Ganzen
BGE 119 Ib 174
E. 4 S. 178,
BGE 117 Ia 352
E. 6a S. 359,
BGE 116 Ib 50
E. 3a S. 53,
BGE 116 Ib 131
E. 4a S. 139,
BGE 115 Ib 508
E. 6 S. 513,
BGE 114 Ib 312
E. 3a S. 315, mit Hinweisen). - In Nachachtung dieser Grundsätze hat das Bundesgericht in neuerer Zeit eine Planungspflicht für grössere Abbau- und Deponievorhaben bejaht und die Möglichkeit, solche Projekte mit einer Ausnahmebewilligung zu realisieren, - anders als noch im Entscheid Chrüzlen aus intertemporalrechtlichen Gründen (
BGE 116 Ib 50
E. 6 S. 62) - verneint (
BGE 119 Ib 174
E. 4 S. 178,
BGE 116 Ib 50
E. 3b S. 54). In gleicher Weise hat das Bundesgericht für die Errichtung von Golfplätzen entschieden (
BGE 114 Ib 312
E. 3b S. 316).
BGE 120 Ib 207 S. 213
Im vorliegenden Fall fällt ins Gewicht, dass in den bestehenden Gruben noch während Jahren Material abgebaut und entsprechend wieder aufgefüllt wird. Die geplante Multikomponentendeponie Rütihof soll der Region March und Höfe dienen und damit einen bedeutenden Umfang annehmen. Der Betrieb der Gruben wird während Jahren mit einem entsprechenden Verkehrsaufkommen verbunden sein. Hinzu tritt die von der KIBAG getragene und von der Gemeinde unterstützte Absicht, in den betroffenen Gebieten nach entsprechender Auffüllung einen Golfplatz anzulegen. In Anbetracht all dieser Umstände ist mit dem Verwaltungsgericht und der privaten Beschwerdegegnerin davon auszugehen, dass für die Realisierung bzw. Weiterführung der Abbau- und Deponievorhaben in den umstrittenen Gebieten und im Hinblick auf einen allfälligen Golfplatz aus dem Bundesrecht eine Planungspflicht abzuleiten ist. Das Verwaltungsgericht hat demnach durch die Bejahung der Planungspflicht nicht gegen das Willkürverbot verstossen. In dieser grundsätzlichen Hinsicht erweist sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet.
6.
Die Beschwerdeführerin setzt sich mit ihrer Beschwerde dagegen zur Wehr, dass sie vom Verwaltungsgericht angewiesen worden ist, eine Abbau- und Deponiezone auszuscheiden, ohne hierfür die notwendigen umweltschutzrechtlichen Abklärungen vornehmen zu können. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, die Abbau- und Deponiezone sei derart offen zu formulieren, dass die Deponierung von Multikomponentengut (entsprechend der Technischen Verordnung über Abfälle TVA und ihren Anhängen) weder präjudiziert noch verhindert wird. Die entsprechenden Abklärungen seien im konkreten Bewilligungsverfahren für die Deponie Rütihof als dem massgeblichen Leitverfahren vorzunehmen.
Aus der vorstehenden Erwägung ergibt sich, dass die streitigen Vorhaben nur gestützt auf eine entsprechende Nutzungsplanung realisiert werden können. Im Rahmen einer solchen Planung ist eine umfassende Beurteilung sämtlicher raum- und umweltschutzrelevanter Gesichtspunkte vorzunehmen. Im Planungsentscheid über Abbau- und Deponiestandorte sind vorsorglich auch die Anliegen des Umweltschutzes mitzuberücksichtigen (
BGE 116 Ib 50
S. 55). Dabei ist der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Koordinationspflicht in geeigneter Weise Rechnung zu tragen (vgl.
BGE 119 Ib 174
E. 4 S. 178,
BGE 116 Ib 50
E. 4a S. 56). Wird zur Verwirklichung eines UVP-pflichtigen Projektes eine Änderung oder Ergänzung der Nutzungsplanung vorgenommen, so
BGE 120 Ib 207 S. 214
kann dieses Planungsverfahren als das massgebliche Leitverfahren betrachtet werden.
Mit diesen Anforderungen lässt sich der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht vereinbaren. Es kann von der Beschwerdeführerin in der Tat nicht verlangt werden, in den streitigen Gebieten Abbau- und Deponiezonen festzusetzen, ohne die entsprechenden umweltschutzrelevanten Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen. Es ist zwar nicht zu übersehen, dass die Beschwerdeführerin sich mit dieser Argumentation widersprüchlich verhält, da sie selbst im Zonenplanentwurf im Jahre 1990 entsprechende Abbau- und Deponiezonen vorgesehen hatte. Dieser Umstand ändert indessen nichts an der Forderung, im Hinblick auf die Ausscheidung von Abbau- und Deponiezonen die umweltrelevanten Abklärungen bereits im Rahmen der Nutzungsplanung vorzunehmen und nicht erst im Baubewilligungsverfahren. Der angefochtene Entscheid erweist sich in dieser Hinsicht als willkürlich und verletzt damit die Autonomie der Beschwerdeführerin.
Darüber hinaus erweist sich der Entscheid des Verwaltungsgerichts auch in anderer Hinsicht als unhaltbar. Es hat die Beschwerdeführerin angewiesen, Abbau- und Deponiezonen ohne Präjudizierung der Frage der Auffüllung auszuscheiden. Eine solche weitgehend inhaltsleere Nutzungsplanungsmassnahme dient weder den Interessen der privaten Beschwerdegegnerin noch dem Anliegen der Rechtssicherheit. Vielmehr ist gerade der Inhalt der vom Verwaltungsgericht selbst in Aussicht genommenen Nutzungsplanungsvorschriften im Zuge der zur Diskussion stehenden Ortsplanungsrevision möglichst präzis festzulegen, sofern sich nach den erwähnten notwendigen Abklärungen ergibt, dass namentlich das in Aussicht genommene Projekt der Multikomponentendeponie Rütihof im Lichte der zu beachtenden Rechtsvorschriften verwirklicht werden kann. Die private Beschwerdegegnerin hat nicht zuletzt angesichts der ihr bereits erteilten Abbau- und Deponiebewilligungen einen Anspruch darauf, im Rahmen der zur Diskussion stehenden Ortsplanungsrevision eine umfassende Antwort darauf zu erhalten, ob ihr Projekt verwirklicht werden kann und damit die von ihr verlangten Massnahmen der Nutzungsplanung festzusetzen sind oder nicht. Gesamthaft gesehen ist es nicht haltbar, von der Gemeinde definitiv zu verlangen, sie habe in den drei umstrittenen Gebieten Abbau- und Deponiezonen mit weitgehend unbestimmtem materiellen Inhalt festzusetzen. Wenn sich die Gemeinde entschieden hat, die Festsetzung solcher Zonen von einem positiven Ergebnis weiterer umfassender Abklärungen abhängig zu
BGE 120 Ib 207 S. 215
machen, so kann ihr dies vom Verwaltungsgericht auch im Hinblick auf
Art. 2 Abs. 3 RPG
nicht verwehrt werden.
Zusammenfassend ergibt sich demnach, dass die Anordnung des Verwaltungsgerichts an die Gemeinde Wangen nicht haltbar und demnach in Gutheissung der vorliegenden Beschwerde aufzuheben ist. Das Verwaltungsgericht wird daher einen neuen Entscheid zu treffen und darin den vorstehenden Erwägungen Rechnung zu tragen haben. Insbesondere wird von der Planungspflicht für die verschiedenen Abbau- und Deponievorhaben auszugehen und zu berücksichtigen sein, dass hierfür die notwendigen umwelt- und raumplanungsrelevanten Abklärungen vorgenommen werden müssen. Die Gemeinde Wangen hat eine hinreichend bestimmte Nutzungsplanung an die Hand zu nehmen, welche den Interessen der Rechtssicherheit und den Bedürfnissen der Beschwerdegegnerin Rechnung trägt. Es können gleichzeitig die Absichten für die Erstellung eines Golfplatzes mitberücksichtigt werden. Um die neue Zonenordnung bis zur Abklärung aller relevanter Umstände nicht allzu stark zu blockieren, kann es angezeigt sein, lediglich die Neuordnung der streitigen Gebiete zurückzustellen. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
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