decision_id
stringlengths 36
36
| header
stringlengths 59
550
| regeste
stringlengths 7
5.41k
| text
stringlengths 350
179k
| law_area
stringclasses 1
value | law_sub_area
stringclasses 1
value | language
stringclasses 3
values | year
int32 1.95k
2.02k
| court
stringclasses 1
value | chamber
stringclasses 7
values | canton
stringclasses 1
value | region
stringclasses 1
value |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
af86c89b-2c98-4782-8d48-86179f585c75 | Urteilskopf
124 V 310
51. Auszug aus dem Urteil vom 26. Juni 1998 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen SWICA Gesundheitsorganisation und Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, betreffend H. | Regeste
Art. 107 Abs. 2 UVG
;
Art. 129 UVV
: Gerichtsstand für Beschwerden gegen einen Einspracheentscheid. "Betroffener" im Sinne von
Art. 107 Abs. 2 UVG
ist nur die Person, um deren Versicherungsleistungen oder Versicherteneigenschaft es geht.
Die Beschwerde ist daher in jedem Fall bei der kantonalen Rechtsmittelinstanz am Wohnsitz des Versicherten einzureichen, auch wenn die Krankenkasse Beschwerde erhebt. | Sachverhalt
ab Seite 310
BGE 124 V 310 S. 310
A.-
Die 1935 geborene und im Kanton Thurgau wohnhafte H. war seit März 1989 bei den Schweizerischen Bundesbahnen als Köchin tätig und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfall und Berufskrankheit versichert. Am 26. März 1991 prallte eine Rangierlokomotive in den abgestellten Küchenwagen, wobei sich H. Prellungen an der rechten Körperhälfte und am rechten Oberschenkel sowie eine kleine Platzwunde am rechten Ohr zuzog. Bei einem Verkehrsunfall erlitt H. am 23. September 1995 eine distorsionelle Schädigung der Halswirbelsäule. Die SUVA erbrachte für beide Unfälle die gesetzlichen Versicherungsleistungen. Mit Verfügung vom 13. September 1996 lehnte sie ihre Leistungspflicht für die am 25. Juni 1996 als Rückfall zum Unfall vom 26. März 1991 gemeldeten Schulterbeschwerden rechts ab.
Die von der SWICA Gesundheitsorganisation, Winterthur, als Krankenversicherer von H. erhobene Einsprache wies die SUVA mit Entscheid vom 23. Dezember 1996 ab.
B.-
Die SWICA reichte dagegen beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau Beschwerde ein, worauf die SUVA die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit
BGE 124 V 310 S. 311
dieses Gerichts erhob. Zuständig sei nicht das kantonale Gericht am Wohnsitz der Versicherten, sondern dasjenige am Sitz der Krankenversicherung. Mit Zwischenentscheid vom 11. Februar 1998 bejahte das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau seine örtliche Zuständigkeit. (...)
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SUVA, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich als örtlich zuständig zu erklären.
Die SWICA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (...). Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung. H. lässt sich nicht vernehmen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
a) Nach
Art. 107 Abs. 2 UVG
ist für die Beurteilung von Beschwerden gegen Einspracheentscheide das Versicherungsgericht desjenigen Kantons zuständig, in welchem der Betroffene seinen Wohnsitz hat (Satz 1). Befindet sich der Wohnsitz im Ausland, so ist das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in dem sich der letzte schweizerische Wohnsitz des Betroffenen befand oder in dem sein letzter schweizerischer Arbeitgeber Wohnsitz hat; lassen sich beide nicht ermitteln, so ist das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in dem der Versicherer seinen Sitz hat (Satz 2).
Gemäss
Art. 104 lit. d UVG
regelt der Bundesrat das Beschwerderecht der Versicherer gegen Verfügungen aus dem Bereich einer anderen Sozialversicherung. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat in
Art. 129 UVV
Gebrauch gemacht. Abs. 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt: Erlässt ein Versicherer oder eine andere Sozialversicherung eine Verfügung, welche die Leistungspflicht des anderen Versicherers berührt, so ist die Verfügung auch dem anderen Versicherer zu eröffnen. Der andere Versicherer kann die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie die versicherte Person.
b) Gemäss
Art. 107 Abs. 2 UVG
ist Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Versicherungsgerichte auf dem Gebiete des UVG der Wohnsitz des Betroffenen. Dass der Versicherte selbst, um dessen Versicherungsleistungen es geht oder dessen Versicherteneigenschaft streitig ist, "Betroffener" im Sinne von
Art. 107 Abs. 2 UVG
ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Wenn nur er Beschwerde erhebt, ist das Versicherungsgericht des Kantons zuständig, in dem er wohnt. Zu prüfen ist,
BGE 124 V 310 S. 312
ob von diesem Begriff nebst dem Versicherten noch weitere Beteiligte erfasst werden.
c) Das kantonale Verwaltungsgericht hat seine Zuständigkeit damit begründet, mit "Betroffenem" meine
Art. 107 Abs. 2 UVG
den Versicherten und, entgegen der Auffassung der SUVA, nicht einen Versicherer. Aus koordinationsrechtlichen Gründen rechtfertige es sich, die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Beschwerdeinstanz am Wohnsitz des Versicherten auch für eine Beschwerde des Versicherers gemäss
Art. 107 Abs. 2 UVG
abzuleiten. Während die SWICA diese Ansicht teilt, stellt sich die SUVA demgegenüber auf den Standpunkt, die SWICA, mit Sitz in Winterthur, sei "Betroffene" im Sinne von
Art. 107 Abs. 2 UVG
, weshalb das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich für die Behandlung der Streitsache zuständig sei. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass sich die örtliche Zuständigkeit der kantonalen Gerichte in jedem Fall nach dem Wohnsitz der versicherten Person richtet, hätte er in der erwähnten Bestimmung nicht vom "Betroffenen", sondern vom "Versicherten" gesprochen.
6.
a) (Gesetzesauslegung; vgl.
BGE 124 V 189
f. Erw. 3a,
BGE 123 V 317
f. Erw. 4, je mit Hinweisen).
b) aa) Der Ausdruck "der Betroffene" verleitet auf den ersten Blick zur Annahme, die Vorschrift schliesse neben der natürlichen Person, um deren Versicherungsleistungen oder Versicherteneigenschaft es geht, die andere Sozialversicherung, die gegen den Einspracheentscheid des Unfallversicherers Beschwerde führen will, mit ein. Der wahre Sinn der Vorschrift wird indessen erst erkennbar, wenn ihr Wortlaut in seiner Gesamtheit in Betracht gezogen wird und auch die weiteren massgebenden Auslegungskriterien im Auge behalten werden (
BGE 124 II 199
Erw. 5a,
BGE 123 III 95
Erw. 3e in fine).
bb) Bei näherem Hinsehen führt bereits die Verwendung der weiteren Begriffe "Wohnsitz" und "sein letzter schweizerischer Arbeitgeber" in
Art. 107 Abs. 2 Satz 2 UVG
zum Ergebnis, dass eine Ausweitung des Anknüpfungstatbestandes auf andere Beteiligte nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprach. Diese Wortwahl ist nämlich klar auf die natürliche Person zugeschnitten, um deren Versicherungsleistungen es geht oder deren Versicherteneigenschaft streitig ist. Dies bedeutet, dass der Gesetzgeber einen einheitlichen Gerichtsstand mit dem Anknüpfungspunkt des Wohnsitzes der versicherten Person schaffen wollte. Damit wird auch dem Gedanken Rechnung getragen, dass sich sinnvollerweise diejenigen Gerichte mit einer Streitigkeit
BGE 124 V 310 S. 313
befassen sollen, die dem zu beurteilenden Sachverhalt räumlich am nächsten stehen (
BGE 123 III 91
Erw. 3b mit Hinweisen). Im Bereiche der Unfallversicherung ist dies das Gericht am Wohnsitz der versicherten Person. Das gleiche muss gelten, wenn diese nicht Beschwerde erhebt, sondern allein ein anderer Versicherer. Dies um so mehr, als derart gefällte Entscheide auch für die versicherte Person Rechtswirkung entfalten (
Art. 129 Abs. 2 Satz 3 UVV
).
c) Zum gleichen Ergebnis führt die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der fraglichen Gerichtsstandsbestimmung. Dem Bericht der Expertenkommission für die Revision der Unfallversicherung vom 14. September 1973 kann entnommen werden, dass die Kommission für Versicherte mit Wohnsitz in der Schweiz in erster Instanz die Zuständigkeit des Versicherungsgerichts jenes Kantons vorschlug, in dem der Beschwerdeführer bei Erlass der angefochtenen Verfügung seinen Wohnsitz hat (S. 159 und 216 des Expertenberichts). Es wird damit unmissverständlich Bezug auf die natürliche Person genommen, um deren Versicherungsleistungen es geht oder deren Versicherteneigenschaft streitig ist. Im Vordergrund stand damit der in Erw. 6b/bb erwähnte Gedanke der räumlichen Nähe. Es sollte zudem ein einheitlicher Gerichtsstand geschaffen werden, was sich insbesondere auch daraus ergibt, dass der bisherige Wahlgerichtsstand (Wohnsitz des Klägers oder Sitz der Anstalt [SUVA];
Art. 120 Abs. 2 KUVG
) fallengelassen werden sollte. Dies einerseits wegen Überlastung des Versicherungsgerichts des Kantons Luzern (Sitz der SUVA) und andererseits wegen des Nachteils für den Versicherten, die örtlichen Verhältnisse nicht zu kennen und die Verhandlungen in einer Sprache führen zu müssen, welche er nicht versteht (S. 158 des Expertenberichts). In der Botschaft zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976 (BBl 1976 III 141; Separatausgabe S. 38 f. und 86) werden zur Neuordnung der Zuständigkeit im wesentlichen die Argumentation und die Vorschläge der Expertenkommission übernommen. Art. 107 Abs. 2 des Entwurfs deckt sich denn auch inhaltlich mit dem Vorschlag der Expertenkommission. Der in der Botschaft vorgeschlagene Gesetzestext zu
Art. 107 UVG
fand in der parlamentarischen Beratung oppositionslos Zustimmung und wurde nur insoweit redaktionell abgeändert, als in Abs. 2 Satz 2 das Wort "Versicherungsträger" durch "Versicherer" ersetzt wurde.
Ein ausdrücklicher gesetzgeberischer Wille, die örtliche Zuständigkeit für
BGE 124 V 310 S. 314
Beschwerden von anderen Sozialversicherungen auf das Versicherungsgericht ihres Sitzes auszudehnen, lässt sich den Materialien jedenfalls nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des
Art. 107 UVG
, dass ein einheitlicher Gerichtsstand mit dem Anknüpfungspunkt des Wohnsitzes der versicherten Person geschaffen werden sollte. Dass in der Bestimmung vom "Betroffenen" und nicht vom "Versicherten" die Rede ist, lässt sich ohne weiteres daraus erklären, dass bereits die Versicherteneigenschaft umstritten sein kann.
d) aa) Würde der Ansicht der SUVA gefolgt, auch das kantonale Gericht am Sitz der beschwerdeführenden anderen Sozialversicherung als örtlich zuständig zu erklären, wären die gesetzgeberischen Absichten (Beurteilung durch ein Gericht, das in einer räumlichen Nähe zum Versicherten steht; einheitlicher Gerichtsstand) wieder in Frage gestellt. Weiter bestünde durch Mehrfachprozesse auch die Gefahr sich widersprechender Urteile (
BGE 113 II 355
f. Erw. 2a). Wie die Vorinstanz nämlich zu Recht darauf hinweist, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass sowohl eine versicherte Person als auch eine andere Sozialversicherung unabhängig voneinander bei je einem anderen kantonalen Gericht Beschwerde gegen den nämlichen Einspracheentscheid erheben. Welches Gericht in einem solchen Fall örtlich zuständig sein soll, ist nicht geregelt. Wohl enthält
Art. 129 Abs. 2 UVV
eine koordinationsrechtliche Bestimmung (vgl. dazu RKUV 1997 Nr. U 276 S. 195), wonach der versicherten Person die Beschwerde einer anderen Sozialversicherung zur Vernehmlassung zuzustellen ist. Allein, es besteht weder eine Pflicht des Versicherten zur Antwort noch zur Mitteilung, dass er bereits anderswo selbst eine Beschwerde eingereicht habe. Der Fall, dass zwei kantonale Gerichte voneinander unabhängig denselben Sachverhalt zu beurteilen haben, könnte somit durchaus eintreten. Im übrigen kann nebst dem Krankenversicherer auch anderen Sozialversicherungsträgern wie Pensionskassen (
BGE 120 V 352
) sowie auch dem Arbeitgeber (
BGE 106 V 219
; RKUV 1989 Nr. U 73 S. 239) die Beschwerdelegitimation zukommen. Auch diese wären als "Betroffene" zu betrachten, womit sich die Gefahr von Mehrfachprozessen noch erhöht.
bb) Der Lösungsvorschlag der SUVA, zur Vermeidung von Mehrfachprozessen die örtliche Zuständigkeit am Sitz der anderen Sozialversicherung davon abhängig zu machen, dass die versicherte Person selbst keine Beschwerde erhebt, lässt sich mit dem Wortlaut von
Art. 107 Abs. 2 UVG
nicht vereinbaren und würde zu grossen Unsicherheiten führen. Wenn die andere
BGE 124 V 310 S. 315
Sozialversicherung ihren Sitz nicht im gleichen Kanton hat wie die versicherte Person ihren Wohnsitz, wüsste sie im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht, ob sie das örtlich zuständige Gericht angerufen hat oder nicht. Je nachdem (wenn auch der Versicherte Beschwerde erhebt) würde das von ihr angehobene Verfahren an ein anderes Gericht weitergeleitet. Es konnte indessen nicht der Wille des Gesetzgebers sein, eine derart unklare und von Zufälligkeiten abhängende Gerichtsstandsbestimmung aufzustellen. Auch könnte dem Gebot des raschen Verfahrens (
Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG
) kaum nachgelebt werden, wenn in einem von der anderen Sozialversicherung eingeleiteten Prozess zuerst in einem aufwendigen Verfahren die Zuständigkeitsfrage geprüft werden müsste.
e) Zusammenfassend ergibt sich, dass örtlicher Anknüpfungstatbestand nach
Art. 107 Abs. 2 UVG
in jedem Fall der Wohnsitz der Person ist, um deren Versicherungsleistungen es geht oder deren Versicherteneigenschaft streitig ist. Daher ist es unerheblich, ob der Versicherte selbst oder eine andere Sozialversicherung gegen den Einspracheentscheid des Unfallversicherers Beschwerde führt. Die Beschwerde ist beim Gericht am Wohnsitz des Versicherten zu erheben. Vorbehalten bleiben die Fälle nach
Art. 107 Abs. 2 Satz 2 UVG
. Zu Recht hat daher die Vorinstanz im angefochtenen Zwischenentscheid ihre Zuständigkeit bejaht, nachdem die Versicherte ihren Wohnsitz im Kanton Thurgau hat. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
af8b4eff-d43d-4449-a6d3-576ba3142851 | Urteilskopf
115 Ia 193
35. Estratto della sentenza 10 ottobre 1989 della I Corte civile nella causa Z contro società anonima Y (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Anspruch des Streitgenossen auf unentgeltliche Rechtspflege (
Art. 4 BV
, Art. 155 ff ZPO/TI).
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege steht jedem einzelnen Streitgenossen unabhängig von den Verhältnissen der anderen Streitgenossen zu. | Sachverhalt
ab Seite 193
BGE 115 Ia 193 S. 193
Il 29 maggio 1978 l'ing. X ha promosso direttamente alla II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino una causa contro la società anonima Y, facendo valere pretese pecuniarie derivanti da brevetti d'invenzione. All'attore, deceduto il 2 dicembre 1986, sono subentrate nel processo la moglie Z et le due figlie, che hanno accettato l'eredità con il beneficio d'inventario nonostante un saldo largamente passivo. Il 19 dicembre 1988 le tre eredi hanno chiesto l'assistenza giudiziaria, compreso il gratuito patrocinio, ma la corte cantonale ha respinto l'istanza con decreto del 18 aprile 1989. A parere dei giudici, le figlie erano in grado di sopportare i costi della procedura con l'aiuto dei loro mariti; e siccome potevano assumere tutte le spese, non si giustificava di esonerare dal pagamento nemmeno la vedova. Quest'ultima, inoltre, non avrebbe potuto da sola far stare in lite la comunione ereditaria e qualora avesse inteso rivolgersi a un patrocinatore, le sarebbe bastato affidarsi al legale delle figlie.
Z ha presentato al Tribunale federale, il 26 maggio 1989, un ricorso di diritto pubblico per inosservanza dell'
art. 4 Cost.
Il
BGE 115 Ia 193 S. 194
Tribunale federale ha accolto il ricorso e annullato il decreto impugnato.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
Secondo costante giurisprudenza, la parte che non ha i mezzi finanziari per agire o per difendersi - con verosimile buon esito - in una causa civile, penale o amministrativa ha diritto all'assistenza giudiziaria. Chiamato a pronunciarsi in materia, il Tribunale federale verifica dapprima se le disposizioni cantonali di procedura siano state applicate con arbitrio. Se non è il caso, vaglia con libero esame se sia stato leso il diritto all'assistenza giudiziaria che sgorga direttamente dall'
art. 4 Cost.
(
DTF 114 Ia 101
consid. 2 con richiami,
DTF 112 Ia 15
consid. 3).
a) L'
art. 135 CPC
ticinese conferisce alle persone fisiche "che giustifichino di non essere in grado di sopperire alle spese della lite" la facoltà di ottenere l'assistenza giudiziaria. Questa è commisurata alla situazione economica dell'istante e può includere la dispensa dal pagamento delle tasse e delle spese giudiziarie, il patrocinio gratuito (salvo il diritto alle ripetibili verso il soccombente) e l'anticipazione da parte dello Stato delle spese di prova cui è ammesso il beneficiario (
art. 159 cpv. 1 CPC
). L'assistenza è rifiutata "se la causa non presenta probabilità di esito favorevole" (
art. 157 CPC
). Per il rimanente il diritto ticinese non istituisce restrizioni specifiche, tanto meno nell'eventualità di un litisconsorzio. Anzi, esso non si limita a far beneficiare l'assistito di un esonero meramente provvisorio, nel senso che lo Stato possa chiedere più tardi una rifusione parziale o totale delle spese (come prevede per esempio l'
art. 152 cpv. 3 OG
). Riservata l'ipotesi di una revoca (prospettabile anche d'ufficio:
art. 158 cpv. 1 CPC
), l'assistenza giudiziaria è concessa a titolo definitivo. In tale misura il diritto ticinese si sospinge oltre le esigenze minime dell'
art. 4 Cost.
(e dell'
art. 6 CEDU
), in sintonia del resto con altri ordinamenti cantonali (MÜLLER in: Kommentar BV, nota 128 ad
art. 4 Cost.
con rinvii; HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Berna 1985, pag. 160).
b) La ricorrente sostiene che la corte di appello ha violato con arbitrio gli art. 155 segg. CPC ticinese. Afferma che è lesivo dell'
art. 4 Cost.
esporre un litisconsorte al rischio di pagare le spese altrui; anche in caso di litisconsorzio necessario, ognuno sopporta i costi che lo riguardano e non dev'essere tenuto ad assumere i
BGE 115 Ia 193 S. 195
compiti assistenziali dell'ente pubblico. Per la ricorrente la soluzione opposta, adottata dalla dottrina e dalla prassi tedesche, è arbitraria; contraddice inoltre la giurisprudenza del Tribunale federale, che tende a proteggere e non a sfavorire i litisconsorti. Ora, dalle argomentazioni appena riassunte emerge che la ricorrente non censura in modo specifico l'applicazione di un principio o di una norma particolare del diritto ticinese; le critiche di arbitrio si identificano con la asserita inosservanza di garanzie minime che ridondano dall'
art. 4 Cost.
Ci si potrebbe domandare in realtà, nel quadro del diritto ticinese, se non sia arbitrario far sopportare a un soggetto indigente il rischio di un incasso successivo per opera di litisconsorti (
art. 640 CC
) quando lo Stato assicura al soggetto singolo, in circostanze identiche, l'esonero definitivo. Il problema, non sollevato nel ricorso, può rimanere irrisolto. Si impone per contro di verificare se il risultato cui è giunta l'autorità cantonale rispetti le esigenze minime dell'
art. 4 Cost.
3.
a) Il diritto all'assistenza giudiziaria che deriva direttamente dall'
art. 4 Cost.
garantisce a ogni cittadino, senza riguardo ai suoi mezzi finanziari, la stessa possibilità di stare in giudizio. Non sarebbe compatibile con il principio di uguaglianza e con l'imperativo di un equo processo che una parte, per la sua sola indigenza, debba rinunciare alle sue facoltà o debba accontentarsi di far valere i suoi diritti in maniera meno efficace rispetto a una parte economicamente più forte (MÜLLER, op.cit., nota 123 ad
art. 4 Cost.
con gli autori citati). La condizione di indigenza dev'essere valutata in base alle risorse finanziarie dell'istante e, dandosi il caso, delle persone che hanno verso di lui obblighi di mantenimento (il coniuge o i genitori); tutt'al più - ma la questione è controversa - si potrebbe tener calcolo anche dei mezzi che una società anonima interamente controllata dall'istante è in grado di fornire (
DTF 108 Ia 10
consid. 3). Non entrano in linea di conto invece - e su questo punto la giurisprudenza è formale - le risorse finanziarie di parenti cui l'interessato potrebbe far capo a norma degli
art. 328 e 329 CC
(
DTF 67 I 70
consid. 3; HAEFLIGER, op.cit., pag. 166). Nell'accertare lo stato di bisogno, il termine "obblighi di mantenimento" dev'essere interpretato dunque in modo restrittivo.
b) Il Tribunale federale non ha avuto occasione di pronunciarsi, finora, sui presupposti cui un litisconsorte può
BGE 115 Ia 193 S. 196
ottenere l'assistenza giudiziaria. Non vi è dubbio tuttavia che per pretese con parvenza di buon esito ogni singola persona indigente ha diritto a tale beneficio (LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3a edizione, nota 2 all'art. 77; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zür Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2a edizione, nota 2 al § 84). Certo, il diritto processuale può dichiarare i litisconsorti solidalmente responsabili delle spese, senza riguardo al fatto che il litisconsorzio sia necessario o facoltativo (nel Ticino:
art. 148 cpv. 4 CPC
, art. 10 cpv. 1 della legge sulla tariffa giudiziaria, LTG; cfr. anche l'
art. 156 cpv. 7 OG
). Ciò comporta la possibilità, per lo Stato, di chiedere anticipi o depositi in garanzia di tutte le spese a un'unica persona, riservato il regresso di questa verso gli altri litisconsorti. In tal caso però, dovesse uno dei litisconsorti versare nel bisogno, la persona invitata al pagamento si troverebbe a dover prestare essa medesima assistenza giudiziaria in vece dello Stato, poiché potrebbe ricuperare le somme corrisposte a favore del soggetto indigente solo ove i litisconsorti dovessero uscire vittoriosi dalla lite. Né potrebbe rifiutarsi, poiché l'omissione del pagamento implicherebbe lo stralcio dai ruoli della causa o dell'atto di causa cui si riferisce la richiesta d'anticipo o di garanzia (art. 12 cpv. 1 LTG; cfr. gli art. 150 cpv. 4 e 151 cpv. 2 OG).
Una conseguenza del genere non è compatibile con l'
art. 4 Cost.
Anzitutto essa discrimina senza motivo la persona che, per pura sfortuna, si vede affiancata da un litisconsorte privo di mezzi. In secondo luogo essa obbliga la stessa persona a fornire un'assistenza cui solo l'ente pubblico può essere tenuto, dal momento che - come si è detto - nemmeno gli
art. 328 e 329 CC
coprono le spese processuali dell'indigente. Ma la conseguenza testé illustrata discrimina anche la persona bisognosa. Intanto perché, qualora gli altri litisconsorti non dovessero pagare gli anticipi o le garanzie in sua vece, essa non potrebbe far valere i suoi diritti. Oltre a ciò perché, dovendo ricorrere a un avvocato, essa sarebbe costretta a chiedere il patrocinio di un legale che già rappresenta un litisconsorte; all'interno del litisconsorzio tuttavia gli interessi dei singoli membri non sempre coincidono: non vi è quindi certezza che la persona indigente possa agire o difendersi con la stessa efficacia degli altri litisconsorti o della controparte.
c) In caso di litisconsorzio necessario il Tribunale federale ha già avuto modo di stabilire che si deve prescindere da una richiesta di garanzia per le eventuali ripetibili a favore della controparte ove
BGE 115 Ia 193 S. 197
manchino i presupposti per esigere tale garanzia da uno dei litisconsorti (
DTF 109 II 271
consid. 2). L'autorità cantonale menziona questo principio per confortare nella fattispecie il diniego dell'assistenza giudiziaria. A torto. La massima evocata tutela semmai i litisconsorti, nel senso che un deposito per prestazioni cui essi sono tenuti solidalmente può essere loro imposto solo se ogni litisconsorte adempie a sua volta i requisiti del deposito. Non si vede come un principio siffatto possa tornare a scapito di un litisconsorte, privandolo dell'assistenza giudiziaria cui egli avrebbe diritto se potesse stare in lite come soggetto singolo.
d) La corte cantonale si riferisce alla giurisprudenza tedesca, che - con certi autori - nega eccezionalmente al litisconsorte l'assistenza giudiziaria se egli può farsi patrocinare dal legale di un altro litisconsorte (BAUMBACH/LAUTERBACH/ALBERS/HARTMANN, Zivilprozessordnung, 47a edizione, pag. 328 infra per la comunione ereditaria; STEIN/JONAS, Zivilprozessordnung, 20a edizione, nota 17 al § 114). Tale orientamento, per le ragioni già espresse, non può essere condiviso alla luce dell'
art. 4 Cost.
Il soggetto che deve assumere non solo le spese processuali, ma anche le spese di patrocinio cagionate da un litisconsorte indigente può essere indotto ancor più a desistere dalla causa. E ciò quando in caso di litisconsorzio necessario la persona nel bisogno, che può avere l'interesse maggiore al processo (dato, per esempio, il suo rapporto di partecipazione all'eredità), non può fare a meno degli altri per stare in lite. Verificandosi un'evenienza come quella descritta, il litisconsorte indigente si troverebbe addirittura nell'impossibilità di adire il giudice. | public_law | nan | it | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
af8b4f5a-e49e-4c50-9c7d-de24611952a9 | Urteilskopf
92 II 293
43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. November 1966 i.S. Merck & Co. Inc. gegen Alpharm AG und Mitbeteiligte. | Regeste
Widerrechtliche Benützung einer in der Schweiz patentierten Erfindung (
Art. 66 lit. a und
Art. 8 PatG
).
1. Widerrechtlich kann nur eine in der Schweiz erfolgte Benützung sein. Dieser Begriff erfasst aber nicht bloss in der Schweiz ausgeführte Handlungen, sondern ohne Rücksicht auf den Ort der Ausführung jedes Tun oder Unterlassen, das rechtserhebliche Ursache einer in der Schweiz erfolgten Benützung ist, insbesondere die Handlungen von Anstiftern, mittelbaren Tätern, Miturhebern und Gehilfen, welche die Benützung in der Schweiz vom Ausland aus veranlasst oder gefördert haben (Erw. 4).
2. Begriff und Arten der Benützung (Erw. 5).
3. Widerrechtliche Benützung einer in der Schweiz patentierten Erfindung durch Einfuhr patentverletzender Erzeugnisse in die Schweiz und durch Lagerung solcher Erzeugnisse in einem schweizerischen Zollfreilager zwecks Belieferung von Kunden im Ausland, sowie durch Verkauf und Versand solcher Erzeugnisse aus der Schweiz ins Ausland (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 294
BGE 92 II 293 S. 294
A.-
Die Firma Merck & Co. Inc. in New Jersey ist Inhaberin der schweizerischen Patente Nr. 282 222, 283 913, 292 590 und 294 171, welche Verfahren zur Herstellung von Vitaminsubstanzen, Vitaminprodukten, Vitamin B 12 und Vitamin B 12-Konzentraten betreffen. Am 16. Juli 1964 reichte sie beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Firmen Pierrel S.p.A., Mailand, Alpharm AG, Bern, und Medipharm AG, Zürich, sowie gegen Paolo Lanzarini, Mailand, eine Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass sich die Beklagten "durch Herstellen, Feilhalten, Verkaufen und/oder Inverkehrbringen von Cyanocobalamin (Vitamin B 12), bzw. durch Anstiftung, Mitwirkung, Erleichterung und/oder Begünstigung solcher Handlungen" der Verletzung der erwähnten Patente "schuldig machen bzw. gemacht haben". Damit verband sie das Begehren, den Beklagten zu verbieten, Cyanocobalamin herzustellen, feilzuhalten, zu verkaufen oder in Verkehr zu bringen oder bei diesen Handlungen mitzuwirken, dazu anzustiften, deren Begehung zu begünstigen oder zu erleichtern. Ferner klagte sie auf Ersatz ihres Schadens in einem gerichtlich zu bestimmenden Betrag nebst Zins und auf Ermächtigung zur Veröffentlichung des Urteils.
Die Klägerin behauptete unter anderem: Die Firma Pierrel S.p.A. stelle seit Anfang 1960 in Neapel unter Benutzung der erwähnten patentierten Erfindungen Vitamin B 12 her und liefere solches an Lanzarini und an dessen Handelsfirmen, unter anderem an die Alpharm AG und die Medipharm AG Lanzarini sei Hauptaktionär und Delegierter des Verwaltungsrates
BGE 92 II 293 S. 295
der Alpharm AG und auch an der Medipharm AG beteiligt. Er und diese Gesellschaften unterhielten in den Räumen einer Zürcher Transportfirma in den Zollfreilagern in Zürich und Kloten ein Lager an Vitamin B 12. Die Transportfirma sei in ihrem Auftrage Lagerhalter und Spediteur und besorge darüber hinaus in einzelnen Fällen die eigentliche Führung der Verkaufsverhandlungen, die Verpackung, die Rechnungstellung und das Inkasso. Von den erwähnten Lagern aus werde eine Händler- und Schmugglerorganisation beliefert, die sich in den Vereinigten Staaten von Amerika für den Handel von widerrechtlich hergestelltem Vitamin B 12 und Antibiotika gebildet habe und deren Hauptperson X. sei. Ein Prokurist der Transportfirma habe wiederholt von den erwähnten Waren nach den Vereinigten Staaten mitgenommen und sie daselbst gegen Barzahlung verkauft. Oft sei X. aufgefordert worden, Zahlungen an die Transportfirma zu machen. Einmal sei er in der Schweiz gewesen und habe mit Lanzarini diese Firma besucht. Da die Alpharm AG mit Vitamin B 12 Handel treibe, bestehe kein Zweifel, dass sie die schweizerischen Patentrechte der Klägerin verletze, und zwar auch dann,wenn dieses Erzeugnis in einzelnen Fällen nicht in die Schweiz eingeführt oder durch die Schweiz durchgeführt worden sei. Das treffe auch für Lanzarini zu. Dieser sei ausser für seine persönlichen Geschäfte für die Handlungen der Alpharm AG verantwortlich. Er habe diese angestiftet, bei ihren Handlungen mitgewirkt, sie zum mindesten begünstigt oder erleichtert. Es treffe ihn gemäss
Art. 50 OR
insbesondere die Schadenersatzpflicht, auch für die Handlungen der Alpharm AG Die Klägerin werde aber darüber hinaus beweisen, dass er auch seine persönlichen Geschäfte über die Schweiz und in Zürich abgewickelt habe. Die Medipharm AG sei ebenfalls eine blosse Tarnorganisation. Ihre Behauptung, sie wisse nichts von den in ihrem Namen durchgeführten Transporten, sei nicht ernst zu nehmen. Die Transportfirma habe nicht völlig zu Unrecht die Medipharm AG in ihren Dokumenten erwähnt. Auf Grund dieser Erwähnungen seien der Medipharm AG auch direkte Mitteilungen zugegangen.
B.-
Das Handelsgericht beschloss am 30. März 1966, die Klagen gegen die Alpharm AG, die Medipharm AG und Lanzarini in einem besonderen Prozess vorweg zu beurteilen. Es wies sie am gleichen Tage ab mit der Begründung, die diesen drei Beklagten vorgeworfenen Handlungen könnten die schweizerischen
BGE 92 II 293 S. 296
Patente der Klägerin nicht verletzen.
Das Bundesgericht weist die Sache auf Berufung der Klägerin hin an das Handelsgericht zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Dass die Benützung der Erfindung nach dem Bundesgesetz über die Erfindungspatente nur dann widerrechtlich ist, wenn sie in der Schweiz erfolgt, heisst nicht, der Verantwortliche müsse im Gebiete der Schweiz handeln. Die widerrechtliche Benützung ist eine unerlaubte Handlung. Solche Handlungen können schon dann nach schweizerischem Recht verfolgt werden, wenn der Erfolg in der Schweiz eingetreten ist (
BGE 76 II 110
ff.,
BGE 82 II 163
,
BGE 87 II 115
,
BGE 91 II 123
f.). Jedes Tun oder Unterlassen, das rechtserhebliche Ursache einer in der Schweiz erfolgten Benützung der Erfindung ist, macht deshalb nach schweizerischem Recht verantwortlich, gleichgültig wo es sich ereigne. Das ist namentlich von Bedeutung für Anstifter, mittelbare Täter, Miturheber und Gehilfen. Sie können schon dann in der Schweiz zivilrechtlich verfolgt werden, wenn sie die Benützung in der Schweiz vom Auslande aus veranlasst oder gefördert haben. Andernfalls ginge der strafrechtliche Schutz des Patentinhabers (
Art. 81 ff. PatG
, insbesondere
Art. 83 PatG
in Verbindung mit
Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 und
Art. 7 Abs. 1 StGB
) weiter als der zivilrechtliche, was dem Grundsatz widerspräche, dass Handlungen, die unter eine das fragliche Rechtsgut schützende Strafnorm fallen, stets auch zivilrechtlich unerlaubt sind.
5.
Nur die gewerbsmässige Benützung der Erfindung kann widerrechtlich sein, denn nur auf gewerbsmässige Benützung hat der Patentinhaber ein ausschliessliches Recht (
Art. 8 Abs. 1 PatG
).
Der Begriff der Benützung ist im übrigen im Gesetz nicht definiert. Als Benützung gelten vorab der Gebrauch und die Ausführung der Erfindung (
Art. 8 Abs. 2 PatG
), ferner die Nachahmung (
Art. 66 lit. a PatG
). Daneben werden das Feilhalten, der Verkauf und das Inverkehrbringen genannt (
Art. 8 Abs. 2 PatG
). Wie aus dem Wort "insbesondere" hervorgeht, sind das aber nur Beispiele der Benützung.
Wenn ein Verfahren Gegenstand der Erfindung ist, erstreckt sich das Recht des Patentinhabers auch auf die unmittelbaren Erzeugnisse des Verfahrens (
Art. 8 Abs. 3 PatG
). Als Benützung
BGE 92 II 293 S. 297
des letztern gelten daher insbesondere auch der Gebrauch, das Feilhalten, der Verkauf und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen, die im patentierten oder in einem nachgeahmten Verfahren hergestellt wurden.
6.
Die Klägerin hat im kantonalen Verfahren behauptet, der Leiter der Pierrel S.p.A., Y., habe im Oktober 1960 versucht, mit X. bezüglich des Vitamins B 12 direkt ins Geschäft zu kommen, doch habe X. vorgezogen, weiterhin durch Lanzarini und dessen Gesellschaften von Zürich aus beliefert zu werden. Deshalb habe sich Y. in der Folge mit Lanzarini in Verbindung gesetzt und die Geschäfte der Pierrel S.p.A. über diesen, die Alpharm AG und die Medipharm AG von Zürich aus abgewickelt. Die von Lanzarini beherrschte Alpharm AG habe bei diesen rechtswidrigen Geschäften als Deckmantel gedient und auch die Medipharm AG, an der Lanzarini beteiligt sei, sei eine blosse Tarnorganisation. Ihre Behauptung, sie wisse nichts von den in ihrem Namen durchgeführten Transporten, sei nicht ernst zu nehmen. Lanzarini, die Alpharm AG und die Medipharm AG unterhielten durch die von ihnen als Lagerhalter und Spediteur beauftragte Transportfirma in den Zollfreilagern Zürich und Kloten ein Lager an Vitamin B 12.
Wenn diese Behauptungen zutreffen, sind Lanzarini, die Alpharm AG und die Medipharm AG schon dafür mitverantwortlich, dass die Pierrel S.p.A. die erwähnte Ware nach Zürich und Kloten verbringen liess; denn sie haben diese Handlungen begünstigt und erleichtert, indem sie sich zwecks Tarnung des Ursprunges der Ware als Mittler zwischen der Pierrel S.p.A. und der Händler- und Schmugglerorganisation des X. zur Verfügung stellten. Der Transport nach Zürich und Kloten erfolgte zwecks Belieferung der amerikanischen Abnehmer und war daher eine typische Handlung, die unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des
Art. 8 Abs. 2 PatG
fällt. Zum mindesten wird er vom Oberbegriff der (gewerbsmässigen) Benützung der Erfindung erfasst; denn er gehört zur Gesamtheit der Handlungen, die vorgenommen wurden, um Erzeugnisse vom Hersteller oder Händler an einen Abnehmer zu verbringen. Da
Art. 8 Abs. 2 PatG
die Arten der Benützung nicht abschliessend aufzählt, steht der Erfassung der Einfuhr als Benützungshandlung nichts im Wege.
Wenn die erwähnten Behauptungen der Klägerin zutreffen, sind Lanzarini, die Alpharm AG und die Medipharm AG
BGE 92 II 293 S. 298
auch dafür verantwortlich oder neben der Pierrel S.p.A. mitverantwortlich, dass die Ware von der Transportfirma gelagert wurde. Da auch diese Lagerung dem zwischen der Pierrel S.p.A. und X. vereinbarten und mit Hilfe der Berufungsbeklagten organisierten Handel gedient haben soll, wird auch sie von den Begriffen des Inverkehrbringens und der Benützung miterfasst. Übrigens erfüllt sie auch die Merkmale des Feilhaltens. Sie unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht grundsätzlich von der Aufstapelung von Ware in einem Lager zwecks Belieferung von Kunden; denn wenn die Behauptungen der Klägerin stimmen, wurde X. darüber unterrichtet, dass das Lager bestand und dass er daraus Ware beziehen könne, wenn er sich an die Berufungsbeklagten oder unmittelbar an die Transportfirma wende. Auch die deutsche Rechtsprechung und Lehre legen den Begriff des Feilhaltens so weit aus, dass ein derartiger Tatbestand darunter fällt (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1960 in GRUR 1960 S. 423, besprochen von MOSER v. FILSECK in GRUR 1961 S. 178 u. 613; BENKARD, 4. Aufl. 1963, Randnote 19, und BUSSE, 3. Aufl. 1964, Anm. 6 A 3 S. 199 f. zu § 6 des deutschen PatG).
Die Klägerin hat sodann schon im kantonalen Verfahren unter Nennung von Einzelheiten behauptet, die Transportfirma als Beauftragte der Berufungsbeklagten habe von den Lagern in Zürich und Kloten aus die amerikanische Händler- und Schmugglerorganisation des X. tatsächlich beliefert, die Ware verpackt und versandt, Rechnung gestellt und das Inkasso besorgt. Diese Handlungen, für welche die Berufungsbeklagten zutreffendenfalls als Auftraggeber verantwortlich oder mitverantwortlich sind, erfüllen nicht nur die Begriffe des Inverkehrbringens und der Benützung der Ware, sondern auch den des Verkaufens im Sinne des
Art. 8 Abs. 2 PatG
. Dass die Käufer im Ausland niedergelassen waren und die Erzeugnisse ausschliesslich ins Ausland geliefert wurden, ändert nichts. Als Benützung im Inland ist es auch anzusehen, wenn Ware, die in der Schweiz liegt, ins Ausland verkauft wird (wogegen von solcher Benützung nicht die Rede sein kann, wenn der Kaufvertrag einzig durch den Abschlussort zur Schweiz in Beziehung steht). Die Auffassung des Handelsgerichtes, das Patentgesetz verlange nur die Fernhaltung der patentverletzenden Erzeugnisse vom inländischen Wirtschaftsverkehr, d.h. vom schweizerischen Binnenmarkt, findet im Gesetz keine Stütze. Sie hält nicht stand.
BGE 92 II 293 S. 299
Sonst müsste es auch als erlaubt gelten, für den Export bestimmte Erzeugnisse unter Benützung patentierter Erfindungen in der Schweiz herzustellen. Das vertrüge sich nicht mit den berechtigten Interessen des Patentinhabers, auch im Export gegen die Konkurrenz von Dritten geschützt zu sein, die nachgemachte Erzeugnisse herstellen oder damit Handel treiben.
Daher muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückgewiesen werden. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
af8c7225-9c85-4270-be03-e64db42c5ceb | Urteilskopf
116 Ia 102
19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 31. Mai 1990 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Obergericht (I. und II. Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands.
1. Die zürcherische Praxis, nach der dem Gesuchsteller mit Bezug auf die Person des Verteidigers grundsätzlich nur ein einmaliges Vorschlagsrecht zu Beginn der Strafuntersuchung zukommt, ist nicht willkürlich (E. 4a).
2. Diese zürcherische Praxis verletzt im zu beurteilenden Anwendungsfall auch nicht den aus
Art. 4 BV
fliessenden verfassungsrechtlichen Minimalanspruch auf unentgeltliche Verteidigung (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 116 Ia 102 S. 102
A.-
X. wird von den Untersuchungsbehörden des Bezirkes Zürich beschuldigt, sich wiederholt in schwerer Weise gegen das Betäubungsmittelgesetz vergangen zu haben. Der Präsident des Bezirksgerichtes Zürich bestellte ihm mit Verfügung vom 9. Mai 1989 einen amtlichen Verteidiger. Nachdem wegen Heroinhandels mit ca. 300 Gramm gegen X. Anklage erhoben und zur
BGE 116 Ia 102 S. 103
Hauptverhandlung vorgeladen worden war, teilte Rechtsanwältin Y. dem Bezirksgericht mit, X. habe sie beauftragt, als erbetene Verteidigerin seine Rechte zu wahren. Gleichentags entliess das Bezirksgericht Zürich den amtlichen Verteidiger. Schon wenige Tage nach dem ersten Teil der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 1989 stellte Rechtsanwältin Y. ein erstes Gesuch um Umwandlung der erbetenen in eine amtliche Verteidigung. Dieses Gesuch wurde letztinstanzlich vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 6. Dezember 1989 abgewiesen.
Am 12. Januar 1990 stellte Rechtsanwältin Y. beim Bezirksgericht Zürich, bei dem die Anklage immer noch hängig war, ein zweites Gesuch um Umwandlung der erbetenen in eine amtliche Verteidigung. Diesem Begehren wurde vom Bezirksgericht Zürich nicht entsprochen und im Hinblick auf den unmittelbar bevorstehenden zweiten Teil der Hauptverhandlung vom 26. Januar 1990 vorsichtshalber der ursprüngliche amtliche Verteidiger von X. erneut zum amtlichen Verteidiger bestellt. Zwei Tage vor dieser Verhandlung teilte Rechtsanwältin Y. dem Gericht telefonisch mit, sie werde X. doch weiterhin verteidigen. Der amtliche Verteidiger wurde daraufhin vom Bezirksgericht Zürich erneut entlassen. Dieses sprach X. am 26. Januar 1990 verschiedener Betäubungsmitteldelikte schuldig und bestrafte ihn mit drei Jahren Zuchthaus, abzüglich 267 Tage Untersuchungshaft.
Gegen dieses Urteil erhob Rechtsanwältin Y. im Namen von X. Berufung an das Obergericht. Gleichzeitig mit ihrer Berufungserklärung vom 5. Februar 1990 stellte sie ein drittes Gesuch um Bestellung als amtliche Verteidigerin. Mit Beschluss vom 28. März 1990 wies das Obergericht (II. Strafkammer) das Gesuch ab und setzte Rechtsanwältin Y. Frist zur Erklärung an, ob sie weiterhin als erbetene Verteidigerin des Angeklagten tätig sein werde.
B.-
In der Zwischenzeit hatte die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen X. eine neue Untersuchung wegen weitern Handels mit Heroin eröffnet. Am 30. Juni 1989 stellte Rechtsanwältin Y. beim Präsidenten des Bezirksgerichtes Zürich für dieses neue Verfahren ein Gesuch um Umwandlung der erbetenen in eine amtliche Verteidigung. Der Präsident des Bezirksgerichtes Zürich wies das Gesuch mit Verfügung vom 1. Februar 1990 ab.
Gegen diesen Entscheid erhob X. Rekurs beim Obergericht. Das Obergericht (I. Strafkammer) wies den Rekurs mit Entscheid vom 27. März 1990 ab.
BGE 116 Ia 102 S. 104
C.-
Am 2. Mai 1990 erhob X. mit zwei getrennten Rechtsschriften staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht einerseits gegen den Entscheid des Obergerichts (II. Strafkammer) vom 28. März 1990 und andererseits gegen den Entscheid des Obergerichts (I. Strafkammer) vom 27. März 1990. Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, die angefochtenen Entscheide verletzten seinen Anspruch auf unentgeltliche Verteidigung im Sinne von
Art. 4 BV
.
a) Der Anspruch einer unbemittelten Partei, einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu erhalten, bestimmt sich zunächst nach den Vorschriften des kantonalen Rechts. Nur wenn dieses keine oder ungenügende Vorschriften enthält, greifen die unmittelbar aus
Art. 4 BV
hergeleiteten Regeln ein, die ein Mindestmass an Rechtsschutz und damit an Verteidigungsmöglichkeiten gewährleisten (
BGE 114 Ia 101
f. E. 2 mit Hinweisen). § 13 Abs. 2 letzter Satz StPO verlangt, ein Vorschlag des Gesuchstellers mit Bezug auf die Person des amtlichen Verteidigers sei nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Die zürcherische Praxis geht dahin, dass ein solcher Anspruch nur einmal zu Beginn einer Strafuntersuchung besteht. Einen solchen Anspruch hatte bei Beginn der ersten Untersuchung auch der Beschwerdeführer. Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechtes, d.h. von § 13 Abs. 2 letzter Satz StPO, prüft das Bundesgericht gestützt auf
Art. 4 BV
grundsätzlich nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, d.h. es kann nur eingreifen, wenn die Auslegung nicht nur unrichtig, sondern schlechthin unhaltbar ist (
BGE 114 Ia 27
E. 3b,
BGE 113 Ia 19
E. 3a). Das Bundesgericht hat bereits am 10. Oktober 1988 entschieden, dass die einmalige Möglichkeit eines Vorschlagsrechts im Hinblick auf die Person des amtlichen Verteidigers vor dem Willkürverbot standhält (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 10. Oktober 1988 i.S. P. E. 4). Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was ein Abweichen von dieser Praxis rechtfertigen würde. Es ist demnach an ihr festzuhalten. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt nicht vor.
b) Es bleibt zu prüfen, ob eine Verletzung der bundesrechtlichen Minimalgarantie von
Art. 4 BV
vorliegt.
BGE 116 Ia 102 S. 105
aa) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Begehren um Wechsel des amtlichen Verteidigers nur und immer dann zu bewilligen, wenn aus objektiven Gründen eine sachgemässe Vertretung der Interessen des Angeschuldigten durch den amtlichen Verteidiger nicht mehr gewährleistet ist (
BGE 105 Ia 302
f; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 11. Mai 1989 i.S. K. E. 4a mit Hinweisen).
bb) Der Beschwerdeführer bringt vor, es bestehe kein Vertrauen mehr in den ursprünglichen amtlichen Verteidiger. In den beiden Beschwerdeschriften wird indessen nichts Substantiiertes vorgebracht, weshalb dieser seine Aufgabe nicht korrekt erfüllt haben sollte bzw. weshalb das Vertrauensverhältnis aus objektiven Gründen gestört sei. Es wird lediglich auf einige Schreiben des Beschwerdeführers an Rechtsanwältin Y. hingewiesen, worin dieser betont, er möchte nur diese als Verteidigerin bzw. es sei "ein einfaches, mir so einen Rechtsanwalt zu geben, der nur dem Staatsanwalt beipflichtet". Der Beschwerdeführer übersieht, dass dieses Vorbringen allein keinen Grund für einen berechtigten Wechsel des amtlichen Verteidigers bildet. Der Beschwerdeführer verkennt auch, dass die Art und Weise der Verteidigung der amtliche Verteidiger bestimmt und dass dieser nicht bloss das unkritische Sprachrohr seines Mandanten ist (vgl. dazu auch Robert Hauser, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Auflage, Basel 1984, S. 97). Im vorliegenden Fall sind die Verhältnisse keineswegs derart, dass nicht weiterhin eine effektive Verteidigung durch den ursprünglichen amtlichen Verteidiger möglich wäre. Im Gegenteil, es geht aus den Akten eindeutig hervor, dass Rechtsanwalt X. seine Pflichten ordnungsgemäss erfüllt hat, namentlich den Beschwerdeführer relativ häufig in der Untersuchungshaft besuchte.
c) Mit Bezug auf das zweite Strafverfahren bringt der Beschwerdeführer zusätzlich vor, dieses sei vom ersten grundsätzlich unabhängig, so dass die Argumentation, weshalb einem Wechsel des amtlichen Verteidigers nicht zugestimmt werden könne, nicht ohne weiteres einfach auf das neue Verfahren übertragen werden könne.
Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers ist widersprüchlich, pflichtet er doch auf der selben Seite seiner Beschwerdeschrift der Argumentation ausdrücklich bei, es sei sinnvoll und zweckmässig, wenn er in beiden gegen ihn anhängigen Verfahren durch den selben Anwalt vertreten werde. Dies trifft denn auch um so mehr zu, als für den Fall, dass das erste Verfahren vorzeitig rechtskräftig
BGE 116 Ia 102 S. 106
beendet sein sollte, für die mit der zweiten Untersuchung verfolgten Taten eine Zusatzstrafe auszufällen wäre. Derartige widersprüchliche Vorbringen, wie sie vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erhoben werden, sind offensichtlich rechtsmissbräulich und verdienen keinen Rechtsschutz. Es wäre, im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen des Beschwerdeführers, geradezu willkürlich, ihm für das zweite Verfahren einen andern amtlichen Verteidiger zu bestellen. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
af93e29b-0774-4a3b-8ada-dfd4f9863820 | Urteilskopf
98 Ib 194
28. Extrait de l'arrêt de la cour de cassation pénale, du 12 juin 1972, dans la cause Quirici contre Conseil d'Etat du canton de Fribourg. | Regeste
Art. 35 Abs. 1 VwG.
Die Begründung einer Verfügung kann summarisch sein, doch müssen in ihr zumindest die Gründe ersichtlich werden, auf die die Behörde sich gestützt hat (Erw. 2).
Art. 42 Ziff. 4 Abs. 2 StGB
.
Die Behörde muss von Amtes wegen prüfen, ob die Verwahrung nicht mehr nötig ist (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 195
BGE 98 Ib 194 S. 195
A.-
Pietro Quirici a été condamné le 20 janvier 1966 par la Cour d'assise du 3e ressort de Tavel à trois ans d'emprisonnement pour tentative de lésions corporelles simples, vol par métier, tentative de vol, tentative d'escroquerie, faux dans les titres, violation de domicile, dommages à la propriété et vol d'usage. La peine a été suspendue en vue d'un internement au sens de l'art. 42 CP. Libéré une première fois le 3 juin 1967 après un internement de trois ans puis réintégré le 20 avril 1970 au pénitencier de Bellechasse à la suite d'une nouvelle condamnation à une année de prison pour vol, prononcée le 4 octobre 1968 par le Tribunal correctionnel de Lugano, il a été transféré le 10 novembre 1971 aux Etablissements de la Plaine de l'Orbe.
B.-
Le 8 mars 1972, Quirici a sollicité sa libération conditionnelle. Celle-ci lui a été refusée le 7 avril 1972 par le Conseil d'Etat du canton de Fribourg qui fait état du comportement par lequel le requérant a rendu nécessaire son transfert aux Etablissements de la Plaine de l'Orbe.
C.-
Contre cette décision, Quirici a déposé un recours de droit administratif au Tribunal fédéral. Il conclut à sa libération conditionnelle.
Le Ministère public du canton de Fribourg demande le rejet du recours; le Département fédéral de justice et police en propose l'admission.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Questions de procédure).
2.
Le recourant reproche à la décision attaquée d'être arbitraire et insuffisamment motivée. Il se plaint donc implicitement, mais de façon non équivoque, d'une violation de l'art. 35 al. 1 LPA.
De façon générale, le Tribunal fédéral considère l'absence de motifs comme un déni de justice formel, lorsqu'une disposition légale prescrit à l'autorité de motiver sa décision (cf. RO 28 I 11
;
43 I 28
;
53 I 111
;
62 I 146
;
93 I 120
et 702). Il a toutefois jugé que l'on ne saurait exiger des autorités administratives, qui doivent se montrer expéditives et qui sont appelées à prendre de nombreuses décisions, qu'elles les motivent de façon aussi développée qu'une autorité de recours; il suffit que les explications,
BGE 98 Ib 194 S. 196
bien que sommaires, permettent de saisir les éléments sur lesquels l'autorité s'est fondée (RO 96 I 608).
En l'occurrence, le Conseil d'Etat s'est limité, pour justifier son refus, à faire état du comportement du recourant au pénitencier de Bellechasse. Dans son mémoire du 9 mai 1972, le Ministère public relève que cette motivation devait être parfaitement claire pour l'intéressé; il se réfère à ce sujet au dossier administratif et notamment à la lettre du 18 octobre 1971 du directeur des Etablissements de Bellechasse au Département de justice et police du canton de Vaud.
Si la lecture du dossier administratif laisse apparaître que le recourant n'a pas toujours eu - et de loin - une attitude exemplaire, en particulier au Tessin, où il a été interné en premier lieu après sa réintégration et lors de séjours antérieurs à Bellechasse, on ne voit pas en quoi son comportement dans cet établissement, durant la période qui a précédé son transfert à Bochuz, justifierait sans plus la décision attaquée. En effet, dans la lettre précitée du 18 octobre 1971, le recourant est dépeint comme un psychopathe, certes, mais très appliqué, habile de ses mains, se montrant très utile et se faisant remarquer par ses lectures; trois congés lui ont été accordés sans qu'il en résulte de difficultés. En définitive, le seul grief consistant, quant au comportement, a trait aux démarches entreprises par le recourant - qui a entraîné avec lui d'autres détenus - auprès de journaux, de l'auditeur de la Confédération et même du Conseil fédéral, pour se plaindre de l'établissement.
Même abusives et dénuées de fondement, ces démarches ne peuvent être considérées à elles seules comme justifiant le refus de la libération conditionnelle. On ne saurait reprocher en effet à un détenu ou à un interné de tout tenter pour améliorer ses conditions d'existence, aussi longtemps qu'il n'use pas de moyens illicites. La décision attaquée est donc insuffisamment motivée et viole ainsi un droit de nature essentiellement formelle; partant, elle doit être annulée, sans que le recourant ait à justifier d'un intérêt (RO 92 I 188, 264 no 45
;
96 I 22
, 188).
3.
Quant à l'argument consistant à reprocher au recourant de ne pas invoquer de faits susceptibles de justifier sa libération conditionnelle, il ne résiste pas à l'examen. En effet, l'art. 42 ch. 4 al. 2 CP prescrit à l'autorité, lorsque les conditions de temps sont réunies, d'ordonner la libération conditionnelle "si l'internement ne paraît plus nécessaire". Il s'agit là d'une
BGE 98 Ib 194 S. 197
question d'appréciation que l'autorité doit examiner d'office, même si elle a la faculté de le faire avec la plus grande liberté. C'est donc à elle et non à l'interné qu'il incombe de mettre en lumière les éléments qui l'amèneront à prendre sa décision.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le recours, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. | public_law | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
af97d797-a403-4ef0-a576-264de1cbafeb | Urteilskopf
142 V 87
10. Estratto della sentenza della II Corte di diritto sociale nella causa A. contro Helsana Assicurazioni SA (ricorso in materia di diritto pubblico)
9C_268/2015 del 3 dicembre 2015 | Regeste
Art. 5 Abs. 1 und 3 KVG
;
Art. 90 KVV
;
Art. 24 Abs. 1 VVG
; Prämienbezug.
Für den Beginn und das Ende der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gilt der Grundsatz der Teilbarkeit der Monatsprämie (Änderung der Rechtsprechung; E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 142 V 87 S. 87
A.
B. è deceduta il 14 giugno 2014. Prima del decesso era affiliata per l'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie presso Helsana Assicurazioni SA (di seguito: Helsana). A., a nome e per conto degli eredi, che gli hanno ceduto le pretese relative al premio di cassa malati, ha chiesto a Helsana il rimborso
pro rata temporis
del premio LAMal per il periodo dal 15 al 30 giugno 2014, più interessi dal 15 giugno 2014. Con decisione del 12 settembre 2014, confermata con decisione su opposizione del 13 ottobre 2014, Helsana ha rifiutato il rimborso per il motivo che né la LAMal né le condizioni generali di assicurazione prevedono un pagamento in proporzione al periodo di assicurazione in caso di decesso della persona assicurata.
BGE 142 V 87 S. 88
B.
Adito su ricorso dell'interessato, il Tribunale cantonale delle assicurazioni del Cantone Ticino ha confermato con giudizio del 16 marzo 2015 la decisione su opposizione di Helsana.
C.
Il 23 aprile 2015 A. interpone un ricorso in materia di diritto pubblico al Tribunale federale contro il giudizio cantonale concludendo al suo annullamento e alla condanna di Helsana al pagamento di fr. 235.55, più interessi al 5 % dal 15 giugno 2014, corrispondenti al premio dovuto per il periodo dal 15 al 30 giugno 2014. A titolo sussidiario, l'insorgente chiede, previo annullamento del giudizio impugnato, il rinvio della causa al Tribunale cantonale per nuova decisione.
Nelle sue osservazioni del 29 maggio 2015 Helsana ha proposto di respingere il ricorso, mentre il Tribunale cantonale e l'Ufficio federale della sanità pubblica hanno rinunciato a prendere posizione.
Con lo scritto del 15 giugno 2015, il ricorrente ha reiterato le sue conclusioni.
D.
La II Corte di diritto sociale del Tribunale federale ha indetto una deliberazione pubblica alla presenza delle parti che si è tenuta il 3 dicembre 2015.
Il Tribunale federale ha parzialmente accolto il ricorso.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
Oggetto del contendere è la restituzione
pro rata temporis
del premio per l'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie relativo al periodo intercorso dopo la scomparsa di B. fino alla fine del mese della morte (dal 15 al 30 giugno 2014). L'insorgente postula inoltre, come già in sede cantonale, il versamento degli interessi compensativi per il premio non dovuto pari al 5 % e questo a partire dal 15 giugno 2014.
3.
3.1
Il Tribunale cantonale ha ritenuto che se è vero che l'assicurazione termina con la morte dell'assicurato, i suoi eredi non hanno diritto al rimborso dell'ultimo premio mensile. Il premio è infatti indivisibile e, visto che deve essere pagato in anticipo, non può essere rimborsato (neppure parzialmente) se il rapporto assicurativo si interrompe nel corso di un mese civile. Il Tribunale cantonale ha fondato la sua tesi sulla giurisprudenza del Tribunale federale (in particolare la sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006). Né la revisione della
BGE 142 V 87 S. 89
legge federale del 2 aprile 1908 sul contratto d'assicurazione (LCA; RS 221.229.1), intervenuta il 1° gennaio 2006, né la dottrina più recente (STÉPHANIE PERRENOUD, in Droit suisse de la sécurité sociale, vol. II, 2015, pag. 247 e seg. n. 434) possono giustificare il rimborso parziale del premio. Il Tribunale cantonale sottolinea come la maggior parte delle assicurazioni sociali sia fondata su un'unità di tempo mensile. Ad esempio, i sussidi cantonali per il pagamento dei premi LAMal sono calcolati sulla base di premi mensili, le rendite per la vecchiaia e superstiti e quelle dell'assicurazione per l'invalidità, in caso di decesso, sono versate fino alla fine del mese. Il pagamento dei contributi AVS/AI per i lavoratori indipendenti può essere riportato fino alla fine del mese civile anche se questi ultimi interrompono la loro attività nel corso del mese. La copertura dell'assicuratore infortuni termina 30 giorni dopo la cessazione del diritto al semisalario. Inoltre, il premio dell'assicurazione LAMal non è calcolato individualmente sulla base dei costi generati da ogni singola persona ma sulla base dei costi di tutti gli assicurati. Contrariamente alle assicurazioni complementari, il premio, determinato sulla base del principio di solidarietà, non può essere fissato in modo così individualizzato. Il Tribunale cantonale annota infine che anche le condizioni generali dell'assicurazione obbligatoria LAMal dell'opponente prevedono esplicitamente che, se il rapporto assicurativo termina nel corso di un mese, il premio mensile è dovuto interamente.
3.2
Il ricorrente fa valere che l'obbligo di pagare il premio deve cessare con la fine dell'assicurazione determinata dalla morte dell'assicurato. Un pagamento posteriore a questo periodo è contrario al principio della reciprocità (mutualità) nella misura in cui gli eredi sono tenuti a questo pagamento per prestazioni che comunque non possono più essere versate. La revisione della LCA del 1° gennaio 2006, il cui art. 24 può essere applicato nella fattispecie, ha appunto abolito l'indivisibilità dei premi assicurativi. Questa disposizione legale è determinante a scapito delle condizioni generali d'assicurazione dell'intimata. Per il ricorrente, il riferimento agli altri settori delle assicurazioni sociali non è pertinente poiché sia l'AVS che l'AI, su questo punto, possono contare su basi legali esplicite che fanno difetto nella LAMal. Inoltre, il riferimento all'assicurazione infortuni dimostra che il periodo di copertura assicurativa (di 30 giorni) può terminare nel corso di un mese civile e non per la fine del mese. Per quanto riguarda i sussidi per i premi LAMal, nulla impedisce ai cantoni di chiedere il rimborso dei sussidi versati in eccesso.
BGE 142 V 87 S. 90
3.3
Helsana propone di respingere il ricorso, in quanto la decisione di rifiutare il rimborso del premio si fonda sulle disposizioni legali e sulla giurisprudenza in materia.
4.
4.1
La copertura assicurativa comincia in linea di principio dall'acquisizione del domicilio o dalla nascita in Svizzera e termina quando l'assicurato cessa di essere soggetto all'obbligo d'assicurazione (
art. 5 cpv. 1 e 3 LAMal
). Tale è il caso quando insorge la morte o quando si lascia definitivamente la Svizzera. Dopo la fine del rapporto d'assicurazione non si ha più diritto alle prestazioni e quelle in corso sono interrotte senza formalità particolari (
DTF 125 V 106
consid. 3 pag. 110).
Secondo l'
art. 90 OAMal
(RS 832.102) i premi devono essere pagati in anticipo e di regola mensilmente.
4.2
Il Tribunale federale delle assicurazioni (TFA) ha avuto solo in un'occasione la possibilità di pronunciarsi su una fattispecie simile alla presente che riguardava tuttavia l'inizio del rapporto assicurativo. Nella sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 (pubblicata in RAMI 2006 n. KV 379 pag. 325 e in SVR 2007 KV n. 3 pag. 7) è stato esaminato il caso di un assicurato che era giunto in Svizzera il 22 ottobre 2002 e che era stato condannato a versare l'integralità del premio di cassa malati del mese di ottobre. Dopo avere ricordato, fondandosi sull'
art. 90 OAMal
, che il premio di cassa malati è di per sé indivisibile (consid. 3.1 della sentenza), il TFA ha evidenziato che ci si trova di fronte a una lacuna legislativa (consid. 4.1 della sentenza): carente una regolamentazione nel diritto delle assicurazioni sociali, il tema doveva di massima essere risolto secondo i principi del diritto civile, nella misura in cui essi fossero compatibili con quelli del diritto delle assicurazioni sociali (v. anche
DTF 119 V 16
consid. 2c e d pag. 19 con riferimenti; sentenze K 114/03 del 22 luglio 2005 consid. 5.1 e K 140/01 del 16 dicembre 2003 consid. 3.1). Il pagamento dell'integralità del premio di cassa malati poteva, nella fattispecie, essere imposto in quanto non solo il pagamento dei premi è fondato su periodi mensili (sentenza K 72/05 consid. 4.3.1 e 4.3.2, con riferimento all'art. 7 cpv. 1, 2 e
art. 5 LAMal
), ma anche perché il finanziamento delle casse malati richiede dati certi per prevedere le loro entrate, stilare i loro bilanci e calcolare i premi (futuri) di cassa malati a carico dei loro assicurati. L'obbligo di restituire una parte del premio mensile costituirebbe una complicazione amministrativa e una difficoltà in più per calcolare i premi annuali di cassa malati.
BGE 142 V 87 S. 91
L'indivisibilità del premio costituisce una particolarità dell'assicurazione malattie che deve essere salvaguardata, in ogni caso per quanto riguarda l'inizio del periodo d'assicurazione. Queste considerazioni giustificavano di discostarsi dalla regolamentazione in materia di contratto di assicurazione che permette di riscuotere il premio solo con l'inizio del rapporto di assicurazione (sentenza K 72/05 consid. 4.4).
Citando lunghi estratti della sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006, e partendo dal presupposto che il tema in esame è lo stesso se si tratta dell'inizio del rapporto assicurativo o della sua fine, visto il concetto d'indivisibilità del premio, il Tribunale cantonale ha confermato la soluzione imposta dal TFA.
5.
5.1
Con riferimento al postulato della sicurezza del diritto, un cambiamento di giurisprudenza può essere attuato in linea di principio se si fonda su motivi seri e oggettivi, quali la conoscenza più esatta delle intenzioni del legislatore, la modifica delle circostanze esterne, l'evoluzione dei costumi o un cambiamento della concezione giuridica. Secondo la giurisprudenza vi deve essere un cambiamento di prassi quando la stessa si sia rivelata erronea o quando la sua precisazione sia stata ritenuta opportuna a causa dei mutati rapporti o quando la sua applicazione abbia condotto a ripetuti abusi (
DTF 133 V 37
consid. 5.3.3 pag. 39;
DTF 132 III 770
consid. 4 pag. 777). Questi criteri sono da interpretare più severamente se la prassi amministrativa è consolidata da molto tempo. L'autorità amministrativa competente non può tuttavia avvalersi di un diritto alla prosecuzione della sua prassi se si dovesse avverare che è contraria al diritto o non è più adeguata (
DTF 125 II 152
consid. 4c/aa pag. 162 seg.).
5.2
Nella fattispecie le condizioni per un cambiamento di giurisprudenza sono adempiute. In effetti, occorre constatare che la sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 si basa su fondamenti oramai superati.
5.2.1
In primo luogo va osservato che il 1° gennaio 2006 è entrato in vigore il nuovo
art. 24 LCA
che consacra il principio della divisibilità del premio nell'ambito delle assicurazioni di diritto privato. Ai sensi di questa disposizione, se il contratto d'assicurazione è sciolto o si estingue prima della scadenza, il premio è dovuto soltanto sino al momento dello scioglimento del contratto (è fatto salvo l'
art. 42 cpv. 3 LCA
che non è pertinente per la presente procedura). L'
art. 24 LCA
è di natura imperativa (
art. 97 cpv. 1 LCA
, v. anche ANDREA
BGE 142 V 87 S. 92
EISNER-KIEFER, in Basler Kommentar, Versicherungsvertragsgesetz, Nachführungsband, n. 1 ad
art. 24 LCA
). La sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 riguardava un premio relativo al mese di ottobre 2002, quindi anteriore all'entrata in vigore della revisione dell'
art. 24 LCA
. È vero che in questa sentenza la (nuova) disposizione del diritto dell'assicurazione privata è stata considerata. Tuttavia nella stessa il rischio dell'impossibilità, o perlomeno della difficoltà ulteriore, di un calcolo esatto dei premi, nel caso in cui si considerassero le molteplici caratteristiche del rapporto assicurativo, era stato valutato come peculiarità giuridica specifica del diritto della LAMal (sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 consid. 4.4). Questa concezione non è più giustificata, perché il calcolo dei premi anche nel diritto delle assicurazioni private si fonda sullo sviluppo ipotetico di entrate e uscite e pertanto non si giustifica una distinzione tra le due assicurazioni (v. STEPHAN FUHRER, Anmerkungen zu privatversicherungsrechtlichen Entscheiden des Bundesgerichts, in HAVE/REAS 4/2006, n. 3 pag. 359 seg.).
5.2.2
In secondo luogo diversamente dagli altri settori delle assicurazioni sociali, nel diritto dell'assicurazione malattia è dovuto un premio e non un contributo. Il premio è il prezzo per la copertura assicurativa attuale e corrisponde al periodo entrante in linea di conto, ossia quello assicurato (v. consid. 4.1). Tra il premio e la copertura assicurativa vi è un nesso diretto. L'
art. 90 OAMal
concerne il pagamento dei premi. Secondo il tenore della disposizione è disciplinata unicamente
la modalità di pagamento
: i premi devono essere pagati
in anticipo
e di regola
mensilmente
. Occorre distinguere tra modalità di pagamento e copertura assicurativa. Nella sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 tale differenziazione non è stata correttamente operata, entrambi gli aspetti essendo stati confusi.
5.2.3
In terzo luogo l'
art. 7 LAMal
, il quale disciplina il cambiamento d'assicuratore (di regola per la fine di un mese), si applica
durante
la copertura assicurativa (obbligatoria). Nel caso concreto non si tratta però della continuazione di un rapporto assicurativo ma della conclusione definitiva dell'assoggettamento all'obbligo dell'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie. L'
art. 7 LAMal
- diversamente da quanto la sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 indurrebbe a credere - non può pertanto essere norma di riferimento per la questione della determinazione temporale del premio.
Lo stesso si può dire del rinvio operato dal Tribunale cantonale alle altre disposizioni delle assicurazioni sociali, nelle quali si fa
BGE 142 V 87 S. 93
riferimento a un'unità mensile (v. consid. 3.1). Se è vero che tali normative si richiamano spesso alla nozione di mese, questo avviene sempre in un contesto diverso da quello del caso di specie (v. consid. 5.2.2 all'inizio). In particolare sono da tenere distinti gli aspetti riferiti alle prestazioni e quelli riferiti ai contributi. Del resto anche negli altri settori delle assicurazioni sociali non sono dovuti contributi dopo la morte.
5.2.4
Infine nell'assicurazione malattia obbligatoria vige il principio della mutualità (
art. 13 cpv. 2 lett. a LAMal
), secondo cui vi deve essere equivalenza tra premi e prestazioni d'assicurazione (
DTF 120 V 312
consid. 4b pag. 318). In altre parole, fra i premi versati e le prestazioni assicurative vi deve essere una certa reciprocità (v. GEBHARD EUGSTER, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum KVG, 2010, n. 2 ad
art. 13 LAMal
). Ora, visto che l'assicurazione termina con il decesso (v. consid. 4.1), il premio versato fino alla fine del mese in cui lo stesso è avvenuto non corrisponde ad alcuna prestazione assicurativa. Pur non essendo un nuovo aspetto se riferito alla sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 (v. consid. 4.2), nel caso di specie costituisce comunque un ulteriore elemento nella valutazione d'assieme.
5.3
Alla luce di queste considerazioni, si deve ritenere che la prassi instaurata con la sentenza K 72/05 del 14 agosto 2006 non può più essere mantenuta. Il premio di cassa malati non essendo indivisibile, in caso di decesso della persona assicurata (o per altri motivi come la partenza per l'estero) gli assicuratori malattia sono tenuti a rimborsare il premio pagato (anticipatamente) corrispondente al periodo successivo al decesso. Di conseguenza la parte di premio qui controversa è da restituire.
Nella misura in cui le condizioni generali d'assicurazione di Helsana escludono il principio di divisibilità del premio, va pure rilevato che l'assicuratore malattia nell'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie può disciplinare autonomamente nella sua regolamentazione interna o nei suoi statuti solo quegli aspetti su cui la LAMal gli conferisce esplicitamente tale competenza (
DTF 124 V 356
consid. 2d pag. 359). Orbene, tale non risulta essere il caso per la questione della divisibilità del premio di cassa malati (v. consid. 4.1). (...) | null | nan | it | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
af97fda8-408d-409a-bc1b-ad863875788d | Urteilskopf
114 III 1
1. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20. Februar 1988 i.S. Ramedo AG (Rekurs) | Regeste
Organisation der Konkursämter (
Art. 1 ff. SchKG
).
Es lässt sich von Bundesrechts wegen nicht beanstanden, dass das Konkursamt von Luzern-Land und jenes von Luzern-Stadt am gleichen Amtssitz vereinigt sind und dass beiden Ämtern derselbe Konkursbeamte vorsteht. Diese Anordnung fällt in die den Kantonen belassene Kompetenz, die Organisation der Konkursämter und deren personelle Besetzung grundsätzlich selber zu bestimmen. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 114 III 1 S. 1
A.-
Mit Dekret vom 16. Juni 1987 eröffnete der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land über Gabriella K., die eine Insolvenzerklärung abgegeben hatte, den Konkurs und ordnete das summarische Verfahren an. Kurz zuvor, am 5. Juni 1987, hatte sich die Konkursitin verheiratet, wobei noch vor Eheschluss der Güterstand der Gütertrennung vereinbart worden war. Anlässlich der Inventaraufnahme in der ehemaligen Wohnung der Konkursitin beschlagnahmte das Konkursamt Luzern-Land sieben Bilder.
B.-
Mit Beschwerde vom 27. August 1987 wandte sich die Ramedo AG, Glarus, die sich als Eigentümerin der beschlagnahmten Bilder bezeichnete, an die untere kantonale Aufsichtsbehörde
BGE 114 III 1 S. 2
im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen. Sie verlangte die Rückschaffung dieser Bilder oder, sofern das Konkursamt auf deren Admassierung bestehen sollte, dass die Bilder mittels Vindikationsklage zur Konkursmasse zu ziehen seien. Der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land wies die Beschwerde am 8. Oktober 1987 ab.
C.-
Die Ramedo AG zog die Sache an die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern weiter. Mit einem gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren zusätzlichen Antrag begehrte sie, "das Konkursamt Luzern-Land im Konkurskreis Luzern-Stadt sei als unzuständig für die Durchführung des Konkurses der Gabriella K. zu erklären". Der Beschwerdeweiterzug wurde mit Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde vom 31. Dezember 1987 abgewiesen.
Hiegegen rekurrierte die Ramedo AG an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
b) Die Rekurrentin beschränkt sich in ihrer dem Bundesgericht eingereichten Rekursschrift darauf, die Zuständigkeit des Konkursamtes Luzern-Land für die Durchführung des Konkurses über die in Gisikon wohnhafte Gabriella K. zu bestreiten. Sie stösst sich daran, dass das Konkursamt Luzern-Land seinen Amtssitz an der gleichen Adresse hat wie das Konkursamt Luzern-Stadt und dass die beiden Konkursämter überdies in Personalunion geleitet werden.
Zur Begründung ihrer Auffassung führt die Rekurrentin im wesentlichen aus, aus
Art. 1 ff. SchKG
folge von Bundesrechts wegen "eine klare, territoriale Gliederung der Zuständigkeit der Betreibungs- und Konkursämter in dem Sinne, dass jeder Betreibungskreis sein Betreibungsamt und jeder Konkurskreis sein Konkursamt haben und dass jedes Amt innerhalb seines Kreises gelegen sein muss". Es sei nicht zulässig, die Aufgaben der Ämter verschiedener Konkurskreise der nämlichen Amtsstelle zu übertragen.
Art. 3 SchKG
setze voraus, dass das Konkursamt eines jeden Konkurskreises im betreffenden Konkurskreis seinen Amtssitz habe. Die Tatsache, dass im Gerichtskreis Luzern-Land kein Konkursamt liege, verstosse gegen Bundesrecht.
§ 33 des Gesetzes über die Gerichtsorganisation und die Zivilprozessordnung des Kantons Luzern, der vorsieht, dass der gleiche
BGE 114 III 1 S. 3
Konkursbeamte für mehrere Kreise gewählt werden kann, verstösst nach der Meinung der Rekurrentin gegen
Art. 3 und 4 SchKG
. Ebenso verletzt "die Annahme, dass das im Konkurskreis Luzern-Stadt gelegene Konkursamt Luzern-Land auf dieser kantonalrechtlichen Grundlage ohne Rechtshilfebegehren im Konkurskreis Luzern-Land wirken dürfe", nach ihrem Dafürhalten gegen
Art. 221 Abs. 2 SchKG
.
2.
Die Auffassung der Rekurrentin vermag sich weder auf das Gesetz noch auf die Rechtsprechung zu stützen. In der Literatur lässt sich, soweit ersichtlich, keine unmittelbare Antwort auf die Frage finden, ob die Konkursämter mehrerer Konkurskreise an demselben Amtssitz zusammengelegt werden dürfen und ob es überdies zulässig ist, dass derselbe Konkursbeamte Vorsteher über mehr als ein Konkursamt ist.
a) Auszugehen ist bei der Beantwortung der aufgeworfenen Frage davon, dass die Behördenorganisation in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Sache der Kantone ist und dass das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs nur in einzelnen organisatorischen Belangen zwecks einheitlicher Anwendung des Bundesrechts den Charakter eines Rahmengesetzes hat (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Auflage Bern 1983, § 4 Rz. 2).
Rahmenbedingungen setzen im vorliegenden Fall die Art. 1 und insbesondere
Art. 3 SchKG
, der vorschreibt, dass in jedem Konkurskreis ein Konkursamt bestehe, jedoch dessen Organisation als Sache der Kantone bezeichnet, In keiner Weise lässt sich aus
Art. 3 SchKG
herauslesen, "dass jedes Amt innerhalb seines Kreises gelegen sein muss", wie die Rekurrentin behauptet. Das lässt sich auch nicht den von der Rekurrentin angerufenen Literaturstellen (AMONN, a.a.O., § 4 Rz. 3 und 9; BÜCHI/MEIER/BOSSHARD, Grundzüge des schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, I. Band, 2. Auflage Zürich 1981, S. 18) entnehmen. Richtig ist vielmehr, dass die kantonalen Einführungsgesetze die Einteilung des Kantonsgebietes in Betreibungs- und Konkurskreise, die Art und Weise der Besetzung der Ämter sowie deren Einrichtung regeln (BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Bern 1911, S. 34). Dazu gehört die Kompetenz der Kantone, den Amtssitz der Konkursämter zu bestimmen, also auch vorzusehen, dass mehr als ein Konkursamt an ein und demselben Amtssitz geführt wird. Sofern die bundesrechtskonforme Durchführung der Konkursverfahren dadurch nicht beeinträchtigt
BGE 114 III 1 S. 4
wird, ist auch nicht einzusehen, weshalb es den Kantonen verwehrt sein sollte, demselben Amtsinhaber die Leitung mehr als eines Konkursamtes zu übertragen. Aus den bundesrechtlichen Vorschriften lässt sich nur ableiten, dass dem Konkursbeamten gleich wie dem Betreibungsbeamten ein Stellvertreter beizuordnen ist (
Art. 6 Abs. 1 KOV
; GILLIERON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1985, S. 43).
Gemäss
Art. 4 SchKG
können Verrichtungen des Betreibungs- und des Konkursamtes der nämlichen Amtsstelle übertragen werden. Daraus lässt sich nicht - was offenbar die Meinung der Rekurrentin ist - der Umkehrschluss ziehen, es dürften nicht zwei Konkursämter am gleichen Amtssitz zusammengezogen werden. Wenn schon die Kumulation des Konkursamtes mit dem Betreibungsamt und weiteren Amtsstellen (Notariat, Bezirksgerichtsschreiberei u.ä.; BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 39) als zulässig erachtet wird, so kann es auch nicht untersagt sein, zwei Konkursämter an einem Amtssitz zusammenzufassen, ja deren Führung einem einzigen Konkursbeamten zu übertragen.
Es kann schliesslich auch keine Rede von einer Verletzung von
Art. 221 Abs. 2 SchKG
sein, wonach das Konkursamt eines andern Konkurskreises mitzuwirken hat, wenn sich dort Vermögensstücke des Konkursiten befinden. Diese Vorschrift berührt weder die Frage des Amtssitzes eines Konkursamtes noch jene der Personalunion.
b) Es haben denn auch - wie dem Verzeichnis der schweizerischen Betreibungs- und Konkurskreise (im Druck befindliche Ausgabe 1987) zu entnehmen ist - neben Luzern einzelne Kantone von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Amtssitze von mehr als einem Konkursamt örtlich zusammenzulegen: Das Konkursamt von Oberwinterthur-Winterthur und jenes von Wülflingen-Winterthur befinden sich an derselben Adresse in Winterthur. In Obwalden ist der Amtssitz des Konkursamtes Engelberg von Engelberg nach Sarnen verlegt worden, wo sich auch das Konkursamt für die sechs Gemeinden des alten Landes befindet. Im Kanton Solothurn, wo die Konkursämter mit den Amtsschreibereien verbunden sind, sind die Konkursämter Solothurn, Lebern und Bucheggberg, die je ihren eigenen Vorsteher haben, im Amtshaus 2 in Solothurn untergebracht (Solothurner Jahrbuch 88, S. 91, 177). Der Kanton Aargau hat den Konkursämtern der Bezirke Aargau, Kulm und Zofingen den Amtssitz in Oberentfelden zugewiesen, die Konkursämter Baden und Bremgarten sind in Baden untergebracht,
BGE 114 III 1 S. 5
und die Konkursämter der Bezirke Brugg, Laufenburg, Muri, Rheinfelden und Zurzach befinden sich in Brugg; für diese fünf Konkursämter sind zwei Konkursbeamte gewählt worden (Staatskalender des Kantons Aargau 1984/1985, S. 120 f.). Lugano schliesslich ist in zwei Konkurskreise eingeteilt, die beide ihren Amtssitz an der gleichen Adresse in Lugano haben.
Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend ausgeführt wird, hat sich die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts nie veranlasst gesehen, diese organisatorischen Vorkehren zu beanstanden. Sie fallen in die den Kantonen belassene Kompetenz, die Organisation der Konkursämter und deren personelle Besetzung grundsätzlich selber zu bestimmen. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
afa39f54-ebb4-4184-a9cc-15382b840502 | Urteilskopf
137 III 138
24. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause X. en sursis concordataire contre Y. (recours en matière civile)
5A_322/2010 du 3 février 2011 | Regeste
Art. 175 IPRG
; Anerkennung einer im Ausland bewilligten Nachlassstundung.
Der ausländische Entscheid, der einer Nachlassstundung entspricht, ist anerkennungsfähig (E. 2.1); Wirkungen der Anerkennung auf die zur Arrestprosequierung erhobene Betreibung (E. 2.2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 138
BGE 137 III 138 S. 138
A.
Le 29 août 2007, Y. a introduit devant la Cour suprême de l'Etat de New York une action en paiement contre X., société de droit brésilien ayant son siège à Sao Paulo.
Le 19 octobre 2007, Y. a obtenu le séquestre, à concurrence de 20'090'891 fr. 21 plus intérêts à 2 % dès le 29 septembre 2006, des avoirs de X. en mains de la succursale genevoise de Z. Cette ordonnance a été exécutée le même jour par l'Office des poursuites de Genève.
BGE 137 III 138 S. 139
Le 16 novembre 2007, l'Office a enregistré une réquisition de poursuite de Y. contre X. en paiement de 20'090'891 fr. 20 plus intérêts à 5 % l'an dès le 29 septembre 2006. Le commandement de payer a été notifié à X. le 4 décembre 2007 et frappé d'opposition totale. L'exemplaire destiné au créancier a été retourné à Y. le 7 décembre 2007.
Le 25 novembre 2008, la Cour suprême de l'Etat de New York a condamné X. à payer à Y. la somme de 17'167'300 US dollars.
Par jugement du 2 février 2009, le Tribunal de première instance de Genève a déclaré exécutoire ce jugement et prononcé la mainlevée définitive à concurrence de 20'090'891 fr. 20; cette décision est devenue définitive et exécutoire.
Le 11 février 2009, Y. a requis la continuation de la poursuite en validation de séquestre.
L'Office des poursuites de Genève a procédé à la conversion du séquestre en saisie définitive et communiqué le procès-verbal de saisie n° x le 4 janvier 2010.
B.
Par jugement du 13 mars 2009 (entré en force), le Tribunal de justice de Sao Paulo a ordonné le redressement judiciaire de X., assorti de plusieurs mesures.
Les créanciers se sont réunis en assemblée les 4, 11 et 23 septembre 2009 et n'ont pas approuvé le plan de redressement judiciaire qui leur était soumis. Par décision du 5 octobre suivant, le Tribunal de justice de Sao Paulo a néanmoins imposé un redressement judiciaire à X. ("cram down"), notamment pour le motif que Y., créancière quasi majoritaire, avait pour objectif de recouvrer l'entier de ses créances, au détriment des autres créanciers et de l'assainissement de l'entreprise; cette décision fait l'objet d'un appel de Y., la Cour d'appel de l'Etat de Sao Paulo ayant accordé l'effet suspensif le 26 octobre 2009.
Le 6 juillet 2009, X. a requis la reconnaissance et l'
exequatur
du jugement brésilien du 13 mars 2009. Par jugement du 27 octobre 2009, le Tribunal de première instance de Genève a accueilli la requête. Saisie d'un appel de Y., la Cour de justice du canton de Genève a, le 4 février 2010, réformé partiellement cette décision, en ce sens qu'elle n'a reconnu et déclaré exécutoire le jugement brésilien que pour la période du 13 mars au 11 septembre 2009. Le 7 juillet 2010, le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile de X., annulé
BGE 137 III 138 S. 140
l'arrêt entrepris et renvoyé la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision dans le sens des considérants; en bref, il a jugé que, en considérant que la durée du sursis concordataire avait pris fin le 11 septembre 2009, la juridiction cantonale avait violé l'
art. 16 al. 1 LDIP
(arrêt 5A_193/2010).
C.
Le 15 janvier 2010, X. a porté plainte contre le procès-verbal de saisie; elle a conclu à son annulation, subsidiairement à la suspension de la saisie fondée sur cette poursuite jusqu'à droit connu sur l'
exequatur
du jugement du Tribunal de justice de Sao Paulo du 13 mars 2009.
Statuant le 15 avril 2010, la Commission de surveillance des offices des poursuites et des faillites du canton de Genève a rejeté la plainte.
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile formé par X. et réformé la décision attaquée en ce sens que les opérations de la poursuite sont suspendues jusqu'à droit connu sur la reconnaissance du jugement brésilien du 13 mars 2009.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.1
Aux termes de l'
art. 175 LDIP
(RS 291), un concordat ou une procédure analogue homologué par une juridiction étrangère est reconnu en Suisse, les art. 166 à 170 de cette loi étant applicables par analogie. La Cour de céans a jugé que, en dépit du terme "homologué", une procédure concordataire étrangère peut être reconnue dès qu'elle a été ouverte par l'autorité compétente, c'est-à-dire "déjà au stade de la suspension des poursuites", en sorte qu'une décision qui correspond à un sursis concordataire est susceptible de reconnaissance (arrêt 5P.189/1996 du 19 septembre 1996 consid. 3b, in SJ 1997 p. 101 ss, 104); la doctrine largement majoritaire approuve cet avis (BOPP, in Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2
e
éd. 2007, n° 3 ad
art. 175 LDIP
; BREITENSTEIN, Internationales Insolvenzrecht der Schweiz und der Vereinigten Staaten, 1990, n
os
235 et 339; DALLÈVES, Faillites internationales, FJS n° 987 [1991] p. 15; HEINI, Deutsches Insolvenz-[Vergleichs]verfahren - Vermögen in der Schweiz, in Freundesgabe für Wulf H. Döser, 1999, p. 617 s.; KAUFMANN-KOHLER/SCHÖLL, in Commentaire romand, Poursuite et faillite [Chapitre 11 LDIP], 2005, n
os
9 ss ad
art. 175 LDIP
; LEMBO/JEANNERET, La reconnaissance d'une faillite étrangère [art. 166 et ssLDIP]: état des lieux et considérations pratiques, SJ 2002 II p. 252
BGE 137 III 138 S. 141
in fine; MARCHAND, Les règles du droit suisse de la faillite internationale à l'heure des faillites européennes, in Mélanges Knoepfler, 2005, p. 126; ROBERT-TISSOT, Les effets du concordat sur les obligations, 2010, n° 511; DANIEL STAEHELIN, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz, 1989, p. 179; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 2
e
éd., 2010, § 13 n° 87 p. 430; ZILTENER/SPÄTH, Die Anerkennung ausländischer Konkurse in der Praxis des Bezirksgerichts Zürich, ZZZ 2005 p. 63; contra: arrêt de l'Obergericht du canton de Bâle-Campagne, in RSJ 87/1991 p. 359 n° 5; COMETTA, Assistenza giudiziaria internazionale in materia esecutiva - Fallimento e concordato internazionali, 1998, p. 227; VOLLMAR, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2
e
éd. 2010, n° 15 ad
art. 293 LP
; peu clair: VOLKEN, in Zürcher Kommentar zum IPRG, 2
e
éd. 2004, n
os
18 et 22 ad
art. 175 LDIP
). Cette solution rejoint les intentions de la commission d'experts, qui estimait que "la décision relative au sursis concordataire doit aussi pouvoir faire l'objet d'une reconnaissance au lieu où se trouvent les biens" (VISCHER/VOLKEN, Loi fédérale sur le droit international privé[Loi de d.i.p.] - Projet de loi dela commission d'experts et Rapport explicatif, in Études suisses de droit international, vol. 12, 1978, p. 357).
2.2
Comme l'a rappelé la Cour de céans dans une précédente affaire opposant les parties (5A_490/2009 du 13 novembre 2009 consid. 2), l'ouverture d'une procédure concordataire à l'étranger ne produit aucun effet en Suisse avant sa reconnaissance, en sorte qu'elle ne fait pas obstacle à la procédure en validation d'un séquestre. Contrairement à ce qu'affirme la recourante, la reconnaissance d'un sursis concordataire octroyé à l'étranger ne saurait emporter "de plein droit l'ouverture d'une faillite ancillaire en Suisse". La reconnaissance d'une pareille décision entraîne, en particulier - c'est l'effet recherché ici -, la suspension des poursuites en Suisse en vertu de l'
art. 297 al. 1 LP
(cf. SJ 1997 p. 104; DALLÈVES, op. cit., p. 16). Le Tribunal fédéral a jugé que l'ouverture d'un "mini-concordat" en Suisse, avec la nomination d'un commissaire, ne se justifie pas lorsqu'aucun créancier privilégié ne s'est annoncé (arrêt 5A_267/2007 du 30 septembre 2008 consid. 5.3, in BlSchK 2009 p.169 ss, 178). D'après la doctrine, la reconnaissance d'un concordat homologué à l'étranger aboutit à l'ouverture d'une procédure ancillaire de concordat, soumise aux
art. 317 ss LP
(par renvoi de l'
art. 170 al. 1 LDIP
), dans l'hypothèse où le débiteur abandonne aux créanciers ses biens localisés en Suisse (cf. notamment: BOPP, ibid., n° 41; DALLÈVES, op.
BGE 137 III 138 S. 142
cit., p. 17; BAUER/HARI/JEANNERET/WÜTHRICH, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2
e
éd. 2010, n
os
29 ss ad art. 317 et n° 28 ad
art. 322 LP
, avec d'autres citations). Or, dans le cas présent, le jugement soumis à reconnaissance est assimilable à un sursis concordataire, et non à un concordat homologué; de surcroît, le type de concordat proposé par la débitrice ne ressort pas des faits constatés par l'autorité cantonale.
3.
En l'espèce, l'autorité précédente a confirmé la décision de l'Office de convertir le séquestre en saisie définitive, puisqu'il n'existait en l'état aucun "concordat homologué au Brésil", ni de "décision reconnue et déclarée exécutable en Suisse à ce sujet", et que cette mesure avait été prise "hors la période de sursis concordataire".
3.1
C'est avec raison que l'autorité précédente est partie du principe que la limite temporelle des effets d'un sursis concordataire octroyé à l'étranger est régie par le droit étranger (BREITENSTEIN, op. cit., n° 349; BOPP, Sanierung im internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, 2004, p. 276).
A ce propos, le Tribunal de première instance de Genève a reconnu et déclaré exécutoire en Suisse le 29 octobre 2009 le jugement rendu le 13 mars 2009 par le Tribunal de Sao Paulo; il a considéré que les avis de droit produits par l'opposante ne rendaient pas "vraisemblable la caducité concrète de la suspension des poursuites à l'encontre de la requérante au Brésil au 11 septembre 2009", en sorte qu'il fallait admettre "que la procédure de sursis concordataire brésilienne n'est pas encore clôturée (recte: close)". Le 4 février 2010, la Cour de justice du canton de Genève a confirmé cette décision dans son principe, mais uniquement pour la période du "13 mars au 11 septembre 2009". La Cour de céans a annulé cet arrêt le 7 juillet suivant pour violation de l'
art. 16 al. 1 LDIP
; elle a jugé que l'autorité cantonale ne pouvait pas s'en remettre à la "détermination concordante" des parties quant à la durée, selon le droit brésilien, du sursis octroyé par le Tribunal de Sao Paulo; aussi, lui a-t-elle renvoyé la cause aux fins d'établir le contenu du droit brésilien (arrêt 5A_193/2010 consid. 2.4).
3.2
Il résulte de ce qui précède que, lorsque l'Office a pris la mesure contestée, à savoir le 4 janvier 2010, la situation juridique des parties était réglée par une décision qui avait reconnu - sans limitation dans le temps - un sursis concordataire concédé à l'étranger et, partant, entraîné la suspension des poursuites contre la recourante en Suisse (supra, consid. 2.2), ce qui faisait obstacle à la conversion
BGE 137 III 138 S. 143
du séquestre en saisie définitive (cf. GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. IV, 2003, n° 14 ad
art. 297 LP
); à cet égard, peu importe que l'office n'ait pas eu connaissance de cette décision (cf.
ATF 41 III 401
; cf. pour l'
art. 206 al. 1 LP
:
ATF 93 III 55
consid. 2). Certes, celle-ci n'était pas encore définitive, l'intimée l'ayant frappée d'appel le 10 novembre 2009; mais il n'en demeure pas moins que la question des effets temporels du sursis concordataire n'était pas encore résolue à ce moment-là; d'ailleurs, elle ne l'est toujours pas. Il est dès lors erroné d'affirmer que la conversion du séquestre en saisie serait intervenue "hors la période de sursis concordataire". Cela étant, il s'imposait de différer la décision à prendre et les opérations liées à la réquisition de l'intimée jusqu'à droit connu sur la reconnaissance du sursis concordataire brésilien, comme le demande à titre subsidiaire la recourante. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
afa47350-2a5a-4e3c-a3b6-f2260c82b555 | Urteilskopf
93 IV 29
9. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 17 mars 1967 dans la cause Mathey contre Ministère public du canton de Vaud. | Regeste
Art. 15 Abs. 2 und 32 Abs. 1 SVG.
Mit welcher Geschwindigkeit darf der Begleiter seinen Fahrschüler auf der Autobahn fahren lassen? | Sachverhalt
ab Seite 29
BGE 93 IV 29 S. 29
A.-
Mathey enseigne professionnellement la conduite des véhicules automobiles. Le 30 mai 1966, il enjoignit à un élèveconducteur de s'engager sur l'autoroute de Lausanne à Genève et de circuler rapidement. Par deux fois - à l'aller et au retour - un gendarme constata que l'élève conduisait soit à 140 km/h, soit à une vitesse approchante. La circulation était intense ce jour-là, qui était le lundi de la Pentecôte.
Le gendarme qui avait constaté ces faits dénonça Mathey pour contravention à l'art. 15 al. 2 LCR, selon lequel la personne accompagnant un élève doit veiller à ce que la course s'effectue en toute sécurité et que l'élève ne contrevienne pas aux prescriptions sur la circulation. Il estimait en effet que l'élève avait circulé à une vitesse excessive (art. 32 al. 1 LCR) et avait en outre violé l'art. 27 al. 4 OCR selon lequel les élèves conducteurs n'emprunteront des chaussées fortement fréquentées que s'ils ont une formation suffisante et des autoroutes que s'ils sont prêts à passer l'examen de conduite.
Le 20 juin 1966, le Préfet du district de Rolle condamna Mathey à 50 fr. d'amende pour avoir autorisé son élèveconducteur à circuler sur l'autoroute, un jour où la circulation était dense, à une vitesse qui n'était pas adaptée aux conditions de la circulation (art. 15 al. 2 LCR).
Statuant, le 3 novembre 1966, sur une opposition formée par Mathey, le Tribunal de simple police du district de Rolle le
BGE 93 IV 29 S. 30
condamna à 50 fr. d'amende, considérant que l'on ne saurait reprocher à l'inculpé d'avoir fait circuler son élève sur l'autoroute; qu'en revanche, il était contraire à la sécurité requise par l'art. 15 al. 2 LCR de le faire rouler à 140 km/h.
Mathey déféra ce jugement à la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois, laquelle, le 19 décembre 1966, rejeta le recours par des motifs qui concordent avec ceux du juge de première instance.
B.-
Mathey s'est pourvu en nullité. Il conclut à libération.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'art. 15 al. 2 LCR oblige la personne qui accompagne l'élève-conducteur (al. 1) à veiller à ce que la course s'effectue en toute sécurité et que l'élève ne contrevienne pas aux prescriptions sur la circulation. L'autorité cantonale n'a pas reproché à Mathey d'avoir engagé son élève à circuler sur une autoroute alors que l'art. 27 al. 4 OCR le lui aurait interdit. Elle a en revanche retenu qu'il l'a fait circuler à une vitesse qui n'était pas adaptée à l'expérience d'un débutant, vu surtout la densité de la circulation ce jour-là (art. 32 al. 1 LCR) et qu'il avait par conséquent manqué aux devoirs que l'art. 15 al. 2 LCR lui imposait.
2.
Dès lors que l'élève-conducteur remplit les conditions Iégales qui lui donnent accès aux autoroutes (art. 27 al. 4 OCR), l'entraînement qu'il a déjà subi lui permet de conduire à une vitesse relativement élevée et, à cette vitesse, de manoeuvrer sûrement sans perdre son sang-froid s'il su vient une difficulté inattendue. Les habitudes qu'il a prises le mettront à même de s'adapter aux conditions spéciales de la circulation sur l'autoroute et d'appliquer les règles particulières qu'il faut y observer. Il appartiendra à la personne qui l'accompagne de juger sous sa propre responsabilité ce qu'il peut et doit faire tout d'abord; elle graduera les difficultés selon sa connaissance des dispositions et des capacités de l'élève. Mais elle ne saurait aller jusqu'à lui faire adopter une vitesse qui, même si elle est en principe licite, dépasse manifestement les capacités d'un conducteur novice. Sans doute l'élève est-il censé prêt à passer son examen pratique pour l'obtention du permis de conduire et, cette épreuve passée avec succès, pourra-t-il en pratique circuler impunément à une telle vitesse aussi longtemps qu'il ne cause aucun trouble. Mais il ne s'ensuit pas que cette vitesse soit, pour lui, licite; s'il va au-delà de ses capacités, il sera punissable de par les art. 31 al. 1
BGE 93 IV 29 S. 31
et 32 al. 1 LCR. La personne qui accompagne obligatoirement l'élève doit précisément veiller à ce qu'il n'outrepasse jamais les limites que doit s'imposer un conducteur novice, fût-il exceptionnellement doué, et prenne conscience de ce devoir fondamental.
Pour habituer l'élève aux vitesses usuelles sur les autoroutes, il suffira tout d'abord de le faire circuler aux vitesses "conseillées" et qu'indiquent des signaux (ordonnances des 23 mars 1965 et 8 juillet 1966). Pour l'autoroute Lausanne-Genève, sur les parcours où le contrôle a eu lieu, cette vitesse était de 80 à 120 km/h. Point n'est besoin de juger, en l'espèce, si l'élèveconducteur peut aller au-delà et jusqu'à quelle limite. Même si cette question appelait l'affirmative, il ne pourrait s'agir que d'exercices sur des parcours limités, où les conditions sont particulièrement favorables. Car, à 120 km/h déjà, toute inattention toute brusquerie dans les manoeuvres et même toute hésitation peuvent avoir des conséquences mortelles; de plus, il subsiste nécessairement un certain degré d'incertitude sur les réactions d'un élève; aussi la personne qui l'accompagne, si elle en assume les risques, doit-elle les limiter raisonnablement.
On pouvait déjà se demander, en l'espèce, si la densité de la circulation permettait encore au moniteur de faire exercer une vitesse de 140 km/h. Dans l'affirmative, en tout cas, l'exercice, s'il se répétait, ne devait pas se prolonger, mais être limité aux parcours, nécessairement assez brefs, où la visibilité s'étendait loin en avant et en arrière et où les véhicules se faisaient rares. Or Mathey ne s'est pas borné à engager son élève à dépasser momentanément la limite supérieure des vitesses conseillées et n'a pas veillé à ce que cet entraînement se fasse dans des conditions particulièrement favorables. Car, lors du second contrôle, alors que l'élève circulait à 140 km/h, le gendarme qui arrêta la voiture ne put la rattraper qu'après une poursuite de dix kilomètres, au cours de laquelle il dut pousser sa motocyclette jusqu'à une vitesse de 160 km/h. Sur une route où la circulation était dense en tout cas, le recourant ne saurait prétendre qu'il ait pu s'agir là d'un exercice admissible. Il y a eu, au contraire, excès de vitesse au sens de l'art. 32 LCR, de sorte que Mathey a manqué aux devoirs que lui imposait l'art. 15 al. 2 LCR.
Dispositiv
Pour ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Rejette le pourvoi. | null | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
afa57621-6685-41fc-9278-63afcad29f13 | Urteilskopf
97 I 481
66. Auszug aus dem Urteil vom 15. September 1971 i.S. AG für Rechtsschutz in Fusionssachen gegen Ursina-Franck AG und Appellationshof des Kantons Bern. | Regeste
Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen der Aktiengesellschaft (
Art. 706 OR
); vorsorgliche Verfügung gemäss
Art. 32 Abs. 2 HRegV
; kantonales Zivilprozessrecht; derogatorische Kraft des Bundesrechts; Willkür (
Art. 4 BV
).
1. Behauptet der Beschwerdeführer, der angefochtene Entscheid verstosse gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Ueb. Best. BV), so kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden, wenn diese Rüge mit zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde gemäss
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
erhoben werden kann (Erw. 1a).
2. Der letztinstanzliche kantonale Entscheid über ein Gesuch um Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäss Art. 326 Ziff. 3 bern. ZPO in Verbindung mit
Art. 32 Abs. 2 HRegV
ist ein Endentscheid im Sinne von
Art. 87 OG
(Erw. 1 b).
3. Die Voraussetzungen einer vorsorglichen Massnahme gemäss
Art. 32 Abs. 2 HRegV
werden durch das kantonale Prozessrecht umschrieben; der kantonale Richter handelt nicht willkürlich, wenn er gestützt auf Art. 326 Ziff. 3 bern. ZPO annimmt, eine derartige Massnahme rechtfertige sich nur in denjenigen Fällen, in denen der anzuhebende Hauptprozess nach den glaubhaften Vorbringen des Gesuchstellers als aussichtsreich erscheine (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 482
BGE 97 I 481 S. 482
A.-
Die Verwaltungen der Ursina-Franck AG und der Nestlé-Alimentana AG beschlossen, ihren Aktionären die Fusion der beiden Gesellschaften vorzuschlagen. Dabei sollten die Aktionäre der Ursina-Franck AG eine neue Inhaberaktie der Nestlé-Alimentana AG (mit einer damit verbundenen neuen Stammaktie der Unilac Inc., Panama) für zwei Aktien der Ursina-Franck AG erhalten. Beabsichtigt war somit eine Fusion durch Übernahme sämtlicher Aktiven und Passiven der Ursina-Franck AG durch die Nestlé-Alimentana AG (
Art. 748 OR
). Der Fusionsvertrag zwischen den beiden Gesellschaften wurde am 25. bzw. 29. März 1971 unterzeichnet. Die Generalversammlung der Ursina-Franck AG fand am 5. Mai 1971 in Bern statt; sie stimmte dem Fusionsvertrag mit 336'298 von 347'486 gültigen Aktienstimmen zu.
Am 12. Mai 1971 ersuchten die Nestlé-Alimentana AG und die Ursina-Franck AG den Gerichtspräsidenten III von Bern, den Handelsregisterführer des Amtsbezirks Bern anzuweisen, die von der ordentlichen Generalversammlung der Ursina-Franck AG am 5. Mai 1971 gefassten Beschlüsse über die
BGE 97 I 481 S. 483
Fusion mit der Nestlé-Alimentana AG im Handelsregister von Bern einzutragen.
Am 17. Mai 1971 stellte jedoch die AG für Rechtsschutz in Fusionssachen (FUSAG), die sich dem Zusammenschluss an der Generalversammlung widersetzt hatte, beim Gerichtspräsidenten III von Bern das Gesuch um Erlass einer superprovisorischen Verfügung gemäss
Art. 328 ZPO
und einer einstweiligen Verfügung gemäss
Art. 326 Ziff. 3 ZPO
und
Art. 32 Abs. 2 HRegV
mit dem Begehren, es sei dem Handelsregisterführer von Bern die Eintragung der Generalversammlungsbeschlüsse der Ursina-Franck AG vom 5. Mai 1971 bis zur Beurteilung der von der Gesuchstellerin einzureichenden Klage und unter dem Vorbehalt, dass diese innert der gesetzlichen Frist eingereicht werde, zu untersagen.
Der Gerichtspräsident III von Bern erliess hierauf am 18. Mai 1971 folgende vorsorgliche Verfügung:
"Dem Gesuch der Gesuchstellerin um Erlass einer vorläufigen Massnahme im Sinne von
Art. 328 ZPO
wird entsprochen und dementsprechend dem Handelsregisterführer des Amtsbezirks von Bern die Eintragung der eintragungspflichtigen Generalversammlungsbeschlüsse der Gesuchsgegnerin vom 5. Mai 1971 bis zum Entscheid über das vorliegende Gesuch der Gesuchstellerin vom 17. Mai 1971 um Erlass einer einstweiligen Verfügung untersagt."
Nachdem die Ursina-Franck AG in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Begehren der FUSAG beantragt hatte, wies der Gerichtspräsident das Gesuch um Erlass einer einstweiligen Verfügung am 12. Juli 1971 ab.
B.-
Gegen diesen Entscheid erklärte die FUSAG am 13. Juli 1971 die Appellation, wobei sie das vor dem Gerichtspräsidenten gestellte Begehren erneuerte. Am 15. Juli 1971 erhob sie gegen den erwähnten Entscheid des Gerichtspräsidenten III von Bern zudem staatsrechtliche Beschwerde, auf welche das Bundesgericht indessen mit Urteil vom 22. Juli 1971 nicht eintrat.
Der Präsident der I. Zivilkammer des Appellationshofs des Kantons Bern legte der Appellation am 19. Juli 1971 die aufschiebende Wirkung bei.
Mit Urteil vom 29. Juli 1971 wies der Appellationshof (I. Zivilkammer) das Gesuch der FUSAG um Erlass einer einstweiligen Verfügung ebenfalls ab. Ferner stellte er fest, die vom Gerichtspräsidenten III von Bern verfügte vorläufige
BGE 97 I 481 S. 484
Massnahme vom 18. Mai 1971 falle dahin. Die Begründung dieses Entscheids ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
C.-
Gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern vom 29. Juli 1971 führt die FUSAG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
. Mit ergänzender Eingabe vom 16. August 1971 macht sie ausserdem geltend, der angefochtene Entscheid verletze den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und verstosse deshalb gegen Art. 2 der Übergangsbestimmungen der BV. Die Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit erforderlich, aus den folgenden Erwägungen.
Die Ursina-Franck AG beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die I. Zivilkammer des Appellationshofes hat auf Gegenbemerkungen verzichtet, auf die Motive des angefochtenen Entscheides verwiesen und die Ausführungen der Beschwerdeführerin bestritten, soweit sie mit diesen Erwägungen in Widerspruch stehen.
D.-
Am 16. August 1971 legte die FUSAG gegen den angefochtenen Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern beim Bundesgericht ausserdem Berufung ein mit dem Antrag, "es sei dem Handelsregisterführer von Bern die Eintragung der eintragungspflichtigen Generalversammlungsbeschlüsse der Ursina-Franck AG vom 5. Mai 1971 bis zur Beurteilung der von der Berufungsklägerin einzureichenden Anfechtungsklage - unter dem Vorbehalt, dass diese innert der gesetzlichen Frist eingereicht wird - zu untersagen". Zur Begründung machte sie unter anderem geltend, der Appellationshof habe den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und damit Art. 2 der Übergangsbestimmungen der BV verletzt.
Mit Urteil vom 3. September 1971 (
BGE 97 II 185
) trat die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts auf die Berufung nicht ein, behandelte aber das Rechtsmittel als zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von
Art. 68 OG
und wies diese ab. Die Entscheidungsgründe ergeben sich, soweit im vorliegenden Verfahren wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Die am 4. August 1971 eingereichte staatsrechtliche Beschwerde stützt sich einzig auf
Art. 4 BV
. In ihrer ergänzenden Eingabe vom 16. August 1971 rügt die Beschwerdeführerin
BGE 97 I 481 S. 485
jedoch ausserdem eine Verletzung von Art. 2 der Übergangsbestimmungen der BV. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, der Appellationshof gehe zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des Erlasses oder der Verweigerung der umstrittenen Handelsregistersperre allein durch das kantonale Recht umschrieben würden; diese Auffassung verstosse gegen Bundesrecht, denn die aufgrund des kantonalen Rechts erfolgte Verweigerung der begehrten vorsorglichen Massnahme mache das bundesrechtliche Institut der Anfechtungsklage gemäss
Art. 706 OR
illusorisch.
Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ist nach
Art. 84 Abs. 2 OG
nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann. Sie ist somit unter anderem dann ausgeschlossen, wenn die behauptete Rechtsverletzung mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen (
Art. 68 ff. OG
) gerügt werden kann (
BGE 63 II 399
,
BGE 82 I 66
Erw. 2,
BGE 85 II 105
Erw. 1, 374; nicht veröffentlichte Urteile vom 18. März 1948 i.S. Grünenfelder und vom 6. Mai 1953 i.S. Arnold). In Zivilsachen, die nicht nach
Art. 44-46 OG
der Berufung unterliegen, ist gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler Behörden die Nichtigkeitsbeschwerde unter anderem zulässig, wenn statt des massgebenden eidgenössischen Rechts kantonales oder ausländisches Recht angewendet worden ist (
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
). Da der angefochtene Entscheid nicht berufungsfähig ist, konnte die Beschwerdeführerin die angebliche Missachtung der derogatorischen Kraft mit zivilrechtlicher Nichtigkeitsbeschwerde rügen. Das hat sie (unter unrichtiger Bezeichnung des Rechtsmittels) getan, und die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat die Frage, ob der Appellationshof zu Unrecht kantonales Recht angewendet hat, geprüft und verneint. Dies hat zur Folge, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann, soweit damit eine Verletzung von Art. 2 der Übergangsbestimmungen der BV gerügt wird (
BGE 82 I 66
Erw. 2,
BGE 85 II 105
Erw. 1, 374; BIRCHMEIER, Handbuch der Bundesrechtspflege, S. 252/3 und 335).
b) Nach
Art. 87 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide
BGE 97 I 481 S. 486
nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Nach der Rechtsprechung sind Entscheide von der Art des angefochtenen Urteils als Endentscheide anzusehen (
BGE 96 I 300
Erw. 1; BIRCHMEIER, a.a.O., S. 354; vgl. auch
BGE 94 I 368
/9). Die vorliegende Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
ist daher unter diesem Gesichtspunkt zulässig.
c) ...
2.
...
3.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, in einem Fall wie dem zu beurteilenden müsse der Richter eine Handelsregistersperre anordnen, sofern die vom Gesuchsteller angehobene oder anzuhebende Anfechtungsklage nicht als rechtsmissbräuchlich erscheine. Da im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für eine unredliche Rechtsausübung ersichtlich seien, verstosse die Abweisung des Gesuchs um Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung gegen dass Willkürverbot und damit gegen
Art. 4 BV
.
a) Nach dem in Erw. 1 lit. a Gesagten ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der fraglichen einstweiligen Verfügung durch das kantonale Recht umschrieben werden. Nach Art. 326 Ziff. 3 der bernischen ZPO kann der Richter auf Gesuch eines Beteiligten hin als vorsorgliche Massnahme eine einstweilige Verfügung treffen, sofern ihm glaubhaft gemacht wird, dass sich der Erlass einer solchen zum Schutz von andern als auf Geld- oder Sicherheitsleistungen gerichteten, fälligen Rechtsansprüchen rechtfertigt, "wenn bei nicht sofortiger Erfüllung
a) ihre Vereitelung oder eine wesentliche Erschwerung ihrer Befriedigung zu befürchten ist,
b) dem Berechtigten ein erheblicher oder nicht leicht zu ersetzender Schaden oder Nachteil droht."
Vorsorgliche Massnahmen dienen in der Regel zur Sicherung eines behaupteten Rechts. Sie sollen verhindern, dass durch das Abwarten des im ordentlichen Prozess zu fällenden Entscheids einer Partei durch widerrechtliches Verhalten Schaden zugefügt wird (GULDENER, a.a.O., S. 382; ZIEGLER, Die vorsorgliche Massnahme in der Zivilprozessgesetzgebung der schweizerischen Kantone, Diss. Zürich 1944, S. 74/5). Mit dem Zweck der einstweiligen Verfügung ist ohne weiteres vereinbar, dass der Richter in vorläufiger und summarischer Weise prüft, ob der geltend gemachte materielle Anspruch besteht, die Klage
BGE 97 I 481 S. 487
mithin Aussicht auf Erfolg hat. Da die einstweilige Verfügung ihrem Wesen nach rasch zu erlassen ist, kann und braucht ihm nicht der Beweis dafür geleistet zu werden, dass die Klage tatsächlich begründet ist. Vielmehr genügt es, wenn der Gesuchsteller glaubhaft macht, dass die Klage Erfolgsaussichten hat. Misslingt dies, so ist -- wie ohne Willkür angenommen werden kann - auch nicht glaubhaft gemacht, dass die Massnahme zum Schutz eines fälligen Rechtsanspruchs dient, wie es
Art. 326 Ziff. 3 ZPO
voraussetzt. In der Rechtslehre wird denn auch die Ansicht vertreten, nach bernischem Recht habe der Gesuchsteller den Bestand des zu schützenden Anspruchs glaubhaft zu machen (LEUCH, N. 3 zu
Art. 326 ZPO
; vgl. auch ZIEGLER, a.a.O., S. 75, Anmerkung 66).
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, im Zusammenhang mit der Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen der hier in Frage stehenden Art gelte insoweit etwas Besonderes, als der Richter im Sinne einer einstweiligen Verfügung eine Handelsregistersperre erlassen müsse, da die Eintragung eines solchen Beschlusses "irreversible" Folgen zeitigen würde. Die Verweigerung einer derartigen Handelsregistersperre sei in einem solchen Fall nur haltbar, wenn die Anfechtungsklage als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheine.
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie nach der Eintragung des Fusionsbeschlusses im Handelsregister die Anfechtungsklage nicht mehr anheben könnte (vgl.
Art. 748 Ziff. 7 OR
) oder dass nach der Rechtsordnung dem Sachrichter nach dieser Eintragung die Möglichkeit verschlossen wäre, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben (vgl. BÜRGI, N. 71 zu
Art. 706 OR
). Richtig ist freilich, dass es mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden wäre, wenn die Fusionsbeschlüsse in das Handelsregister eingetragen und im Anfechtungsprozess durch den Sachrichter die angefochtenen Beschlüsse der Ursina-Franck AG wieder aufgehoben würden (vgl. PATRY. L'action en annulation des décisions de l'assemblée générale, Journée juridique de Genève 1963, S. 28 ff; OKUR, L'action en annulation des décisions de l'assemblée générale des actionnaires dans la société anonyme, thèse Genève 1965, S. 125 ff.). Die Regel des
Art. 326 ZPO
, die allgemein gilt und keine Ausnahmen vorsieht, kann indessen auch im vorliegenden Fall ohne Willkür in dem Sinn angewendet werden, dass eine einstweilige Verfügung nur dann zu erlassen wäre,
BGE 97 I 481 S. 488
wenn die Beschwerdeführerin glaubhaft machen würde, dass ihre Klage Erfolgsaussichten hat. Auch der Ursina-Franck AG könnten bedeutende Nachteile erwachsen, wenn die Handelsregistereintragung verweigert und die Anfechtungsklage später abgewiesen würde (vgl. PATRY, a.a.O., S. 32). Da Gesetzgeber und Richter gleichmässig die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen haben, erscheint es zumindest nicht unhaltbar, den Entscheid über die umstrittene Verfügung davon abhängig zu machen, ob die Klage bei vorläufiger Prüfung Erfolgsaussichten hat. Auch wenn sich die Auffassung vertreten liesse, die Verweigerung einer Handelsregistersperre rechtfertige sich nur im Falle des Rechtsmissbrauchs seitens des Anfechtungsklägers, so hielte der angefochtene Entscheid somit vor
Art. 4 BV
stand.
4.
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
afad9f75-be81-4c51-8b22-97dbf279a8b3 | Urteilskopf
110 Ia 140
30. Auszug aus dem Beschluss der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Juli 1984 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft und Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 88 OG
.
1. Das aktuelle praktische Interesse an der Behandlung einer Haftbeschwerde entfällt, wenn der Beschwerdeführer während der Hängigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens aus der Haft entlassen wird (E. 2a, Änderung der Rechtsprechung).
2. Umstände, unter denen auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses verzichtet wird (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 141
BGE 110 Ia 140 S. 141
M. erhob gegen die Verlängerung seiner Untersuchungshaft staatsrechtliche Beschwerde. Während der Hängigkeit des bundesgerichtlichen Verfahrens wurde M. aus der Haft entlassen. Das Bundesgericht schreibt die Beschwerde als gegenstandslos geworden ab.
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2.
a) Nach der Rechtsprechung zu
Art. 88 OG
verlangt das Bundesgericht, dass der Beschwerdeführer ein aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hat (
BGE 109 Ia 170
,
BGE 108 Ib 124
,
BGE 107 Ia 139
,
BGE 106 Ia 152
, mit Hinweisen). Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet, und es dient damit der Prozessökonomie (
BGE 109 Ia 170
,
BGE 106 Ia 152
,
BGE 104 Ia 488
; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 244). Im vorliegenden Fall steht ausser Zweifel, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Entlassung aus der Haft kein aktuelles praktisches Interesse mehr an der Behandlung seiner Beschwerde hat. Es stellt sich indessen die Frage, ob allenfalls in anderer Hinsicht weiterhin ein Interesse an der Feststellung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der erstandenen Untersuchungshaft besteht.
Das Bundesgericht hat in seiner früheren Rechtsprechung ein Interesse an der materiellen Behandlung von Haftbeschwerden auch dann anerkannt, wenn die Untersuchungshaft durch Freilassung oder rechtskräftiges Urteil beendet worden war (
BGE 98 Ia 100
; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. F. Sch. vom 19. Dezember 1979, zitiert bei ROBERT LEVI, Schwerpunkte der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Fragen der Untersuchungshaft seit dem Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention, in: Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 346 f.). Es nahm an, der Betroffene sei an der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der erstandenen Haft deshalb nach wie vor interessiert, weil er daraus allenfalls Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche ableiten könne und es unsicher sei, ob der mit der Klage befasste Richter die Verfassungsmässigkeit der Haft vorfrageweise
BGE 110 Ia 140 S. 142
überprüfe (vgl.
BGE 47 I 143
,
BGE 109 Ia 171
, LEVI, a.a.O., S. 347, mit weitern Hinweisen).
Im Jahre 1980 ging das Bundesgericht zu einer zurückhaltenderen Beurteilung des Interesses an Beschwerden über bereits beendete Haft über (vgl. die Darstellung bei LEVI, a.a.O., S. 347 f.). In einem den Kanton Basel-Stadt betreffenden Fall führte es aus, aufgrund des kantonalen Rechts stehe die rechtskräftige Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches durch die kantonalen Behörden der materiellen Beurteilung eines späteren Entschädigungsbegehrens nicht entgegen, und es verneinte daher ein Interesse an der Prüfung der Verfassungsmässigkeit der erstandenen Haft (nicht veröffentlichter Beschluss i.S. B. N. vom 25. Juni 1980). In einem späteren Verfahren legte das Bundesgericht dar, dass viele Kantonsverfassungen und die Strafprozessordnungen praktisch sämtlicher Kantone Bestimmungen enthielten über den Entschädigungsanspruch sowohl widerrechtlich verhafteter als auch solcher Personen, welche zwar entsprechend den gesetzlichen Vorschriften in Haft gesetzt wurden, die sich aber in der Folge als unschuldig erweisen und die Haft auch nicht durch vorwerfbares Verhalten veranlasst haben (vgl.
BGE 107 Ia 166
f.). Daraus zog es den Schluss, in allen diesen Fällen komme es nicht in Frage, dass die Haftentschädigung mit der Begründung verweigert werden könnte, ein Gesuch um Haftentlassung sei rechtskräftig abgewiesen worden. Es fügte bei, ein derartiger Ausschluss verstiesse auch klarerweise gegen
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
. Schliesslich stünde gegen die letztinstanzlichen Entscheide über Haftentschädigungen die staatsrechtliche Beschwerde offen. Bei dieser Sachlage entfalle das aktuelle praktische Interesse an der materiellen Behandlung der Haftbeschwerde (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. F. H. vom 17. März 1982). In gleicher Weise hat das Bundesgericht in weitern Beschwerdefällen entschieden.
An dieser - bis heute nicht publizierten - Praxis ist festzuhalten. Das kantonale Verfassungs- und Gesetzesrecht garantiert weitgehende Ansprüche für rechtswidrige sowie für nicht durch vorwerfbares Verhalten verursachte, sich in der Folge aber als ungerechtfertigt erweisende Untersuchungshaft. Das Bundesgericht hatte bisher nie Fälle zu behandeln, in denen Schadenersatzbegehren mangels vorheriger Feststellung der Unrechtmässigkeit abgewiesen worden wären. Es ginge unter dem Gesichtswinkel des ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechts der persönlichen Freiheit nicht an, Schadenersatzansprüche davon abhängig zu
BGE 110 Ia 140 S. 143
machen, dass bereits vorher die Unrechtmässigkeit der Haft festgestellt worden ist. Darüber hinaus garantiert
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
jedem, der entgegen den Bestimmungen von Ziff. 1 bis Ziff. 4 von Festnahme oder Haft betroffen ist, einen Anspruch auf Schadenersatz. Der Betroffene kann seine Ansprüche direkt auf die Vorschrift der Europäischen Menschenrechtskonvention abstützen (Urteil i.S. Eggs vom 15. Oktober 1982, in: SJIR 39/1983 S. 290; nicht veröffentlichtes Urteil i.S. L. B. vom 23. Juni 1982; STEFAN TRECHSEL, Die Europäische Menschenrechtskonvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die schweizerischen Strafprozessrechte, Bern 1974, S. 266, 371 und 375; PETER BISCHOFBERGER, Die Verfahrensgarantien der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [Art. 5 und 6] in ihrer Einwirkung auf das schweizerische Strafprozessrecht, Zürich 1972, S. 235 f.). Kann demnach im Hinblick auf die Geltendmachung von Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüchen nicht verlangt werden, dass die Verfassungswidrigkeit einer erstandenen Haft vorgängig letztinstanzlich festgestellt wird, so entfällt auch das Interesse des Beschwerdeführers an der verfassungsgerichtlichen Prüfung der bereits beendeten Untersuchungshaft. Bei dieser Sachlage besteht auch im vorliegenden Fall kein aktuelles praktisches Interesse an der materiellen Behandlung der Beschwerde.
b) Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn der gerügte Eingriff sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre, so dass diese Voraussetzung eine Kontrolle der Verfassungsmässigkeit faktisch verhindern würde (
BGE 109 Ia 170
E. 3b, 107 Ia 139,
BGE 104 Ia 229
, 488, mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft demnach Beschwerden materiell trotz Wegfalls des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können (
BGE 108 Ia 42
E. 1a) und an deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht (
BGE 104 Ia 230
E. 1b,
BGE 97 I 841
E. 1) und sofern diese im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich geprüft werden könnten. Diese Voraussetzungen erachtete das Bundesgericht etwa bei Beschwerden im Zusammenhang mit politischen und andern Veranstaltungen sowie mit Demonstrationen als gegeben (
BGE 108 Ia 42
E. 1a,
BGE 100 Ia 394
E. 1b, vgl. auch
BGE 107 Ia 59
, 64, 226).
BGE 110 Ia 140 S. 144
In bezug auf Beschwerden aus dem Bereiche von Haft trat das Bundesgericht auf Beschwerden von Personen ein, die im Anschluss an eine Demonstration für einige Stunden festgenommen und während dieser Zeit erkennungsdienstlich behandelt worden waren (
BGE 107 Ia 139
). Ebenso prüfte es eine Beschwerde, in der die Zuständigkeit eines ausserordentlichen Untersuchungsrichters zur Anordnung von Haft für die Dauer von 14 Tagen bestritten worden war (
BGE 107 Ia 253
). Schliesslich trat es auf eine Beschwerde ein, die sich gegen die kurzfristige Einlieferung eines Jugendlichen in ein Gefängnis aus vorwiegend fürsorgerischen Motiven wandte (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. D. G. vom 31. März 1982; vgl. LEVI, a.a.O., S. 348 f.).
An diesen Voraussetzungen fehlt es indessen bei der Mehrzahl staatsrechtlicher Beschwerden, mit denen die Verfassungs- und Konventionswidrigkeit der Anordnung oder Erstreckung einer inzwischen dahingefallenen Untersuchungshaft gerügt wird. Die damit aufgeworfenen Verfassungsfragen können sich in der Regel nicht mehr unter gleichen oder ähnlichen Umständen stellen. Vielmehr ist im Einzelfall das Vorliegen der Haftgründe zu prüfen, und es sind dabei die konkreten Umstände wie etwa die Verdachtsgründe, die Flucht- oder Kollusionsgefahr, der Stand des Verfahrens, die persönlichen Verhältnisse, die bisherige Dauer der Haft u.a.m. zu berücksichtigen. Es stellen sich dabei keine Fragen, deren Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt. Das Bundesgericht ist auch durchaus in der Lage, derartige Beschwerden rechtzeitig zu behandeln. Es besteht daher kein Grund, solche Beschwerden trotz des Fehlens eines aktuellen praktischen Bedürfnisses materiell zu behandeln.
So verhält es sich auch bei der vorliegenden Beschwerde. Der Beschwerdeführer bestreitet in erster Linie das Vorliegen von Kollusionsgefahr und beanstandet die Dauer der Untersuchungshaft. Diese Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, die durch Freilassung bereits beendete Untersuchungshaft auf ihre Verfassungs- und Konventionsmässigkeit hin zu überprüfen. Die Beschwerde ist daher als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abzuschreiben. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
afb44c60-5cdc-410a-a115-6b47cb7cd646 | Urteilskopf
118 IV 188
33. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 20 mai 1992 dans la cause C. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité). | Regeste
Art. 90 Ziff. 2 SVG
; grobe Verletzung von Verkehrsregeln.
Der Automobilist, der die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um mehr als 30 km/h überschreitet, macht sich der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
schuldig. | Sachverhalt
ab Seite 188
BGE 118 IV 188 S. 188
A.-
Le lundi 12 novembre 1990 en début d'après-midi, il fut constaté, à l'aide d'un appareil de mesure, que C. conduisait sa voiture BMW 635 sur l'autoroute du Léman, entre Vevey et Chexbres, à la vitesse de 157 km/h - après déduction de la marge de sécurité -, excédant ainsi de 37 km/h la vitesse maximale autorisée. La chaussée était en bon état, la visibilité excellente et le trafic "apparemment faible". C. est un conducteur expérimenté, qui disposait d'un véhicule adapté aux vitesses élevées. Il n'a pas d'antécédent judiciaire; le registre des contraventions de circulation mentionne 5 amendes antérieures sanctionnant des excès de vitesse; son revenu mensuel est de l'ordre de 4'500 francs.
BGE 118 IV 188 S. 189
B.-
Par jugement du 9 septembre 1991, le Tribunal de police du district de Vevey a condamné C., pour violation grave des règles de la circulation (
art. 90 ch. 2 LCR
), à une amende de 750 francs, avec délai de radiation de 2 ans, ainsi qu'au paiement des frais de la cause.
Par arrêt du 14 février 1992, la Cour de cassation cantonale a rejeté le recours du condamné.
C.-
Contre cet arrêt, C. s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral. Soutenant qu'il fallait appliquer au cas d'espèce l'
art. 90 ch. 1 LCR
, et non pas l'
art. 90 ch. 2 LCR
, il conclut, sous suite de dépens, à l'annulation de la décision attaquée.
La cour cantonale s'est référée aux considérants de son arrêt et le Ministère public a conclu au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) La seule question litigieuse en l'espèce est de savoir si les faits de la cause tombent sous le coup de l'art. 90 ch. 1 ou de l'
art. 90 ch. 2 LCR
.
L'
art. 90 ch. 1 LCR
réprime comme contravention toute violation des règles de la circulation fixées par la loi ou ses prescriptions d'exécution; l'
art. 90 ch. 2 LCR
définit un cas qualifié de violation des règles de la circulation pour lequel une peine d'emprisonnement peut également être prononcée. Pour que le cas qualifié soit réalisé, il faut d'une part que l'on se trouve en présence d'une violation grave d'une règle de la circulation et d'autre part que l'auteur ait créé un sérieux danger pour la sécurité d'autrui ou en ait pris le risque (
art. 90 ch. 2 LCR
;
ATF 111 IV 168
consid. 2 et l'arrêt cité;
ATF 118 IV 86
consid. 2a).
Pour dire si une violation d'une règle de la circulation doit être qualifiée de grave, il faut procéder à une appréciation aussi bien objective que subjective. Du point de vue objectif, l'auteur doit avoir commis, à l'encontre d'une règle importante de la circulation, une violation qui sort du cadre de celles que l'on rencontre habituellement (
ATF 111 IV 169
consid. 2a) et causé ainsi une mise en danger abstraite ou concrète de la sécurité de la route. Du point de vue subjectif, il faut que l'auteur ait eu un comportement dénué d'égards pour autrui ou ait gravement violé les règles de la circulation, de sorte que l'on doive lui imputer à tout le moins une négligence grave (
ATF 118 IV 86
consid. 2a et les références citées, 198 consid. 2).
Quant à l'exigence d'un sérieux danger pour la sécurité d'autrui, un risque abstrait suffit, pourvu qu'il soit sérieux (
ATF 106 IV 49
consid. a,
ATF 102 IV 44
consid. 2).
BGE 118 IV 188 S. 190
b) En matière de retrait du permis de conduire, la loi distingue la violation d'une règle de la circulation qui est de peu de gravité - auquel cas un avertissement (facultatif) peut suffire - (
art. 16 al. 2 2
e phrase LCR), celle qui est de gravité moyenne et permet le retrait facultatif (
art. 16 al. 2 1
re phrase LCR) et celle par laquelle le conducteur a compromis gravement la sécurité de la route et pour laquelle le retrait est obligatoire (
art. 16 al. 3 let. a LCR
). Comme l'a relevé la jurisprudence, il n'y a pas de parallélisme total entre cette triple distinction faite par l'
art. 16 LCR
et la double distinction de l'
art. 90 LCR
(
ATF 102 Ib 196
consid. 3b). Il n'empêche que l'on ne saurait, sans motif important, donner une interprétation différente à des notions très voisines contenues dans la même loi. Pour apprécier si, de manière abstraite, il a été créé un danger sérieux pour la sécurité d'autrui, la jurisprudence a déjà estimé qu'il fallait se référer aux principes dégagés en cette matière dans le domaine du retrait du permis de conduire (arrêt non publié du 15 février 1988 dans la cause M. c. MP Vaud, consid. 2).
Or, il est admis de manière constante qu'un dépassement de vitesse de plus de 30 km/h, même si les conditions de circulation sont favorables et les antécédents bons, doit entraîner, en raison du risque causé, un retrait du permis et non pas une simple mesure d'avertissement (
ATF 113 Ib 145
ss consid. 3,
ATF 108 Ib 67
consid. 1,
ATF 104 Ib 51
ss).
Il existe d'ailleurs une parenté étroite entre l'hypothèse de l'
art. 90 ch. 2 LCR
et celle de l'
art. 16 al. 3 let. a LCR
(
ATF 102 Ib 196
s. consid. 3). Pour dire si le conducteur avait compromis gravement la sécurité de la route au sens de l'
art. 16 al. 3 let. a LCR
, la jurisprudence a admis qu'il fallait procéder à un examen des circonstances concrètes lorsque la limite des 30 km/h de dépassement n'était excédée que de peu (
ATF 104 Ib 49
ss). Il en résulte a contrario qu'il n'y a pas de raison d'en douter lorsque, comme c'est le cas en l'espèce, le seuil des 30 km/h est largement dépassé.
c) Contrairement à ce que soutient le recourant, il est sans pertinence que de telles vitesses soient autorisées en Allemagne, puisque la loi suisse est ici seule applicable. Il n'est pas décisif non plus qu'il puisse exister des différences de vitesse notables entre des voitures circulant de manière licite. Il n'est pas douteux que le risque causé par l'emploi d'un véhicule automobile augmente avec sa vitesse (trajet parcouru pendant le temps de réaction, distance de freinage, violence du choc). Le danger grandit au fur et à mesure que la vitesse augmente (
ATF 108 Ib 67
consid. 1). Le recourant devait s'attendre
BGE 118 IV 188 S. 191
à rencontrer à tout moment des véhicules circulant devant lui, même sur deux files; or, selon la théorie de la confiance, ces automobilistes n'avaient pas à compter avec la survenance derrière eux d'une voiture roulant à une vitesse illicite et dépassant à ce point le maximum autorisé; ils pouvaient donc être surpris et trompés dans leur appréciation, notamment au moment d'entreprendre une manoeuvre de dépassement, par la survenance d'une voiture roulant à pareille allure. Il faut donc admettre, même si le conducteur est expérimenté, le véhicule bien équipé et les conditions de circulation favorables, qu'un pareil dépassement de la vitesse maximale autorisée créait de manière abstraite un sérieux danger pour la sécurité d'autrui.
d) Il reste à examiner s'il s'agit, d'un point de vue objectif et subjectif, d'une violation grave des règles de la circulation. Les limitations de vitesse jouent un rôle important pour assurer la sécurité routière. Il est notoire que beaucoup d'accidents sont dus à des excès de vitesse et que les conséquences en sont particulièrement lourdes sur les autoroutes, en raison de la vitesse élevée des usagers (
ATF 102 IV 45
et les arrêts cités). Certes, n'importe quel dépassement de vitesse ne saurait être qualifié de violation grave des règles de la circulation. Comme le danger s'accroît avec l'importance du dépassement de vitesse, la gravité requise par l'
art. 90 ch. 2 LCR
n'est réalisée que si le dépassement est massif et excède notablement ce que l'on rencontre malheureusement plus ou moins habituellement. Il n'y a pas de raison de poser ici des règles différentes de celles qui ont été dégagées précédemment pour dire à partir de quelle vitesse il se crée un danger sérieux pour la sécurité d'autrui. Rouler à 157 km/h sur l'autoroute dépasse notablement le cadre des infractions que l'on peut considérer comme banales et n'étant pas de nature à entraîner ordinairement de graves conséquences. D'un point de vue subjectif, le recourant, circulant à une telle allure, s'était nécessairement rendu compte qu'il dépassait nettement la vitesse maximale autorisée, de sorte qu'il faut admettre qu'il a volontairement violé cette règle de circulation, alors que rien ne l'empêchait de prendre conscience du risque causé. Il s'agit donc, subjectivement et objectivement, d'une violation grave des règles de la circulation.
En conséquence, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en appliquant l'
art. 90 ch. 2 LCR
au cas d'espèce.
Il faut encore rappeler que la qualification de l'infraction doit se faire en fonction de l'acte commis et que les antécédents ne jouent à ce stade aucun rôle. | null | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
afb76c62-0001-4d0b-9f3a-9112ef7ac749 | Urteilskopf
120 III 105
35. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 24. Oktober 1994 i.S. P. Sch. (Rekurs) | Regeste
Art. 17 ff. SchKG
;
Art. 41 SchKG
.
Wird ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs eingeleitet anstelle der von
Art. 41 Abs. 1 SchKG
vorgesehenen Betreibung auf Pfandverwertung, so ist die Zustellung des Zahlungsbefehls innert der zehntägigen Frist des
Art. 17 Abs. 2 SchKG
anzufechten. Ebenso hat der Weiterzug innert der zehntägigen Frist der Art. 18 Abs. 1 bzw.
Art. 19 Abs. 1 SchKG
zu erfolgen. | Sachverhalt
ab Seite 105
BGE 120 III 105 S. 105
P. Sch. wurde am 8. August 1994 in der von der St. Gallischen Kantonalbank eingeleiteten ordentlichen Betreibung auf Pfändung oder Konkurs der Zahlungsbefehl zugestellt. Hierüber beschwerte sich der Schuldner beim
BGE 120 III 105 S. 106
Obergericht von Appenzell A.Rh. mit dem Antrag, der Zahlungsbefehl sei aufzuheben und durch einen Zahlungsbefehl für die Betreibung auf Grundpfandverwertung zu ersetzen. Er machte im wesentlichen geltend, bei der betriebenen Forderung gehe es um eine fällige Kapitalabzahlung und somit um eine grundpfandgesicherte Forderung. Daher könne die Gläubigerin die Betreibungsart nicht frei wählen.
Die kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs wies die Beschwerde ab. Auf den hierauf bei ihr erhobenen Rekurs trat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts wegen Fristversäumnisses nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Während die Fortsetzung der Betreibung auf dem Wege der Pfändung anstatt des Konkurses (oder umgekehrt) einen jederzeit geltend zu machenden Nichtigkeitsgrund darstellt, ist dem nicht so, wenn eine ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs eingeleitet wird anstelle der von
Art. 41 Abs. 1 SchKG
vorgesehenen Betreibung auf Pfandverwertung. Die Eintreibung einer pfandgesicherten Forderung auf andere Weise als durch Pfandverwertung ist nicht ohne weiteres ungültig, sondern bloss bei der Aufsichtsbehörde anfechtbar; denn die Vorausverwertung des Pfandes ist nicht zwingend (
BGE 117 III 74
E. 1,
BGE 110 III 5
E. 2 mit Hinweisen,
BGE 101 III 18
E. 2a; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Auflage Bern 1993, § 32 N. 9; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, § 10 Rz. 5,
§ 34 A 12
; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage Lausanne 1993, S. 110). Das bedeutet, dass Beschwerde innert der zehntägigen Frist des
Art. 17 Abs. 2 SchKG
ab Zustellung des Zahlungsbefehls erhoben werden muss (
Art. 85 Abs. 2 VZG
; SR 281.42) und dass auch der Weiterzug innert der zehntägigen Frist der Art. 18 Abs. 1 bzw.
Art. 19 Abs. 1 SchKG
zu erfolgen hat. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
afba11ca-fa09-4b96-bf5b-0a8173dfbf1c | Urteilskopf
84 II 253
36. Urteil der II. Zlvilabteilung vom 9. Mai 1958 i.S. X. gegen E. | Regeste
Schadenersatzpflicht des bösgläubigen Besitzers (
Art. 940 ZGB
).
Klage gegen denjenigen, der Inhaberpapiere in bösem Glauben von einem Nichtberechtigten erworben und an gutgläubige Dritte weiterveräussert hat, auf Ersatz des Wertes dieser Titel.
Aktivlegitimation.
Die Vermutung des Eigentums (
Art. 930 ZGB
) entfällt bei zweideutigem Besitz.
Eigentum eines Börsenagenten an von ihm gekauften Wertpapieren? | Sachverhalt
ab Seite 254
BGE 84 II 253 S. 254
A.-
X, der früher bei der Genfer Börsenfirma Y & Cie angestellt war und in der Folge nach seiner Darstellung zwar sein Büro bei dieser Firma beibehielt, aber nicht mehr in deren Dienst stand, sondern den Kauf und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung berufsmässig betrieb, liess durch Y & Cie an der Genfer Börse in der Zeit vom März bis Juni 1953 insgesamt 1350 Aktien Svenska Tändsticks Serie B ohne Erklärung kaufen, die ihm geliefert wurden. Im Juli 1953 übergab er diese Titel nach seiner Darstellung in der Klageschrift dem Lyoner Börsenagenten S. zum Verkauf in Frankreich (an der Börse von Lyon oder Paris), wo ihr Kurs damals höher war als in der Schweiz. Über dieses Geschäft, das den französischen Devisenvorschriften zuwiderlief, wurde keine schriftliche Abmachung getroffen. Bald darauf liess S. (der wenig später wegen Schmuggels von Goldbarren verhaftet wurde) dem X mitteilen, das Auto, worin er die Titel transportiert habe, sei ihm samt diesen in Frankreich gestohlen worden. Auf Ersuchen des Genfer Anwalts von X machte die Schweizerische Bankiervereinigung das Verschwinden der Titel (die auch bei ausländischen Stellen als vermisst gemeldet wurden) durch ein Zirkular an die Mitgliedbanken vom 4. August 1953 bekannt.
B.-
Im Herbst 1954 gelangte das Aktienpaket in die Hände von B. in Zürich, der es von seinem französischen Freunde D. mit dem Recht zur Belehnung erhalten haben will. D. erklärte gegenüber der französischen Polizei, nachdem er den frühern Besitz dieser Aktien zunächst abgestritten hatte, er habe sie im Zusammenhang mit einem Geschäft über eine Bar in Tanger von S. erhalten. Von B., der sich damit Geld zu beschaffen suchte, gelangte der
BGE 84 II 253 S. 255
grösste Teil dieser Aktien über eine Reihe von Mittelsmännern schliesslich an E. in Kilchberg, der am 7. Dezember 1954 im eigenen Namen 1078 Stück für einen Kredit von Fr. 35'000.-- bei einer Grossbank in Zürich verpfändete und am gleichen Tage mit seinem Vormann Sp., der sich als verfügungsberechtigt ausgab, einen Kaufvertrag abschloss, wonach dieser ihm die 1078 Aktien zu Fr. 35'000 verkaufte und sich ein auf 14 Tage befristetes Rückkaufsrecht zu Fr. 35'400.-- vorbehielt. Einen Titel über 25 Aktien (den er in der Folge vernichtet haben will) und Fr. 3000.-- von dem mit Sp. vereinbarten Kaufpreis behielt E. für sich. In den Rest von Fr. 32'000.-- teilten sich B. und die verschiedenen Mittelsmänner.
C.-
Einige Tage später stellte die Bank fest, dass die belehnten Titel als vermisst gemeldet waren. Sie teilte dies E. mit und drängte auf Ablösung des Kredites. E., der die dazu nötigen Mittel nicht besass (- er ist seit Jahren ausgepfändet -), ersuchte hierauf Sp. vergeblich um Rücknahme der Titel.
Am 20. Dezember 1954 teilte die Bankiervereinigung dem Genfer Anwalt des X mit, eine Bank habe ihr eine Liste über den grössten Teil der vermissten Titel eingereicht, und am 9. März 1955 gab sie ihm im Einverständnis von E. bekannt, dass dieser die fraglichen Titel innehabe. Die Vertreter von X und E. setzten sich hierauf miteinander in Verbindung. Der Genfer Anwalt des X behielt sich gegenüber der Behauptung, dass E. die Titel von Sp. in gutem Glauben erworben habe, alle Einwendungen vor, zögerte aber mit der Einleitung rechtlicher Schritte gegen E., obwohl die Bankiervereinigung ihn auf die Notwendigkeit einer Klage hingewiesen und ihm angekündigt hatte, dass sie die Vermisstmeldung bezüglich der zum Vorschein gekommenen Titel widerrufen müsse. Dieser Widerruf erfolgte am 28. April 1955.
Am folgenden Tag wurden die 1078 Aktien bei der Bank, die sie belehnt hatte, im Auftrag des E. von einer andern Bank mit einer Zahlung von Fr. 35'624.-- (bezogener
BGE 84 II 253 S. 256
Kredit einschliesslich Zinsen, Kommission und Spesen) ausgelöst. In der Zeit vom 30. April bis 7. Mai 1955 wurden sie von dieser andern Bank für Rechnung des E. verkauft. Den Überschuss des reinenVerkaufserlöses von Fr.62'548.25 über den abgelösten Kredit von Fr. 35'624.--, d.h. den Betrag von rund Fr. 26'900.-- verwendete E. namentlich zur Bezahlung von Schulden und zum Kauf eines Autos.
D.-
Am 10. Mai 1955 liess X (der im März 1955 in Paris Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet und einen Vergleich mit dem französischen Fmanzministerium über die Folgen des Devisenvergehens angebahnt hatte) beim Bezirksgericht Horgen das Begehren stellen, dem E. sei im Sinn einer vorsorglichen Massnahme jede Verfügung über die 1078 Aktien zu verbieten. Er musste dieses Begehren aber im Hinblick auf den bereits erfolgten Verkauf als gegenstandslos geworden zurückziehen.
E.-
Mit der vorliegenden, am 1./15. Juni 1955 eingeleiteten Klage verlangt X von E. Schadenersatz in Höhe des Betrages von Fr. 67'914.--, auf den sich der Wert der 1078 Aktien um die Zeit ihrer Übernahme durch den Beklagten belaufen habe. Er machte geltend, die Aktien hätten ihm gehört und sich "treuhänderisch für ihn im Besitz eines Dritten" (des S.) befunden und seien ihm gestohlen worden bzw. widerrechtlich und wider seinen Willen abhanden gekommen; der Beklagte habe sie in bösem Glauben erworben und veräussert; sie den (gutgläubigen) Käufern abzufordern, sei nicht möglich; der Beklagte sei deshalb gemäss
Art. 940 ZGB
und
Art. 41 OR
verpflichtet, ihm dafür Ersatz zu leisten. Der Beklagte bestritt die Aktivlegitimation und eine Schädigung des Klägers und berief sich im übrigen auf seinen guten Glauben.
Das Bezirksgericht schützte die Klage. Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) hat sie dagegen mit Urteil vom 22. November 1957 mangels Aktivlegitimation des Klägers abgewiesen. Ob dieser die Aktien dem S. auf Grund eines Verkaufsauftrags übergeben oder sie ihm (wie
BGE 84 II 253 S. 257
er bei seiner persönlichen Befragung vor Obergericht zunächst erklärte) auf Kredit verkauft habe oder ob die Abmachung (entsprechend einer weitern Version der Sachdarstellung des Klägers) dahin gegangen sei, dass S. die Aktien entweder zu bezahlen oder zurückzugeben habe, liess die Vorinstanz unentschieden. Das Verhalten des Beklagten bezeichnete sie bei Beurteilung der Frage der Prozessentschädigung als bösgläubig oder wenigstens "leichtfertig und teilweise verwerflich". (Die Strafuntersuchung gegen B. und seine Nachmänner betr. Hehlerei ist unter Belastung der Angeschuldigten mit den Kosten eingestellt worden.)
F.-
Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Kläger, der Beklagte sei zur Zahlung von Fr. 67'914.-- zu verpflichten; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Auch wenn die streitigen Aktien (Inhaberpapiere) seinerzeit dem Kläger gehört haben sollten, wäre ihm das Recht, von einem spätern Erwerber die Herausgabe oder den Ersatz des Wertes dieser Titel zu verlangen, von vornherein abzusprechen, falls er sie dem S. auf Grund eines mit ihm abgeschlossenen Kaufvertrags übergeben hätte. Er hätte dann nur eine Kaufpreisforderung gegen S. Ähnlich verhielte es sich, wenn S. die Titel als Kommissionsgut zum Verkauf für Rechnung des Klägers erhalten und vereinbarungsgemäss verkauft und den Erlös für sich behalten hätte. Auch in diesem Falle könnte der Kläger sich nur an S. halten, der ihm den Erlös herauszugeben hätte. Hätte S. die Titel als Verkaufskommissonär entgegengenommen und wären sie von ihm veruntreut oder ihm gestohlen worden, so wäre die Klage ebenfalls ohne weiteres zum Scheitern verurteilt, wenn der Beklagte (oder einer der Zwischenbesitzer, dessen Rechte auf ihn übergegangen
BGE 84 II 253 S. 258
wären) die wieder in die Schweiz gelangten Titel in gutem Glauben zu Eigentum übertragen erhalten hätte. Der Beklagte könnte dann gemäss
Art. 933 ZGB
, der den gutgläubigen Erwerb von dem Veräusserer anvertrauten und durch diesen veruntreuten Sachen schützt, bzw. gemäss
Art. 935 ZGB
, wonach Inhaberpapiere dem gutgläubigen Empfänger nicht abgefordert werden können, auch wenn sie dem frühern Besitzer gegen seinen Willen abhanden gekommen sind, nicht auf Herausgabe der Titel belangt werden, wenn er sie noch besässe, sondern wäre Eigentümer geworden und könnte, nachdem er sie veräussert hat, nicht zum Ersatz ihres Wertes verpflichtet werden. (Solange die Titel in Frankreich lagen, was längstens während 15 Monaten seit ihrem Verschwinden der Fall war, war ein gutgläubiger Eigentumserwerb, wenn sie gestohlen worden waren, nach der im wesentlichen mit
Art. 934 Abs. 1 ZGB
übereinstimmenden Vorschrift von Art. 2279 Abs. 2 CC, die mangels einer dem
Art. 935 ZGB
entsprechenden Bestimmung grundsätzlich auch für Inhaberpapiere gilt, nicht möglich, sondern bot der gute Glaube einem Erwerber nur den Vorteil, dass er gemäss dem mit
Art. 934 Abs. 2 ZGB
übereinstimmenden Art. 2280 CC bei Kauf auf dem Markt usw. die Herausgabe von der Vergütung des von ihm bezahlten Preises abhängig machen konnte; wären die Titel in Frankreich unter Beobachtung der vorgeschriebenen Formalitäten mit Opposition belegt worden, so hätten sie dort nach dem einschlägigen Sondergesetz jedem Dritten, der sie nach der Veröffentlichung der Opposition erworben hätte, ohne Entschädigung abverlangt werden können, und zwar auch im Falle der Veruntreuung, es wäre denn, dass ein Vormann des Belangten sie vor der Veröffentlichung gutgläubig erworben hätte; vgl. hiezu statt vieler PLANIOL/RIPERT/PICARD, Traité pratique, 2. Aufl. 1952, Bd. III N. 389 ff., 399 ff.).
Auf Grund welcher Abmachung der Kläger die Aktien dem S. übergeben hat und was unmittelbar nachher mit diesen Titeln geschehen ist, weiss man jedoch bis heute
BGE 84 II 253 S. 259
nicht genau, und die im Falle der Veruntreuung oder des Diebstahls sich stellende Frage, ob der Beklagte oder einer seiner Vormänner die Titel in der Schweiz gutgläubig erworben habe, könnte anhand der vorliegenden Akten jedenfalls nicht im Sinne der Bejahung entschieden werden. Eine nähere Abklärung dieser Fragen erübrigt sich indes, wenn die Klage, wie vom Beklagten geltend gemacht, mangels Aktivlegitimation des Klägers abgewiesen werden muss, selbst wenn man zu seinen Gunsten annimmt, er habe die Aktien dem S. nicht verkauft, sondern als Kommissionsgut übergeben, sie seien dann bei S. gestohlen worden und dem Beklagten sowie seinen Vormännern könne der gute Glaube beim Erwerb nicht zugebilligt werden.
2.
Wer den Besitz einer beweglichen Sache nicht in gutem Glauben erworben hat, kann nach
Art. 936 Abs. 1 ZGB
von dem frühern Besitzer jederzeit auf Herausgabe belangt werden. Es ist umstritten, ob der bösgläubige Erwerber gegenüber einer auf diese Bestimmung gestützten Klage des frühern Besitzers nur die Einrede erheben könne, er habe an der Sache im Sinne von
Art. 932 ZGB
ein besseres Recht als der Kläger oder auch dieser habe die Sache nicht in gutem Glauben erworben und könne sie ihm daher gemäss
Art. 936 Abs. 2 ZGB
nicht abfordern, oder ob er darüber hinaus ganz allgemein befugt sei, dem Kläger entgegenzuhalten, dieser habe trotz seinem frühern Besitz überhaupt nie ein Recht an der Sache gehabt (so HOMBERGER, N. 2 zu Art. 936 in Verbindung mit N. 4-6 zu Art. 932, im Gegensatz zu WIELAND, Bem. 4 zu Art. 936 in Verbindung mit Bem. 1 und 10 zu Art. 933/4 und Abs. 2 der Bem. zu Art. 932, OSTERTAG, N. 7 und 11 zu Art. 936, N. 22 der Vorbem. zum 24. Titel, N. 6-8 zu Art. 932, vgl. auch N. 14 zu Art. 934, und TUOR, Das schweiz. ZGB, 6. Aufl., S. 436 ff. und 443). Welche dieser beiden Auffassungen den Vorzug verdiene, kann im vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, obwohl der Beklagte nicht behauptet, er hätte an den streitigen Aktien heute, wenn
BGE 84 II 253 S. 260
er sie noch besässe, ein besseres Recht als der Kläger, selbst wenn er und seine Vormänner bösgläubig gewesen wären, und auch nicht geltend macht, der Kläger habe die Titel seinerzeit selber bösgläubig erworben, sondern die Aktivlegitimation des Klägers (vom Einwand abgesehen, dass dieser infolge der Übergabe der Titel an S. nicht mehr unmittelbarer Besitzer gewesen sei und den Besitz nicht wider seinen Willen verloren habe) nur mit der Begründung bestreitet, der Kläger habe nicht dargetan, dass er die Titel auf eigene Rechnung gekauft und damit das Eigentum daran erworben habe. Nachdem der Beklagte die Aktien veräussert hat, steht eben heute nicht mehr ein Herausgabeanspruch des Klägers gegen ihn zur Diskussion, sondern kann sich nur noch fragen, ob der Kläger ihn auf Ersatz des Wertes dieser Titel (und allfälligen weitern Schadens) belangen könne. Diese Frage beurteilt sich nach der Bestimmung von
Art. 940 ZGB
über die Verantwortlichkeit des bösgläubigen Besitzers (die nur hinsichtlich der Ersatzpflicht selbständige Bedeutung hat, während sich die darin ebenfalls erwähnte Herausgabepflicht schon aus andern Vorschriften ergibt; vgl. HOMBERGER N. 1 zu Art. 940). Nach der Rechtsprechung zu
Art. 940 ZGB
ist der bösgläubige Besitzer (also z.B. derjenige, der eine Sache in bösem Glauben von einem Nichtberechtigten erworben hat) zum Ersatz des Wertes der Sache verpflichtet, wenn er sie an einen Dritten veräussert hat, dem sie nicht oder nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises (
Art. 934 Abs. 2 ZGB
) abgefordert werden kann (
BGE 79 II 61
, Urteile vom 12. November 1953 i.S. Rothschild gegen Carpentier und vom 20. Oktober 1954 i.S. Pfister gegen Buri). Die Legitimation zu einer solchen Schadenersatzklage lässt sich nun aber keinesfalls aus der blossen Tatsache ableiten, dass der Kläger die Sache, deren Wert er ersetzt verlangt, früher besessen hat, selbst wenn man mit WIELAND, OSTERTAG und TUOR (vgl. die angeführten Belegstellen) annehmen will, dass schon der frühere Besitz als solcher (also nicht erst das gestützt darauf zu vermutende
BGE 84 II 253 S. 261
Recht des frühern Besitzers) die Legitimation zur Klage gegen den bösgläubigen Erwerber auf Herausgabe der Sache begründe. Infolge der Weiterveräusserung der Sache durch den bösgläubigen Erwerber ist der frühere Besitzer nur unter der Voraussetzung um den Wert der Sache geschädigt, dass sie ihm gehörte oder dass er einem andern gegenüber dafür verantwortlich war. Zur Erhebung einer Schadensatzklage wie der vorliegenden ist also der frühere Besitzer nur dann legitimiert, wenn er das Vorliegen dieser Voraussetzung darzutun vermag. Nur dann ist er der "Berechtigte" im Sinne von
Art. 940 ZGB
. In den Fällen, wo das Bundesgericht den Anspruch eines frühern Besitzers auf Ersatz des Werts von nicht mehr vindizierbaren Sachen geschützt hat, stand denn auch ausser Frage, dass der Kläger (oder derjenige, der ihm den Schadenersatzanspruch abgetreten hatte) Eigentümer der betreffenden Sachen gewesen war.
3.
Der Kläger stützt seinen Schadenersatzanspruch auf den Verlust seines Eigentums an den streitigen Aktien. Dass er einem Dritten gegenüber für diese Titel verantwortlich sei, hat er nicht behauptet. Seine Klagelegitimation hängt also davon ab, ob er wirklich Eigentümer dieser Titel war. Nach
Art. 8 ZGB
hat er dies zu beweisen.
Gemäss
Art. 930 ZGB
wird vom Besitzer einer beweglichen Sache vermutet, dass er ihr Eigentümer sei (Abs. 1), und besteht für jeden frühern Besitzer die Vermutung, dass er in der Zeit seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei (Abs. 2). Diese Vermutung rechtfertigt sich jedoch nach der Praxis nur, wenn der Besitz so beschaffen ist, dass sich daraus wirklich vorläufig auf ein Recht an der Sache schliessen lässt; sie entfällt namentlich, wenn der Besitz bloss auf einem "zweideutigen" Gewaltverhältnis über die Sache beruht (possession équivoque; vgl.
BGE 41 II 31
/32,
BGE 50 II 241
/42,
BGE 68 II 28
,
BGE 71 II 255
,
BGE 76 II 345
,
BGE 81 II 205
).
Im vorliegenden Falle lässt sich der frühere Besitz des Klägers nicht etwa deshalb als zweideutig bezeichnen,
BGE 84 II 253 S. 262
weil Zweifel daran bestünden, ob es beim Erwerb des Besitzes durch ihn mit rechten Dingen zugegangen sei. Die Titel sind ihm vielmehr auf Grund eines an sich ganz unverdächtigen Kaufs geliefert worden, was normalerweise genügt, um dem Empfänger das Eigentum zu verschaffen (vgl. z.B.
BGE 72 II 282
Erw. 2). Dagegen werden, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, durch die berufliche Tätigkeit des Klägers Zweifel darüber geweckt, ob er die Titel wirklich als Eigentümer und nicht bloss als Beauftragter besessen habe.
Der Kläger war und ist unbestrittenermassen Börsenmakler oder (um der Ausdrucksweise des Bankengesetzes, Art. 1 lit. c, zu folgen) Börsenagent. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kauft und verkauft er als solcher Wertpapiere nicht nur für sich selber, sondern auch im Auftrag und für Rechnung von Kunden. Letzteres dürfte, dem Wesen des Gewerbes entsprechend, sogar die Regel sein. Wenn ein Börsenagent Titel im Auftrag und für Rechnung von Kunden einkauft, so folgt daraus allerdings noch nicht notwendig, dass die Titel nicht ihm, sondern den Kunden gehören. Der Börsenagent handelt in derartigen Fällen als Einkaufskommissionär. Dass die Sachen, die ein solcher für Rechnung eines Kunden erwirbt, unmittelbar in dessen Eigentum übergehen, trifft entgegen der den Erwägungen der Vorinstanz offenbar zugrunde liegenden Auffassung kaum allgemein zu, ist aber kraft stiller Stellvertretung (
Art. 32 Abs. 2 OR
) auf jeden Fall sehr wohl möglich und nach herrschender Ansicht sogar zu vermuten (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 zu
Art. 401 OR
, v. TUHR/SIEGWART, OR § 44 I S. 334 f.; vgl. auch BECKER, N. 2 zu
Art. 434 OR
). Unter diesen Umständen ist der frühere Besitz des Klägers an den streitigen Titeln nicht geeignet, die Vermutung zu begründen, dass diese Titel wirklich ihm gehörten, auch wenn er sie auf seinen eigenen Namen gekauft hat. Sein Besitz war in dem Sinne zweideutig, dass die Titel mindestens ebensogut Eigentum von Dritten (eventuell sogar von S.) sein konnten.
BGE 84 II 253 S. 263
4.
Entfällt die Vermutung aus
Art. 930 ZGB
, so kann sich nur noch fragen, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis seines Eigentums auch ohne die Hilfe dieser Vermutung zu erbringen vermöge. Diese Frage konnte von der Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht verneint werden. Die eigenen Aussagen des Klägers vermögen nach dem angefochtenen Urteil aus Gründen des kantonalen Prozessrechts, dessen Anwendung das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüfen kann, keinen Beweis zu seinen Gunsten zu schaffen. Die Aussagen des Y, der bestätigte, dass der Kläger die streitigen Aktien für seine eigene Rechnung gekauft habe, und die Aufzeichnungen in der Kontoblättern der Firma Y & Cie sind nach der für das Bundesgericht verbindlichen Beweiswürdigung der Vorinstanz vor allem deswegen nicht beweiskräftig, weil sie sich im entscheidenden Punkt lediglich auf Angaben des Klägers stützen. Eigene Geschäftsbücher, aus denen sich allenfalls hätte ergeben können, dass der Kläger die Aktien wie von ihm behauptet auf eigene Rechnung gekauft habe, vermochte der Kläger (der sich zunächst mit der Durchführung einer Buchexpertise bei ihm einverstanden erklärt hatte) für die in Frage stehende Zeit nicht vorzulegen. (Ob er damals schon zur Eintragung ins Handelsregister und zur Buchführung verpflichtet gewesen wäre und ob in seinen Geschäftsbüchern ein auf eigene Rechnung erfolgter Kauf hätte verzeichnet sein müssen, was er bestreitet, kann dahingestellt bleiben, da die Vorinstanz aus der Nichterfüllung jener von ihr angenommenen Pflichten nicht einen für ihn nachteiligen rechtlichen Schluss gezogen, sondern einfach festgestellt hat, er habe es sich selber zuzuschreiben, wenn er sein Eigentum an den streitigen Aktien nicht durch seine Buchhaltung beweisen könne. Da die Vorinstanz nicht angenommen hat, sein Eigentum hätte sich überhaupt nur durch seine Geschäftsbücher beweisen lassen, und da im übrigen die Einschreibung eines geschäftlichen Vorgangs in die Geschäftsbücher nicht als Form des ihm zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts
BGE 84 II 253 S. 264
angesehen werden könnte, kann auch keine Rede davon sein, dass das angefochtene Urteil
Art. 10 ZGB
verletze, wonach dort, wo das Bundesrecht für die Gültigkeit eines Rechtsgeschäftes keine besondere Form vorschreibt, das kantonale Recht auch für die Beweisbarkeit des Rechtsgeschäftes eine solche nicht vorschreiben darf). Andere Beweise für sein Eigentum hat der Kläger nicht angeboten. Dass es sich, falls er die Aktien nicht für eigene Rechnung, sondern als Beauftragter eines Dritten gekauft hätte, nur um ein fiduziarisches Geschäft hätte handeln können, bei dem er das Eigentum erworben hätte, trifft nach dem früher Gesagten nicht zu (Erw. 3). Die in der Berufungsschrift aufgestellte Behauptung, auch im Falle des Kaufs für Rechnung eines Dritten wäre der Wille des Klägers nach seinen Äusserungen gegenüber Y auf den Erwerb des Eigentums für sich selber gegangen, was einen direkten Übergang des Eigentums auf den Auftraggeber ausgeschlossen hätte (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12 zu
Art. 401 OR
; LEMP, Das Eigentum am Erlös aus Kommissionsware, ZSR neue Folge Bd. 61 S. 281 ff., insbes. S. 309/310), ist als ein neues Vorbringen über eine Tatfrage gemäss
Art. 55 lit. c OG
nicht zu hören. Es muss daher beim Entscheid der Vorinstanz bleiben, wonach der Kläger schon mangels Nachweises seines frühern Eigentums zur vorliegenden Schadenersatzklage nicht legitimiert ist.
5.
Beigefügt werden mag, dass sich im Falle der Bejahung der Aktivlegitimation ernstlich die Frage gestellt hätte, ob die Klage an
Art. 44 Abs. 1 OR
scheitern müsste, weil der Kläger, nachdem die vermissten Titel in der Schweiz wieder zum Vorschein gekommen waren, die sich aufdrängenden gerichtlichen Massnahmen zur Wiedererlangung der Titel gegenüber dem Beklagten und der Bank, die sie ohne Beachtung der Vermisstmeldung belehnt hatte, in ganz unverständlicher Weise verschleppt hat, bis die Vermisstmeldung widerrufen war und die Titel infolge Verkaufs an gutgläubige Dritte nicht mehr beigebracht werden konnten (vgl.
BGE 83 II 140
Erw. 6).
BGE 84 II 253 S. 265
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 22. November 1957 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
afbc6c33-f222-4b2e-9f3f-20e26bb48ba0 | Urteilskopf
117 IV 256
46. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 6 septembre 1991 dans la cause X. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 140 Ziff. 1 StGB
, Veruntreuung.
In einem Krankenversicherungssystem, in dem der Patient allein Schuldner in bezug auf die Kosten seiner medizinischen Versorgung bleibt, stellt die Leistung der Krankenkasse an den Versicherten kein anvertrautes Gut dar. | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 117 IV 256 S. 256
A.-
Mme X. a reçu à la fin du mois d'août 1988 une facture de la "Clinique S." en raison de son hospitalisation durant une quinzaine de jours pour un accouchement. Elle a transmis la facture à son assurance (caisse d'assurance-maladie) qui lui a versé le montant intégral demandé par la clinique, soit 13'058 fr. 55. Cette somme a été virée sur le compte de chèques postaux de l'assurée, mais celle-ci - en proie à des difficultés financières - a utilisé cet argent pour désintéresser d'autres créanciers que la clinique. Cet établissement hospitalier a obtenu un acte de défaut de biens de 14'377 fr. 45 au mois de juin 1989.
B.-
A la suite d'une plainte pénale déposée par la clinique, X. a été renvoyée devant le Tribunal correctionnel du district de Lausanne pour abus de confiance. Elle a été acquittée après s'être engagée à payer par acomptes la facture de la clinique, ce qui avait entraîné le retrait de la plainte.
C.-
La Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a admis le recours du Ministère public du canton de Vaud. X. a été condamnée à 2 mois d'emprisonnement avec sursis pendant 2 ans pour abus de confiance.
D.-
L'accusée se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Elle soutient pour l'essentiel que la prestation d'assurance ne lui avait pas été confiée; elle demande l'annulation de l'arrêt de la Cour de cassation du canton, ainsi que le renvoi de la cause à l'autorité cantonale afin d'être acquittée, sous suite de frais et dépens.
BGE 117 IV 256 S. 257
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) D'après l'
art. 140 ch. 1 CP
, commet un abus de confiance celui qui, dans un dessein d'enrichissement illégitime, s'approprie sans droit une chose mobilière appartenant à autrui et qui lui avait été confiée ou celui qui, sans droit, emploie à son profit ou à celui d'un tiers une chose fongible, notamment une somme d'argent laquelle lui avait été confiée.
L'un des éléments de cette infraction est le caractère de chose confiée de l'objet ou de l'argent que l'auteur s'est approprié sans droit. Ce dernier acquiert, grâce à la confiance dont il jouit, la possibilité de disposer de la chose appartenant à autrui; en d'autres termes, un pouvoir sur la chose d'autrui doit lui avoir été confié à la suite d'un accord avec le propriétaire de dite chose (
ATF 111 IV 132
consid. 1a). Ainsi, une chose est confiée au sens de l'
art. 140 ch. 1 CP
lorsqu'elle est remise ou laissée à l'auteur pour qu'il l'utilise de manière déterminée dans l'intérêt d'autrui, en particulier pour la garder, l'administrer ou la livrer selon des instructions qui peuvent être expresses ou tacites (
ATF 106 IV 259
consid. 1,
ATF 101 IV 33
et arrêts cités).
b) L'autorité cantonale n'a pas ignoré la jurisprudence précitée mais lui a donné une extension qu'elle ne comporte pas. En effet, rien dans l'état de fait ne permet de penser que le contrat d'assurance maladie de la recourante contienne des clauses particulières. Or, selon les art. 22bis al. 7 et 22quater al. 6 LAMA (RS 832.10), les assurés membres d'une caisse-maladie demeurent débiteurs des honoraires dus au médecin et des montants demandés par l'établissement hospitalier dans lequel ils ont séjourné; les dispositions conventionnelles contraires sont réservées. En principe donc, les relations nouées entre le patient et la clinique sont régies par le droit des obligations. La caisse maladie n'est en rien débitrice des créances de l'établissement hospitalier mais se limite à garantir, en tant que "tiers garant", leur prise en charge dans la mesure où elles incombent à l'assuré (voir ALFRED MAURER, schweiz. Sozialversicherungsrecht, Berne 1981, vol. II p. 354 ss). Dans ce système d'assurance, des liens juridiques étroits, sinon exclusifs, sont maintenus entre le patient et son médecin ou l'établissement hospitalier; l'assuré supporte le risque de devoir payer la différence entre ce qu'il a payé et la prestation versée par la caisse (
ATF 116 V 129
consid. 3).
BGE 117 IV 256 S. 258
Ainsi, en l'absence d'un accord contraire, le rôle d'une caisse maladie se limite à verser à ses assurés les sommes qu'elle leur doit en vertu du contrat passé avec eux. Il n'y a pas de lien juridique entre la caisse et la clinique qui obligerait la première à faire en sorte que la seconde reçoive du patient le montant des frais d'hospitalisation facturés. La caisse est libérée de toutes ses obligations, quant à la couverture des frais médicaux au sens large, dès qu'elle verse à son assuré la prestation qui découle du contrat; la clinique ne peut lui réclamer à aucun titre (garantie, porte-fort, solidarité) le montant d'une facture en souffrance. Il n'incombe pas non plus à la caisse de contrôler - avant de verser sa prestation - que le patient a payé la clinique. Il n'est en effet pas rare que celui-ci règle la facture, de ses propres deniers, avant de recevoir la prestation de la caisse. Dans un tel système, on ne voit pas sur quelle clause du contrat d'assurance-maladie pourrait reposer un rapport de confiance particulier entre les cocontractants, tendant à ce que l'assuré utilise la prestation touchée conformément à la volonté de la caisse.
En l'espèce, il existait deux contrats distincts. L'un avait été conclu entre la caisse-maladie et la recourante. L'autre liait cette dernière à l'établissement hospitalier. En revanche, il n'y avait aucun lien de droit entre la caisse-maladie et la clinique. Dès lors, la prestation d'assurance reçue par la recourante n'était assortie d'aucune condition ou charge propre à créer un rapport de confiance particulier protégé par l'
art. 140 CP
. Après le paiement de la prestation à l'assurée, la caisse n'avait plus d'autres obligations relatives aux soins en cause; on ne discerne donc pas d'obligation dont l'exécution aurait été confiée à la recourante. En d'autres termes, la volonté de l'assurance n'était pas de payer la clinique (ce qu'elle aurait pu pratiquement faire sans passer par un versement à l'assurée) mais seulement d'honorer ses engagements contractuels vis-à-vis de la seule recourante; la prestation a été versée dans l'intérêt exclusif de l'assurée (voir
ATF 86 IV 169
consid. 3).
Même si, par hypothèse, l'on admettait une obligation légale pour le patient de payer la clinique au moyen de l'indemnité versée à cette fin par la caisse-maladie, il n'existerait pas pour autant un rapport de confiance au sens de l'
art. 140 ch. 1 CP
; cette conclusion repose sur les mêmes motifs que ceux énoncés aux
ATF 106 IV 356
consid. 3.
c) La cour cantonale a raisonné en liant les obligations résultant de deux contrats distincts (entre la caisse-maladie et la
BGE 117 IV 256 S. 259
recourante d'une part, entre la clinique et la patiente d'autre part). A tort, cette autorité a ainsi admis que la prestation d'assurance avait été confiée à la recourante (voir SCHUBARTH, Kommentar zum schweiz. Strafrecht, B.T. vol. 2, Berne 1990, art. 140 p. 86 n. 39). L'
art. 140 CP
n'instaure pas une protection pénale générale de la bonne foi dans l'exécution de tous les contrats (voir SCHUBARTH, op.cit., p. 82 n. 24). La somme d'argent doit avoir été confiée, élément qui fait ici défaut. En particulier, contrairement à ce que paraît soutenir le Ministère public cantonal, le lien juridique entre la recourante et la clinique (qui n'a pas versé de somme d'argent et qui n'a rien confié) n'est pas protégé ici.
Le pourvoi doit être admis et la cause renvoyée à l'autorité cantonale afin que la recourante soit acquittée. | null | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
afbe801e-2aab-4ce7-ad48-2cd7a9021e6a | Urteilskopf
116 V 177
31. Sentenza del 12 settembre 1990 nella causa Cassa cantonale di compensazione del Cantone Ticino contro P. e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino | Regeste
Art. 5 Abs. 2 und
Art. 10 Abs. 1 AHVG
,
Art. 11 Abs. 1 AHVV
,
Art. 93 SchKG
: Beitragspflicht des Konkubinatspartners.
- Ermittlung des Naturallohnes des Konkubinatspartners, wenn zufolge der bescheidenen wirtschaftlichen Lage des zur Entrichtung paritätischer Beiträge verpflichteten andern Partners die Bewertung des Naturaleinkommens aufgrund von
Art. 11 Abs. 1 AHVV
offensichtlich in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Verhältnissen steht.
- Anwendung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums für die Ermittlung des Naturallohnes.
- Weil im vorliegenden Fall der für die Partnerin geschuldete Beitrag unterhalb des Mindestbeitrages gemäss
Art. 10 Abs. 1 Satz 1 AHVG
liegt, wird sie in Anwendung von
Art. 10 Abs. 1 Satz 2 AHVG
und in Abweichung von den Grundsätzen gemäss
BGE 110 V 1
zu den nichterwerbstätigen Versicherten gezählt. | Sachverhalt
ab Seite 178
BGE 116 V 177 S. 178
A.-
L'assicurato Ulrich P., padre di una figlia e di un figlio nati rispettivamente nel 1978 e nel 1982, convive con Hanna W.
Mediante decisione del 7 maggio 1987 la Cassa cantonale di compensazione del Cantone Ticino ha proceduto alla tassazione d'ufficio dei contributi AVS/AI/IPG da lui dovuti per Hanna W. nel periodo dal 1o gennaio al 31 dicembre 1986, stabilendone l'importo a fr. 696.60 sulla base di un salario in natura annuo di fr. 6'480.--.
B.-
Ulrich P. è insorto contro la tassazione d'ufficio con ricorso al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino asserendo che egli conviveva con la signora W. in condizioni di assoluta uguaglianza tra uomo e donna, ragione per cui sarebbe stato assurdo ipotizzare una situazione di dipendenza.
Con giudizio del 6 agosto 1987 il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino ha parzialmente accolto il gravame riducendo il salario in natura annuo su cui sarebbero stati da calcolare i contributi a fr. 2'571.--. Secondo i primi giudici, con richiamo alla giurisprudenza del Tribunale federale delle assicurazioni, legittimo era il prelievo del contributo nella forma indicata dalla Cassa di compensazione e da calcolare sul reddito in natura. Sempre per i primi giudici il reddito in natura doveva essere in proporzione con il reddito destinato ad altri membri del nucleo familiare. In ogni caso il reddito in natura non poteva superare la differenza tra il minimo di esistenza calcolato secondo il diritto in materia di esecuzione fallimentare degli altri membri (in casu fr. 12'900.--) ed il reddito lordo realizzato da Ulrich P., al quale incombeva l'obbligo di contribuzione. Richiamati gli incarti fiscali da cui risultava per Ulrich P. un reddito lordo di fr. 15'471.-- i primi giudici hanno fatto obbligo alla Cassa di compensazione di fissare i contributi paritetici da lui dovuti per Hanna W. nel 1986 sulla base di un salario in natura annuo di fr. 2'571.--.
C.-
La Cassa cantonale di compensazione interpone ricorso di diritto amministrativo. Argomenta che la prima istanza,
BGE 116 V 177 S. 179
ammessa la giurisprudenza federale in tema di persone conviventi, se ne sarebbe discostata al momento di calcolare l'importo del contributo, creando una regola non risultante da nessuna norma legale. D'altra parte la soluzione adottata creerebbe difficoltà alla Cassa stessa visto che il salario ammesso risulta inferiore al minimo previsto dall'
art. 10 cpv. 2 LAVS
e quindi la obbliga a rendere due decisioni.
Ulrich P. postula, pur accennando a incongruenze della giurisprudenza, la reiezione del ricorso di diritto amministrativo e la conferma del giudizio in lite.
L'Ufficio federale delle assicurazioni sociali, di contro, propone l'accoglimento del ricorso di diritto amministrativo.
Erwägungen
Diritto:
1.
(Cognizione giudiziaria)
2.
Il salario determinante ai sensi dell'
art. 5 cpv. 2 LAVS
comprende ogni retribuzione del lavoro a dipendenza d'altri per un tempo determinato o indeterminato. Sono da ritenere salario determinante, per definizione, tutte le entrate del salariato economicamente in relazione con il rapporto di lavoro, irrilevante essendo che il rapporto persista o che esso sia stato sciolto e che le prestazioni siano corrisposte in virtù di un'obbligazione oppure a titolo volontario. Devono quindi essere considerate come reddito di un'attività sottoposta a imposizione contributiva non soltanto le retribuzioni versate direttamente per un lavoro svolto, bensì, per principio, anche tutte le indennità o le prestazioni aventi una relazione qualsiasi con il rapporto lavorativo, nella misura in cui esse non sono esonerate dall'imposizione giusta una esplicita disposizione legale (
DTF 110 V 231
consid. 2a e la giurisprudenza ivi citata).
Secondo costante giurisprudenza la donna che convive maritalmente con un uomo e che per la tenuta dell'economia domestica riceve dal compagno prestazioni in natura (vitto e alloggio) nonché uno spillatico deve, dal profilo contributivo, essere considerata quale persona esercitante un'attività dipendente. Le prestazioni in natura e l'eventuale spillatico costituiscono quindi salario determinante ai sensi dell'
art. 5 cpv. 2 LAVS
(
DTF 110 V 1
).
Per l'
art. 11 cpv. 1 OAVS
il vitto e l'alloggio dei lavoratori occupati in aziende non agricole e del personale domestico erano valutati nel 1986 a fr. 18.-- il giorno.
BGE 116 V 177 S. 180
3.
Nell'evenienza concreta non è controverso lo statuto di Hanna W., che ai sensi della LAVS è da ritenere quale persona esercitante un'attività lucrativa dipendente. Litigioso è soltanto il modo di calcolare il reddito in natura (vitto e alloggio) determinante i suoi contributi paritetici e in particolare se le disposizioni dell'
art. 11 cpv. 1 OAVS
sono tassative (come sancito dal Tribunale federale delle assicurazioni nella sentenza inedita in re L. dell'11 maggio 1987) oppure consentono eccezioni laddove la situazione economica del convivente tenuto all'obbligo di contribuzione sia di natura tale da comportare conseguenze difformi dalla volontà del legislatore.
Se di principio sono applicabili le disposizioni dell'
art. 11 cpv. 1 OAVS
, in casi particolari, come il presente, eccezioni devono essere possibili laddove ricorrono gli estremi di una situazione economica modesta e la valutazione del reddito in natura di uno dei conviventi secondo le disposizioni di tale norma si avvera manifestamente sproporzionata se paragonata con la situazione economica dell'altro convivente tenuto all'obbligo di contribuzione. In tali casi, come parte di reddito in natura, sulla quale sono dovuti i contributi paritetici, è da ritenere quella che rimane dopo aver dedotto dal reddito lordo del convivente tenuto all'obbligo di contribuzione il limite di esistenza applicabile nei suoi confronti secondo il diritto esecutivo (
art. 93 LEF
).
4.
Nell'evenienza concreta, dopo aver acquisito agli atti gli incarti fiscali dei conviventi, il Tribunale cantonale delle assicurazioni ha accertato che Hanna W. si occupa unicamente dell'economia domestica della comunione e che il reddito lordo di Ulrich P., padre di due figli minorenni, ammonta complessivamente a fr. 15'471.-- annui.
Considerata la modesta situazione economica di Ulrich P. appare evidente che la valutazione della prestazione in natura corrispondente al vitto e all'alloggio della convivente Hanna W. non possa essere determinata applicando la valutazione prevista dall'
art. 11 cpv. 1 OAVS
. Infatti, secondo questa normativa, nel tenore vigente nel 1986 e applicabile in concreto, il reddito in natura annuo sulla base del quale dovrebbero essere corrisposti i contributi paritetici risulterebbe di fr. 6'480.--, importo che si avvera manifestamente sproporzionato se messo a confronto con il reddito annuo complessivo di fr. 15'471.-- a disposizione di Ulrich P. per far fronte ai bisogni dell'economia domestica della comunione convivente con due figli.
BGE 116 V 177 S. 181
Dato che i minimi di esistenza annui fissati dal diritto esecutivo ammontavano nel 1986 a fr. 8'760.-- per una persona singola, importo al quale era da aggiungere un supplemento di fr. 2'400.-- per una figlia di 8 anni e un supplemento di fr. 1'680.-- per un figlio di 4 anni (Tabella dei minimi di esistenza allestita dalla Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino il 1o gennaio 1986), il minimo di esistenza di Ulrich P. nel 1986 era di fr. 12'840.--.
In applicazione dei principi enunciati nel precedente considerando i contributi paritetici da lui dovuti per Hanna W. dovrebbero quindi essere calcolati su un importo di fr. 2'631.--, pari alla differenza fra il reddito lordo realizzato da Ulrich P., fissato dal Tribunale cantonale delle assicurazioni a fr. 15'471.--, e l'ammontare complessivo del suo limite di esistenza di fr. 12'840.--.
5.
Giusta l'
art. 10 cpv. 1 LAVS
, seconda frase, gli assicurati che esercitano un'attività lucrativa e che, durante un anno civile, pagano, incluso se del caso il contributo del datore di lavoro, contributi inferiori a fr. 252.-- (v. art. 6 cpv. 2 dell'Ordinanza 86 sugli adeguamenti all'evoluzione dei prezzi e dei salari nell'AVS/AI, applicabile in concreto) sono considerati non esercitanti un'attività lucrativa.
Nel caso in esame i contributi paritetici che Ulrich P., secondo le considerazioni che precedono, dovrebbe versare per Hanna W. nel 1986, tenuto conto del reddito imponibile ai fini contributivi dell'AVS di fr. 2'631.-- e del tasso contributivo totale in vigore a quell'epoca di 8,4% (contributo personale dell'assicurato e del datore di lavoro), ammontano a fr. 221.--. Essendo tale importo inferiore al minimo legale per il 1986 di fr. 252.--, in applicazione dell'
art. 10 cpv. 1 LAVS
, seconda frase, Hanna W. deve essere qualificata in concreto e ciò in eccezione ai principi giurisprudenziali enunciati in
DTF 110 V 1
(v. consid. 2, penultimo capoverso) quale persona non esercitante un'attività lucrativa. Ne consegue che il querelato giudizio e la decisione amministrativa del 7 maggio 1987 devono essere annullati e gli atti rinviati alla Cassa di compensazione ricorrente per nuova fissazione dei contributi AVS/AI/IPG dovuti da Hanna W. per il 1986. | null | nan | it | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
afc99d0a-f84f-4a14-ac50-6c9aba7d5edb | Urteilskopf
140 II 345
31. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause A.X. contre Service de la population du canton de Vaud (recours en matière de droit public)
2C_14/2014 du 27 août 2014 | Regeste
Art. 49 und 50 Abs. 1 lit. a AuG
; Ehegemeinschaft von mindestens drei Jahren; Berechnung der Dreijahresfrist; Zusammenrechnen von zwei Zeitspannen gemeinsamer Haushaltsführung und einer dritten Periode, welche unter die Ausnahme vom Erfordernis des gemeinsamen Haushalts fällt.
Eheleute, die zuerst in der Schweiz einen gemeinsamen Haushalt führen (Periode 1), bevor die schweizerische Gattin aus beruflichen Gründen ins Ausland zieht, während der kosovarische Ehemann gemäss
Art. 49 AuG
berechtigt ist, in der Schweiz zu verbleiben (Periode 2). Nachdem der Mann aber ungerechtfertigt lange von seiner Frau getrennt gelebt hat und seine Aufenthaltsbewilligung deshalb nicht verlängert wird, kehrt die Gattin für ein mehrmonatiges erneutes Zusammenwohnen mit ihrem Mann in
die Schweiz zurück, bevor die eheliche Gemeinschaft endgültig aufgelöst wird (Periode 3). Die Periode 1 (E. 4.3) kann mit der Periode 2 zusammengerechnet werden, wenn der Wille zur ernsthaften Führung eines Ehelebens während der Zeit des Getrenntlebens tatsächlich weiterbesteht (E. 4.4), aber auch mit der kurzen Periode 3, selbst wenn dieser - mit Blick auf
Art. 49 AuG
- eine Zeit ungerechtfertigten Getrenntlebens vorausgegangen ist (E. 4.5). | Sachverhalt
ab Seite 346
BGE 140 II 345 S. 346
A.
A.a
A.X., (...) originaire du Kosovo, est entré illégalement en Suisse le 10 novembre 2005. A la suite de son mariage, le 28 septembre 2006, avec la ressortissante suisse B., il a obtenu une autorisation de séjour valable jusqu'au 27 septembre 2007. Aucun enfant n'est issu de cette union.
A.b
Le 1
er
mai 2007, B.X. a quitté la Suisse, où elle dépendait de l'assistance sociale, pour exercer une activité lucrative (...) en France. Indiquant continuer à entretenir des contacts réguliers avec son épouse et faire ménage séparé dans l'attente de trouver un travail au domicile français de celle-ci, A.X. a obtenu la prolongation de son autorisation de séjour en Suisse jusqu'au 27 septembre 2009. Le 7 août 2009, il a requis une nouvelle prolongation de l'autorisation au motif qu'il était toujours à la recherche d'un emploi en France pour y rejoindre son épouse. Cette requête a été refusée par décision du Service de la population du canton de Vaud (ci-après: le Service cantonal) du 4 mars 2010 et confirmée sur recours par arrêt de la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal du canton de Vaud (ci-après: le Tribunal cantonal) du 7 octobre 2010. Par arrêt 2C_871/2010 du 7 avril 2011, le Tribunal fédéral a rejeté le recours formé par A.X. contre ce dernier arrêt cantonal, retenant en
BGE 140 II 345 S. 347
substance qu'après avoir disposé de près de trois années pour trouver un emploi au domicile français de son épouse, l'intéressé ne pouvait plus se prévaloir de l'exception pour raisons majeures justifiant l'existence de domiciles séparés des époux et, partant, être considéré comme faisant ménage commun avec celle-ci.
A.c
Après avoir été invité à quitter la Suisse en avril 2011, A.X., le 16 mai 2011, a informé les autorités de ce que son épouse était revenue vivre au domicile conjugal suisse et s'était inscrite au registre des habitants de Moudon, ensuite de quoi son autorisation de séjour a été renouvelée. Dans le cadre d'une enquête diligentée par les autorités à l'occasion du renouvellement ultérieur de l'autorisation de séjour de A.X., les époux ont admis qu'ils s'étaient séparés au mois de septembre 2011.
B.
Après avoir entendu A.X. et l'avoir informé de son intention de révoquer son autorisation de séjour, le Service cantonal a refusé de renouveler l'autorisation de séjour arrivée entre-temps à échéance et prononcé le renvoi de Suisse par décision du 18 septembre 2013. Par arrêt du 21 novembre 2013, le Tribunal cantonal a rejeté le recours formé par A.X. contre la décision précitée, qu'il a confirmée.
C.
A l'encontre de l'arrêt du 21 novembre 2013, A.X. dépose à la fois un recours en matière de droit public et un recours constitutionnel subsidiaire au Tribunal fédéral. Il conclut (...), principalement, à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que la décision du 18 septembre 2013 est annulée et que le Service cantonal lui accorde une autorisation de séjour; subsidiairement, à l'annulation de l'arrêt querellé et au renvoi de la cause pour nouvelle instruction et décision dans le sens des considérants. (...)
Le Tribunal fédéral admet le recours en matière de droit public, annule l'arrêt du Tribunal cantonal du 21 novembre 2013 et renvoie la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision au sens des considérants. Le recours constitutionnel subsidiaire est déclaré irrecevable.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Selon l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
(RS 142.20), après dissolution de la famille, le droit du conjoint à l'octroi d'une autorisation de séjour et à la prolongation de sa durée de validité en vertu des
art. 42 et 43 LEtr
subsiste si l'union conjugale a duré au moins trois ans et que l'intégration est réussie. Il s'agit de deux conditions cumulatives
BGE 140 II 345 S. 348
(
ATF 136 II 113
consid. 3.3.3 p. 119). L'
art. 50 LEtr
ne trouve application qu'en cas d'échec définitif de la communauté conjugale (
ATF 140 II 129
consid. 3.5 p. 133).
i) Condition de la durée minimum de l'union conjugale
4.1
S'agissant de la première condition de l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
, la période minimale de trois ans de l'union conjugale commence à courir dès le début de la cohabitation effective des époux en Suisse et s'achève au moment où ceux-ci cessent de faire ménage commun (
ATF 138 II 229
consid. 2 p. 231;
ATF 136 II 113
consid. 3.3.3 p. 119). Seules les années de mariage et non de concubinage sont pertinentes (cf.
ATF 136 II 113
consid. 3.3.1 p. 118; arrêt 2C_178/2014 du 20 mars 2014 consid. 5.2). Il n'est pas nécessaire que la vie commune des époux en Suisse ait eu lieu d'une seule traite. Des séjours à l'étranger du couple ne font ainsi pas obstacle à l'application de cette disposition si l'addition des périodes de vie commune en Suisse aboutit à une durée supérieure à trois ans (arrêt 2C_430/2011 du 11 octobre 2010 consid. 4.1.2). Pour satisfaire à la durée légale minimum requise, il n'est pas possible de cumuler les (courtes) périodes afférentes à des mariages distincts, que le ressortissant étranger aurait célébrés successivement (
ATF 140 II 289
consid. 3 p. 291).
4.2
Il faut distinguer la période durant laquelle les époux ont fait ménage commun en Suisse (consid. 4.3) de celle pendant laquelle le recourant a résidé seul en Suisse, après que son épouse s'était installée en France (consid. 4.4), ainsi que de celle au cours de laquelle l'épouse du recourant est retournée s'installer auprès de lui en Suisse (consid. 4.5).
4.3
Il résulte des constatations de fait figurant dans l'arrêt querellé que le recourant s'est marié avec une ressortissante suisse le 28 septembre 2006 et a, dès cette date, vécu avec elle en Suisse pendant plus de sept mois jusqu'au 1
er
mai 2007, date à laquelle celle-ci s'est installée en France, tandis que le recourant a continué à résider en Suisse, dans un premier temps au bénéfice de l'autorisation de séjour non encore échue délivrée à la suite de son mariage. Il ne procède pas de l'arrêt entrepris que les précédents juges auraient mis en doute la réalité de l'union conjugale des époux durant cette période de vie commune en Suisse, qui doit donc être comptabilisée au titre de la durée minimum prévue l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
.
4.4
Après le départ de Suisse de l'épouse le 1
er
mai 2007 et au bénéfice des explications fournies par le recourant qui disait chercher un emploi en France afin de rejoindre sa conjointe, les autorités
BGE 140 II 345 S. 349
cantonales ont admis que le recourant pouvait, à l'échéance de l'autorisation de séjour valable jusqu'au 27 septembre 2007, se prévaloir de l'exception à l'exigence de ménage commun prévue à l'
art. 49 LEtr
et ont, pour ce motif, prolongé jusqu'au 27 septembre 2009 l'autorisation de séjour en faveur du recourant, qui n'a pas été révoquée avant son échéance. Ce n'est qu'après que le recourant eut, le 30 août 2009, sollicité une nouvelle prolongation de son autorisation de séjour en Suisse, sans établir la persistance, après une période de séparation aussi longue, de raisons majeures justifiant la vie géographiquement séparée des époux, que les autorités vaudoises ont considéré qu'il ne faisait plus ménage commun avec son épouse, au sens des
art. 42 al. 1 et 49 LEtr
, décision que le Tribunal fédéral a confirmée en dernière instance dans son arrêt 2C_871/2010 du 7 avril 2011. Il se pose ainsi la question de savoir si la période durant laquelle le recourant a été mis au bénéfice de l'exception de l'
art. 49 LEtr
peut être prise en compte dans le calcul de la durée minimale de trois ans exigée par l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
.
4.4.1
En vertu de l'
art. 49 LEtr
, l'exigence du ménage commun prévue aux art. 42 à 44 n'est pas applicable lorsque la communauté familiale est maintenue et que des raisons majeures justifiant l'existence de domiciles séparés peuvent être invoquées. Dans son arrêt 2C_871/2010 du 7 avril 2011 concernant le recourant, la Cour de céans a implicitement admis que l'
art. 49 LEtr
s'appliquait également lorsque le conjoint suisse vivait à l'étranger séparé de son époux (consid. 3.2). Il y a lieu de souligner que, en effet, ni la lettre ni l'esprit de l'
art. 49 LEtr
n'opèrent de distinction selon que les raisons majeures justifiant que les époux vivent provisoirement séparés (qu'elles soient du reste d'ordre professionnel, familial ou autre) contraignent l'époux dont se déduit l'autorisation originaire à se constituer temporairement un domicile distinct en Suisse ou dans un Etat étranger. Cela étant, la dérogation au principe du ménage commun pour raisons majeures suppose que la communauté familiale soit effectivement maintenue, conformément aux
art. 42 ss LEtr
. Cela signifie que l'autorisation de séjour qui a été octroyée en application de l'
art. 49 LEtr
perdrait tout fondement en cas de dissolution (subséquente) de l'union conjugale, de sorte à pouvoir, le cas échéant, être révoquée en cours de validité. Savoir si tout ou partie de la période dérogatoire admise selon l'
art. 49 LEtr
doit être prise en compte dans la durée prévue à l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
ne dépend ainsi pas tant de la durée formelle de l'autorisation de séjour qui est délivrée
BGE 140 II 345 S. 350
conformément à l'
art. 49 LEtr
, mais du
maintien effectif du lien conjugal
durant ladite période.
4.4.2
En l'occurrence, le recourant a bénéficié d'une dérogation selon l'
art. 49 LEtr
ensuite du départ de son épouse vers la France. A l'aune des liens intrinsèques qui existent entre les
art. 42 et 49 LEtr
, il en découle qu'avant d'accorder une telle dérogation, les autorités précédentes ont, implicitement, considéré que l'union conjugale du recourant avec son épouse perdurait au-delà de la constitution de domiciles séparés, fait qui est au demeurant présumé du moment où une situation exceptionnelle a été reconnue au sens de l'
art. 49 LEtr
et pour autant que le dossier de la cause ne contienne pas d'indices contraires (cf. arrêts 2C_871/2010 du 7 avril 2011 consid. 3.1; 2C_723/2010 du 14 février 2011 consid. 4.1).
En revanche, l'arrêt attaqué ne se prononce pas sur le maintien de la communauté conjugale jusqu'à l'échéance, au 27 septembre 2009, de l'autorisation de séjour. Or, on ne peut exclure que les époux puissent avoir mis fin à leur communauté conjugale déjà avant l'échéance formelle de l'autorisation de séjour, voire qu'ils aient fictivement prétendu maintenir leur union pour permettre au recourant, à terme, de déduire un droit de séjour de l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
. Cette question est potentiellement décisive, dès lors que, dans l'hypothèse où la période du 27 septembre 2007 au 27 septembre 2009, durant laquelle le recourant a vécu séparément de son épouse tout en bénéficiant de la dérogation prévue à l'
art. 49 LEtr
, serait comptabilisée dans la durée de l'union conjugale en Suisse, au sens de l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
, le recourant serait susceptible de remplir la condition de la durée minimum de trois ans. Il appartiendra partant au Tribunal cantonal d'examiner cet aspect.
4.5
Les autorités cantonales ont par ailleurs retenu, lorsqu'elles ont renouvelé le permis de séjour de l'intéressé en 2011, que la vie commune des époux avait repris au mois d'avril 2011, conformément à l'avis du 16 mai 2011 que le recourant leur avait adressé au sujet du retour et de la réinscription au registre des habitants de son épouse en Suisse; cette nouvelle période de cohabitation a duré, selon le Tribunal cantonal, jusqu'au 1
er
septembre 2011 environ, soit cinq mois, date à laquelle les époux - le recourant mentionnant plus vaguement le "mois de septembre" - ont admis avoir effectivement mis fin à leur communauté conjugale.
BGE 140 II 345 S. 351
4.5.1
Il sied de se demander s'il est possible de comptabiliser cette période de vie commune dans le calcul de la durée minimum selon l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
.
4.5.2
Sous réserve d'un éventuel abus de droit, la jurisprudence admet que plusieurs périodes de vie commune en Suisse, même de courte durée et/ou qui sont interrompues par des temps de séparation prolongée, puissent être additionnées en vue de satisfaire à la condition de la durée minimum de l'union conjugale (
art. 50 al. 1 let. a LEtr
), à condition que les époux soient véritablement et sérieusement déterminés à poursuivre leur communauté conjugale (cf.
ATF 140 II 289
consid. 3.5.1 p. 294; arrêts 2C_602/2013 du 10 juin 2014 consid. 2.2 ["eine tatsächlich gelebte eheliche Beziehung und einen entsprechenden Ehewillen"]; 2C_231/2011 du 21 juillet 2011 consid. 4.6).
La question de savoir si les périodes de ménage commun des époux en Suisse peuvent s'additionner même lorsqu'elles ont été interrompues par plusieurs périodes d'éloignement non justifiées au regard de l'
art. 49 LEtr
(question laissée ouverte in arrêt 2C_830/2010 du 10 juin 2011 consid. 2.2.2; cf. aussi arrêt 2C_873/2013 du 25 mars 2014 consid. 3.5.1) doit être tranchée par l'affirmative. En effet, le point de savoir si la séparation géographique du couple qui continue à former une communauté conjugale se justifiait pour des raisons majeures permet uniquement de vérifier si la période de vie séparée pourra être prise en compte pour calculer la durée effective de l'union conjugale, au sens de l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
. Pour établir si la période pendant laquelle un couple vit à nouveau ensemble après une séparation doit ou non être comptabilisée, il faut savoir si les époux ont conservé la volonté sérieuse de maintenir une union conjugale pendant leur vie séparée (cf. arrêt 2C_602/2013 du 10 juin 2014 consid. 2.2 et 4.3 in fine). Ainsi, selon la jurisprudence, ne peuvent être comptabilisées une ou plusieurs périodes de vie commune de courte durée interrompues par de longues séparations lorsque le couple ne manifestait pas l'intention ferme de poursuivre son union conjugale (cf. arrêts 2C_602/2013 du 10 juin 2014 consid. 2.2; 2C_231/2011 du 21 juillet 2011 consid. 4.6).
4.5.3
Il procède des faits constatés par la précédente instance qu'au retour de France de l'épouse du recourant, les conjoints avaient à nouveau fait ménage commun en Suisse pendant une période de cinq mois, avant de mettre un terme à leur union conjugale au 1
er
septembre 2011. Bien que relativement brève, une telle période dépasse
BGE 140 II 345 S. 352
néanmoins la "durée critique" nécessaire à partir de laquelle le juge peut en tenir compte en vue de l'addition, au sens de l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
, des périodes de vie commune des époux. En conséquence, la période de cinq mois de vie commune des époux en Suisse devra être prise en compte dans le calcul de la durée supérieure à trois ans, au sens de l'
art. 50 al. 1 let. a LEtr
. | public_law | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
afce4bb0-f173-412d-b13d-8ef0f5007216 | Urteilskopf
126 IV 53
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Januar 2000 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 51 Abs. 3 und
Art. 91 Abs. 3 SVG
,
Art. 23 Abs. 1 StGB
; Unterlassung der Meldung eines Unfalls an die Polizei, Vereitelung einer Blutprobe, untauglicher Versuch.
Fall eines Lenkers, der bei einem Selbstunfall keinen Drittschaden verursacht hat und somit zur Meldung nicht verpflichtet war, die Verursachung eines Drittschadens aber als möglich angesehen und in Kauf genommen hat. Bestätigung des Schuldspruchs wegen untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 54
BGE 126 IV 53 S. 54
Am 11. Dezember 1997, um ca. 23.00 Uhr, fuhr K. mit seinem Personenwagen "Porsche 911 Carrera" von Zürich her kommend durch die Badenerstrasse in Schlieren. Bei der Kreuzung mit der Wagi- bzw. Allmendstrasse kollidierte er mit einem Signalmast. K. verliess die Unfallstelle, ohne das Eintreffen der Polizei abzuwarten, welche - wie er bemerkt hatte - von Passanten benachrichtigt worden war. Erst Tage später erkundigte er sich bei der Polizei nach seinem an der Unfallstelle zurückgelassenen Fahrzeug.
Am 16. Februar 1999 verurteilte der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich K. wegen Vereitelung einer Blutprobe und pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall zu 60 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren.
In teilweiser Gutheissung der dagegen von K. erhobenen Berufung erklärte ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 4. Juni 1999 schuldig des untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe. Von der Anschuldigung des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall sprach es ihn frei. Es bestrafte K. mit 14 Tagen Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren.
K. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zum Freispruch auch vom Vorwurf des untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
a) Die Vorinstanz legt dar, die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei erfülle den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe nur, wenn der Fahrzeugführer zur Benachrichtigung der Polizei verpflichtet war. Bei Selbstunfällen bestehe eine Meldepflicht, wenn an fremdem Gut Schaden entstanden sei. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass der Zusammenstoss mit dem Signalmast von grosser Heftigkeit war. Gleichwohl nimmt sie zu Gunsten des Beschwerdeführers an, dass beim Unfall nur sein Personenwagen, nicht aber der Signalmast beschädigt wurde und deshalb keine Meldepflicht bestand. Damit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe in objektiver Hinsicht nicht erfüllen können. Das führe aber nicht zum Freispruch. Der Beschwerdeführer habe nie geltend gemacht, nach dem Unfall nachgeschaut zu haben, ob der Signalmast beschädigt worden sei,
BGE 126 IV 53 S. 55
obwohl dies aufgrund des Unfallhergangs sehr wahrscheinlich gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei sowohl in der Untersuchung als auch vor erster Instanz davon ausgegangen, dass er die Polizei hätte verständigen müssen. Die Vorinstanz nimmt also offensichtlich an, dass der Beschwerdeführer die Beschädigung des Masts zumindest als möglich angesehen und sich damit abgefunden hat. Die Vorinstanz führt weiter aus, der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass die von Passanten benachrichtigte Polizei demnächst auf der Unfallstelle erscheinen und aufgrund der Umstände eine Blutprobe anordnen würde. Um dieser zu entgehen, habe er, nachdem er seinen Wagen nicht wegzuschieben vermochte, die Unfallstelle fluchtartig verlassen. Er habe in Bezug auf die Missachtung einer Meldepflicht eventualvorsätzlich und in Bezug auf die Verunmöglichung einer Blutprobe mit direktem Vorsatz gehandelt. Er habe damit alle Tatbestandselemente der Vereitelung einer Blutprobe verwirklichen wollen bzw. ihre Verwirklichung zumindest in Kauf genommen, ohne zu wissen, das dies objektiv nicht möglich war. Bei dieser Sachlage sei der Beschwerdeführer zu verurteilen wegen untauglichen Versuches der Vereitelung einer Blutprobe. Vom Vorwurf des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (
Art. 92 Abs. 1 SVG
[SR 741.01]) sei er freizusprechen, weil es sich hierbei um eine Übertretung handle, bei der nur die vollendete Tatbegehung strafbar sei (
Art. 104 Abs. 1 StGB
).
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Annahme des untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe verletze Bundesrecht.
2.
a) Gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist strafbar, wer sich vorsätzlich einer Blutprobe, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung er rechnen musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt.
Nach der Rechtsprechung zur alten Fassung von
Art. 91 Abs. 3 SVG
erfüllt die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, wenn (1) der Fahrzeuglenker gemäss
Art. 51 SVG
zur sofortigen Meldung verpflichtet und (2) die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn (3) bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte. Ob die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich war, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab. Dazu gehören einerseits der Unfall als solcher (Art,
BGE 126 IV 53 S. 56
Schwere, Hergang) und anderseits der Zustand sowie das Verhalten des Fahrzeuglenkers vor und nach dem Unfall bis zum Zeitpunkt, an dem die Meldung spätestens hätte erfolgen müssen (
BGE 109 IV 137
E. 2a;
BGE 114 IV 148
E. 2). Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes genügt Eventualvorsatz. Er ist gegeben, wenn der Fahrzeuglenker die die Meldepflicht sowie die die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründenden Tatsachen kannte und daher die Unterlassung der gemäss
Art. 51 SVG
vorgeschriebenen und ohne weiteres möglichen Meldung an die Polizei vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Blutprobe gewertet werden kann (
BGE 109 IV 137
E. 2b).
Diese Rechtsprechung ist auch für die seit dem 1. Februar 1991 in Kraft stehende neue Fassung von
Art. 91 Abs. 3 SVG
massgebend (
BGE 124 IV 175
E. 3a;
BGE 120 IV 73
E. 2 und 4).
In
BGE 125 IV 283
hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung präzisiert. Danach ist der objektive Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe nicht schon dann erfüllt, wenn erstens der Fahrzeuglenker gemäss einer gesetzlichen Bestimmung verpflichtet war, einen Vorfall der Polizei zu melden bzw. sich dieser zur Verfügung zu halten, und zweitens die Anordnung einer Blutprobe im Falle pflichtgemässen Verhaltens unter den gegebenen konkreten Umständen sehr wahrscheinlich war. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass die gesetzliche Pflicht, welche der Fahrzeuglenker missachtete, gerade auch der Abklärung des Unfalls und damit allenfalls auch der Ermittlung des Zustands des Fahrzeuglenkers dient. Dieser Zweckzusammenhang ist nach der der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden Konzeption bei den Meldepflichten gemäss
Art. 51 Abs. 2 und 3 SVG
gegeben. Dagegen fehlt es am erforderlichen Zweckzusammenhang bei der Meldepflicht gemäss Art. 54 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11). Diese Meldepflicht dient nicht auch der Abklärung des Unfalls, sondern bezweckt einzig die - ohne Beizug der Polizei nicht mögliche - unverzügliche Beseitigung der Gefahren, die durch Unfälle, Fahrzeugpannen, herabgefallene Ladungen etc. entstehen. Die Unterlassung der nach
Art. 54 Abs. 2 VRV
gebotenen Meldung an die Polizei kann daher nicht den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die in
Art. 54 Abs. 2 VRV
statuierte Meldepflicht implizit schon in
Art. 51 Abs. 1 Satz 2 SVG
enthalten ist, wonach alle an einem Unfall Beteiligten nach Möglichkeit für die Sicherung des Verkehrs zu sorgen haben. Zwar ist in
BGE 126 IV 53 S. 57
BGE 109 IV 137
ohne Differenzierung von der Meldepflicht "gemäss
Art. 51 SVG
" die Rede. Jener Entscheid betraf aber, wie eine ganze Reihe ihm folgender Urteile, einzig die Meldepflicht gemäss
Art. 51 Abs. 3 SVG
, wonach der Schädiger bei einem Unfall mit Sachschaden sofort den Geschädigten und, wenn dies nicht möglich ist, unverzüglich die Polizei zu verständigen hat. Die Verletzung der in
Art. 54 Abs. 2 VRV
festgelegten und sich schon aus
Art. 51 Abs. 1 SVG
ergebenden Pflicht zur Meldung an die Polizei zwecks Beseitigung von Gefahren aber kann aus den genannten Gründen den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe nicht erfüllen (E. 3a).
b) Der untaugliche Versuch ist geregelt in
Art. 23 StGB
. Danach kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (
Art. 66 StGB
), wenn das Mittel, womit jemand ein Verbrechen oder ein Vergehen auszuführen versucht, oder der Gegenstand, woran er es auszuführen versucht, derart ist, dass die Tat mit einem solchen Mittel oder an einem solchen Gegenstand überhaupt nicht ausgeführt werden könnte (Abs. 1). Beim untauglichen Versuch besteht ein Sachverhaltsirrtum zu Ungunsten des Täters (
BGE 124 IV 97
E. 2a mit Hinweis). Im Gegensatz zum Sachverhaltsirrtum nach
Art. 19 StGB
, bei dem der Täter objektiv vorliegende Umstände nicht kennt, stellt sich der Täter beim untauglichen Versuch nicht vorhandene Umstände, an deren Fehlen die Vollendung des vorgestellten Tatbestands zwangsläufig scheitern muss, als gegeben vor. Im Fall von
Art. 19 StGB
bleibt seine Vorstellung hinter der Wirklichkeit zurück, im Fall des untauglichen Versuchs geht sie darüber hinaus (vgl. THEO VOGLER, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., § 22 N. 134; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl., § 22 N. 68; PHILIPPE GRAVEN/BERNHARD STRÄULI, L'infraction pénale punissable, 2. Aufl., Bern 1995, S. 172 f. N. 127; HANS SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 1. Band, 4. Aufl., Bern 1982, S. 228 und 276).
c) Der Beschwerdeführer fuhr nachts auf einer gut ausgebauten Strasse ungebremst in einen Signalmast. Die Kollision war heftig. Das Fahrzeug, das den Beschwerdeführer angeblich von der Spur abgedrängt hatte, hat kein Zeuge gesehen. Schon deshalb lag der Verdacht auf Angetrunkenheit nahe. Der Beschwerdeführer roch zudem gemäss der Aussage eines Zeugen nach Alkohol. Bei dieser Sachlage hätte die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet. Die Umstände, welche die hohe Wahrscheinlichkeit der Blutprobe begründeten, waren dem Beschwerdeführer
BGE 126 IV 53 S. 58
bekannt. Die Benachrichtigung der Polizei war ohne weiteres möglich. Die Vorinstanz geht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, dass der Mast nicht beschädigt wurde. Eine Meldepflicht nach
Art. 51 Abs. 3 SVG
bestand somit nicht. Der Beschwerdeführer wusste das aber nicht. Er sah es zumindest als möglich an, dass der Mast beschädigt wurde, und fand sich damit ab. Wäre der Mast beschädigt worden, so wäre der Beschwerdeführer zur Meldung verpflichtet gewesen. Die Vorstellung des Beschwerdeführers ging insoweit über die Wirklichkeit hinaus. Er befand sich in einem umgekehrten Sachverhaltsirrtum. Der Schuldspruch wegen untauglichen Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe verletzt damit Bundesrecht nicht. Der Beschwerdeführer hat den subjektiven Tatbestand vollständig verwirklicht, nicht hingegen den objektiven Tatbestand. Der Beschwerdeführer stellte sich aber das fehlende objektive Tatbestandsmerkmal (eventualvorsätzlich) vor. Das genügt für die Annahme des untauglichen Versuchs. Entsprechend verhält es sich im Schulbeispiel des Täters, der auf eine Wachsfigur schiesst, es dabei als möglich erachtet, dass es sich um einen Menschen handelt und dies in Kauf nimmt. Der Täter begeht hier einen eventualvorsätzlichen untauglichen Tötungsversuch.
In
BGE 114 IV 148
hatte das Bundesgericht die umgekehrte Konstellation zu beurteilen. Der Fahrzeuglenker hatte einen Drittschaden angerichtet und war deshalb zur Meldung verpflichtet. Er hatte den Schaden aber nicht bemerkt. Mangels Vorsatz war er nicht strafbar (E. 2b).
d) Was der Beschwerdeführer vorbringt, ist nicht geeignet, eine Bundesrechtsverletzung darzutun.
Er macht geltend, der Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe sei als qualifizierter Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (
Art. 92 SVG
) zu betrachten. Der qualifizierte Tatbestand sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur anwendbar, wenn sowohl die subjektiven als auch die objektiven Voraussetzungen dafür gegeben seien.
Der Einwand ist unbegründet.
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist nicht ein qualifizierter Tatbestand des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall nach
Art. 92 SVG
. Die beiden Bestimmungen haben einen unterschiedlichen Zweck.
Art. 92 und 51 SVG
bezwecken einerseits den Schutz des Opfers und anderseits die Ermittlung des Verantwortlichen (Urteil des Kassationshofes vom 22. August 1995 in Sachen H., veröffentlicht in Pra. 1996 Nr. 177 E. 3a). Mit dem Tatbestand nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
will das Gesetz demgegenüber verhindern,
BGE 126 IV 53 S. 59
dass der korrekt sich einer Blutprobe unterziehende Fahrer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht oder sie sonst wie vereitelt (
BGE 117 IV 297
E. 2a). Selbst wenn dem Beschwerdeführer im Ansatz zu folgen wäre, würde ihm das im Übrigen nicht helfen. Denn jedenfalls käme
Art. 91 Abs. 3 SVG
gegenüber
Art. 92 SVG
eine selbständige Bedeutung zu. In solchen Fällen ist der Versuch der qualifizierten Tatbegehung möglich (
BGE 124 IV 97
). | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
afcfba26-6d4a-4447-937b-8480461f7aa4 | Urteilskopf
82 II 238
35. Arrêt de la Ire Cour civile du 14 février 1956 dans la cause Weill contre Witz et Neuffer, société en nom collectif. | Regeste
Erfindungspatente; Alleinverkaufsrecht.
OG Art. 67 ist mindestens auf jene Fälle anwendbar, in denen die Gültigkeit eines Patentes streitig ist (Erw. I 1).
OG Art. 55 Abs. 1 lit. c. In Streitigkeiten über Erfindungspatente ist die Einreichung technischer Gutachten durch die Parteien auch im Berufungsverfahren noch zulässig (Änderung der Rechtsprechung; Erw. I 2).
Alleinverkaufsrecht, Rechtsnatur. Auslegung der Vertragsbestimmung betr. ein solches (Erw. III 1).
OR Art. 192 ff., 197 ff. Ist die Kaufsache die Nachahmung eines patentgeschützten Gegenstandes, so kann sich der Käufer nicht auf die Bestimmungen über die Entwehrung berufen, sondern lediglich auf
Art. 197 ff. OR
(Erw. III 2).
Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts hinsichtlich des Vorliegens einer Erfindung. Bedeutung der Ansicht der Fachleute (Erw. III 3 a).
Auslegung des Patentanspruchs, insbesondere unter Heranziehung der Patentbeschreibung (Erw. III 3 b).
Neuheit, insbesondere wenn die Erfindung lediglich in der Veränderung der Ausmasse einer bekannten Vorrichtung besteht (Erw. III 3 b i.f.).
Ein Unteranspruch kann selbst bei Nichtigkeit des Hauptanspruches gültig sein (Erw. III 3 c).
Kombinationserfindung (Erw. III 3 d). | Sachverhalt
ab Seite 239
BGE 82 II 238 S. 239
A.-
La société en nom collectif Witz et Neuffer, à Genève, s'occupe d'importations et d'exportations. En 1947, elle entra en relation avec Eugène Weill, à Berne, qui importe également des marchandises diverses.
En avril 1947, Witz et Neuffer achetèrent à Weill des stylographes à bille importés des Etats-Unis d'Amérique. Ils confirmèrent ce contrat par une lettre du 29 avril 1947, qui fut contresignée par Weill et qui contenait le passage suivant:
"Il a été convenu que vous cédiez à la maison Witz et Neuffer l'exclusivité pour toute la Suisse des Goldballpen marque Erskine. Nous nous sommes engagés à prendre une première quantité de 100 grosses, divisée en deux tranches de 50 grosses, prix fixé à fr. 6,45 pièce, franco Genève, dédouanée".
BGE 82 II 238 S. 240
Pour payer la première tranche de 50 grosses, Witz et Neuffer ouvrirent en faveur de Weill un accréditif irrévocable de 46 440 fr., qui expirait le 30 juin 1947. Cette marchandise fut effectivement livrée et payée. La première facture reçue par les acheteurs porte la date du 7 juin 1947.
Entre temps, Witz et Neuffer s'étaient plaints à Weill, par une lettre du 30 mai, de ce que la maison America-Import, à Lausanne, livrait en Suisse des stylographes Erskine. "Nous sommes obligés de protester, écrivaientils, parce que vous nous avez accordé une exclusivité téméraire, exclusivité que vous n'avez sans doute pas reçue vous-même de votre fabricant; nous vous rendons attentif à cette situation qui est susceptible de nous causer de graves préjudices dont nous serons obligés de vous tenir responsable." Ils confirmèrent ces réclamations le 12 juin, mais, le même jour, ils envoyèrent à Weill une seconde lettre où ils disaient notamment:
"... Si nous vous expliquons notre surprise et notre mécontentement dans cette affaire de plumes, ce n'est pas pour vous en faire grief à vous personnellement ... Nous insistons encore pour vous dire que vous n'y êtes absolument pour rien ... Le fabricant américain se trouvant devant un accréditif utilisable jusqu'à fin juin a ni plus ni moins raisonné de la façon suivante: Puisque je suis sûr d'encaisser le montant des 50 grosses vendues à Monsieur Weill, autant que je fournisse d'abord tous les autres qui sont pressés, puis, avant le 30 juin, j'expédierai les plumes à Monsieur Weill. En se comportant de cette façon, votre fabricant est parfaitement dans ses droits, mais nous avons été lésés par excès de confiance..."
Le 1er juillet, Weill signala à Witz et Neuffer que le fabricant s'était engagé formellement à ne plus livrer de "Goldballpens Erskine" à d'autres clients en Suisse pendant une durée de six mois à compter du moment où les 50 grosses vendues avaient été payées. Jusqu'à fin septembre, Witz et Neuffer adressèrent encore différentes lettres à leur vendeur à propos des stylographes en question, mais ils ne se plaignirent plus de la présence en Suisse de plumes du même modèle.
En octobre 1947, les ingénieurs-conseils Dériaz et Kirker firent paraître dans la presse un avertissement selon lequel
BGE 82 II 238 S. 241
ils poursuivraient judiciairement la vente en Suisse de stylographes constituant une contrefaçon de ceux d'Henry-George Martin, titulaire de quatre brevets suisses et de la marque Biro. Witz et Neuffer lui ayant soumis une plume Erskine, Kirker leur déclara qu'elle contrefaisait l'invention protégée par le brevet Martin No 246 017 déposé le 23 mai 1944 et enregistré le 15 décembre 1946. Ils en avertirent Weill par une lettre du 20 novembre et mirent à sa disposition les stylographes dont ils disposaient encore, tout en lui demandant d'en restituer le prix. Ils se heurtèrent à un refus, mais cessèrent cependant de vendre les plumes en cause.
B.-
Le 11 novembre 1947, Witz et Neuffer avaient en outre acheté à Weill 2037,7 m. de doublure en soie artificielle, pour le prix de 4 fr. 90 le mètre. Par lettre du 19 novembre, ils s'étaient plaints à Weill de la qualité de la marchandise et lui avaient demandé une diminution du prix. Le vendeur refusa toute réduction et les somma de payer le prix convenu. Mais ils ne s'exécutèrent point.
C.-
Par exploit du 4 février 1948, Weill fit assigner la société en nom collectif Witz et Neuffer devant les tribunaux genevois, en concluant à ce qu'elle fût condamnée à lui payer le prix des tissus vendus, savoir 9979 fr. 85, avec intérêt à 5% dès le 15 décembre 1947.
La défenderesse demanda que ce prix fût réduit de 30% et reconnut devoir 6985 fr. 90 pour les tissus qu'elle avait achetés. En outre, elle offrit de restituer à Weill 4338 stylographes et 500 cartouches de rechange qui lui restaient et conclut reconventionnellement à ce qu'il fût condamné à lui rembourser 29 137 fr. 60, prix qu'elle avait payé pour ces marchandises, et à lui verser 6873 fr. 90 pour sa perte de gain ainsi que 7500 fr. pour ses frais de prospection. A l'appui de son action reconventionnelle, la défenderesse soutenait qu'elle n'avait pas bénéficié de l'exclusivité que Weill lui avait garantie et que, d'autre part, elle avait été, en raison du brevet Martin, victime d'une éviction selon les art. 192 et suiv. CO.
BGE 82 II 238 S. 242
Weill conclut au rejet de la demande reconventionnelle.
Par jugement du 13 décembre 1951, le Tribunal de première instance du canton de Genève admit la demande principale à concurrence de 7983 fr. 88 avec intérêt à 5% dès le 15 décembre 1947 et débouta la défenderesse des fins de son action reconventionnelle.
La défenderesse appela de ce jugement. La Cour de justice le confirma en ce qui concerne l'action principale. Quant à la demande reconventionnelle, la juridiction d'appel ordonna, au sujet du brevet Martin, une expertise dont elle chargea MM. Briquet, Bugnion et Micheli, puis une surexpertise qu'elle confia à MM. Extermann, Dumas et Lauber. Les experts conclurent à la nullité du brevet, mais la juridiction cantonale ne partagea pas leur avis. Elle considéra que le brevet Martin était valable et que la plume Erskine constituait une contrefaçon du stylographe qu'il protégeait. Elle en conclut que la défenderesse avait été victime d'une éviction et condamna Weill à lui restituer, contre remise des 4338 stylographes et des 500 cartouches de rechange, le prix payé pour ces marchandises, savoir 29 137 fr. 60, ainsi que 500 fr. de dommages-intérêts pour l'immobilisation de ce capital. Elle admit en outre que la défenderesse n'avait pas bénéficié de l'exclusivité garantie par Weill, laquelle était illusoire, et lui alloua une indemnité de 500 fr. pour réparer le dommage qu'elle avait subi de ce chef.
D.-
Contre cet arrêt, Weill a formé un recours en réforme au Tribunal fédéral, en concluant à ce que la société en nom collectif Witz et Neuffer fût déboutée des fins de son action reconventionnelle.
L'intimée a proposé le rejet du recours et la confirmation de l'arrêt attaqué, en s'appuyant sur des consultations délivrées par l'ingénieur-conseil Loyer, de Paris, et produites dans les instances cantonales.
E.-
Le juge d'instruction a demandé un nouveau rapport aux experts Extermann, Dumas et Lauber. L'intimée
BGE 82 II 238 S. 243
y a répondu par une consultation de l'ingénieurconseil Loyer, à la suite de quoi les experts judiciaires ont produit un rapport complémentaire. En outre, ils ont été convoqués à l'audience d'aujourd'hui pour être entendus.
Erwägungen
Considérant en droit:
I.
Sur la procédure:
I.1.
Dans les contestations relatives aux brevets d'invention, les pouvoirs de la juridiction fédérale de réforme sont soumis à des règles particulières en vertu de l'art. 67 OJ. Cette disposition, dans la teneur que lui a donnée l'art. 118 LBI, confère au Tribunal fédéral le pouvoir de vérifier, sur requête ou d'office, les faits d'ordre technique constatés par la juridiction cantonale et d'ordonner à cet effet les mesures probatoires nécessaires; en outre, si l'expert commis par le Tribunal fédéral avance des faits nouveaux, celui-ci peut, en ce qui les concerne, faire administrer au besoin de nouvelles preuves; les parties ont également le droit, à certaines conditions, d'invoquer des faits et preuves nouveaux se rapportant à des questions techniques; enfin, le Tribunal fédéral peut, lors de la délibération, faire appel à l'expert commis par lui.
Cependant, l'art. 67 OJ ne précise pas ce qu'il faut entendre par "contestations relatives aux brevets d'invention". Dans son arrêt Schnell (RO 74 II 187), le Tribunal fédéral a jugé que cette expression n'englobait pas les litiges où les questions touchant au droit des brevets ne sont soulevées que par voie d'exception. Mais il s'agissait dans ce cas de l'application de l'art. 49 LBI de 1907, qui réglait la compétence des juges cantonaux (cf. aujourd'hui l'art. 76 al. 1 LBI, où il est question, de façon plus précise, des "actions civiles prévues par la présente loi"). Dans cette disposition, l'expression "contestation relative aux brevets d'invention" n'avait donc pas nécessairement le
BGE 82 II 238 S. 244
même sens que dans l'art. 67 OJ, dont la ratio est différente.
Les règles spéciales de l'art. 67 OJ ont, en effet, été édictées en raison des difficultés particulières que présentent les contestations relatives aux brevets, où une saine solution des questions juridiques suppose souvent des connaissances techniques qui font généralement défaut aux juristes et où le fait et le droit sont si intimement liés qu'il apparaît presque impossible de les séparer (cf. RO 57 II 617, 58 II 282; message complémentaire du Conseil fédéral concernant le projet de revision de la loi sur les brevets d'invention, du 28 décembre 1951, FF 1952 I p. 28). Ces difficultés se manifestent en premier lieu dans les litiges qui mettent en jeu la validité du brevet, que celle-ci soit contestée par une action principale ou une demande reconventionnelle. Mais il en est de même si la validité du brevet n'est mise en cause que par voie d'exception. Dans ce cas, la décision prise sur ce point n'est, il est vrai, pas revêtue de l'autorité de la chose jugée. Cependant, le Tribunal fédéral n'en doit pas moins se prononcer sur la validité du brevet et il rencontre alors les mêmes difficultés que si cette question lui était soumise par une action principale ou reconventionnelle. Aussi est-il indispensable qu'il puisse revoir les faits d'ordre technique et s'entourer, dans cette mesure, des renseignements qui lui sont nécessaires. A cet égard, il importe peu que le titulaire du brevet soit ou non partie au procès: les difficultés qui ont fait adopter l'art. 67 OJ existent dans un cas comme dans l'autre. On doit donc en conclure que cette disposition est applicable à tous les différends dans lesquels la validité d'un brevet est litigieuse (cf. BOLLA, L'article 67 de la nouvelle loi fédérale d'organisation judiciaire, dans Bulletin du Groupe suisse de l'Association internationale pour la protection de la propriété industrielle, 1944, p. 173).
Une telle interprétation s'impose du reste si l'on veut éviter autant que possible des décisions contradictoires. En effet, lorsque le juge ne se prononce sur la validité du brevet qu'à titre préjudiciel, sa décision n'est pas, sur ce
BGE 82 II 238 S. 245
point, revêtue de l'autorité de la chose jugée et la même question peut encore être, par la suite, l'objet d'une action en nullité du brevet. Or si, dans le premier procès, le Tribunal fédéral ne peut revoir les faits techniques et se procurer les renseignements voulus alors qu'il en a la possibilité dans le second litige, il risquera de devoir juger différemment la même question.
Quant à savoir si l'art. 67 OJ s'applique également dans d'autres cas, par exemple lorsque la violation d'un brevet est litigieuse, c'est là une question qu'il n'est pas nécessaire de résoudre en l'espèce.
L'intimée fonde son droit sur le brevet Martin, dont Weill conteste la validité. Dès lors, l'art. 67 OJ est applicable et c'est avec raison que le juge d'instruction a demandé aux experts des rapports complémentaires et les a convoqués à l'audience d'aujourd'hui.
I.2.
Après avoir admis que, dans les procès relatifs à des brevets d'invention, les parties produisent encore des consultations techniques dans la procédure de réforme (cf. notamment RO 39 II 344, 57 II 617, 58 II 60), le Tribunal fédéral a refusé, à partir de l'arrêt "Orion" Automobilwerkstätten (RO 58 II 282), de recevoir de tels documents. Mais cette jurisprudence ne saurait être maintenue sous l'empire de l'art. 67 OJ. Pour être à même de critiquer les faits d'ordre technique constatés par la juridiction cantonale, de requérir de nouvelles mesures probatoires et d'invoquer des faits et preuves nouveaux, les parties doivent pouvoir se fonder sur l'avis de leur conseil technique privé et soumettre ses consultations au Tribunal fédéral. Du reste, la juridiction de réforme a toujours admis les avis de droit produits devant elle par les parties. Il doit en être de même des consultations techniques dans les litiges relatifs aux brevets d'invention, puisque, dans ce domaine, elle peut maintenant revoir aussi les faits d'ordre technique. C'est donc avec raison que la dernière consultation de l'ingénieur-conseil Loyer a été versée au dossier.
BGE 82 II 238 S. 246
II.
Sur l'action principale:
Le jugement cantonal n'est pas attaqué en tant qu'il a condamné l'intimée à payer au recourant, pour la doublure de soie artificielle, le montant de 7983 fr. 88 avec intérêt à 5% dès le 15 décembre 1947. Dans cette mesure, il est donc définitif.
III.1.
Sur l'action reconventionnelle:
III.1.- En ce qui concerne l'exclusivité accordée par le recourant à l'intimée, le contrat du 29 avril 1947 ne précisait point quand elle commençait à porter effet et le jugement cantonal n'indique pas quel était, sur ce point, la volonté interne des parties. Au début, Witz et Neuffer paraissent avoir considéré que la clause en question devait sortir effet dès la conclusion du contrat. Mais, ils ont en tout cas renoncé à cette thèse par leur seconde lettre du 12 mai 1947 et ont admis dès lors que l'exclusivité commençait au moment de l'exécution du contrat, c'est-à-dire le 30 juin au plus tard. Par la suite, ils ont confirmé que telle était bien leur opinion en acceptant sans réagir la lettre que Weill leur a écrite le 1er juillet pour préciser que l'exclusivité portait effet pendant six mois à dater du paiement des 50 grosses de stylographes. Ainsi, à supposer que, dans l'idée des parties, la clause d'exclusivité dût entrer en vigueur dès la conclusion du contrat, l'intimée a renoncé ultérieurement à se prévaloir de ce point de départ et a admis que le fournisseur de Weill envoyât encore des "Goldballpens Erskine" à d'autres clients suisses tant que les 50 grosses n'auraient pas été livrées et payées. Or elle ne prétend pas que ce fournisseur ou le recourant aient livré de telles marchandises à d'autres maisons suisses après le 7 juin 1947, date de la première facture qu'elle a reçue.
La juridiction cantonale relève, il est vrai, que le fournisseur de Weill n'était pas le fabricant des plumes Erskine, que celui-ci était donc resté libre de vendre en Suisse et
BGE 82 II 238 S. 247
que l'exclusivité accordée à l'intimée était illusoire. Dès lors, ajoute-t-elle, Witz et Neuffer, qui considéraient le vendeur américain comme le fabricant des stylographes, sont partis d'une idée erronée lorqu'ils ont écrit leur seconde lettre du 12 juin 1947 ainsi que leurs lettres ultérieures et ils "gardent tous leurs droits envers Weill dans la mesure où ils ont été dans l'erreur sur la qualité de son fournisseur".
On doit admettre avec la Cour de justice que, par la clause d'exclusivité, Weill ne s'est pas borné à s'interdire personnellement de livrer des "Goldballpens Erskine" à d'autres personnes en Suisse. Witz et Neuffer étaient en droit d'admettre qu'il disposait lui-même de l'exclusivité de la vente en Suisse et qu'il garantissait son observation par le fabricant des plumes. Dans cette mesure, la clause d'exclusivité constitue une promesse de porte-fort (art. 111 CO) et oblige le recourant à des dommages-intérêts si elle n'a pas été respectée par son fournisseur ou le fabricant. Mais cela ne change rien au fait que l'intimée a admis que l'exclusivité ne produisît effet qu'à partir de l'exécution du contrat. L'erreur dans laquelle Witz et Neuffer ont pu se trouver quant à la personne du fournisseur de Weill importe peu à cet égard. On ne voit pas, en effet, pourquoi ils auraient admis ce point de départ si le recourant traitait directement avec le fabricant et ne l'auraient pas fait au cas où le fournisseur américain ne serait qu'un intermédiaire. Or ils ne prétendent pas que des "Goldballpens Erskine" aient été livrées en Suisse par le fabricant ou d'autres personnes après le 7 juin 1947. On peut même admettre que ce n'a pas été le cas puisqu'ils n'ont plus dénoncé aucune violation de leur droit exclusif jusqu'en novembre 1947, époque où, étant en litige avec Weill sur d'autres points, ils ont repris tous les griefs qu'ils pouvaient faire valoir contre lui.
C'est donc à tort que la juridiction cantonale a condamné le recourant à payer 500 fr. à Witz et Neuffer pour violation de l'exclusivité qui leur avait été garantie.
BGE 82 II 238 S. 248
III.2.
L'intimée soutient que, si le brevet Martin est valable et que le stylographe Erskine constitue une contrefaçon de cette invention, elle souffre une éviction dont Weill doit la garantir en vertu des art. 192 et suiv. CO. Les juridictions cantonales ont admis cette thèse.
Effectivement, si les stylographes à bille que l'intimée a achetés constituaient une contrefaçon d'un produit breveté valablement, elle ne pourrait plus en disposer librement: elle serait passible de poursuites pénales et civiles si elle vendait ces marchandises ou les mettait en circulation. En revanche, tout autre acte de disposition lui serait permis et elle ne risquerait pas que les stylographes lui fussent soustraits par le titulaire du brevet Martin. Ainsi, la résiliation de la vente et la restitution de la marchandise au vendeur resteraient possibles. La présente cause se distingue par là de l'espèce traitée dans l'arrêt Eberhard (RO 57 II 403), où le Tribunal fédéral avait admis l'application des art. 192 et suiv. CO en cas de nullité du brevet vendu. En l'occurrence, le seul vice qui affecterait les marchandises serait qu'elles ne pourraient être revendues ou mises en circulation. Un tel défaut s'apparente à une interdiction légale de vente et doit être considéré, non comme un cas d'éviction, mais comme un vice juridique qui enlève à la chose soit sa valeur soit son utilité prévue, ou qui les diminue dans une notable mesure (art. 197 al. 1 CO; cf. BECKER, CO, rem. préc. l'art. 197, rem. 2).
Dès lors, l'intimée ne saurait se prévaloir des art. 193 et 194 CO et ne peut fonder le moyen tiré du brevet Martin que sur les art. 197 et suiv. CO. Pour obtenir la résiliation partielle de la vente, elle doit donc établir l'existence du défaut qu'elle allègue, c'est-à-dire prouver que le brevet Martin est valable et que le stylographe à bille Erskine constitue une contrefaçon de l'invention protégée par ce brevet.
III.3.
a) La nouvelle loi sur les brevets d'invention, du 25 juin 1954, est entrée en vigueur le 1er janvier 1956. Mais,
BGE 82 II 238 S. 249
aux termes de l'art. 112 de cette loi, l'ancien droit continue à régir les causes de nullité pour les brevets délivrés avant le 1er janvier 1956. C'est donc au regard de la loi de 1907 qu'il faut examiner la validité du brevet Martin no 246 017.
Cependant, Witz et Neuffer ne prétendent pas que le stylographe Erskine tombe sous le coup de la revendication et de toutes les sous-revendications du brevet Martin. Ils n'invoquent que la revendication et la sous-revendication 1. Il suffit donc, en l'espèce, de rechercher si cette partie du brevet est valable.
La question de l'existence d'une invention est du domaine du droit. Mais, pour apprécier juridiquement la nouveauté d'une invention, l'enrichissement qu'elle apporte à la technique, l'idée créatrice dont elle procède, le juge doit s'aider des critères fournis par les hommes du métier, qui, par leurs connaissances théoriques et pratiques, sont seuls à même de mesurer les difficultés de réalisation rencontrées par l'inventeur. En l'espèce figurent au dossier, outre les rapports des experts judiciaires, des consultations de l'ingénieur-conseil Loyer, de Paris, mis en oeuvre par Witz et Neuffer, ainsi que des rapports d'experts commis par des tribunaux étrangers dans des procès où la validité de brevets analogues au brevet suisse no 246 017 était litigieuse. Mais, pour le Tribunal fédéral, c'est l'avis des experts judiciaires commis en Suisse qui, dans le doute, constitue l'opinion des hommes du métier. Choisis par le tribunal pour leurs connaissances en la matière et leur indépendance à l'égard des parties, soumis à l'épreuve de la récusation, rétribués par le juge et non directement par les parties, les experts judiciaires offrent en effet les meilleures garanties de compétence et d'impartialité (cf. RO 74 II 132).
b) La revendication du brevet Martin litigieux est conçue comme suit:
"Stylographe du type dans lequel la pointe à écrire comporte une bille montée à rotation dans un logement, une partie de la bille étant exposée à l'extérieur du logement et de l'encre étant amenée
BGE 82 II 238 S. 250
à ladite bille à partir d'un espace contenant l'encre, caractérisé en ce que cet espace contenant l'encre est constitué par un conduit capillaire".
Selon l'inventeur, la nouveauté consiste donc en ce que l'"espace contenant l'encre", c'est-à-dire le réservoir, est constitué par un conduit capillaire.
aa) Les experts judiciaires estiment que l'expression "conduit capillaire" manque de précision. Cependant, ajoutent-ils, on peut considérer comme tube capillaire "tout tube dont le rayon intérieur est inférieur ou au plus égal à la hauteur du point de contact du liquide avec une paroi plane verticale mouillée"; si l'on se fonde sur ce critère, on peut appeler conduit capillaire tout tube dont le diamètre intérieur n'excède pas 8 mm. Selon cette définition, le stylographe décrit par la revendication du brevet Martin n'a évidemment rien de nouveau. Il est notoire, en effet, que la plupart des stylographes à bille connus avant le brevet Martin avaient des réservoirs dont le d-iamètre intérieur ne dépassait pas 8 mm.
bb) Toutefois, les experts envisagent aussi une définition fonctionnelle du conduit capillaire dont par le la revendication, en interprétant celle-ci au moyen de la description. Cette méthode est admissible. En effet, si la description et les dessins ne sauraient compléter la revendication, ils peuvent en revanche servir à l'interpréter (art. 5 al. 4 LBI de 1907 et 50 al. 2 LBI de 1954; RO 50 II 72, 57 II 233, 58 II 61). Or les experts relèvent que, selon la description du brevet litigieux, l'inventeur a voulu obtenir un stylographe dans lequel l'encre forme une veine continue s'étendant jusqu'à la bille. Mais, ajoutent-ils, il est impossible de calculer, à l'aide de ces seules données, le diamètre maximum que doit avoir le réservoir du stylographe protégé; car les phénomènes capillaires dépendent également de la tension superficielle du liquide et de la "mouillabilité" des parois du tube; or on ne trouve aucune indication sur ce point dans le brevet; la description parle, il est vrai, d'une "encre visqueuse", mais la viscosité du
BGE 82 II 238 S. 251
liquide n'exerce aucune influence sur la capillarité. Par cette méthode, on n'arrive donc pas à donner de l'expression "conduit capillaire" une définition plus précise que celle à laquelle les experts ont abouti en se fondant de façon générale sur les phénomènes capillaires.
cc) On trouve cependant une autre indication dans le brevet. "Par conduit capillaire, lit-on dans la description, on entend: conduit dont les dimensions sont telles que sa section transversale ne dépasse pas 5 mm2, par exemple". Ce serait là une définition précise si elle n'était pas exemplaire. On pourrait toutefois considérer que l'inventeur a voulu indiquer un ordre de grandeur maximum. Dans ce cas, on se trouverait en présence d'une nouveauté. Certes, les experts citent les brevets suisses 195 355, 204 880 et 219 955, qui sont tous trois antérieurs au brevet Martin et qui protègent des stylographes comportant des conduits très fins sur une longueur appréciable. Mais le réservoir proprement dit a, dans ces stylographes, une section bien supérieure à 5 ou 6 mmm2 et, parmi les plumes antérieures au brevet litigieux, le recourant n'a pu en indiquer aucune dont le réservoir eût sur toute sa longueur une section de moins de 6 mmm2. Lors donc qu'on admet que, par "conduit capillaire", il faut entendre en l'espèce un tube dont la section est de 5 ou 6 mm2 au maximum, l'élément caractéristique indiqué par la revendication du brevet Martin est nouveau.
Mais cela ne suffit pas pour qu'il y ait invention au sens de la loi. Il faut en outre qu'on ait obtenu un progrès technique et, de plus, que l'idée inventive atteigne un certain degré d'originalité qui se mesure à la possibilité qu'avait un homme du métier, possédant une bonne formation, de trouver la solution dont il s'agit (RO 74 II 140 et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral a jugé notamment que l'invention n'avait pas en général un niveau suffisant si elle consistait simplement à modifier les dimensions d'un appareil déjà connu (RO 34 II 56). Or c'est ce qu'a fait l'auteur de l'invention protégée par le brevet Martin. Tous les stylographes
BGE 82 II 238 S. 252
connus avant la plume Martin comprenaient un réservoir d'un diamètre assez grand, relié à la plume par un canal d'amenée d'encre très fin. L'inventeur s'est borné, en l'espèce, à diminuer le diamètre du tube servant de réservoir ou à prolonger le canal d'amenée pour que sa contenance soit accrue et qu'il constitue le réservoir. Une telle modification ne se heurtait à aucune difficulté technique et ne procède donc pas d'une idée inventive suffisamment originale. Dès lors, à supposer que le procédé indiqué par la revendication du brevet Martin soit nouveau, il ne saurait constituer une invention, faute d'idée créatrice.
c) Cependant, même si la revendication principale est nulle, les sous-revendications peuvent définir des inventions et être valables (RO 43 II 521, 71 II 319). Il y a donc lieu d'examiner si l'objet de la sous-revendication 1 du brevet Martin constitue une invention au sens de la loi. Cette sous-revendication a la teneur suivante:
"Stylographe selon la revendication, caractérisé en ce que le conduit est ouvert à l'atmosphère à une extrémité et communique à l'autre extrémité avec la bille".
Sur ce point, toutefois, les experts signalent le brevet suisse 219 955, publié le 16 juin 1942, savoir deux ans avant le dépôt du brevet Martin. "Ce brevet, disent-ils, divulgue... un stylo à bille prévoyant une rentrée d'air, c'est-à-dire la possibilité énoncée par Martin de compenser tant les variations extérieures de pression et de température que l'écoulement de l'encre, ceci au moyen de chicanes livrant passage à l'air, comme c'est du reste le cas dans toutes les plumes à réservoir, et dans une autre plume encore, très ancienne et très voisine du stylo à bille, dénommée Tintenkuli; ainsi donc le brevet suisse cité prévoit ... la nécessité absolue d'une communication avec l'air ambiant par un chemin différent de celui parcouru par l'encre traçant l'écriture". Il découle de ces considérations que, dans la mesure où la sous-revendication 1 énonce que l'une des extrémités du réservoir est ouverte à l'atmosphère, elle
BGE 82 II 238 S. 253
n'indique rien de nouveau et ne définit donc pas une invention.
d) Toutefois, une invention peut consister dans une combinaison nouvelle de moyens qui ne constituent pas eux-mêmes des inventions (cf. RO 57 II 231, 58 II 61 et 274, 69 II 184 et 423), encore que l'invention de combinaison ne soit pas un type particulier d'invention (RO 69 II 423). Or la sous-revendication 1 vise un stylographe dont le réservoir est un tube capillaire ouvert à l'atmosphère. Ce dernier élément était connu et le premier ne constitue pas une invention à supposer même que, par tube capillaire, on doive entendre un conduit dont la section ne dépasse pas 5 ou 6 mm2. Quant à la combinaison de ces deux éléments, elle ne peut davantage être considérée comme une invention. Car le stylographe fabriqué d'après la revendication et la sous-revendication 1 du brevet Martin ne se distingue de nombreuses plumes connues antérieurement que par le diamètre du tube servant de réservoir. Or - on l'a vu - une telle modification ne saurait constituer une invention.
Ainsi, dans la mesure en tout cas où l'intimée s'en prévaut, le brevet Martin n'est pas valable. Dès lors, les stylographes qu'elle a achetés à Weill n'étaient entachés d'aucun vice, ce qui entraîne, sur ce point encore, le rejet de son action reconventionnelle.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
1. Le recours est admis, l'arrêt de la Cour de justice de Genève du 7 octobre 1955 est annulé et l'intimée est condamnée à payer au recourant 7983 fr. 88 avec intérêt à 5% dès le 15 décembre 1947.
2. La demande reconventionnelle est rejetée. | public_law | nan | fr | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
afd1d4bf-4b2f-4a52-985c-662cddb157cd | Urteilskopf
139 V 407
53. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Stiftung X. in Liquidation gegen P. und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_960/2012 und andere vom 12. Juli 2013 | Regeste
Art. 53c und 53d BVG
;
Art. 27g Abs. 1bis BVV 2
(in der bis 31. Dezember 2011 geltenden Fassung); Gesamtliquidation einer patronalen Wohlfahrtsstiftung.
Es ist nicht willkürlich, für den Stichtag der Liquidation auf den Zeitpunkt des Erlasses der Liquidationsverfügung oder aber auf jenen der Erfüllung der vom Stiftungsrat eingegangenen Verpflichtungen abzustellen; hingegen ist die Kenntnis des Kreises der Betroffenen ein sachfremdes Kriterium (E. 4.3). Der Grundsatz der Gleichbehandlung wird nicht verletzt, wenn die Bezüger einer Kapitalabfindung - im Gegensatz zu Aktivversicherten und Rentnern - im Verteilungsplan unberücksichtigt bleiben (E. 5.4). Bei der Liquidation einer patronalen Wohlfahrtsstiftung ist eine versicherungstechnische Bilanz entbehrlich (E. 6.2.3). | Sachverhalt
ab Seite 408
BGE 139 V 407 S. 408
A.
A.a
Die Stiftung X. in Liquidation (vormals Pensionskasse der Firmen Y., nachfolgend: Stiftung) bezweckt die freiwillige Vorsorge zu Gunsten der Arbeitnehmer der Firma sowie ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen in Ergänzung zu den Leistungen der AHV/IV und der obligatorischen beruflichen Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Tod sowie in Notlagen wie bei Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit. Sie kann Beiträge, Leistungen oder Versicherungsprämien auch an andere steuerbefreite Vorsorgeeinrichtungen erbringen, die zu Gunsten der Destinatäre bestehen (Art. 2 Abs. 1 und 5 der Stiftungsurkunde vom 25. April 2002).
A.b
Nachdem einerseits die Stiftung die Durchführung der reglementarischen Vorsorge, samt Altersguthaben der aktiven Versicherten und Deckungskapital der pensionierten Versicherten, auf den 1. Januar 2002 der PROGRESSA, Sammelstiftung BVG (später der Gemini Sammelstiftung) übertragen hatte, und anderseits das Vermögen des (aufgehobenen) Wohlfahrtsfonds der (selben) Stifterfirma an sie weitergegeben worden war, fand per 1. Januar 2003 eine Teilliquidation statt.
A.c
Am 26. Februar 2008 verfügte die Ostschweizer BVG- und Stiftungsaufsicht (nachfolgend: Aufsichtsbehörde) die sofortige Suspendierung des verbliebenen Stiftungsrats und die sofortige Liquidation
BGE 139 V 407 S. 409
der Stiftung. Es bestehe nicht mehr ausreichend Gewähr für eine rechtmässige Geschäftsführung.
A.d
Am 30. Juni 2010 genehmigte die Aufsichtsbehörde den Verteilungsplan. Dieser sieht vor, dass das vorhandene Stiftungsvermögen von Fr. 2'696'400.- zu je 50 % an die Aktivversicherten sowie an die Rentenberechtigten und deren Hinterbliebene mit jeweils mehr als drei Dienstjahren per Stichtag 1. Mai 2010 nach Massgabe der Dienstjahre geht. Kapitalbezüger der Altersleistungen finden keine Berücksichtigung.
B.
C., S. und P. sowie - separat - B. erhoben gegen die Genehmigung des Verteilungsplans Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Letzterer beantragte, die Verfügung vom 30. Juni 2010 sei insoweit aufzuheben bzw. zu korrigieren, als der 26. Februar 2008 als Stichtag zu bestimmen und er als Aktivversicherter mit 13 Dienstjahren zu verzeichnen sei; eventualiter seien auch Versicherte mit Kapitalbezug für die Verteilung zu berücksichtigen und sei ihm ein Liquidationsanspruch als Passivversicherter mit 13 Dienstjahren zuzugestehen. C., S. und P. ihrerseits beantragten, die Genehmigungsverfügung vom 30. Juni 2010 sei insoweit aufzuheben, als die vom Kapitalbezug Gebrauch machenden Pensionäre von der Verteilung ausgeschlossen werden und sie im Liquidations-Verteilplan nicht als Begünstigte verzeichnet seien; zudem sei die Stiftung anzuweisen, C. einen Liquidationsanspruch als passiv Versichertem mit 29 Dienstjahren, S. einen solchen mit 16 Dienstjahren und P. einen solchen mit 24 Dienstjahren zuzuerkennen.
Mit Entscheid vom 14. September 2012 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von B. gut und hob die Genehmigungsverfügung vom 30. Juni 2010 auf. Gleichzeitig wies es die Sache an die Aufsichtsbehörde zurück, damit "sie im Sinne der Erwägung 8 vorgehe" (Disp.-Ziff. 1). Mit weiterem Entscheid vom 24. September 2012 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde von C., S. und P. in dem Sinne (teilweise) gut, als es die Genehmigungsverfügung vom 30. Juni 2010 aufhob und die Sache an die Aufsichtsbehörde zurückwies, "damit sie im Sinne der Erwägung 8.2 vorgehe" (Disp.-Ziff. 1). In beiden Verweisungserwägungen wird die Aufsichtsbehörde angehalten, die Stiftung aufzufordern, per Stichtag 26. Februar 2008 aufgrund einer geprüften kaufmännischen und technischen Liquidationsbilanz einen neuen Verteilungsplan, unter Berücksichtigung von B. (Entscheid vom 14. September 2012) bzw.
BGE 139 V 407 S. 410
P. (Entscheid vom 24. September 2012) als aktive Versicherte, auszuarbeiten und zur Genehmigung vorzulegen.
C.
Am 19. November 2012 reichte die Stiftung beim Bundesverwaltungsgericht zwei Gesuche um Erläuterung der Entscheide vom 14. und 24. September 2012 ein. Sie beantragte je, es sei zu erläutern, ob gemäss Disp.-Ziff. 1 die Aufhebung der Genehmigungsverfügung sowie die Pflicht zur Abänderung und Ergänzung des Verteilungsplans ausschliesslich gegenüber B. bzw. P. oder auch gegenüber denjenigen Begünstigten wirke, die allenfalls durch Abänderung des Stichtages neu als Destinatäre hinzukommen.
D.
Am 21. November 2012 erhebt die Stiftung (getrennt) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. September 2012 (Verfahren 9C_966/2012) und vom 24. September 2012 (Verfahren 9C_960/ 2012). In beiden stellt sie Antrag auf Bestätigung der Rechtmässigkeit der Verfügung vom 30. Juni 2010 bezüglich der Genehmigung des Verteilungsplans; eventualiter sei der Verteilungsplan nur bezüglich B. resp. P. (oder subeventuell bezüglich C., S. und P.) anzupassen und neu zu eröffnen.
B. und P. schliessen je auf Abweisung der Beschwerde. P. beantragt ferner, eventuell sei das Urteil vom 24. September 2012 so abzuändern, dass sie bei einem für die Liquidation festzustellenden Stichtag per 31. Januar 2010 als passive Versicherte mit 24 Dienstjahren am Liquidationsergebnis teilhabe. Das Bundesverwaltungsgericht, die Aufsichtsbehörde und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) sowie C. verzichten auf eine Vernehmlassung. S. äussert sich mit Eingabe vom 30. Januar 2013.
E.
Mit zwei Entscheiden vom 21. November 2012 trat das Bundesverwaltungsgericht auf die Erläuterungsgesuche der Stiftung nicht ein, worauf diese am 13. Dezember 2012 mit separaten Beschwerden an das Bundesgericht gelangt (Verfahren 9C_1024/2012 und 9C_1025/2012).
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Streitig und zu prüfen ist vorab der Zeitpunkt für die Ermittlung des Kreises der von der Gesamtliquidation Betroffenen. Während der Liquidator - und die Aufsichtsbehörde diesem folgend - den Stichtag auf den 1. Mai 2010 festlegte, setzte ihn die Vorinstanz auf den 26. Februar 2008, den Zeitpunkt der Liquidationsverfügung, an.
BGE 139 V 407 S. 411
4.1
4.1.1
Die Voraussetzungen der Teilliquidation sind von vornherein spezifiziert. Raum für einen Entscheid im konkreten Einzelfall besteht nicht (
Art. 53b Abs. 1 BVG
;
BGE 138 V 346
E. 6.3 S. 363). Mit diesem fixen Rahmen geht einher, dass sich der Stichtag für die Teilliquidation prinzipiell nach dem die Liquidation auslösenden Ereignis bestimmt (Urteil 2A.749/2006 vom 9. August 2007 E. 4.2). Erfolgt der Personalabbau schleichend, wird regelmässig nicht ein Zeitpunkt, sondern ein Zeitraum festgelegt (
BGE 128 II 394
E. 6.4 S. 405; UELI KIESER, in: Handkommentar zum BVG und FZG, Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], 2010, N. 14 zu
Art. 53b BVG
). Wohl wird (auch) die Gesamtliquidation für bestimmte Vorgänge im Einzelnen geregelt (vgl. Art. 88-98 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung [Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301]). Indes bedarf die Aufhebung grundsätzlich einer individuellen Beurteilung des Gesamtliquidationssachverhalts durch die Aufsichtsbehörde (
Art. 53c BVG
; KIESER, a.a.O., N. 13 in fine zu
Art. 53c BVG
). Entsprechend gestaltet sich auch die Bestimmung des Stichtages weniger systematisch als bei der Teilliquidation.
4.1.2
Die Wahl des Stichtages fällt ins Ermessen des Liquidators. Die Aufsichtsbehörde hat sich bei der Prüfung auf eine Rechtskontrolle (einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens) zu beschränken (SVR 2011 BVG Nr. 32 S. 119, 9C_319/2010 E. 3.3 mit Hinweis auf JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, Fonds libres et liquidations de caisses de pension, Eléments de jurisprudence, SZS 2001 S. 473 Ziff. 58). Da die Kognition in der oberen Instanz nur enger, aber nicht weiter sein kann als vor der unteren (Einheit des Verfahrens), hat sich auch die Vorinstanz in Abweichung von
Art. 49 lit. c VwVG
(SR 172.021) auf eine Rechtskontrolle zu beschränken (
BGE 135 V 382
E. 4.2. S. 389). Sie darf ihr eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen der Aufsichtsbehörde setzen. Sie kann nur einschreiten, wenn deren Genehmigungsentscheid unhaltbar ist, weil er auf sachfremden Kriterien beruht oder einschlägige Kriterien ausser Acht lässt (
BGE 138 V 346
E. 5.5.2 S. 360 mit Hinweis auf
BGE 128 II 394
E. 3.3 S. 397 f.).
4.2
4.2.1
Wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (nicht publ. E. 3.1), ist das die Liquidation auslösende Ereignis weder auf Vorgänge bei der Stifterfirma noch auf
BGE 139 V 407 S. 412
organisatorische Umstände zurückzuführen, sondern besteht einzig in der aufsichtsbehördlich angeordneten Liquidation. Darüber hinaus hat sie gleichermassen festgehalten, dass die Geschäftstätigkeit auch nach der Liquidationsverfügung vom 26. Februar 2008 fortgeführt worden sei. Ausserdem erhellt aus den vorinstanzlichen Erwägungen, dass die Aufsichtsbehörde einen früheren Verteilvorschlag des Liquidators - mit Stichtag 26. Februar 2008 zur Ermittlung des Destinatärkreises und der zu verteilenden Mittel - abgelehnt hatte und der Liquidator erst später auf den 1. Mai 2010 - als Zeitpunkt, in dem er über die für die Mittelverteilung notwendigen Daten verfügte - abstellte.
4.2.2
Ob und inwieweit die von der Aufsichtsbehörde angeordnete Liquidation ihre Grundlage in
Art. 88 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB
- Unerreichbarkeit des Zwecks und keine Aufrechterhaltung der Stiftung durch eine Änderung der Stiftungsurkunde - findet, wie die Vorinstanz erwogen hat, kann offenbleiben, da die Aufhebungsverfügung vom 26. Februar 2008 unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. So oder anders geht es bei der Aufhebung einer Vorsorgeeinrichtung nicht "nur noch um die Auflösung der Verbindlichkeiten und die Versilberung des Stiftungsvermögens". Die Aufhebung einer Vorsorgeeinrichtung unterscheidet sich vor allem insoweit von derjenigen einer (anderen) Stiftung nach
Art. 88 ZGB
, als bei Letzterer das Vermögen nach Art. 57 f. ZGB liquidiert wird (grundsätzlich dem Gemeinwesen anfallend), während bei der Vorsorgeeinrichtung das Vermögen im Rahmen eines Verteilungsplans den Destinatären zugewiesen wird und in diesem Sinn weiterhin dem bisherigen Zweck dient (
Art. 89a Abs. 6 Ziff. 9 ZGB
in Verbindung mit
Art. 53c BVG
;
BGE 115 II 246
E. 2b S. 249 f.; KIESER, a.a.O., N. 4 f. zu
Art. 53c BVG
; RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, S. 68 Rz. 117; vgl. auch Art. 8 Abs. 3 der Stiftungsurkunde).
4.2.3
Die vorinstanzliche Bezeichnung der nach dem 26. Februar 2008 weitergeführten Geschäftstätigkeit als blosse Liquidationstätigkeit ist eine formellrechtliche Betrachtungsweise. Indem der Liquidator die Verpflichtungen erfüllte, die in concreto - unter jährlicher Entnahme aus dem freien Stiftungskapital - in der fortgesetzten Übernahme der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge für die Jahre 2008 und 2009 bestand, wurden sie nicht ihres materiellen Gehalts beraubt (vgl. E. 4.3 nachfolgend).
BGE 139 V 407 S. 413
4.2.4
Art. 27g Abs. 2 und
Art. 27h Abs. 4 der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 881.441.1 [in der bis Ende 2011 geltenden Fassung])
stehen der vorliegenden Änderung des Stichtagesnicht entgegen. Sie sehen vor, dass "bei wesentlichen Änderungen der Aktiven oder Passiven zwischen dem Stichtag der Teilliquidation oder der Gesamtliquidation und der
Übertragung der Mittel
(...) die zu übertragenden freien Mittel (resp. Rückstellungen und Schwankungsreserven) entsprechend anzupassen" sind. Sie haben also eine Vermögensänderung zum Inhalt, die nach dem rechtskräftig festgelegten bzw. rechtskräftig genehmigten Verteilungsplan eingetreten ist, zumal die effektive Übertragung solches voraussetzt (vgl. SVR 2006 BVG Nr. 33 S. 127, B 86/05 E. 3.3.5). Davon ist das hier zu beurteilende Geschehen (noch) entfernt. Im Übrigen besteht eine entsprechende Anpassungspflicht erst seit 1. Juni 2009 (AS 2009 1667). Davor waren
Art. 27g Abs. 2 und
Art. 27h Abs. 4 BVV 2
lediglich als Kann-Vorschriften formuliert (AS 2004 4279; Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 111 vom 6. April 2009 Rz. 684 S. 5 unten). Schliesslich entscheidet der Stichtag über die Frage nach der anwendbaren Fassung einer Norm (SVR 2011 BVG Nr. 32 S. 119, 9C_319/2010 E. 3.3 in fine; Urteil 9C_756/ 2009 vom 8. Februar 2010 E. 5) und nicht umgekehrt (zwingend) die seit 1. Juni 2009 in Kraft stehende Version über den Stichtag, wie die vorinstanzliche Argumentation impliziert.
4.3
Nach dem Gesagten fehlt es an einem prägenden (Gesamt-)Liquidationsmoment (vgl. E. 4.2.1 in initio). Den Stichtag für die Bestimmung des Kreises der betroffenen Destinatäre mit dem Datum der Liquidationsverfügung (26. Februar 2008) gleichzusetzen, erscheint somit naheliegend. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der hier gewählte 1. Mai 2010 willkürlich ist (vgl. E. 4.1.2: keine Angemessenheitskontrolle).
Die Verschiebung des Stichtages hat seinen Grund in der Ablehnung des ursprünglichen Verteilvorschlags, in welchem ausschliesslich die Pensionäre resp. Hinterbliebenen Berücksichtigung gefunden hatten. In dem von der Aufsichtsbehörde mit Verfügung vom 30. Juni 2010 genehmigten - und später angefochtenen - neuen Verteilungsplan sind auch die Aktivversicherten miteinbezogen (vgl. E. 4.2.1 in fine). Dabei hatte der Stiftungsrat am 11. Dezember 2007 zu deren Gunsten beschlossen, die paritätischen Beiträge für die Jahre 2008 und 2009 (wie schon in der Zeit davor) zu
BGE 139 V 407 S. 414
übernehmen, welcher Verbindlichkeit in der Folge nachgekommen wurde (vgl. E. 4.2.3). Die Einstellung dieses Vorteils Ende 2009 ist mit einem spürbaren Einschnitt verbunden. Daran ändert nichts, wenn die Verbindlichkeit für die Jahre 2008 und 2009 Ende 2007 in der (voraussichtlichen) Gesamthöhe zurückgestellt worden wäre, denn die Vergünstigung wäre genauso (erst) per Ende 2009 dahingefallen. Mit anderen Worten beinhaltet die Festlegung des Stichtages auf die Zeit nach Erfüllung der vom Stiftungsrat eingegangenen Verpflichtung ein definitives Element, während dem vorliegenden Aufhebungsakt ein aleatorisches Moment immanent ist: Gemäss Liquidationsverfügung vom 26. Februar 2008 war für eine rechtmässige Geschäftsführung nicht mehr ausreichend Gewähr vorhanden; dies auch angesichts der aufsichtsbehördlichen Erfahrungen mit dem Verhalten des Stiftungsrates seit 2002. Abgesehen von dieser Zufälligkeit bliebe beim Stichtag 26. Januar 2008 die Zeit, während welcher die Aktivversicherten weiterhin die Beiträge bezahlt bekommen, also eine ununterbrochene Verbindung mit der Stifterfirma aufgewiesen bzw. eine anhaltende Tätigkeit für diese erbracht haben, hinsichtlich des Verteilkriteriums der Dienstjahre ausgespart, was nicht einleuchtet. Bei diesen Gegebenheiten lässt sich nicht sagen, der Liquidator habe mit der Verschiebung des Stichtages im Grundsatz unsachgemäss gehandelt.
Indes ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass die lange Dauer der Datenaufbereitung bis zur Erstellung des Verteilungsplans, insbesondere der Umstand, dass der Liquidator erst im Mai 2010 über eine aktuelle Liste der Aktivversicherten verfügte, kein sachdienlicher Grund ist, einen Stichtag (weiter hinaus) zu verschieben. Die Ermittlung des diesbezüglich massgeblichen Vorkommnisses (vgl. CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 284 oben; vgl. auch Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Bd. 4, 2009, S. 242 oben) ist von der Ermittlung des Kreises der Betroffenen selber zu unterscheiden; Letztere ist Folge von Ersterer und bleibt ohne Einfluss auf den zeitlich relevanten (Stichtag-)Tatbestand. Ebenso wenig ist übrigens geboten, dass sich dieser mit dem Bilanzstichtag, der zur Vermögensbestimmung massgebend ist, deckt (vgl. HELBLING, a.a.O., und Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, a.a.O.).
4.4
Zusammenfassend ist der Stichtag für die Bestimmung der betroffenen Destinatäre auf den 1. Januar 2010 anzusetzen. Wie sich aus den vorinstanzlichen Entscheiden in für das Bundesgericht
BGE 139 V 407 S. 415
verbindlicher Weise ergibt (nicht publ. E. 3.1), war P. zu diesem Zeitpunkt noch bei der Stifterfirma angestellt (Altersrücktritt per 31. Januar 2010). C., S. und B. waren dagegen als Kapitalbezüger bereits in den Ruhestand getreten (Altersrücktritte per 31. August 2006 bzw. 30. Juni 2007 bzw. 29. Februar 2008).
Das Schreiben des Liquidators vom 4. Dezember 2009, in dem dieser B. u.a. mitteilte, dass der Stichtag der Liquidation der 26. Februar 2008 sei, vermag keinen Vertrauensschutz zu erwecken. Ein solcher scheitert schon daran, dass B. Ende 2009 längstens pensioniert war, mithin es an einer Vertrauensbestätigung fehlt (vgl. zu den einzelnen Voraussetzungen
BGE 131 II 627
E. 6.1 S. 636 f. mit Hinweisen). Schliesslich wurde im besagten Schreiben auf den Genehmigungsvorbehalt durch die Aufsichtsbehörde hingewiesen.
5.
In ihrem Entscheid vom 24. September 2012 (betreffend C., S. und P.) ist die Vorinstanz zum Schluss gelangt, dass Kapitalbezüger zu Recht nicht in den Verteilungsplan einbezogen worden seien. Die unterschiedliche Behandlung der Destinatärgruppen der Pensionierten, welche die Altersleistung entweder als Rente beziehen oder als Kapital bezogen hätten, verletze das Gleichbehandlungsgebot nicht. Dieser Punkt bleibt vor Bundesgericht unangefochten (nicht publ. E. 3.1 in initio): C. hat kein (weiteres) Rechtsmittel gegen seinen Ausschluss ergriffen. Hinsichtlich S. kann auf E. 2.2 (nicht publ.) verwiesen werden.
In seinem Entscheid vom 14. September 2012 (betreffend B.) brauchte das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob und inwieweit auch Alterskapitalbezüger in den Destinatärkreis aufzunehmen sind, nicht zu beurteilen. An dem von ihm angenommenen Stichtag vom 26. Februar 2008 (vgl. E. 4) galt B. als Aktivversicherter. Dem kann nach den vorangehenden Erwägungen (vgl. E. 4.4) nicht gefolgt werden. Eine Rückweisung zur Beantwortung der offengelassenen Frage kommt - mit Blick auf den vorinstanzlichen Entscheid vom 24. September 2012 - einem formalistischen Leerlauf gleich. Aus prozessökonomischen Gründen ist es deshalb angebracht, die Rechtmässigkeit des Ausschlusses von B. als Kapitalbezüger - und damit indirekt auch desjenigen von C. und S. - von der Verteilung des freien Stiftungsvermögens an dieser Stelle zu prüfen.
5.1
Gemäss
Art. 37 Abs. 1 BVG
werden Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. Soweit die kasseninternen Bestimmungen es vorsehen, kann statt Alters-,
BGE 139 V 407 S. 416
Hinterlassenen- oder Invalidenrente ein einmaliges Kapital verlangt werden, wobei eine bestimmte Frist für die Geltendmachung der Kapitalabfindung eingehalten werden muss (
Art. 37 Abs. 4 BVG
). Es steht fest und ist unbestritten, dass sowohl die Genfer Lebensversicherungs-Gesellschaft, die für die PROGRESSA, Sammelstiftung BVG die berufliche Vorsorge durchführte, als auch die Gemini Sammelstiftung diese Option einräumen (vgl. Art. 16 des hier massgebenden, vom 1. Januar 2006 bis Ende Dezember 2011 geltenden Rahmenreglements der Gemini Sammelstiftung).
5.2
Die Renten werden in der Regel monatlich ausgerichtet (
Art. 38 Satz 1 BVG
). In ihrer Höhe sind sie an und für sich fest und unantastbar. Rentenbezüger bleiben jedoch Teil der Solidargemeinschaft und tragen die Chancen und Risiken der Kapitalanlage - wenn auch nur beschränkt - weiterhin mit. Einerseits werden die Altersrenten entsprechend den finanziellen Möglichkeiten der Vorsorgeeinrichtung der Preisentwicklung angepasst (
Art. 36 Abs. 2 BVG
). Anderseits können sie an der Verteilung von freien Mitteln partizipieren, aber auch zur Behebung einer Unterdeckung der Vorsorgeeinrichtung beigezogen werden (
Art. 65d Abs. 3 lit. b BVG
). Wird das Kapital verlangt, endet die Versicherteneigenschaft. Die Verbindung mit der bisherigen Vorsorgeeinrichtung wird abgebrochen. Entrichtet die Vorsorgeeinrichtung an die Altersrentner zu einem späteren Zeitpunkt einen Teuerungsausgleich oder eine 13. Rente oder werden die Renten aus anderen Gründen erhöht, besteht für den Kapitalbezüger kein Anspruch auf eine zusätzliche Leistung (
BGE 135 V 382
E. 10.5 in fine S. 402; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, S. 286 Rz. 780; RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 105 Rz. 7).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Kapital und Rente ergibt sich beim Ableben. Nach einer Kapitalisierung erfolgen regelmässig keine weiteren Leistungen mehr an den überlebenden Ehegatten, geschiedene Personen und die Waisen. Art. 16 Abs. 1 Satz 3 des Gemini-Rahmenreglements hält ausdrücklich fest, dass mit dem Bezug des Kapitalwerts sowie des Bonuskapitals alle entsprechenden reglementarischen Ansprüche gegenüber der Stiftung abgegolten sind. Auch auf dem Erklärungsformular der Genfer Lebensversicherungs-Gesellschaft wird explizit darauf hingewiesen, dass mit der Ausrichtung der Kapitalabfindung für die Altersleistungen sämtliche Leistungen gemäss Personalvorsorgereglement abgegolten sind und keine Ansprüche mehr gegenüber der Stiftung bestehen. Soweit beim
BGE 139 V 407 S. 417
Ableben noch nicht alles Kapital verzehrt worden ist, fällt es in die Erbschaft und wird - unter Abzug von allfälligen Erbschaftssteuern - an alle Erben verteilt. Eine Rente läuft in der Regel mit 60 % oder 70 % als Witwenrente weiter, ohne Erbschaftssteuern und ohne dass andere Erben, wie Kinder, daran teilhaben (HELBLING, a.a.O., S. 224; STAUFFER, a.a.O., S. 396 Rz. 1072 [bezüglich einer Invalidenrente]; RIEMER/RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 105 Rz. 7). Wurde insgesamt weniger Rente bezogen als Alterskapital angespart, erfährt die Vorsorgeeinrichtung einen sogenannten Mutationsgewinn.
Die Kapitaloption stellt demnach nicht einfach eine etwas andere Leistungsform im Alter dar. Sie hat endgültige Auswirkung auf die Beziehung zwischen Destinatär und Vorsorgeeinrichtung sowie auf das Schicksal eines allfällig übrig gebliebenen Guthabens. Im Übrigen ist sie grundsätzlich unwiderruflich (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 des Gemini-Rahmenreglements; vgl. auch SVR 2005 BVG Nr. 25 S. 86, B 29/04 E. 5.5).
5.3
Die freien Mittel sind eine kollektive Grösse und gehören allen Destinatären (Arbeitnehmer, Rentner, Invalide und Ehemalige) der Stiftung (
BGE 138 V 303
E. 3.3 S. 308). Im Rahmen ihrer Verteilung sind die Destinatärgruppen nur relativ, aber nicht absolut gleich zu behandeln (vgl.
BGE 131 II 533
E. 5.3 S. 537 f.). So gilt auch im Fall einer Gesamtliquidation, dass keine Verletzung der Gleichbehandlung der Destinatäre vorliegt, wenn bei der Verteilung von freien Stiftungsmitteln diejenigen Aktivversicherten nicht berücksichtigt werden, die freiwillig aus einer Vorsorgeeinrichtung ausgeschieden sind (
BGE 133 V 607
E. 4.2.2 und 4.2.3 S. 611).
5.4
Der - ob gesetzliche oder reglementarische - Vorsorgefall Alter wird "automatisch" erreicht; insoweit ist ihm nicht Freiwilligkeit immanent. Die Kapitaloption basiert dagegen auf einer freien Willenserklärung. Wer sich für den Bezug seines gesamten Altersguthabens in Form einer einmaligen Kapitalabfindung entscheidet (vgl.
Art. 37 BVG
), handelt bewusst. Art. 16 des Gemini-Rahmenreglements setzt u.a. einen schriftlichen Antrag voraus. Ferner ist auf das bei den Akten liegende Erklärungsformular der Genfer Lebensversicherungs-Gesellschaft zu verweisen.
Nachdem mit dem Kapitalbezug sämtliche Verbindungen zur Vorsorgeeinrichtung gekappt werden (vgl. E. 5.2), präsentiert sich beim Kapitalbezug die gleiche Situation wie im Falle eines freiwillig aus einer Vorsorgeeinrichtung ausgeschiedenen Aktivversicherten.
BGE 139 V 407 S. 418
Hätten Kapitalbezüger Anspruch auf einen Anteil an den freien Mitteln, verlören die gesetzlichen und entsprechende reglementarische Bestimmungen über die Kapitalabfindung - ebenso wie diejenigen über die Freizügigkeit - ihren Sinn (
BGE 133 V 607
E. 4.2.2 S. 611). Dass Pensionierte es im Gegensatz zu den aktiven Versicherten nur einmal und nicht mehrfach in der Hand haben, aus der Personalvorsorgestiftung auszuscheiden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Massgebend ist, dass der explizite Auszahlungsantrag die Abgeltung sämtlicher Ansprüche (mit-)enthält. Unter diesen Umständen wird der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht verletzt, wenn Kapitalbezüger in einem Verteilungsplan unberücksichtigt bleiben.
6.
Die Vorinstanz wirft der Aufsichtsbehörde vor, die Genehmigung des Verteilungsplans nicht auf eine geprüfte kaufmännische und technische Liquidationsbilanz gestützt zu haben.
6.1
Gemäss
Art. 27g Abs. 1
bis
BVV 2
(in der vom 1. Januar 2005 bis Ende 2011 gültigen Fassung) muss sich die Versicherungseinrichtung für die Berechnung der freien Mittel auf eine kaufmännische und technische Bilanz mit Erläuterungen abstützen, aus denen die tatsächliche finanzielle Lage deutlich hervorgeht.
Die Beschwerdeführerin räumt selber ein, dass der Bericht der Revisionsstelle vom 16. Juni 2010 erst nach der Genehmigung des Verteilungsplans am 30. Juni 2010, nämlich im Juli 2010, von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden sei. Dabei handle es sich um eine reine Formalität, zumal die Zahlen vorbehaltlos bestätigt worden seien. Ferner beruft sich die Beschwerdeführerin auf ihre Art als Fürsorgestiftung, die keine versicherungstechnischen Risiken trage und deshalb keine versicherungstechnische Expertise benötige.
6.2
6.2.1
Wie die Vorinstanz in ihrem Entscheid vom 14. September 2012 für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat (nicht publ. E. 3.1), wurde die statutarisch vorgesehene Möglichkeit, das Stiftungsvermögen durch freiwillige oder reglementarische Arbeitnehmerbeiträge zu äufnen (Art. 4 Abs. 2 der Stiftungsurkunde), nicht realisiert; das Stiftungsvermögen wurde mittels Zuwendungen der Stifterfirma und durch die Übernahme des patronalen Wohlfahrtsfonds gebildet. Diese Sachverhaltsfeststellungen lassen sich aufgrund der Akten, insbesondere der diversen Kontrollstellenberichte, von Amtes wegen ergänzen (
Art. 105 Abs. 2 BGG
): Danach steht fest, dass die Beschwerdeführerin seit der Auslagerung der
BGE 139 V 407 S. 419
reglementarischen Vorsorge keine planmässigen Rechtsansprüche auf versicherungsmässige Leistungen beim Eintritt versicherter Risiken gewährte. Sie qualifiziert sich demnach im Sinne einer patronalen Stiftung (vgl.
BGE 138 V 346
E. 3.1.1 S. 349).
6.2.2
Die versicherungstechnische Gesamtbeurteilung einer Vorsorgeeinrichtung dient dazu, die Deckung der eingegangenen Verpflichtungen durch das vorhandene Vermögen, namentlich die Finanzierung der reglementarischen Altersgutschriften, sicherzustellen. Unter versicherungstechnisch notwendigem Deckungskapital wird die finanzielle Verpflichtung verstanden, die am Bilanzstichtag besteht, um zusammen mit den zukünftigen Beiträgen und technischen Zinsen die Vorsorgeleistungen erfüllen zu können. Diese Verpflichtung wird dem vorhandenen Vorsorgevermögen - im Wesentlichen den Aktiven der kaufmännischen Bilanz - gegenübergestellt. Ist das Vorsorgevermögen höher, so stellt die Differenz die Überdeckung dar, andernfalls besteht eine Unterdeckung (HELBLING, a.a.O., S. 421). In diesem Fall sind die Massnahmen nach
Art. 65c-e BVG
zu treffen.
6.2.3
Weist die Beschwerdeführerin keine zukünftigen Verpflichtungen auf (vgl. E. 6.2.1), hat sie weder für die Deckung von Freizügigkeitsleistungen noch von laufenden Renten einzustehen (
BGE 138 V 502
E. 6.2 S. 508). Entsprechend interessiert nicht weiter, ob das derzeitige Vorsorgevermögen zusammen mit den zu erwartenden künftigen Beiträgen und Zinsen ausreicht, die eingegangenen Verpflichtungen einer Kasse zu erfüllen. Eine versicherungstechnische Bilanz ist in concreto also entbehrlich. Dies gilt umso mehr, als die Übernahme der Beiträge 2009 endete.
6.3
Was die kaufmännische Bilanz per 31. Dezember 2009 betrifft, so nahm die Aufsichtsbehörde diese in der Tat erst am 28. Juli 2010 zur Kenntnis. Der Liquidator hatte im Protokoll vom 26. Mai 2010, das dem Schreiben an die Aufsichtsbehörde vom 24. Juni 2010 beilag, einleitend unter dem Titel "Organisatorisches" festgehalten, dass für das Geschäftsjahr 2009 ein normaler Abschluss erstellt, von der Kontrollstelle revidiert und alsdann der Aufsichtsbehörde eingesandt werde. Die Aufsichtsbehörde legte diesen Umstand in der Verfügung vom 30. Juni 2010 bezüglich der Genehmigung des Verteilungsplans offen, indem sie ausführte, "soweit dies auf Grund der eingereichten Unterlagen beurteilt werden kann, lässt sich die beantragte Genehmigung des Verteilplanes der Liquidatorin gemäss Protokoll vom 26. Mai 2010 mit dazugehörigem Verteilplan und
BGE 139 V 407 S. 420
der aktuellen Liste der aktiven Versicherten (...) nicht beanstanden". Demnach lag der Aufsichtsbehörde im Genehmigungszeitpunkt vom 30. Juni 2010 (noch) keine geprüfte kaufmännische Bilanz vor, aus der sich die tatsächliche finanzielle Lage unmittelbar hätte ablesen lassen (vgl. E. 6.1; Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, a.a.O., S. 189 unten); sie scheint - zumindest im Masslichen - voll und ganz den Angaben des Liquidators vertraut zu haben. Die Rechtmässigkeit dieses Vorgehens ist in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht in Frage zu stellen. Indes mutet es in concreto - ohne abschliessend Stellung zu nehmen - überspitzt formalistisch an, die Genehmigungsverfügung vom 30. Juni 2010 deswegen integral aufzuheben.
Zum einen darf nicht ausser Betracht gelassen werden, dass die Verfügung vom 28. Juli 2010 hinsichtlich des Rechnungsjahres 2009 vor Ablauf der 30-tägigen Rechtsmittelfrist in Bezug auf die Genehmigung des Verteilungsplans vom 30. Juni 2010 erging. Diese hätte die Aufsichtsbehörde voraussetzungslos abändern können, wenn sich eine Ungereimtheit gezeigt hätte (vgl.
Art. 58 Abs. 1 VwVG
; Art. 28 des Gesetzes des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 1965 über die Verwaltungsrechtspflege [sGS 951.1]). Das war offensichtlich nicht erforderlich. Das Bundesverwaltungsgericht, das - wie auch P. in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht festhält - auf der Grundlage einer umfassenden Aktenlage entschied (nicht publ. E. 3.2 in fine), hat zahlenmässig denn auch nichts bemängelt. Zum andern war das Stiftungsvermögen per Ende 2009 bis auf Schweizer Obligationen im Liquidationswert von Fr. 920'115.- komplett verflüssigt. Für verschiedene ausstehende Schlussabrechnungen (Liquidationskosten und Unvorhergesehenes) wurde eine passive Rechnungsabgrenzung vorgenommen. Bei einer solchen Verwesentlichung der Bilanz auf die flüssigen Mittel, was unweigerliche Folge einer Gesamtliquidation ist, ist von einer Neuauflage des Genehmigungsverfahrens im Quantitativ kein abweichendes Ergebnis zu erwarten.
6.4
Zusammengefasst erweist sich der vorinstanzliche Vorwurf, die Genehmigung des Verteilungsplans genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht, als unbegründet bzw. überspitzt formalistisch. Bei dieser Rechtslage kann offenbleiben, ob und inwieweit die Vorinstanz das rechtliche Gehör verletzt hat, indem sie über das Gerügte hinausgegangen ist und das Genehmigungsverfahren an und für
BGE 139 V 407 S. 421
sich zum Thema gemacht hat, ohne dass sich die Beschwerdeführerin vorgängig dazu hatte äussern können.
7.
7.1
Aus den voranstehenden Erwägungen resultiert, dass in Nachachtung des Stichtages per 1. Januar 2010 (E. 4.4) P. als Aktivversicherte in den Kreis der Destinatäre für die Verteilung der freien Stiftungsmittel aufzunehmen ist. Insoweit erweist sich die Beschwerde im Verfahren 9C_960/2012 als unbegründet. Die Beschwerde im Verfahren 9C_966/2012 kann vollumfänglich gutgeheissen werden.
Da das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden gegen die Genehmigungsverfügung der Aufsichtsbehörde keine aufschiebende Wirkung erteilt hat, wirkt sich sein Entscheid vom 24. September 2012 (Verfahren 9C_960/2012), soweit er nach dem soeben Gesagten Bestand hat, nur zu Gunsten von P. aus (
Art. 53d Abs. 6 BVG
). Gegenüber den Versicherten, welche die Genehmigungsverfügung vom 30. Juni 2010 nicht anfochten, ist sie teilrechtskräftig (ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Kommentar zur beruflichen Vorsorge, 2009, N. 27 in fine zu
Art. 53d BVG
).
7.2
Das Bundesgericht kann in der Sache selber entscheiden (
Art. 107 Abs. 2 BGG
). Die vorliegende Aktenlage lässt dies zu (
Art. 105 Abs. 2 BGG
), geht es nämlich einzig noch um die Festsetzung der Anzahl voller Dienstjahre (vgl. dazu das Protokoll des Liquidators vom 26. Mai 2010 und die Genehmigungsverfügung der Aufsichtsbehörde vom 30. Juni 2010), die P. anzurechnen sind. Gemäss Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 1985 und dem Anhang zum Bestätigungsbericht zur Teilliquidation per 1. Januar 2003 trat sie am 1. März 1986 bei einer der Firmen Y., der Z. AG, ein und wurde, wie die Berechnung der Gemini Sammelstiftung vom 28. April 2010 hinsichtlich der Austrittsleistung zu Tage fördert, am 31. Januar 2010 bei derselben Unternehmung pensioniert. Ob vom Kalenderjahr oder Eintrittsdatum ausgehend, ergeben sich somit 23 volle Dienstjahre. In diesem Umfang steht P. ein Rechtsanspruch auf Zuteilung freier Mittel zu (SVR 2006 BVG Nr. 33 S. 127, B 86/05 E. 2.2). | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
afd1d938-f7a5-45f6-9325-76c1369a9105 | Urteilskopf
100 Ib 94
16. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1974 i.S. Tanklager Zell AG gegen Regierungsrat des Kantons Luzern | Regeste
Gewässerschutz; Errichtung eines Tanklagers.
1. Widerruf einer gewässerschutzpolizeilichen Bewilligung durch die der Bewilligungsinstanz vorgesetzte Behörde; allgemeine Voraussetzungen (Erw. 2).
2. Prüfung der Zulässigkeit des Widerrufs im konkreten Einzelfall; Ausschluss der Errichtung von Tanklagern über Grundwasservorkommen in Zone A; Geltung der gewässerschutzrechtlichen Zonenvorschriften in Kantonen, die noch keine Zonenausscheidung vorgenommen haben (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 100 Ib 94 S. 95
Sachverhalt:
A.-
Die Tanklager Zell AG ist Eigentümerin eines in der Gemeinde Zell (LU) gelegenen Tanklagers von vier Stehtanks mit je 5000 m3 Fassungsvermögen für die Pflichtlagerung flüssiger Brennstoffe. Sie beabsichtigt, dieses Tanklager zu erweitern. Am 30. September 1969 hat das Staatswirtschaftsdepartement des Kantons Luzern ihr die gewässerschutzpolizeiliche Bewilligung für die Errichtung von vier neuen Tanks mit insgesamt 21 900 m3 Nutzinhalt verweigert. Dagegen erhob sie Rekurs beim Regierungsrat. Während des Rekursverfahrens stellte sie dem Staatswirtschaftsdepartement ein Wiedererwägungsgesuch. Noch bevor dieses Gesuch behandelt wurde, änderte sie ihr Projekt und reichte dem Departement Pläne einer "Variante Ila" ein für die Erweiterung der Anlage durch drei Tanks mit insgesamt 27 000 m3 Nutzinhalt. Am 12. März 1971 hiess das Departement das Wiedererwägungsgesuch gut und bewilligte die Erweiterung des Tanklagers "vom bisherigen Nutzinhalt von 20 000 m3 auf 41 900 m3". Zu den nach Einreichung des Gesuchs vorgenommenen Projektänderungen schwieg es sich aus. Der Rekurs der Tanklager Zell AG an den Luzerner Regierungsrat wurde damit gegenstandslos. Gegen die Bewilligung wurde kein Rechtsmittel ergriffen.
Auf Intervention des Eidg. Departementes des Innern (EDI), das die Meinung vertrat, die Erteilung der Bewilligung verstosse gegen Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer vom 16. März 1955 (GSchG 1955) und die darauf beruhende Rechtsprechung des Bundesgerichtes, beschloss der Regierungsrat des Kantons Luzern, die Angelegenheit zu überprüfen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Bundesrates, in der empfohlen wurde, die im Spiele stehenden Interessen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, hob er am 1. Oktober 1973
BGE 100 Ib 94 S. 96
die vom Staatswirtschaftsdepartement erteilte Bewilligung auf und stellte fest, dass der Tanklager Zell AG die Erweiterung ihres Tanklagers von bisher 20 000 m3 auf 41 900 m3 verweigert werde (Dispositiv Ziffer 1 und 2). Ausserdem wies er das kantonale Gewässerschutzamt an, auf Grund der Vorschriften der inzwischen vom Bundesrat erlassenen Verordnung vom 19. Juni 1972 zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung durch wassergefährdende Flüssigkeiten zu prüfen, wie die Altanlage der Tanklager Zell AG an die von dieser Verordnung neu aufgestellten Erfordernisse angepasst werden könnte.
B.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. November 1973 beantragt die Tanklager Zell AG, Ziff. 1 und 2 des angefochtenen Entscheides des Regierungsrates aufzuheben und ihr die Bewilligung zur Erweiterung der Anlage nach der "Variante Ila" zu erteilen, eventuell unter dem Vorbehalt, dass sie diese Variante dem kantonalen Gewässerschutzamt zur formellen Genehmigung unterbreite.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Luzern beantragt, die Beschwerde unter Kostenfolge abzuweisen. Das EDI schliesst sich diesem Antrag an.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat mit dem angefochtenen Entscheid eine formell rechtskräftig gewordene Bewilligung des Staatswirtschaftsdepartements zur Erweiterung eines Tanklagers nachträglich widerrufen. Freilich bezog sich die Bewilligung auf ein Projekt mit einem Tanklagerinhalt von 21 900 m3; die Beschwerdeführerin hat dieses inzwischen offenbar aufgegeben und durch ein anderes Projekt ersetzt. Es erscheint deshalb zweifelhaft, ob überhaupt von einem Widerruf der ursprünglichen Verfügung die Rede sein kann, nachdem die Beschwerdeführerin nicht erklärt, sie begnüge sich mit der Ausführung des vom Staatswirtschaftsdepartement bewilligten Projektes, sondern eventualiter verlangt, dass die Pläne des abgeänderten Projektes dem kantonalen Gewässerschutzamt zur Erteilung der Bewilligung unterbreitet würden. Die Frage kann aber offen bleiben, sofern sich ergibt, dass die Beschwerde auch abzuweisen wäre, wenn sie sich nur auf den Widerruf der ausdrücklich bewilligten Kapazitätserweiterung bezöge.
2.
Eine formell rechtskräftige Verwaltungsverfügung kann nicht ohne weiteres aufgehoben werden, wenn sie dem öffentlichen
BGE 100 Ib 94 S. 97
Interesse und geltendem Recht nicht oder nicht mehr entspricht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind vielmehr die für und gegen einen Widerruf sprechenden Interessen in jedem Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Geht es, wie im vorliegenden Falle, um den Widerruf einer gewässerschutzpolizeilichen Bewilligung, so erachtet das Bundesgericht das Interesse des Bewilligungsempfängers am Fortbestand der Verfügung in der Regel dann als gewichtiger als die Interessen, die für einen Widerruf sprechen
- wenn der Bewilligungsempfänger durch die Bewilligung ein subjektives Recht erworben hat,
- wenn der frühere Entscheid in einem Verfahren ergangen ist, in dem die öffentlichen Interessen abzuwägen waren,
- wenn der Empfänger von der Bewilligung bereits Gebrauch gemacht hat (BGE 98 I/b 249 Erw. 4 a mit Hinweisen).
Immerhin kann ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse auch in diesen Fällen zum Widerruf der Verfügung führen (
BGE 88 I 228
Erw. 1).
Das öffentliche Interesse kann den Widerruf der Bewilligung auch erfordern, wenn diese zwar seinerzeit in Übereinstimmung mit der damals geltenden Gesetzgebung ergangen ist, die gesetzlichen Vorschriften aber seither geändert haben (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 210 oben). Allerdings ist dann besonders sorgfältig zu prüfen, ob es den Widerruf wirklich erfordert, erst recht, wenn in bestehende Verhältnisse eingegriffen werden muss, die auf Grund der erteilten Bewilligung entstanden sind. Gelegentlich beschränken die Gesetze die Anwendung der neuen Vorschriften auf bestehende, dem neuen Recht nicht mehr entsprechende Verhältnisse insofern, als sie eine Anpassung nur unter bestimmten Bedingungen verlangen, z.B. die Anpassung eines zufolge Wechsels der Gesetzgebung baupolizeiwidrig gewordenen Gebäudes nur für den Fall, dass dieses abbrennt, umgebaut wird u.ä. Beim vorliegenden Sachverhalt fallen die privaten Interessen aber weniger ins Gewicht, weil auf Grund der erteilten Bewilligung noch kein Zustand geschaffen worden ist, der nur unter unverhältnismässig grossen Schwierigkeiten der neuen Rechtslage angepasst werden könnte.
Eine Verfügung kann ausserhalb der Rechtsmittelverfahren von der Instanz, die sie erlassen hat oder auch, sofern dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, von einer dieser übergeordneten Instanz widerrufen werden. Die Lehre nimmt - allerdings ohne
BGE 100 Ib 94 S. 98
dem Problem grosse Beachtung zu schenken - im allgemeinen an, der Widerruf sei in beiden Fällen denselben Voraussetzungen unterworfen (vgl. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 208; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3.A., Nr. 322, 323, 641; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 402, 434; FLEINER, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts 8.A., S. 206; MERK, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 1, S. 877 ff.; FORSTHOFF, Lehrbuch des Verwaltungsrechts 8.A. Bd. 1, S. 238 ff.; TUREGG-KRAUS, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4.A., S. 145 ff.; WOLFF, Verwaltungsrecht I 8.A., S. 384 ff.). Dies sehen einige Kantone ausdrücklich vor (z.B. § 59 Abs. 2 des Organisationsgesetzes von Baselland und Art. 28 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons St.Gallen). In anderen Kantonen hat sich im Zusammenhang mit der Behandlung von Aufsichtsbeschwerden gegen formell rechtskräftige Verfügungen eine Praxis gebildet, derzufolge solche Verfügungen von einer Aufsichtsbehörde kraft Aufsichtsrechts nur aufgehoben werden dürfen, wenn klares Recht, wesentliche Verfahrensvorschriften oder öffentliche Interessen offensichtlich missachtet worden sind (vgl.
BGE 97 I 10
/11 mit Hinweisen; nicht veröffentlichtes Urteil vom 13. Februar 1974 i.S. Gemeinde Horgen gegen Regierungsrat Zürich). Ob diese Praxis auch im Kanton Luzern besteht und ob sie gegebenenfalls auf den hier zu beurteilenden Widerruf einer formell rechtskräftigen Departementsverfügung durch den Gesamtregierungsrat Anwendung findet, braucht aber nicht abgeklärt zu werden, denn selbst wenn dies zuträfe, ergäbe sich für den vorliegenden Fall kein anderes Resultat als bei Anwendung der allgemeinen Rechtsprechung zum Widerruf von Verwaltungsakten.
3.
Bei der Prüfung, ob ein Verwaltungsakt zu widerrufen sei, hat die widerrufende Behörde grundsätzlich von der Rechtslage auszugehen, die im Zeitpunkt des Widerrufes besteht. Darin liegt keine unzulässige Rückwirkung. Da der Regierungsrat im vorliegenden Falle die der Beschwerdeführerin erteilte Bewilligung erst am 1. Oktober 1973 widerrufen hat, ist hier das auf den 1. Juli 1972 in Kraft getretene Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 massgebend.
a)
Art. 24 GSchG
zählt die flüssigen Brenn- und Treibstoffe zu den wassergefährdenden Stoffen, für deren Lagerung besondere Schutzmassnahmen erforderlich sind. Dies ist für das Bundesgericht verbindlich, so dass nicht weiter zu prüfen ist, ob die
BGE 100 Ib 94 S. 99
flüssigen Brenn- und Treibstoffe tatsächlich wassergefährdend sind, und erst recht nicht, ob sie zu den gesundheitsschädlichen Stoffen im Sinne von
Art. 234 StGB
gehören. Nach Art. 25 des Gesetzes erlässt der Bundesrat Bestimmungen u.a. über die zulässigen Standorte der Anlagen zur Lagerung usw. von wassergefährdenden Stoffen. Art. 31 verpflichtet die Kantone, Areale auszuscheiden, die für die künftige Nutzung von Grundwasser von Bedeutung sind; in ihnen dürfen keine Anlagen erstellt werden, die das Grundwasser verunreinigen oder künftige Nutzungs- und Anreicherungsanlagen beeinträchtigen können. Dem in
Art. 25 GSchG
erteilten Auftrag ist der Bundesrat mit der Verordnung vom 19. Juni 1972 zum Schutze der Gewässer gegen Verunreinigung durch wassergefährdende Flüssigkeiten nachgekommen. Danach haben die Kantone ihr Gebiet in vier, mit S, A, B oder C bezeichnete Zonen einzuteilen. Die Zone A umfasst Gebiete, in denen sich für die Trinkwasserversorgung geeignete Grundwasservorkommen befinden (Art. 10). Hier sind nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung das Erstellen neuer und das Erweitern bestehender Anlagen für flüssige Brenn- und Treibstoffe von mehr als 250 000 l Gesamtnutzinhalt je Schutzbauwerk grundsätzlich untersagt. Ausnahmsweise können solche Anlagen dennoch bewilligt werden, wenn die Region und die Nachbarregionen für die eigene Versorgung und die Pflichtlagerhaltung über keinen andern geeigneten Standort für solche Lageranlagen verfügen (Art. 20 Abs. 2 lit. a). Die Ausnahmebewilligung darf aber nur erteilt werden, sofern die Versorgung der Region und der Nachbarregionen mit Trink- und Brauchwasser auch in Zukunft, und zwar selbst im Katastrophenfall, gewährleistet ist (Art. 20 Abs. 3). Mit anderen Worten darf eine Grosstankanlage, die am vorgesehenen Standort jedenfalls im Katastrophenfalle die Versorgung einer Region mit Trink- und Brauchwasser gefährden könnte, selbst dann nicht errichtet werden, wenn sich für sie in der Region und den Nachbarregionen kein anderer geeigneter Standort finden lässt. Mit dieser Regelung ist der Bundesrat im Rahmen des ihm erteilten Auftrages geblieben, denn schon nach der vom aufgehobenen Gewässerschutzgesetz getroffenen Ordnung hatte die Sicherung der Wasserversorgung vor der Lagerung von Brenn- und Treibstoffen den Vorrang (
BGE 84 I 159
). Sie ist deshalb zu beachten, ohne dass das Bundesgericht selber abzuwägen hätte, welches Bedürfnis - Sicherung der Wasserversorgung oder Sicherung der
BGE 100 Ib 94 S. 100
Versorgung mit Brenn- und Treibstoffen - den Vorrang verdiente. Die Beschwerdeführerin behauptet übrigens selber nicht, die Verordnung gehe in diesem Punkte über die gesetzliche Ermächtigung hinaus oder verstosse sonstwie gegen das Verfassungsrecht des Bundes. Die Errichtung von Tanklagern über Grundwasservorkommen in Zone A ist somit nach neuem Recht ausgeschlossen, da im Katastrophenfall trotz hochentwickelter Sicherungstechnik eine Grundwasserverunreinigung zu erwarten ist. Die gesetzliche Regelung zeigt, welch grosses Gewicht der Gesetzgeber dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Wasserversorgung beigemessen hat. Dieses öffentliche Interesse, dessen Bedeutung das Bundesgericht schon in der Rechtsprechung zum alten Gewässerschutzgesetz hervorgehoben hat, überwiegt in der Regel auch erheblichste private Interessen. Vergeblich wendet die Beschwerdeführerin ein, wenn man auf eine derartige "mathematische Kausalität" abstellen wolle, dürften überhaupt keine Tanklager mehr errichtet werden, denn im Falle z.B. eines Atomwaffenangriffes müsste wohl damit gerechnet werden, dass auch von Tanklagern, die nicht über Grundwasserströmen errichtet werden, Grundwasserverunreinigungen ausgehen könnten. Ist eine solche Möglichkeit nicht völlig auszuschliessen, so ist doch die Gefahr in diesem Fall erheblich kleiner, und es wäre nicht zu rechtfertigen, dort auf Sicherheitsvorkehren zu verzichten, wo die Gefahr erheblich ist, nur weil eine absolute Sicherheit nicht erreichbar scheint.
b) Der Kanton Luzern ist der ihm auferlegten Verpflichtung, Zonen im Sinne von Art. 10 der Verordnung auszuscheiden, noch nicht nachgekommen. Das kann aber, wie der Regierungsrat zu Recht angenommen hat und von der Beschwerdeführerin nicht bezweifelt wird, nicht dazu führen, dass in der Zwischenzeit das Bauverbot in Gebieten, die an sich der Zone A zuzuteilen sind, nicht zu beachten wäre. Mit eingehender Begründung hat der Regierungsrat sodann dargetan, dass das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin in die Zone A zu liegen käme. Die Beschwerdeführerin hat diese Feststellungen nicht als unrichtig angefochten, so dass kein Anlass besteht, auf sie zurückzukommen. Der Regierungsrat hat im weitern gezeigt, dass die geplante Anlage mindestens im Katastrophenfall geeignet ist, die Trink- und Brauchwasserversorgung der Region Lutherntal zu gefährden. Daraus folgt, dass die vorgesehene Erweiterung der Anlage beim derzeitigen Stand der Gesetzgebung rechtswidrig ist und
BGE 100 Ib 94 S. 101
dass jedenfalls eine nach dem 1. Juli 1972 erteilte Bewilligung rechtswidrig gewesen wäre. Es kann dabei offen bleiben, ob die Erteilung der Bewilligung schon nach den Vorschriften des zur Zeit der Erteilung der Bewilligung geltenden Rechtes rechtswidrig gewesen wäre.
c) Widerspricht die Ausführung der bewilligten Anlage dem geltenden Recht, so ist die erteilte Bewilligung nach dem Gesagten zu widerrufen, wenn das öffentliche Interesse dies verlangt und allfällige Rechtssicherheitsinteressen des Bewilligungsempfängers überwiegt. Unter diesem Gesichtspunkt ist gleichgültig, dass es sich beim Projekt der Beschwerdeführerin nicht um eine Neuanlage, sondern um eine blosse Erweiterung der bereits bestehenden grundwassergefährdenden Anlage handelt, denn die Verordnung verbietet zu Recht sowohl die Neuanlage als auch die Erweiterung bestehender wassergefährdender Betriebe. Angesichts der grossen Bedeutung, die der Gesetzgeber der Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Brauchwasser beigemessen hat, ist ein erhebliches Interesse an der Verhinderung der bewilligten Erweiterungsbauten zu bejahen. Es überwiegt auch das allfällige öffentliche Interesse an einer regionsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit flüssigen Brenn- und Treibstoffen. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
afd7e1ca-9eb2-4146-849d-29e8d4dc19a9 | Urteilskopf
91 I 62
12. Urteil vom 12. März 1965 i.S. Bally Schuhfabriken AG und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn. | Regeste
Verordnung des Bundesrates über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer vom 5. Oktober 1962 (ARV; AS 1962 S. 1167).
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
2. Legitimation zur Beschwerde (Erw. 2).
3. Angestellte eines industriellen Unternehmens, welche von ihm nebenbei als Lenker schwerer Motorwagen für regelmässige Arbeitertransporte eingesetzt werden, unterstehen der Verordnung, so dass die Wagen mit Fahrtschreibern auszurüsten sind (Erw. 4,5). | Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 91 I 62 S. 62
A.-
Die Bally Schuhfabriken AG betreibt in Schönenwerd eine grosse Fabrik, deren Arbeiter grossenteils in einiger Entfernung davon wohnen. Sie hält deshalb seit Jahren eine Anzahl (heute über 40) Personentransportwagen, mit denen sie in regelmässigen Fahrten am Morgen und Abend, zum Teil auch über den Mittag, diese Betriebsangehörigen von deren Wohnort nach Schönenwerd holen und zurückbringen lässt. Die Fahrzeuge werden von Leuten geführt, die tagsüber ebenfalls im Betrieb
BGE 91 I 62 S. 63
der Firma Bally arbeiten und den gleichen Weg wie die Insassen haben. Die Fahrt dauert jeweils eine Viertel- bis eine halbe Stunde. Die Cars werden nur für die genannten Fahrten verwendet; sie stehen tagsüber auf dem Fabrikareal und nachts in den Aussengemeinden.
Am 20. April 1964 erliess die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn gegenüber der Firma Bally folgende Verfügung:
"1. Die Personentransporte (Arbeitertransporte) mit schweren Motorwagen (über 3500 kg Gesamtgewicht) Ihrer Firma werden der ARV unterstellt.
2. Gemäss
Art. 14 ARV
(Kontrollmittel) sind die Gesellschaftswagen (Cars) mit einem typengeprüften Fahrtschreiber auszurüsten.
3. Die Frist zum Einbau der Fahrtschreiber wird auf den 1. Juli 1964 festgesetzt.
4. Gemäss
Art. 18 ARV
(Arbeitsbuch) haben die Carchauffeure das vorgeschriebene Arbeitsbuch, den Vorschriften entsprechend, nachzuführen.
5. Bewilligungen zur vereinfachten Führung des Arbeitsbuches auf Grund gleichbleibender Stundenpläne werden, falls die Voraussetzungen vorliegen, nach wie vor erteilt."
Hiegegen rekurrierte die Firma Bally, zunächst an das Polizeidepartement und gegen dessen abweisenden Entscheid an den Regierungsrat des Kantons Solothurn. Dieser wies den Rekurs mit Entscheid vom 13. November 1964 ebenfalls ab, wobei er die Motorfahrzeugkontrolle anwies, der Rekurrentin eine neue Frist für den Einbau der Fahrtschreiber anzusetzen.
B.-
Die Bally Schuhfabriken AG und drei ihrer Angestellten, welche für sie Arbeitertransporte führen, erheben Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen:
"1. Der Beschluss des Regierungsrates vom 13. November 1964 sei aufzuheben.
2. Es sei festzustellen, dass die im Betriebe der Bally Schuhfabriken AG tätigen Arbeiter, welche nebenbei am Morgen und am Abend sowie teilweise über die Mittagszeit Arbeitertransporte ausführen, und die von ihnen verwendeten Motorfahrzeuge der ARV nicht unterstellt sind.
3. Eventuell: Die Sache sei zu neuer Entscheidung an den Regierungsrat zurückzuweisen."
Es wird geltend gemacht, die ARV könne nur so verstanden werden, dass ausschliesslich "berufsmässige" Motorfahrzeugführer darunter fallen. Wäre sie anders gemeint, so hätte der Bundesrat die ihm im Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember
BGE 91 I 62 S. 64
1958 (SVG) erteilte Verordnungskompetenz überschritten. Die Lenker der von der Firma Bally für die Arbeitertransporte eingesetzten Cars seien aber keine berufsmässigen Motorfahrzeugführer. Sie besorgten die Transporte auch nicht im Nebenberuf. Sie verbrächten nur etwa 5% ihrer Arbeitszeit am Lenkrad und bezögen hiefür bloss ein geringes Entgelt. Die ARV bezwecke, die ihr unterstellten Motorfahrzeugführer vor Überbeanspruchung zu schützen und damit der Sicherheit des Strassenverkehrs zu dienen. Die Chauffeure der Personentransportwagen der Firma Bally bedürften dieses besonderen Schutzes nicht, und durch die von ihnen ausgeführten Transporte werde der Strassenverkehr nicht zusätzlich belastet.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 22 Abs. 1 ARV
ist gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz über die Anwendbarkeit der Verordnung aufeinzelne Motorfahrzeugführer die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, nach Abs. 2 gegen solche in anderen Fällen die Verwaltungsbeschwerde an den Bundesrat zulässig.
Durch den angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat als letzte kantonale Instanz die von der Motorfahrzeugkontrolle getroffene Verfügung bestätigt, welche die Arbeitertransporte der Firma Bally der ARV unterstellt (Ziff. 1) und demgemäss die Ausrüstung ihrer Cars mit Fahrtschreibern (Ziff. 2 und 3) und die Führung des Arbeitsbuches (Ziff. 4 und 5) verlangt. Die Unterstellung (Ziff. 1) beruht auf der Feststellung, dass die Führer der Cars gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a der ARV unterstehen, ist also ein Entscheid "über die Anwendbarkeit der Verordnung auf einzelne Motorfahrzeugführer" und unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Die Ziffern 2 bis 5 ziehen lediglich die Folgerungen aus dieser Unterstellung; sie haben keine selbständige Bedeutung. Das gilt vor allem für die Ausrüstung mit Fahrtschreibern, gegen welche sich die Firma Bally wegen der daraus sich ergebenden finanziellen Belastung hauptsächlich zur Wehr setzt.
Art. 15 Abs. 1
BGE 91 I 62 S. 65
ARV
schreibt sie vor für "Motorwagen, deren Führer dieser Verordnung unterstehen". Der Entscheid über die Unterstellung ist daher auch für die Frage des Einbaus der Fahrtschreiber massgebend; diese stellt sich nicht in einem "anderen Fall", wofür nach
Art. 22 Abs. 2 ARV
die Beschwerde an den Bundesrat zulässig wäre. Die beiden Fragen lassen sich nicht voneinander trennen und können deshalb nicht von verschiedenen Beschwerdeinstanzen beurteilt werden.
Ähnliches gilt für die Führung des Arbeitsbuches; auch die Verpflichtung dazu ergibt sich aus der Unterstellung der Führer und Fahrzeuge unter die ARV.
2.
Nach
Art. 103 OG
ist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Rechten verletzt worden ist. Auf die Firma Bally treffen beide Voraussetzungen zu, da sie schon das kantonale Beschwerdeverfahren durchgeführt hat und da durch den angefochtenen Entscheid - nach ihrer Auffassung zu Unrecht - ihre Cars der ARV unterstellt werden und von ihr der Einbau von Fahrtschreibern verlangt wird. Hinsichtlich der anderen drei Beschwerdeführer ist wenigstens die zweite Voraussetzung erfüllt, da sie als Führer von Arbeitertransporten der Firma Bally der ARV und damit den Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer unterstellt, also ebenfalls in ihrer Rechtsstellung betroffen werden. Es ist auf die Beschwerde aller vier Beschwerdeführer einzutreten.
3.
Nach
Art. 108 Abs. 2 OG
sind Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen kantonale Entscheide dem Bundesrat zur allfälligen Vernehmlassung mitzuteilen. Der Bundesrat hat seine sich hieraus ergebende Befugnis mit Bezug auf die ARV dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit delegiert, indem er ihm in Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung die Oberaufsicht über deren Vollzug übertragen hat. Gestützt hierauf hat sich das Bundesamt zur Beschwerde vernehmen lassen.
4.
Die ARV ordnet, wie ihr Titel sagt, die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer. Sie stützt sich auf die dem Bundesrat in
Art. 56 SVG
erteilte Befugnis, die hierauf beschränkt ist, und kann schon deshalb, wie der Regierungsrat anerkennt, nur die dort und in ihrem Titel genannte Kategorie von Motorfahrzeugführern erfassen. Wenn ihr Art. 1, der ihren Geltungsbereich umschreibt, das Wort "berufsmässig"
BGE 91 I 62 S. 66
- im Gegensatz zu der früheren, auf dem MFG beruhenden Verordnung von 1933 - nicht verwendet, sondern sie auf die unselbständig erwerbenden (nebst deren Arbeitgebern) und selbständig erwerbenden Motorfahrzeugführer anwendbar erklärt, welche näher bestimmte Transporte ausführen, so liegt hierin nicht eine Ausdehnung auf nicht berufsmässige Chauffeure, sondern eine neue Umschreibung dessen, was die Verordnung unter berufsmässigen Motorfahrzeugführern versteht. Diese Ordnung ist für das zu ihrer Anwendung berufene Bundesgericht gemäss
Art. 114 bis Abs. 3 BV
verbindlich, wenn und soweit sie sich im Rahmen der dem Bundesrat in
Art. 56 SVG
erteilten Befugnis hält. Da diese auf die berufsmässigen Motorfahrzeugführer beschränkt ist, darf der Bundesrat den Begriff nicht über das hinaus erstrecken, was jene Gesetzesbestimmung darunter verstehen kann, und weil das SVG ihn nicht definiert, ist auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des von
Art. 56 SVG
verfolgten Zweckes abzustellen.
Die Arbeitertransporte mit den Cars der Firma Bally sind unbestreitbar Personentransporte mit schweren Motorwagen, fallen also unter lit. a des
Art. 1 Abs. 1 ARV
, welche die Transporte dieser Art erfasst. Die Beschwerdeführer bestreiten denn auch nicht, dass diese Bestimmung darauf zutrifft, wohl aber, dass die Lenker der Cars berufsmässige Motorfahrzeugführer im Sinne des Gesetzes seien. Sie machen geltend, die ARV sei, richtig verstanden, nur auf solche Motorfahrzeugführer anwendbar; wäre sie anders gemeint, so ginge sie über die dem Bundesrat im Gesetz eingeräumte Verordnungsbefugnis hinaus.
Art. 56 SVG
ermächtigt den Bundesrat zur Ordnung der Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer, "so dass ihre Beanspruchung nicht grösser ist als nach den gesetzlichen und gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen für vergleichbare Tätigkeiten". Die gestützt darauf erlassenen Vorschriften sollen nicht nur die betreffenden Chauffeure selbst schützen, sondern auch allfällige Insassen der von ihnen geführten Fahrzeuge und die übrigen Strassenbenützer, deren Sicherheit durch übermüdete Fahrzeuglenker gefährdet würde. Aus diesem Zweck erhellt, dass nicht nur im Haupt-, sondern auch im Nebenberuf als Motorfahrzeugführer tätige Personen unter jene Vorschriften fallen; denn in beiden Fällen besteht die gleiche Gefahr, und insbesondere kann sich die Übermüdung aus der
BGE 91 I 62 S. 67
Verbindung der nebenberuflichen Chauffeurtätigkeit mit einer anderweitigen hauptberuflichen Beschäftigung ergeben. Auch allgemein ist der Begriff der Berufsmässigkeit nicht auf den Hauptberuf beschränkt, sondern umfasst auch Nebenberufe. Das galt schon unter der früheren ARV, die den Begriff in Art. 1 Abs. 1 voraussetzte ("denen als Beruf die Führung eines Motorfahrzeuges obliegt") und in Abs. 2 beifügte: "Wer ein Motorfahrzeug gegen Entgelt nur ausnahmsweise führt, ist nicht berufsmässiger Motorfahrzeugführer". Das Bundesgericht hat denn auch in BGE 67 I Nr. 9 erkannt, dass die im Interesse der Verkehrssicherheit erlassenen Vorschriften dieser Verordnung nach ihrem Zwecke ebenfalls für nebenberufliche Betätigungen als Chauffeur gelten (S. 60). Der Entscheid befasst sich im übrigen mit der Abgrenzung zwischen einem Motorwagenführer, der nicht im Haupt-, sondern nur im Nebenberuf die Führung eines Motorfahrzeuges besorgt, und einem solchen, der nur ausnahmsweise ein Motorfahrzeug gegen Entgelt führt, und erklärt (S. 59/60): "Wer aber, wenn auch nur nebenberuflich, doch nach Bedarf mit einer gewissen Regelmässigkeit und im Rahmen eines bestimmten Autotransportunternehmens, mit dem er als Inhaber in der denkbar engsten Beziehung steht, Motorfahrzeuge führt, fällt nicht unter die Ausnahme des Art. 1 Abs. 2." Entscheidend für den Begriff der Berufsmässigkeit im Gegensatz zur ausnahmsweisen Führung ist demnach die Regelmässigkeit der Fahrten und die enge Verbindung mit dem Unternehmen; diese braucht aber nicht auf den Inhaber - um den es sich in jenem vom Bundesgericht beurteilten Falle gehandelt hat - beschränkt zu sein, sondern kann auch bei einem Angestellten vorliegen. Die gleichen Überlegungen gelten grundsätzlich auch unter der neuen ARV und insbesondere für die Frage, ob die Umschreibung der Berufsmässigkeit in deren Art. 1 Abs. 1 sich in einem bestimmten Falle als gesetzwidrig erweist, indem sie einen Chauffeur einbezieht, der weder haupt- noch nebenberuflich als solcher tätig ist und daher von ihr nicht erfasst werden darf.
Im vorliegenden Falle handelt es sich um Transporte zwischen Wohn- und Arbeitsort, die von der Firma Bally für ihre Betriebsangehörigen organisiert und finanziert werden. Sie finden an allen Arbeitstagen am Morgen und am Abend und teilweise auch über den Mittag statt und dauern jeweils eine Viertel- bis eine halbe Stunde. Da die Transporte über den Mittag offenbar
BGE 91 I 62 S. 68
die kürzeren Strecken betreffen, kann angenommen werden, dass die Lenker der Cars, die stets dieselben sind, täglich ungefähr eine Stunde Dienst am Lenkrad tun. Aber auch wenn es weniger ist, kann kein Zweifel bestehen, dass hier keine bloss ausnahmsweise, sondern eine regelmässige Betätigung als Motorfahrzeugführer vorliegt. Es besteht eine enge Beziehung zum Transportunternehmen, indem die Chauffeure im Betriebe der Firma Bally arbeiten, der die Cars gehören und für welche die Transporte durchgeführt werden. Zweifellos wird den Chauffeuren die am Lenkrad verbrachte Zeit auf die gesamte Arbeitszeit, die sie für die Firma zu leisten haben, angerechnet. Die Zwischenschaltung der sog. "Autovereinigungen", welche die Cars von der Firma mieten und den Lenkern eine Vergütung entrichten, vermag nichts daran zu ändern, dass deren Tätigkeit am Lenkrad in enger Verbindung mit der Firma und mit ihrer Haupttätigkeit für diese steht. Die ganzen Betriebskosten für die Arbeitertransporte trägt die Firma. Die Lenker sind mithin nebenberuflich als solche tätig und sind deshalb berufsmässige Motorfahrzeugführer auch im Sinne des
Art. 56 SVG
. Ihre Unterstellung unter die ARV geht daher nicht über die dem Bundesrat erteilte Verordnungsbefugnis hinaus. Sie ist zu Recht verfügt worden.
5.
Mit der Abweisung der Beschwerde gegen die Unterstellung ist über die Beschwerde auch insoweit entschieden, als sie sich gegen die in den Ziffern 2 und 3 der Verfügung vom 20. April 1964 verlangte Ausrüstung der Cars mit Fahrtschreibern richtet; denn diese ist in
Art. 15 Abs. 1 ARV
zwingend vorgeschrieben für Motorwagen, deren Führer dieser Verordnung unterstehen. Schon aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass auch diese Vorschrift nicht über die dem Bundesrat erteilte Delegation hinausgeht. Übrigens ermächtigt
Art. 25 Abs. 2 lit. i SVG
den Bundesrat noch ausdrücklich, Fahrtschreiber u.a. zur Kontrolle der Arbeitszeit berufsmässiger Motorfahrzeugführer vorzuschreiben.
Die materiellen Einwendungen der Beschwerdeführer, wonach der Fahrtschreiber bei ihren Arbeitertransporten keinen Sinn habe, sind für die Anwendung der geltenden Vorschrift, welche diese Einrichtung zwingend vorschreibt, ohne Bedeutung.
6.
Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids schlechthin, also offenbar auch, soweit sie dadurch - in Bestätigung der Ziffern 4 und 5 der Verfügung
BGE 91 I 62 S. 69
vom 20. April 1964 - zur Führung des Arbeitsbuches gemäss
Art. 18 ARV
verpflichtet werden. Indessen kann auf die Beschwerde in diesem Punkte mangels der nach Art. 90 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit
Art. 107 OG
erforderlichen Begründung nicht eingetreten werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit daraufeinzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
afdccff4-543a-482b-a365-06f04cecc2fa | Urteilskopf
120 III 128
43. Estratto della sentenza 21 ottobre 1994 della Camera delle esecuzioni e dei fallimenti nella causa Stato del Cantone Ticino c. W. (ricorso) | Regeste
Art. 49 VZG
; Steigerungsbedingungen, Grundstückgewinnsteuer.
Die in den Steigerungsbedingungen aufgeführten Forderungen, die dem Ersteigerer ohne Anrechnung am Zuschlagspreis zu überbinden sind, müssen bereits vor der Versteigerung bestehen. Dies ist nicht der Fall bei der Grundstückgewinnsteuer, die mit dem Zuschlag entsteht. | Sachverhalt
ab Seite 128
BGE 120 III 128 S. 128
A.-
Nell'ambito del fallimento della T SA l'Ufficio dei fallimenti di Z ha iscritto nell'elenco oneri relativo alla particella n. 1693 RFD di Z una serie di crediti garantiti da pegno immobiliare, fra cui quello di W, e le imposte cantonali e comunali dal 1989 al 1993 nonché la tassa di canalizzazione e la tassa d'uso comunale 1992. I presunti importi dell'imposta sull'utile immobiliare a favore dello Stato del Cantone Ticino (fr. ...) e della Città di Z (fr. ...) sono invece stati iscritti nel verbale d'incanto 14 febbraio 1994 al n. 8 delle condizioni di pagamento,
BGE 120 III 128 S. 129
che prevede che l'aggiudicatario deve assumerli o pagarli in contanti senza imputazione sul prezzo di aggiudicazione. Il 27 giugno 1994 la Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino, adita da W, ha depennato dalle condizioni d'incanto le predette imposte concernenti un presunto utile di vendita.
B.-
Il 28 luglio 1994 lo Stato del Cantone Ticino ha presentato al Tribunale federale un ricorso, con cui postula l'annullamento della decisione cantonale e il mantenimento nelle condizioni d'asta degli importi riguardanti un presunto utile di vendita. Con osservazioni 23 agosto 1994 l'Ufficio dei fallimenti di Z propone l'accoglimento del gravame, mentre con risposte del 25 agosto 1994, 20 settembre 1994 e 22 settembre 1994 W e gli altri creditori pignoratizi chiedono la reiezione del ricorso.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
L'
art. 49 cpv. 1 RFF
(RS 281.42) recita che le condizioni di vendita metteranno a carico dell'aggiudicatario senza imputazione sul prezzo:
"a. Le spese di realizzazione, di trapasso della proprietà e delle modificazioni da praticarsi nel registro fondiario e nei titoli a riguardo dei pegni, delle servitù, ecc., comprese le spese del procedimento previsto dall'articolo 69 riguardo ai titoli ipotecari mancanti, totalmente o parzialmente estinti a seguito dell'incanto;
b. i crediti assistiti da ipoteca legale, non scaduti al momento dell'incanto e quindi non iscritti nell'elenco oneri (
art. 836 CC
: premi di assicurazione contro gli incendi, imposte fondiarie, ecc.); inoltre le tasse correnti per l'acqua potabile, gas, elettricità, ecc.".
Il cpv. 2 dell'
art. 49 RFF
specifica poi che l'aggiudicatario non può essere tenuto ad altri pagamenti, oltre al prezzo di aggiudicazione, diversi da quelli summenzionati.
a) Un articolo di legge dev'essere in primo luogo interpretato giusta il suo testo letterale (vedi fra le altre
DTF 119 II 151
consid. b,
DTF 118 II 309
consid. a). È unicamente possibile scostarsi dal testo di una norma se vi sono seri motivi per ritenere che lo stesso non riporti il vero senso della norma (
DTF 118 Ib 191
consid. 5 e riferimenti). In concreto, visto che l'
art. 49 cpv. 1 lett. b RFF
si riferisce letteralmente a crediti non scaduti, appare logico dedurne che gli stessi devono esistere prima dell'incanto affinché sia possibile menzionarli nelle condizioni d'asta per porli a carico dell'aggiudicatario senza imputazione sul prezzo di vendita. Nella fattispecie è pacifico che un credito riguardante l'imposta
BGE 120 III 128 S. 130
sull'utile immobiliare può unicamente sorgere con l'incanto, poiché solo a quel momento potrebbe essere conseguito un utile imponibile. Da un'interpretazione letterale del testo legale il presunto importo di una siffatta imposta non rientra quindi nei crediti previsti dalla norma in esame e non può di conseguenza essere messo a carico dell'aggiudicatario in sede di incanto.
b) Resta da esaminare se vi sono seri motivi per ritenere che un'interpretazione letterale non renda il vero senso della norma.
aa) Il ricorrente invoca una sentenza emanata dal Tribunale federale in materia fiscale (decisione del 2 febbraio 1984 in re S SA c. Canton Vallese pubblicata in Steuer Revue 1987, pag. 40 segg.), secondo cui qualora un credito fiscale, garantito da un'ipoteca legale ai sensi dell'
art. 836 CC
, sorga dopo l'aggiudicazione, esso è da porre a carico dell'aggiudicatario senza che questi possa imputare l'imposta sul prezzo. Occorre tuttavia rilevare che nel giudizio appena menzionato il Tribunale federale doveva, come ha d'altronde espressamente rilevato, statuire sulla tassazione e cioè sul principio e sull'ammontare dell'imposta. Il rilievo concernente le condizioni d'asta deve quindi essere considerato come un obiter dictum. D'altro canto pure la dottrina citata dal ricorrente pare ritenere - come la sentenza impugnata - che una simile imposta debba essere considerata un debito della massa (cfr. BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 4a edizione, pag. 427 seg.; A. ZUCKER, Das Steuerpfandrecht in den Kantonen, pag. 41).
bb) Inoltre secondo l'autorità cantonale, il mancato inserimento dell'imposta nelle condizioni di vendita non preclude all'ente pubblico la possibilità di gravare il fondo alienato con un'ipoteca legale. A prima vista questa argomentazione sembra corretta, poiché essendo l'imposta un credito che nasce con l'aggiudicazione, essa non dovrebbe essere parte del processo di epurazione. La questione non deve però essere decisa in questa sede, ma piuttosto se e quando il ricorrente farà valere a garanzia del proprio credito l'esistenza di un'ipoteca legale, e può quindi restare aperta.
cc) Infine nemmeno l'argomentazione giusta la quale occorre menzionare il presunto ammontare dell'imposta sull'utile immobiliare nelle condizioni d'asta per tutelare l'aggiudicatario da eventuali sorprese è sufficiente per ritenere che la decisione impugnata violi il diritto federale. Infatti, non si vede perché colui che si aggiudica la proprietà di un fondo in un pubblico incanto debba essere tutelato in maggior misura da eventuali fatti aleatori intrinseci alla compera di un immobile rispetto a chi, invece,
BGE 120 III 128 S. 131
acquista una proprietà immobiliare con un contratto di compravendita ai sensi dell'art. 216 segg. CO. Non essendovi pertanto alcun motivo che permetterebbe al Tribunale federale di scostarsi da un'interpretazione letterale dell'
art. 49 RFF
, il ricorso dev'essere respinto. | null | nan | it | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
afdd37b1-15b8-4f6a-b387-690d9b53c03f | Urteilskopf
118 V 283
35. Auszug aus dem Urteil vom 22. Oktober 1992 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen S. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 9 Abs. 1 UVV
: Unfallbegriff, ungewöhnlicher äusserer Faktor.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine bestimmte medizinische Massnahme den gesetzlichen Unfallbegriff erfüllt, kommt der Indikation zum Eingriff keine Rechtserheblichkeit zu. | Erwägungen
ab Seite 283
BGE 118 V 283 S. 283
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 9 Abs. 1 UVV
, der die vom Eidg. Versicherungsgericht in ständiger Rechtsprechung verwendete Definition übernommen hat (
BGE 116 V 138
Erw. 3a und 147 Erw. 2a mit Hinweisen), gilt als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper. Nach der Definition des Unfalls bezieht sich das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber. Ohne Belang für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit ist somit, dass der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog.
BGE 118 V 283 S. 284
Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet. Ob dies zutrifft, beurteilt sich im Einzelfall, wobei grundsätzlich nur die objektiven Verumständungen in Betracht fallen (
BGE 116 V 138
Erw. 3b und 147 Erw. 2a mit Hinweisen).
b) Diese Grundsätze zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit gelten auch, wenn zu beurteilen ist, ob ein ärztlicher Eingriff den gesetzlichen Unfallbegriff erfüllt. Die Frage, ob eine ärztliche Vorkehr als mehr oder weniger ungewöhnlicher äusserer Faktor zu betrachten sei, ist aufgrund objektiver medizinischer Kriterien zu beantworten. Sie ist nur dann zu bejahen, wenn die ärztliche Vorkehr als solche den Charakter des ungewöhnlichen äusseren Faktors aufweist; denn das Merkmal der Aussergewöhnlichkeit bezieht sich nach der Definition des Unfallbegriffs nicht auf die Wirkungen des äusseren Faktors, sondern allein auf diesen selber. Nach der Praxis ist es mit dem Erfordernis der Aussergewöhnlichkeit streng zu nehmen, wenn eine medizinische Massnahme in Frage steht. Damit eine solche Vorkehr als ungewöhnlicher äusserer Faktor qualifiziert werden kann, muss ihre Vornahme unter den jeweils gegebenen Umständen vom medizinisch Üblichen ganz erheblich abweichen und zudem, objektiv betrachtet, entsprechend grosse Risiken in sich schliessen. Im Rahmen einer Krankheitsbehandlung, für welche der Unfallversicherer nicht leistungspflichtig ist, kann ein Behandlungsfehler ausnahmsweise den Unfallbegriff erfüllen, nämlich wenn es sich um grobe und ausserordentliche Verwechslungen und Ungeschicklichkeiten oder sogar um absichtliche Schädigungen handelt, mit denen niemand rechnet noch zu rechnen braucht. Ob ein Unfall im Sinne des obligatorischen Unfallversicherungsrechts vorliegt, beurteilt sich unabhängig davon, ob der beteiligte Mediziner einen Kunstfehler begangen hat, der eine (zivil- oder öffentlichrechtliche) Haftung begründet. Ebensowenig besteht eine Bindung an eine allfällige strafrechtliche Beurteilung des ärztlichen Verhaltens (RKUV 1988 Nr. U 36 S. 46 f. mit zahlreichen Hinweisen; vgl. auch MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 180 ff.).
3.
Im vorliegenden Fall geht aus den Akten, insbesondere den Gutachten der Dres. W. vom 15. Mai 1989 und Sch. vom 22. April 1988, hervor und ist unbestritten, dass für die durchgeführte Carotisangiographie bei richtiger Interpretation der CT-Aufnahmen keine Indikation bestand. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des kantonalen Gerichts verwiesen und festgestellt
BGE 118 V 283 S. 285
werden, dass die Vornahme der Carotisangiographie medizinisch nicht indiziert war.
a) Die Vorinstanz erwog, bei der Beurteilung der Frage, ob die medizinische Massnahme einen ungewöhnlichen äusseren Faktor darstelle, komme der Indikation zum Eingriff eine zentrale Bedeutung zu. Die fehlende Indikation sei bereits ein gewichtiges Indiz für die Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors im Sinne einer erheblichen Abweichung vom medizinisch Üblichen. Es bedürfe anschliessend nur noch eines kleinen, sich realisierenden Risikos, damit der Unfallbegriff erfüllt sei. Es bestehe folglich eine Wechselwirkung zwischen Indikation und Risiko: Je weniger der Eingriff an sich gerechtfertigt sei, desto kleiner seien die Risiken, welche dem Arzt bei dessen Durchführung zugebilligt werden dürften. Erfolge der Eingriff hingegen zu Recht, müssten auch grössere Risiken zugestanden werden.
Für die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt stellt die Indikation kein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen der Kranken- und der Unfallversicherung dar. Die medizinische Massnahme sei in der Regel das Ergebnis einer Vielzahl von Entscheidungen über gesundheitsrelevante Fragen. Der Einbezug der Indikation in die unfallversicherungsrechtliche Beurteilung hätte zur Folge, dass jeweils die Krankengeschichte daraufhin analysiert werden müsste, welche Entscheide des medizinischen Personals am Misserfolg einer Behandlung beteiligt sein könnten. Im übrigen setze der Unfallbegriff ein aktives Tun oder Unterlassen des medizinischen Personals voraus. Die Indikation sei nur die innere Begründung für dieses Tun und deshalb für den Unfallbegriff entbehrlich.
b) Der Auffassung der Anstalt ist beizupflichten. Damit eine medizinische Massnahme als ungewöhnlicher äusserer Faktor qualifiziert werden kann, muss praxisgemäss ihre Vornahme unter den gegebenen Umständen vom medizinisch Üblichen ganz erheblich abweichen (Erw. 2b). Entscheidend ist mithin, ob der Eingriff als solcher das Begriffsmerkmal der Aussergewöhnlichkeit erfüllt. Dagegen kommt der Indikation (dem "Angezeigtsein") in diesem Zusammenhang weder für sich allein noch im Verein mit anderen Umständen (wie ärztliche Fehlleistungen bei der Durchführung der Massnahme) irgendwelche Bedeutung zu. Bei der Indikation handelt es sich nicht um einen äusseren Faktor, sondern lediglich um den - auf vorgängigen ärztlichen Abklärungen und Erkenntnissen beruhenden - Grund, im Einzelfall ein bestimmtes diagnostisches oder therapeutisches Verfahren zur Anwendung zu bringen. Erweist sich
BGE 118 V 283 S. 286
die Indikation für einen im Rahmen der Krankheitsbehandlung erfolgten Eingriff im nachhinein als falsch, liegt eine blosse Fehlbehandlung vor. Hierfür hat der Unfallversicherer nicht aufzukommen, es sei denn, die (nicht indizierte) Vorkehr selber überschreite die Schwelle der Aussergewöhnlichkeit. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
afe3bc81-bb29-4d04-8cb0-3ba8dd817f19 | Urteilskopf
123 III 473
74. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Juli 1997 i.S. Stratton Industrie Holding AG in Liquidation gegen Departement des Innern des Kantons Aargau und Handelsregisteramt des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde). | Regeste
Art. 739 Abs. 2 OR
; Widerruf des Auflösungsbeschlusses einer Aktiengesellschaft.
Der Widerruf des Auflösungsbeschlusses durch die Generalversammlung ist so lange zulässig, als noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen worden ist (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 473
BGE 123 III 473 S. 473
A.-
Die Stratton Industrie Holding AG mit Sitz in Waltenschwil wurde am 20. März 1987 gegründet und am 9. April 1987 in das Handelsregister des Kantons Aargau eingetragen. Nachdem es zwischen den zwei die Gesellschaft beherrschenden Aktionären zu Auseinandersetzungen gekommen war, beschloss die Generalversammlung am 21. Oktober 1992 die Auflösung und anschliessende Liquidation der Gesellschaft und ernannte zwei Liquidatoren. Am 18. November 1992 erfolgte die Eintragung der Auflösung im Handelsregister. Am 1. Dezember 1992 wurde der Eintrag im Schweizerischen Handelsamtsblatt publiziert.
In der Folge schied der eine der Aktionäre aus der Gesellschaft aus, indem er seine Aktien dem andern übertrug, der damit zum Alleinaktionär wurde. Darauf beschloss die Generalversammlung am 6. Juli 1994 einstimmig, den Auflösungsbeschluss zu widerrufen und die statutarische Geschäftstätigkeit ohne den Firmazusatz "in Liq." weiterzuführen. Zudem wurde vom Rücktritt der Liquidatoren Kenntnis genommen. Der Beschluss wurde öffentlich beurkundet.
B.-
Am 8. Juli 1994 meldete die Gesellschaft den Widerruf des Auflösungsbeschlusses vom 21. Oktober 1992 und die Löschung der beiden Liquidatoren beim Handelsregisteramt des Kantons Aargau
BGE 123 III 473 S. 474
zur Eintragung in das Register an. Der Anmeldung wurden Unterlagen beigelegt, aus denen hervorging, dass sich auf den Schuldenruf eine einzige Gläubigerin, die Involvo AG, gemeldet und diese ihre Zustimmung zum Widerruf des Auflösungsbeschlusses gegeben hatte. Beigelegt wurde zudem eine mit der Prüfungsbestätigung der Revisionsstelle versehene Erklärung der Liquidatoren, dass ausser dem Schuldenruf keine Liquidationshandlungen durchgeführt worden seien.
Am 2. August 1994 verfügte das Handelsregisteramt des Kantons Aargau, die Anmeldung zur Eintragung des Widerrufsbeschlusses im Handelsregister sowie die Löschung der beiden Liquidatoren werde abgewiesen. Die von der Gesellschaft dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Departement des Innern des Kantons Aargau mit Verfügung vom 27. April 1995 abgewiesen.
C.-
Die Stratton Industrie Holding AG in Liquidation hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Verfügung des Handelsregisteramtes des Kantons Aargau vom 2. August 1994 und die Verfügung des Departementes des Innern des Kantons Aargau vom 27. April 1995 seien vollumfänglich aufzuheben; das Handelsregisteramt sei anzuweisen, den Generalversammlungsbeschluss vom 6. Juli 1994 betreffend den Widerruf des Auflösungsbeschlusses vom 21. Oktober 1992 und betreffend Weiterführung der Firma ohne den Zusatz "in Liquidation" sowie die Löschung der beiden Liquidatoren im Handelsregister einzutragen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt die Verfügung des Departements des Innern auf und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an dieses zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann lediglich die Verfügung des Departements des Innern des Kantons Aargau angefochten werden (
Art. 5 HRegV
[SR 221.411],
Art. 98 lit. g OG
). Unbeachtlich ist deshalb der Antrag der Beschwerdeführerin, es sei auch die Verfügung des Handelsregisteramtes des Kantons Aargau aufzuheben.
2.
In der Verfügung des Departements des Innern wurde die Befugnis der Generalversammlung, den Auflösungsbeschluss zu widerrufen, mit der Begründung verneint, das Obligationenrecht schliesse die Möglichkeit eines Widerrufs aus. Das Departement
BGE 123 III 473 S. 475
stützte sich dabei auf einen im Jahre 1965 ergangenen Bundesgerichtsentscheid (
BGE 91 I 438
ff.).
Dieser Entscheid, der eine Genossenschaft betraf, wurde wie folgt begründet: Das Bundesgericht wies zunächst auf eine vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1936 über die Revision der Titel 24-33 des OR (1. Juli 1937) vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement sowie dem Bundesrat vertretene Auffassung hin, wonach der Auflösungsbeschluss der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft diese als Erwerbsgesellschaft auflöse und sie nur zum Zwecke der Liquidation bestehen bleibe; demgemäss habe die Generalversammlung nur noch beschränkte Befugnisse; sie könne keine Beschlüsse mehr fassen, die nicht die Durchführung der Liquidation beträfen, insbesondere nicht deren Aufhebung beschliessen (E. 3 S. 441). Das Bundesgericht befasste sich sodann mit der Entstehungsgeschichte von
Art. 739 OR
und hielt fest, aus den Materialien ergebe sich keine eindeutige Stellungnahme des Gesetzgebers zur Frage der Zulässigkeit des Widerrufs (E. 3 S. 442 und E. 5c). Es wies im weitern auf einen in der amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten Bundesgerichtsentscheid vom 14. September 1938 hin, in dem ausgeführt worden war, angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes, der den Niederschlag schon früher anerkannter Grundsätze bilde, könne kein Zweifel darüber bestehen, dass ein Beschluss auf Widerruf der Liquidation und Fortsetzung der Gesellschaft nicht zulässig sei (E. 3 S. 442). Das Bundesgericht zitierte anschliessend die einschlägige schweizerische Lehre und hielt fest, die Meinungen der Autoren seien geteilt (E. 3 S. 443). Zudem ergebe auch der Vergleich mit den Regelungen bzw. der Literatur und Praxis der Nachbarländer Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien kein einheitliches Bild (E. 3 S. 443 f. und E. 5d S. 447). Es verwarf sodann die in der Lehre vertretene Meinung (W. VON STEIGER, Zürcher Kommentar, N. 29 zu
Art. 820 OR
), wonach sich
Art. 739 Abs. 2 OR
nur mit den Befugnissen der Gesellschaftsorgane im Hinblick auf die Liquidation befasse und keine genügende Grundlage zur Lösung des Problems der Rückgründung bilde, und hielt an der im unveröffentlichten Bundesgerichtsentscheid vom 14. September 1938 geäusserten Meinung fest, dass die Gesellschaftsorgane nach dem klaren Wortlaut von Art. 738/739 OR nicht befugt seien, den einmal gefassten Auflösungsbeschluss zu widerrufen (E. 5b). Das Bundesgericht räumte schliesslich ein, dass es Fälle geben möge, wo der Widerruf des Auflösungsbeschlusses die Interessen der Öffentlichkeit nicht
BGE 123 III 473 S. 476
gefährde, was aber nicht genüge, um eine vom eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung zu rechtfertigen (E. 5d S. 448).
3.
Die auf die damalige schweizerische Lehre bezügliche Feststellung in
BGE 91 I 438
ff., dass die Meinungen geteilt seien, das heisst keine überwiegende Lehrmeinung bestehe, trifft für die nach 1965 erschienenen Publikationen nicht mehr zu. Der damals von W. VON STEIGER vertretenen Auffassung (von diesem bestätigt in ZBJV 103/1967, S. 122 f.), dass ein Widerruf des Auflösungsbeschlusses grundsätzlich zulässig sein müsse, hat sich nach 1965 die Mehrheit der Autoren angeschlossen. Zu erwähnen sind von GREYERZ (Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/2, S. 279), BÜRGI (Zürcher Kommentar, N. 20 zu Art. 736), ROBERT HEBERLEIN (Die Kompetenzausscheidung bei der Aktiengesellschaft in Liquidation unter Mitberücksichtigung der Kollektivgesellschaft nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1969, S. 12 ff.), LUTZ MELLINGER (Die Fusion von Aktiengesellschaften im schweizerischen und deutschen Recht, Diss. Zürich 1971, S. 24 ff.), PETER STAEHELIN (Die Rückgründung aufgelöster Gesellschaften oder Genossenschaften, BJM 1973, S. 217 ff.), BÖCKLI (Schweizer Aktienrecht, 2. Auflage, S. 1027 Rz. 1955d), FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL (Schweizerisches Aktienrecht, § 55 N. 189 ff.; anders FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das schweizerische Aktienrecht, 3. Auflage 1983, § 41 N. 9) und WALTER STOFFEL (SJK, Ersatzkarte 403, Die Aktiengesellschaft, XV, Auflösung, Liquidation und Überschuldung, S. 3 Fn. 6). Soweit sie sich zur Frage äussern, sind aber alle zitierten Autoren der Auffassung, dass der Widerruf im fortgeschrittenen Liquidationsstadium nicht mehr zuzulassen sei, wobei die Mehrheit von ihnen die Grenze übereinstimmend mit den Regelungen des deutschen und österreichischen Rechts im Zeitpunkt setzt, wo noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen worden ist. In diesem Zusammenhang ist im übrigen anzumerken, dass sich neben den vom Bundesgericht in
BGE 91 I 438
ff. zitierten noch andere Autoren vor 1965 für die grundsätzliche Zulässigkeit des Widerrufs ausgesprochen haben (nämlich R. GOLDSCHMIDT, Grundfragen des neuen schweizerischen Aktienrechts, St. Gallen 1937, S. 60 ff.; FRITZ FUNK (Kommentar des Obligationenrechts, 2. Band, "Das Recht der Gesellschaften", 1951, N. 1 zu
Art. 736 OR
; WALTER R. SCHLUEP, Die wohlerworbenen Rechte des Aktionärs und ihr Schutz nach schweizerischem Recht, Diss. St. Gallen 1955, S. 74; CHARLES METZLER, Die Auflösungsgründe im Bereich der Aktiengesellschaft, Diss. Bern 1952, S. 5 f.). Der Kritik an
BGE 91 I 438
ff.
BGE 123 III 473 S. 477
nicht angeschlossen haben sich ROBERT PATRY (Précis de droit suisse des sociétés, vol. II, La société anonyme, les sociétés mixtes, 1977, S. 267), GUHL/KUMMER/DRUEY (Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Auflage, S. 696) und STÄUBLI (in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht II, N. 6 zu
Art. 736 OR
).
Der Umstand, dass
BGE 91 I 438
ff. in der Lehre überwiegend kritisiert wird, deutet auf eine gegenüber der damals getroffenen Lösung gewandelte Rechtsauffassung, auf eine andere Wertung der auf dem Spiel stehenden Interessen hin, was Anlass für eine Praxisänderung bilden kann (
BGE 107 V 79
E. 5a mit Hinweisen; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 512 f. zu
Art. 1 ZGB
). Das wird durch die Stellungnahme des Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister bestätigt, welches dem Bundesgericht eine Überprüfung seiner Praxis nahelegt und darauf hinweist, dass einer anderen Lösung keine öffentlichen oder rechtlich geschützten Interessen Dritter zwingend entgegenstünden. Es ist deshalb zu prüfen, ob an der mit
BGE 91 I 438
ff. vorgenommenen Auslegung von
Art. 739 Abs. 2 OR
festgehalten werden kann.
4.
Art. 739 Abs. 2 OR
, der im Rahmen der Aktienrechtsrevision von 1992 unverändert blieb (vgl. Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991: AS 1992 733 ff., 777), bestimmt:
"Die Befugnisse der Organe der Gesellschaft werden mit dem Eintritt der Liquidation auf die Handlungen beschränkt, die für die Durchführung der Liquidation erforderlich sind, ihrer Natur nach jedoch nicht von den Liquidatoren vorgenommen werden können."
Nach dem Wortlaut, auf den bei der Auslegung in erster Linie abzustellen ist (
BGE 116 II 525
E. 2a;
BGE 114 II 404
E. 3), werden die Befugnisse der Gesellschaftsorgane mit dem Eintritt der Liquidation in zweifacher Hinsicht beschränkt. Einerseits dürfen sie nur noch Handlungen vornehmen, die für die Durchführung der Liquidation erforderlich sind; andererseits sind sie dazu nur insoweit befugt, als die Handlungen nicht ihrer Natur nach von den Liquidatoren vorgenommen werden können. Diese doppelte Beschränkung der Befugnisse der Gesellschaftsorgane wurde in
BGE 91 I 438
ff. in den Vordergrund gestellt. Dem Wortlaut kann indes mit dem Hinweis auf die "Natur" der Handlungen und damit auf die Gesetzessystematik auch eine positive Aussage über das Zusammenwirken von Organen und Liquidatoren sowie deren gegenseitige Kompetenzen entnommen werden. Und zwar im Sinne der Aussage, dass die Liquidatoren nicht über alle zur Durchführung der Liquidation erforderlichen
BGE 123 III 473 S. 478
Kompetenzen verfügen, sondern der Mitwirkung der Gesellschaftsorgane bedürfen, deren Fortbestand vorausgesetzt wird. Die Organe bleiben zuständig für Handlungen, die "nicht ihrer Natur nach von den Liquidatoren vorgenommen werden können" (frz. Wortlaut: "... et qui, de par leur nature, ne sont point du ressort des liquidateurs"; ital.: "... e che per la loro natura non possono essere eseguiti dei liquidatori"). Damit wird Bezug genommen auf die organisatorische Struktur der Gesellschaft und auf jene Aktivitäten der Gesellschaftsorgane, welche der Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Organisation dienen. Insoweit sieht das Gesetz keine besondere Kompetenzordnung für das Liquidationsstadium vor.
a) Die Generalversammlung bleibt auch im Liquidationsstadium oberstes Organ der Gesellschaft, das nach wie vor den Willen der Aktionäre zum Ausdruck bringt (BÜRGI/NORDMANN, Zürcher Kommentar, N. 9 zu
Art. 739 OR
; STÄUBLI, a.a.O., N. 5 zu
Art. 739 OR
). Der Generalversammlung obliegen weiterhin Wahl und Abberufung von Verwaltung und Revisionsstelle (
Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2,
Art. 705 OR
). Sie ist zur Abnahme der jährlichen Zwischenbilanz (
Art. 743 Abs. 5 OR
) und der Schlussbilanz verpflichtet, welche Grundlage für die Verteilung des Gesellschaftsvermögens bildet. Die Generalversammlung ist sodann zuständig zur Erteilung der Décharge an Verwaltung und Liquidatoren (BÜRGI/NORDMANN, a.a.O., N. 23 zu
Art. 739 OR
). Die Stellung der Generalversammlung als oberstes Gesellschaftsorgan manifestiert sich schliesslich in ihrer Kompetenz, den Liquidatoren die freihändige Verwertung zu verbieten (
Art. 743 Abs. 4 OR
) und selbst im Liquidationsstadium Statutenänderungen zu beschliessen, sofern sie mit der Liquidationstätigkeit vereinbar sind (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 56 N. 66).
Auch die Revisionsstelle behält während der Liquidation ihre Aufgaben (BÜRGI/NORDMANN, a.a.O., N. 34 zu
Art. 739 OR
). Ihre Pflichten bleiben weitgehend die gleichen wie vor dem Auflösungsbeschluss. So hat sie die Bilanzen - Liquidationseröffnungsbilanz (
Art. 742 Abs. 1 OR
), Zwischenbilanz und Schlussbilanz - zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 56 N. 76). Nach
Art. 729b Abs. 2 OR
hat sie sodann bei offensichtlicher Überschuldung der Gesellschaft den Richter zu benachrichtigen, wenn der Verwaltungsrat die Anzeige unterlässt. Dieser Pflicht dürfte sie auch bei der aufgelösten Gesellschaft unterstellt sein, und zwar nicht nur, falls die Liquidation in den Händen
BGE 123 III 473 S. 479
des Verwaltungsrates liegt, sondern auch dann, wenn die Liquidation durch besondere Liquidatoren besorgt wird und diese die Überschuldung nicht anzeigen. Die subsidiäre Anzeigepflicht der Revisionsstelle ist bei der - nicht selten aus wirtschaftlichen Gründen - aufgelösten Gesellschaft nicht weniger von Bedeutung als bei der unaufgelösten, werbenden Gesellschaft (Revisionshandbuch der Schweiz 1992/TREUHAND KAMMER, bearb. von Pius Bachmann, Roger Bron et al., Bd. I, S. 493 f.; a.M.: STÄUBLI, a.a.O., N. 14 zu
Art. 743 OR
).
b) Wesentliche Auswirkungen hat die Gesetzesvorschrift von
Art. 739 Abs. 2 OR
, die sich an die "Organe der Gesellschaft" schlechthin richtet und ihnen nach dem Wortlaut gleiche Befugnisbeschränkungen auferlegt, auf die Stellung des Verwaltungsrats. Hier zeigt sich indes deutlich, dass die Bestimmung zu wenig differenziert gefasst und deshalb mehrdeutig ist. Wird die Liquidation durch den Verwaltungsrat besorgt, ist die Befugnisbeschränkung zugunsten der Liquidatoren zwar gegenstandslos. Wird die Liquidation dagegen eigens hiefür bestimmten oder gewählten Liquidatoren übertragen, ist der Verwaltungsrat von den Befugnisbeschränkungen ungleich mehr betroffen als die Generalversammlung und die Revisionsstelle (vgl. dazu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 56 N. 72 ff.; BÜRGI/NORDMANN, a.a.O., N. 33 zu
Art. 739 OR
; F. VON STEIGER, Rechtsfragen betr. die Aktiengesellschaft in Liq., in: Die Schweizerische Aktiengesellschaft, 1949/50 Bd. 22, S. 40 ff.). Obliegt dem Verwaltungsrat in der unaufgelösten Gesellschaft die Führung der Geschäfte bzw. die Beaufsichtigung der Geschäftsführung (
Art. 716, 716a und 716b OR
), liegt nach der Auflösung die in der Liquidationstätigkeit bestehende Hauptaktivität der Gesellschaft in den Händen der Liquidatoren (
Art. 742-745 OR
). Diese und nicht der Verwaltungsrat haben im Falle der Überschuldung den Richter zu benachrichtigen (
Art. 743 Abs. 2 OR
). Kann der Verwaltungsrat für die unsorgfältige Führung der Geschäfte der unaufgelösten Gesellschaft zur Verantwortung gezogen werden, sind es nach der Auflösung der Gesellschaft die Liquidatoren (
Art. 754 Abs. 1 OR
). Die Bestimmung von
Art. 739 Abs. 2 OR
ist in ihrer Funktion als Kompetenzabgrenzung zwischen Verwaltungsrat und Liquidatoren, hinter der auch eine Verantwortungsabgrenzung steht, zweifellos zwingender Natur. Die im Vergleich zu Generalversammlung und Revisionsstelle ungleich stärkeren Auswirkungen der Liquidation auf die Kompetenzen des nicht liquidierenden Verwaltungsrates ändern aber nichts am Prinzip, dass der
BGE 123 III 473 S. 480
Auflösungsbeschluss und der anschliessende Eintritt der Gesellschaft in das Liquidationsstadium ihre Grundstruktur nicht verändert. Sie behält ihre juristische Persönlichkeit (
Art. 739 Abs. 1 OR
), ist mit der unaufgelösten Gesellschaft identisch (
BGE 91 I 438
E. 4) und behält ihre gesetzlichen Organe. Die Befugnisse der Organe bleiben - abgesehen vom Sonderfall des nicht liquidierenden Verwaltungsrates - grundsätzlich erhalten und werden lediglich an die neue Aufgabe angepasst. Das gilt angesichts der oben dargelegten fortbestehenden Kompetenzen für die Generalversammlung und die Revisionsstelle generell. Damit wird für diese Organe bestätigt, worauf bereits der Wortlaut von
Art. 739 Abs. 2 OR
hindeutet, dass mit ihren "Handlungen", die "ihrer Natur nach nicht von den Liquidatoren vorgenommen werden können", wesensmässig andere Handlungen gemeint sind als solche, die zur eigentlichen "Durchführung der Liquidation" gehören und von den Liquidatoren besorgt werden. Die Kernfrage, ob die Generalversammlung auf den Auflösungsbeschluss zurückkommen und die Liquidationstätigkeit ausser Kraft setzen kann, lässt sich somit aufgrund des Wortlautes und der Gesetzessystematik nicht eindeutig beantworten. Die Bedeutung der Vorschrift ist deshalb unter Heranziehung weiterer Auslegungselemente zu finden; ihre Tragweite muss mittels Auslegung nach dem Zweck, nach den dem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen bestimmt werden (
BGE 114 V 220
E. 3a;
BGE 110 Ib 1
E. 2c/cc S. 8; 121 III E. 1d/aa S. 225).
5.
Die bisherige Auslegung hat zum Zwischenergebnis geführt, dass eine lockerere Zweckbindung der Handlungen der Gesellschaftsorgane an das Liquidationserfordernis besteht, als es der Wortlaut von
Art. 739 Abs. 2 OR
vermuten lässt. Das gilt namentlich für die Generalversammlung. Ob indes die Bestimmung von
Art. 739 Abs. 2 OR
bloss der Kompetenzabgrenzung zwischen den Liquidatoren und der Generalversammlung dient, diese an den Liquidationszweck grundsätzlich nicht gebunden ist und jederzeit, also auch noch im fortgeschrittenen Liquidationsstadium den Widerruf der Auflösung beschliessen kann, muss die Auslegung nach teleologischen Gesichtspunkten beantworten.
a) Die Aktionäre, die aus wirtschaftlichen Gründen oder als Folge von gesellschaftsinternen Spannungen die Auflösung beschlossen haben, sind in erster Linie an einem optimalen Liquidationserlös interessiert. Sie können zur Förderung dieses Zieles auf die Gestaltung des Liquidationsverfahrens einwirken, indem sie Liquidatoren wählen, aber auch die gewählten Liquidatoren nötigenfalls abberufen
BGE 123 III 473 S. 481
(
Art. 741 Abs. 1 OR
), und sie entscheiden nach
Art. 743 Abs. 4 OR
darüber, ob die Liquidatoren Aktiven freihändig verkaufen dürfen. Es kann aber auch in ihrem Interesse liegen und sinnvoll sein, dass der Betrieb im Liquidationsstadium so lange weitergeführt wird, bis sich für das Unternehmen ein Käufer findet und dadurch ein optimaler Erlös erzielt wird (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 56 N. 106 und § 57 N. 30 zu
Art. 739 OR
). Bei veränderten Verhältnissen, zum Beispiel nach dem Wegfall der wirtschaftlichen oder gesellschaftsinternen Gründe, welche die Generalversammlung zum Auflösungsbeschluss veranlasst haben, können die Aktionäre aber auch daran interessiert sein, auf den Auflösungsbeschluss zurückzukommen und den Zustand vor der Auflösung der Gesellschaft wiederherzustellen. In der Lehre wird zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich dabei um einen mit der Änderung des Gesellschaftszwecks vergleichbaren Vorgang handelt, weil die Gesellschaft von ihrem beschränkten Liquidationszweck zum Zweck der aktiven Tätigkeit zurückkehrt (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 55 N. 194). Ein solcher Beschluss fällt aber in die alleinige Kompetenz der Generalversammlung. Ihr steht das unübertragbare Recht zu, die Änderung des Gesellschaftszwecks zu beschliessen (
Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1,
Art. 704 Abs. 1 Ziff. 1 OR
). Dieses Recht gründet in der Stellung der Generalversammlung als oberstes Organ der Aktiengesellschaft (
Art. 698 Abs. 1 OR
) und ist letztlich Ausfluss des Prinzips der Körperschaftsautonomie, eines Fundamentes des Gesellschaftsrechts (W. VON STEIGER, ZBJV 103/1967 S. 123).
Die Interessenlage der Beteiligten an dieser Zustandsveränderung ist vergleichbar mit jener beim Widerruf des über eine Gesellschaft eröffneten Konkurses. In der Lehre wird denn auch darauf hingewiesen, dass in Analogie zur Möglichkeit des Konkurswiderrufs nach
Art. 195 SchKG
und
Art. 939 Abs. 2 OR
auf die grundsätzliche Befugnis der Generalversammlung geschlossen werden müsse, den Auflösungs- bzw. Liquidationsbeschluss zu widerrufen (BÖCKLI, a.a.O., S. 1027 Rz. 1955d; BÜRGI, a.a.O., N. 20 zu
Art. 736 OR
). Die Analogie lässt sich allerdings nur dem Grundsatz nach rechtfertigen und fällt insoweit ausser Betracht, als nach
Art. 195 Abs. 2 SchKG
der Widerruf des Konkurses bis zum Schluss des Verfahrens möglich ist. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage je nach dem Liquidationsstadium kann diese Regelung nicht auf die Liquidation einer Aktiengesellschaft übertragen werden (vgl. dazu unten E. 5b und c). Im übrigen besteht dafür auch kein praktisches Bedürfnis,
BGE 123 III 473 S. 482
da ein Widerruf nur solange angestrebt werden dürfte, als der Fortbestand der Gesellschaft für die Beteiligten noch von Interesse ist, was in der Regel nicht mehr zutrifft, wenn sich die Liquidation in einem fortgeschrittenen Stadium befindet.
b) Die gesetzliche Ausgestaltung des Liquidationsverfahrens ist weitgehend vom Gesichtspunkt geprägt, die Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu sichern. Vornehmlich oder ausschliesslich dem Gläubigerschutz dienen die Vorschriften über die Verpflichtungen zur Bilanzerrichtung (
Art. 742 Abs. 1 OR
) und zum Schuldenruf (
Art. 742 Abs. 2 OR
), über die Verwertung der Aktiven und Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten (
Art. 743 Abs. 1 OR
), über die gerichtliche Sicherstellung (
Art. 744 OR
) und insbesondere über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens unter die Aktionäre (
Art. 745 OR
). Das Gesellschaftsvermögen darf erst dann an die Aktionäre verteilt werden, wenn alle Gläubiger befriedigt oder sichergestellt sind. Darin liegt der Ersatz für den durch die Liquidation bzw. die Vermögensverteilung bewirkten Wegfall der Garantien für die Erhaltung des Haftungssubstrates der unaufgelösten Gesellschaft. Dieses kann den Gläubigern durch die werbende Gesellschaft insofern nicht entzogen werden, als ihr Rückzahlungen des Grundkapitals an die Aktionäre nach
Art. 680 Abs. 2 OR
verboten sind. Tritt die Gesellschaft in Liquidation, fällt dieses Verbot dahin. An seine Stelle tritt die Verpflichtung zur Ersatzsicherheit für die Gläubiger. Diese Sicherheit kann die Gesellschaft nur solange stellen, als sich noch über das unverteilte Vermögen verfügt. Nach dessen Verteilung an die Aktionäre darf sie nicht mehr unternehmerisch tätig sein (PETER STAEHELIN, a.a.O., S. 221).
Aus dieser Regelung ergibt sich eine unterschiedliche Interessenlage der Gesellschaftsgläubiger, je nachdem ihre Forderungen bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses bestanden oder erst nach dem Widerruf begründet wurden. Im ersten Fall ist der Gläubigerschutz im Liquidationsverfahren gewährleistet. Ein nach Beginn der Vermögensverteilung erfolgender Widerruf berührt die Interessen dieser Gläubiger nicht, da sie in diesem Stadium von der Gesellschaft befriedigt oder ihre Forderungen sichergestellt worden sein müssen. Eine Gefährdung ihrer Interessen ist deshalb bei gesetzmässigem Verlauf des Liquidationsverfahrens ausgeschlossen (ROBERT HEBERLEIN, a.a.O., S. 16). Anders verhält es sich dagegen im zweiten Fall (vgl. dazu PETER STAEHELIN, a.a.O., S. 223, und GOLDSCHMIDT, a.a.O., S. 61 f.). Wer nach dem Widerruf des Auflösungsbeschlusses Gläubiger der Gesellschaft wird, kann sich nur an noch
BGE 123 III 473 S. 483
vorhandenes Haftungssubstrat halten. Er wird daher ein vitales Interesse daran haben, dass das Gesellschaftsvermögen in der dem Widerruf vorangegangenen Liquidationsphase nicht verteilt wurde. Mit einer Verteilung in dieser Zwischenphase entstände eine Lücke im Gläubigerschutz, der entweder auf dem Haftungssubstrat der unaufgelösten Gesellschaft oder auf der Verpflichtung zur Ersatzsicherheit in der aufgelösten Gesellschaft beruht. Weil der Gesetzgeber einen lückenlosen Gläubigerschutz vorgesehen hat und dieser nur gewährleistet ist, wenn die Liquidation nach der Vermögensverteilung abgeschlossen wird, würde ein nach begonnener Vermögensverteilung gefasster Widerrufsbeschluss auf eine Umgehung der Bestimmungen über den Gläubigerschutz hinauslaufen. Zudem könnte auf diese Weise das Verbot der Kapitalrückzahlung an die Aktionäre umgangen werden (vgl. für das deutsche Recht HÜFFER, in: GESSLER/HEFERMEHL/ECKARDT/KROPFF, Aktiengesetz, Band V, N. 21 zu § 274). Die einem solchen Beschluss zugrunde liegenden Interessen der Aktionäre brechen sich in diesem Liquidationsstadium an den gesetzlich geschützten Gläubigerinteressen. Wenn die Liquidation so weit fortgeschritten ist, kann das Liquidationsverfahren nicht mehr durch Generalversammlungsbeschluss widerrufen, sondern muss es abgeschlossen werden.
c) Demnach führt die Auslegung von
Art. 739 Abs. 2 OR
nach Wortlaut, Systematik und teleologischen Gesichtspunkten zum Ergebnis, dass der Widerruf des Auflösungsbeschlusses durch die Generalversammlung so lange zulässig ist, als noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen worden ist. Diese Lösung stimmt überein mit der heute überwiegend von der Lehre vertretenen Meinung, lässt sich mit der Entstehungsgeschichte von
Art. 739 Abs. 2 OR
vereinbaren (vgl. oben E. 2;
BGE 91 I 438
E. 3 S. 442) und lehnt sich an die gesetzlichen Regelungen Deutschlands (§ 274 Abs. 1 des Aktiengesetzes von 1965) und Österreichs (§ 215 Abs. 1 des Aktiengesetzes von 1965) an. Keine Bedenken bestehen schliesslich unter dem im bereits zitierten Bundesgerichtsentscheid vom 14. September 1938 (abgedruckt in: Die Schweizerische Aktiengesellschaft 1938/39, S. 69) hervorgehobenen fiskalischen Aspekt, dass durch die Zulassung des Widerrufs Steuerumgehungen mittels Verwertung von sogenannten Aktienmänteln ermöglicht würden. Zum einen wird das Problem heute vom Steuerrecht selbst gelöst (vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben; SR 641.10; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 55 N. 192). Zum andern steht die hier befürwortete Lösung nicht
BGE 123 III 473 S. 484
im Widerspruch zur Widerrechtlichkeit des Mantelkaufs. Unter einem Aktienmantel wird eine wirtschaftlich vollständig liquidierte und von den Beteiligten aufgegebene, juristisch aber noch nicht aufgelöste Gesellschaft verstanden (
BGE 55 I 134
ff.;
64 II 361
E. 1; Bundesgerichtsentscheid vom 4. September 1989 E. 1b, abgedruckt in: SJ 1990 S. 108). In diesem Stadium ist indes ein Widerruf des Auflösungsbeschlusses nicht mehr zulässig. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass die Gesellschaft über ihr unverteiltes Gesellschaftsvermögen verfügt und ein Interesse an der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit besteht, es sich somit nicht um einen blossen Aktienmantel handeln kann.
6.
Im vorliegenden Fall hat die Generalversammlung den Widerruf in einem Zeitpunkt beschlossen, als abgesehen vom Schuldenruf noch keine Liquidationshandlungen durchgeführt worden waren. Der Beschluss ist insoweit nach der mit diesem Entscheid geänderten Praxis des Bundesgerichts rechtmässig erfolgt.
Der öffentlich beurkundete und zum Eintrag in das Handelsregister angemeldete Beschluss (dazu FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., § 55 N. 198) wurde sodann einstimmig gefasst, weshalb die Frage nach dem allenfalls erforderlichen Quorum nicht beantwortet werden muss. Einer - im vorliegenden Fall tatsächlich erfolgten - Zustimmung der Gesellschaftsgläubiger bedurfte der Beschluss im übrigen nicht, weil er deren Interesse an der Sicherung ihrer Forderungen nicht berührt. Die sinngemässe Anwendung von
Art. 195 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG
rechtfertigt sich wegen der Verschiedenheit der Verhältnisse beim Widerruf des Konkurses nicht. Unerlässlich ist dagegen, dass die Gesellschaft den Nachweis erbringt, dass im Zeitpunkt des Widerrufsbeschlusses noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen wurde. Von welchem Organ und auf welche Art der Nachweis gegenüber dem Handelsregisterführer zu leisten ist, muss mangels einer Gesetzesvorschrift durch richterliche Rechtsschöpfung geregelt werden (
Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB
). Da die Liquidationstätigkeit und insbesondere auch die Vermögensverteilung in den Verantwortungsbereich der Liquidatoren fällt (
Art. 742-745 OR
), erscheint es sachgerecht, dass sie oder der nach
Art. 740 Abs. 1 OR
mit der Liquidation betraute Verwaltungsrat eine entsprechende schriftliche Bestätigung abgeben. Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt, wurde doch dem Handelsregisterführer eine schriftliche Erklärung der Liquidatoren eingereicht, wonach ausser dem Schuldenruf keine Liquidationshandlungen durchgeführt worden seien. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
afe83a04-30b8-4f03-97ed-8e8ff4d3d75f | Urteilskopf
124 III 205
37. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 12. Mai 1998 i.S. W. (Beschwerde) | Regeste
Amtssprache im Beschwerdeverfahren gemäss
Art. 17 ff. SchKG
.
Beschwerdeschrift und Urteil im Verfahren vor der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts (E. 2).
Rüge der Verletzung völkerrechtlicher Verträge vor der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts (E. 3).
Keine Verletzung des Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte durch die Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn, welche sich geweigert hat, eine in französischer Sprache verfasste Beschwerde entgegenzunehmen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 205
BGE 124 III 205 S. 205
W. hat einen Beschluss der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn vom 18. März 1998 an
BGE 124 III 205 S. 206
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Mit jenem Beschluss ist die kantonale Aufsichtsbehörde auf eine in französischer Sprache eingereichte Beschwerde des W. nicht eingetreten.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer kann seine Rechtsschrift dem Bundesgericht in französischer Sprache einreichen (
Art. 116 Abs. 4 BV
;
Art. 30 Abs. 1 OG
).
Indessen besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, vom Grundsatz des Art. 37 Abs. 3 erster Satz OG abzuweichen, wonach Urteile des Bundesgerichts in der Sprache des angefochtenen Entscheides verfasst werden. Der Beschwerdeführer tut nicht dar, dass er ausserstande wäre, ein in deutscher Sprache verfasstes Urteil zu verstehen.
Für den Schriftverkehr mit den kantonalen Behörden bestehen andere Regeln als für jenen mit den Bundesbehörden. Darauf ist weiter unten (E. 4) zurückzukommen.
3.
Mit der Beschwerde gemäss
Art. 19 SchKG
kann die Verletzung von Bundesrecht oder von völkerrechtlichen Verträgen des Bundes gerügt werden.
a) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Déclaration universelle des droits de l'homme; von der Generalversammlung der Vereinten Nationen durch Resolution 217 A [III] vom 10. Dezember 1948 angenommen; siehe BBl 1982 II 791) ist kein von der Schweiz abgeschlossener völkerrechtlicher Vertrag, dessen Verletzung - wie es der Beschwerdeführer tut - mit Beschwerde bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gerügt werden könnte.
b) Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) gilt als Verfassungs- und nicht als Staatsvertragsrecht (
BGE 101 Ia 67
). Deren Verletzung kann deshalb nicht mit der Beschwerde gemäss
Art. 19 SchKG
, sondern nur mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden (Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 81 OG
; Pfleghard, in: Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, Rz. 5.56).
c) Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Pacte international relatif aux droits civils et politiques; SR 0.103.2) ist von der Bundesversammlung am 13. Dezember 1991 genehmigt worden und für die Schweiz am 18. September 1992 in Kraft getreten. Dessen Verletzung kann grundsätzlich mit der Beschwerde gemäss
Art. 19 SchKG
gerügt werden.
BGE 124 III 205 S. 207
4.
Art. 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, den der Beschwerdeführer verletzt sieht, setzt Grundsätze fest, um ein faires Straf- und Zivilverfahren zu gewährleisten. Indessen kann daraus kein Recht auf Anwendung einer anderen als der Amtssprache im Verkehr mit den Behörden abgeleitet werden in dem Sinne, dass die genannte Bestimmung dem das Sprachenrecht der Schweiz beherrschenden Territorialitätsprinzip und dem kantonalen Prozessrecht vorginge (vgl.
BGE 122 I 236
E. 2c).
Amtssprache im Kanton Solothurn, dessen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs den angefochtenen Entscheid gefällt hat, ist die deutsche Sprache. Ohne eine staatsvertragliche Bestimmung zu verletzen, konnte es die kantonale Aufsichtsbehörde daher ablehnen, auf die ihr in französischer Sprache eingereichte Beschwerde einzutreten - dies umso mehr, als sie dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 4. März 1998 Nachfrist zur Einreichung einer Rechtsschrift in deutscher Sprache eingeräumt hatte. Der Beschwerdeführer machte von der Nachfrist keinen Gebrauch, sondern liess der kantonalen Aufsichtsbehörde am 12. März 1998 wiederum eine Eingabe in französischer Sprache zukommen.
Die Rüge der Verletzung des völkerrechtlichen Vertrages ist unbegründet, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen ist. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
afea921b-850a-437a-842b-ff8fbbc8202a | Urteilskopf
120 II 270
51. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 septembre 1994 dans la cause D. contre M.-D. (recours en réforme) | Regeste
Umwandlung eines Rechtsmittels; Entscheide betreffend Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen.
Wählt eine von einem berufsmässigen Bevollmächtigten verbeiständete Partei ausdrücklich ein bestimmtes Rechtsmittel, obwohl sie wissen muss, dass dieses im konkreten Fall gar nicht offensteht, so kann das Rechtsmittel nicht von Amtes wegen in ein anderes umgewandelt werden. Die gegen einen Entscheid betreffend Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Urteilen eingelegte Berufung ist unzulässig (E. 1 und 2). | Sachverhalt
ab Seite 271
BGE 120 II 270 S. 271
Le 2 mars 1992, D. a assigné son épouse en divorce devant le Tribunal de grande instance de X., qui a rendu son jugement le 27 mai 1993. Cette décision a fait l'objet d'un appel interjeté par la défenderesse.
Le 23 août 1993, D. a sollicité le prononcé de l'exequatur partiel en Suisse du jugement de divorce précité.
Par jugement du 5 novembre 1993, le Tribunal de première instance de Genève a accédé à cette requête, en application de la Convention de Lugano du 16 septembre 1988.
Statuant le 3 mars 1994 sur appel de la défenderesse, la Cour de justice du canton de Genève a annulé cette décision et rejeté la requête. Vu l'appel pendant en France contre cette décision, le dispositif en cause ne pouvait faire l'objet d'une reconnaissance en Suisse faute de bénéficier de la force de chose jugée.
Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours en réforme interjeté par D. contre cet arrêt.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le Tribunal fédéral examine d'office et avec une pleine cognition la recevabilité des recours qui lui sont soumis (
ATF 119 Ib 254
consid. 1 p. 262 et les arrêts cités). Il vérifie donc la voie de droit ouverte dans chaque cas particulier, quel que soit l'intitulé de l'acte de recours (
ATF 118 Ia 118
consid. 1 p. 119 et les références).
Les décisions relatives à la reconnaissance et à l'exécution des jugements étrangers ne tranchent pas une contestation civile (
art. 44 et 46 OJ
) ni une affaire civile (
art. 68 al. 1 OJ
), de sorte qu'elles ne peuvent faire l'objet d'un recours en réforme (
ATF 116 II 376
consid. 2 p. 377,
ATF 95 II 374
consid. 1 pp. 377/378 et les références; arrêt Société R. c/ P. et Cour de justice du canton de Genève du 19 décembre 1990, SJ 1991 pp. 237/238 consid. 1, non publié in
ATF 116 II 625
; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 126 en haut, n. 2 ad
art. 44 OJ
; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme, thèse Lausanne 1964, p. 104, no 150) ou en nullité (
ATF 116 II 376
consid. 3 p. 378; BIRCHMEIER, op.cit., p. 252, n. 2c ad
art. 68 OJ
). Faute d'être rendues en application du droit public fédéral au sens de l'
art. 5 PA
, elles ne sont pas non plus susceptibles d'un
BGE 120 II 270 S. 272
recours de droit administratif (
art. 97 ss OJ
). Seule est ouverte la voie du recours de droit public pour violation des
art. 25 ss LDIP
(
art. 84 al. 1 let. a OJ
) ou d'un traité international (
art. 84 al. 1 let
. c OJ;
ATF 118 Ia 118
ss; J.-F. POUDRET/S. SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, n. 1.6.1 ad
art. 49 OJ
; SCYBOZ/BRACONI, La reconnaissance et l'exécution des jugements étrangers dans la jurisprudence récente du Tribunal fédéral, Revue fribourgeoise de jurisprudence 1993, pp. 216/217 et les citations).
Le recours est donc irrecevable comme recours en réforme.
2.
Un recours d'un type donné, irrecevable à ce titre, peut dans certains cas être traité comme recours d'un autre type, s'il en remplit les conditions. En l'espèce toutefois, selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, récemment confirmée dans un arrêt publié (
ATF 118 Ia 118
) et approuvée par la doctrine unanime, la seule voie de recours possible contre les décisions rendues en matière de reconnaissance et d'exécution des jugements étrangers est celle du recours de droit public. Le choix du moyen de droit recevable ne présente dès lors aucune difficulté et est facilement reconnaissable, du moins par un mandataire professionnel. Le recourant, assisté d'un avocat, a cependant délibérément opté pour la voie du recours en réforme, alors qu'il ne pouvait ignorer qu'elle était erronée. Il a non seulement intitulé son écriture "recours en réforme", mais il s'est référé expressément aux dispositions légales régissant cette voie de droit, à savoir les
art. 43 et 54 OJ
. Il s'est aussi conformé de façon exacte aux prescriptions qui déterminent le dépôt de ce recours et son contenu, ces précisions excluant qu'il ait pu s'agir d'un simple lapsus ou d'une erreur manifeste dans le seul intitulé du mémoire.
Dans ces conditions, une éventuelle conversion du recours en réforme en recours de droit public ne saurait entrer en ligne de compte (cf. MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, 1992, p. 30, n. 10). Le présent mémoire ne peut donc qu'être déclaré irrecevable. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
afed1269-ad39-4bb2-9d5d-0907933e7d6e | Urteilskopf
111 IV 41
11. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 26. Februar 1985 in Sachen Firma X. gegen Bundesamt für Aussenwirtschaft | Regeste
Art. 47 Abs. 3 VStrR
; kostspieliger Unterhalt.
1. Unter den Begriff des "Unterhalts" fallen auch allfällige Aufbewahrungs- und Lagerkosten.
2. Ob ein Unterhalt "kostspielig" im Sinne des Gesetzes ist, bestimmt sich nach dem Verhältnis des Wertes der beschlagnahmten Waren zu den Unterhaltskosten, wobei der voraussichtlichen Dauer dieses Aufwandes Rechnung zu tragen ist.
3. In casu war es zulässig, vom Warenwert im Zeitpunkt der Beschlagnahme auszugehen. | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 111 IV 41 S. 41
Aufgrund eines vom Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) erlassenen Durchsuchungsbefehls beschlagnahmte die Eidgenössische Zollverwaltung am 8. September 1983 verschiedene im Zollfreilager Basel eingelagerte Textilien vorläufig. Mit Verfügung vom 12. November 1984 teilt das BAWI der Firma X., gegen welche eine Untersuchung wegen Widerhandlungen gegen die Ursprungszeugnisverordnung eingeleitet worden war, mit, dass die beschlagnahmten Waren aufgrund von
Art. 47 Abs. 3 VStrR
BGE 111 IV 41 S. 42
öffentlich versteigert oder freihändig verkauft würden, weil die Lagerkosten bereits auf über Fr. 50'000.-- angestiegen seien.
Nachdem die Anklagekammer des Bundesgerichts am 14. Dezember 1984 die genannte Verfügung auf Beschwerde der Firma X. aufgehoben hatte, weil der Beweis für eine Mitteilung der Beschlagnahme an die Beschwerdeführerin nicht erbracht war, erliess das BAWI am 17. Januar 1985 eine neue Verfügung, in welcher es die Eröffnung des Beschlagnahmeprotokolls vom 8. September 1983 an die Beschwerdeführerin, die Unterstellung der beschlagnahmten Gegenstände auch unter
Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR
und die öffentliche Versteigerung bzw. den freihändigen Verkauf der beschlagnahmten Waren anordnete.
Die Firma X. ficht diese Verfügung bei der Anklagekammer des Bundesgerichts an und beantragt, die erweiterte Beschlagnahme gemäss
Art. 46 Abs. 1 lit. b VStrR
habe nicht zu erfolgen, eventuell sei vom Verkauf bzw. der Versteigerung der beschlagnahmten Waren abzusehen, subeventuell dürfe der Verkauf "nur zu einem Mindestnettopreis von Fr. 230'000.--, d.h. nach Abzug sämtlicher Verkaufsspesen, erfolgen". In seiner Vernehmlassung teilte das BAWI mit, die Lagerkosten seien inzwischen auf rund Fr. 65'000.-- angestiegen. Die Anklagekammer weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Nach
Art. 47 Abs. 3 VStrR
können beschlagnahmte Gegenstände, die schneller Wertverminderung ausgesetzt sind oder einen kostspieligen Unterhalt erfordern, öffentlich versteigert und in dringenden Fällen freihändig verkauft werden.
a) Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die beschlagnahmten Waren schneller Wertverminderung ausgesetzt seien. Die Rüge ist gegenstandslos. Das BAWI hat die Verwertung der beschlagnahmten Gegenstände nicht aus diesem Grunde, sondern einzig wegen des kostspieligen Unterhalts angeordnet. Auf die Beschwerde ist deshalb insoweit nicht einzutreten.
b)
Art. 47 Abs. 3 VStrR
erwähnt als alternative Voraussetzung einer Verwertung des beschlagnahmten Gegenstandes den kostspieligen Unterhalt, ohne - wie das in
Art. 93 Abs. 1 OR
geschehen ist - die Aufbewahrungskosten besonders zu nennen. Indessen wird man diese hier zwanglos in den Begriff des kostspieligen Unterhalts einbeziehen können, gehört doch zu diesem im weiteren
BGE 111 IV 41 S. 43
Sinn auch der für die Aufbewahrung nötige Aufwand (vgl. auch
BGE 101 III 31
hinsichtlich
Art. 124 Abs. 2 SchKG
). Das wird von der Beschwerdeführerin selber nicht in Abrede gestellt. Die Frage aber, ob im konkreten Fall ein Unterhalt im Sinne des Gesetzes kostspielig sei, bestimmt sich nach dem Verhältnis des Werts der beschlagnahmten Ware zu den Unterhaltskosten, wobei der voraussichtlichen Dauer dieses Aufwandes Rechnung zu tragen ist.
Unbestritten ist, dass die Lagerkosten im vorliegenden Fall gegenwärtig rund Fr. 65'000.-- betragen und dass diese Summe monatlich um Fr. 3650.-- ansteigt. Der Wert der beschlagnahmten Waren wurde vom BAWI gestützt auf die Handelsfakturen der Firma Y. an die Beschwerdeführerin und unter Zugrundelegung eines Tageskurses von Fr. 2,1760/US-Dollar im Zeitpunkt der Beschlagnahme (8. September 1983) auf Fr. 251'741.45 berechnet. Von diesem Betrag kann hier ausgegangen werden, denn dass der innere Wert der fraglichen Waren sich inzwischen verändert hätte, ist nicht nachgewiesen, und auch die Beschlagnahme ist nur verhältnismässig kurze Zeit nach der Erwirkung der schweizerischen Ursprungszeugnisse erfolgt. In der Beschwerde wird denn auch nichts Überzeugendes vorgetragen, das die Annahme eines anderen Stichtages als geboten erscheinen liesse. Es wäre im übrigen mit einem erheblichen Aufwand verbunden, in jedem derartigen Fall die Veränderung der Produktionskosten etc. bei der Berechnung des Warenwertes mitzuberücksichtigen. Immerhin hat das BAWI glaubhaft dargetan, dass der seinerzeit in US-Dollars ausgedrückte Preis auf der Grundlage der koreanischen Produktionskosten fakturiert wurde, die in viel geringerem Masse gestiegen sind als der US-Dollar.
Die Beschwerdeführerin will von einem Umrechnungskurs von Fr. 2,785/US-Dollar ausgehen, was einen Betrag von Fr. 322'196.65 ergäbe. Ob man nun dem vom BAWI angenommenen Warenwert von ca. Fr. 250'000.-- oder dem von der Beschwerdeführerin errechneten von ca. Fr. 320'000.-- die bereits aufgelaufenen Lagerkosten von rund Fr. 65'000.-- gegenüberstellt, so spricht in beiden Fällen der Vergleich der Zahlen für die Annahme eines kostspieligen Unterhalts im Sinne des Gesetzes, und es kann nicht gesagt werden, die Verwaltung habe das ihr hierbei zustehende Ermessen überschritten. Das trifft umsoweniger zu, als die Lagerkosten monatlich um weitere Fr. 3650.-- ansteigen werden und im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Abschluss des Verfahrens noch nicht abzusehen ist, da dieses eine ganze Reihe weiterer Fälle
BGE 111 IV 41 S. 44
umfasst, in welchen keine Waren beschlagnahmt werden konnten, und die Verwaltung zur Ermittlung des nach
Art. 58 Abs. 4 StGB
abzuschöpfenden Vermögensvorteils auf zeitraubende Erhebungen bei ausländischen Amtsstellen angewiesen ist. Soweit die Firma X. aber mit dem Hinweis auf die lange Dauer der Untersuchung als Ursache der hohen Lagerkosten sinngemäss den Vorwurf einer ungebührlichen Verzögerung des Verfahrens verbinden wollte, wäre ihr entgegenzuhalten, dass hierfür nichts Stichhaltiges vorliegt und dass sie es längst in der Hand gehabt hätte, gegen Leistung einer Sicherheit von Fr. 150'000.-- die beschlagnahmten Waren freizubekommen. Sie hat dieses Angebot der Verwaltung jedoch ausgeschlagen. Geht man vom Gesagten aus, ist jedenfalls eine der alternativen Voraussetzungen des
Art. 47 Abs. 3 VStrR
gegeben und steht deshalb der öffentlichen Versteigerung bzw. dem freihändigen Verkauf der beschlagnahmten Waren nichts entgegen. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
aff2c331-aa36-4087-b0b3-3b2e3680d183 | Urteilskopf
114 II 279
49. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 21 juin 1988 dans la cause Société G. contre P. (recours en réforme) | Regeste
Art. 20 Abs. 1 OR
.
Arbeitsvertrag mit einem ausländischen Arbeitnehmer, der keine Arbeitsbewilligung für die Schweiz besitzt. Das Fehlen der vom öffentlichen Recht vorgeschriebenen Arbeitsbewilligung hat für sich allein nicht die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages zur Folge. Die Verweigerung der Bewilligung kann dagegen eine fristlose Auflösung des Vertrages gemäss
Art. 337 OR
rechtfertigen. | Sachverhalt
ab Seite 279
BGE 114 II 279 S. 279
A.-
Le 20 novembre 1980, la société G., dont le siège est à Panama, conclut avec P. un contrat selon lequel ce dernier était engagé, dès le 1er février 1981, en qualité de directeur pour une période de cinq ans au minimum. Le salaire annuel était fixé à 150'000 US$ ou à son équivalent en francs suisses. P. devait travailler en liaison étroite avec le quartier général du groupe G. à Genève. Il devait aussi prendre le statut de frontalier.
P. s'établit dans la zone frontalière et obtint un certificat de domicile d'une commune de Haute-Savoie qu'il remit à son employeur en vue d'obtenir un permis genevois de frontalier. Par la suite, il refusa de signer la formule de demande de permis, pour
BGE 114 II 279 S. 280
des motifs en rapport avec le salaire indiqué sur ladite formule. Finalement, aucune demande de permis de travail ne fut déposée et aucun impôt ne fut payé à Genève sur le salaire de l'employé.
De février 1981 à mai 1982, l'employeur ne paya que partiellement et avec retard le salaire convenu. Une mise en demeure resta sans effet. Le 7 juillet 1982, P. signifia à G. qu'il interrompait son activité jusqu'au paiement de son salaire. Une poursuite en paiement du salaire ayant été frappée d'opposition, il informa son employeur qu'il considérait que sa carence équivalait à une résiliation du contrat sans justes motifs. G. répondit le 25 août 1982 qu'en refusant de reprendre son activité, l'employé avait mis fin sans droit aux relations contractuelles.
B.-
Au terme d'une première procédure judiciaire, P. a obtenu le paiement de son salaire jusqu'au 6 juillet 1982, date de la fin de son activité. Le Tribunal des prud'hommes de Genève a en revanche rejeté ses prétentions en paiement du salaire jusqu'à fin septembre 1982, en considérant le contrat de travail comme nul.
C.-
P. a ouvert contre son ex-employeur une nouvelle action en paiement de 525'000 US$ pour "renvoi abrupt", montant correspondant au salaire convenu de 12'500 $ par mois pour la période d'août 1982 à janvier 1986.
Le 13 février 1987, la Chambre d'appel des prud'hommes de Genève a alloué au demandeur 502971,65 § , sous déduction des charges sociales éventuellement dues.
D.-
La défenderesse recourt en réforme en reprenant ses conclusions libératoires.
Le Tribunal fédéral admet le recours partiellement, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La Chambre d'appel tient le contrat du 20 novembre 1980 pour valable. La défenderesse soutient, en revanche, qu'il est illicite et, partant, frappé de nullité.
a) Le contrat est nul en vertu de l'
art. 20 al. 1 CO
si son contenu est illicite, mais il ne l'est pas si seule la participation subjective d'une partie à ce contrat est interdite (
ATF 102 II 404
consid. 2b,
ATF 80 II 48
consid. 2a,
ATF 62 II 111
). Selon la jurisprudence, il n'est pas nécessaire que la nullité soit expressément prévue par la loi; cette conséquence juridique peut aussi découler de l'esprit et du but de
BGE 114 II 279 S. 281
la norme violée (
ATF 111 II 387
consid. d et les arrêts cités). Pour déterminer si un contrat présente un caractère illicite, il faut se référer à l'ensemble de l'ordre juridique suisse, qu'il s'agisse des dispositions impératives de droit privé ou des règles d'ordre public (
art. 19 al. 2 CO
; GAUCH/SCHLUEP/TERCIER, Partie générale du droit des obligations, 2e éd. I n. 451-455), notamment des défenses sanctionnées par la menace d'une peine (ATF du 6 avril 1965 en la cause Chaillet c. Garda publié dans SJ 1966, p. 219). Peu importe donc que ni les dispositions du code des obligations régissant le contrat de travail ni la législation de droit public réglant l'emploi des étrangers en Suisse ne frappent expressément de nullité le contrat de travail qui viole cette dernière législation. S'agissant d'une question relevant de l'ordre public suisse, les réponses qui ont pu y être données en droit étranger dans des cas analogues ne sont pas déterminantes.
b) La jurisprudence a refusé de déclarer nul un contrat de courtage passé avec des courtiers étrangers ayant exercé leur activité en Suisse sans autorisation de la police des étrangers pour le motif que l'interdiction de cette activité ne touchait pas au contenu du contrat mais à la seule participation subjective d'une des parties (
ATF 62 II 111
). Dans ce cas, seule la violation par les courtiers de l'interdiction d'exercer leur activité en Suisse sans autorisation était en cause (arrêt cité, consid. 2 in fine). Dans l'arrêt
ATF 84 II 425
ss, le Tribunal fédéral n'a pas retenu la nullité d'une convention quant au salaire en considérant qu'il ne ressortait pas du sens et du but de la réglementation de droit public cantonal à laquelle elle contrevenait que telle devait être la conséquence de cette violation. Dans un arrêt du 14 mars 1984 (SJ 1984 p. 572), en revanche, le Tribunal fédéral a jugé que, compte tenu de la fonction assignée à l'autorisation accordée aux étrangers de travailler en Suisse et de son incidence sur le nombre même des travailleurs étrangers en Suisse, on ne saurait considérer comme arbitraire d'admettre que l'
art. 3 al. 3 LSEE
(RS 142.20) vise le contenu même du contrat de travail et que son importance est telle qu'elle entraîne la nullité des conventions qui l'enfreignent.
c) La doctrine est divisée. Pour certains auteurs, le contrat de travail passé avec un travailleur qui n'est pas au bénéfice d'une autorisation de travailler en Suisse est frappé de nullité (BRÜHWILER, Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, n. 8 ad art. 320, n. 4 ad art. 342; STREIFF, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4e éd., n. 9 et 13 ad art. 320; A. W. SCHÖNENBERGER, Das
BGE 114 II 279 S. 282
Verhältnis des Arbeitnehmerschutzrechts zum Dienstvertrag, in RDS 1933 I p. 1a ss, en part. 39a); apparemment aussi PH. BOIS, L'emploi et les étrangers, RDAF 1981, p. 76 in fine).
D'autres auteurs considèrent en revanche le contrat de travail conclu avec un travailleur étranger non autorisé à travailler en Suisse comme valable: ALEXANDER I. DE BEER, Die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages, dans l'ouvrage Mängel des Arbeitsvertrages, édité par les prof. Ekonomi et Rehbinder, p. 29 ss, spéc. p. 44 et n. 33, qui considère que seule la participation subjective d'une partie au contrat de travail est en cause; BRUNO VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, p. 113, qui se réfère à l'
ATF 62 II 111
déjà cité; GAUCH/SCHLUEP/TERCIER, op.cit., 2e éd. I n. 450, auteurs pour qui il n'y a pas illicéité du contenu du contrat au sens strict lorsque la norme violée interdit seulement la participation de telle personne au contrat, par exemple parce qu'elle n'a pas l'autorisation d'exercer sa profession ou de résider dans le pays; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, p. 233, avec référence àATF 62 II 111; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, p. 194; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts t. I, p. 253, avec la même référence; REHBINDER, in Berner Kommentar, n. 25 in fine ad
art. 320 CO
, pour le motif que le contenu du contrat est en soi licite, ce qui ne serait pas le cas en présence d'une interdiction d'occuper un travailleur à des travaux déterminés (différence entre Abschlussverbote et Beschäftigungsverbote); TERCIER (La partie spéciale du code des obligations, n. 1732/34) distingue selon que l'autorisation est nécessaire à l'exercice de l'activité concernée et édictée dans un but de protection sociale (médecin, dentiste, avocat), hypothèse dans laquelle le contrat serait nul, ou selon qu'elle l'est pour l'exercice de n'importe quelle activité, hypothèse qui ne toucherait pas la validité du contrat, et cite en exemple le cas des permis de travail pour les étrangers (cf. aussi n. 1708). RAPP (Fremdenpolizeiliche Arbeitsbewilligung und Arbeitsvertrag, Basler Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, p. 277 ss, notamment p. 285 ss) part de la présomption de la nullité, sur le plan civil, du contrat dont le droit public prohibe la conclusion ou l'exécution. Cette présomption peut toutefois être renversée, notamment en application du principe général de la proportionnalité et lorsque cette conséquence irait à l'encontre du but de prévention générale de la norme de droit public, conditions qui sont précisément réalisées dans le cas du "travail au noir". L'interdiction
BGE 114 II 279 S. 283
d'un tel travail étant généralement connue, le travailleur ne peut en principe pas se prévaloir de l'
art. 320 al. 3 CO
, ce qui rend sa situation très précaire. De son côté, le travailleur de bonne foi ne jouit d'aucune protection en cas de résiliation. L'employeur, au contraire, profite de cette situation. La nullité du contrat porterait ainsi préjudice au seul travailleur, contrairement au but de protection de la partie la plus faible qui est à la base de la législation sur le contrat de travail et, partant, au principe de la proportionnalité. Cette sanction contredirait en outre l'objectif de prévention générale poursuivi par la législation de droit public.
d) aa) Les arguments de ce dernier auteur fondés sur la situation du travailleur emportent la conviction, s'agissant de la nullité d'un contrat de travail conclu avec un étranger sans permis. Compte tenu des avantages que l'employeur peut trouver dans une telle sanction, celle-ci n'apparaît pas appropriée au but poursuivi par l'interdiction légale (
ATF 111 II 53
s., 102 II 406 consid. 3b, 408 s. consid. 3d). Elle entre par ailleurs en conflit avec l'impératif de protection de la partie au contrat la plus faible, qui a inspiré de plus en plus fortement la réglementation de droit privé des rapports de travail, au fil des révisions successives du titre Xe du code des obligations. Aussi faut-il réserver cette sanction aux cas où elle est postulée par un intérêt public prépondérant (but de protection sociale notamment), ayant déterminé l'interdiction de l'activité en cause (cf. TERCIER, loc.cit.).
Cette condition n'est pas remplie en l'espèce. Le poste de directeur pour lequel le demandeur a été engagé au service de la défenderesse n'exigeait une autorisation officielle qu'en raison de la nationalité étrangère du demandeur.
bb) Lorsqu'elles ont conclu le contrat, les parties étaient conscientes de la nécessité dans laquelle se trouvait le demandeur d'obtenir un permis de frontalier. Si elles avaient subordonné leur contrat à la condition de l'obtention de ce permis, sa validité n'aurait pas fait de doute. On ne voit pas pourquoi le contrat devrait être considéré comme nul du fait que cette condition n'a pas été stipulée. La formule de demande d'autorisation de travail pour frontalier produite en justice doit d'ailleurs fournir des indications sur certaines clauses contractuelles, ce qui suppose en tout cas que celles-ci aient fait l'objet d'un accord préalable.
L'intervention auprès de l'autorité en vue de l'obtention du permis de travail pour étrangers constitue un acte préparatoire qui incombe à l'employeur et dont l'omission est de nature à entraîner
BGE 114 II 279 S. 284
la demeure de celui-ci (
art. 91 et 324 CO
; REHBINDER, n. 8 ad
art. 324 CO
; STAEHLIN, n. 11 ad
art. 324 CO
). Or l'admission d'une telle obligation et des conséquences de la demeure de l'employeur qui n'accomplit pas les actes préparatoires lui incombant suppose la validité du contrat de travail.
La cour cantonale a dès lors rejeté avec raison le moyen tiré par la défenderesse de la nullité du contrat de travail.
cc) La validité du contrat, quant à sa conclusion et son contenu, ne signifie pas qu'il doive continuer à déployer ses effets, nonobstant le défaut de l'autorisation exigée par le droit public. Abstraction faite des cas où l'octroi de ladite autorisation constitue une condition suspensive - souvent implicite - dont l'avènement détermine les effets du contrat, le refus de l'autorisation peut permettre à l'une ou l'autre partie de résilier le contrat avec effet immédiat, selon l'
art. 337 CO
(RAPP, op.cit., p. 293), le juge étant libre d'apprécier les conséquences pécuniaires de la résiliation en tenant compte des circonstances de ce refus (
art. 337b CO
). | public_law | nan | fr | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
aff39e3a-3085-4883-8a39-a75a708b89a9 | Urteilskopf
135 III 349
52. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. contre Y. SA (recours en matière civile)
4A_552/2008 du 12 mars 2009 | Regeste
Art. 336c Abs. 1 lit. c und Abs. 2 OR
; Kündigung des Arbeitsvertrages während der Schwangerschaft; Mitteilung der Schwangerschaft; Rechtsmissbrauch; Übertragung des Arbeitsverhältnisses; Verzug der Arbeitnehmerin.
Der Schutz des
Art. 336c Abs. 1 lit. c OR
setzt keine Mitteilung der Schwangerschaft voraus. Im vorliegenden Fall, in dem die Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft erst einen Monat nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitteilte, wurde ein Rechtsmissbrauch verneint (E. 2 und 3).
Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis überträgt, haftet solidarisch für den vertraglich noch geschuldeten Lohn, wenn die Arbeitnehmerin im Zeitpunkt der Übertragung des Arbeitsverhältnisses bereits schwanger war (E. 4.1).
Hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Lohn für die Zeit zwischen dem Termin, auf welchen ihr gekündigt wurde, bis zur Anzeige der Schwangerschaft? Die Frage beantwortet sich nach den Bestimmungen über den Schuldnerverzug (E. 4.2). | Sachverhalt
ab Seite 350
BGE 135 III 349 S. 350
A.
A.a
Par contrat de travail du 10 septembre 2005, Y. SA, exploitante du café V. à N., a engagé X. en qualité de sommelière pour un salaire mensuel de 3'150 fr. brut, respectivement de 2'811 fr. net. Le contrat stipulait un délai de congé d'un mois.
Le 1
er
janvier 2006, l'exploitation du V. a été reprise par A., sans que l'employée n'y fasse opposition. Le 15 du même mois, B. était engagée par le nouvel exploitant pour le 1
er
mars suivant, dans le but de remplacer X. Celle-ci a été licenciée le 24 janvier 2006 pour le 28 février 2006 par Y. SA, en raison de la remise de l'exploitation du café. Cette société confirmait, par courrier du 14 février
BGE 135 III 349 S. 351
2006, que le contrat de travail ne pouvait être prolongé, l'activité commerciale prenant fin pour des raisons économiques.
A.b
Agissant pour le compte de X., le syndicat Unia a, par lettre du 28 mars 2006, contesté le licenciement qu'il qualifiait de nul; il faisait valoir le fait que l'employée était enceinte au moment du licenciement. Le 3 avril 2006, Y. SA a répondu au syndicat que la grossesse de l'employée ne lui a jamais été annoncée, tout en faisant valoir son droit au licenciement immédiat pour faute grave.
B.
B.a
Le 28 juin 2006, X. a saisi le Tribunal de prud'hommes de l'arrondissement de l'Est vaudois, concluant au paiement par Y. SA de la somme brute de 19'313 fr. 15 relative aux salaires des mois de mars à juin 2006 et au treizième salaire jusqu'au 31 décembre 2006, ainsi qu'à la somme nette de 8'315 fr. 30 correspondant au montant versé par l'assurance maternité. A l'appui de sa requête, la demanderesse indiquait être en congé maladie depuis le 10 mai 2006.
Le 3 août 2006, Unia Caisse de chômage a déclaré intervenir dans la procédure.
Le défendeur a conclu au rejet des conclusions de la demanderesse et du tiers intervenant.
En audience du 7 mai 2008, la demanderesse a déclaré ne pas avoir d'autres prétentions que le versement du salaire contractuel jusqu'au terme du contrat de travail, soit le 31 décembre 2006.
B.b
Par jugement du 16 mai 2008, le Tribunal des prud'hommes a rejeté les conclusions de la demanderesse. Les premiers juges ont considéré l'annonce de la grossesse, faite le 28 mars 2006, comme étant largement tardive et contraire aux règles de la bonne foi; en taisant sa grossesse, la demanderesse est présumée avoir accepté son congé, qui a valablement pris ses effets au 28 février 2006. Les magistrats ont donc nié toute obligation de l'employeur de verser un salaire à la demanderesse pour la période ultérieure à la fin des rapports de travail.
B.c
Statuant par arrêt du 17 septembre 2008, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois a confirmé le jugement attaqué.
C.
Agissant par la voie du recours en matière civile, la demanderesse invite le Tribunal fédéral à réformer le jugement entrepris en ce sens que les conclusions prises en première instance cantonale, par 19'313 fr.15 bruts, lui soient allouées.
BGE 135 III 349 S. 352
La défenderesse conclut au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral a admis le recours et renvoyé la cause à l'autorité cantonale.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Aux termes de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO, l'employeur ne peut pas, après le temps d'essai, résilier le contrat pendant la grossesse et au cours des seize semaines qui suivent l'accouchement. Selon l'alinéa 2 de cette disposition, le congé donné pendant une des périodes prévues à l'alinéa précédent est nul.
La recourante fait grief à la cour cantonale d'avoir violé l'art. 336c al. 1 let. b (recte: c) CO et d'avoir à tort retenu la commission d'un abus de droit au sens de l'
art. 2 CC
de la part de la recourante. En substance, elle reproche aux magistrats cantonaux d'avoir considéré que l'annonce de la grossesse faite le 28 mars 2006, soit un mois après la fin du délai de résiliation et plus de deux mois après la notification du licenciement, était tardive et qu'elle avait pour conséquence d'entraîner la perte du droit à la protection de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO.
2.1
La protection accordée par la norme précitée se rapporte à l'état de grossesse de l'employée, la période d'interdiction de licencier s'étendant pendant toute la durée de la grossesse et au cours des seize semaines suivant l'accouchement (Message du 9 mai 1984 concernant l'initiative populaire "pour la protection des travailleurs contre les licenciements dans le droit du contrat de travail" et la révision des dispositions sur la résiliation du contrat de travail dans le code des obligations, FF 1984 II 630 s. ch. 620.9). Le texte de la loi ne subordonne pas la protection contre le licenciement à l'annonce de l'état de grossesse. A cet égard, aucune mention n'est faite d'un quelconque délai pour faire valoir le droit à la protection; si cette question a été débattue par les parlementaires fédéraux, ceux-ci ont refusé d'introduire un tel délai dans la loi (BO 1985 CN 1142 ss). Admettre le contraire irait à l'encontre de la volonté du législateur.
La situation est ainsi à distinguer de celle qui prévaut en France et en Allemagne notamment, où le législateur a expressément prévu, en cas de licenciement par l'employeur ignorant la grossesse, un délai dans lequel la travailleuse doit faire l'annonce de son état de grossesse (Art. L-122-25-2 du Code du travail français; cf. CHRISTOPHE RADÉ, Code du travail annoté, 68
e
éd. 2006, n° 11 ad art.
BGE 135 III 349 S. 353
L. 122.25.2; art. 9 de la loi allemande sur la protection de la maternité [Mutterschutzgesetz; MuSchG]).
2.2
La question présentement litigieuse n'a pas été abordée par le Tribunal fédéral dans l'arrêt 4C.259/2003 du 2 avril 2004, contrairement à ce qui est indiqué au consid. 4b du jugement entrepris.
Dans cet arrêt, une secrétaire, licenciée le 6 mars 2001 pour la fin mai 2001 et libérée de l'obligation de travailler, s'est trouvée en incapacité de travailler du 20 mai au 23 juin 2001; une dizaine de jours après avoir subi une opération, le 21 mai 2001, elle apprenait qu'elle était enceinte de six semaines environ; l'annonce à l'employeur de cet état de grossesse a eu lieu le 13 septembre 2001, soit deux mois et demi après la fin de l'incapacité de travail et plus de trois mois après la connaissance de la grossesse. La question soumise au Tribunal fédéral était celle de savoir si l'employeur devait s'acquitter du salaire réclamé par l'employée pour la période - antérieure à l'annonce de la grossesse - de juillet à la mi-septembre. Le litige a été tranché sous l'angle de la demeure de l'employeur, qui a été niée, du fait que, durant la période litigieuse, l'employée n'était pas apte à exécuter sa prestation de travail comme convenu. Dans ce contexte bien précis, il a été observé que le grief pouvait être adressé à l'employée de n'avoir pas annoncé rapidement sa grossesse. En effet, si tel avait été le cas, l'employeur aurait pu mettre en oeuvre l'assurance perte de gain. Cela étant, il ne pouvait être reproché à l'employeur de n'avoir pas versé le salaire pour la période en question sur la base de l'
art. 324 al. 1 CO
. Le Tribunal fédéral n'a toutefois pas jugé que l'annonce faite plus de trois mois après la connaissance de la grossesse avait pour effet de valider le licenciement, puisqu'il ne s'est pas prononcé sur la question.
2.3
La doctrine est partagée sur le sujet.
La doctrine majoritaire est d'avis que l'employée n'a pas d'obligation d'informer l'employeur de sa grossesse après avoir reçu le licenciement et que la période de protection prévue par l'
art. 336c CO
court même si l'employée tait cet événement à l'employeur (dans ce sens, CHRISTIANE BRUNNER ET AL., Commentaire du contrat de travail, 3
e
éd. 2004, n° 9 ad
art. 336c CO
; MARIANNE FAVRE MOREILLON, Droit du travail, 2
e
éd. 2006, p. 95; STREIFF/VON KAENEL, in Arbeitsvertrag, 6
e
éd. 2006, n° 9 ad
art. 336c CO
; ROLF A. TOBLER ET AL., in Arbeitsrecht, 2006, n° 1.13 ad
art. 336c CO
; ADRIAN STAEHELIN, in Zürcher Kommentar, 3
e
éd. 1996, n° 17 ad
art. 336c CO
;
BGE 135 III 349 S. 354
MANFRED REHBINDER, in Berner Kommentar, 2
e
éd. 1992, n° 6 ad
art. 336c CO
; HANS-PETER EGLI, Der zeitliche Kündigungsschutz, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht [ArbR] 1998 p. 128). La thèse majoritaire se fonde sur la volonté du législateur de ne pas introduire un délai pour contester le congé (BRUNNER ET AL., op. cit., n° 9 ad
art. 336c CO
; STAEHELIN, op. cit., n° 17 ad
art. 336c CO
), ainsi que sur le but social de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO (TOBLER ET AL., op. cit., n° 1.13 ad
art. 336c CO
; REHBINDER, op. cit., n° 4 ad
art. 336c CO
; FAVRE MOREILLON, op. cit., p. 95; cf. également FF 1984 II 603 ch. 51; DENIS HUMBERT, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, 1991, p. 133 s.).
Pour RÉMY WYLER, les règles de la bonne foi imposent à la travailleuse d'informer l'employeur de sa grossesse immédiatement après avoir reçu la notification de la résiliation ou dès la connaissance de la grossesse, si elle intervient postérieurement; à défaut, la travailleuse est présumée avoir renoncé à se prévaloir de la protection et sera forclose dans ses droits. Cet auteur précise toutefois que la notion d'immédiateté doit être appréciée avec mansuétude, car seules des circonstances tout à fait exceptionnelles permettent de retenir l'abus de droit de la travailleuse à se prévaloir de la protection contre le licenciement lié à sa grossesse (RÉMY WYLER, Droit du travail, 2
e
éd. 2008, n° 2.3 p. 573). L'opinion de WYLER est partagée par GLOOR, pour qui l'annonce de la grossesse doit se faire dans les meilleurs délais, sous peine de perdre le droit à la protection (WERNER GLOOR, Mutterschaft, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung, ArbR 1992 p. 59 s.). Pour DUC/SUBILIA, le silence de la travailleuse, qui a connaissance de sa grossesse, équivaut à une acceptation du congé; ces auteurs sont d'avis qu'il est contraire à la plus élémentaire bonne foi de taire l'état de grossesse à l'employeur qui userait de son droit de résilier le contrat et de le laisser prendre des mesures pour remplacer la travailleuse, voire engager une nouvelle collaboratrice, pour se prévaloir ensuite de la règle protectrice de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO (DUC/SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, 1998, n° 29 ad
art. 336c CO
).
GABRIELA RIEMER-KAFKA est plus nuancée. Elle considère que le comportement de l'employée qui tait sa grossesse au-delà du délai de résiliation peut, au regard des intérêts en présence, être abusif. Elle relève que si l'employée n'a pas d'intérêt à la continuation des rapports contractuels et qu'elle ne fait pas valoir la nullité, son silence équivaut à une acceptation de la résiliation, sous réserve de
BGE 135 III 349 S. 355
l'invocation de l'erreur essentielle (GABRIELA RIEMER-KAFKA, Der neurechtliche Kündigungsschutz bei Schwangerschaft und Niederkunft, RSJ 1989 p. 59).
3.
L'opinion des juges cantonaux selon laquelle l'exercice des droits de protection de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO serait soumis à l'annonce immédiate, sinon à brefs délais, de l'état de grossesse ne trouve pas appui dans la loi (cf. supra, consid. 2.1).
Elle ne trouve pas plus appui dans l'application du principe de la bonne foi, ancré à l'
art. 2 al. 1 CC
, auquel se réfèrent les tenants de la thèse de la validation du congé. En effet, d'après la jurisprudence du Tribunal fédéral, seules des circonstances tout à fait exceptionnelles permettent à l'employeur de se prévaloir d'un abus de droit (
art. 2 al. 2 CC
) de la part du travailleur, car, à défaut, la protection assurée au travailleur par des dispositions impératives peut se révéler illusoire (
ATF 129 III 493
consid. 5.1 p. 497,
ATF 129 III 622
consid. 5.2). Les cas typiques d'abus de droit sont l'absence d'intérêt à l'exercice d'un droit, l'utilisation d'une institution juridique contrairement à son but, la disproportion manifeste des intérêts en présence, l'exercice d'un droit sans ménagement ou l'attitude contradictoire (cf.
ATF 129 III 493
consid. 5.1 p. 497 et les arrêts cités). Dans un arrêt non publié (arrêt 4C.346/2004 du 15 février 2005), le Tribunal fédéral a eu l'occasion de juger, par pesée des intérêts contradictoires en présence, qu'il n'était pas abusif pour un employé, incapable de travailler - et non pas pour une femme enceinte, comme indiqué à tort par l'autorité cantonale -, de vouloir bénéficier de la protection conférée par l'
art. 336c al. 2 CO
, après avoir attendu le début avril pour communiquer son incapacité alors qu'il était apte à le faire à la fin février ou au plus tard dans le courant du mois de mars de la même année, le licenciement ayant eu lieu à la mi-janvier.
Dès lors que l'examen de l'abus de droit doit se faire au cas par cas, en tenant compte des circonstances propres à chaque litige, on ne voit pas ce qui pourrait justifier de poser, d'une manière générale, que le défaut d'information immédiate de son état de grossesse par l'employée licenciée serait abusif.
A considérer par ailleurs les circonstances du cas particulier, les conditions de réalisation d'un abus de droit ne paraissent pas réalisées. Il ressort des constatations de fait que la recourante a été licenciée le 24 janvier 2006 pour le 28 février 2006, en raison de la
BGE 135 III 349 S. 356
remise de l'exploitation du café dans lequel elle travaillait; le 14 février 2006, la société intimée confirmait à l'employée que le contrat de travail ne pouvait être prolongé, en raison de la fin de l'activité commerciale de la société; le 28 mars 2006, la recourante, agissant par l'intermédiaire du syndicat Unia, contestait le licenciement, en faisant valoir que le congé était nul, car donné alors qu'elle était enceinte. Le 15 janvier 2006, le nouvel exploitant du café a engagé une serveuse pour le 1
er
mars suivant, dans le but de remplacer la recourante.
Dans la mesure où, avant même d'être licenciée, la recourante avait été remplacée, il ne saurait lui être fait grief d'avoir, en annonçant sa grossesse un mois après la fin du délai de résiliation, laissé l'employeuse - plus précisément le nouvel exploitant du café (cf.
art. 333 al. 1 CO
) - prendre des mesures pour la remplacer et de l'avoir ainsi privée de la possibilité de la reprendre à son service. Aussi, l'intérêt de la travailleuse à la protection contre le licenciement l'emporte sur celui de l'acquéreur à s'organiser et combler un poste vacant. Au demeurant, tout porte à croire que la recourante, qui a fait valoir ses droits par l'intermédiaire du syndicat Unia, ignorait que le licenciement à elle notifié était nul et que, partant, elle était en droit de poursuivre son travail au-delà de la fin du délai de résiliation. Dès lors qu'aucune circonstance particulière propre à établir l'abus de droit ne découle du jugement entrepris, on ne discerne pas en quoi le comportement de la recourante serait abusif. Par conséquent, celle-ci peut valablement prétendre au droit de protection de l'
art. 336c CO
.
4.
4.1
En cas de transfert des rapports de travail, la responsabilité solidaire entre l'employeur transférant et l'employeur reprenant, instituée par l'
art. 333 al. 3 CO
, vise toutes les créances du travailleur échues dès avant le transfert jusqu'au moment où les rapports de travail pourraient normalement prendre fin (
ATF 132 III 32
consid. 6.2.1 p. 45). Ainsi, l'employeur initial reste solidairement responsable, à côté du nouvel employeur, des créances du travailleur qui étaient échues avant le transfert ou qui le deviennent avant la date à laquelle le contrat pouvait normalement prendre fin, ce qui correspond, en l'absence d'opposition, au terme du délai conventionnel ou légal de congé (GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 9 ad
art. 333 CO
).
BGE 135 III 349 S. 357
En l'occurrence, au moment du transfert de l'entreprise, le 1
er
janvier 2006, la recourante était déjà enceinte. Le contrat ne pouvait donc pas être résilié avant la fin de la période de protection de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO. Cela étant, les créances de salaires de la recourante tombent indéniablement sous le coup de l'
art. 333 al. 3 CO
. Il n'y a, partant, pas lieu de remettre en cause la légitimation passive de l'ancienne employeuse de la recourante, contre qui celle- ci a décidé de diriger son action en justice.
4.2
Il a été constaté en fait que la recourante a attendu le 28 mars 2006 pour contester le congé à elle notifié. Il ressort par ailleurs expressément de la lettre de contestation du 28 mars 2006 que l'employée se tenait à disposition "pour venir travailler".
La nullité du licenciement sur la base de l'
art. 336c al. 2 CO
ne modifie pas les droits et obligations des parties. Le travailleur doit fournir sa prestation de travail alors que l'employeur reste tenu de payer le salaire (
art. 319 et 324 CO
; arrêt 4C.259/2003 du 2 avril 2004 consid. 2.1; cf. également arrêt 4C.64/1994 du 3 novembre 1994 consid. 5b, non publié in
ATF 120 II 365
). S'il n'exécute pas sa prestation de travail sans être empêché par un motif reconnu, le travailleur est en demeure (
art. 102 ss CO
) et l'employeur peut alors refuser de payer le salaire (
art. 82 CO
). De même, l'employeur peut être en demeure. S'il empêche par sa faute l'exécution du travail ou se trouve en demeure de l'accepter pour d'autres motifs, l'employeur doit payer le salaire sans que le travailleur doive encore fournir sa prestation (
art. 324 al. 1 CO
). La demeure de l'employeur suppose en principe que le travailleur ait offert ses services (
ATF 115 V 437
consid. 5a p. 444; plus récemment arrêt 4C.189/2005 du 17 novembre 2005 consid. 3.3, in Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts [JAR] 2006 p. 366). Le travailleur ne peut toutefois se voir reprocher de n'avoir pas offert ses services lorsque l'employeur l'a libéré de l'obligation de travailler jusqu'au terme du délai de congé (
ATF 118 II 139
consid. 1a p. 140 et les références; arrêt 4C.66/1994 du 20 juillet 1994 consid. 3b, in SJ 1995 p. 801) ou lorsqu'il n'aurait de toute manière pas accepté la prestation de travail offerte (arrêt 4C.346/2005 du 29 novembre 2005 consid. 3.1, in JAR 2006 p. 377; arrêt 4C.155/2006 du 23 octobre 2006 consid. 5.2; WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4
e
éd. 2007, n° 3 ad
art. 324 CO
).
BGE 135 III 349 S. 358
Il ressort du jugement entrepris que l'employeur n'avait pas connaissance de la grossesse de l'employée le 24 janvier 2006 et que ce n'est pas parce que celle-ci était enceinte que le contrat de travail a été résilié. Sur ce point de fait, les juges cantonaux ont confirmé, par adoption de motifs et sans qu'aucun grief d'arbitraire ne soit soulevé, l'appréciation des premiers juges, qui ont déclaré ne pas être convaincus par le témoignage de C. - selon lequel tous les collaborateurs du café ainsi que A. savaient que l'employée était enceinte - et posé que l'état de grossesse de l'employée n'était pas connu avant la fin des rapports de travail. Il apparaît en outre, à la lecture de l'arrêt cantonal, que le nouvel employeur, A., est l'administrateur avec signature individuelle de la société anonyme intimée et que cette société s'est exprimée par l'intermédiaire du susnommé tant lors du licenciement qu'en cours de procédure prud'hommale.
Au moment du licenciement de la recourante par la société intimée, A. - en tant qu'employeur reprenant - avait déjà engagé une nouvelle serveuse pour remplacer la recourante, avec effet au 1
er
mars 2006, et donc nécessairement renoncé à la prestation de travail de l'employée. Il découle toutefois de l'état de fait cantonal qu'il n'avait à ce moment-là, tout comme l'employeuse précédente, pas connaissance de l'état de grossesse de la recourante et donc de la nullité du licenciement. Cela étant, il appartiendra à la cour cantonale de déterminer si, compte tenu des circonstances du cas d'espèce, le nouvel employeur aurait ou non refusé une hypothétique offre de services présentée à la fin février ou au début mars 2006 et si, par conséquent, la recourante était ou non en demeure pour le mois de mars 2006. | null | nan | fr | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
aff45a21-bff7-4662-ab0b-52cc79fe2e15 | Urteilskopf
126 IV 198
31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. März 2000 in Sachen R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) Art. 8. Abs. 1 lit. d,
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG
,
Art. 18 Abs. 2 StGB
; Handel mit Hanfprodukten, subjektiver Tatbestand. | Regeste
Jedenfalls dann, wenn Hanfprodukte vertrieben werden, deren Gehalt an THC den gesetzlichen Grenzwert überschreitet, kann der subjektive Tatbestand auch in der Form des Eventualvorsatzes erfüllt werden (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 126 IV 198 S. 198
R. bezog als Betreiber eines Hanfladens Hanfkraut und -blüten und verkaufte diese insbesondere in der Form von "Duftsäcklein", "Duftkissen" und Nachfüllpackungen an zahlreiche Kunden. Die von R. zum Verkauf angebotenen Produkte wiesen einen THC-Gehalt von 0,5 bis 2,5 % auf.
Das Bezirksgericht St. Gallen verurteilte R. am 4. November 1998 wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz in der Zeit von Anfang 1997 bis zum 3. April 1998 zu 12 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren; überdies wurde R. verpflichtet, dem Staat eine Ersatzforderung von Fr. 5'000.- zu bezahlen. Gegen diesen Entscheid erhob R. am 6. Januar 1999 Berufung.
BGE 126 IV 198 S. 199
Mit Nachtragsüberweisung vom 3. Juni 1999 wurde R. erneut wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagt; das Strafverfahren wurde mit dem Berufungsverfahren vereinigt. Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte R. am 17. November 1999 wegen mehrfacher, aber nicht schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtstrafe von 8 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren; die Ersatzforderung des Staates wurde bestätigt.
R. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Verkauf von "Duftsäcklein" falle nicht unter die Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG; SR 812.121).
Nach Art. 1 Abs. 2 lit. a Ziff. 4 BetmG fällt Hanfkraut als Rohmaterial unter die vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Substanzen (
BGE 124 IV 44
E. 2b S. 46), ohne Rücksicht auf den Gehalt an psychoaktiven Substanzen (bei Hanf insbesondere Delta-Tetrahydrocannabinol [THC]). Handel und Umgang mit Hanfkraut unterstehen somit der staatlichen Kontrolle (
Art. 2 BetmG
). Dient das Hanfkraut der Gewinnung von Betäubungsmitteln, so verbietet
Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG
ausnahmslos Anbau und Inverkehrbringen. Das Verbot trifft die ganze Pflanze, nicht nur die Teile mit hohem Gehalt an THC (
BGE 126 IV 60
E. 2a). Wann Hanfkraut als Rohmaterial respektive als gebrauchsfertiges Betäubungsmittel zu gelten hat, geht aus dem Betäubungsmittelgesetz zwar nicht hervor, lässt sich aber aus der Gesetzgebung zu den Lebensmitteln und der Landwirtschaft herleiten.
Der Bundesrat hat in bestimmten Fällen Anbau und Verkauf von Hanf gestattet. So können Hanf und Hanfprodukte zugelassene Bestandteile von Lebensmitteln sein (Art. 1 und 2 i.V.m. Anhang 4 S. 88 der Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln [FIV] vom 26. Juni 1995, SR 817.021.23, gestützt auf Art. 7, 9 Abs. 2 und 16 Abs. 3 der Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995, SR 817.02). Die Vorschriften zur Landwirtschaft erlauben den Anbau einiger namentlich aufgeführter Hanfsorten ("Industriehanf", Art. 4 und Anhang 4 S. 18 der Verordnung des
BGE 126 IV 198 S. 200
Bundesamts für Landwirtschaft über den Sortenkatalog für Getreide, Kartoffeln, Futterpflanzen und Hanf [Sortenkatalog-Verordnung] vom 7. Dezember 1998, SR 916.151.6; Delegation der Zuständigkeit an das Bundesamt für Landwirtschaft in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung über die Produktion und das Inverkehrbringen von pflanzlichem Vermehrungsmaterial [Saatgut-Verordnung] vom 7. Dezember 1998, SR 916.151, gestützt insbesondere auf Art. 162 des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft vom 29. April 1998, SR 910.1).
In allen genannten Fällen haben die zuständigen Bundesämter Grenzwerte für den Gehalt an THC festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen, damit die zugelassenen Produkte und Hanfsorten nicht als Betäubungsmittel missbraucht werden. Beim Industriehanf liegt der Grenzwert bei einem THC-Gehalt von 0,3 % (Sortenkatalog-Verordnung Anhang 4 S. 18), bei Lebensmitteln je nach Produkt zwischen 0,2 und 50 mg THC/kg, also zwischen 0,00002 und 0,005 % (FIV Anhang 4 "Liste der zugelassenen Höchstkonzentrationen [Toleranz und Grenzwerte] für andere Stoffe oder Inhaltsstoffe", S. 88). Diese Grenzwerte können als Massstab dafür dienen, ab welchem Gehalt an THC ein Hanfprodukt als Betäubungsmittel gelten muss und nach
Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG
nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf.
Der THC-Gehalt der vom Beschwerdeführer vertriebenen Produkte lag über den Grenzwerten. Der Verkauf dieser Produkte widerspricht somit dem Betäubungsmittelgesetz. Die Bemühungen, dieses Gesetz im Lichte neuerer Erkenntnisse zu überarbeiten, und die allfälligen Einsatzmöglichkeiten von Hanfprodukten ausserhalb des Bereichs der Betäubungsmittel können daran nichts ändern. Wie die Vorinstanz richtig ausführt, ist der Richter an das geltende Gesetz gebunden (
BGE 124 IV 44
E. 2b S. 46;
BGE 120 IV 256
E. 2c S. 260). Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu "Ecstasy" (
BGE 125 IV 90
;
BGE 124 IV 286
), auf die sich der Beschwerdeführer beruft, ergibt sich nichts zu seinen Gunsten. In beiden Entscheiden wurde eine Abstufung der Gefährlichkeit verschiedener Drogen vorgenommen, deren Unterstellung unter das Betäubungsmittelgesetz aber nicht in Frage gestellt. Die im Vergleich mit anderen Drogen geringere gesundheitsschädigende Wirkung von Hanfprodukten kann im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden. Die Vorinstanz hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ihr Entscheid verletzt insoweit kein Bundesrecht.
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass der Handel mit Hanfkraut nur dann nach
Art. 19 Ziff. 1 BetmG
strafbar sei, wenn
BGE 126 IV 198 S. 201
die bestimmte Absicht zur Gewinnung von Betäubungsmitteln vorliege. Er nimmt damit die von einem Teil des Schrifttums vertretene Meinung auf, dass der Vertrieb von Hanf aufgrund von
Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG
nur dann gegen das Betäubungsmittelgesetz verstosse, wenn der Handel zur Gewinnung von Betäubungsmitteln erfolgt. Die Straftatbestände von
Art. 19 Ziff. 1 BetmG
seien erst erfüllt, wenn ein qualifizierter Vorsatz im Sinne eines Handlungsziels "zur Gewinnung von Betäubungsmitteln" vorliege; nur in dem Fall sei auch der Handel nach
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG
unbefugt (PETER ALBRECHT, Der Verkauf von sog. "Duftkissen" - eine strafbare Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz?, SJZ 95/1999 S. 497, derselbe, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Sonderband Betäubungsmittelstrafrecht, Bern 1995,
Art. 19 BetmG
N. 93). ALBRECHT befürchtet eine Überdehnung des Anwendungsbereichs von
Art. 19 Ziff. 1 BetmG
vor allem bei den Teilnahmetatbeständen, falls die teilweise sehr weit gefassten Tatbestandsalternativen ohne Einschränkung mit Eventualvorsatz erfüllt werden könnten, insbesondere bei üblichen Geschäften des täglichen Lebens oder sonstigen normalen Alltagshandlungen (Kommentar N. 94 f.).
Diese Bedenken sind ernst zu nehmen. Vorliegend geht es jedoch um den Erwerb und Verkauf von Betäubungsmitteln und nicht um irgendwelche übliche Geschäfte des täglichen Lebens oder sonstige normale Alltagshandlungen. Der objektive Tatbestand des Erwerbs und Verkaufs von Betäubungsmitteln ist erfüllt, wenn Hanfprodukte vertrieben werden, deren Gehalt an THC den noch zulässigen Grenzwert überschreitet. In solchen Fällen besteht kein Grund, Eventualvorsatz für die Erfüllung des Tatbestandes nicht genügen zu lassen.
Nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
) hat der Beschwerdeführer seine Hanfprodukte zu Preisen erstanden und abgesetzt, die weit über den für zugelassene Hanfprodukte üblichen Preisen lagen. Der Beschwerdeführer war sich im Klaren darüber, dass die von ihm vertriebenen Produkte als Betäubungsmittel verwendet werden konnten, sonst hätte er nicht schriftliche Warnungen vor dem gesetzwidrigen Gebrauch an die Kunden abgegeben und die Warnungen von ihnen unterschreiben lassen. Die Verkaufszahlen ergeben einen deutlichen Hinweis, dass die Möglichkeit des Missbrauchs rege genutzt wurde. Der Beschwerdeführer verkaufte "Duftsäcklein" in einer Menge, die eine Verwendung für die geltend
BGE 126 IV 198 S. 202
gemachten gesundheitsfördernden Zwecke unglaubwürdig macht. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst sein, doch hat er sich nicht vom Verkauf seiner Produkte abhalten lassen, auch nicht, als bereits Strafuntersuchungen gegen ihn liefen. Er hat damit die Verwendung der von ihm vertriebenen Produkte als Betäubungsmittel in Kauf genommen und mit Eventualvorsatz gehandelt (
BGE 125 IV 242
E. 3c S. 251 mit Hinweisen). Ob direkter Vorsatz gegeben wäre, braucht nicht geprüft zu werden (vgl. dazu
BGE 126 IV 60
E. 2b). Das Urteil der Vorinstanz, das von Eventualvorsatz des Beschwerdeführers ausgeht, verletzt kein Bundesrecht. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
aff5f997-46ce-41f6-b119-91cfd52260e4 | Urteilskopf
80 IV 243
50. Urteil des Kassationshofes vom 20. Dezember 1954 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen Eheleute B. | Regeste
Art. 159 StGB
.
a) Begriff der Geschäftsführung (Erw. 1).
b) Der Geschäftsführer ist nur strafbar, wenn das schädigende Tun oder Unterlassen pflichtwidrig ist. Pflicht des Geschäftsführers einer Kollektivgesellschaft, deren Vermögen zu mehren (Erw. 2).
c) Am Vermögen schädigt der Geschäftsführer den Geschäftsherrn auch, wenn er dessen Vermögen pfiichtwidrig nicht vermehrt (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 244
BGE 80 IV 243 S. 244
A.-
H. B. und sein Neffe E. B. gründeten am 1. Januar 1926 die Kollektivgesellschaft B. & Cie, die den Vertrieb von...maschinen und...apparaten und den Verkauf von dazu benötigtem Material bezweckte. E. B. verpflichtete sich, das Geschäft der Gesellschaft zu führen, seine ganze Zeit und Tätigkeit sowie seine Kenntnisse dem Geschäft zu widmen, weder für eigene Rechnung noch für Rechnung Dritter Nebengeschäfte zu betreiben und sich an solchen auch nicht direkt oder indirekt zu beteiligen. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass er in der Geschäftsführung von seiner Ehefrau A. B. unterstützt werde. Beide Gesellschafter hatten Einzelunterschrift. Frau A. B. erhielt solche als Prokuristin. Sie befasste sich mit der internen Geschäftsführung, insbesondere mit der Buchhaltung und Korrespondenz. E. B. oblag dagegen vorwiegend der Reisetätigkeit und leitete den externen Geschäftsbetrieb.
Am 30. Dezember 1947 kündete E. B. den Gesellschaftsvertrag auf 31. Dezember 1948. Da die Gesellschafter sich über den Abschluss eines neuen Vertrages nicht einigen konnten, erklärte H. B. am 29. November 1948 unter Berufung auf den Gesellschaftsvertrag, dass er Aktiven und Passiven des Geschäftes übernehme. Die Eheleute B. behielten die Geschäftsführung bis 31. Dezember 1948 bei. Am 18. Dezember 1948 gründete E. B. eine Aktiengesellschaft, deren Geschäftszweck dem der B. & Cie vollständig entsprach.
B.-
Die Eheleute B. wurden in der Folge beschuldigt, zum Nachteil des H. B. verschiedene strafbare Handlungen begangen zu haben. Der Untersuchungsrichter des Kantons Basel-Stadt warfihnen im Schlussbericht vom 31. März
BGE 80 IV 243 S. 245
1954 unter anderem vor, sie seien sich spätestens im Sommer 1948 im klaren gewesen, dass sie auf Jahresende aus der B. & Cie ausscheiden und ein eigenes Geschäft gründen würden. Damit dieses von Anfang an genug Aufträge habe, hätten sie durch die damaligen zwei Vertreter der B. & Cie die Kunden dieser Gesellschaft auffordern lassen, mit ihr abgeschlossene Kauf- und Lieferungsverträge aufzuheben und auf die künftige Gesellschaft der Eheleute B. überzuschreiben und neue Verträge nicht mehr mit B. & Cie, sondern mit obiger Gesellschaft oder mit E. B. persönlich abzuschliessen. E. B. habe allein oder gemeinsam mit dem einen Vertreter verschiedene Kunden in gleichem Sinne bearbeitet. Die aufgehobenen Verträge hätten Bestellungen von über Fr. 64'000.-- betroffen, die neu abgeschlossenen Verträge Bestellungen von über Fr. 103'000.--.
Am 10. Mai 1954 teilte die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten gemäss
§ 128 StPO
mit, dass sie beabsichtige, gegen sie wegen ungetreuer Geschäftsführung (
Art. 159 StGB
) Anklage zu erheben.
C.-
Die Eheleute B. erhoben Einsprache. Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt hiess diese am 17. August 1954 dahin teilweise gut, dass sie die Verfolgung wegen der neu abgeschlossenen Verträge einstellte.
Sie nahm an, als Geschäftsführer der B. & Cie seien die Beschuldigten zwar taugliche Subjekte zur Verübung des Vergehens des
Art. 159 StGB
gewesen, doch hätten sie dadurch, dass sie Lieferungsverträge nicht auf den Namen der B. & Cie abschlossen, diese Gesellschaft nicht am Vermögen geschädigt. Für die ungetreue Geschäftsführung gelte der gleiche Schadensbegriff wie für die übrigen strafbaren Handlungen gegen das Vermögen. Das durch
Art. 159 StGB
geschützte Vermögen sei nur dann geschädigt, wenn es infolge einer Verfügung oder Unterlassung weniger wert sei als vorher, wobei der Nachteil entweder in einer Verminderung des vorhandenen Vermögensbestandes bestehen oder entgangener Gewinn sein könne. Letzterer stelle aber nur dann einen Vermögensschaden dar, wenn ein rechtlich
BGE 80 IV 243 S. 246
begründeter Anspruch auf den Vermögenszuwachs bestehe. Daran sei auch deshalb nicht zu zweifeln, weil
Art. 159 StGB
verlange, dass die Schädigung "am Vermögen" erfolgt sei. Gewinn, der mangels eines obligatorischen Anspruches rechtlich nicht geltend gemacht werden könne, sei nicht Bestandteil eines Vermögens. Dass Ansprüche auf Gewinn durch das Vorgehen der Beschuldigten für die B. & Cie nicht entstanden seien, bedeute für sie ein Nachteil. Das sei aber ausschliesslich Vertragsschaden, den E. B. durch Verletzung des Gesellschaftsvertrages und Frau A. B. durch Verletzung des Dienstvertrages herbeigeführt hätten. Rechtlich verhalte es sich gleich, wie wenn sie z.B. aus Trägheit untätig geblieben und dadurch die B. & Cie um den Abschluss gewinnbringender Geschäfte gebracht hätten. Sähe man in diesem Falle ungetreue Geschäftsführung, so würde das zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten unsinnigen Ausdehnung der strafrechtlich erfassbaren Vertragsverletzungen führen; denn es sei kaum eine Pflichtwidrigkeit eines Geschäftsführers denkbar, die für den Berechtigten nicht irgendwie nachteilig wäre.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss der Überweisungsbehörde sei insoweit aufzuheben, als er das Verfahren hinsichtlich der Verfolgung der Neuabschlüsse einstelle, und die Akten seien zur Beurteilung der Anklage wegen fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung an die kantonalen Behörden zurückzuweisen.
E.-
Die Eheleute B. beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen und der angefochtene Beschluss zu bestätigen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Ungetreue Geschäftsführung begeht, "wer jemanden am Vermögen schädigt, für das er infolge einer gesetzlichen oder einer vertraglich übernommenen Pflicht sorgen soll" (
Art. 159 Abs. 1 StGB
). Die Tat setzt somit unter anderem voraus, dass der Täter für fremdes Vermögen "sorgen soll". Gemeint ist, dass er fremde Geschäfte zu
BGE 80 IV 243 S. 247
besorgen, d.h. zu führen habe. Das ergibt sich nicht nur aus dem Randtitel, der das in
Art. 159 StGB
umschriebene Vergehen als "ungetreue Geschäftsführung" und im französischen Text als "gestion déloyale" bezeichnet. Auch das schweizerische Obligationenrecht setzt die Begriffe der Geschäftsführung, der Geschäftsbesorgung und der "gestion" bzw. des Geschäftsführers und des "gérant" einander gleich (s.
Art. 419 ff. OR
) und gibt "Geschäfte besorgen" mit "gérer" wieder (
Art. 394, 419 OR
). Dem französischen Worte "veiller" (sur les intérêts pécuniaires d'autrui) in
Art. 159 StGB
darf kein weiterer Sinn entnommen werden als dem Worte "gérer".
Ob Geschäftsführung nur inne hat, wer für einen andern Rechtsgeschäfte abzuschliessen, oder auch, wer für fremdes Vermögen lediglich tatsächlich zu sorgen, z.B. es zu verwahren, zu unterhalten, zu bewachen, zu transportieren hat, kann dahingestellt bleiben. Denn E. B. als geschäftsführender Gesellschafter und seine ihm in dieser Stellung als Prokuristin beigeordnete Ehefrau haben für das Vermögen der B. & Cie durch Abschluss von Rechtsgeschäften zu sorgen gehabt, wird ihnen doch gerade vorgeworfen, sie hätten sich der ungetreuen Geschäftsführung dadurch schuldig gemacht, dass sie bestimmte Verträge pflichtwidrig nicht für B. & Cie abschlossen. Die zur Anwendung des
Art. 159 StGB
gehörende Stellung zum Vermögen der Gesellschaft kam ihnen zu.
2.
Nach dem Wortlaut des
Art. 159 Abs. 1 StGB
würde die (vorsätzliche) Schädigung des Vermögens, für das der Täter zu sorgen hat, genügen. Das ist indessen nicht der Sinn der Bestimmung. Der Geschäftsführer macht sich nur strafbar, wenn das schädigende Tun oder Unterlassen seinen gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflichten widerspricht. Um solcher Pflichtverletzung willen wird die Geschäftsführung als "ungetreu" bezeichnet und Strafe angedroht.
Der Auffassung der Beschwerdegegner, ihr Verhalten sei nicht pflichtwidrig gewesen, weil dem Geschäftsführer nur
BGE 80 IV 243 S. 248
die Erhaltung vorhandenen Vermögens, nicht auch dessen Mehrung obliege, ist indessen nicht beizupflichten. Welche Pflichten ein Geschäftsführer hat, hängt von der Vereinbarung der Parteien und vom Gesetze ab. Darnach kann ein Geschäftsführer durchaus gehalten sein, das seiner Sorge unterstellte Vermögen zu mehren. Das trifft z.B. zu für den Vormund, der es zinstragend anzulegen hat (vgl.
Art. 401 ZGB
), aber auch für den Geschäftsführer eines Handelsgeschäftes, in dem Vermögen nicht lediglich zu seiner Erhaltung, sondern zu Erwerbszwecken angelegt wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im vorliegenden Falle. Der Gesellschaftsvertrag nannte als Zweck der Gesellschaft den Vertrieb von...maschinen,...apparaten usw., sah die Verzinsung der Kapitaleinlagen, die Auszahlung von Gehältern und Abschreibungen auf dem Geschäftsvermögen vor und regelte die Verteilung des nach Bestreitung sämtlicher Geschäftsunkosten verbleibenden Reingewinnes. Es liegt daher auf der Hand, dass die Gesellschaft die Mehrung ihres Vermögens bezweckte und dass die Geschäftsführung der Beschwerdegegner darauf ausgerichtet sein musste, dass insbesondere gewinnnbringende Verträge betreffend Lieferung der von der Gesellschaft vertriebenen Erzeugnisse abzuschliessen waren. Weisungen an die Vertreter der B. & Cie, solche Verträge im Namen der Konkurrenzunternehmung, nämlich der neuen Aktiengesellschaft oder des E. B. persönlich abzuschliessen, und dahingehende Bearbeitung der Kunden war umsomehr pflichtwidrig, als der Gesellschaftsvertrag zulasten des E. B. ein Konkurrenzverbot enthielt und auch Frau A. B. als Dienstpflichtige und Prokuristin gegenüber der B. & Cie zu Treue verpflichtet war und weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Geschäfte machen durfte (
Art. 464 OR
).
3.
Aus der Wendung des
Art. 159 StGB
, dass der Täter jemanden "am Vermögen" geschädigt haben müsse, schliesst die Überweisungsbehörde zu Unrecht, die Bestimmung sei nur anzuwenden, wenn das vorhandene Vermögen
BGE 80 IV 243 S. 249
vermindert, nicht auch, wenn es pflichtwidrig nicht vermehrt worden ist. Wer durch Untreue seines Geschäftsführers um einen Vermögenszuwachs kommt, den dieser herbeizuführen verpflichtet war, ist auch "am Vermögen geschädigt". Das erhellt namentlich aus dem französischen Text, der von "intérêts pécuniaires", also allgemein von Vermögensinteressen spricht, die der Täter verletze. Ein Vermögensinteresse hat der Geschäftsherr auch am Abschluss gewinnbringender Verträge. Obschon die Ansprüche aus solchen vor dem Abschluss nicht bestehen, also noch nicht Bestandteil seines Vermögens bilden, sollen sie es doch werden. Es besteht kein sachlicher Grund, in der pflichtwidrigen Verhinderung dieses Erwerbes durch den Geschäftsführer nicht ebenso eine ungetreue Geschäftsführung zu sehen wie in der pflichtwidrigen Veräusserung oder Beeinträchtigung der dem Geschäftsherrn bereits zustehenden Vermögenswerte. Die Überlegung der Vorinstanz, es würde zu einer "unsinnigen Ausdehnung der strafrechtlich erfassbaren Vertragsverletzungen" führen, wenn
Art. 159 StGB
auf die ungetreue Verhinderung eines Vermögenserwerbes angewendet würde, schlägt nicht durch. Entscheidend ist nicht, ob solche Untreue von Geschäftsführern mehr oder weniger häufig vorkommt, sondern ob der Gesetzgeber Grund gehabt hat, sie als ebenso verwerflich anzusehen wie die Untreue durch pflichtwidrige Schädigung an bereits erworbenem Vermögen. Daran aber ist nicht zu zweifeln. Die Untreue wiegt in beiden Fällen annähernd gleich schwer. Die unterschiedliche Behandlung wäre daher stossend.
Von einer Schädigung an noch nicht erworbenem Vermögen kann jedoch nur die Rede sein, wenn durch pflichtgemässes Verhalten des Geschäftsführers der Erwerb eingetreten wäre. Das setzt im vorliegenden Falle voraus, dass die Kunden die mit der Aktiengesellschaft E. B. persönlich abgeschlossenen Verträge ohne das pflichtwidrige Verhalten der Beschwerdegegner mit der B. & Cie eingegangen wären. Die Beschwerdegegner bestreiten das, indem
BGE 80 IV 243 S. 250
sie behaupten, die Kunden hätten nur mit Rücksicht auf die Person des E. B. bestellt. Auf diese Behauptung ist nicht einzutreten. Die Überweisungsbehörde führt im angefochtenen Beschlusse aus, es bedeute für die B. & Cie zweifellos ein Nachteil, dass Ansprüche auf Gewinn für sie durch das Vorgehen der Beschwerdegegner nicht entstanden seien. Darin liegt zugleich die Feststellung, dass ohne deren Machenschaften die Kunden bei der B. & Cie bestellt hätten. Der Kassationshof ist an diese tatsächliche Feststellung gebunden. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die B. & Cie durch die in Frage stehenden Pflichtverletzungen der Beschwerdegegner geschädigt worden ist.
4.
Die Beschwerdegegner bestreiten den Vorsatz. Ob er vorhanden war, bleibt dem Entscheid der kantonalen Behörden, sei es der Überweisungsbehörde, sei es dem urteilenden Gerichte vorbehalten; die Vorinstanz hat diese Frage noch nicht geprüft.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss der Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt vom 17. August 1954 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
aff74a3d-d443-4a6e-8572-e61b0754e431 | Urteilskopf
105 III 135
28. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1979 i.S. Abtretungsgläubiger der Konkursmasse D. gegen F. (Berufung) | Regeste
Abtretung nach
Art. 260 SchKG
.
Der Abtretungsgläubiger ist gestützt auf die Abtretung berechtigt, aber nicht verpflichtet, anstelle der Masse in einen bereits hängigen Prozess des Gemeinschuldners einzutreten. Dem Bundesrecht ist aber nur zu entnehmen, dass der Prozesseintritt nicht bereits mit der Ausstellung der Abtretungsurkunde oder mit der Mitteilung der Abtretung an das Gericht bewirkt werde. Ob der Abtretungsgläubiger in der Folge den Prozess tatsächlich aufgenommen habe, bestimmt sich nach kantonalem Prozessrecht (E. 3).
Mit dem Prozesseintritt übernimmt der Abtretungsgläubiger nach Bundesrecht das ganze Prozessrisiko (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 135
BGE 105 III 135 S. 135
A.-
Am 5. Januar 1972 reichte D. gegen F. Klage auf Bezahlung von Fr. 45'000.- nebst Zins ein. Bei dieser Forderung handelte es sich um den Restkaufpreis für ein vom Kläger schlüsselfertig erstelltes Einfamilienhaus. Die Beklagte machte wegen verschiedener Mängel einen Minderwert von Fr. 45'000.- geltend und beantragte Abweisung der Klage. Das zuständige Bezirksgericht hatte den Schriftenwechsel und verschiedene Beweiserhebungen durchgeführt, als der Kläger
BGE 105 III 135 S. 136
am 28. Oktober 1975 in Konkurs fiel. Der Forderungsprozess wurde deshalb gemäss
Art. 207 SchKG
bis zehn Tage nach der zweiten Gläubigerversammlung sistiert. Diese fand am 26. November 1976 statt und beschloss, dass die Konkursmasse nicht in den Forderungsstreit eintrete. Drei Konkursgläubiger verlangten die Abtretung des streitigen Anspruchs im Sinne von
Art. 260 SchKG
. Am 24. Dezember 1976 stellte das Konkursamt M. als Konkursverwaltung im Konkurs D. die entsprechenden Abtretungsurkunden aus, und mit Schreiben vom 29. Dezember 1976 orientierte es das Bezirksgericht über die erfolgten Abtretungen. Einem Begehren des Gerichtspräsidenten vom 1. März 1977 um Zustellung von Kopien der Abtretungsurkunden kam das Konkursamt am 3. März 1977 nach.
B.-
Der Vertreter der Beklagten verlangte am 14. Februar 1977 beim Bezirksgericht, die Sistierung des Verfahrens sei aufzuheben und der Gerichtsexperte anzuweisen, die Ergänzungsfragen der Beklagten zu beantworten. In der Folge setzte der Gerichtspräsident mit Verfügung vom 8. März 1977 den Abtretungsgläubigern 1 und 2 eine Frist von acht Tagen an zur Erklärung, ob der Prozess von ihnen aufgenommen werde oder nicht, und zur allfälligen Stellungnahme zum Begehren der Beklagten. Da sich die beiden Gläubiger innert Frist nicht vernehmen liessen, verfällte sie das Bezirksgericht mit Beschluss vom 22. April 1977, zugestellt am 9. Mai 1977, in Ordnungsbussen von je Fr. 10.- und setzte ihnen eine nicht erstreckbare Nachfrist von zehn Tagen an mit der Androhung, dass im Säumnisfall Nichtaufnahme des Prozesses angenommen werde. Daraufhin teilten die beiden Gläubiger dem Bezirksgericht am 18. Mai 1977 mit, der Prozess werde von ihnen nicht aufgenommen.
Der Abtretungsgläubigerin 3 war die Verfügung vom 8. März 1977 aus Versehen nicht zugestellt worden. Mit dem Beschluss vom 22. April 1977 wurde ihr daher die achttägige Erklärungsfrist angesetzt, die ebenfalls unbenützt verstrich. Das Gericht nahm in seinem Beschluss vom 26. Mai 1977 vom Verzicht der Gläubiger 1 und 2 Vormerk, verfällte die Gläubigerin 3 in eine Ordnungsbusse und setzte ihr eine Nachfrist von zehn Tagen an mit der gleichen Androhung, die im Beschluss vom 22. April 1977 gegenüber den Gläubigern 1 und 2 erlassen worden war. Die Gläubigerin 3 liess auch diese Nachfrist unbenützt verstreichen, worauf das Gericht am 27. Juni 1977 den
BGE 105 III 135 S. 137
Verzicht aller Abtretungsgläubiger auf die Prozessführung feststellte und dem Gemeinschuldner eine zehntägige Frist zur Abgabe einer Erklärung über die allfällige Wiederaufnahme des Prozesses ansetzte, mit der Androhung, bei Stillschweigen werde auch sein Verzicht angenommen. Der Konkursit gab keine Erklärung ab.
C.-
Mit Schreiben vom 13. Oktober 1977 reichte der Vertreter der Beklagten seine Kostennote ein und ersuchte um Erlass des Abschreibungsbeschlusses, wobei die Parteikosten dem Kläger bzw. seiner Konkursmasse aufzuerlegen und der Beklagten der von ihr geleistete Beweiskostenvorschuss zurückzuerstatten seien.
Das Bezirksgericht schrieb den Prozess mit Beschluss vom 17. November 1977 als durch Klagerückzug erledigt ab, überband die nicht durch Vorschüsse des ursprünglichen Klägers gedeckten Verfahrenskosten im Betrage von Fr. 3'644.40 den drei Abtretungsgläubigern zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftbarkeit und verpflichtete diese, der Beklagten eine Parteientschädigung von Fr. 7'734.20 zu bezahlen, die den Abtretungsgläubigern ebenfalls zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt wurde.
Die drei Abtretungsläubiger zogen diesen Beschluss an das Obergericht des Kantons Aargau weiter, welches die Appellation mit Urteil vom 31. August 1978 abwies.
D.-
Die drei Abtretungsgläubiger haben beim Bundesgericht Berufung eingereicht. Sie stellen die Anträge, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben, der Prozess D. gegen F. sei infolge des Verzichts der Konkursverwaltung und der Abtretungsgläubiger auf die Weiterführung abzuschreiben und die bis zur Konkurseröffnung entstandenen Verfahrenskosten seien im Konkursverfahren des D. zu kollozieren.
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Gemäss
Art. 260 Abs. 1 SchKG
kann jeder Konkursgläubiger die Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet hat. Die Rechtsnatur dieser Abtretung ist von der
BGE 105 III 135 S. 138
Literatur, der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und dem obligatorischen Konkursformular Nr. 7 in dem Sinne umschrieben worden, dass es sich um ein betreibungs- und prozessrechtliches Institut sui generis handelt, das Ähnlichkeit mit der Abtretung gemäss
Art. 164 ff. OR
und dem Auftrag gemäss
Art. 394 ff. OR
aufweist (
BGE 93 III 63
,
BGE 86 III 157
/158,
BGE 84 III 43
, je mit Hinweisen und Literaturzitaten; FLACHSMANN, Die Abtretung der Rechtsansprüche der Konkursmasse nach
Art. 260 SchKG
, Zürcher Diss. 1927, S. 6 ff.). Danach wird der Gläubiger durch die Abtretung ermächtigt, den streitigen Rechtsanspruch anstelle der Masse, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und Gefahr geltend zu machen. Zur Abtretung können Ansprüche gelangen, die noch nicht Gegenstand eines Prozesses bilden. In diesem Fall ist der Abtretungsgläubiger nach feststehender Lehre und Rechtsprechung nicht verpflichtet, den Prozess auch anzuheben und bis zum Urteil durchzuführen. Er kann vielmehr von der Klageeinleitung überhaupt absehen, einen aussergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleich abschliessen oder aber eine eingeleitete Klage wieder zurückziehen (
BGE 102 III 30
mit Hinweisen).
Der Gläubiger wird durch die Abtretung aber auch in die Lage versetzt, anstelle der Masse als Partei in einen bereits hängigen Prozess einzutreten und diesen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und Gefahr weiterzuführen. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Recht und nicht um eine Pflicht des Abtretungsgläubigers. In der Abtretungsurkunde wird der Gläubiger denn auch nicht verpflichtet, sondern lediglich ermächtigt, den angehobenen Prozess weiterzuführen. In der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu
Art. 260 SchKG
ist durchwegs von einem Prozessführungsrecht und nirgends von einer entsprechenden Pflicht oder von einer Übertragung des Prozessrechtsverhältnisses durch die Abtretungsurkunde die Rede(
BGE 93 III 63
,
BGE 86 III 157
,
BGE 61 III 2
,
BGE 43 III 163
, 41 III 76; vgl. auch das Urteil des Zürcher Obergerichts vom 12.12.67 in ZR 67/1968 Nr. 115; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, N. 8 zu § 49). Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb der Abtretungsgläubiger wohl auf die Anhebung, nicht aber auf die Fortsetzung eines Prozesses sollte verzichten können. In diesem Zusammenhang ist auch auf
BGE 84 III 44
zu verweisen, wo entschieden wurde, eine Abtretung könne von der Konkursverwaltung widerrufen werden,
BGE 105 III 135 S. 139
wenn der streitige Anspruch vom Drittschuldner anerkannt werde, bevor der Abtretungsgläubiger zu seiner Realisierung irgendwelche Vorkehren getroffen habe. Dasselbe muss auch gelten, wenn der Prozessgegner die Klage anerkennt bzw. zurückzieht, bevor der Abtretungsgläubiger Schritte zur Fortsetzung des Verfahrens unternommen hat. Muss dieser sich den Widerruf der Abtretung gefallen lassen, so muss ihm folgerichtig auch das Recht zugestanden werden, nach erfolgter Abtretung noch auf den Eintritt in den Prozess zu verzichten.
Die kantonalen Instanzen haben demnach im vorliegenden Fall Sinn und Tragweite von
Art. 260 SchKG
verkannt, wenn sie davon ausgegangen sind, dass bereits mit der Ausstellung der Abtretungsurkunde bzw. mit der Mitteilung der erfolgten Abtretung an das Gericht der Eintritt des Abtretungsgläubigers in den Prozess bewirkt werde. Insofern haben sie gegen Bundesrecht verstossen. Über den Zeitpunkt des Eintritts des Abtretungsgläubigers in den Prozess sagt das Bundesrecht indessen nichts aus. Es ist ihm nur zu entnehmen, dass mit der Ausstellung der Abtretungsurkunde nicht automatisch der Eintritt in den Prozess vollzogen werde. Ob, wann und in welcher Form der Abtretungsgläubiger den Prozess tatsächlich aufgenommen habe, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts. Dieses hat zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen ein Prozessrechtsverhältnis zwischen einer Partei und dem Gericht bzw. der Gegenpartei zustande kommt. Die Vorinstanz hat somit auch insofern Bundesrecht verletzt, als sie die Frage des Prozesseintritts der drei Abtretungsgläubiger unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts geprüft hat, anstatt das kantonale Prozessrecht anzuwenden (
BGE 93 II 191
). Das angefochtene Urteil muss daher aufgehoben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. Diese wird zu prüfen haben, ob im vorliegenden Fall die drei Abtretungsgläubiger nach kantonalem Recht in den Prozess des Gemeinschuldners mit der Beklagten eingetreten sind.
4.
Kommt das Obergericht aufgrund seiner Prüfung zum Schluss, die drei Abtretungsgläubiger seien in den Prozess eingetreten, so stellt sich die Frage, wer das Risiko für die bereits aufgelaufenen Prozesskosten zu tragen habe. Ob hiefür die Konkursmasse oder die Abtretungsgläubiger haften, ist nach Bundesrecht zu beurteilen. Dabei ist zu beachten, dass der Abtretungsgläubiger nach der Rechtsprechung zu
Art. 260
BGE 105 III 135 S. 140
SchKG
den Prozess in eigenem Namen sowie auf eigene Rechnung und Gefahr weiterzuführen hat. Er übernimmt somit das ganze Prozessrisiko. Gewinnt er den Prozess, so kann er seine Forderung gegenüber dem Gemeinschuldner aus dem Prozessergebnis vorweg befriedigen (
Art. 260 Abs. 2 SchKG
) und hat ihm der Prozessgegner eine Parteientschädigung zu bezahlen. Er ist daher nur recht und billig, dass der Abtretungsgläubiger, wenn er den Prozess verliert, die gesamten Prozesskosten - auch die vor seinem Prozesseintritt aufgelaufenen - und die Kosten der Gegenpartei zu tragen hat. Sollte sich demnach im vorliegenden Fall ergeben, dass die Berufungskläger nach kantonalem Prozessrecht in den Prozess des Gemeinschuldners eingetreten sind, so bedeutet ihr Verzicht auf die Fortführung des Prozesses einen Klagerückzug, weshalb ihnen die Verfahrenskosten aufzuerlegen und sie zur Leistung einer Entschädigung an die Gegenpartei zu verpflichten sind. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
aff93d90-6305-4e95-8b4e-dace1ee4ce5b | Urteilskopf
108 II 470
88. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. November 1982 i.S. Jaeggi gegen Heck (Berufung) | Regeste
"Basler Mietvertrag"; Bedeutung und Zulässigkeit der Klausel, wonach die Parteien bei Mietverträgen mit fester Dauer Mietzinsanpassungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen verlangen können (Art. 9, 11, 14 und 15 BMM;
Art. 6, 9 und 11 VMM
).
1. Bei der Prüfung, ob eine Mietzinsanpassung zulässig ist, ist die Entwicklung bis zum Zeitpunkt, auf den sie wirksam werden soll, zu berücksichtigen (E. 3).
2. Mietverträge mit fester Dauer von fünf oder mehr Jahren und Vereinbarung einer periodischen Mietzinsanpassung unterstehen dem BMM selbst dann, wenn die vereinbarte Berechnungsweise unzulässig ist (E. 4).
3. Die Verabredung einer Mietzinsanpassung "im Rahmen der gesetzlichen Bestimmung" ist gültig (E. 5).
4. Auf eine Mietzinserhöhung, die mit dem Steigen des Hypothekarzinses begründet wird, findet
Art. 6 VMM
keine Anwendung (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 471
BGE 108 II 470 S. 471
Clara Jaeggi-Sehn vermietete Heinz Heck mit Vertrag vom 24. April 1981 ein Einfamilienhaus in Basel für eine feste Mietdauer von fünf Jahren ab 1. Juni 1981. Die Parteien unterzeichneten den "Basler Mietvertrag", der unter § 1 Abs. 5 folgende Bestimmung enthält:
"Ist eine feste Mietdauer vereinbart, können Mietzinsanpassungen während der festen Dauer im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen unter Einhaltung der Voranzeigefrist von mindestens drei Monaten und zehn Tagen auf den Quartalsersten begehrt werden."
Am 19. Juni 1981 kündigte die Vermieterin eine Mietzinserhöhung ab 1. Oktober 1981 von Fr. 1'350.-- auf Fr. 1'444.50 im Monat an. Die 7% betragende Erhöhung begründete sie mit dem Steigen des Hypothekarzinses um 1/2% auf den 1. Oktober 1981. Am 9. September 1981 focht der Mieter den Mietzinsaufschlag bei der Schlichtungsstelle an. Nachdem keine Einigung zustande gekommen war, klagte die Vermieterin am 26. November 1981 beim Zivilgerichtspräsidenten von Basel-Stadt mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die Erhöhung zulässig und nicht missbräuchlich sei.
Der Zivilgerichtspräsident wies die Klage am 4. Februar 1982 mit der Begründung ab, § 1 Abs. 5 des Mietvertrags sei nichtig. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde der Klägerin wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 27. April 1982 ab. Das Gericht trat auf die Frage, ob der Mieter die Erhöhung bei der Schlichtungsstelle verspätet angefochten habe, nicht ein und liess offen, ob die Vertragsklausel nichtig sei. In Anwendung von
Art. 6 VMM
stellte es dagegen fest, dass vom 1. bis 19. Juni 1981 der Landesindex der Konsumentenpreise nicht gestiegen und die Mietzinserhöhung deshalb unzulässig und missbräuchlich sei.
Die Klägerin reichte gegen das Urteil des Appellationsgerichts Berufung ein. Das Bundesgericht heisst diese teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und stellt in Gutheissung der Klage fest, dass die angekündigte Mietzinserhöhung nicht missbräuchlich ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Frage nach der Gültigkeit der vertraglichen Anpassungsklausel lässt die Vorinstanz mit der Begründung offen, ihre
BGE 108 II 470 S. 472
Auswirkungen hätten sich jedenfalls im Rahmen von
Art. 6 VMM
zu halten, wonach Mietzinserhöhungen unzulässig sind, die vier Fünftel der Steigerung des Landesindexes der Konsumentenpreise überschreiten. Sie führt im weitern aus, da sich dieser Index zwischen dem Mietbeginn am 1. Juni und der Ankündigung des Mietzinsaufschlages am 19. Juni 1981 nicht verändert habe, sei die Erhöhung klar unzulässig und missbräuchlich.
Diese Auffassung ist unabhängig von ihrer rechtlichen Problematik, auf die in den folgenden Erwägungen einzugehen ist, bereits in tatsächlicher Hinsicht unhaltbar. Das Appellationsgericht hatte nicht nur die Entwicklung zwischen 1. und 19. Juni, sondern darüber hinaus bis zum 1. Oktober 1981 zu berücksichtigen, denn auf diesen Zeitpunkt sollte die Erhöhung wirksam werden und mussten darum auch ihre Voraussetzungen gegeben sein. Selbstverständlich obliegt es dem Vermieter, im Prozess das Eintreten dieser Voraussetzungen darzutun. Bei einer im voraus angekündigten Hypothekarzinssteigerung bietet das keine Probleme; aber auch bezüglich der Indexentwicklung ergaben sich vorliegend keine Schwierigkeiten, da erstinstanzlich erst im Dezember 1981 verhandelt und im Februar 1982 entschieden worden ist.
Nach unbestrittener Darstellung der Klägerin in der Berufungsschrift ist der Lebenskostenindex vom 1. Juni bis 1. Oktober 1981 um 2,8% gestiegen. Gemäss
Art. 6 VMM
ergäbe dies eine zulässige Mietzinserhöhung von 2,24% oder Fr. 30.25 im Monat.
4.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verbietet der BMM nicht, bei Mietverträgen mit fester Dauer von fünf oder mehr Jahren Anpassungstermine vorzusehen, die sowohl den Vermieter wie den Mieter berechtigen, auf diese Zeitpunkte hin eine Erhöhung oder Herabsetzung des Mietzinses zu verlangen (
BGE 108 II 321
). Die Parteien können allerdings in solchen Fällen einer unwillkommenen Anpassung nicht dadurch entgehen, dass sie das Mietverhältnis kündigen. Das steht indes in Übereinstimmung mit den Vorschriften des BMM, die bei unkündbaren Verträgen mit Indexklauseln oder gestaffelten Mietzinsen die Anfechtungsmöglichkeit ausdrücklich vorbehalten (
BGE 103 II 271
E. 3).
Bereits aufgrund dieser Rechtsprechung ergibt sich die Anwendbarkeit des BMM auf den vorliegenden Mietvertrag, und zwar selbst dann, wenn mit dem Zivilgerichtspräsidenten anzunehmen wäre, die Anpassungsklausel sei inhaltlich nicht gültig. Da die Mindestdauer von fünf Jahren gegeben ist und die Parteien
BGE 108 II 470 S. 473
Anpassungstermine vereinbart haben, würde die Wahl einer unzulässigen Berechnungsweise die Anpassungsklausel nicht schlechthin ungültig machen. Wo bei einem auf fünf und mehr Jahre abgeschlossenen Vertrag eine periodische Mietzinsanpassung ausdrücklich vereinbart wird, verstiesse es gegen Treu und Glauben wegen der Wahl einer mangelhaften Berechnungsmethode eine Anpassung überhaupt abzulehnen; dem ist vielmehr bereits durch Vertragsauslegung, allenfalls unter Heranziehung der Grundsätze des BMM, zu begegnen.
5.
Die Besonderheit der streitigen Klausel besteht darin, dass auf jeden vertraglichen Index verzichtet und einzig festgelegt wird, es könnten Mietzinsanpassungen "im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen" begehrt werden. Der Zivilgerichtspräsident nahm an, es liege darin gar keine Indexklausel, vielmehr habe sich der Vermieter einseitige Erhöhungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vorbehalten. Als nichtig müsse die Vertragsbestimmung aber auch darum beurteilt werden, weil die sich aus
Art. 15 BMM
ergebenden Erhöhungen nicht voraussehbar seien.
a) Nichtig sind gemäss
Art. 11 BMM
Vertragsklauseln, die dem Vermieter die Erhöhung des Mietzinses durch einseitige Erklärung erlauben. Es liegt auf der Hand, dass diese Voraussetzung hier nicht erfüllt ist. Einerseits haben Vermieter wie Mieter das Recht, Anpassungen zu verlangen. Anderseits ist es jeder Partei möglich, durch die Anfechtung bei der Schlichtungsstelle und das anschliessende gerichtliche Verfahren abklären zu lassen, ob die Mietzinsänderung mit den Vorschriften des BMM vereinbar sei.
b) Wie der Zivilgerichtspräsident beanstandet auch der Beklagte, dass die blosse Verweisung auf die gesetzlichen Regeln zur Bestimmbarkeit der Mietzinshöhe nicht genüge, weil damit sowohl die Kostenmiete nach Art. 14 als auch die Vergleichsmiete nach
Art. 15 lit. a BMM
gemeint sein könne. Dem ist nicht beizupflichten. Auch wenn die Parteien einen genauen Index vereinbart hätten, unterläge dieser schon nach
Art. 9 BMM
der Missbrauchsprüfung mit einem ebensowenig voraussehbaren Ergebnis. Es ist nicht einzusehen, warum den Parteien verwehrt sein sollte, durch vertragliche Abmachung auf die Fixierung des Mietzinses für die feste Vertragsdauer zu verzichten und eine Anpassung nach den Grundsätzen des BMM zu vereinbaren. Der Schutz des Mieters ist dadurch voll gewährleistet. Eine sinnlose Leerformel wird die Vertragsbestimmung damit nicht, auch wenn jegliche Anpassung nur im Rahmen des BMM möglich ist, denn ohne Klausel wäre
BGE 108 II 470 S. 474
eben nach der erwähnten Rechtsprechung jede Mietzinsänderung während der festen Vertragsdauer, auch eine solche im Rahmen des BMM, ausgeschlossen. Die streitige Anpassungsklausel ist demnach als gültig zu betrachten.
6.
Es bleibt zu prüfen, ob die verlangte Mietzinserhöhung im Sinn des BMM missbräuchlich sei. Dazu ist schon in Erwägung 3 ausgeführt worden, dass die Vorinstanz von der unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzung ausgeht, es sei im massgebenden Zeitraum gar keine Steigerung des Lebenskostenindexes eingetreten.
Das Appellationsgericht nimmt zu Recht an, der in § 1 Abs. 5 des Mietvertrags enthaltene Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen komme einer Indexierung des Mietzinses gleich. Es ist der Auffassung, der damit anwendbare
Art. 6 VMM
verbiete Mietzinserhöhungen, die über vier Fünftel der Steigerung des Landesindexes der Konsumentenpreise hinausgehen. Das Appellationsgericht versteht diese Vorschrift offenbar so, dass sich jeder Mietzinsaufschlag, ungeachtet der Art seiner Begründung, in diesem Rahmen halten muss.
Art. 6 Abs. 1 VMM
kann aber auch so aufgefasst werden, dass nur Anpassungsklauseln betroffen sind, die ausschliesslich auf den Lebenskostenindex abstellen, während z.B. reine Hypothekarzinsklauseln nicht berührt werden. Die erste Auslegungsart lässt sich nur schwer mit den
Art. 14 und 15 BMM
, die auch für indexierte Verträge gelten (
Art. 9 BMM
,
BGE 103 II 272
), in Einklang bringen. Gemäss den dazu erlassenen Verordnungsbestimmungen fällt der Landesindex nur zur Kaufkraftsicherung des risikotragenden Kapitals und lediglich mit 40% des Anstiegs in Betracht (
Art. 11 VMM
). Eine Hypothekarzinserhöhung ist dagegen als Kostensteigerung voll zu berücksichtigen, wobei im vorliegenden Fall ein Mietzinsaufschlag von höchstens 7% berechtigt wäre (
Art. 9 Abs. 2 VMM
).
Art. 6 VMM
liesse dagegen wie ausgeführt (E. 3) nur eine Erhöhung um 2,24% zu. Die sich aufdrängende Frage, ob eine solche Verordnungsbestimmung sich noch im Rahmen der auf blosse Ausführungsvorschriften beschränkten Delegationsnorm des
Art. 36 BMM
hält, kann offen bleiben, da die zweite Auslegungsvariante zu einem Ergebnis führt, das nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des BMM steht.
Der Beklagte bestreitet nicht, dass der Hypothekarzins auf den 1. Oktober 1981 um 1/2% gestiegen ist. Wie aufgezeigt wurde, berechtigt dies die Klägerin zu einer Mietzinserhöhung von 7% oder Fr. 94.50 im Monat. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
affa48e7-78fc-478d-b9a1-49b0ceb8525d | Urteilskopf
113 II 97
17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. April 1987 i.S. X. gegen X. (Berufung) | Regeste
Ehescheidung; Zulässigkeit der Berufung gegen ein unvollständiges Scheidungsurteil (
Art. 44 OG
); Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils.
Der Entscheid einer kantonalen Appellationsinstanz, worin eine Scheidungsklage formell gutgeheissen wird, ohne dass über die mit der Ehescheidung verbundenen Nebenfolgen befunden worden wäre, ist nicht als selbständiger Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 50 Abs. 1 OG
zu qualifizieren, sondern stellt ein unvollständiges Endurteil dar; im Falle der Ehescheidung ist gegen ein solches die Berufung an das Bundesgericht zulässig (E. 1).
Führt das Scheidungsurteil dazu, dass nicht nur die güterrechtliche Auseinandersetzung in ein separates Verfahren verwiesen wird, sondern auch die Regelung der übrigen Nebenfolgen, verstösst es gegen den bundesrechtlichen Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (E. 2). | Erwägungen
ab Seite 98
BGE 113 II 97 S. 98
Aus den Erwägungen:
1.
Dass der Entscheid des Appellationshofes mit Berufung angefochten werden könne, leitet die Beklagte aus
Art. 50 Abs. 1 OG
ab, wonach die Berufung gegen einen selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid ausnahmsweise zulässig ist, wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint. Bei einer Bestätigung des angefochtenen Entscheids wäre in der Tat der Scheidungspunkt endgültig beurteilt, zumal der Appellationshof sich (im Gegensatz zu dem in
BGE 105 II 218
ff. beurteilten Fall) nicht darauf beschränkt hat, den Scheidungsanspruch zu bejahen und die Sache zur Aussprechung der Scheidung (und zur Beurteilung der Nebenfolgen) an die erste Instanz zurückzuweisen. Indessen läge im Falle der Abweisung der Berufung noch kein Entscheid vor über die mit einer Scheidung verbundenen Nebenfolgen wie namentlich etwa über die Frage eines scheidungsrechtlichen Anspruchs der Beklagten auf Unterhaltsbeiträge. Dass diese im kantonalen Verfahren sich darauf beschränkt hatte, die Abweisung der Scheidungsklage zu beantragen, hat nicht etwa zur Folge, dass sie für den Fall der Scheidung einen solchen Anspruch verwirkt hätte (vgl.
BGE 102 II 153
). In der Klagebegründung hatte der Kläger übrigens selbst eingeräumt, dass ein Beitragsanspruch der Beklagten gegeben sein könnte.
Das angefochtene Urteil ist nach dem Gesagten nicht als selbständiger Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 50 Abs. 1 OG
zu qualifizieren, sondern als unvollständiges Endurteil. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann jedoch im Falle der Scheidung auch gegen ein solches Berufung erhoben werden (vgl.
BGE 80 II 9
). Auf die Berufung der Beklagten ist mithin einzutreten.
2.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt der bundesrechtliche Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (für das Schweizerische Zivilgesetzbuch erstmals festgehalten in
BGE 77 II 18
ff.; im übrigen vgl.
BGE 112 II 291
E. 2;
BGE 95 II 67
E. a mit Hinweisen). Der Richter, der eine Ehescheidung ausspricht,
BGE 113 II 97 S. 99
hat demzufolge im betreffenden Urteil gleich auch über die sich daraus ergebenden Nebenfolgen, insbesondere etwa über die Zuteilung sowie den Unterhalt allfälliger Kinder und über die scheidungsrechtlichen Beitragsansprüche zu befinden. Eine Ausnahme lässt das Bundesgericht einzig für die güterrechtliche Auseinandersetzung zu, die in ein separates Verfahren verwiesen werden kann, vorausgesetzt allerdings, die Regelung der übrigen Nebenfolgen sei nicht von deren Ergebnis abhängig (vgl.
BGE 105 II 223
f. E. c mit Hinweisen). Durch den Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils soll vor allem verhindert werden, dass die im Scheidungsverfahren massgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Grundlagen (so namentlich das Verschulden der beiden Ehegatten, das sowohl für den Entscheid über den Scheidungsanspruch als auch für denjenigen betreffend die scheidungsrechtlichen Nebenfolgen wirtschaftlicher Natur von Bedeutung sein kann) in zwei getrennten Verfahren unterschiedlich beurteilt werden.
Dem Erfordernis der Einheit des Urteils ist Genüge getan, wenn das Verfahren zunächst auf die Prüfung des Scheidungsanspruchs beschränkt und im Fall der Bejahung des Anspruchs die Scheidung nicht gleich formell ausgesprochen wird und wenn bei einem allfälligen Weiterzug des erstinstanzlichen Entscheids an die obere kantonale Instanz diese die Sache zur Aussprechung der Scheidung und gleichzeitigen Regelung der Nebenfolgen an den erstinstanzlichen Richter zurückweist, falls sie den Scheidungsanspruch für ausgewiesen hält (so der Fall, der
BGE 105 II 218
ff. zugrunde gelegen hatte). Hier verhält es sich indessen anders: Der Appellationshof hat (in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids) die Scheidung der Ehe der Parteien gleich selbst ausgesprochen, ohne dass er aber über die Nebenfolgen entschieden hätte. Deren Beurteilung wird damit (stillschweigend) in ein separates Verfahren verwiesen, was nach dem Gesagten gegen Bundesrecht verstösst. Der Entscheid der Vorinstanz wäre deshalb auch dann aufzuheben, wenn der klägerische Scheidungsanspruch zu bejahen sein sollte. Die Sache müsste in diesem Fall zurückgewiesen werden zur Aussprechung der Scheidung und zu gleichzeitigem Entscheid über die Nebenfolgen. Da andererseits eine Verneinung des Scheidungsanspruchs ohne weiteres zu einem Endurteil im Sinne der Klageabweisung führen würde, ist im folgenden auf die Vorbringen der Beklagten zur Sache selbst einzugehen. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
affe3af6-c248-41f8-a7ae-41e5edba593a | Urteilskopf
90 II 259
30. Estratto della sentenza 10 marzo 1964 della I Corte civile nella causa Schwarzkopf contro Castelli. | Regeste
Art. 6 MSchG
,
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
.
Die für kosmetische Artikel bestimmte, einen schwarzen menschlichen Kopf darstellende Bildmarke ist in Verbindung mit der Wortmarke Schwarzkopf schutzfähig.
Eine später eingetragene Bildmarke, die sich von der älteren nur dadurch unterscheidet, dass der Kopf weisse Streifen aufweist und die Haare anders gewellt sind, kann zu Verwechslungen Anlass geben. | Sachverhalt
ab Seite 259
BGE 90 II 259 S. 259
A.-
La ditta Hans Schwarzkopf, in Amburgo-Altona, produce e vende prodotti chimici diversi, segnatamente cosmetici per la cura dei capelli. Dal 1924 ha fatto registrare anche in Svizzera tre sue marche: la prima, meramente figurativa, attualmente iscritta sotto N. 120'686, raffigura in nero la sagoma di una testa d'uomo; la seconda,
BGE 90 II 259 S. 260
registrata sotto N. 158'258, raffigura pure la testa umana nera ma è seguita dalla parola "Charme" in neretto; la terza, N. 158'254, è meramente verbale e costituita dall'indicazione "Schwarzkopf Shampoon Shampoon Tête-Noire".
Il 3 aprile 1954, il dott. Vero Castelli, autore di una formula chimica di lozione per i capelli, ha depositato presso l'Ufficio federale della proprietà intellettuale una marca che venne registrata sotto N. 150'642, concernente un "Prodotto farmaceutico e cosmetico a base di amino acidi" e raffigurante una testa nera di donna tratteggiata in bianco con i capelli al vento a cui è sovrapposta la sigla NH2. Tuttavia, nei prospetti e negli imballaggi, la testa femminile è riprodotta completamente in nero su sfondo giallo e la sigla NH2 risulta in bianco.
La ditta Schwarzkopf, ritenuto che la figura depositata dal dott. Castelli poteva ingenerare confusione con le sue marche, invitò quest'ultimo ad astenersi dall'uso della marca N. 150'642 ed a provvedere perchè la medesima fosse radiata dal registro. Il 2 settembre 1962, visto che le sue diffide erano rimaste infruttuose, Schwarzkopf convenne Castelli davanti alla Camera civile del Tribunale di appello del Canton Ticino, domandando di ordinare la radiazione della marca controversa, di proibirne al titolare qualsiasi uso e di riconoscere il convenuto colpevole di concorrenza sleale.
B.-
La petizione di Schwarzkopf è stata respinta dalla Corte cantonale con sentenza 18 settembre 1963, le cui motivazioni possono essere riassunte come segue.
Contrariamente a quanto afferma il convenuto, la figura di una testa umana non costituisce un cosiddetto segno libero che, a causa della sua generale divulgazione, abbia perso ogni sua individualità e sia divenuto segno comune per indicare un determinato genere di merce. Infatti, tale figura non indica, per sè sola, alcuna merce; può indicarla soltanto qualora, grazie ad ulteriori elementi distintivi, sia messa in relazione con la provenienza di un determinato
BGE 90 II 259 S. 261
prodotto. Tale è il caso per le marche della ditta Schwarzkopf nelle quali il colore nero della sagoma di testa d'uomo è messa in relazione con il nome della ditta produttrice (schwarzer Kopf).
Tuttavia, un segno inizialmente individuale può diventare di pubblico dominio qualora sia usato liberamente dalla generalità dei produttori di una determinata merce ed abbia così definitivamente perso ogni potere distintivo. In concreto non è provato che una siffatta divulgazione del controverso segno, come indicazione di cosmetici per i capelli, si sia verificata.
Invece si deve ammettere che la suindicata figura sia un segno debole, vale a dire che non ha uno spiccato carattere distintivo, così che per imporsi all'attenzione del pubblico debba presentarsi in forme o combinazioni particolari che le conferiscano una individualità. Altrettanto dicasi quando l'interessato tollera l'uso di marche più o meno analoghe alla sua, conseguendo il risultato che il pubblico si abitua alla coesistenza di marche poco differenziate.
Tale è il caso anche per la marca Schwarzkopf. Come risulta dagli atti, da una ventina di anni a questa parte sono state depositate almeno una dozzina di marche per prodotti cosmetici aventi come segno dominante la figura di una testa umana, così che l'attrice non è più legittimata a rivendicare l'uso esclusivo di quella figura. Essa ha soltanto il diritto di esigere che la nuova marca differisca sufficientemente per evitare una facile confusione con la marca già iscritta. Le marche delle due parti, pur considerando irrilevante la sovrapposizione della sigla NH2 in quella del dott. Castelli, si distinguono facilmente in modo da escludere una facile confusione. Quella del convenuto pone l'accento sulla lunga e animata chioma al vento e colpisce con questo elemento caratteristico e predominante l'attenzione del pubblico e, pertanto, si differenzia chiaramente da quella dell'attrice.
C.-
Schwarzkopf ha tempestivamente interposto al Tribunale federale un ricorso per riforma, con il quale
BGE 90 II 259 S. 262
domanda l'annullamento della sentenza cantonale e l'accoglimento delle sue domande petizionali. Le sue argomentazioni possono essere riassunte come segue.
La Corte cantonale, esaminando la possibilità di confusione fra le marche delle due parti, ha considerato per l'attrice solo le due registrate ai N. 120'686 e 158'254, trascurando la marca mista, figurativa e verbale N. 158'258 che maggiormente si presta a confnsione con quella del convenuto. Già per questa ragione la sentenza cantonale deve essere annullata.
Ad ogni modo, la Corte cantonale, ammettendo che la marca del convenuto si differenzia sufficientemente da quelle dell'attrice, precedentemente depositate, ha violato l'art. 6 LMF. Non è vero che queste marche costituiscano segni deboli. L'elemento colorativo, la cui rilevanza è stata sottovalutata dalla Corte di appello, è così importante che l'attrice si era dichiarata disposta a consentire al dott. Castelli l'uso della figura di testa umana in altro colore. Questi, respingendo una proposta in tal senso, ha dimostrato di voler trarre profitto dalla possibile confusione con i prodotti, universalmente noti, della ditta Schwarzkopf. Egli ha d'altronde confermato questa sua intenzione facendo uso, nei prospetti e negli imballaggi, di una figura completamente nera, anzichè della sagoma tratteggiata riprodotta nella sua marca. Se avesse anche solo tentato di distinguere la sua marca da quella dell'attrice, avrebbe determinato il suo segno di testa umana in una foggia e soprattutto in un colore diverso. Comunque, modificando nella pratica, senza plausibile motivo, la marca depositata, il dott. Castelli ha aumentato il rischio di confusione e si è, quindi, reso colpevole anche di concorrenza sleale.
L'addebito fatto dalla Corte cantonale all'attrice, di aver indebolito le sue marche tollerando anche nelle marche di terzi l'uso della figura di testa umana, è infondato. Comunque, la Corte cantonale ha riconosciuto che la figura nera di testa umana non costituisce segno libero, per cui il diritto dell'attrice alla tutela della sua marca sarebbe innegabile,
BGE 90 II 259 S. 263
anche se la stessa avesse tollerato in un caso l'uso di una marca similare.
D.-
Il convenuto propone di respingere il ricorso. In particolare, egli contesta la ricevibilità delle critiche agli accertamenti di fatto esposte dalla ricorrente e nega che l'attrice gli abbia fatto la proposta di far uso del segno della testa umana in un altro colore. Egli avrebbe acconsentito ad una soluzione in tal senso della vertenza, ma l'attrice non avrebbe accettato tale proposta.
E.-
Il Tribunale federale ha accolto il ricorso,
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
.....
2.
In questa sede, il convenuto più non sostiene che la marca dell'attrice costituisca un segno di dominio pubblico designante per se stesso un determinato prodotto e, quindi, a'sensi dell'art. 3 cpv. 2 LMF, non suscettibile di protezione. Il contrario giudizio espresso nella sentenza impugnata dovrebbe del resto essere condiviso, perchè è evidente che la testa umana non può raffigurare, senza un particolare lavoro di immaginazione e di associazione di idee, un determinato prodotto e una determinata provenienza.
Invece, potrebbe disputarsi se la figura in questione non sia divenuta da marca protetta, segno libero ed abbia perso ogni potere distintivo individuale a motivo della sua generale divulgazione nel commercio di un determinato prodotto. Senonchè ciò esigerebbe che una siffatta trasformazione avesse annullato presso la cerchia di tutti gli interessati la consapevolezza della appartenenza della marca ad un determinato prodotto o ad un determinato produttore (RU 62 II 325, 83 II 219). Ora, secondo gli accertamenti vincolanti della sentenza impugnata, ciò non è provato, non bastando, per ammettere un uso generalizzato, che un certo numero di produttori di lozioni per capelli abbiano usato ed usino un profilo di testa nella loro marca.
3.
Ciò stante, il segno depositato dall'attrice poteva
BGE 90 II 259 S. 264
costituire oggetto di una marca di fabbrica. Ne consegue che la marca successivamente depositata dal convenuto è valida soltanto se, a'sensi dell'art. 6 cpv. 1 LMF, si distingue per caratteri essenziali da quella del ricorrente.
Per accertare l'adempimento di questa condizione, giova esaminare separatamente le marche delle due parti, determinando l'impressione generale e durevole che i diversi elementi essenziali lasciano nella mente dei presumibili compratori. In proposito si deve tener conto del grado di attenzione che è lecito attendersi dalla clientela interessata, avuto riguardo che, qualora le controverse marche concernano merci destinate al medesimo uso, l'acquirente non presta di regola una particolare attenzione (RU 83 II 220, 87 II 36 consid. 2 b, 88 II 376, 379).
a) La figura di testa umana, riprodotta nella marca dell'attrice, può essere utilizzata come simbolo di svariati prodotti, ma non indica per sè sola una determinata provenienza dei medesimi. Essa ha potuto perciò essere impiegata, nello spazio di una ventina di anni, per rappresentare almeno nove diversi prodotti cosmetici di altrettanti produttori. Si potrebbe pertanto conseguirne che abbia una individualità insignificante e che l'abbia persa in virtù dell'uso commerciale generalizzato, e concludere che, come statuito nella giurisprudenza, trattasi di un segno debole non opponibile a marche successive per difetto di potere distintivo (RU 63 II 285, 73 II 188, 79 II 100, 83 II 221).
Tuttavia un segno che, nelle sue forme generiche, può apparire debole, può nondimeno assumere una propria individualità ed essere, quindi, degno della tutela legale, se si presenta in fogge o combinazioni che ne richiamino la provenienza nella memoria della clientela interessata (RU 58 II 454/55); oppure quando, grazie ad una lunga pratica e ad una pubblicità appropriata, appaia nella cerchia degli interessati come il normale segno distintivo di una determinata casa produttrice (RU 83 II 221 e citazioni).
In concreto, l'attrice non rivendica il segno generico di una testa umana, ma quello particolare di una testa nera
BGE 90 II 259 S. 265
che costituisce l'espressione figurativa del suo nome. Per un elementare fenomeno psicologico, una siffatta marca è suscettibile di provocare nella clientela l'immediata immedesimazione della immagine riprodotta sull'imballaggio con il nome della ditta produttrice. Al riguardo, poco importa che tale individuazione si verifichi solo per effetto del colore: la giurisprudenza ha ripetutamente statuito che il colore della marca, grazie all'impressione che scolpisce nella memoria dell'acquirente, possiede una speciale forza individuatrice, onde, in particolari combinazioni con altri elementi, merita la protezione legale (RU 58 II 454/55, 61 II 385).
Non vi è dubbio che i prodotti della ricorrente si sono da tempo imposti nel commercio nel tipico segno della testa nera; tanto più che l'attrice, valendosi di un suo diritto, ha approfittato dello speciale potere di individuazione del suo nome, riproducendolo anche in una marca verbale. È vero che la ricorrente, tollerando l'esistenza di un certo numero di marche analoghe, può aver conseguito un indebolimento della sua nei confronti di quelle marche, ma tale circostanza non le impedisce di opporsi ad una nuova marca che non si distingua sufficientemente dalla propria, visto che quest'ultima - come sopra dimostrato - non è diventata di pubblico dominio (RU 73 II 61 consid. 1, 189 consid. 4, 76 II 394).
La marca dell'attrice possiede quindi un potere distintivo certo. Per stabilire se una marca successivamente depositata si distingua sufficientemente dalla medesima e sia quindi legittima, occorre poi tener conto che i relativi prodotti sono acquistati sia da persone del ramo, come profumieri e parrucchieri, sia dalla massa dei consumatori, dai quali, già per la varietà dei prodotti del genere, non è possibile nè attendersi nè pretendere un'attenzione più che superficiale, di modo che una rassomiglianza anche lontana è sufficiente a far scambiare un prodotto per l'altro.
b) Contrariamente a quanto esposto nella sentenza impugnata, la marca depositata dal convenuto, vista nel
BGE 90 II 259 S. 266
suo aspetto generale, lascia nella memoria dell'acquirente in primo luogo il ricordo di un profilo di testa umana e in secondo luogo quello del colore nero di tale profilo. La tratteggiatura nera, come è ad esempio presente sulle fiale, invece della colorazione piena nera, non è, soprattutto se i tratti sono molto vicini l'uno all'altro, un elemento di distinzione sufficiente per modificare durevolmente e per caratteri essenziali l'impressione d'assieme. Il dettaglio della chioma al vento non possiede un potere di richiamo così elevato da sovrapporsi all'immagine dominante del profilo di testa nera, segnatamente per chi non leghi l'acquisto all'esercizio di una particolare attenzione, come in concreto, ove si tratta di un prodotto di uso abbastanza frequente e che non esige una spesa fuori dell'ordinario. La formula chimica NH2 sovrapposta alla figura, come ha già rilevato la Corte cantonale, non ha significato per il pubblico acquirente, che non è costituito di chimici o di farmacisti e non è che un'indicazione sulla composizione della lozione. Essa potrebbe anzi contribuire a far credere che si tratti unicamente di una specialità del medesimo fabbricante. Ciò basterebbe per ammettere il rischio di confusione che la legge intende appunto evitare (RU 61 II 56, 87 II 38 e citazioni).
La marca del convenuto adotta il concetto espresso in quella della controparte senza possedere, a sua volta, una particolare originalità grafica (non lo è il profilo di una testa di donna invece che di uomo) che imprima nel ricordo un'immagine differente, ed essendo così idonea a suscitare un'analoga associazione di idee, rende più difficile l'identificazione della provenienza dei due prodotti. Esiste quindi senz'altro il rischio che l'acquirente metta il prodotto del convenuto in relazione con quelli della ditta attrice e gli attribuisca la medesima provenienza. Il pericolo di confusione aumenta, qualora il convenuto usi la propria marca, come effettivamente avviene, non con la figura di testa di donna tratteggiata secondo il deposito e l'iscrizione nel registro, bensì con colorazione nera piena.
BGE 90 II 259 S. 267
Ciò vale anche nel confronto con la marca verbale dell'attrice (Schwarzkopf/Tête noire), che traduce in parole il contenuto essenziale della figura, come a sua volta la marca figurativa è la rappresentazione grafica del contenuto essenziale del nome della ditta attrice (cfr. anche MATTER, p. 114; TROLLER, Immaterialgüterrecht vol. I p. 251).
Occorre infine tener presente che il convenuto avrebbe potuto scegliere facilmente un altro profilo od un'altra figura o disegno di testa umana e comunque un profilo che si differenziasse da quello dell'attrice soprattutto nel colore e non solo in un elemento, nel caso in esame accessorio e secondario, come l'aspetto della capigliatura.
Il Reichsgericht ha, è vero, respinto un'azione della Schwarzkopf contro una ditta che aveva pure adottato nella sua marca una figura di testa nera, ma esso ha motivato il suo giudizio, facendo rilevare che, in tal caso, la figura di testa nera appariva d'importanza del tutto accessoria e marginale, poichè l'accento principale e quasi esclusivo eravi posto sui lunghi capelli ondulati e perchè all'elemento figurativo era aggiunta la marca verbale "Wella" o "Wellin" con una sottolineatura pure ondulata, richiamante immediatamente l'idea dell'onda e capelli ondulati (Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, pag. 216 e seg.). Questi elementi distintivi non si ritrovano nella marca del convenuto. La capigliatura al vento non sovrasta il profilo della testa nera e la figura così creata non possiede una originalità così spiccata da creare una marca nuova con significato autonomo, tale da escludere ragionevolmente il rischio di confusione con le marche dell'attrice.
4.
Contro l'uso in qualità di marca di una figura diversa da quella registrata stanno a favore dell'attrice le azioni previste dalla LMF. Il fatto di usare la marca in una forma diversa da quella depositata ed ancor più simile a quella dell'attrice costituisce, tuttavia, nelle concrete circostanze, anche un atto di concorrenza sleale, essendo procedimento idoneo a ingenerare confusione con la merce
BGE 90 II 259 S. 268
altrui (art. 1 cpv. 2 lett. d LCS: cf. anche RU 82 II 236 in medio). È altresì atto di concorrenza sleale, secondo la norma testè citata applicabile cumulativamente con la LMF, l'uso da parte del convenuto della marca imitata, su prospetti e stampati (RU 87 II 39 consid. 3). | public_law | nan | it | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b001718a-ffa3-45d3-9d6e-bc796e90e6a3 | Urteilskopf
104 IV 156
38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. August 1978 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau | Regeste
Art. 137 StGB
, Diebstahl.
a) Begriffe des Gewahrsamsüberganges vom Eigentümer der Sache auf den Dieb und der Aneignung (Erw. 1).
b) Verhältnis zur Entwendung,
Art. 138 StGB
(Erw. 2).
c) Gehilfenschaft zum Diebstahl (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 157
BGE 104 IV 156 S. 157
A.-
A. verfügte als Abwart-Stellvertreter des Hotels Aarauerhof in Aarau über einen Passepartout, mit welchem er sich auch zum Getränkekeller Zutritt verschaffen konnte. Er nahm aus diesem im Sommer 1975 unbefugterweise mehrmals allein Whisky und zweimal zusammen mit dem als Barmann angestellten F. Whisky und Wein, die in einem Fach der Bar versteckt wurden. Er überliess F. ferner mehrmals den Passepartout, damit auch dieser unberechtigterweise Getränke aus dem Getränkekeller an sich nehmen konnte. Vom Whisky, den F. so aus dem Getränkekeller geholt hatte, trank A. mehrmals.
B.-
Das Bezirksgericht Aarau sprach A. des fortgesetzten Diebstahls, der fortgesetzten Gehilfenschaft zu Diebstahl und der fortgesetzten Hehlerei schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 4 Wochen.
In teilweiser Gutheissung der Berufung des A. setzte das Obergericht des Kantons Aargau am 15. März 1978 die Dauer der Gefängnisstrafe auf 14 Tage herab.
C.-
A. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Urteils des Obergerichts und Rückweisung der Sache an dieses zum Freispruch, eventuell zu neuem Entscheid.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, an den vom Keller in die Bar verbrachten Getränken den Gewahrsam der Eigentümerin nicht gebrochen und keinen eigenen Gewahrsam begründet zu haben. Es fehle zudem an einer Aneignung.
a) Als tatsächliche Sachherrschaft (
BGE 97 IV 196
E. 3a) erfordert der Gewahrsam die Herrschaftsmöglichkeit und den Herrschaftswillen über eine Sache (STRATENWERTH, I S. 185; SCHWANDER, S. 325 Nr. 534). Entfällt die Herrschaftsmöglichkeit, so dauert der Gewahrsam selbst bei währendem Herrschaftswillen nicht fort (STRATENWERTH, I S. 188). Verbleibt die Sache zwar in der Herrschaftssphäre des bisherigen Gewahrsamsinhabers, fehlt diesem aber die Möglichkeit zur Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft, beispielsweise wenn die Sache durch einen anderen versteckt worden ist, um ihn davon auszuschliessen, und weiss er deshalb nicht, wo sich die Sache befindet, so ist der Gewahrsam aufgehoben (STRATENWERTH, I S. 185/86 und 189; SCHWANDER, S. 327 Nr. 534a).
BGE 104 IV 156 S. 158
Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
), der Beschwerdeführer habe unberechtigterweise allein und zusammen mit F. mehrmals aus dem Getränkekeller alkoholische Getränke an sich genommen und sie in einem Fach in der Bar versteckt. Das geschah, um sie kostenlos nach und nach konsumieren zu können. Durch das Vorgehen des Beschwerdeführers und des F. wurde die Eigentümerin der Getränke, obwohl diese bis zur vollständigen Konsumation in ihrer Herrschaftssphäre blieben, davon ausgeschlossen, in gleicher Weise wie über die als Stock im Keller gelagerten und in der Bar offen zum Ausschank gegen Entgelt aufgestellten Getränke die tatsächliche Sachherrschaft auszuüben, zumal sie nicht wusste, dass sich in der Bar, versteckt und nur dem Beschwerdeführer, F. und der Barmaid Marie B. bekannt, weitere Getränke befanden. Durch F. und Fräulein B. als für die Bar Verantwortliche konnte sie den Gewahrsam nicht ausüben lassen, weil diese dazu nicht bereit waren. An die Stelle ihrer eigenen tatsächlichen Sachherrschaft war demnach jene des Beschwerdeführers und des F. getreten. Es ist nicht streitig, dass dies gegen den Willen der Getränkeeigentümerin geschah und der Beschwerdeführer sowie F. den Willen zur Ausübung eigener, durch Ausschluss der Eigentümerin hievon bewirkter faktischer Herrschaft hatten.
Wäre ein Gewahrsamsübergang gegen den Willen der Getränkeeigentümerin nicht bereits für jenen Zeitpunkt zu bejahen, wo der Beschwerdeführer allein oder zusammen mit F. die Getränke aus dem Keller entfernte und in der Bar versteckte, dann aber jedenfalls für den Moment, wo diese durch den Beschwerdeführer und F. unberechtigterweise konsumiert wurden.
b) Hatte es der Beschwerdeführer nach der verbindlichen tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz (
BGE 100 IV 221
E. 2 und 237 E. 4;
Art. 277bis Abs. 1 BStP
) darauf angelegt, die aus dem Keller unbefugterweise behändigten und in der Bar versteckten alkoholischen Getränke nach und nach zu konsumieren, was in der Folge denn auch der Fall war, so kann nicht zweifelhaft sein, dass er sich diese aneignete. Wer eine Sache an sich nimmt, um sie zu verbrauchen, der verleibt ihren Wert seinem eigenen Vermögen ein; mehr aber ist für eine Aneignung nicht verlangt (
BGE 85 IV 19
E. 2 mit Verweisen).
2.
Der Beschwerdeführer rügt, es hätte wegen des geringen Wertes der von ihm teils allein teils zusammen mit F. weggenommenen
BGE 104 IV 156 S. 159
alkoholischen Getränke auf Entwendung statt auf Diebstahl erkannt werden müssen.
Wenn die Vorinstanz die Deliktssumme auch nicht beziffert, so stellt sie doch fest, der Beschwerdeführer habe im Monat vier bis fünf Whiskyflaschen beiseite geschafft. Veranschlagt man deren Ankaufpreis auf bloss je Fr. 20.-, so übersteigt bereits, was innerhalb eines einzigen Monats an Getränken weggenommen wurde, die Grenze dessen, was unter den gegebenen Umständen noch als Sachen von geringem Wert im Sinne von
Art. 138 StGB
bezeichnet werden könnte. Nach der Anklageschrift dauerte das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers zudem von Juni bis Oktober 1975. Es fehlt im übrigen offensichtlich an den subjektiven Voraussetzungen für die Anwendung jener Bestimmung. Der Beschwerdeführer hat nicht aus Not, Leichtsinn oder zur Befriedigung eines Gelüstes gehandelt.
3.
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sein Vorsatz auf die Unterstützung der durch F. verübten Getränkediebstähle gerichtet war. Er habe diesem den Passepartout ausschliesslich in Ausübung dienstlicher Pflichten übergeben, damit er aus dem Keller Getränke zur Konsumation durch Gäste an der Bar gegen Entgelt holen könne. Wenn Teilnahme vorläge, so würde diese zudem in der Täterschaft aufgehen.
Die Sachbehauptung, den Passepartout F. in Ausübung dienstlicher Pflichten ausgehändigt zu haben, ist neu und daher unzulässig (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe F. den Passepartout mehrmals im Bewusstsein übergeben, dass dieser "den Schlüssel dazu verwende, um aus dem Keller Getränke zu stehlen, was dieser auch tat". Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse (
BGE 100 IV 221
E. 2, 237 E. 4) und ist daher für den Kassationshof verbindlich (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
); die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers ist unbeachtlich (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Wusste der Beschwerdeführer aber bei der Übergabe des Passepartouts an F., dass dieser ihn einzig zum Zwecke des Diebstahls von Getränken aus dem Keller zu verwenden beabsichtigte und auch verwendete, so kann, wenn er dessen ungeachtet von der Übergabe nicht abstand, sein Verhalten vernünftigerweise nur dahin ausgelegt werden, er habe diesen Erfolg auch gebilligt. Es vermag dem Beschwerdeführer daher nicht zu helfen, wenn die Vorinstanz nicht ausdrücklich feststellt, er habe auch den dahingehenden Willen gehabt; ihre
BGE 104 IV 156 S. 160
Erwägungen können nicht anders denn dahin verstanden werden, dass sie neben dem Wissen auch den Willen des Beschwerdeführers zu solchem Tun voraussetzte. Mit der Übergabe des Passepartouts an F. zur Begehung von Getränkediebstählen hat der Beschwerdeführer einen für das Verbrechen kausalen Tatbeitrag geleistet (
BGE 98 IV 85
E. 2c mit Verweisen). Er ist daher zu Recht der Gehilfenschaft zu Diebstahl schuldig erklärt worden.
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer bloss in jenen Fällen, wo er selber entweder allein oder zusammen mit F. Getränke aus dem Keller an sich nahm und in der Bar versteckte, des Diebstahls schuldig erklärt, nicht auch in denjenigen, wo er F. bloss den Passepartout zum Zwecke der Diebstahlsverübung aushändigte, an der eigentlichen Tatausführung aber nicht beteiligt war. Es ist deshalb nicht einzusehen, wie unter solchen Umständen die Teilnahme in der Täterschaft aufgehen könnte. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b001740a-24d9-448c-8a02-2a8be4baddb4 | Urteilskopf
114 IV 146
41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. September 1988 i.S. A. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 14 Abs. 1 VRV
; Begriff der Behinderung.
Eine Behinderung im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 VRV
ist zu bejahen, wenn der Berechtigte seine Fahrweise brüsk ändern muss, d.h. vor, auf oder kurz nach einer Verzweigung zu brüskem Bremsen, Beschleunigen oder Ausweichen gezwungen wird, gleichgültig ob es zu einem Zusammenstoss kommt oder nicht. Diese Einschränkung des Begriffs der Behinderung darf nicht zu einer Entwertung des Vortrittsrechts führen, weshalb eine erhebliche Behinderung nur ausnahmsweise zu verneinen ist (Bestätigung der Rechtsprechung).
Die Erheblichkeit einer Behinderung hängt nicht davon ab, ob der Vortrittsberechtigte diese im voraus erwartet und sich darauf einstellt, dass sie sich verwirklichen könnte (Präzisierung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 147
BGE 114 IV 146 S. 147
Aus den Erwägungen:
Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Berechtigten in seiner Fahrt nicht behindern (
Art. 14 Abs. 1 VRV
). Während früher eine Behinderung bereits angenommen wurde, wenn der Vortrittsberechtigte seine Fahrt nicht gleichmässig und ungestört fortsetzen konnte (
BGE 85 IV 86
mit Hinweisen), fasst die Rechtsprechung den Begriff heute enger; sie bejaht eine Behinderung, falls der Berechtigte seine Fahrweise brüsk ändern muss, d.h. vor, auf oder kurz nach einer Verzweigung zu brüskem Bremsen, Beschleunigen oder Ausweichen gezwungen wird, gleichgültig ob es zu einem Zusammenstoss kommt oder nicht (
BGE 105 IV 341
). Eine solche Auslegung von
Art. 14 Abs. 1 VRV
entspricht dem Sinn von Art. 1 lit. z aa) des internationalen Übereinkommens über den Strassenverkehr vom 8. November 1968, wonach die Pflicht, anderen Fahrzeugen die Vorfahrt zu gewähren, bedeutet, dass der Fahrzeugführer seine Fahrt oder seine Fahrbewegung nicht fortsetzen oder wiederaufnehmen darf, wenn dies andere Fahrzeugführer dazu zwingen könnte, die Richtung oder Geschwindigkeit ihrer Fahrzeuge unvermittelt zu ändern. Der Begriff der Behinderung wurde in der neueren Rechtsprechung eingeschränkt, um den besonderen Verhältnissen bei hohem Verkehrsaufkommen Rechnung zu tragen. Das darf aber nicht zur Entwertung des Vortrittsrechts - einer Grundregel des Strassenverkehrs
BGE 114 IV 146 S. 148
- führen. Solche Regeln müssen klar und einfach zu handhaben sein. Deshalb ist unter dem Gesichtspunkt von
Art. 14 Abs. 1 VRV
eine erhebliche Behinderung nur ausnahmsweise zu verneinen, was in der Rechtsprechung ausdrücklich hervorgehoben wurde (
BGE 105 IV 342
E. a).
Eine derartige Ausnahmesituation liegt hier nicht vor. Der Beschwerdeführer wendete sein Fahrzeug im Einmündungstrichter des Meriedweges in Niederwangen innerorts und bog vor einem herannahenden vortrittsberechtigten Polizeifahrzeug in die Freiburgstrasse ein, auf der in jenem Bereich damals sonst kein Verkehr herrschte. Der Lenker des Polizeifahrzeugs musste von ca. 50 auf 10 bis 20 km/h abbremsen, um eine kritische Situation oder gar einen Zusammenstoss zu vermeiden. Durch die Notwendigkeit plötzlicher und massiver Änderung der Geschwindigkeit zur Abwendung der Gefahr ist eine wesentliche Behinderung ausgewiesen. Daran ändert nichts, dass der Polizist seinen Aussagen gemäss und insbesondere ohne "brüsk" zu bremsen verlangsamen konnte, weil er das Wendemanöver von Anfang an beobachtet hatte und darauf gefasst war, abbremsen zu müssen, falls der Beschwerdeführer ohne anzuhalten einbiegen sollte. Die Erheblichkeit einer Behinderung kann nicht davon abhängen, ob der Vortrittsberechtigte diese im voraus erwartet und sich darauf einstellt, dass sie sich verwirklichen könnte. Denn er darf grundsätzlich davon ausgehen, dass sein Recht beachtet werde, und muss das zur Abwendung der Gefahr Zumutbare erst vorkehren, wenn konkrete Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der andere Verkehrsteilnehmer sich nicht richtig verhalten werde (
BGE 99 IV 175
E. c mit Hinweisen). Da vorliegendenfalls der Vortrittsberechtigte unvermittelt seine Fahrweise anpassen musste, hat die Vorinstanz zutreffend eine rechtserhebliche Behinderung im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 VRV
angenommen (vgl.
BGE 99 IV 174
E. 3a). | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b004616a-f398-4174-a733-c521efed416b | Urteilskopf
91 IV 96
28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1965 i.S. Sauter und Muntwiler gegen Statthalteramt Pfäffikon. | Regeste
Art. 74 VRV
. Tiertransporte mit Motorfahrzeugen.
Die Kantone sind nicht befugt, aus verkehrs- oder seuchenpolizeilichen Gründen Vorschriften über den Bau und die Ausrüstung der bei Tiertransporten verwendeten Motorfahrzeuge aufzustellen. | Sachverhalt
ab Seite 96
BGE 91 IV 96 S. 96
A.-
Ernst Muntwiler, Mitglied des Verwaltungsrates und Geschäftsführer des Transportunternehmens Flubacher und Muntwiler AG, Sirnach, liess am 15. März 1963 in einem von Willy Sauter geführten Anhängerzug einen Schweinetransport nach Zürich ausführen. Anlässlich einer Kontrolle in Tagelswangen ZH stellte die Polizei fest, dass sowohl beim Motorwagen wie beim Anhänger zwischen den Seitenladen und dem Brückenboden Kot herauslief und dass die Wagen nicht mit einem Netz überspannt waren.
B.-
Das Statthalteramt Pfäffikon ZH erliess am 27. Juni 1963 gegen Sauter und Muntwiler eine Strafverfügung wegen Übertretung von
Art. 74 Abs. 1, 2 und 4 VRV
, weil die Ladeflächen der beiden Wagen nur ungenügend mit Sägemehl bestreut gewesen seien, und wegen Übertretung von § 31 lit. c der Verordnung des Kantons Zürich über die Bekämpfung der Tierseuchen vom 20. Februar 1930, wo vorgeschrieben wird, dass offene Wagen für Kleinviehtransporte mit einem Netz zu überspannen sind.
Sauter wurde mit Fr. 15.-, Muntwiler mit Fr. 25.- gebüsst. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Pfäffikon bestätigte am 10. Dezember 1964 die Strafverfügungen.
C.-
Gegen dieses Urteil führen die Gebüssten Nichtigkeitsbeschwerde. Sauter stellt den Antrag, er sei mit Bezug auf die Übertretung der kantonalen Tierseuchenverordnung, Muntwiler beantragt, er sei gänzlich freizusprechen.
BGE 91 IV 96 S. 97
Das Statthalteramt Pfäffikon hat keine Gegenbemerkungen eingereicht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
§ 31 der Verordnung des Kantons Zürich über die Bekämpfung der Tierseuchen vom 20. Februar 1930 lautet:
"Motorfahrzeuge und Anhänger, die der gewerbsmässigen Beförderung von Klauenvieh dienen, sind der kantonalen Motorfahrzeugkontrolle jedes Jahr zur Prüfung vorzuführen. Die Transportbewilligung für Vieh wird nur unter folgenden Bedingungen erteilt:
a) Boden und Wände müssen so dicht abgeschlossen sein, dass Ausscheidungen der Tiere während der Fahrt nicht ausfliessen können.
b) Für den Transport von Grossvieh müssen die Wände mindestens 160 cm, für den Transport von Kleinvieh mindestens 100 cm hoch sein.
c) Die Anbindevorrichtungen für Grossvieh sind so anzubringen, dass die Tiere mit dem Kopf die Wagenwand nicht überragen können.
Für Kleinviehtransporte sind die Wagen mit Netzen aus Stricken zu überspannen, sofern der Laderaum nicht dicht anschliessend überdacht ist."
a) Die Vorschriften von § 31 der zürcherischen Tierseuchenverordnung, die ausschliesslich die gewerbsmässige Beförderung von Klauenvieh durch Motorfahrzeuge zum Gegenstand haben, wollen offensichtlich nicht bloss die Verbreitung von Tierseuchen bekämpfen, sondern sie haben auch verkehrspolizeilichen Charakter. Sie dienen, wenn nicht in erster Linie, so doch ebenfalls dem Schutz der Strasse und der Strassenbenützer vor Beschmutzung und sonstigen Störungen. Die Regelung des motorisierten Strassenverkehrs ist aber nach
Art. 37bis BV
unter den dort genannten Vorbehalten Sache des Bundes, der von seiner Befugnis mit dem MFG bzw. SVG und den dazu gehörenden Ausführungsbestimmungen Gebrauch gemacht hat. Hierunter fallen auch die Vorschriften über den Bau und die Ausrüstung der Motorfahrzeuge, sowohl für den Personen- wie für den Warenverkehr. Die Kantone sind daher zum Erlass strassenpolizeilicher Vorschriften dieser Art nicht mehr befugt (
Art. 106 Abs. 3 SVG
).
b) Die Vorschriften des § 31 der zürcherischen Tierseuchenverordnung sind aber auch insoweit unzulässig, als sie die
BGE 91 IV 96 S. 98
Verbreitung von Tierseuchen bei Viehtransporten verhindern wollen. Art. 49 des Bundesgesetzes betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen vom 13. Juni 1917 behält den Kantonen die Befugnis zum Erlass eigener Anordnungen nur vor, soweit das Bundesgesetz zu seiner Ausführung der Ergänzung durch kantonale Anordnungen bedarf. Diese Voraussetzung trifft nicht zu, wenn der Bund die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen selber getroffen hat. Solche Ausführungsbestimmungen sind hinsichtlich der Bekämpfung von Tierseuchen bei Viehtransporten durch den Bundesratsbeschluss über die zum Transport von lebenden Tieren verwendeten Motorfahrzeuge vom 14. Februar 1939 erlassen worden. In diesem auf Grund von Art. 20 und 49 des Tierseuchengesetzes ergangenen Beschluss wurden die Anforderungen, die an die Motorfahrzeuge und Anhänger mit Bezug auf die Beschaffenheit des Laderaumes und die Höhe der Seitenwände zu stellen sind, näher geregelt, und zugleich wurde die gewerbsmässige Beförderung von Klauenvieh mittels Motorfahrzeugen der Bewilligungspflicht unterstellt. Dieser Bundesratsbeschluss ist mit dem Inkrafttreten der Verordnung über die Strassenverkehrsregeln als aufgehoben erklärt worden (
Art. 99 Abs. 3 VRV
). An dessen Stelle trat
Art. 74 VRV
, der sich auf
Art. 30 Abs. 4 SVG
stützt, wo dem Bundesrat aufgetragen wurde, im Rahmen der dem Bund zustehenden Befugnisse Vorschriften über die Beförderung von Tieren sowie von gefährlichen, gesundheitsschädlichen oder ekelerregenden Stoffen und Gegenständen zu erlassen. Der Bundesrat hat demnach von der bereits im Beschluss vom 14. Februar 1939 ausgeübten Befugnis, den Transport von Tieren aus seuchenpolizeilichen Gründen bundesrechtlich zu regeln, auch nach Aufhebung dieses Beschlusses Gebrauch gemacht, indem er ihn durch entsprechende Vorschriften in
Art. 74 VRV
ersetzte. Die in dieser Bestimmung einlässlicher als bisher gehaltenen Vorschriften zeigen, dass der Tiertransport mit Motorfahrzeugen abschliessend geregelt werden wollte. Die in
Art. 74 VRV
aufgestellte Ordnung kann daher, auch soweit sie seuchenpolizeilichen Zwecken dient, nicht durch kantonale Bestimmungen ergänzt werden. Bei der heute allgemein verbreiteten Verwendung von Motorfahrzeugen wäre es auch unzweckmässig und insbesondere für gewerbsmässige Transportunternehmer eine unzumutbare Erschwerung, wenn bei den Tiertransporten, die sich häufig über das Gebiet
BGE 91 IV 96 S. 99
mehrerer Kantone erstrecken, von Kanton zu Kanton verschiedene Vorschriften über den Bau und die Ausrüstung der Fahrzeuge beachtet werden müssten.
Greift § 31 der zürcherischen Tierseuchenverordnung somit in die bundesrechtliche Rechtsetzungskompetenz ein, so ist das angefochtene Urteil insoweit bundesrechtswidrig, als es die beiden Beschwerdeführer bestrafte, weil sie es unterliessen, die Fahrzeuge, wie es § 31 lit. c der kantonalen Verordnung im Unterschied zu
Art. 74 VRV
verlangt, mit Netzen zu überspannen. | null | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b005aa05-ca4d-4b1c-98c1-c3bf6bf525a0 | Urteilskopf
84 II 34
5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Januar 1958 i.S. Zimmermann & Cie. AG gegen Zimmermann. | Regeste
1.
Art. 40 OG
,
Art. 3 BZP
, Prüfung der Prozessvoraussetzungen. Hat das Bundesgericht zu prüfen, ob eine Partei im Beschwerdeverfahren nach
Art. 68 ff. OG
durch den Beistand oder vielmehr durch den Inhaber der elterlichen Gewalt zu vertreten ist? (Erw. 2).
2.
Art. 647 Abs. 3 OR
, Änderung der Statuten der Aktiengesellschaft. Der Beschluss über die Verlegung des Sitzes wird auch den Aktionären gegenüber erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam (Erw. 3).
3.
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
, Beschwerde wegen Verletzung von Bestimmungen über den Gerichtsstand.
a) Der Verstoss gegen
Art. 59 BV
kann nur mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (Erw. 4).
b) Einrede der örtlichen Unzuständigkeit wegen Sachzusammenhanges oder Einrede der Rechtshängigkeit? (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 35
BGE 84 II 34 S. 35
A.-
Von den 100 Aktien der im Handelsregister von Bern eingetragenen Aktiengesellschaft Zimmermann & Cie AG gehören 65 dem im Jahre 1950 geborenen Rolf Zimmermann und 30 seiner Mutter, Wwe. Nelly Zimmermann, unter deren elterlichen Gewalt er steht. Im Jahre 1955 fand die Vormundschaftsbehörde von Bern, dem damaligen Wohnsitz von Mutter und Kind, die Interessen des Rolf Zimmermann als Aktionär widersprächen denen seiner Mutter, der einzigen Verwalterin der Gesellschaft. Sie ernannte daher Dr. Max Haupt gemäss
Art. 392 Ziff. 2 ZGB
zum Beistand des Kindes, damit er dieses gegenüber der Gesellschaft vertrete. Wwe. Zimmermann, die im April 1957 mit dem Knaben nach Thalwil übersiedelte, setzte sich über die Beistandschaft hinweg, indem sie auf 14. August 1957 eine Generalversammlung einberufen liess, zu der Dr. Haupt nicht eingeladen wurde. Die Versammlung beschloss unter anderem, den Sitz der Gesellschaft von Bern nach Zürich zu verlegen, und wählte André Jaggi in Bern zum neuen Verwaltungsratspräsidenten. Dr. Haupt, welcher der Generalversammlung fernblieb, unternahm mit Ermächtigung der Vormundschaftsbehörden von Bern und Thalwil Schritte, um diese Wahl und die gefassten Beschlüsse, insbesondere auch die Verlegung des Gesellschaftssitzes, namens des Verbeiständeten gemäss
Art. 706 OR
gerichtlich anzufechten. Er stellte am 9. Oktober 1957 beim Gerichtspräsidenten II von Bern das Gesuch, die Aktiengesellschaft sei zum Aussöhnungsversuch vorzuladen, und reichte gegen sie am 14. Oktober 1957 beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein, wobei er die Meinung äusserte, dieses sollte das Verfahren einstellen, bis das Gericht von Bern, das er als zuständig erachte, rechtskräftig geurteilt haben werde.
B.-
Am 15. August 1957 erhob Dr. Haupt beim Handelsregisterführer
BGE 84 II 34 S. 36
von Zürich Einspruch gegen die noch nicht vollzogene Eintragung der Aktiengesellschaft am neuen Sitze. Der Handelsregisterführer setzte ihm am 10. Oktober 1957 gemäss Art. 32 Abs. 2 HRegV 30 Tage Frist, um die Eintragung durch vorsorgliche Verfügung des Richters verbieten zu lassen. Dr. Haupt reichte hierauf namens des Rolf Zimmermann beim Richteramt Bern ein dahin gehendes Gesuch ein. Der Gerichtspräsident III hiess es am 4. November 1957 gut. Er verbot der Aktiengesellschaft, die Beschlüsse vom 14. August 1957 in das Handelsregister eintragen zu lassen, und wies sie an, die bisherigen Einträge bis zur rechtskräftigen Beurteilung der Frage der Gültigkeit der Beschlüsse unverändert zu lassen. Den Handelsregisterführern von Zürich und Bern untersagte er, die erwähnten Beschlüsse einzutragen bzw. gestützt auf sie irgendwelche Eintragungen oder Löschungen vorzunehmen.
Die Aktiengesellschaft appellierte gegen diesen Entscheid. Der Appellationshof des Kantons Bern erklärte am 22. November 1957 dieses Rechtsmittel als unzulässig und trat darauf nicht ein.
C.-
Die Aktiengesellschaft hat gegen den Entscheid des Gerichtspräsidenten III von Bern die Nichtigkeitsbeschwerde erklärt. Sie beantragt, das Bundesgericht habe im Beschwerdeverfahren Dr. Haupt nicht als Vertreter des Beschwerdegegners zuzulassen, sondern die Inhaberin der elterlichen Gewalt anzuweisen, diesen zu vertreten. In der Sache selbst stellt die Beschwerdeführerin den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Gerichte des Kantons Zürich seien zuständig zu erklären.
Zur Begründung dieses Antrages macht sie geltend: Der Beschluss über die Verlegung des Sitzes einer Aktiengesellschaft wirke im Innenverhältnis, d.h. für die Aktionäre, sobald er gefasst sei, nicht erst mit seiner Eintragung in das Handelsregister. Das gelte selbst dann, wenn ein Aktionär den Beschluss missbillige, ja sogar, wenn er ihn gerichtlich anfechte. Die Beschwerdeführerin habe daher ihren Sitz
BGE 84 II 34 S. 37
seit 14. August 1957 in Zürich. Nur dort habe sie gemäss
Art. 59 BV
und
Art. 642 Abs. 3 OR
einen Gerichtsstand. Der Gerichtspräsident III von Bern sei daher örtlich unzuständig, die angefochtene vorsorgliche Verfügung zu treffen. Selbst wenn er trotz des Beschlusses über die Verlegung des Sitzes der Beschwerdeführerin zunächst zuständig geblieben sein sollte, wäre durch diesen Beschluss oder dadurch, dass die Verwaltung tatsächlich nach Zürich verlegt wurde, jedenfalls auch der Zürcher Richter zuständig geworden. Der Hauptprozess sei nun aber in Zürich schon am 14. Oktober 1957, in Bern dagegen erst am 5. November 1957 rechtshängig geworden. Dass in Bern am 9. Oktober 1957 ein Gesuch um Vorladung zum Aussöhnungsversuch gestellt worden sei, ändere nichts; denn das habe nur für die Einhaltung der bundesrechtlichen Klagefrist von Bedeutung sein können, habe dagegen die Rechtshängigkeit im Sinne des kantonalen Prozessrechtes, auf die es von Bundesrechts wegen ankomme, nicht begründet. Müsse somit der Hauptprozess vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich als dem zuerst angerufenen Richter ausgetragen werden, so sei der Berner Richter auch nicht mehr zum Erlass einer vorsorglichen Verfügung im Sinne des
Art. 32 Abs. 2 HRegV
zuständig.
D.-
Dr. Haupt beantragt namens des Rolf Zimmermann, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Der Gerichtspräsident III von Bern hat die Befugnis des Dr. Haupt, im Verfahren als Beistand des Beschwerdegegners aufzutreten, trotz der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen bejaht. Die Beschwerdeführerin ficht seinen Entscheid in diesem Punkte nicht an, macht aber geltend, das Bundesgericht müsse zur Vertretungsbefugnis von Amtes wegen Stellung nehmen, weil sie auch im Beschwerdeverfahren Prozessvoraussetzung sei.
BGE 84 II 34 S. 38
Da die Frage, ob der Beschwerdegegner im kantonalen Verfahren zu Recht von Dr. Haupt vertreten wurde, gemäss
Art. 68 OG
nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden kann, hat das Bundesgericht davon auszugehen, dass Dr. Haupt dort die Vertretungsbefugnis hatte. Folglich ginge sie ihm im Beschwerdeverfahren nur ab, wenn sie nach Ausfällung des angefochtenen Entscheides zufolge neuer Tatsachen hinfällig geworden wäre, z.B. weil die Vormundschaftsbehörde oder die Aufsichtsbehörde seither den Beistand seines Amtes enthoben oder seinen Auftrag eingeschränkt hätte. Eine Änderung der Verhältnisse wird aber von keiner Seite behauptet. Auf den Antrag, Dr. Haupt sei im Beschwerdeverfahren nicht als Vertreter zuzulassen, ist daher nicht einzutreten.
3.
Jeder Beschluss der Generalversammlung der Aktiengesellschaft, der eine Änderung der Statuten zum Gegenstande hat, muss von der Verwaltung beim Handelsregisteramt zur Eintragung angemeldet werden (
Art. 647 Abs. 2 OR
). Nach der allgemeinen Bestimmung des
Art. 932 Abs. 2 OR
könnte diese Eintragung Dritten erst vom ersten Werktage an, der auf ihre Veröffentlichung im Schweizerischen Handelsamtsblatt folgt, entgegengehalten werden. Art. 932 behält aber in Abs. 3 die Fälle vor, in denen kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift "unmittelbar mit der Eintragung auch Dritten gegenüber Rechtswirkungen verbunden sind". Eine solche Vorschrift ist
Art. 647 Abs. 3 OR
, der für den Beschluss der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft über die Änderung der Statuten bestimmt: "Er wird auch Dritten gegenüber unmittelbar mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam." Diese Bestimmung geht unverkennbar davon aus, dass der Beschluss auch im Innenverhältnis mit der Eintragung in das Handelsregister zu wirken beginnt. Das Wort "auch" hätte sonst keinen Sinn (a.M. SIEGWART Art. 647 N. 13). Die gleiche Auffassung liegt dem französischen und dem italienischen Text zugrunde; "l'inscription est immédiatement
BGE 84 II 34 S. 39
suivie d'effet, même à l'égard des tiers", bzw. "la deliberazione ha effetto, anche in confronto dei terzi, già con la sua iscrizione nel registro di commercio" kann nur heissen, dass in den von dieser Bestimmung erfassten Fällen die Wirkung gegenüber Dritten und die Wirkung im Innenverhältnis gleichzeitig eintreten, nämlich mit der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister. Das wird jedenfalls als Regel vorausgesetzt.
Hiefür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. In Art. 626 Abs. 3 aoR war hinsichtlich der Beschlüsse über Abänderung der Statuten von Aktiengesellschaften ausdrücklich gesagt: "Der Beschluss hat keine rechtliche Wirkung, bevor derselbe in das Handelsregister des Bezirkes, in welchem die Gesellschaft ihren Sitz hat, eingetragen ist." Der Wortlaut dieser Norm liess nicht daran zweifeln, dass sie nicht nur im Verhältnis zu Dritten galt, sondern die Wirksamkeit des Beschlusses auch im Verhältnis der Gesellschaft zu den Aktionären von der Eintragung in das Handelsregister abhängig machte (
BGE 50 II 179
f.,
BGE 55 II 105
). Der Entwurf I von 1919 zur Revision des Gesetzes sah dann folgenden Art. 718 Abs. 2 vor: "Der Beschluss muss durch die Geschäftsführer beim Handelsregister angemeldet und auf Grund der gleichen Ausweise wie die ursprünglichen Statuten in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden und hat rechtliche Wirkung erst, nachdem er in das Handelsregister eingetragen ist." Der Entwurf II von 1923 nahm zum Beschluss über die Änderung der Statuten in Art. 662 Stellung, dessen Abs. 3 wie folgt lautete: "Er hat rechtliche Wirrkung erst, nachdem er in das Handelsregister eingetragen ist." Diese Bestimmung, an der die Expertenkommission sich nicht aufhielt, wurde wörtlich als Art. 646 Abs. 3 in den Entwurf des Bundesrates übernommen und in den Kommissionen der Bundesversammlung sowie in dieser selbst ohne Diskussion gutgeheissen. Im Ständerat bemerkte der Berichterstatter Thalmann (StenBull 1931 363): "Eine Statutenänderung kann gültig nur erfolgen
BGE 84 II 34 S. 40
durch Aufnahme einer öffentlichen Urkunde über den Generalversammlungsbeschluss und durch Publikation im Handelsregister." Die Vorlage für die Redaktionskommission vom 28. Mai 1936 liess Art. 646 Abs. 3 unverändert. Erst die Redaktionskommission beschloss laut ihrer Vorlage vom 26. November 1936, die Bestimmung als
Art. 647 Abs. 3 so
zu fassen, wie sie nun im Gesetz lautet. Daraus ergibt sich, dass vom Grundsatze, wonach der Beschluss über die Änderung der Statuten erst nach der Eintragung in das Handelsregister wirke, nicht abgewichen wurde, sondern die Worte "auch Dritten gegenüber" lediglich klarstellen sollten, dass er in Abweichung von Art. 932 Abs. 2 auch im Verhältnis zu Dritten gelte.
Die im Schrifttum vertretene Auffassung, im Innenverhältnis wirkten Statutenänderungen schon von der Fassung des Beschlusses an (SIEGWART Art. 647 N. 11 ff.; SCHUCANY, Komm. zum schweiz. Aktienrecht Art. 647 N. 6), verkennt somit die grundsätzliche Einstellung des Gesetzes und wird denn auch von einigen Autoren abgelehnt (HIS Art. 933 N. 34 in Verbindung mit N. 32, Art. 937 N. 7; FUNK Art. 647 N. 5; F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 2. Auflage S. 298 f.; H. WEBER, Formelle Voraussetzungen statutenändernder Beschlüsse der Aktiengesellschaft, Zürcher Diss. 1953 82 ff.). Als Regel gilt vielmehr, dass der Beschluss auch den Aktionären gegenüber erst wirkt, wenn er im Handelsregister eingetragen ist. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Bundesgericht unter der Herrschaft des Art. 626 Abs. 3 aoR angenommen hat, die Generalversammlung, die eine Statutenänderung beschlossen habe, könne schon vorgängig der Eintragung gestützt auf die neuen Bestimmungen Beschlüsse fassen und Wahlen vornehmen (
BGE 60 I 385
). Solche Handlungen sind möglich, doch hängt ihre Gültigkeit davon ab, dass die Statutenänderung nachträglich in das Handelsregister eingetragen werde. In diesem Sinne lässt sich durchaus sagen, dass im Innenverhältnis schon vor der Eintragung eine gewisse Wirkung des
BGE 84 II 34 S. 41
Statutenänderungsbeschlusses eintritt. Es wäre in der Tat nicht zu verstehen, wenn z.B. die zwischen der Fassung des Beschlusses über die Erweiterung des Verwaltungsrates und der Eintragung dieser Statutenänderung erfolgte Wahl neuer Ratsmitglieder als ungültig erklärt werden müsste oder wenn Veranstaltungen der Verwaltung zur Durchführung einer beschlossenen, aber noch nicht eingetragenen Verlegung des Gesellschaftssitzes selbst unter der Voraussetzung, dass die Eintragung nachgeholt wird, als rechtswidrig zu gelten hätten.
Eine andere Frage ist, ob der Grundsatz, dass Beschlüsse über Statutenänderungen auch den Aktionären gegenüber erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam werden, Ausnahmen hat. Das kann jedoch dahingestellt bleiben, da jedenfalls ein Beschluss über die Verlegung des Gesellschaftssitzes nicht auszunehmen ist. Die in
BGE 55 II 106
vertretene Auffassung, "dass es zu unhaltbaren Zuständen führen müsste, wenn die Aktiengesellschaft den Gläubigern und den Aktionären gegenüber unter einem verschiedenen Statut leben könnte", ist für den Sitz auch unter neuem Recht berechtigt. Es besteht kein Grund, zwischen einem internen und einem externen Sitz zu unterscheiden, mit der Folge, dass die Gesellschaft dem Aktionär gegenüber emen andern Gerichtsstand und Betreibungsort hätte als gegenüber Dritten. Der Aktionär hat übrigens ein ebenso berechtigtes Interesse wie Dritte, den Sitz anhand des Handelsregistereintrages zuverlässig feststellen zu können. Wenn die Gesellschaft z.B. seine Rechte nicht anerkennt oder, wie im vorliegenden Falle, seinen rechtmässigen Vertreter von deren Ausübung ausschliesst, ihn folglich zur Generalversammlung nicht einlädt und ihm vielleicht auch deren Beschlüsse nicht oder nicht richtig beekanntgibt, bleibt ihm nichts übrig, als sich an den Eintrag im Handelsregister zu halten, um ihren Sitz und Gerichtsstand zu ermitteln. Damit wird verhütet, dass die Gesellschaft sich "nach innen" einen besonderen Sitz zulegt und ihn geheimhält, um sich der gerichtlichen Verfolgung
BGE 84 II 34 S. 42
durch einen Aktionär zu entziehen oder sie zu erschweren. Unterscheiden zu wollen, ob der Aktionär den "internen" Sitz kenne oder nicht, hiesse den Geschäftsverkehr unnötigerweise belasten und Unsicherheit schaffen. Da die Aktiengesellschaft ohne Eintragung in das Handelsregister Persönlichkeit und folglich einen Sitz gar nicht erlangen kann, und zwar auch nicht im Verhältnis zu den Aktionären (
Art. 643 Abs. 1, 641 Ziff. 2 OR
), ist es folgerichtig, dass sie den eingetragenen Sitz auch den Aktionären gegenüber solange gelten lassen muss, als sie die Verlegung nicht hat eintragen lassen. Sie hat es übrigens in der Hand, die Eintragung unverzüglich zu verlangen und damit den Beschluss über die Verlegung des Sitzes - den Aktionären wie den Dritten gegenüber - alsbald wirksam zu machen. Gemäss
Art. 647 Abs. 2, 941 und 943 OR
ist ihre Verwaltung sogar verpflichtet, das zu tun, und verwirkt Ordnungsbusse, wenn sie es unterlässt. Es fehlt der Gesellschaft ein berechtigtes Interesse, dass der Beschluss über die Verlegung "nach innen" schon vor der Eintragung in das Handelsregister wirke. Einzig in Fällen, wo gegen die Eintragung Einspruch erhoben wird (
Art. 32 HRegV
) oder der Handelsregisterführer von Amtes wegen ein Hindernis aufdeckt, kann bis zum Vollzug längere Zeit verstreichen. Dann ist es aber nicht unbillig, dass die Gesellschaft sich auch von den Aktionären noch solange am alten Sitze belangen lassen muss, als über das Recht zur Eintragung des neuen Sitzes nicht entschieden und die Eintragung nicht vollzogen ist. Insbesondere kann nicht daran Anstoss genommen werden, dass gerade der Streit über die Gültigkeit des Verlegungsbeschlusses am alten Sitze ausgetragen werden muss, wenn die Klage vor dem Vollzug der Eintragung rechtshängig wird. Übrigens anerkennt auch der von der Beschwerdeführerin angerufene Autor, dass nicht dauernd die durch Statutenänderung erzeugte Rechtslage nach innen und jene nach aussen verschieden sein könnten (SIEGWART Art. 647 N. 12).
4.
Hat somit die Beschwerdeführerin ihren Sitz auch
BGE 84 II 34 S. 43
im Verhältnis zum Beschwerdegegner noch immer in Bern, so ist der Beschwerdegrund des
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
nicht erfüllt.
Art. 642 Abs. 2 OR
kann zum vornherein nicht verletzt sein. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung, die den "Gerichtsstand des Gesellschaftssitzes" nur nebenbei erwähnt, ihn überhaupt vorschreiben will oder ob sie in ihm lediglich einen vom kantonalen Prozessrecht anerkannten Gerichtsstand sieht und ihr Zweck sich darin erschöpft, daneben für Klagen aus dem Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung einen bundesrechtlichen Gerichtsstand am Orte dieser Niederlassung einzuführen.
Die Berufung auf
Art. 59 BV
ist gegenstandslos, abgesehen davon, dass diese Bestimmung keine Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit der Behörden ist, sondern lediglich der Gerichtshoheit der Kantone und fremden Staaten Grenzen setzt (
BGE 66 II 183
,
BGE 72 I 176
,
BGE 81 I 338
) und es daher, wie
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
ausdrücklich bestimmt, einer staatsrechtlichen Beschwerde bedarf, um ihre Verletzung zu rügen.
5.
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, sie habe in Zürich jedenfalls einen zweiten Gerichtsstand, und dieser gehe jenem von Bern vor, nachdem der Hauptprozess in Zürich zuerst angehoben worden sei, hält ebenfalls nicht stand. Der Hinweis auf den Beschluss über die Verlegung des Gesellschaftssitzes hilft nicht; dieser Beschluss wird nicht vor der Eintragung in das Handelsregister wirksam und kann daher nicht von Bundesrechts wegen der Gesellschaft vorher einen zweiten Gerichtsstand verschaffen. Die behauptete tatsächliche Verwaltung in Zürich sodann kann dort ebenfalls nicht einen bundesrechtlichen, sondern höchstens einen vom kantonalen Prozessrecht anerkannten Gerichtsstand begründen. Schon deshalb geht die Beschwerdeführerin fehl, wenn sie sich auf die Rechtsprechung beruft, wonach beim Zusammentreffen zweier bundesrechtlicher Gerichtsstände, namentlich in Scheidungsfällen, wo jeder Ehegatte an sich am eigenen Wohnsitz
BGE 84 II 34 S. 44
klagen kann (
Art. 144 ZGB
), der zuerst angerufene Richter von Bundesrechts wegen auch ausschliesslich zuständig ist, die sachlich mit der ersten Klage zusammenhängenden weiteren Rechtsbegehren, insbesondere die Klage der Gegenpartei, zu beurteilen (
BGE 64 II 182
,
BGE 74 II 69
,
BGE 80 II 98
). Zudem lässt sich die Einrede, der Aktionär könne Beschlüsse der Generalversammlung am einen Orte nicht mehr anfechten, wenn er die gleiche Klage schon beim ebenfalls zuständigen Richter eines andern Ortes eingereicht habe, überhaupt nicht damit begründen, es bestehe hier ein Gerichtsstand des Sachzusammenhanges. Sie betrifft nicht eine Gerichtsstandsfrage, sondern erschöpft sich in der Einrede der Rechtshängigkeit und kann daher vom Bundesgericht nicht auf Beschwerde nach
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
, sondern nur auf Berufung hin - soweit sie überhaupt vom eidgenössischen Recht mitbeherrscht ist (
BGE 80 I 261
f.) - beurteilt werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0072df0-8755-468f-86f7-7242cee006d5 | Urteilskopf
104 III 79
20. Entscheid vom 23. November 1978 i.S. R. | Regeste
Deckungsprinzip (Art. 141 in Verbindung mit
Art. 126 SchKG
).
Die dem betreibenden Gläubiger im Range vorgehenden Pfandgläubiger können nicht auf die Einhaltung des Deckungsprinzips verzichten. | Sachverhalt
ab Seite 79
BGE 104 III 79 S. 79
A.-
Am 1. September 1977 leitete der Schweizerische Bankverein (SBV) beim Betreibungsamt Goldach gegen R. Betreibung auf Grundpfandverwertung für eine Forderung von Fr. 32'365.20 nebst Zins ein (Betreibung Nr. 814). Die Forderung ist sichergestellt durch eine Grundpfandverschreibung im 3. Rang auf dem Grundstück Nr. 6046 (Stockwerkeinheit) in Goldach, das im Eigentum der betriebenen Schuldnerin steht. Nachdem der SBV das Verwertungsbegehren gestellt und das Betreibungsamt die Steigerung angesetzt hatte, meldete er mit Schreiben vom 17. April 1978 aus zwei Schuldbriefen im 1. und 2. Rang Forderungen nebst Zinsen von insgesamt Fr. 235'411.65 an. Er berief sich auf ein Faustpfandrecht an diesen beiden Schuldbriefen, die ursprünglich B. und der Immorex AG zu Miteigentum zustanden. B. befindet sich in einem Nachlassverfahren mit Vermögensabtretung; über die Immorex AG wurde am 17. November 1977 der Konkurs
BGE 104 III 79 S. 80
eröffnet, das Verfahren jedoch mangels Aktiven am 29. November 1977 wieder eingestellt, und die Firma ist inzwischen im Handelsregister gelöscht worden. Die Forderung des SBV, für welche die Schuldbriefe zu Faustpfand gegeben worden sind, übersteigt deren Nominalbetrag bei weitem, und R. hat offenbar die Schuldverpflichtung aus den beiden Schuldbriefen übernommen. Der SBV kündigte ihr diese mit Schreiben vom 2. September 1977 auf sechs Monate. Die Schuldbriefforderungen sind somit seit dem 2. März 1978 zur Rückzahlung fällig, wurden jedoch bisher nicht in Betreibung gesetzt.
In Ziff. 1 der am 23. Mai 1978 aufgelegten Steigerungsbedingungen verfügte das Betreibungsamt, das Grundstück werde nur zugeschlagen, wenn das Höchstangebot den Betrag von Fr. 235'411.65, also die Forderungen nebst Zinsen aus den beiden Schuldbriefen im 1. und 2. Rang, übersteige.
B.-
Gegen diese Verfügung beschwerte sich der SBV beim Bezirksgerichtspräsidenten von Rorschach als unterer Aufsichtsbehörde für das Betreibungswesen mit dem Antrag, es sei in Ziff. 1 der Steigerungsbedingungen auf die Angabe eines Mindestangebotes zu verzichten. Der Bezirksgerichtspräsident hiess die Beschwerde am 3. Juli 1978 gut und hob das für die Versteigerung verfügte Mindestangebot auf. Dieser Entscheid wurde auf Rekurs der Schuldnerin hin am 25. September 1978 von der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen bestätigt. Beide kantonale Instanzen gelangten zum Ergebnis, das Deckungsprinzip im Sinne von Art. 141 in Verbindung mit
Art. 126 SchKG
bezwecke ausschliesslich die Wahrung der Rechte der im Range vorgehenden Pfandgläubiger. Diese könnten daher auf dessen Anwendung verzichten. Insbesondere treffe das dann zu, wenn dem betreibenden Grundpfandgläubiger vorgehende Pfandforderungen zustünden, die infolge Kündigung zur Rückzahlung fällig geworden seien.
C.-
Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde rekurrierte R. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, das vom Betreibungsamt verfügte Mindestangebot von Fr. 235'411.65 wieder herzustellen.
Das Betreibungsamt Goldach beantragt die Gutheissung des Rekurses. Die Vorinstanz liess sich nicht vernehmen, während die Vernehmlassung des SBV verspätet einging.
BGE 104 III 79 S. 81
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Die Legitimation der Rekurrentin zum Rekurs ist ohne Zweifel zu bejahen. Sie ist nicht nur Schuldnerin der in Grundpfandbetreibung gesetzten Hypothekarforderung, sondern auch der beiden vorgehenden Schuldbriefforderungen. Als solche hat sie ein Interesse an einem möglichst guten Steigerungsergebnis, damit ein allfälliger Pfandausfall, für den sie mit ihrem übrigen Vermögen einzustehen hat, möglichst klein wird. Dass das vom Betreibungsamt verfügte Mindestangebot dazu dienen kann, den Steigerungserlös hinaufzutreiben, liegt auf der Hand.
2.
Dem Deckungsprinzip im Sinne von Art. 141 in Verbindung mit
Art. 126 SchKG
unterliegen grundsätzlich alle vorgehenden Pfandforderungen, die nicht in Betreibung gesetzt sind, und zwar auch dann, wenn sie dem gleichen Gläubiger zustehen wie die in Betreibung gesetzte nachgehende Pfandforderung. Das versteht sich von selbst und ergibt sich indirekt auch aus
BGE 58 III 17
, wo entschieden wurde, wenn ein Gläubiger nur den Zins, nicht aber das Kapital in Betreibung setze, gelte für das letztere das Deckungsprinzip. In einer Betreibung auf Pfändung oder auf Pfandverwertung kann kein Gläubiger gezwungen werden, sich die Liquidation einer Grundpfandforderung gefallen zu lassen, die er nicht in Betreibung gesetzt hat oder die noch gar nicht fällig ist, solange nicht ihm im Range vorangehende Pfandgläubiger die Verwertung verlangen.
3.
Es fragt sich somit einzig, ob ein Gläubiger auf die Einhaltung des Deckungsprinzips verzichten kann. Das wäre allenfalls dann zu erwägen, wenn dieses Prinzip allein dem Schutz des Gläubigers dienen würde. Dem ist indessen entgegen der Annahme beider kantonaler Instanzen nicht so. Auch der Schuldner und Pfandeigentümer kann ein berechtigtes Interesse daran haben, dass bei einer Pfandverwertung nicht auch Pfandrechte liquidiert werden, deren Forderungen nicht in Betreibung gesetzt worden sind; denn damit würden ihm die ihm im Betreibungsverfahren zustehenden Rechte (Rechtsvorschlag, Einhaltung der Verwertungsfristen) abgeschnitten. So muss ein Schuldner ganz sicher nicht dulden, dass das vorgehende Pfandrecht für eine noch gar nicht fällige Schuld bei der Verwertung zugunsten eines nachgehenden Pfandgläubigers, seien die beiden Gläubiger identisch oder nicht, mitliquidiert
BGE 104 III 79 S. 82
wird. Er hat ein Anrecht darauf, dass ihm vorerst die vorgehende Pfandforderung unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt wird. Aber auch wenn die Schuld wie im vorliegenden Fall gekündigt und zur Rückzahlung fällig ist, hat er einen schützenswerten Anspruch darauf, in der nachfolgenden Grundpfandbetreibung durch Rechtsvorschlag seine Rechte wahren zu können, sowie darauf, dass die Fristen von
Art. 154 Abs. 1 und
Art. 133 Abs. 1 SchKG
eingehalten werden. Das ist denn auch die Meinung von JAEGER (N. 6 am Anfang zu
Art. 141 SchKG
, S. 469, und zuunterst auf der gleichen Seite; N. 8 zu
Art. 141 SchKG
, S. 472 Mitte; N. 5 zu
Art. 126 SchKG
, S. 414 Mitte).
Dient aber das Deckungsprinzip nicht nur dem Schutz der vorgehenden Gläubiger, so können diese nicht auf dessen Einhaltung verzichten. Die beiden Schuldbriefe sind daher bei der Festsetzung des Mindestangebotes zu berücksichtigen, ohne dass geprüft werden müsste, ob der SBV unter den gegebenen besonderen Umständen die Stellung eines Grundpfandgläubigers beanspruchen kann, obwohl ihm an den Schuldbriefen blosse Faustpfandrechte zustehen.
4.
Was die beiden kantonalen Instanzen und der SBV vorbringen, kann zu keinem andern Ergebnis führen. Die Argumente, die das Bundesgericht dazu geführt haben, für das Retentionsrecht eine Ausnahme vom Deckungsprinzip zu machen (
BGE 89 III 75
/76,
BGE 65 III 6
ff.,
BGE 42 III 221
/222; Archiv SchK 3/1894 Nr. 25), gelten für vorgehende Grundpfandrechte auch dann nicht, wenn die betreffenden Forderungen zwar fällig, aber noch nicht in Betreibung gesetzt worden sind. Auch der Hinweis der Vorinstanz auf JAEGER verfängt nicht; dieser führt zwar an der im angefochtenen Entscheid zitierten Stelle (N. 5 am Anfang zu
Art. 126 SchKG
) aus, das Deckungsprinzip bezwecke die Wahrung der Rechte der nicht betreibenden Pfandgläubiger; er will jedoch damit den Unterschied zu den mitbetreibenden Pfandgläubigern hervorstreichen. Dass das Deckungsprinzip ausschliesslich die Rechte der vorgehenden Pfandgläubiger zu schützen bestimmt sei, sagt JAEGER nicht: aus den in E. 3 zitierten Stellen seines Kommentars ergibt sich das Gegenteil. Dass der SBV, wie der erstinstanzliche Entscheid darlegt, bei der Realisierung seiner Faustpfandrechte möglicherweise auf Schwierigkeiten stossen wird, hat er allein der von ihm selbst gewählten Art der Sicherstellung seiner
BGE 104 III 79 S. 83
Forderungen zuzuschreiben. Ein Eingriff in die gesetzlich garantierten Rechte der Schuldnerin rechtfertigt sich deswegen jedenfalls nicht. Die Schwierigkeiten sind im übrigen keineswegs unüberwindlich. Sollte dem SBV das Recht zur direkten Geltendmachung der verpfändeten Schuldbriefforderungen zustehen, wie er es für sich in Anspruch nimmt (vgl. hiezu
BGE 64 II 418
/419), so kann er ohne weiteres Betreibung auf Grundpfandverwertung anheben und das Grundstück innerhalb der gesetzlichen Fristen verwerten lassen. Sollte er dagegen auf die Verwertung der Faustpfänder angewiesen sein, so steht dem der Konkurs der Immorex AG und dessen Schliessung mangels Aktiven im Sinne von
Art. 230 SchKG
nicht entgegen. Wie das Bundesgericht mehrfach entschieden hat, ist nämlich das in
Art. 134 VZG
vorgesehene Verfahren betreffend die Liquidation von Grundpfändern nach Einstellung des Konkurses mangels Aktiven auch auf Fahrnispfänder anwendbar (
BGE 90 II 253
,
BGE 67 III 112
,
BGE 63 III 84
,
BGE 56 III 191
, 53 III 191). Inwiefern das Nachlassverfahren über B. der Verwertung der Schuldbriefe entgegenstehen soll, ist sodann zum vornherein nicht ersichtlich. Die pfandgesicherten Forderungen werden durch den Nachlassvertrag nicht erfasst (
Art. 311 SchKG
), und die Faustpfänder können nach
Art. 316k SchKG
ausserhalb des Nachlassverfahrens liquidiert werden.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen vom 25. September 1978 aufgehoben; die Beschwerde des Schweizerischen Bankvereins gegen Ziffer 1 der am 23. Mai 1978 aufgelegten Steigerungsbedingungen in der Betreibung Nr. 814 des Betreibungsamtes Goldach wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b00c52b0-5e05-4617-bf57-a63d9de7912f | Urteilskopf
121 III 319
65. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 5 juillet 1995 dans la cause époux F. contre Société Immobilière C. SA (recours en réforme) | Regeste
Begehren um Herabsetzung des Anfangsmietzinses (
Art. 270 OR
): Bestimmung des Eigen- und Fremdkapitals.
Bei Immobilienaktiengesellschaften gehören nicht gesicherte Forderungen des Mehrheitsaktionärs - in casu eines Anlagefonds - zum Fremdkapital. Diese Qualifikation steht in Einklang mit
Art. 663a OR
und ist unabhängig von der dem Aktionär aus seinen Forderungen gewährten Vergütung. | Sachverhalt
ab Seite 319
BGE 121 III 319 S. 319
A.-
La Société Immobilière C. SA, à Lausanne (ci-après: C.), est propriétaire d'un immeuble à Renens. Son capital-actions est détenu à concurrence de 92% par le fonds de placement "S. 61 Fonds de placement immobilier" (ci-après: S.).
Par contrat du 13 juin 1991, C. a remis à bail aux époux F. un appartement de trois pièces au premier étage de l'immeuble susmentionné. Le bail devait débuter le 10 juillet 1991. Le loyer mensuel net s'élevait à 1'230 fr. Le dernier loyer mensuel net des précédents locataires était de 750 fr.
B.-
Les époux F. ont contesté le loyer initial, le considérant abusif, devant la Commission de conciliation en matière de baux et loyers du district de Lausanne. La tentative de conciliation ayant échoué, ils ont saisi le Tribunal des baux du canton de Vaud d'une action tendant notamment à ce que le loyer mensuel net soit ramené à 750 fr.
Par jugement du 8 avril 1993, ce tribunal a dit que le loyer en cause était abusif dans la mesure où il dépassait 1'142 fr.
BGE 121 III 319 S. 320
Par arrêt du 24 août 1993, la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours des demandeurs et confirmé ce jugement.
C.-
Les demandeurs interjettent un recours en réforme contre cet arrêt. Ils y reprennent leurs conclusions précédentes.
Le Tribunal fédéral admet partiellement le recours dans la mesure où il est recevable, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
a) S'agissant de déterminer les fonds propres investis, c'est à juste titre que les instances cantonales se sont fondées sur le coût de revient effectif de l'immeuble duquel les fonds étrangers, savoir les emprunts du propriétaire garantis ou non par hypothèque, ont été déduits (
ATF 117 II 77
consid. 3a/aa). Par capital investi, il faut entendre le capital initial (
ATF 120 II 100
consid. 5a et les références).
Il est aussi exact que, conformément à ce que la cour cantonale a rappelé, la question litigieuse fait l'objet de la controverse suivante:
Selon BARBEY, dans les sociétés immobilières, l'investissement du bailleur ne correspond pas seulement au capital et aux réserves; il convient de rechercher la quotité des fonds propres des actionnaires qui incluent, le cas échéant, aussi les créances chirographaires dont ils sont titulaires envers la personne morale (L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, p. 69 et la note 244). Pour LACHAT/MICHELI, en revanche, les créances chirographaires en main de l'actionnaire doivent être considérées comme des fonds empruntés tant qu'elles sont normalement rémunérées; le principe de la dualité juridique entre la société et son actionnaire prévaut en droit suisse et il n'y a pas lieu d'y déroger (Le nouveau droit du bail, 2e éd. 1992, p. 206).
b) La cour cantonale a tranché cette controverse en se plaçant sous l'angle de la dualité juridique et de l'unité économique. Elle a considéré que, en l'espèce, l'identité économique de la défenderesse et de S. devait l'emporter sur leur existence formelle, d'une part, et que la négation de cette réalité économique porterait atteinte à des intérêts légitimes, d'autre part. Elle a donc réfuté l'application, dans la présente affaire, de la thèse de LACHAT/MICHELI et opté pour celle de BARBEY. A cet égard, les demandeurs sont d'avis que l'arrêt attaqué viole le droit fédéral.
BGE 121 III 319 S. 321
5.
a) aa) Selon une jurisprudence bien établie, on ne peut pas s'en tenir sans réserve à l'existence formelle de deux personnes juridiquement distinctes lorsque tout l'actif ou la quasi-totalité de l'actif d'une société anonyme appartient soit directement, soit par personnes interposées, à une même personne, physique ou morale; malgré la dualité de personnes à la forme, il n'existe pas des entités indépendantes, la société étant un simple instrument dans la main de son auteur, qui, économiquement, ne fait qu'un avec elle; on doit dès lors admettre, à certains égards, que, conformément à la réalité économique, il y a identité de personnes et que les rapports de droit liant l'une lient également l'autre; ce sera le cas chaque fois que le fait d'invoquer la diversité des sujets constitue un abus de droit ou a pour effet une atteinte manifeste à des intérêts légitimes (
ATF 102 III 165
consid. II/1,
ATF 72 II 67
consid. 3c et les arrêts cités; cf. aussi
ATF 112 II 503
consid. 3b p. 506,
ATF 108 II 213
consid. 6a et les références).
bb) Cette jurisprudence a pour corollaire que ni l'actionnaire, ni la société ne peuvent se prévaloir de l'identité économique pour faire échec à la dualité juridique (arrêt A. SA et cons. contre M. Ltd et cons. du 11 juillet 1988, in SJ 111/1989 p. 360, consid. 3b/cc non publié; cf. aussi ATF 72 II cité).
Toutefois, il appert de l'arrêt du 11 juillet 1988 cité que cette conséquence est controversée en doctrine; de son côté, la jurisprudence apparaît vouloir écarter, en règle générale, la faculté pour l'actionnaire principal ou la société anonyme d'invoquer l'unité économique en leur faveur (loc.cit.). FORSTMOSER, auquel l'arrêt précité s'est référé, relève que MERZ, HOMBURGER et un auteur allemand, JOHN, refusent une telle faculté, pour le motif, énoncé par MERZ, que l'actionnaire et la société doivent s'en tenir à la forme d'organisation qu'ils ont choisie (Schweizerisches Aktienrecht, I/1, p. 42 n. 186). FORSTMOSER rappelle ensuite l'opinion de BUCHER qui propose, pour le domaine du droit pénal, d'accorder largement cette faculté à l'actionnaire principal (op.cit., p. 42 n. 187).
Deux autres auteurs penchent pour la solution développée par la jurisprudence. Pour le premier, la levée du voile ne se justifie que lorsqu'elle est invoquée par un tiers, autrement dit, ni par la société, ni par l'actionnaire unique (RUEDIN, L'abus de majorité et l'abus de personnalité juridique, in L'abus de pouvoirs ou de fonctions, Journées grecques, T. 28, 1977, p. 272). Quant au second, il doute que l'on puisse, selon les circonstances, tirer avantage soit de la dualité juridique, soit de l'unité économique (PATRY, La reconnaissance de l'existence d'une personne morale en droit suisse, in Etudes offertes à Roger Houin
BGE 121 III 319 S. 322
[Problèmes d'actualité posés par les entreprises], p. 230).
cc) La majorité de la doctrine susmentionnée est donc d'accord avec la jurisprudence. De plus, BUCHER, qui a une position divergente, n'a pas formulé sa thèse pour le droit civil. Aussi, n'y a-t-il pas lieu de modifier cette jurisprudence.
b) aa) En l'espèce, le 92% du capital-actions de la défenderesse se trouve en main de S., le 8% restant appartenant à un ou plusieurs autres actionnaires. L'actionnaire majoritaire a une structure juridique particulière puisqu'il s'agit d'un fonds de placement. Il n'est pas doté de la personnalité morale; un fonds de placement est juridiquement constitué par un faisceau de contrats bilatéraux, distincts mais identiques, conclus entre chaque porteur de parts et la direction du fonds; celle-ci en est l'organe essentiel (cf. HIRSCH, La loi fédérale sur les fonds de placement. Généralités et bibliographie, in FJS 1306, p. 2 s.; JEANPRÊTRE, Le contrat de placement collectif dans le système du droit des obligations, in Mélanges en l'honneur de Wilhelm Schönenberger, p. 289 à 291). La direction doit être soit une banque, soit une société anonyme ou une société coopérative ayant pour objet et pour but exclusifs l'administration du fonds de placement (cf. art. 3 al. 2 de la loi fédérale du 1er juillet 1966 sur les fonds de placement [RS 951.31; LFP]; JEANPRÊTRE, op.cit., p. 291). La direction gère le fonds de placement, librement et en son propre nom (
art. 12 al. 1 LFP
). On ne voit cependant pas en quoi la spécificité de cette structure juridique nécessiterait que le principe de la réalité juridique ou économique soit appliqué différemment en l'espèce.
bb) La réalité juridique est dès lors seule déterminante dans la présente affaire et il serait choquant de se fonder sur l'unité économique, contrairement à l'opinion de la cour cantonale. Si l'actionnaire majoritaire avait investi dans la société défenderesse un capital plus important au lieu de lui consentir un prêt, il aurait perçu un dividende sur ce capital. D'une part, ce dividende n'aurait pas été une dépense déductible des revenus de la société et, d'autre part, la distribution de ce dividende aurait été frappée de l'impôt anticipé auquel le paiement d'intérêts sur la créance chirographaire échappe (BARBIER, Guide de la société anonyme immobilière, p. 80; SOCIÉTÉ PRIVÉE DE GÉRANCE, Les sociétés immobilières. Petit guide juridique et pratique, p. 23; cf. aussi les art. 4 al. 1 let. b et d, 13 al. 1 let. a de la loi fédérale du 13 octobre 1965 sur l'impôt anticipé [RS 642.21; LIA] et l'art. 20 al. 1 de l'ordonnance d'exécution du 19 décembre 1966 de la loi fédérale sur l'impôt anticipé [RS
BGE 121 III 319 S. 323
642.211; OIA]). Dès lors que ce ne sont pas les demandeurs mais la défenderesse qui se prétend lésée par l'existence de deux personnalités distinctes, celle-ci ne peut s'en prendre qu'à elle-même si, à côté d'avantages, la forme juridique de la société anonyme crée pour elle certains inconvénients; elle ne saurait, selon qu'elle y a ou non intérêt, invoquer le dualisme résultant de la double "personnalité" ou au contraire le nier (cf. ATF 72 II cité p. 77; PATRY, loc.cit.).
La dette de 1'942'110 fr. appartient donc à la catégorie des fonds étrangers. (Au bilan de la défenderesse, cette dette figurait sous la rubrique "Créanciers chirographaires"; consid. 3b).
cc) Cette qualification correspond en outre au nouveau droit de la société anonyme, en vigueur depuis le 1er juillet 1992, en particulier à l'
art. 663a CO
qui régit la structure minimale du bilan, ainsi que sa note marginale l'indique.
L'al. 1 de cette disposition prévoit que le bilan fait état de l'actif circulant et de l'actif immobilisé, des fonds étrangers et des fonds propres; l'al. 2 traite de la subdivision de l'actif circulant et de l'actif immobilisé; l'al. 3 indique les rubriques que la présentation minimale des passifs doit contenir, et l'al. 4 mentionne divers postes qui doivent être spécialement indiqués (Message, FF 1983 II 913 s.). Le prêt qu'un actionnaire aurait consenti à la société anonyme n'entre pas dans l'énumération des différentes catégories de fonds propres, contenue à l'al. 3. En revanche, ce même alinéa classe les dettes à long terme dans les fonds étrangers. Quant à l'al. 4, il traite spécialement des dettes envers les actionnaires qui détiennent une participation dans la société, lesquelles doivent figurer sous une rubrique séparée dans les fonds étrangers (cf. BÖCKLI, Das neue Aktienrecht, p. 256 n. 938; MONTAVON/WERMELINGER/ET AL., Droit et pratique de la société anonyme, I, p. 136 s.; BOURQUIN, Les comptes annuels, in Révision du droit des sociétés anonymes [vol. 60 des Publications de la Chambre suisse des Sociétés fiduciaires et des Experts-comptables], p. 118 ss, en particulier p. 120; HELBING, L'analyse du bilan et du résultat, 6e éd. 1991, p. 34). Les actifs immobilisés d'une société anonyme peuvent être financés, en lieu et place de capitaux propres, en faisant appel à des emprunts à long terme à caractère de capitaux propres contractés auprès de personnes apparentées; les capitaux étrangers à long terme peuvent alors être subdivisés en capitaux étrangers empruntés à des tiers et empruntés à des personnes apparentées à la société (HELBING, op.cit., p. 161). Le pendant de ces dettes, savoir les créances envers les actionnaires qui détiennent une
BGE 121 III 319 S. 324
participation dans la société, sera mentionné à l'actif du bilan (cf.
art. 663a al. 4 CO
; BÖCKLI, loc.cit.; MONTAVON/WERMELINGER/ET AL., loc.cit.; BOURQUIN, loc.cit.).
dd) Il résulte de ce qui précède que le recours doit être admis sur ce point. Contrairement à ce que les demandeurs allèguent, il importe à cet égard peu que le poste du bilan, intitulé "Créanciers chirographaires", concerne effectivement un prêt des actionnaires de la défenderesse.
Si, d'une manière générale, un emprunt effectué par une société immobilière à un actionnaire doit être inclus dans les fonds étrangers, ce mode de financement, soit une sous-capitalisation, ne doit cependant pas se faire au détriment du locataire. Lorsque la dette chirographaire ne représente pas pour le bailleur une charge financière normale, autrement dit, lorsque l'actionnaire s'attribue une rémunération exagérée, celle-ci devra être réduite. Le taux de rendement des capitaux empruntés peut aussi faire l'objet d'un contrôle par le juge s'il s'écarte trop des conditions usuelles du marché (BARBEY, op.cit., p. 67 note 233). Aussi, nonobstant l'opinion contraire de LACHAT/MICHELI (op.cit., p. 206 et la note 19), n'y a-t-il pas lieu de modifier la qualification de ce passif, en ce sens qu'il devrait être considéré comme appartenant aux capitaux propres. | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b01240d3-da3a-4c49-b799-18da725ee850 | Urteilskopf
108 Ia 300
58. Extrait de l'arrêt rendu le 7 décembre 1982 par la Ire Cour de droit public dans la cause "Lôzane bouge" et Balet contre Conseil d'Etat du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
; Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit.
Eine Behörde darf eine Versammlung nicht einzig wegen der an ihr zu erwartenden Meinungsäusserungen verbieten (Bestätigung der Rechtsprechung). Sie muss ihnen indes Rechnung tragen, wenn zwischen dem Gehalt der propagierten Auffassungen und den befürchteten Unruhen ein enger Zusammenhang besteht, der geeignet ist die Gefahr für eine Verletzung der öffentlichen Ordnung zu vergrössern (E. 3).
In Anbetracht der Tatsache, dass die gleiche Veranstaltung im Jahr zuvor durch zahlreiche Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz gekennzeichnet war, musste die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung verantwortliche Behörde die Durchführung eines neuen "Cannabis Festes" untersagen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 301
BGE 108 Ia 300 S. 301
Le 10 mars 1982, le mouvement "Lôzane Bouge" et Bernard Balet ont demandé à la Direction de police de Lausanne l'autorisation d'organiser une deuxième "Fête du Cannabis", le 8 mai 1982 à Vidy. Se prévalant du succès de la première fête du même nom, organisée l'année précédente, les requérants disaient vouloir "renouveler cette expérience positive", dont le but est de "célébrer la stupéfiante beauté de cette Dicotylédone apétale qu'est le Cannabis".
Par lettre du 23 mars 1982, la Municipalité de Lausanne a refusé cette autorisation en exposant, pour l'essentiel, que la manifestation de 1981 avait été "l'occasion de nombreuses fumeries", que la Municipalité ne saurait prêter la main à des actes illicites, et "qu'à provoquer la consommation des stupéfiants et/ou révéler des possibilités de s'en procurer ou d'en consommer, et cela en agissant intentionnellement et publiquement, les organisateurs courraient le risque de tomber sous le coup de l'art. 19 de la loi fédérale sur les stupéfiants".
Contre cette décision, "Lôzane Bouge" et Bernard Balet ont recouru auprès du Conseil d'Etat du canton de Vaud. A l'appui de leur recours, ils relevaient en substance que la manifestation n'a ni pour but ni pour objet la consommation ou la vente de stupéfiants et la révélation de possibilités de s'en procurer ou d'en consommer. Il s'agit, au contraire, d'un débat académique sur un problème controversé, d'une contestation purement intellectuelle, en vue de conduire à la décriminalisation et à la légalisation du
BGE 108 Ia 300 S. 302
cannabis. Le refus d'autorisation, en interdisant la discussion publique de ce problème, viole les libertés d'expression, de manifestation et de réunion. Les recourants n'excluaient pas que, lors de la première Fête du Cannabis, il y ait eu des "fumeries" de haschisch, tout en relevant que l'on peut en constater "dans presque toutes les réunions de jeunes". Le 7 mai 1982, le Conseil d'Etat a rejeté le recours.
Agissant par la voie du recours de droit public, "Lôzane Bouge" et Bernard Balet demandent au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat du 7 mai 1982 et de leur donner acte de ce que la décision prise le 19 mars 1982 par la Municipalité de Lausanne de refuser l'autorisation d'organiser une deuxième Fête du Cannabis était illégale. Les recourants invoquent une violation des libertés de réunion, de manifestation et d'expression garanties par l'
art. 4 Cst.
et les
art. 10 et 11 CEDH
, ainsi qu'une violation de l'
art. 4 Cst.
et de l'
art. 6 al. 2 CEDH
en ce que certains faits auraient été admis de manière arbitraire, au mépris de la "présomption d'innocence". Ils se fondent sur une argumentation identique à celle développée par eux dans leur recours au Conseil d'Etat, en insistant sur le bien-fondé de leur lutte pour la modification de la législation réprimant pénalement la consommation de cannabis, et sur le fait que personne n'ayant été poursuivi à la suite de la première Fête du Cannabis, il n'est pas admissible de faire aux recourants un procès d'intention en les suspectant sans motif d'incitation à des actes pénalement répréhensibles.
Après avoir dénié la qualité pour agir de "Lôzane Bouge", le Tribunal fédéral a rejeté le recours formé par Bernard Balet dans la mesure où il était recevable, notamment pour les motifs suivants:
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
Mettant l'accent sur l'aspect intellectuel de la réunion projetée, le recourant prétend que l'interdiction incriminée visait en réalité à empêcher un débat public en faveur de la décriminalisation et de la légalisation du cannabis. Il soutient que cette décision est incompatible avec les libertés constitutionnelles, et cela quand bien même des infractions à la loi sur les stupéfiants auraient été largement commises lors de la manifestation précédente et risqueraient d'être à nouveau commises à l'occasion d'une seconde "Fête du Cannabis".
BGE 108 Ia 300 S. 303
L'autorité appelée à se prononcer sur une mesure restrictive de la liberté de réunion ou de la liberté d'opinion ne peut pas refuser une autorisation uniquement parce qu'elle désapprouve les idées et les objectifs politiques des organisateurs, mais elle doit s'en tenir à cet égard à une attitude neutre et objective (
ATF 105 Ia 21
in fine). Seul est déterminant pour elle le danger, direct et imminent, qu'une manifestation pourrait objectivement entraîner pour l'ordre public (
ATF 107 Ia 232
consid. 5b).
Il va cependant de soi que le contenu des opinions à débattre lors d'une réunion peut également entrer en ligne de compte dans l'appréciation de ce danger. Le risque ne peut pas toujours être exclu que les organisateurs incitent, plus ou moins activement, les participants à mettre en pratique leurs idées et que celles-ci soient ainsi la cause d'actes illicites (
ATF 105 Ia 22
;
ATF 58 I 93
consid. 3; GRAZIELLA JACQUAt, La liberté de réunion en droit suisse, thèse Lausanne 1982, p. 50; GIORGIO MALINVERNI, La liberté de réunion, in: Mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève no 68, Genève 1981, p. 126). Le contenu intellectuel des opinions exprimées doit donc d'autant plus être pris en considération lorsqu'il est en rapport direct et étroit avec les autres aspects de la réunion qui présentent un danger d'atteinte à l'ordre public, tant il est vrai que l'autorité doit empêcher l'organisation de réunions qui menacent directement d'entraîner la commission de délits (E. GRISEL, La définition de la police, in: Stabilité et dynamisme du droit dans la jurisprudence du Tribunal fédéral suisse, Bâle 1975, p. 102).
Dans le cas particulier, l'autorité devait nécessairement prendre en considération le contenu idéal d'une manifestation "pour la décriminalisation et la légalisation du cannabis", dès lors qu'elle craignait précisément que la réunion projetée soit l'occasion de nombreuses infractions à la législation sur les stupéfiants. Contrairement à l'exemple, cité par le recourant, des festivals de jazz, il y avait donc une corrélation étroite entre le thème intellectuel de la réunion et les troubles redoutés, corrélation de nature à avoir un effet cumulatif quant au danger d'atteinte à l'ordre public.
4.
Chargée de déterminer, dans le cadre de son pouvoir général de police, si une réunion est susceptible de menacer directement l'ordre public, l'autorité doit faire un pronostic sur son déroulement (cf. G. MALINVERNI, op.cit., p. 122 et 126). En l'occurrence, cette tâche lui était grandement facilitée par le fait qu'une manifestation semblable avait déjà eu lieu l'année
BGE 108 Ia 300 S. 304
précédente. Elle devait d'ailleurs d'autant plus en tenir compte que les requérants se référaient eux-mêmes expressément au "succès de la première Fête du Cannabis" pour demander l'autorisation "de renouveler ... cette expérience positive".
a) La demande d'autorisation du 27 mars 1981 précisait que la fête était "destinée à célébrer l'aspect esthétique du cannabis". Les pièces du dossier ne précisent pas si et dans quelle mesure un tel objectif a été réalisé. Il apparaît, en revanche, que la première "Fête du Cannabis" a pris en fait essentiellement l'allure d'une manifestation prônant la légalisation des "drogues douces" et donnant aux participants l'occasion d'en fumer en anticipant une telle légalisation éventuelle.
aa) Il est vrai que le recourant conteste cette dernière constatation, reprise d'un rapport de la Brigade des stupéfiants, et la qualifie d'arbitraire parce qu'il n'aurait pas eu l'occasion de se prononcer sur ce rapport de police.
Ce dernier allégué est inexact. Il ressort du dossier qu'au cours de la procédure de recours cantonale, le conseil des recourants a eu connaissance de ce rapport de police du 14 mai 1981 par les "Déterminations de la Municipalité de Lausanne au Conseil d'Etat du canton de Vaud", dont ledit rapport constituait l'une des pièces jointes et qu'il s'est prononcé à cet égard dans une réplique du 29 avril 1982. Le grief du recourant porte en réalité sur le résultat de l'administration et de l'appréciation des preuves par l'autorité cantonale. Mais cette appréciation des preuves ne saurait être qualifiée d'arbitraire. Indépendamment du fait qu'un rapport de police constitue, en principe, un moyen de preuve pertinent, sinon toujours concluant, il va de soi que le Conseil d'Etat pouvait aussi tenir compte, à un moindre degré, du contenu de diverses lettres de protestation confirmant la réalité de "fumeries" lors de la première "Fête du Cannabis". Mais surtout, l'exactitude de la constatation en cause est corroborée par les propres déclarations du conseil du recourant, qui exposait ce qui suit, dans sa réplique du 29 avril 1982:
"Y a-t-il eu des fumeries lors de la première Fête du Cannabis? Cela n'est pas exclu, mais les recourants contestent formellement avoir provoqué une telle consommation. Encore une fois, il est de notoriété publique que, dans presque toutes les réunions de jeunes, on peut constater des fumeries de haschisch. Qu'en l'espèce il n'y ait rien eu d'extraordinaire résulte de ce que la Brigade des stupéfiants s'est abstenue d'intervenir, n'a fait aucune dénonciation et même aucune observation à ceux qui ont organisé la
BGE 108 Ia 300 S. 305
première fête."
Le Conseil d'Etat était dès lors fondé à admettre que la première "Fête du Cannabis" avait été l'occasion de nombreuses "fumeries", d'autant plus que le conseil des recourants avait allégué, dans son recours, qu'il "est de notoriété publique que, dans presque toutes les réunions de jeunes, il y a de telles infractions. Qu'on songe par exemple aux nombreux festivals de jazz" (passage repris d'ailleurs textuellement dans le recours de droit public).
Pas plus que d'une violation de l'
art. 4 Cst.
par la constatation susmentionnée, il ne saurait être question d'une violation de l'
art. 6 al. 2 CEDH
. Le grief formulé à cet égard par le recourant est téméraire. Il est évident que l'
art. 6 al. 2 CEDH
ne s'applique qu'en matière pénale ("Toute personne accusée d'une infraction est présumée innocente..."; cf. D. PONCET, La protection de l'accusé par la Convention européenne des droits de l'homme, 1977, p. 32 ss). Le recourant n'ayant fait l'objet d'aucune accusation pénale, sa présumée innocence n'a rien à voir ici.
bb) Les termes mêmes de la demande d'autorisation pour la deuxième "Fête du Cannabis" montrent qu'il s'agissait bien pour les organisateurs de poursuivre l'"expérience" dans toutes ses dimensions, y compris et surtout dans celle orientée vers l'action politique en vue d'une modification de la législation, sans se préoccuper de ce qu'en fait ce serait l'occasion, pour un très grand nombre de personnes - et en particulier de jeunes - de s'adonner ensemble et publiquement aux drogues douces. Le but indiqué - "célébrer la stupéfiante beauté de cette Dicotylédone apétale" - ne peut être interprété que comme un prétexte fallacieux. Cela est confirmé à posteriori par les arguments utilisés par les recourants en procédure, qui tendent à justifier leur action en vue de la modification d'"articles de loi dont le bien-fondé scientifique est sujet à caution", vu "le phénomène de masse que représente la consommation récréative du cannabis". S'il est très vraisemblable que, comme l'indique le recourant, il devait s'agir "d'une réunion sur un problème controversé", le refus d'autorisation ne saurait, toutefois, être considéré comme une censure politique. L'arrêt attaqué précise que "les risques dénoncés proviennent non pas seulement des opinions proférées par les organisateurs mais de la réunion comme telle", et la lettre de la Municipalité du 23 mars 1982 spécifiait que "l'interdiction qui précède ne préjuge en rien de la décision qui pourrait être prise concernant l'éventualité de l'établissement d'un stand d'information au centre-ville". Ce que
BGE 108 Ia 300 S. 306
les autorités ont voulu éviter, ce n'est donc nullement un débat d'idées public, mais bien - compte tenu de l'expérience de 1981 - l'organisation d'une manifestation dont tout portait à penser qu'elle ne pourrait que dégénérer en actes illégaux.
b) Un autre aspect encore de l'expérience faite l'année précédente devait inciter l'autorité à la prudence: les tracts invitant le public à la première "Fête du Cannabis" mentionnaient comme organisateur, à côté de "Lôzane Bouge", un "Mouvement Autonome des Fumeurs" dont il n'avait pas été question dans la procédure d'autorisation. Le dossier ne contient pas d'indication sur ce dernier groupement; on peut toutefois présumer qu'il s'agit d'un mouvement groupant, sinon des fumeurs de haschisch, à tout le moins des militants de la légalisation de ce stupéfiant. En tout état de cause, il apparaît pour ce motif formel déjà que la "Fête" n'a, en réalité, pas respecté les conditions de son autorisation; or, la question de savoir qui est l'organisateur d'une manifestation de ce genre revêt évidemment une importance considérable. Saisies d'une nouvelle requête en 1982, les autorités vaudoises pouvaient et devaient prendre en considération le risque que, nonobstant les indications données par les requérants, d'autres groupements encore, inconnus et incontrôlables, se joignent aux organisateurs officiels pour exercer sur la manifestation une influence d'un poids imprévisible.
c) L'autorité devait enfin considérer le fait que la première "Fête du Cannabis" avait attiré plusieurs centaines de personnes. Il n'y a aucune raison de penser que la seconde n'aurait pas eu au moins le même succès. Il devait donc s'agir d'une manifestation importante.
d) C'est à tort que le recourant tente de se prévaloir de ce qu'aucune poursuite pénale n'a été engagée à la suite de la précédente manifestation. On ne saurait en effet en déduire que des délits n'ont pas été commis, ni même - comme l'allègue le recourant - qu'il ne pouvait s'agir que de quantités minimes au sens de l'art. 19b de la loi sur les stupéfiants, ni à plus forte raison que des délits ne seraient pas commis lors d'un renouvellement de la manifestation. L'argument selon lequel l'autorité cantonale commettrait "un véritable abus de droit en laissant se dérouler sans réagir la première Fête du Cannabis pour tirer parti de sa non-intervention, afin d'interdire la deuxième" est absurde, tendancieux et, partant, téméraire. Il procède en outre d'une confusion entre les compétences des autorités pénales et celles des
BGE 108 Ia 300 S. 307
autorités administratives. En refusant l'autorisation sollicitée en 1982, l'autorité cantonale n'a en aucune manière "tiré parti de sa non-intervention"; elle a simplement, dans le cadre de son appréciation de la situation, pris en considération les faits concrets qui se sont passés en 1981.
e) Il résulte à l'évidence de ce qui précède que l'autorité avait tout lieu de craindre, au vu des expériences faites en 1981, qu'une nouvelle "Fête du Cannabis" provoque des atteintes en tout cas aussi graves à l'ordre public et, notamment, des infractions à la législation sur les stupéfiants. La question de savoir si les organisateurs réels de la manifestation envisagée avaient ou non pour but la consommation ou la vente de produits stupéfiants ou la provocation à la consommation de tels produits n'est pas décisive, dès lors que la "Fête" de 1981 avait entraîné de tels délits. Il était normal et raisonnable de déduire des événements de 1981 que les organisateurs officiels pourraient se voir flanqués d'autres "animateurs", dont ils ne pourraient empêcher une éventuelle activité provocatrice et délictuelle. Il était, par conséquent, justifié aussi que l'autorité communale se laisse guider par le souci de prévenir la commission fort probable de nouveaux délits dans des circonstances analogues, en refusant un permis sollicité par des organisateurs qui devaient être considérés comme des perturbateurs au sens large de la jurisprudence actuelle (
ATF 107 Ia 62
consid. 5b).
L'organisation d'une seconde "Fête du Cannabis" dans les circonstances données impliquait, sans aucun doute, objectivement, le risque d'un danger direct et imminent d'une grave atteinte à l'ordre public, ce qui imposait impérativement à l'autorité responsable de la sauvegarde de cet ordre public d'empêcher une telle manifestation. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b01a5077-c545-4352-a35c-12b759266a6f | Urteilskopf
122 IV 197
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Juni 1996 i.S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 146 StGB
; Prozessbetrug, Arglist.
Auch der sogenannte Prozessbetrug fällt unter den allgemeinen Betrugstatbestand. Betrug begeht, wer das Gericht durch Täuschung veranlasst, zum Nachteil des Prozessgegners zu entscheiden (E. 2; Änderung der in
BGE 78 IV 84
begründeten Rechtsprechung).
Arglist in der Form der besonderen Machenschaften (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 122 IV 197 S. 197
A.-
P. und K. verkauften am 15. Juli 1988 ein Grundstück mit zwei im Umbau befindlichen Mehrfamilienhäusern. Im Streit um den Vertragsinhalt erhoben die Käufer eine Forderungsklage und schliesslich am 5. Dezember 1990 eine Strafklage. Im Strafverfahren erwiesen sich die von P. im Zivilverfahren eingereichten Kreditorenlisten, die Bauabrechnung und die Belege als falsch. K. stützte sich ebenfalls auf diese Beweismittel.
B.-
Das Bezirksgericht Rorschach verurteilte am 25. Februar 1994 P. wegen mehrfacher Urkundenfälschung und Erschleichens einer falschen Beurkundung
BGE 122 IV 197 S. 198
zu 5 Monaten Gefängnis bedingt, sprach ihn aber von der Anklage des Betrugs, der Veruntreuung und der versuchten Anstiftung zur Urkundenfälschung frei. Es verurteilte K. wegen Erschleichens einer falschen Beurkundung zu 3 Wochen Gefängnis bedingt und sprach ihn von der Anklage des Betrugs frei.
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte am 19. September 1995 beide Verurteilten auch wegen versuchten Betrugs und bestätigte die weitern Schuldsprüche. Es bestrafte P. mit 10 Monaten Gefängnis bedingt und K. mit 5 Monaten Gefängnis bedingt.
C.-
P. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben, die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. Er macht geltend, der Schuldspruch wegen versuchten Betrugs verletze Bundesrecht und eine Arglist und Bereicherungsabsicht fehlten.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Das Bezirksgericht sprach den Beschwerdeführer von der Anklage des versuchten Betrugs frei, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 78 IV 84
;
BGE 103 IV 27
E. 5c) Prozessbetrug nicht von Art. 148 aStGB erfasst sei.
Die Vorinstanz stellt diese Rechtsprechung in Frage und verurteilte den Beschwerdeführer wegen versuchten Betrugs. In der schweizerischen Literatur werde die Praxis des Bundesgerichts überwiegend kritisiert, und die kantonalen Gerichte wichen teilweise von dieser Praxis ab, so das Obergericht des Kantons Zürich (SJZ 79/1983 Nr. 41) und das Obergericht des Kantons Thurgau (RS 1983 Nr. 585). Auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung seien sich heute einig, dass der Prozessbetrug einen Anwendungsfall des Betrugstatbestands bilde. Nach dem Wortlaut von Art. 148 aStGB beziehungsweise
Art. 146 StGB
müssten Getäuschte und Geschädigte nicht identisch sein. Damit werde bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten ein Prozessbetrug möglich. Der Betrugstatbestand verlange seinem Sinn und Zweck nach nicht, dass der Getäuschte oder die Person, die dieser vertrete, dem Betrüger oder einer von ihm vertretenen Person als Partei im privaten Rechtsgeschäftsverkehr gegenüberstehe. Er setze lediglich voraus, dass der Getäuschte durch sein "Verhalten" sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädige. Dieses Verhalten erfasse nebst dem Verhalten im privaten
BGE 122 IV 197 S. 199
Rechtsgeschäftsverkehr auch das hoheitliche Handeln des Richters. Werde der Richter in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit von einer Prozesspartei oder ihrem Vertreter arglistig getäuscht und dadurch zu einer das Vermögen des Prozessgegners schädigenden Entscheidung veranlasst, so schädige er durch sein Verhalten einen anderen am Vermögen. Der Betrugstatbestand pönalisiere jegliches Verhalten, das andere arglistig täusche und am Vermögen schädige. Es erscheine stossend, nur denjenigen wegen Betrugs zu bestrafen, der einen potentiellen Prozessgegner im vorprozessualen Stadium durch arglistige Täuschung zu einer vermögensschädigenden Verfügung veranlasse, nicht aber jenen, der seinen Prozessgegner während des Gerichtsverfahrens durch arglistige Täuschung des Richters schädige. Der Unrechtsgehalt sei in beiden Fällen mehr oder weniger gleich. Die
Art. 306 und 307 StGB
stellten zwar die Irreführung des Richters unter Strafe; sie schützten aber die Ermittlung der materiellen Wahrheit im gerichtlichen Verfahren und nur mittelbar die Interessen des Prozessgegners. Diese Tatbestände kämen nicht zum Tragen, wenn der Richter durch Einreichen falscher, gefälschter oder inhaltlich unwahrer Urkunden arglistig getäuscht werde.
2.
Als "Prozessbetrug" gilt die arglistige Täuschung des urteilenden Richters durch unwahre Tatsachenbehauptungen der Prozessparteien, die darauf abzielen, ihn zu einem das Vermögen einer Prozesspartei oder Dritter (materiell unbegründet) schädigenden Entscheid zu bestimmen.
a) Das Bundesgericht lehnte es in
BGE 78 IV 84
ab, den Prozessbetrug nach Art. 148 aStGB zu beurteilen, weil sich das weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus dem Gesetz ergebe: Aus den (nicht bindenden) Materialien lasse sich nicht schliessen, dass unter dem "Verhalten" im Sinne von Art. 148 aStGB notwendigerweise auch eine Urteilsfällung verstanden werden müsse; und werde das Gesetz aus sich selbst heraus ausgelegt, halte die Auffassung nicht stand, dass die Erwirkung eines die Gegenpartei schädigenden Urteils durch Irreführung des Richters Betrug sei. Diese Entscheidung ging vom Grundgedanken aus, der Betrugstatbestand schütze die freie Willensbildung von sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr als "Parteien" gegenüberstehenden Privatrechtssubjekten. Beim sogenannten Prozessbetrug dagegen stehe der Richter weder im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit einer Partei noch handle er als deren Vertreter. Er stehe über den Parteien und spreche Recht, auch wenn er gestaltend in das Vermögen
BGE 122 IV 197 S. 200
einer Partei eingreife. Gegen eine Irreführung des Richters schützten andere Bestimmungen (besonders
Art. 306 und 307 StGB
), so dass für den Betrugstatbestand kein Bedürfnis bestehe.
In
BGE 103 IV 27
E. 5c, einem Kontingentsbetrugsfall, führte das Bundesgericht aus, die Kontingentsbehörde handle hoheitlich und "verhalte" sich daher nicht im Sinne von Art. 148 aStGB. Analoges gelte beim sogenannten Prozessbetrug: Auch dort sei der hoheitlich verfügende Richter weder Geschädigter noch dessen Vertreter, weshalb der Prozessbetrug nicht unter Art. 148 aStGB falle. Es bestehe kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen, dies um so weniger, als nunmehr der Kontingentsbetrug vom Tatbestand des Leistungs- und Abgabebetrugs von
Art. 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStrR; SR 313.0)
erfasst werde (die Bestimmung war aber nicht rückwirkend anwendbar).
b) Die ersten Kommentatoren des schweizerischen Strafgesetzbuchs gingen von einer Anwendbarkeit des Betrugstatbestands auf den Prozessbetrug aus, bemerkten aber bereits eine Unsicherheit in der Rechtsprechung (GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, Zürich 1942, S. 276; GRAVEN, L'escroquerie en droit pénal suisse, Basel 1947, S. 33; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Berlin 1937, S. 269 f.; THORMANN/VON OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, Zweiter Band, Zürich 1941, N. 8 zu Art. 148 aStGB; ferner MAX GRÜNHUT, Der strafrechtliche Schutz loyaler Prozessführung, ZStrR 51/1937 S. 43-79, 77).
BGE 78 IV 84
wurde denn auch sogleich grundsätzlich in Frage gestellt (WAIBLINGER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1952, ZbJV 91/1955 S. 101-104; WALDER, Der Prozessbetrug, SJZ 50/1954 S. 105-111) und anschliessend fortlaufend kritisiert. NOLL fand, dieser Entscheid lasse sich methodisch und dogmatisch nur schwer rechtfertigen, während er
BGE 103 IV 27
in der Sache zustimmte (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Zürich 1983, S. 200). Nach ARDINAY dient der Betrugstatbestand nicht nur dem Schutz der Wahrheit im privaten Rechtsgeschäftsverkehr. Der getäuschte Richter entscheide kraft obrigkeitlicher Machtbefugnis, treffe so eine dem Geschädigten nachteilige Disposition, und dieses Verhalten könne einen Vermögensschaden bewirken (Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86/1970 S. 325). REHBERG betrachtet Verfügungen staatlicher Organe als Vermögensdispositionen im Sinne des Betrugstatbestands (Strafrecht III, 5. Auflage, Zürich 1990, S. 134). SCHUBARTH setzt für die Vermögensverfügung eine rechtliche Befugnis zur
BGE 122 IV 197 S. 201
Verfügung über fremdes Vermögen voraus, und diese Befugnis habe auch der Richter, der über eine strittige Forderung entscheidet (Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer Teil,
Art. 148 StGB
N. 62 und 63). STRATENWERTH führt aus, zweifellos spreche der Richter Recht, doch könne darin zugleich eine Vermögensverfügung liegen.
BGE 103 IV 27
erweitere den früheren Entscheid auf alle kraft hoheitlicher Gewalt getroffenen Verfügungen und sei in dieser Allgemeinheit kaum haltbar, auch wenn sich bei betrügerischem Verhalten gegenüber dem Staat im einzelnen zahlreiche Zweifelsfragen stellten (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage, Bern 1995, § 15 N. 36). TRECHSEL merkt an, das Urteil sei mit Recht kritisiert worden (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989, N. 18 zu Art. 148 aStGB).
Auch kantonale Gerichte haben - wie die Vorinstanz - abweichend entschieden oder sind nur zögernd der Praxis des Bundesgerichts gefolgt (Nachweise a.a.O. bei ARDINAY, HAFTER und TRECHSEL).
Die (neuere) deutsche Lehre und Rechtsprechung anerkennen den Prozessbetrug und nehmen für eine Tatbestandsmässigkeit keine grundsätzlichen Besonderheiten an. Grundsätzliche Bedenken ergeben sich auch nicht daraus, dass ein hoheitlich handelnder Richter als Werkzeug missbraucht wird. Der Prozessbetrug wird strukturell als Dreiecksbetrug im Zivilprozess verstanden. Doch ist darauf hinzuweisen, dass nach dem im Jahre 1933 eingeführten § 138 dtZPO im Zivilprozess eine Wahrheitspflicht gilt und § 263 dtStGB nur eine Täuschung und keine Arglist voraussetzt. Nach den deutschen Erfahrungen scheint die strafrechtliche Verfolgung aufgrund unwahrer Behauptungen im Zivilprozess eher die Ausnahme als die Regel zu sein (vgl. LACKNER, Leipziger Kommentar, 10. Auflage, § 263 N. 110, 305 ff.; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, Strafgesetzbuch, 24. Auflage, § 263 N. 68 ff.; ULRICH EISENBERG, Wahrheitspflicht und Prozessbetrug [
§ 263 StGB
] im Zivilrechtsstreit, Festschrift Hannskarl Salger, Köln 1995, S. 15-29; JÜRGEN SEIER, Prozessbetrug durch Rechts- und ungenügende Tatsachenbehauptungen, ZStW 102/1990 S. 563-95).
In der französischen Lehre und Rechtsprechung blieb die Beurteilung dieses Sachverhalts ebenfalls lange umstritten. Eingewendet wurde, dass Getäuschter (Richter) und Geschädigter nicht identisch sind, der Richter gerade wahr und falsch scheiden müsse, der Betrugstatbestand die Rolle der Delikte gegen die Rechtspflege übernehme und der im Zivilprozess
BGE 122 IV 197 S. 202
geschädigten Partei der zivilprozessual nicht vorgesehene strafprozessuale Rechtsweg als Zivilkläger geöffnet werde. Für Betrug sprach, dass der Richter eben getäuscht werden kann, und es widersinnig erschien, einen ausserprozessual gescheiterten Betrüger sein Ziel ungestraft durch die Täuschung des Richters erreichen zu lassen. Die französische Rechtsprechung qualifiziert diese Sachverhalte denn auch seit dem Jahre 1973 einheitlich als Prozessbetrug (escroquerie dite "au jugement", escroquerie par une procédure), so dass dieser Qualifikation heute positivrechtliche Bedeutung zukommt (MICHÈLE-LAURE RASSAT, Escroquerie [Art. 313-1 Code pénal français], Juris-Classeur Pénal 2/1996 N 142-144).
c) Die in
BGE 78 IV 84
begründete Praxis ist zu überprüfen. Das Bundesgericht war im Grundsatzentscheid lediglich zum Ergebnis gelangt, aus der Entstehungsgeschichte von Art. 148 aStGB lasse sich nicht schliessen, dass auch die Ausfällung eines richterlichen Urteils um Vermögenswerte erfasst sei; im übrigen sei der Richter nicht an die Materialien gebunden (
BGE 78 IV 84
E. 1). Zur Hauptsache wurde der Entscheid mit dem "Wesen des Betruges" begründet, wonach der Tatbestand die rechtsgeschäftliche Willensbildung schütze und daher den Prozessbetrug nicht erfasse. Die neuere Gesetzgebung und Rechtsprechung haben diese Auslegung bereits in Frage gestellt. So wurde entschieden, dass das Erschleichen kantonaler Studienbeiträge mit gefälschten Urkunden (
BGE 112 IV 19
) und die Erschleichung von Schlechtwetterentschädigungen (
Art. 105 AVIG
; SR 837.0;
BGE 117 IV 153
) einen Betrug nach Art. 148 aStGB darstellen können. Dieses Konzept, dass eine über Gelder entscheidende Behörde betrogen werden kann, liegt den
Art. 14 und 15 VStrR
zugrunde. Es ist nicht einsichtig, weshalb das gerade dann nicht gelten soll, wenn ein Richter entscheidet, respektive dass dies nur gelten soll, wenn es um öffentliche Gelder geht. Der Schutz des allgemeinen Betrugstatbestands geht über den rechtsgeschäftlichen Verkehr hinaus, und das Tatbestandsmerkmal "Verhalten" erfasst auch die richterliche Urteilsfindung, weil der Arglistige den Richter in einen Irrtum versetzen kann und ihn so als "Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser [...] einen andern am Vermögen schädigt" (
Art. 146 StGB
; vgl. WAIBLINGER, a.a.O.; WALDER, a.a.O., S. 109). Weil wohl Getäuschter und Verfügender, nicht aber Verfügender und Geschädigter identisch sein müssen, kann der Betrüger einen Angriff auf fremdes Vermögen auch dadurch unternehmen, dass er den urteilenden Richter zu einem materiell unrichtigen Entscheid bestimmt.
BGE 122 IV 197 S. 203
Wie ausgeführt, lässt sich
BGE 78 IV 84
nicht anders verstehen, als dass dieser Entscheid das Schutzobjekt des Betrugstatbestands wesentlich in der freien Willensbildung sich rechtsgeschäftlich gegenüberstehender Privatrechtssubjekte sah und deshalb eine Anwendbarkeit beim hoheitlich handelnden Richter wegen dessen fehlender Parteistellung verneinte. Diese rechtsgeschäftliche Auffassung führte dazu, die Vermögensrechte lediglich als von der Willensbildung abhängig geschützt zu betrachten (a.a.O., S. 90 Mitte). Der Entscheid stützte sich zudem auf Grünhut, der den Schaden als Auswirkung eines staatlichen Aktes und den Betrugstatbestand als auf den privaten Verkehr zugeschnitten betrachtete (a.a.O., S. 72). Diese mit einer Sonderstellung des Richters argumentierende Lehre überzeugte damals nicht und gilt heute als gänzlich überwunden (EISENBERG, a.a.O., S. 23 Fn. 60; SEIER, a.a.O., S. 564 f.). Nach heutiger Ansicht ist ausschliessliches Rechtsgut des Betrugs das Vermögen (MARKUS BOOG, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss. Basel 1991, S. 7 f.). Ist demnach der Betrug als Vermögensverschiebungsdelikt zu verstehen, bildet nicht die rechtsgeschäftliche Willensbildung oder ein entsprechender Verkehrsschutz das wesentliche Kriterium, sondern eben die Schädigung des Vermögens. Entscheidend ist dann, dass der Täter den Getäuschten zu einem vermögensmindernden Verhalten bestimmt. Eine Verfügungsmacht des Richters ist sodann aufgrund seiner amtlichen Zuständigkeit ebenso zu bejahen wie eine unmittelbar vermögensmindernde Wirkung des Urteils, selbst wenn es noch zu vollstrecken ist; mit der Urteilsfällung gilt der Betrug als vollendet (vgl.
BGE 74 IV 146
E. 2).
Schliesslich ist in dieser Konstellation ein Motivationszusammenhang der richterlichen Entscheidfindung ebenso unzweifelhaft anzunehmen wie die Kausalität zwischen der richterlichen Vermögensverfügung und dem eingetretenen Schaden (vgl. LACKNER, a.a.O., § 263 N. 310).
d) Zusammenfassend fällt der Sonderfall des Prozessbetrugs unter den allgemeinen Betrugstatbestand. Für eine Tatbestandsmässigkeit gelten keine grundsätzlichen Besonderheiten. Die in
BGE 78 IV 84
begründete Praxis wird aufgegeben. Des Betrugs macht sich daher auch schuldig, wer den Tatbestand durch Irreführung des Gerichts begeht.
Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie annimmt, der sogenannte Prozessbetrug falle unter Art. 148 aStGB beziehungsweise
Art. 146 StGB
.
BGE 122 IV 197 S. 204
3.
a) Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer zur Bestreitung von Arglist und Bereicherungsabsicht von einem andern als dem festgestellten Sachverhalt ausgeht (
BGE 120 IV 16
E. 2b). Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (
Art. 269 Abs. 1 und
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). An die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid ist das Bundesgericht gebunden (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
). Dazu zählen auch die inneren Sachverhalte wie Beweggründe und Absichten (
BGE 119 IV 242
E. 2c;
BGE 110 IV 20
E. 2).
Im vorliegenden Verfahren ist einzig die Tatsache der Einreichung und Verwendung unwahrer Beweismittel unter betrugsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, nicht aber die Vertragsauslegung oder die materielle Begründetheit der Parteistandpunkte. Ebensowenig ist die im kantonalen Verfahren rechtskräftig beurteilte Frage des Urkundencharakters der Beweismittel zu prüfen.
b) Nach der Vorinstanz stehen die Prozessparteien den Behauptungen und Beweismitteln der Prozessgegner besonders kritisch gegenüber und kontrollierten sich gegenseitig. Doch sei eine Arglist dann zu bejahen, wenn falsche Beweismittel, insbesondere gefälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden, eingereicht würden, um damit nicht der Wahrheit entsprechende Parteibehauptungen zu beweisen.
Der Beschwerdeführer habe in seiner Klageantwort und Widerklage wahrheitswidrig ausgeführt, auf der Liegenschaft seien durch Umbauarbeiten und Gebühren Kosten von insgesamt Fr. 1'039'203.85 aufgelaufen und die spätern, der Widerklage zugrundeliegenden Umbauarbeiten hätten Kosten von Fr. 579'976.95 verursacht. Er habe zur Untermauerung dieser Behauptungen eine inhaltlich unwahre Bauabrechnung und zwei inhaltlich unwahre Listen von bezahlten Kreditoren samt Belegen eingereicht; weiter habe er zur Abstützung der Kreditorenlisten insgesamt acht gefälschte oder verfälschte Urkunden und dreizehn inhaltlich unwahre Urkunden ins Recht gelegt. Das seien keine einfachen Lügen. Er habe seine wahrheitswidrigen Behauptungen auf eine unrichtige Bauabrechnung, aufgeblähte Kreditorenlisten und gefälschte, verfälschte und inhaltlich unwahre Urkunden abgestimmt und sich damit besonderer Machenschaften bedient. Die Unrichtigkeit der Belege sei nicht leicht durchschaubar gewesen.
c) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nicht arglistig gehandelt. Er habe weder ein Lügengebäude errichtet noch sich besonderer Machenschaften bedient. Er habe einzig die Kreditorenliste dilettantisch
BGE 122 IV 197 S. 205
erweitert. Nach dem Untersuchungsrichter hätten die Strafkläger die Sachdarstellung nie geglaubt. Es handle sich um einfache Lügen, deren Unwahrheit aufgrund der Prozessakten sofort feststellbar und deren Überprüfung jederzeit ohne besondere Mühe möglich gewesen sei.
d) Eine blosse falsche Angabe, welche die Gegenpartei ohne besondere Mühe auf ihre Richtigkeit hin überprüfen kann, gilt seit jeher nicht schon als arglistig (
BGE 72 IV 12
). Bei besonderen Machenschaften kam es dagegen auf eine Überprüfbarkeit nicht an (
BGE 73 IV 24
E. 1;
BGE 74 IV 146
E. 1;
BGE 116 IV 23
E. 1c;
BGE 119 IV 28
E. 3a). Diese früher ebenso für die Tatbestandsmässigkeit des "Lügengebäudes" geltende Rechtsprechung, dass es auf eine Überprüfbarkeit nicht ankomme, wurde in
BGE 119 IV 28
präzisiert: Nach diesem Entscheid ist bei einer Summierung von Lügen erst dann ein Lügengebäude und mithin Arglist anzunehmen, wenn die Lügen von besonderer Hinterhältigkeit zeugen und derart raffiniert aufeinander abgestimmt sind, dass sich auch das kritische Opfer täuschen lässt. Ist das nicht der Fall, scheidet Arglist jedenfalls dann aus, wenn sowohl das vom Täter gezeichnete Bild insgesamt, als Ganzes, wie auch die falschen Angaben für sich allein in zumutbarer Weise überprüfbar gewesen wären und schon die Aufdeckung einer einzigen Lüge zur Aufdeckung des ganzen Schwindels geführt hätte (a.a.O., E. 3 mit Hinweis auf WILLI WISMER, Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug, Diss. Zürich 1988, S. 53 ff. und 113). Dieser Grundgedanke des Einbezugs des Opfers (
BGE 120 IV 186
E. 1a;
BGE 119 IV 210
E. 3c) ist auch im Falle von Machenschaften im Prozess zu berücksichtigen, so dass nicht unbesehen der konkreten Umstände eine Arglist bejaht werden darf.
Als besondere Machenschaften (machinations) gelten Erfindungen und Vorkehrungen sowie das Ausnützen von Begebenheiten, die allein oder gestützt durch Lügen oder Kniffe (manoeuvres frauduleuses) geeignet sind, das Opfer irrezuführen oder es in seinem Irrtum zu bestärken. Diesen Sachverhalt erfüllt insbesondere das Vorlegen rechtswidrig erlangter oder gefälschter Urkunden und Belege (
BGE 106 IV 358
E. 2a [systematische Verwendung unechter akademischer Titel durch einen Psychologen],
BGE 116 IV 23
E. 2c [gestohlenes Namen-Sparheft];
BGE 117 IV 153
E. 4b [inhaltlich unwahre Stempelkarten];
BGE 120 IV 14
[Erstellen inhaltlich unwahrer Rechnungen],
BGE 120 IV 186
[Verwendung fingierter Dokumente]). Machenschaften sind eigentliche Inszenierungen (mise en scène); sie bestehen aus einem ganzen System von Lügen (
BGE 119 IV 284
E. 6b) und setzen damit gegenüber einer
BGE 122 IV 197 S. 206
Summierung von Lügen (zum Lügengebäude
BGE 119 IV 28
E. 3b und c) höhere Anforderungen an die Vorbereitung, Durchführung und Wirkung der Täuschungshandlung. Sie kennzeichnen sich durch intensive, planmässige und systematische Vorkehren, nicht aber notwendigerweise durch eine besondere tatsächliche oder intellektuelle Komplexität. Diese Inszenierungen können an sich einfach sein wie der Verkauf anderer als der bestellten Waren (
BGE 99 IV 80
;
BGE 71 IV 13
E. 4).
Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten wird, an eine Arglist seien im Prozessbetrug erhöhte Anforderungen zu stellen (SCHUBARTH, a.a.O., Art. 148 N. 63), kann das nur bedeuten, dass der Strafrichter bei der Beurteilung der Arglist der konkreten Prozessituation und Verfahrensart im Rahmen der zur Arglist entwickelten Kriterien Rechnung tragen muss.
e) Das prozessuale Vorgehen des Beschwerdeführers stellt zweifellos eine Machenschaft dar. Er erstellte eine unrichtige Bauabrechnung und aufgeblähte Kreditorenlisten, die er mit einer grossen Zahl gefälschter, verfälschter und inhaltlich unwahrer Urkunden und Belege stützte, um so Investitionen in der Höhe von einer Million Franken nachzuweisen. Er stellte somit systematisch und planmässig unwahre Beweismittel her und stimmte sie aufeinander ab. Die Vorinstanz qualifizierte diese Vorkehren zu Recht als besondere Machenschaften, die das Arglistmerkmal erfüllen. Zudem gingen der Beschwerdeführer und der Mitverurteilte in ihren Klageantworten gestützt auf die gleiche Bauabrechnung vor, so dass die Vorinstanz eine gemeinsame Prozessstrategie und einen koordinierten Vorsatz im Sinne der Mittäterschaft annehmen durfte. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers schliessen dilettantische Vorkehren eine besondere Machenschaft nicht aus. Der weitere Einwand, die Zivilkläger hätten sich tatsächlich nicht täuschen lassen, ist irrelevant, weil es einerseits um eine Täuschung des Gerichts ging, und anderseits der Versuch gerade darin besteht, dass wohl der subjektive Tatbestand, nicht aber sämtliche objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind; das zivilrechtliche Beweisverfahren war bei Einleitung des Strafprozesses denn auch nicht abgeschlossen gewesen. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0250044-b7fa-4878-92de-300e8d2a574e | Urteilskopf
100 Ib 494
81. Estratto della sentenza 20 dicembre 1974 nella causa Missarelli e Foppoli contro Confederazione Svizzera. | Regeste
Verantwortlichkeit des Bundes für das Verhalten seiner Beamten; Haftung wegen willkürlichen Entzugs der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde oder wegen willkürlicher Verweigerung ihrer Wiederherstellung.
Art. 3 VG
, 55 Abs. 4 VwG.
1. Soweit der geltend gemachte Schaden daraus abgeleitet wird, dass willkürlich einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen oder diese nicht wiederhergestellt worden sei, ist gemäss dem Vorbehalt in
Art. 3 Abs. 2 VG
anstelle des Abs. 1 ebenda als Sonderbestimmung Art. 55 Abs. 4 VwG anwendbar (Erw. 1, 4).
2. Bevor die Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzieht oder deren Wiederherstellung ablehnt, muss sie die konkreten Umstände, die ihr bekannt sind, sorgfältig würdigen (Erw. 2).
3. Fall, in dem der mit einer Einreisesperre verbundene Entzug der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nicht als willkürlich erachtet wird (Erw. 2 a), wohl aber die Ablehnung der Wiederherstellung durch die Beschwerdeinstanz (Erw. 2 b). | Sachverhalt
ab Seite 495
BGE 100 Ib 494 S. 495
Missarelli e Foppoli, cittadini italiani domiciliati in provincia di Sondrio (Italia) esercitavano nel 1972 un servizio di taxi. Tra gli altri clienti essi trasportavano da Tirano nella Val di Poschiavo contrabbandieri, che lasciavano in località svizzere prossime al confine. I contrabbandieri rientravano poi in Italia per conto proprio con merce di contrabbando, mentre i due tassisti vi ritornavano con la loro vettura attraverso i valichi stradali autorizzati.
In seguito ad una segnalazione del Posto di polizia cantonale di Campocologno e di una proposta della Divisione di polizia grigionese, la Polizia federale degli stranieri emanava il 7 settembre un divieto d'entrata per la durata di due anni nei confronti di Missarelli e di Foppoli, perchè stranieri "il cui comportamento ha dato adito a lagnanza (trasporti giornalieri di contrabbandieri attraverso la frontiera svizzera)". Nelle rispettive decisioni era previamente tolto, ai sensi dell'art. 55 cpv. 2 PAF, l'effetto sospensivo di un eventuale ricorso. Gli interessati venivano a conoscenza di detti provvedimenti il 22 settembre 1972. Essi ricorrevano il 2 ottobre 1972 al Dipartimento federale di giustizia e polizia e chiedevano nello stesso tempo la restituzione dell'effetto sospensivo, che veniva loro negata il 20 ottobre 1972.
Il 30 novembre 1972 la Polizia federale degli stranieri, su proposta della Divisione di Polizia grigionese, revocava con effetto immediato i divieti di entrata; il 14 dicembre 1972 il
BGE 100 Ib 494 S. 496
Dipartimento federale di giustizia e polizia stralciava pertanto dai ruoli i ricorsi perchè divenuti privi di oggetto.
Il 17 gennaio 1973 Missarelli e Foppoli chiedevano al Dipartimento federale di giustizia e polizia che ad ognuno di loro fosse accordata un'indennità di Fr. 2000.-- per perdita di guadagno e un importo di Fr. 1000.-- a titolo di ripetibili. Il 17 agosto 1973 il Dipartimento federale delle finanze e delle dogane respingeva la domanda d'indennità, dando avviso a Missarelli e Foppoli del loro diritto di promuovere nel termine di sei mesi un'azione di diritto amministrativo avanti il Tribunale federale. Tale azione è stata proposta il 16 aprile 1974. Nel corso della procedura gli attori hanno insistito, tra l'altro, sul numero elevato di contrabbandieri che varcano ogni giorno il confine con veicoli italiani o svizzeri, senza che il loro comportamento dia luogo a provvedimenti da parte delle autorità, pur essendo queste a conoscenza della loro attività. Essi avevano già sottolineato tale aspetto nel loro ricorso al Dipartimento federale di giustizia e polizia.
Il Tribunale federale ha accolto la domanda per i seguenti motivi.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
La legge federale sulla responsabilità enuncia un principio, al quale segue una riserva. L'art. 3 LResp. dichiara nel suo cpv. 1 che la Confederazione risponde del danno cagionato da un funzionario nell'esercizio delle sue funzioni, senza riguardo alla colpa del funzionario. Il cpv. 2 precisa che, quando la responsabilità per determinati fatti è disciplinata in atti legislativi speciali, questi sono applicabili alla responsabilità della Confederazione. Nel caso in esame entra in considerazione uno di tali atti legislativi speciali, ossia la PAF, il cui art. 55 cpv. 4 disciplina la responsabilità che insorge ove sia tolto arbitrariamente l'effetto sospensivo, od ove sia stata respinta o accolta con ritardo la domanda di restituzione di tale effetto.
Per determinare nella fattispecie la sfera d'applicazione rispettiva dell'art. 3 cpv. 1 LResp. e dell'art. 55 cpv. 4 PAF giova ricordare alcune date rilevanti. Il 7 settembre 1972 la Polizia federale degli stranieri pronunciava i divieti d'entrata, togliendo l'effetto sospensivo ad un eventuale ricorso; le relative
BGE 100 Ib 494 S. 497
decisioni venivano a conoscenza degli attori il 22 settembre 1972. Il 2 ottobre 1972 questi presentavano ricorso al Dipartimento federale di giustizia e polizia e chiedevano la restituzione dell'effetto sospensivo. Il 20 ottobre 1972 il Dipartimento negava tale restituzione. Il 30 novembre l'autorità di prima istanza, invitata a presentare le proprie osservazioni al ricorso, revocava i divieti d'entrata. Il 14 dicembre 1972 il Dipartimento stralciava dai ruoli il ricorso come divenuto privo d'oggetto. Secondo gli attori, il Posto di polizia di Campocologno, attraverso il quale essi solevano passare abitualmente, è stato avvisato della revoca dei divieti d'entrata alla metà di dicembre.
Poichè i divieti d'entrata erano immediatamente esecutivi, il pregiudizio patito dagli attori nel periodo compreso tra la data della notificazione di tali provvedimenti, ossia il 22 settembre 1972, e l'avvenuta notificazione all'autorità di ricorso del gravame da loro proposto, ossia uno o due giorni dopo il 2 ottobre 1972, non è derivato dalla soppressione dell'effetto sospensivo, nè dal rifiuto della sua restituzione. Per questa ragione l'eventuale responsabilità della Confederazione per il danno insorto durante il citato periodo può essere fondata esclusivamente sull'art. 3 cpv. 1 LResp.
Per converso, il danno intervenuto dal giorno in cui il ricorso è pervenuto all'autorità competente, ossia da uno o due giorni dopo il 2 ottobre 1972, sino al giorno della revoca effettiva dei divieti d'entrata, ossia sino a metà dicembre, è dipeso, dapprima, dalla soppressione dell'effetto sospensivo, e, in seguito, dal rifiuto della sua restituzione. Ne segue che il risarcimento del pregiudizio insorto durante questo periodo può essere chiesto soltanto in applicazione dell'art. 55 cpv. 4 PAF, quale norma della legislazione speciale.
Poichè la sfera d'applicazione dell'art. 55 cpv. 4 PAF appare nella fattispecie più ampia di quella dell'art. 3 cpv. 1 LResp., è d'uopo esaminare la questione della responsabilità in primo luogo sotto il profilo dell'art. 55 cpv. 4 PAF e poi, ove l'azione non risulti fondata su questa base, sotto il profilo dell'art. 3 cpv. 1 LResp.
2.
L'art. 55 cpv. 4 PAF subordina la responsabilità della Confederazione al carattere arbitrario della soppressione del-l'effetto sospensivo oppure del rifiuto o ritardo della sua restituzione. Secondo la giurisprudenza, l'autorità chiamata a decidere
BGE 100 Ib 494 S. 498
dell'effetto sospensivo di un ricorso deve ponderare gli opposti interessi; secondo che sia prevalente quello a favore dell'effetto sospensivo o quello ad esso contrario, manterrà o toglierà l'effetto sospensivo, e, in caso di ricorso, lo restituirà o rifiuterà di restituirlo. Disponendo di una certa latitudine di giudizio, essa si fonderà in generale sui documenti di cui dispone al momento del giudizio, senza ordinare un complemento di prove. L'autorità terrà conto delle probabilità di esito favorevole nel merito solo in assenza di seri dubbi (RU 99 I b 221). In particolare, per quanto concerne specificamente l'art. 55 cpv. 4 PAF, la sua applicazione non dipende dall'accoglimento nel merito del ricorso di colui che si duole di non aver fruito dell'effetto sospensivo. Posta dal Consiglio federale nell'art. 50 cpv. 5 del suo progetto della PAF (FF 1965 II, pag. 942), questa condizione non figura più nel testo vigente del corrispondente art. 55 cpv. 4, ciò che lascia supporre sia stata abbandonata intenzionalmente. In seguito alla revoca dei divieti d'entrata, gli attori si sono d'altronde venuti trovare nella medesima situazione in cui si sarebbero trovati ove il loro ricorso fosse stato accolto.
a) Ci si può chiedere se fosse giustificato che la Polizia federale degli stranieri, nel pronunciare il 7 settembre 1972 i divieti d'entrata, togliesse immediatamente l'effetto sospensivo ad un eventuale ricorso. E'infatti assai dubbio che l'immediata esecutività corrispondesse nella fattispecie realmente all'interesse pubblico. Gli attori non esercitavano il contrabbando e si limitavano a trasportare in Svizzera contrabbandieri che, come è stato dichiarato da terzi, non necessitavano affatto dei tassisti per svolgere il contrabbando. Non era pertanto urgente intervenire contro gli attori, anche se indesiderabili ai sensi dell'art. 13 LDDS, fintantochè i contrabbandieri potessero continuare a penetrare senza difficoltà in Svizzera. Al contrario, è verosimile che tale immediata esecutività del divieto d'entrata non servisse a niente. D'altra parte, questa esecutività immediata privava gli attori durante un certo tempo di una parte importante, o addirittura principale, del loro reddito. In tale particolare situazione di fatto l'interesse a togliere l'effetto sospensivo era minore di quello volto a mantenerlo; giova al proposito ricordare che, ai sensi dell'art. 55 cpv. 1 PAF, un ricorso comporta normalmente l'effetto sospensivo, sì che la soppressione del medesimo deve essere vagliata
BGE 100 Ib 494 S. 499
attentamente. Pur essendo nella fattispecie ingiustificata la soppressione dell'effetto sospensivo ad un eventuale ricorso, si può esitare a qualificarla arbitraria. Di regola, i divieti d'entrata, per essere efficaci, devono poter essere esecutivi malgrado la presentazione di un ricorso. Per questa ragione la soppressione dell'effetto sospensivo figura in una clausola a stampa contenuta nel modulo adoperato per tali decisioni. Inoltre, nel caso in esame, la Polizia federale degli stranieri, nel fondarsi sul rapporto del Posto di polizia di Campocologno e sulla proposta dell'autorità cantonale, non s'era verosimilmente resa conto della reale situazione di fatto; essa poteva quindi supporre che occorresse agire subito efficacemente, senza richiedere informazioni complementari. Poichè il carattere arbitrario della soppressione dell'effetto sospensivo non può essere stabilito con certezza, va negata per il periodo intercorrente tra il 2 ottobre e il 20 ottobre 1972 una responsabilità della Confederazione fondata sull'art. 55 cpv. 4 PAF.
b) Nel rifiutare la restituzione dell'effetto sospensivo, il Dipartimento federale di giustizia e polizia è, per converso, incorso in arbitrio. Irrilevante è tuttavia, ai fini dell'applicazione nel presente giudizio dell'art. 55 cpv. 4 PAF, che la relativa decisione dipartimentale non sia stata motivata, in ispreto a quanto dispone l'art. 35 PAF; mancando infatti una relazione di causalità tra tale vizio di forma e il pregiudizio subito dagli attori, l'esistenza di detto vizio non può comportare un obbligo di risarcimento. Determinante è invece che, dopo aver ricevuto il ricorso degli attori, il Dipartimento doveva essere a conoscenza della situazione reale; in quanto ritenesse d'abbisognare di ragguagli complementari, esso aveva tutta la latitudine di procurarseli. Ne discende che il Dipartimento non poteva ignorare che l'autorità di prima istanza era intervenuta solamente nei confronti degli attori, ossia dei "complici" dei contrabbandieri, senza adottare misure nei riguardi di questi ultimi, autori principali del contrabbando, pur essendo i contrabbandieri agevolmente identificabili, stante il loro regolare passaggio negli uffici doganali svizzeri della regione. Di fronte a tale disparità di trattamento era arbitrario negare la restituzione dell'effetto sospensivo. In applicazione dell'art. 55 cpv. 4 PAF, la Confederazione deve quindi rispondere del danno derivato agli attori dalla menzionata decisione dipartimentale nel periodo compreso tra il giorno della notifica della decisione
BGE 100 Ib 494 S. 500
negativa del 20 ottobre e quello della notifica della decisione di revoca del 30 novembre 1972.
............................................................
4.
Essendo la pretesa degli attori accolta integralmente in applicazione dell'art. 55 cpv. 4 PAF, è superfluo esaminare se la Confederazione sia responsabile, ai sensi dell'art. 3 cpv. 1 LResp., del danno subito dagli attori dal 22 settembre 1972, ossia dalla notificazione dei divieti d'entrata, sino al 2 ottobre 1972, data della presentazione del ricorso amministrativo e della domanda di restituzione dell'effetto sospensivo. | public_law | nan | it | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b025675e-e01b-436b-a5eb-d8a73cda141c | Urteilskopf
126 III 288
49. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 9 mai 2000 dans la cause N. (recours LP) | Regeste
Grund für eine neue Frist gemäss
Art. 32 Abs. 3 SchKG
; verbesserlicher Fehler im Sinne von
Art. 32 Abs. 4 SchKG
und 139 OR.
Das Nichteintreten auf die Klage mangels Leistung des Kostenvorschusses stellt keinen Anwendungsfall von
Art. 32 Abs. 3 SchKG
dar, und ebenso wenig einen verbesserlichen Fehler im Sinne von
Art. 32 Abs. 4 SchKG
und 139 OR (E. 2). | Erwägungen
ab Seite 288
BGE 126 III 288 S. 288
Extrait des considérants:
2.
Le recourant reproche à la Cour cantonale d'avoir refusé à tort de voir dans le défaut d'avance de frais dans le délai prescrit par le droit cantonal un vice de forme réparable au sens de l'
art. 139 CO
. Il lui fait également grief de ne pas l'avoir mis au bénéfice des dispositions de l'
art. 32 al. 3 et 4 LP
.
a) Ces dernières n'ont manifestement pas à s'appliquer en l'espèce.
L'
art. 32 al. 3 LP
- comme l'indiquent très bien ses textes allemand et italien, mais moins bien son texte français - n'entre en considération que lorsqu'il y a désistement ou déclaration d'irrecevabilité en raison de l'incompétence du tribunal (cf. GILLIÉRON, Commentaire
BGE 126 III 288 S. 289
de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 1999, n. 41 et 53 ad art. 32; HANS ULRICH WALDER, Beschwerdeverfahren, Abgrenzung kantonales Recht/Bundesrecht, Fristen, Nichtige Verfügungen, in: RDS 115/1996 p. 208 ch. 3). La disposition ne s'applique donc pas lorsque le désistement ou l'irrecevabilité interviennent pour un autre motif, par exemple lorsque l'irrecevabilité doit être prononcée pour défaut de paiement de l'avance de frais requise.
Les "communications écrites" au sens de l'
art. 32 al. 4 LP
sont toutes les écritures, actes introductifs d'instance notamment, d'un intéressé à la procédure d'exécution forcée (GILLIÉRON, op. cit., n. 53 s. ad art. 32 et n. 73 ad art. 83). Par "vice réparable", on entend généralement le défaut de signature, le nombre insuffisant d'exemplaires, l'absence de procuration, la non-production des annexes prescrites ou encore la clarté insuffisante des conclusions et des moyens énoncés (cf.
art. 30 al. 2 OJ
et
art. 52 al. 2 PA
; GILLIÉRON, op. cit., n. 63 ss ad art. 32; FRIDOLIN M. R. WALTHER, Neue und angepasste Fristen im revidierten Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, in: PJA 1996 p. 1380 ch. 5). A l'évidence, le défaut d'avance de frais ne saurait être assimilé à un vice réparable au sens de l'
art. 32 al. 4 LP
.
b) Une telle informalité ne constitue pas davantage un "vice de forme réparable" au sens de l'
art. 139 CO
, dans la mesure où il faut admettre que cette disposition continue à s'appliquer à côté de celle, spéciale et de moindre portée, de l'
art. 32 al. 3 LP
(cf. GILLIÉRON, op. cit., n. 41 ad art. 32). Dans un arrêt déjà ancien, le Tribunal fédéral a en effet considéré que l'omission d'avancer, conformément au droit cantonal, les frais du procès en libération de dette n'est pas un vice réparable (
ATF 38 I 664
). Selon l'actuelle jurisprudence relative à l'
art. 139 CO
, qui est applicable aux délais d'ouverture d'action en matière de poursuite (
ATF 109 III 49
consid. 4c p. 52;
ATF 112 III 120
consid. 1 et 4), le plaideur qui, une fois son action régulièrement introduite, laisse expirer un délai que la loi cantonale de procédure lui fixe pour agir et poursuivre l'instance ne saurait bénéficier du délai supplémentaire prévu par l'
art. 139 CO
; seule la restitution du délai qui lui serait accordée, le cas échéant, en vertu de la loi de procédure, lui permettrait de réparer son erreur (
ATF 93 II 367
consid. 4 et 6;
ATF 89 II 304
consid. 7;
ATF 80 II 288
consid. 2; cf. ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2e éd., p. 821).
Il résulte de ce qui précède que c'est à bon droit que la Cour cantonale a retenu que le recourant ne pouvait se prévaloir ni de l'application de l'
art. 139 CO
, ni de celle de l'
art. 32 al. 3 et 4 LP
.
BGE 126 III 288 S. 290
L'action en libération de dette ouverte le 1er juin 1999 étant ainsi manifestement tardive, l'office était fondé à donner suite à la réquisition de continuer la poursuite par la notification de la commination de faillite au débiteur, dont la qualité de sujet à la poursuite par voie de faillite n'est pas contestée. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b02749d4-9fc6-48ad-8bf2-945b36ce18d1 | Urteilskopf
84 III 8
2. Entscheid vom 26. März 1958 i.S. Manz. | Regeste
Die zehntägige Frist für die Weiterziehung an die kantonale Aufsichtsbehörde (
Art. 18 Abs. 1 SchKG
) in Anwendung des kantonalen Prozessrechts abzukürzen, ist unzulässig. | Erwägungen
ab Seite 8
BGE 84 III 8 S. 8
Ein Entscheid der untern Aufsichtsbehörde kann gemäss
Art. 18 Abs. 1 SchKG
binnen zehn Tagen seit dessen Mitteilung an die kantonale Aufsichtsbehörde weitergezogen werden. Diese Vorschrift gilt unter Vorbehalt von
Art. 20 SchKG
, wonach bei der Wechselbetreibung die Frist "für
BGE 84 III 8 S. 9
Anhebung der Beschwerde und Weiterziehung derselben" bloss fünf Tage beträgt, ohne Ausnahme (vgl.
BGE 41 III 428
/29, wo festgestellt wurde, dass
Art. 239 Abs. 1 SchKG
, der die Frist für die Beschwerde gegen Beschlüsse der ersten Gläubigerversammlung im Konkurs auf fünf Tage begrenzt, für die Weiterziehung an die obere kantonale Aufsichtsbehörde nicht gelte; die im entgegengesetzten Sinn lautende Zusammenfassung dieses Entscheides auf S. 427 ist falsch). Das kantonale Recht kann in die vom Bundesrecht abschliessend geordnete Frage, innert welcher Frist die Entscheidungen der untern Aufsichtsbehörden an die kantonalen Aufsichtsbehörden weitergezogen werden können, nicht eingreifen. Es war daher unzulässig, dass die untere Aufsichtsbehörde im Beschluss vom 28. Februar 1958 diese Frist in Anwendung einer Bestimmung der kantonalen Zivilprozessordnung auf 24 Stunden abkürzte. Der Rekurrent hat diese Anordnung aber nicht beanstandet, sondern sich ihr unterzogen. Er behauptet nicht, dadurch irgendwie benachteiligt worden zu sein. Unter diesen Umständen bietet der Fehler, welcher der untern Aufsichtsbehörde unterlaufen ist, dem Bundesgericht keinen Anlass zum Einschreiten. | null | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b028043c-18f0-44c2-b403-aa72d25de459 | Urteilskopf
137 III 481
72. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Assurance X. SA contre F.Y. (recours en matière civile)
4A_325/2011 du 11 octobre 2011 | Regeste
Schadenersatzklage aus einem durch ein Fahrzeug verursachten Unfall; längere strafrechtliche Verjährung (
Art. 83 Abs. 1 SVG
und
Art. 60 Abs. 2 OR
).
Hat sich der Inhalt der strafrechtlichen Bestimmungen seit dem Unfall geändert, bestimmt sich nach den strafrechtlichen Regeln, auf welche Version abzustellen ist, um die Dauer der im Zivilrecht anwendbaren längeren strafrechtlichen Verjährung festzusetzen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 481
BGE 137 III 481 S. 481
A.
Le 5 février 1998, le véhicule conduit par A. - qui était assuré contre le risque de la responsabilité civile automobile auprès de l'assurance X. SA -, circulant à Genève, a heurté violemment la voiture conduite par H.Z., qui était accompagné de son épouse F.Y. (ex-Z.), causant ainsi la mort de H.Z. et blessant grièvement F.Y.
BGE 137 III 481 S. 482
Par jugement du 13 octobre 1999, le Tribunal de police de Genève a reconnu A. coupable d'homicide par négligence et de lésions corporelles graves par négligence et l'a condamné à la peine de douze mois d'emprisonnement, sous déduction de la détention préventive subie, et prononcé son expulsion judiciaire du territoire de la Confédération pour une durée de quatre ans, avec sursis pendant cinq ans.
Pour obtenir réparation du préjudice subi, F.Y. s'est adressée à l'assurance X. SA (ci-après: l'assureur), en sa qualité d'assurance couvrant la responsabilité civile en matière automobile de A.
L'assureur a versé différents montants à F.Y., respectivement les 20 mars 2001, 8 mai 2001, 15 août 2001, 8 juin 2004, 10 novembre 2004 et 27 octobre 2005.
Par ailleurs, l'assureur, puis son mandataire, ont adressé au conseil de F.Y. des déclarations de renonciation à se prévaloir de la prescription, assorties à chaque fois de la réserve que ces renonciations n'étaient valables qu'à la condition que la prescription ne soit pas déjà acquise au jour où la renonciation était émise.
Ainsi, à la suite d'une série de renonciations, l'assureur, par une lettre du 1
er
février 2008, a renoncé à se prévaloir de la prescription jusqu'au 5 février 2009. Ensuite, ce n'est que par une lettre du 6 mars 2009 qu'il a renoncé à se prévaloir de la prescription jusqu'au 5 février 2010. Constatant que les renonciations successives ne couvraient pas la période entre le 5 février 2009 et le 6 mars 2009, l'assureur a estimé que la lettre du 6 mars 2009, en raison de la réserve qu'elle contenait, ne pouvait pas avoir d'effet rétroactif, de sorte qu'il était en droit de se prévaloir de la prescription, laquelle, selon lui, était acquise.
B.
Par demande du 24 août 2009 déposée devant les autorités genevoises, F.Y. a exercé une action en paiement contre l'assurance X. SA, lui réclamant diverses sommes avec différents intérêts, sous déduction des acomptes versés.
L'assureur a soulevé le moyen tiré de la prescription.
Par jugement du 18 mars 2010, le Tribunal de première instance de Genève a rejeté le moyen tiré de la prescription.
Statuant sur appel par arrêt du 15 avril 2011, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement attaqué. La cour cantonale a notamment considéré que la réserve d'une prescription déjà acquise contenue dans la renonciation du 6 mars 2009
BGE 137 III 481 S. 483
n'était qu'une "clause de style" et que l'assureur, qui avait versé des acomptes et renoncé plusieurs fois à la prescription, commettait un abus de droit, au sens de l'
art. 2 al. 2 CC
, en soulevant ce moyen.
C.
L'assurance X. SA exerce un recours en matière civile au Tribunal fédéral. Invoquant une violation des
art. 18 CO
et 2 al. 2 CC, elle soutient que la réserve contenue dans la renonciation ne peut pas être sans effet juridique et que son comportement n'est pas contraire aux règles de la bonne foi. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au déboutement de sa partie adverse, subsidiairement au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision. L'intimée conclut tant à l'irrecevabilité du recours qu'à son rejet.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.1
En raison du domicile à l'étranger de l'intimée, l'affaire revêt un caractère international (
ATF 131 III 76
consid. 2). Saisi d'un recours en matière civile, le Tribunal fédéral doit contrôler d'office la question du droit applicable, laquelle se résout selon la loi du for, soit en l'occurrence la loi fédérale du 18 décembre 1987 sur le droit international privé (LDIP; RS 291;
ATF 135 III 259
consid. 2.1 p. 261;
ATF 133 III 37
consid. 2,
ATF 133 III 323
consid. 2.1).
En vertu de l'
art. 134 LDIP
, norme qui renvoie à l'art. 3 de la Convention de La Haye du 4 mai 1971 sur la loi applicable en matière d'accidents de la circulation routière (RS 0.741.31), le droit interne suisse est applicable en l'espèce, en tant que loi du lieu de l'accident.
2.2
L'action en dommages-intérêts et en réparation du tort moral introduite par l'intimée relève entièrement du droit fédéral. En conséquence, le Tribunal fédéral applique le droit d'office et réexamine librement la question juridique posée (
art. 106 al. 1 LTF
).
2.3
Selon l'art. 83 al. 1 de la loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR; RS 741.01), les actions en dommages-intérêts et en réparation du tort moral qui découlent d'accidents causés par des véhicules automobiles ou des cycles se prescrivent par
deux ans
à partir du jour où le lésé a eu connaissance du dommage et de la personne qui en est responsable, mais en tout cas par dix ans dès le jour de l'accident. Toutefois, si les dommages-intérêts dérivent d'un acte punissable soumis par les lois pénales à une prescription de plus longue durée, cette prescription s'applique à l'action civile.
BGE 137 III 481 S. 484
En prévoyant l'application de la prescription pénale si elle est de plus longue durée, le législateur a voulu éviter que le lésé ne puisse plus agir contre le responsable à un moment où celui-ci pourrait encore faire l'objet d'une procédure pénale dont les conséquences sont en principe plus lourdes pour lui (
ATF 136 III 502
consid. 6.1 p. 503;
ATF 131 III 430
consid. 1.2 p. 433;
ATF 127 III 538
consid. 4c p. 541;
ATF 125 III 339
consid. 3a p. 340).
La prescription pénale plus longue doit aussi être appliquée à l'action que le lésé a le droit d'intenter directement à l'assureur en responsabilité civile de l'auteur de l'infraction, en vertu de l'
art. 65 al. 1 LCR
(
ATF 112 II 79
consid. 3c p. 82 s.).
Lorsque la prescription est interrompue à l'égard de la personne responsable, elle l'est aussi à l'égard de l'assureur, et vice versa (
art. 83 al. 2 LCR
).
Pour le reste - c'est-à-dire notamment la question de l'interruption et de la suspension de la prescription -, le code des obligations est applicable (
art. 83 al. 4 LCR
).
2.4
Pour que la prescription pénale entre en considération en vertu de l'
art. 83 al. 1 LCR
(ou de l'
art. 60 al. 2 CO
qui est identique sur ce point), il faut que les prétentions civiles résultent, avec causalité naturelle et adéquate, d'un comportement du responsable qui constitue, d'un point de vue objectif et subjectif, une infraction pénale prévue par une norme ayant notamment pour but de protéger le lésé; pour dire s'il y a ou non une infraction pénale, le juge civil est lié par une condamnation ou une décision libératoire prononcée au pénal (
ATF 136 III 502
consid. 6.1 p. 503).
En l'espèce, toutes les prétentions de l'intimée découlent de l'accident causé par la faute de l'automobiliste dont le comportement a été qualifié, par un jugement pénal entré en force, d'homicide par négligence (
art. 117 CP
) et de lésions corporelles graves par négligence (
art. 125 CP
).
Il faut donc examiner s'il y a lieu d'appliquer le délai de prescription prévu par le droit pénal.
2.5
Pour dire si le délai de prescription est plus long au pénal qu'au civil, il faut prendre en considération la prescription relative du droit pénal, et non pas la prescription absolue (
ATF 100 II 339
consid. 1b p. 342).
Même si l'on parvient à la conclusion qu'il faut appliquer le délai de la prescription pénale, celui-ci est peut-être interrompu selon les
BGE 137 III 481 S. 485
règles du droit civil (
ATF 100 II 339
consid. 1b p. 342). Autrement dit, la prescription de l'action civile, dans son mécanisme, est entièrement régie par le droit privé; cela vaut notamment pour déterminer les actes interruptifs de la prescription et les effets d'une interruption; le droit pénal n'intervient que pour substituer au délai prévu par le droit civil le délai plus long découlant du droit pénal.
En conséquence, pour connaître les actes qui peuvent interrompre la prescription, il faut se référer aux
art. 135 et 138 CO
. Lorsque la prescription a été interrompue, un nouveau délai commence à courir dès l'interruption (
art. 137 al. 1 CO
).
Lorsque le délai de la prescription pénale est applicable, son interruption fait courir à nouveau le délai de la prescription pénale, quand bien même la prescription pénale absolue interviendrait dans ce nouveau délai (
ATF 131 III 430
consid. 1.2 p. 434 let. d;
ATF 127 III 538
consid. 4d p. 542).
En revanche, lorsque la prescription pénale absolue est atteinte, un acte interruptif ultérieur ne peut faire courir que le délai prévu par le droit civil (
ATF 131 III 430
consid. 1.3 et 1.4 p. 435).
2.6
Au moment de l'accident, les deux infractions pénales retenues (l'homicide par négligence au sens de l'
art. 117 CP
et les lésions corporelles graves par négligence au sens de l'
art. 125 CP
) étaient passibles de l'emprisonnement - d'une durée maximum de trois ans (
art. 36 CP
) - ou de l'amende. Il en résultait que le délai de la prescription relative - qui est déterminant - était de cinq ans (
art. 70 CP
), tandis que le délai de la prescription absolue était de sept ans et demi (
art. 72 al. 3 CP
). Dès lors que le délai relatif est de cinq ans, il faut constater, à ce stade du raisonnement, qu'il est plus long que le délai de deux ans prévu par le droit civil (
art. 83 al. 1 LCR
) et qu'il est donc en principe applicable.
Par la suite, l'
art. 70 CP
a été modifié par une loi du 5 octobre 2001, entrée en vigueur le 1
er
octobre 2002 (RO 2002 2993). Désormais, le droit pénal ne fait plus de distinction entre la prescription relative et la prescription absolue; le délai de prescription (unique) pour les deux infractions en cause est de sept ans (art. 70 révisé CP).
Par une loi du 13 décembre 2002 entrée en vigueur le 1
er
janvier 2007 (RO 2006 3459), une nouvelle partie générale du code pénal a été adoptée. Les deux infractions en cause sont désormais passibles d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine
BGE 137 III 481 S. 486
pécuniaire (cf.
art. 117 et 125 CP
). Il en résulte que le délai de prescription (unique) est de sept ans (
art. 97 al. 1 let
. c CP).
On voit donc que la teneur du droit pénal a été modifiée depuis l'accident. Dans une telle situation, c'est à la lumière des règles du droit pénal qu'il faut déterminer la version qui doit être retenue pour fixer la durée de la prescription pénale applicable au civil (cf.
ATF 132 III 661
consid. 4.3 p. 666).
En vertu du principe de la lex mitior (
art. 2 CP
), repris désormais expressément pour le problème de la prescription par le nouvel
art. 389 al. 1 CP
, il convient d'appliquer, pour la question en cause, la loi la plus favorable au responsable. S'agissant du délai relatif qui est déterminant, il est évident que le délai de cinq ans prévu par l'ancien droit est plus favorable que le nouveau délai fixé à sept ans.
2.7
A considérer ce qui vient d'être dit, le cas d'espèce doit être résolu de la façon suivante.
L'accident (donc les infractions en cause) est survenu le 5 février 1998.
La prescription pénale absolue a été atteinte, selon l'ancien droit (sept ans et demi), le 5 août 2005 et, selon le nouveau droit (sept ans), le 5 février 2005. Il a été constaté en fait - d'une manière qui lie le Tribunal fédéral (
art. 105 al. 1 LTF
) - que l'assureur a versé divers acomptes dès le 20 mars 2001, dont un le 10 novembre 2004. Ce fait est donc antérieur au moment où la prescription absolue a été atteinte. Le versement d'un acompte est incontestablement interruptif de la prescription (
art. 135 ch. 1 CO
). Dès lors que l'interruption est intervenue avant que la prescription absolue ne soit atteinte, c'est un nouveau délai pénal plus long (cinq ans au lieu de deux ans) qui a commencé à courir. A compter du 10 novembre 2004, ce délai a expiré le 10 novembre 2009. En conséquence, la demande déposée le 24 août 2009 - qui a interrompu la prescription (
art. 138 al. 1 CO
) - est intervenue à un moment où l'action n'était pas prescrite.
Partant, il faut constater, par substitution de motifs, que c'est à juste titre que le moyen tiré de la prescription a été écarté. La décision attaquée, dans son résultat, ne viole pas le droit fédéral et le recours doit être rejeté.
2.8
Il n'est pas nécessaire de se pencher sur l'argumentation retenue par la cour cantonale. Sachant que la renonciation à la prescription est souvent demandée dans l'urgence et que la question de la prescription est parfois complexe, on ne voit pas pourquoi la formule
BGE 137 III 481 S. 487
selon laquelle la renonciation n'intervient qu'à la condition que la prescription ne soit pas déjà acquise serait dépourvue de sens et d'effet juridique. Qu'un assureur paie des acomptes ou renonce pendant un certain temps à se prévaloir de la prescription n'implique nullement qu'il renonce définitivement à faire valoir un tel moyen dans l'avenir, de sorte que l'on ne parvient pas à discerner en quoi l'assureur aurait agi en la matière contrairement aux règles de la bonne foi. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b028fe70-2dff-4ae1-ac26-119b183d0df4 | Urteilskopf
114 II 335
61. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1988 i.S. Fornax AG gegen Kanton Zürich (Berufung) | Regeste
Art. 135 Ziff. 2 OR
.
Unterbrechung der Verjährung trotz unrichtiger Bezeichnung des Beklagten im Begehren um Ladung zum Aussöhnungsversuch. | Sachverhalt
ab Seite 335
BGE 114 II 335 S. 335
A.-
Aufgrund eines mit dem Kanton Zürich im Jahr 1977 abgeschlossenen Werkvertrags, in dem ergänzend die "Allgemeinen Bedingungen für Bauarbeiten" gemäss SIA-Norm 118 (Ausgabe 1962) gelten sollten, installierte die an der Flugplatzstrasse 59 in Grenchen domizilierte Firma Fornax AG von ihr gelieferte Kehrichtbeseitigungsanlagen in Neubauten der Universität Zürich. Die vorläufige Abnahme der Arbeiten im Sinne von Art. 26 SIA-Norm fand am 6. April 1979 statt. Innert der nachfolgenden Garantiefrist von zwei Jahren (Art. 27 Abs. 1 und 2 SIA-Norm) rügte der Kanton Zürich verschiedene Mängel, die nicht alle zu seiner Zufriedenheit behoben wurden. Am 22. August 1983 erklärte der Besteller die Wandelung des Werkvertrags.
B.-
Mit Begehren an das Richteramt Solothurn-Lebern vom 28. März 1984 liess der Kanton Zürich die "Fornax Engineering AG, Erlenstr. 18, Grenchen" zum Aussöhnungsversuch über Ansprüche "betr. Werkvertrag, Wandelung, Forderung, Schadenersatz etc. (Bundesgerichtskompetenz)" laden. Am 5. April 1984 erging die Vorladung an die im Vorladungsbegehren genannten Parteien. Am Aussöhnungstermin vom 13. September 1984 bezeichnete sich Fürsprecher H. als Vertreter der Fornax Engineering AG und bestritt deren Passivlegitimation, da die Fornax AG Unternehmerin im streitigen Werkvertragsverhältnis sei.
C.-
Am 3. Januar 1985 klagte der Kanton Zürich beim Amtsgericht Solothurn-Lebern gegen die Fornax AG u.a. auf Zahlung von Fr. 67'883.65 aus Wandelung einschliesslich Schadenersatz. Im auf die Frage der Verjährung beschränkten Prozess schützte das Amtsgericht die Verjährungseinrede der Beklagten und wies die Klage am 25. Februar 1987 ab. Auf Appellation des Klägers
BGE 114 II 335 S. 336
hin verwarf das Obergericht des Kantons Solothurn die Verjährungseinrede und hob das erstinstanzliche Urteil am 3. Mai 1988 auf, da die mit der vorläufigen Abnahme am 6. April 1979 in Gang gesetzte Verjährungsfrist fünf Jahre betrage und durch den Kläger mit seinem gegen die Fornax Engineering AG gerichteten Ladungsbegehren am 28. März 1984 auch gegenüber der Beklagten unterbrochen worden sei.
D.-
Die Beklagte hat gegen den Entscheid des Obergerichts Berufung eingereicht und beantragt, diesen aufzuheben, den Eintritt der Verjährung festzustellen und die Klage abzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Zu prüfen bleibt, ob das Ladungsbegehren gegen die Fornax Engineering AG vom 28. März 1984 die am 6. April 1979 beginnende Verjährungsfrist von fünf Jahren auch gegenüber der Beklagten unterbrochen habe.
a) Ob dem Begehren diese Wirkung trotz der unrichtigen Parteibezeichnung zugekommen ist, beurteilt sich nach
Art. 135 Ziff. 2 OR
und ist damit eine Frage des Bundesrechts. Nach dieser Bestimmung tritt die Unterbrechung u.a. mit der Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch ein, d.h. im Zeitpunkt, in dem der Ansprecher zum ersten Mal in bestimmter Form den Schutz des Richters anruft (
BGE 110 II 389
E. 2a mit Hinweisen). Die Wahrung der Form beschlägt kantonales Prozessrecht, das im Berufungsverfahren nicht überprüft wird (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
); dazu gehört insbesondere die vom Obergericht bejahte Frage, ob das solothurnische Prozessrecht eine Korrektur der Parteibezeichnung zuliess oder einen Parteiwechsel erforderte (
BGE 85 II 316
E. 2). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die kantonalen Prozessordnungen in der Berichtigung fehlerhafter Parteibezeichnungen grosszügig sind, sofern die Identität der Partei eindeutig ist (
BGE 85 II 316
f. E. 2; WALTER BISCHOFBERGER, Parteiwechsel im Zivilprozess unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und des zürcherischen Zivilprozessrechts, Diss. Zürich 1973, S. 30 ff.; STRÄULI/MESSMER, N. 3 zu
§ 108 ZPO
/ZH; LEUCH, N. 2 zu
Art. 157 ZPO
/BE).
Damit die in
Art. 135 Ziff. 2 OR
aufgezählten Handlungen die Verjährung unterbrechen, ist erforderlich, dass sie vom Forderungsgläubiger
BGE 114 II 335 S. 337
ausgehen (
BGE 111 II 364
f. E. 4a) und gegen den richtigen Schuldner gerichtet sind (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu
Art. 139 OR
; SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, S. 430; SOERGEL/WALTER, N. 11 zu § 209 BGB). Das Risiko, dass die Verjährung durch Klage gegen den falschen Schuldner nicht unterbrochen wird, trägt der Gläubiger (STAUDINGER/DILCHER, N. 8 zu § 209 BGB; SOERGEL/WALTER, a.a.O.). Belangt der Gläubiger jedoch nicht den falschen Schuldner, sondern irrt er sich bloss in dessen Bezeichnung, tritt diese Folge nicht unbedingt ein. So sind Betreibungsurkunden gegen nicht klar und unzweideutig bezeichnete Schuldner grundsätzlich nichtig; lässt die mangelhafte Bezeichnung den wirklich gemeinten Schuldner aber ohne weiteres erkennen, ist die Betreibung gültig und bloss die Urkunde zu berichtigen (
BGE 102 III 64
ff. E. 2 und 3). Vermag der Schuldner trotz fehlerhafter Bezeichnung klar zu erkennen, dass ein Zahlungsbefehl gegen ihn ausgestellt ist, kann er sich nicht in guten Treuen darauf berufen, die unrichtige Angabe lasse seine Identität als zweifelhaft erscheinen (SCHWARTZ, Die Bezeichnung der Parteien in den Betreibungsurkunden, BlSchKG 19/1955, S. 11; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, S. 193 Rz. 6).
Gleiches muss für die Gültigkeit und damit die verjährungsunterbrechende Wirkung von Vorkehren der gerichtlichen Rechtsverfolgung wie dem Ladungsbegehren des Klägers vom 28. März 1984 gelten. In Anlehnung an die von der massgeblichen Literatur befürwortete Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12. Mai 1977 in: NJW 1977 S. 1686 f.; VON FELDMANN, MünchKomm, N. 14 zu § 209 BGB; STAUDINGER/DILCHER, N. 8 zu § 209 BGB; entsprechend bei unrichtiger Gläubigerbezeichnung JOHANNSEN, RGRK, N. 9 zu § 209 BGB) ist eine fehlerhafte Parteibezeichnung unschädlich, wenn keine Zweifel an der Identität der wahren Partei bestehen. Nach dem die schweizerische Rechtsordnung beherrschenden Vertrauensgrundsatz hat es dabei im Gegensatz zur deutschen Auffassung, welche die Erkennbarkeit der wahren Partei für unbeteiligte Dritte fordert, zu genügen, dass der Schuldner nach den Umständen trotz unrichtiger Bezeichnung die Absicht des Gläubigers, ihn ins Recht zu fassen, erkennt oder erkennen muss. Treu und Glauben verbieten es auch hier, dass der Schuldner bei Kenntnis des wirklichen Willens des Gläubigers Vorteile aus einer diesem Willen äusserlich nicht entsprechenden Parteibezeichnung zieht.
BGE 114 II 335 S. 338
Kann der Schuldner über die Absichten des Gläubigers nicht im Unklaren sein, werden keine schutzwürdigen Interessen des Schuldners verletzt, wenn mit bloss formellen Fehlern in der Parteibezeichnung behaftete Prozesserklärungen dem wirklichen Willen und Verständnis entsprechend behandelt werden. In der Gewissheit des Prozessgegners über die Absichten des Ansprechers liegt auch die Rechtfertigung des
Art. 139 OR
. Nach herrschender Auffassung verhindert diese Bestimmung die Folgen des Verjährungseintritts durch Einräumung einer sechzigtägigen Nachfrist zwar bei innert dieser Frist zu behebenden Formfehlern, nicht aber bei Klageabweisung wegen fehlender Passivlegitimation eines irrtümlich als Beklagten ins Recht gefassten Dritten, da sich der Wille des Gläubigers nur im ersten Fall für den Schuldner erkennbar gegen diesen, im zweiten Fall jedoch gegen den Dritten richtet (BECKER, N. 2 zu
Art. 139 OR
). Ob
Art. 139 OR
im vorliegenden Fall zudem unmittelbar angewandt werden könnte, wie das die Vorinstanz in ihrer Hilfsbegründung tut, kann offenbleiben.
b) Vorliegend stand für die Beklagte ausser Zweifel, dass der Kläger mit dem Vorladungsbegehren vom 28. März 1984 gegenüber ihr und nicht gegenüber der Fornax Engineering AG Sachgewährleistungsansprüche aus dem 1977 abgeschlossenen Werkvertrag geltend machen wollte, so dass das Begehren trotz falscher Parteibezeichnung die Verjährung unterbrochen hat. Einmal stellt die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich fest (
BGE 113 II 27
E. 1a mit Hinweisen), dass der Kläger von Anfang an einzig die Beklagte zu belangen beabsichtigte, sich jedoch hinsichtlich der Parteibezeichnung irrte, weil er die Firma der Fornax Engineering AG, die ebenfalls in Grenchen domizilierte Schwestergesellschaft der Fornax AG, für die Firma der Vertragspartnerin hielt. Diesen Irrtum dem Kläger anzulasten besteht nach dem Vertrauensgrundsatz um so weniger Anlass, als es nicht der Kläger zu vertreten hat, dass sich die beiden Firmen nur durch den Zusatz "Engineering" unterscheiden und damit leicht zu Verwechslungen führen, zumal sich beide Gesellschaften nach dem statutarischen Zweck mit Feuerungsanlagen befassen. Ebenfalls verbindlich ist sodann die Feststellung des Obergerichts, die Beklagte habe nicht nur erkennen müssen, sondern auch tatsächlich erkannt, dass sich die im Vorladungsbegehren genannten Forderungen aus Werkvertrag nicht gegen die Fornax Engineering AG, sondern nur gegen sie selbst richten konnten. F., der sich als einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat der Fornax AG intensiv mit der Abwicklung
BGE 114 II 335 S. 339
des Werkvertrags befasst und genaue Kenntnis von den daraus entstandenen Differenzen gehabt habe, sei zugleich alleiniger und einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat der im übrigen erst 1981 und damit nach der vorläufigen Abnahme vom 6. April 1979 gegründeten Fornax Engineering AG gewesen. Nach Zustellung der Vorladung zum Aussöhnungsversuch an die im Vorladungsbegehren bezeichneten Parteien habe denn auch der von F. beauftragte Fürsprecher H. mit Brief vom 19. Juni 1984 namens und im Auftrag der "Firma Fornax" um Verschiebung des Termins ersucht und laut Orientierungsvermerk eine Kopie des Schreibens der "Fornax AG, Flugplatz, Grenchen" zur Kenntnis zugestellt.
c) Ob bei Gewissheit des Schuldners über Forderung und Ansprecher die Verjährung regelmässig selbst durch Prozesshandlungen eines nicht aktivlegitimierten Dritten unterbrochen wird (BUCHER, OR Allgemeiner Teil, 2. A. 1988, S. 464 Fn. 98; ähnlich SPIRO, a.a.O. S. 422 f., 425 und 427), ob bei für den Schuldner klarer Situation der unbeholfene oder unwissende Gläubiger ganz allgemein keinen Rechtsverlust erleiden darf (SPIRO, a.a.O. S. 421) und ob in gewissen Fällen sogar die Belangung eines anderen als des Verpflichteten unschädlich sein kann (SPIRO, a.a.O. S. 449 ff.), braucht wie in einem nicht publizierten Entscheid des Bundesgerichts vom 24. Juni 1980 i.S. K. AG und Mitb. nicht entschieden zu werden. Immerhin wurde dort in Ablehnung einer formalistischen Auffassung erkannt, dass mit dem Vorladungsbegehren dreier Gläubiger zum Aussöhnungsversuch über ihre sowie über noch nicht an sie zedierte Ansprüche weiterer achtzehn Gläubiger die Verjährung sämtlicher Ansprüche unterbrochen worden sei, da der Schuldner nach den gesamten Umständen um die Geltendmachung der Ansprüche aller einundzwanzig Gläubiger gewusst habe. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b02c1cb9-160a-491f-8d74-e0e10115afa4 | Urteilskopf
108 Ib 345
61. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. Mai 1982 i.S. La Soliva Immobiliare SA gegen Politische Gemeinde Celerina/Schlarigna und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 5 Abs. 2 RPG
; materielle Enteignung.
1. Umzonung einer Parzelle von einer lockeren Wohnzone 2. Etappe in eine Landwirtschafts- und Landschaftsschutzzone.
Eine Bauzone 2. Etappe, die den Vorschriften des übrigen Gemeindegebietes untersteht, gilt nicht als Bauzone im Sinne der Art. 19 f. GSchG (E. 4b).
Bedarf es für eine Überbauung nach der gegebenen Rechtslage erst noch eines Gemeindeversammlungsbeschlusses, so ist die Annahme auszuschliessen, die Überbauung sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich (E. 4c).
Voraussetzungen, unter denen das mit der Schaffung einer Bauzone 2. Etappe begründete Vertrauen eine Einzonung in die definitive Bauzone gebietet (E. 4d).
2. Der Umstand, dass eine Liegenschaft zum Wert von Bauerwartungsland versteuert worden ist, kann nicht zur Annahme eines Sonderopfers führen (E. 5b). Voraussetzungen eines Anspruchs auf Ersatz der Projektierungskosten (E. 5c). | Sachverhalt
ab Seite 346
BGE 108 Ib 345 S. 346
Die La Soliva Immobiliare SA in St. Moritz ist Eigentümerin des unüberbauten Grundstücks Kat. Nr. 292 in der Gemeinde Celerina/Schlarigna. Die Parzelle liegt am Südabhang nördlich des Bahnhofs Celerina und grenzt an das überbaute Gebiet an. Nach dem Zonenplan von 1963 und 1967 war sie in der Bauzone 2. Etappe (lockere Wohnzone) eingeteilt. Hiefür sah das frühere Gemeindebaugesetz vom 29. November 1963 folgendes vor: Art. 26 Abs. 2:
"Die im Zonenplan mit "zweiter Etappe" bezeichneten Gebiete, werden
gemäss Art. 30 Abs. 1 für das Baugebiet vorgesehen."
BGE 108 Ib 345 S. 347
Art. 30 Abs. 1 und 2:
"Bejaht die Gemeindeversammlung grundsätzlich die Erweiterung des Baugebietes auf ein weiteres, bestimmt umgrenztes Gebiet, so kann in einer solchen Beschlussfassung nur die ernste Absicht auf Erweiterung des Baugebietes zum Ausdruck gelangen.
Die Erweiterung des Baugebietes tritt auf jeden Fall erst dann in Kraft, wenn die erforderliche Eingliederung in den Zonenplan vollzogen ist, und wenn zudem nach grundsätzlicher Beschlussfassung der Gemeindeversammlung ein von letzterer beschlossener Quartierplan für das in Frage stehende Gebiet endgültig und unter Annahme aller von der Gemeinde gestellten Bedingungen in Kraft getreten ist."
Am 17. Juli 1978 erliess die Gemeindeversammlung von Celerina/Schlarigna ein neues Baugesetz mit zugehörigen Zonenplänen. Dabei wurde die Parzelle Nr. 292 der Landwirtschaftszone (übriges Gemeindegebiet) und mit einem angrenzenden Grundstück zusammen zusätzlich der Landschaftsschutzzone zugeteilt. Die von der Grundeigentümerin hiegegen erhobenen Beschwerden wurden von der Regierung des Kantons Graubünden und dann am 2. Juli 1980 auch vom Bundesgericht abgewiesen. Die La Soliva Immobiliare SA verlangte darauf von der Gemeinde Celerina/Schlarigna aus materieller Enteignung eine Entschädigung von Fr. 1,7 Millionen nebst Zinsen. Mit Urteil vom 16. Juni 1981 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Klage ab. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Für die Prüfung der Frage, ob ein enteignungsähnlicher Eingriff gegeben sei, hat das Verwaltungsgericht mit Recht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der im Jahre 1978 beschlossenen neuen Zonenpläne abgestellt (
BGE 106 Ia 185
E. 4a). Entscheidend ist, ob am massgebenden Stichtag des 17. September 1979 (Genehmigung der Ortsplanung durch die Regierung) der Beschwerdeführerin eine gegebene bzw. in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Möglichkeit der Überbauung ihres Grundstückes entzogen wurde.
b) Die Behauptung der Beschwerdeführerin, die Überbauung ihrer Liegenschaft sei aufgrund der Ortsplanung 1963/67 im Zeitpunkt derer Revision bereits möglich gewesen, ist klarerweise unrichtig. Sie widerspricht den angeführten Vorschriften über die Baugebiete zweiter Etappe (Art. 26 Abs. 2 und 30 des früheren Baugesetzes). Zudem anerkennt die Beschwerdeführerin selbst,
BGE 108 Ib 345 S. 348
dass für die Überbauung ein Gemeindeversammlungsbeschluss nötig gewesen wäre, indem entweder ein "akzeptables Erschliessungsprojekt" hätte genehmigt oder eine Umzonung hätte beschlossen werden müssen. Dass nur der zweite Weg - die Einweisung des Baugebietes zweiter Etappe in die Bauzone erster Etappe - dem Baugesetz entspricht, ergibt sich unmissverständlich aus Art. 30 und aus dem Zonenplan. Auch eine grundsätzlich vorgesehene Erweiterung der Bauzonen tritt erst in Kraft, "wenn die erforderliche Eingliederung in den Zonenplan vollzogen ist, und wenn zudem nach grundsätzlicher Beschlussfassung der Gemeindeversammlung ein von letzterer beschlossener Quartierplan endgültig und unter Annahme aller von der Gemeinde gestellten Bedingungen in Kraft getreten ist" (Art. 30 Abs. 2). Der Zonenplan bestimmte zudem ausdrücklich, dass das der zweiten Bauetappe zugewiesene Areal vorerst als übriges Gemeindegebiet galt. Bei dieser Rechtslage hätte eine Überbauung dem eidgenössischen Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 widersprochen. Gemäss dessen Art. 19 und 20 in der bis Ende 1979 geltenden Fassung durften Baubewilligungen nur innerhalb der Bauzonen erteilt werden (
BGE 105 Ia 334
E. 3a). Eine Bauzone zweiter Etappe, die den Vorschriften des übrigen Gebietes unterstand, konnte nicht als Bauzone im Sinne dieser Regelung des Bundesrechts gelten, andernfalls wäre der raumplanerische Zweck der Artikel 19 und 20 GSchG verkannt worden (nicht veröffentlichtes Urteil Wolf vom 27. Januar 1982, E. 3a S. 6, mit Verweisung auf
BGE 101 Ib 195
E. 2c und 304 E. 2b).
c) Die Beschwerdeführerin ist sodann der Meinung, mit dem Umzonungsbeschluss der Gemeindeversammlung habe sie mit Sicherheit rechnen können und die Etappierungsveränderung wäre in sehr naher Zukunft fällig gewesen. Doch wurde ihr mit der Aufhebung der lockeren Wohnzone 2. Etappe nur die Erwartung der späteren definitiven Zonenzuweisung, nicht jedoch eine gegebene Überbauungsmöglichkeit entzogen, wie es bei der Auszonung von Parzellen aus dem zusätzlichen Baugebiet der Gemeinde Wettingen zutraf (
BGE 106 Ia 369
ff.). Gemäss der in jenem Fall zu beurteilenden Rechtslage besassen die Eigentümer einen Anspruch auf Überbauung - ohne Zonenänderungsbeschluss -, wenn sie die zweckmässige Erschliessung mit Strassen-, Wasser-, Kanalisations- und elektrischen Anlagen technisch und finanziell in allen Teilen auf ihre Kosten sicherstellen konnten, eine Möglichkeit, die im Zeitpunkt der Auszonung zu verneinen war, weshalb von einer
BGE 108 Ib 345 S. 349
enteignungsähnlichen Wirkung keine Rede sein konnte (
BGE 106 Ia 376
ff. E. 3d).
Im vorliegenden Falle war die Rechtslage nach dem früheren Baugesetz der Gemeinde Celerina/Schlarigna für die Beschwerdeführerin wesentlich ungünstiger. Einen Rechtsanspruch auf Zuweisung ihrer Liegenschaft zur Bauzone 1. Etappe besass sie nicht. Ihre Lage kommt daher derjenigen eines Eigentümers nahe, dessen Grundstück entgegen seinen Erwartungen nicht eingezont wird. So verhielt es sich in der Sache Krönert (
BGE 106 Ia 184
ff.), wo entgegen dem ursprünglichen Antrag des Gemeinderates aufgrund einer Volksiniative die Einzonung unterblieb und statt dessen eine Landschaftsschutzzone geschaffen wurde. Da es nach der gegebenen Rechtslage eines Beschlusses der Gemeindeversammlung bedurfte, war die Annahme auszuschliessen, eine Überbauung sei in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich; ein anderer Schluss wäre mit der demokratischen Grundordnung der Gemeinden unvereinbar (
BGE 106 Ia 190
E. 4d). Wird dieser Grundsatz auf den vorliegenden Fall angewendet, so ergibt sich bereits wegen der Notwendigkeit eines Gemeindeversammlungsbeschlusses für die Zonenplanänderung und die Erschliessung die Folgerung, die Beschwerdeführerin habe mit einer Überbauung nicht in naher Zukunft rechnen können.
d) Die in der Gemeinde Celerina/Schlarigna aufgrund des früheren Baugesetzes geltende Rechtslage nimmt freilich eine Mittelstellung ein. Die Aufhebung der lockeren Wohnzone zweiter Etappe kommt zwar keiner eigentlichen Auszonung gleich, doch ist sie auch nicht der Nichteinzonung gleichzusetzen, sonst wäre die Baugebietsetappierung weitgehend bedeutungslos, wie die Beschwerdeführerin zutreffend bemerkt. Im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist daher zu prüfen, ob im vorliegenden Falle das Vertrauen, das mit der Schaffung einer Bauzone zweiter Etappe begründet wurde, die Einzonung in die definitive Bauzone zwingend geboten hätte, sodass die Beschwerdeführerin mit der Überbauung ihrer Parzelle in naher Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit rechnen durfte (
BGE 106 Ia 189
E. 4c).
Eine solche Annahme wäre etwa dann begründet, wenn die Etappierung befristet vorgenommen worden wäre oder wenn die Beschwerdeführerin aufgrund sonstiger Beschlüsse der Gemeindebehörden darauf hätte vertrauen dürfen, die Gemeinde würde die Erschliessung der in Frage stehenden Geländekammer förderen und demgemäss die Umzonung in die erste Bauetappe in
BGE 108 Ib 345 S. 350
naher Zukunft herbeiführen. So verhielt es sich jedoch nicht. Die Etappierung sollte gemäss dem früheren Baugesetz vom 29. November 1963 nur die ernste Absicht auf Erweiterung des Baugebietes zum Ausdruck bringen. Auch wurde unmissverständlich angeordnet, dass die Baugebietserweiterung auf jeden Fall erst dann in Kraft trete, wenn die erforderliche Eingliederung in den Zonenplan durch Gemeindeversammlungsbeschluss vollzogen und ein Quartierplan genehmigt worden sei (Art. 30). Aufgrund dieser klaren Anordnung musste sich die Beschwerdeführerin über die Ungewissheit der "Eingliederung in den Zonenplan" bewusst sein. Da kein Eigentümer damit rechnen kann, dass selbst eine definitive Zonenzuteilung auf alle Zeiten bestehen bleibt (
BGE 105 Ia 337
f. E. 3d, mit Verweisungen), muss der Eigentümer eines am Rande des überbauten Gebietes gelegenen und lediglich einem Baugebiet zweiter Etappe zugewiesenen Grundstücks umso eher damit rechnen, dass diese Absicht mit Rücksicht auf veränderte Verhältnisse und neue Erkenntnisse, nach denen sich die Ortsplanung zu richten hat, aufgegeben wird.
Dass gewichtige öffentliche Interessen den Verzicht auf die definitive Einzonung rechtfertigen, hat das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 2. Juli 1980 festgestellt. Auch hat die Gemeinde keine Anstalten getroffen, um die Erschliessung zu fördern; diese wäre nicht leicht zu lösen und hätte hohe Kosten verursacht, was auch die Beschwerdeführerin anerkennt. Ein Erschliessungsplan, wie ihn bereits das frühere Baugesetz vorsah (Art. 20), fehlt. Überdies verlangen das kantonale Raumplanungsgesetz (Art. 7) sowie das frühere (Art. 52) und das geltende Gemeindebaugesetz (Art. 21) ausdrücklich, dass die Erschliessung durch eine hinreichende, vorschriftsgemässe Zufahrt von einer öffentlichen Strasse her sichergestellt sein muss. Die Erschliessung mit Hilfe einer Liftanlage, welche die Beschwerdeführerin als wahrscheinlich bezeichnet, dürfte kaum den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Schliesslich kann auch die Aussichtslage der Liegenschaft, wie das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 2. Juli 1980 feststellte, nicht zugunsten der Erwartung einer baldigen Einweisung des Grundstücks in die Bauzone erster Etappe angeführt werden. Diese Lage legte vielmehr die Schaffung einer Schutzzone nahe.
e) Bei dieser ungewissen Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerdeführerin am massgebenden Stichtag nicht damit rechnen, mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft auf ihrer Liegenschaft eine Überbauung zu realisieren. Damit liegt in der Zuweisung
BGE 108 Ib 345 S. 351
ihrer Liegenschaft zur Landwirtschafts- und Landschaftsschutzzone kein besonders schwerer Eingriff, der eine Entschädigungspflicht auslösen würde.
5.
a) Ebensowenig kann von einem Sonderopfer, das der Beschwerdeführerin auferlegt worden wäre, die Rede sein. Hievon könnte nur gesprochen werden, wenn im massgebenden Zeitpunkt anzunehmen gewesen wäre, eine zukünftige bessere Nutzung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklicht werden können (
BGE 107 Ib 223
E. 2;
BGE 105 Ia 339
E. 4 mit Verweisungen). Dies trifft - wie dargelegt - nicht zu. Auch war die Liegenschaft der Beschwerdeführerin, die den für das übrige Gebiet geltenden Bauvorschriften unterstand, seit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes am 1. Juli 1972 nicht mehr mit Ferienhäusern überbaubar. Dass die Liegenschaft nicht nur der Landwirtschaftszone, sondern zusätzlich einer ausgedehnten Landschaftsschutzzone, welche entgegen ihrer Darstellung nicht nur ihre Parzelle erfasste, zugeteilt wurde, fällt unter dem Gesichtspunkt der Eingriffsintensität nicht entscheidend ins Gewicht (
BGE 106 Ia 374
E. 3a). In beiden Zonen ist eine Überbauung mit Wohnbauten untersagt (Art. 71, 72 und 77 des Gemeindebaugesetzes). Diese Eigentumsbeschränkung trifft die Beschwerdeführerin gleich wie alle Eigentümer von Grundstücken in diesen Zonen.
b) Auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ihre Liegenschaft zum Wert von Bauerwartungsland versteuert hat, kann nicht zur Annahme eines Sonderopfers führen. Sinkt zufolge einer Zonenplanänderung, mit der ein Eigentümer rechnen muss, der Grundstückswert, so ist die Frage, ob eine Entschädigungspflicht wegen materieller Enteignung ausgelöst wird, ausschliesslich nach den hiefür entscheidenden Kriterien zu beurteilen. Konnte die Beschwerdeführerin im massgebenden Zeitpunkt nicht damit rechnen, ihr Grundstück in naher Zukunft sehr wahrscheinlich überbauen zu können, so entfällt die Entschädigungspflicht. Die Auffassung der Grundeigentümer und der Steuerbehörden über den Landwert bindet gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts die Bau-, Forst- oder Planungsbehörden nicht (unveröffentlichtes Urteil Rutsch vom 23. März 1977, E. 3b S. 13).
c) Schliesslich bemerkt die Beschwerdeführerin, sie hätte auch keinen Anspruch auf Rückerstattung der Projektierungskosten, wenn sie keine Entschädigung erhielte; eine derart stossende Ungerechtigkeit verhindere
Art. 4 BV
. Nach den Akten beziehen sich
BGE 108 Ib 345 S. 352
diese Kosten auf offenbar nur sehr generelle Studien eines Architekturbüros in Como, zu denen eine Meinungsäusserung des Planungsbüros Steiger in Zürich eingeholt wurde. Diese lautete kritisch und äusserte Zweifel an der Annahme des Projektes durch die Gemeinde. Bei dieser Sachlage ist zum Anspruch auf Rückerstattung von Projektierungskosten zunächst festzustellen, dass jede Spezifizierung der Aufwendungen fehlt und dass die Beschwerdeführerin es bei dem allgemeinen Hinweis auf
Art. 4 BV
bewenden lässt, ohne darzutun, worin die Verfassungsverletzung liegen soll. Abgesehen hievon hat das Bundesgericht in
BGE 102 Ia 252
f. einen Anspruch auf Ersatz von Projektierungskosten nur dann anerkannt, wenn ein Baugesuch eingereicht wird, das aufgrund des geltenden Rechts bewilligt werden müsste, das jedoch die Behörde zum Anlass nimmt, um die Rechtslage zu ändern und es alsdann abzuweisen. So verhält es sich im vorliegenden Falle klarerweise nicht. Die Beschwerdeführerin hatte zu keiner Zeit einen Anspruch auf Erteilung einer Baubewilligung für die Erstellung von Ferienhäusern auf ihrer noch nicht erschlossenen, der Bauzone 2. Etappe zugewiesenen Parzelle. Wer Studien für die Überbauung eines Areals anfertigt, für welches die baurechtlichen Voraussetzungen für eine Überbauung noch nicht erfüllt sind, handelt klarerweise auf eigenes Risiko (in diesem Sinne die nicht veröffentliche E. 5ee, S. 36 f., von
BGE 106 Ia 184
). | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b02e6240-da91-41ef-bed0-335b133250cb | Urteilskopf
124 V 145
25. Urteil vom 26. Mai 1998 i.S. Ausgleichskasse Basel-Landschaft gegen P. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 5 Abs. 5 AHVG
;
Art. 8bis AHVV
; Art. 7 Abs. 1 und 3 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik über Soziale Sicherheit vom 3. Juli 1975: Ausnahme geringfügiger Entgelte aus Nebenerwerb von der Beitragserhebung.
Die in Frankreich ausgeübte Erwerbstätigkeit kann als Haupterwerb gelten, der es erlaubt, das in der Schweiz erzielte geringfügige Einkommen aus einer Nebenerwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 8bis AHVV
von der Beitragserhebung auszunehmen.
Frage offengelassen, ob dies auch im Verhältnis zu anderen Staaten gilt. | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 124 V 145 S. 145
A.-
Die in Frankreich wohnhafte französische Staatsangehörige S. arbeitet seit 1. Februar 1990 während 38 Stunden in der Woche bei der Société X (in Frankreich). Gleichzeitig war sie gelegentlich nebenberuflich als Raumpflegerin bei P. (in der Schweiz) tätig. Am 4. Juli 1990 vereinbarten
BGE 124 V 145 S. 146
P. und S. den Verzicht auf die Abrechnung der AHV/IV/EO/AlV-Beiträge auf den S. ausgerichteten Entgelten aus Nebenerwerb bis zur Höhe von 2'000 Franken im Jahr.
Mit vier Verfügungen vom 21. Juli 1994 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft P. zur Nachzahlung paritätischer AHV/IV/EO/AlV-Beiträge sowie von Beiträgen an die Familienausgleichskasse im Gesamtbetrag von 605 Franken, einschliesslich Verwaltungskosten, auf den S. in den Jahren 1990 bis 1993 ausbezahlten Entgelten.
B.-
In Gutheissung der von P. hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die angefochtenen Nachzahlungsverfügungen mit Entscheid vom 1. Juli 1996 auf. Zur Begründung hielt es im wesentlichen fest, die Voraussetzungen für eine Beitragsbefreiung seien gegeben, obwohl S. ihre Haupterwerbstätigkeit in Frankreich ausübe, da der Sozialversicherungsschutz, welcher der Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Hauptbeschäftigung in Frankreich zustehe, ausreichend gewährleistet sei.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte die Ausgleichskasse, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
Während P. sich innert der gesetzten Frist nicht vernehmen liess, gab das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) eine Stellungnahme ab, in der es auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schloss.
D.-
Auf Ersuchen der Instruktionsrichterin reichte das BSV dem Gericht mit Eingabe vom 8. Oktober 1997 die Materialien zu Art. 7 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik über Soziale Sicherheit vom 3. Juli 1975 (internes Protokoll der Verhandlungen vom 23. bis 31. Oktober 1973) ein und erörterte Einzelfragen zum Staatsvertrag.
In der Folge wurde den Parteien Gelegenheit gegeben, sich im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels zu den ergänzenden Ausführungen des BSV zu äussern.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur soweit eingetreten werden, als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der Beitragsschuld an die Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen verhält (
BGE 119 V 68
Erw. 2a mit Hinweisen).
BGE 124 V 145 S. 147
2.
a) Gemäss Art. 7 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Französischen Republik über Soziale Sicherheit vom 3. Juli 1975 unterstehen Arbeitnehmer, die im Gebiet eines Vertragsstaates erwerbstätig sind, unter Vorbehalt der vorliegend nicht interessierenden Bestimmungen dieses Abschnittes, der Gesetzgebung dieses Vertragsstaates, auch wenn sie im Gebiet des anderen Vertragsstaates wohnen oder wenn sich ihr Arbeitgeber oder der Sitz des Unternehmens, das sie beschäftigt, im Gebiet des anderen Vertragsstaates befindet (Abs. 1). Bei gleichzeitiger Ausübung von zwei oder mehreren unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeiten im Gebiet des einen und des anderen Vertragsstaates untersteht nach Art. 7 Abs. 3 des Abkommens jede dieser Erwerbstätigkeiten der Gesetzgebung desjenigen Vertragsstaates, in dessen Gebiet sie ausgeübt wird. Bei Anwendung der Gesetzgebung des einen Vertragsstaates kann die im Gebiet des anderen Vertragsstaates ausgeübte Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden.
In der französischen Originalversion lautet Art. 7 Abs. 3 des Abkommens wie folgt:
"En cas d'exercice simultané de deux ou plusieurs activités professionnelles, salariées ou non salariées, sur le territoire de l'un ou de l'autre Etat, chacune de ces activités est régie par la législation de l'Etat sur le territoire duquel elle est exercée. Pour l'application de la législation de l'un des Etats, il peut être tenu compte de l'activité exercée sur le territoire de l'autre."
b) Aufgrund des in Art. 7 Abs. 1 des Abkommens statuierten Erwerbsortsprinzips (vgl. dazu
BGE 114 V 132
Erw. 4a mit Hinweis) untersteht die in Frankreich wohnhafte, in den Jahren 1990 bis 1993 sowohl in Frankreich als auch in der Schweiz erwerbstätige französische Staatsangehörige S. in bezug auf den in der Schweiz ausgeübten Nebenerwerb dem schweizerischen Recht, laut welchem sie obligatorisch versichert ist (
Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG
). Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des Abkommens und
Art. 3 AHVG
untersteht sodann das in der Schweiz erzielte Einkommen grundsätzlich der Beitragspflicht in der Schweiz.
c) Gemäss
Art. 5 Abs. 5 Satz 1 AHVG
kann der Bundesrat Vorschriften erlassen, wonach geringfügige Entgelte aus Nebenerwerb mit Zustimmung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers nicht in den massgebenden Lohn einbezogen werden. Gestützt auf diese Befugnis hat der Bundesrat
Art. 8bis AHVV
erlassen. Danach können die von einem Arbeitgeber ausgerichteten Entgelte, die für den Arbeitnehmer einen Nebenerwerb bilden und 2'000 Franken im Kalenderjahr nicht übersteigen, von der Beitragserhebung ausgenommen werden.
BGE 124 V 145 S. 148
3.
Die Ausnahme geringfügiger Entgelte aus Nebenerwerb von der Beitragserhebung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer über einen Haupterwerb verfügt. Streitig und zu prüfen ist, ob die von der Beschwerdegegnerin in den Jahren 1990 bis 1993 an die ihre Haupterwerbstätigkeit in Frankreich ausübende Arbeitnehmerin S. ausgerichteten geringfügigen Entgelte von jährlich unter 2'000 Franken von der Beitragserhebung ausgenommen werden können. Dies hängt davon ab, ob die in Frankreich ausgeübte Erwerbstätigkeit als Haupterwerb gelten kann, der es erlaubt, das in der Schweiz erzielte geringfügige Einkommen aus einer Nebenerwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 8bis AHVV
von der Beitragserhebung auszunehmen.
a) Die Auslegung eines Staatsvertrages hat in erster Linie vom Vertragstext auszugehen. Erscheint dieser klar und ist seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus Gegenstand und Zweck des Übereinkommens ergibt, nicht offensichtlich sinnwidrig, so kommt eine über den Wortlaut hinausgehende ausdehnende bzw. einschränkende Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist (
BGE 121 V 43
Erw. 2c,
BGE 117 V 269
Erw. 3b mit Hinweisen).
b) Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Abkommens, wonach bei Anwendung der Gesetzgebung des einen Vertragsstaates die im Gebiet des anderen Vertragsstaates ausgeübte Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden kann, lässt nach seinem - sowohl in der französischen Originalfassung als auch in der deutschen Übersetzung - klaren Wortlaut die Berücksichtigung der in Frankreich ausgeübten Erwerbstätigkeit als Haupterwerb im Sinne der Grundvoraussetzung für die Beitragsbefreiung gemäss
Art. 5 Abs. 5 AHVG
in Verbindung mit
Art. 8bis AHVV
zu. Der Umstand, dass Art. 7 Abs. 3 Satz 2 auf Wunsch von Frankreich in den Staatsvertrag aufgenommen wurde, um zu vermeiden, dass französische Staatsangehörige mit einer selbständigen Haupttätigkeit in der Schweiz und einer unselbständigen Nebenerwerbstätigkeit in Frankreich jeglichen Versicherungsschutz im Falle von Krankheit verlieren, wie das BSV in der Eingabe vom 8. Oktober 1997 unter Hinweis auf das interne Protokoll der Vertragsverhandlungen vom 23. bis 31. Oktober 1973 festhält, ist angesichts des in erster Linie massgebenden Wortlautes nicht entscheidend. Weil die fragliche Abkommensbestimmung in bilateraler Weise formuliert wurde, erlaubt sie den
BGE 124 V 145 S. 149
Vertragsparteien, die Erwerbstätigkeiten im jeweils anderen Vertragsstaat bei der Anwendung der eigenen Gesetzgebung zu berücksichtigen. Dabei fällt eine beitragsmässige Erfassung des im anderen Staat erzielten Einkommens offensichtlich ausser Betracht, da dies dem Erwerbsortsprinzip gemäss Art. 7 Abs. 1 des Abkommens widerspräche. Hingegen steht nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 des Abkommens nichts entgegen, die in einem Staat ausgeübte Haupttätigkeit bei der beitragsrechtlichen Erfassung der im anderen Staat verrichteten Nebenerwerbstätigkeit anzurechnen.
Gegen den Verzicht auf die Erhebung von Beiträgen auf geringfügigen Entgelten aus Nebenerwerb bei Ausübung einer Haupterwerbstätigkeit in Frankreich spricht auch nicht der auf Gewährung sozialer Sicherheit ausgerichtete Schutzgedanke des Sozialversicherungsrechts. Wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat und das BSV in der Vernehmlassung zu Recht bemerkt, sind Versicherte, die ihre Haupterwerbstätigkeit in Frankreich verrichten, nach dem Erwerbsortsprinzip dem Sozialversicherungssystem Frankreichs unterstellt, womit bei Eintritt eines Versicherungsfalls die entsprechenden Leistungen der französischen Sozialversicherung fällig werden. Dabei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass das französische Sozialversicherungssystem mit dem schweizerischen insoweit gleichwertig ist, als die materielle Existenzsicherung der betroffenen Personen bei Eintritt eines Versicherungsfalles in jedem der beiden Staaten gewährleistet ist.
c) Die Ausgleichskasse macht unter Hinweis auf den Gedanken der Solidarität und den Zusammenhang zwischen Versicherteneigenschaft und Beitragspflicht geltend, der Wegfall der Beitragspflicht unter Beibehaltung der Versicherteneigenschaft sei nur dann zu rechtfertigen, wenn bereits anderweitig Beiträge entrichtet würden. Ansonsten würden bei Eintritt eines Invaliditätsfalles unter Umständen Leistungen fällig, ohne dass der Versicherte je selbst Beiträge geleistet habe, was als stossend zu betrachten wäre und nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen dürfte.
Dieser Auffassung kann - zumindest mit Bezug auf den Rentenanspruch - nicht gefolgt werden. Denn gemäss
Art. 36 Abs. 1 IVG
setzt der Anspruch auf eine ordentliche Invalidenrente voraus, dass der Versicherte bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge an die schweizerische AHV/IV geleistet hat. Im übrigen sieht Art. 13 des schweizerisch-französischen Abkommens ohnehin vor, dass für die Ermittlung der Beitragsdauer, die als Bemessungsgrundlage für die ordentliche schweizerische Invalidenrente eines französischen oder schweizerischen
BGE 124 V 145 S. 150
Staatsangehörigen dient, die nach den französischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten wie schweizerische Beitragszeiten berücksichtigt werden, soweit sie sich mit letzteren nicht überschneiden. Hingegen werden für die Ermittlung des durchschnittlichen Jahreseinkommens nur die schweizerischen Beitragszeiten und die ihnen entsprechenden Einkommen berücksichtigt.
Für die Beitragsdauer, welche für die Ermittlung der Rentenskala entscheidend ist, sind demnach in einem Fall wie dem vorliegenden ohnehin die in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten mitzuberücksichtigen, während für die Festsetzung des Rentenbetreffnisses innerhalb der anwendbaren Rentenskala lediglich die in der Schweiz erzielten, hierorts der Beitragspflicht unterstellten Einkommen massgebend sind.
d) Ob die eingangs gestellte Rechtsfrage auch im Verhältnis zu anderen Staaten zu bejahen wäre, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden. Eine generelle Beantwortung der Frage, ob ein Verzicht auf die Beitragserhebung bei geringfügigen Entgelten aus Nebenerwerb in Betracht fällt, wenn die Haupttätigkeit ausserhalb der Schweiz verrichtet wird, drängt sich umso weniger auf, als die jeweils massgebenden Sozialversicherungsabkommen teilweise unterschiedliche Regelungen kennen. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b03480c1-579d-4cc7-9973-9b163b82a37c | Urteilskopf
106 Ia 333
57. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 28 novembre 1980 dans la cause Eric Knutti contre Gouvernement du canton du Jura (recours de droit public) | Regeste
Art. 88 OG
; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Zonenplan.
1. Grundsätzlich ist nur der Grundeigentümer beschwerdeberechtigt, dessen Grundstück vom Zonenplan erfasst wird; Bestätigung der Rechtsprechung (E. 1 a).
2. Legitimation eines Grundeigentümers, dessen Grundstück an die vom Zonenplan erfassten Gebiete angrenzt? Frage offen gelassen (E. 1b). | Erwägungen
ab Seite 334
BGE 106 Ia 333 S. 334
Extrait des considérants:
1.
Selon l'
art. 88 OJ
, la qualité pour former un recours de droit public appartient aux particuliers et aux collectivités lésés par des arrêtés ou décisions qui les concernent personnellement ou qui sont d'une portée générale.
Cette voie de droit n'est toutefois ouverte qu'à celui qui est lésé personnellement dans des intérêts juridiquement protégés par la norme constitutionnelle dont la violation est alléguée. En revanche, le recours de droit public ne saurait tendre à la protection de purs intérêts de fait (
ATF 104 Ia 152
), ou à la sauvegarde d'intérêts publics généraux (
ATF 104 Ia 152
, 353;
ATF 102 Ia 207
).
a) Il résulte de ces principes que peut seul former un tel recours, à l'encontre d'un plan de zones, celui qui est propriétaire d'un bien-fonds compris dans le périmètre du plan, et ce uniquement dans la mesure où la classification de son propre immeuble est en cause (
ATF 105 Ia 109
et les arrêts cités;
ATF 104 Ia 124
et les arrêts cités). Or, la modification qui résulte du nouveau plan de zones de constructions de la Commune de Courroux ne touche pas la parcelle dont est propriétaire le recourant, mais celles qui lui sont voisines et qui appartiennent à des tiers.
D'ailleurs, lorsqu'il fait valoir que la mise en construction desdites parcelles porterait atteinte à la protection du patrimoine architectural rural et du site de Courcelon, Eric Knutti invoque la lésion d'intérêts généraux, circonstance dans laquelle la voie du recours de droit public n'est précisément pas ouverte (
ATF 104 Ia 152
, 353;
ATF 102 Ia 207
).
b) Certes, celui qui est touché dans sa situation juridique par un plan de quartier a qualité pour attaquer celui-ci, alors même qu'il n'est pas propriétaire de terrains compris dans le périmètre concerné; tel est le cas lorsque le plan en cause a pour effet de limiter de façon inadmissible la possibilité d'utiliser son propre bien-fonds, ou lorsque les constructions prévues par le plan provoquent des immissions excessives pour son immeuble (
ATF 101 Ia 543
). On pourrait dès lors se demander si les mêmes principes ne sont pas applicables lorsqu'il s'agit d'une procédure de revision du plan de zones et si, par conséquent, la qualité pour recourir ne devrait pas être reconnue au propriétaire d'une parcelle voisine du périmètre touché par la modification
BGE 106 Ia 333 S. 335
litigieuse, dans la mesure où l'intéressé fait valoir que celle-ci entraîne la suppression de prescriptions d'utilisation qui avaient spécialement pour but de protéger ses propres intérêts (voir, à ce propos, l'arrêt non publié Bersier c. Fribourg, du 8 juillet 1980, ainsi que l'arrêt destiné à la publication Schlumpf c. Lötscher du 15 octobre 1980, consid. 2).
Cette question n'a toutefois pas à être examinée en l'espèce. En effet, si le recourant allègue que la décision attaquée le touche également dans ses intérêts personnels, en ce sens qu'il serait privé de la vue dont il jouit actuellement en cas de changement d'affectation des parcelles voisines de la sienne, force est de constater qu'il ne s'agit nullement là d'une atteinte à des intérêts juridiquement protégés: cette circonstance, qui découle de ce que les biens-fonds voisins du sien n'étaient jusqu'ici pas constructibles, constitue à l'évidence un pur avantage de fait. Eric Knutti ne saurait donc se plaindre de la perte de cet avantage dans le cadre du recours de droit public (
ATF 104 Ia 152
).
Le recourant n'a d'ailleurs jamais fait valoir devant l'autorité cantonale, pas plus du reste que devant l'autorité communale, que l'inclusion en zone à bâtir des trois parcelles litigieuses aurait pour conséquence de le priver de sa belle vue sur la vallée de Delémont, et de diminuer en conséquence la valeur économique de son immeuble. Or, le Tribunal fédéral ne peut se saisir de moyens de fait invoqués pour la première fois devant lui que dans la mesure où il s'agit d'un recours où l'épuisement des instances cantonales n'est pas prescrit (
ATF 102 Ia 79
, 246;
ATF 99 Ia 261
;
ATF 98 Ia 230
), ce qui n'est pas le cas en l'espèce: la garantie de la propriété ne figure en effet pas dans la liste de l'
art. 86 al. 2 OJ
, qui est limitative (
ATF 81 I 142
). | public_law | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b03a4d4f-f1d2-430a-a892-66a692191660 | Urteilskopf
120 V 375
51. Auszug aus dem Urteil vom 23. November 1994 i.S. S., Beschwerdeführerin, gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Zürich, und Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich | Regeste
Art. 8 Abs. 2 AVIG
,
Art. 15 Abs. 1 AVIG
,
Art. 14 Abs. 2 AVIV
. Voraussetzungen, unter denen arbeitslos gewordene Heimarbeitnehmer ihre Stellensuche auf den Heimarbeitsmarkt beschränken dürfen. | Erwägungen
ab Seite 375
BGE 120 V 375 S. 375
Aus den Erwägungen:
4.
(...) Indessen scheinen sowohl die Verwaltung wie auch die Rekurskommission den Umstand nicht ausreichend beachtet zu haben, dass die Beschwerdeführerin vor der Arbeitslosigkeit bei der Krankenkasse X vom 1. Juli 1988 bis Ende 1991 Heimarbeit verrichtet hat. Es stellt sich deshalb noch die Frage, ob
Art. 14 Abs. 2 AVIV
auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.
a) Gemäss dieser Bestimmung gelten Versicherte, die vor ihrer Arbeitslosigkeit als Heimarbeitnehmer beschäftigt waren, nur dann als vermittlungsfähig, wenn sie bereit sind, auch ausserhäusliche Arbeit
BGE 120 V 375 S. 376
anzunehmen, es sei denn, sie wiesen nach, dass sie dazu aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse nicht in der Lage sind.
Im unveröffentlichten Urteil K. vom 8. Juli 1993 hat das Eidg. Versicherungsgericht festgehalten, zu den persönlichen Verhältnissen gemäss
Art. 14 Abs. 2 AVIV
gehöre zweifellos auch die familiäre Situation. Es hat jedoch die Frage offengelassen, unter welchen Umständen gestützt auf die genannte Vorschrift Vermittlungsfähigkeit vorliegt.
b) Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels hat sich das BIGA eingehend zur Tragweite dieser Vorschrift geäussert. Im wesentlichen führte es aus, da sich aufgrund der Materialien nur wenige Rückschlüsse gewinnen liessen, sei auf eine zeitgemäss-teleologische Auslegung abzustellen. Demnach hätten grundsätzlich auch die Heimarbeiter den Anforderungen an die Vermittlungsfähigkeit gemäss
Art. 15 Abs. 1 AVIG
zu genügen. Nur wenn sie ausnahmsweise aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse objektiv zu ausserhäuslicher Tätigkeit nicht in der Lage seien, dürften sie sich ausschliesslich dem Heimarbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Als persönliche Verhältnisse in diesem Sinne könnten nur zwei Sachverhaltskonstellationen in Frage kommen: einerseits gesundheitliche Gründe, welche eine ausserhäusliche Tätigkeit objektiv verunmöglichten, oder familiäre Ursachen wie beispielsweise die Betreuung eines schwer pflegebedürftigen Familienangehörigen. Mütter mit Erziehungsaufgaben fielen erst dann unter die Ausnahmebestimmung des
Art. 14 Abs. 2 AVIV
, wenn eine Kindsbetreuung durch Drittpersonen bei objektiver Betrachtungsweise auch potentiell nicht in Frage komme. Bei weniger strengen Anforderungen würden heimarbeitende Mütter gegenüber ausserhäuslich tätigen in unzulässiger Weise bevorteilt, da sich diese oft aufgrund ihrer familiären Situation Vermittlungsunfähigkeit entgegenhalten lassen müssten. Es habe jeweils eine gesamtheitliche Beurteilung und Gewichtung im konkreten Einzelfall zu erfolgen, um mittels einer wertenden Abwägung zu bestimmen, ob ein Heimarbeitnehmer aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse seine Vermittlungsfähigkeit durch Arbeitssuche ausschliesslich auf dem Heimarbeitsmarkt einschränken dürfe.
Die Beschwerdeführerin könne vorliegend nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie habe während ihrer Arbeitslosigkeit immer wieder Möglichkeiten gefunden, ihr Kind unterzubringen. So habe sie beispielsweise einen Kurs besuchen können, der bedeutend zeitaufwendiger gewesen sei als die von ihr angebotenen 12 Stunden Arbeitszeit in der Woche. Demnach sei bei ihr eine
BGE 120 V 375 S. 377
Drittbetreuung des Kindes nicht potentiell unmöglich gewesen.
c) Die grundsätzlichen Überlegungen des BIGA vermögen zu überzeugen. Soweit zumutbar, muss in der Tat von einem in Heimarbeit tätig gewesenen Versicherten erwartet werden können, dass er sich auch für ausserhäusliche Arbeit zur Verfügung stellt. Es liefe auf eine stossende Bevorzugung der Heimarbeit hinaus, wenn sich Versicherte nur deshalb auf den Heimarbeitsmarkt beschränken dürften, weil sie unmittelbar vor der Arbeitslosigkeit zufälligerweise eine Heimarbeit verrichtet hatten.
d) Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin, soweit es ihr objektiverweise zuzumuten ist, sich auch um ausserhäusliche Arbeit zu bemühen hat.
Den Akten ist zu entnehmen, dass die Versicherte während mehrerer Monate einen Zwischenverdienst erzielt hat. Dabei dauerte die Arbeitszeit an drei Vormittagen in der Woche je von 08.00 bis 12.00 Uhr. Während dieser Zeit hat sie offenbar Wege gefunden, ihr Kind unterzubringen. Sodann hat sie vom 13. April bis 18. Mai 1992, also während mehr als einem Monat, einen ganztägigen Kurs besucht. Auch in diesem Fall liess sich eine Lösung für ihr Kind finden. Anlässlich der telefonischen Befragung durch den Sekretär der Vorinstanz am 7. April 1993 hat die Beschwerdeführerin angegeben, sie hätte sich für ihre Tochter "gewiss was einfallen lassen", wenn sie kurzfristig eine Halbtagesstelle gefunden hätte.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass auch in der hier streitigen Periode für die Unterbringung der Tochter durchaus Lösungen zu finden waren. Von einer objektiven, potentiellen Unmöglichkeit kann nicht gesprochen werden. Demzufolge kann sich die Beschwerdeführerin vorliegend nicht auf die Ausnahmeregelung des
Art. 14 Abs. 2 AVIV
berufen.
Im weiteren hat sich die Versicherte, soweit aus den Akten erkennbar, nur bei ausserhäuslichen Arbeitsstellen beworben. Sie gibt zwar an, sich auch für Heimarbeit zur Verfügung gestellt zu haben. Dass sie sich konkret um eine solche bemüht hätte, ist jedoch nicht nachgewiesen.
e) Nach dem Gesagten steht fest, dass in der streitigen Zeit keine Vermittlungsfähigkeit vorgelegen hat. Dem angefochtenen Entscheid ist somit im Ergebnis beizupflichten. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b03ebba0-95d4-4a60-804a-685be431749e | Urteilskopf
135 I 63
8. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. C. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_481/2008 vom 15. Dezember 2008 | Regeste
§§ 73 Abs. 1, 3 und 4, 83 StPO/ZH;
Art. 9 BV
; Freigabe der Kaution, Willkür.
Der deutsche Insolvenzverwalter ist ohne vorgängige Durchführung eines selbständigen Anerkennungsverfahrens und ohne Anhebung eines Anschlusskonkurses gemäss
Art. 166 ff. IPRG
zur Erhebung der Beschwerde an das Bundesgericht gegen die Verrechnung der aus öffentlich-rechtlichen Gründen an den Berechtigten herauszugebenden Kaution mit den Verfahrenskosten legitimiert (E. 1).
Die Verwendung der von einer Drittperson für den Angeschuldigten gestellten, nicht verfallenen Sicherheitsleistung zur Deckung der Verfahrenskosten ist unhaltbar (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 64
BGE 135 I 63 S. 64
Das Bezirksgericht Zürich erklärte mit Urteil vom 1. September 2005 X. und Y. des gewerbsmässigen Betruges, der Geldwäscherei, des Vergehens gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Sinne von Art. 23 i.V. mit
Art. 3 lit. a UWG
sowie des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und Z. des gewerbsmässigen Betruges sowie der Geldwäscherei schuldig und verurteilte sie zu unbedingten Freiheitsstrafen.
Auf Appellation der Beurteilten sowie zwei Geschädigter hin sprach das Obergericht des Kantons Zürich X., Y. und Z. mit Urteil vom 19. Dezember 2007 von der Anklage des gewerbsmässigen Betruges (evtl. der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung) sowie der Geldwäscherei frei. Die gegen X. und Y. ergangenen Schuldsprüche wegen Vergehens gegen das UWG sowie des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes bestätigte es, und verurteilte diese zu unbedingten (X.) bzw. bedingten (Y.) Geldstrafen.
Ferner beschlossen die kantonalen Instanzen, dass die X. mit Verfügung der Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich vom 27. Mai 2003 auferlegte Kaution von US$ 100'000.- nach Antritt der Strafe bzw. nach Bezahlung der Geldstrafe freigegeben, sogleich beschlagnahmt und zur Deckung der den Beurteilten
BGE 135 I 63 S. 65
auferlegten Kosten herangezogen wird; ein allfälliger Restbetrag sollte X. nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bzw. nach Erledigung allfälliger Rechtsmittel herausgegeben werden.
C. führt als Insolvenzverwalter der D. AG, welche die Sicherheitsleistung X. als Darlehen zur Verfügung gestellt hatte, Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, es sei der angefochtene Beschluss aufzuheben und es sei die geleistete Kaution von US$ 100'000.- nach Antritt der Strafe bzw. Bezahlung der Geldstrafe durch X. an den Beschwerdeführer freizugeben. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Die Beschwerde richtet sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz (
Art. 80 Abs. 1 BGG
) gefällten Endentscheid (
Art. 90 BGG
) in Strafsachen (
Art. 78 Abs. 1 BGG
).
1.1.1
Der Beschwerdeführer ist Insolvenzverwalter der D. AG. Diese hatte dem Beurteilten X. für die Leistung der Kaution ein Darlehen gewährt und den Betrag direkt an die Strafverfolgungsbehörde überwiesen. Gemäss
Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG
ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat und ein rechtliches Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Das Bezirksgericht Zürich ordnete eine Mitteilung des Entscheids an den Beschwerdeführer erst nach Eintritt der Rechtskraft an. Der Beschwerdeführer hatte daher von dem angefochtenen Beschluss keine Kenntnis. Dementsprechend hatte er auch keine Möglichkeit erhalten, am vorinstanzlichen Verfahren teilzunehmen. Die Konkursmasse der D. AG, welche X. den Betrag für die Kaution zur Verfügung gestellt hat, ist durch den angefochtenen Beschluss in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen.
1.1.2
Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter der D. AG in eigenem Namen Beschwerde. Die Prozessstandschaft als Berechtigung, fremde Interessen in eigenem
BGE 135 I 63 S. 66
Namen geltend zu machen, ergibt sich nach den Regeln des internationalen Privatrechts aus derjenigen Rechtsordnung, welche über die Prozessfähigkeit der in Frage stehenden Person entscheidet (IVO SCHWANDER, Einführung in das Internationale Privatrecht, 1. Bd., Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2000, N. 667). Im vorliegenden Fall ist sie am Konkursrecht anzuknüpfen (KURT SIEHR, Das Internationale Privatrecht der Schweiz, 2002, S. 654). Gemäss
Art. 166 Abs. 1 IPRG
wird ein ausländisches Konkursdekret, das am Wohnsitz des Schuldners ergangen ist, u.a. auf Antrag der ausländischen Konkursverwaltung anerkannt. Unter den Begriff der Konkursverwaltung fallen Institutionen oder Personen, die nach dem ausländischen Recht des Hauptkonkurses zur Anhebung, Leitung und Durchführung des Verfahrens zuständig sind (PAUL VOLKEN, Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 65 zu
Art. 166 IPRG
; STEPHEN V. BERTI, Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 20 zu
Art. 166 IPRG
). Nach deutschem Recht geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 der deutschen Insolvenzordnung [InsO], vgl. auch §§ 56 ff. InsO). Der Insolvenzverwalter gilt im deutschen Zivilverfahren kraft seines Amtes als Partei. Er kann mithin an Stelle des Berechtigten oder Verpflichteten im eigenen Namen den Prozess führen (BAUMBACH/LAUTERBACH/ALBERS/HARTMANN, Zivilprozessordnung, 66. Aufl., München 2008, N. 11 und 27 zu Grdz § 50 dZPO; STEIN/JONAS, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., Tübingen 2004, N. 28 vor § 50 dZPO).
Das Bundesgericht hat allerdings entschieden, dass über die Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets nicht vorfrageweise bei Erhebung einer Klage der Konkursmasse entschieden werden kann, weshalb es dieser die Prozessführungsbefugnis abgesprochen hat (
BGE 134 III 366
E. 9; vgl. auch
BGE 135 III 40
E. 2). Aus diesem Entscheid lässt sich indes nichts für die hier zu beurteilende Konstellation ableiten, bei der die Freigabe und Rückzahlung einer Kaution in Frage steht, welche aus öffentlich-rechtlichen Gründen dem Berechtigten herauszugeben ist, sofern sie nicht dem Staat verfällt. Die Legitimation des Beschwerdeführers ist daher anzuerkennen, ohne dass es der vorgängigen Durchführung eines selbständigen Anerkennungsverfahrens bedürfte und in der Schweiz ein Anschlusskonkurs gemäss
Art. 166 ff. IPRG
(inländischer Hilfskonkurs)
BGE 135 I 63 S. 67
angehoben werden müsste. Damit ist der Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter der in Konkurs gefallenen D. AG auch zur Erhebung der Beschwerde an das Bundesgericht in eigenem Namen legitimiert.
(...)
2.
Dem angefochtenen Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Gegen X., Y. und Z. wurde seit 1999 im Zusammenhang mit deren Tätigkeit als Geschäftsführer der Firmen E. AG bzw. F. AG von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich ein Strafverfahren u.a. wegen gewerbsmässigen Betruges geführt. Mit Verfügung der Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich vom 27. Mai 2003 wurde X. gegen Leistung einer Sicherheit in der Höhe von US$ 100'000.- aus der Einvernahme entlassen. Dabei informierte ihn die Untersuchungsbehörde darüber, dass die Kautionsleistung bei einer allfälligen Kostenauflage zur Deckung der Untersuchungskosten herangezogen werden könne. Der als Sicherheit geleistete Betrag wurde ihm von der D. AG als Darlehen zur Verfügung gestellt, was der Untersuchungsbehörde gegenüber offen gelegt worden war. Mit Valuta vom 2. Juni 2003 ging der direkt von der D. AG überwiesene Betrag auf dem Konto der Bezirksanwaltschaften I-V für den Kanton Zürich ein. X. hielt sich in der Folge den Strafbehörden weisungsgemäss zur Verfügung.
3.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Verrechnung der Fluchtkaution von US$ 100'000.- mit den Verfahrenskosten.
3.1
Die kantonalen Instanzen nehmen an, nach der Praxis sei es zulässig, die nicht verfallene Kaution in analoger Anwendung von § 83 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH; LS 321) zu beschlagnahmen und zur Deckung der dem Beurteilten auferlegten Verfahrenskosten zu verwenden. Sie beschlossen daher, die für X. geleistete Kaution von US$ 100'000.- nach Bezahlung der Geldstrafe zur Deckung der den drei Beurteilten anteilsmässig unter solidarischer Haftung für den gesamten Betrag auferlegten Verfahrenskosten heranzuziehen.
3.2
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe mit Faxschreiben vom 16. August 2004 an die Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich die Aus- bzw. Rückzahlung der Kaution an die D. AG für den Fall verlangt, dass sie frei werde. Über die Anklageschrift sowie die Urteile und Beschlüsse der kantonalen Gerichte sei er in der Folge nicht informiert worden. Er macht geltend, die Sicherheitsleistung für den Angeschuldigten sei von einer Drittperson
BGE 135 I 63 S. 68
gestellt worden. Dieser stehe daher der Rückforderungsanspruch gegenüber dem Staat zu, sobald jener die Strafe angetreten habe. Eine Verrechnung des der Drittperson zustehenden Rückforderungsanspruchs mit einer Forderung des Staates gegenüber dem Beurteilten sei unhaltbar. Ebenso unzulässig sei es, die geleistete Kaution gemäss
§ 83 StPO
/ZH zur Deckung der Prozesskosten zu beschlagnahmen. Gemäss dieser Bestimmung könne die Untersuchungsbehörde nur Vermögen des Angeschuldigten beschlagnahmen. Die Kaution sei daher nach Antritt der Strafe dem Beschwerdeführer als Insolvenzverwalter der D. AG zurückzuerstatten.
4.
4.1
Die Sicherheitsleistung ist eine Ersatzanordnung für die Untersuchungshaft. Sie kommt beim Haftgrund der Fluchtgefahr in Betracht und soll sicherstellen, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren unterzieht und gegebenenfalls die Strafe antritt. Der Sicherstellung anderer Verpflichtungen, etwa der Sicherung des gesamten Strafvollzuges oder staatlicher Forderungen, dient sie nicht (
BGE 107 Ia 206
E. 2b; DONATSCH/SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, N. 41 zu
§ 73 StPO
/ZH; SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 719 f.). Nach der Rechtsprechung kann die Sicherheitsleistung auch von einer Drittperson geleistet werden, wenn der Beschuldigte nicht in der Lage ist, sie aus eigenen Mitteln aufzubringen und soweit zu erwarten ist, die von jener geleistete Kaution werde den Beschuldigten von einer Flucht abhalten (Urteil des Bundesgerichts 1P.197/2004 vom 21. April 2004 E. 2.4).
4.2
Nach dem Strafprozessrecht des Kantons Zürich kann die Untersuchungsbehörde dem Angeschuldigten eine Sicherheitsleistung dafür auferlegen, dass er sich jederzeit zu Prozesshandlungen sowie zum Antritt einer allfälligen Strafe oder Massnahme stellen werde (
§ 73 Abs. 1 StPO
/ZH; vgl. auch
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
;
Art. 9 Ziff. 3 UNO-Pakt II
[SR 0.103.2]). Gemäss
§ 73 Abs. 3 StPO
/ZH wird die Sicherheit als verfallen erklärt, wenn der Angeschuldigte einer ordnungsgemässen Vorladung zu einer Prozesshandlung oder zum Vollzug einer Strafe oder Massnahme ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat. Die nicht verfallene Sicherheit wird bei rechtskräftiger Erledigung des Verfahrens, im Falle der Verurteilung des Angeschuldigten zu einer unbedingt zu vollziehenden Strafe oder zu einer Massnahme nach deren Antritt, freigegeben. Gemäss Abs. 4 der genannten Bestimmung entscheidet über Freigabe oder Verfall
BGE 135 I 63 S. 69
der Sicherheit die Behörde, bei welcher das Verfahren anhängig war. Sie befindet auch darüber, ob und in welchem Masse eine verfallene Sicherheit zur Deckung des gerichtlich zugesprochenen Schadenersatzes, der Verfahrenskosten, einer Geldstrafe oder einer Busse verwendet wird.
Nach
§ 83 StPO
/ZH kann die Untersuchungsbehörde, wenn sich ein Angeschuldigter, der keine Sicherheit geleistet hat, der Untersuchung durch die Flucht entzieht oder es zur Sicherung der künftigen Vollstreckung eines Strafurteils aus andern Gründen als geboten erscheint, von dessen Vermögen soviel mit Beschlag belegen, als zur Deckung der Prozesskosten, einer allfälligen Geldstrafe oder Busse, des verursachten Schadens und der Strafvollzugskosten voraussichtlich erforderlich ist.
4.3
Nach der Rechtsprechung des Kantons Zürich kann die frei gegebene Sicherheit nach der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens mit den der angeschuldigten Person auferlegten Bussen, Geldstrafen, Ersatzforderungen und Verfahrenskosten verrechnet werden, soweit sie von diesem selbst gestellt wurde (ZR 78/1979 Nr. 72 E. 3; SJZ 88/1992 S. 240 Nr. 36; SCHMID, a.a.O., N. 719a; vgl. auch Art. 239 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung). Der Kaution kommt in diesem Fall die Bedeutung einer Beschlagnahme von Vermögenswerten zur Sicherung der Verfahrenskosten zu (vgl.
BGE 115 III 1
E. 3a; ferner HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 69 N. 22 ff./25; OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2005, N. 1174; SCHMID, a.a.O., N. 752; vgl. auch PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2006, § 112 N. 874 2°).
4.4
In dem zu beurteilenden Fall wurde, wie die Bezirksanwaltschaft III für den Kanton Zürich in ihrer Verfügung der vom 27. Mai 2003 feststellt, die zur Deckung der Verfahrenskosten herangezogene Kaution dem Beschuldigten X. von einer Drittperson, der D. AG, als Darlehen zur Verfügung gestellt. Von dieser wurde sie in der Folge direkt auf das Konto der Bezirksanwaltschaften überwiesen (vgl. E. 2). Den Strafverfolgungsbehörden war somit bekannt, dass die Sicherheit nicht von X., sondern von der D. AG geleistet wurde. Diese hat somit den Betrag nicht bloss intern dem Beschuldigten als Darlehen zur Leistung der Sicherheit gewährt, sondern ist gegenüber den Strafverfolgungsbehörden selbst als Kautionsstellerin in Erscheinung getreten. Bei dieser Sachlage gilt
BGE 135 I 63 S. 70
gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht der Angeschuldigte als Einleger der Kaution, wie die Oberstaatsanwaltschaft in ihrer Vernehmlassung geltend macht, sondern allein die Drittperson. Ausschliesslich dieser steht demnach der Rückforderungsanspruch hinsichtlich der nicht verfallenen Kaution zu (Urteil des Bundesgerichts 6B_277/2007 vom 8. Januar 2008 E. 7.4).
Die D. AG musste nicht damit rechnen, dass die freizugebende Kaution zur Deckung der den Beurteilten auferlegten Verfahrenskosten verwendet würde. Sie wurde von den Untersuchungsbehörden auch nicht entsprechend informiert. Eine Verrechnung ihres Rückforderungsanspruchs mit den den Beurteilten auferlegten Verfahrenskosten wäre ohnehin ausgeschlossen, da dem Staat aus dem gegen jene geführten Strafverfahren keine Forderungen gegenüber der D. AG bzw. dem Beschwerdeführer zustehen (
Art. 120 Abs. 1 OR
). Nichts anderes ergibt sich aus
§ 83 StPO
/ZH, auf welchen sich die Vorinstanz beruft. Wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, erlaubt diese Bestimmung lediglich die Beschlagnahme von Vermögenswerten des Angeschuldigten, falls dieser sich der Untersuchung durch Flucht entzogen hat oder es zur Sicherung der künftigen Vollstreckung eines Strafurteils aus anderen Gründen als geboten erscheint. Für die Beschlagnahme von Vermögen von Drittpersonen bietet die Bestimmung keine Grundlage. Eine analoge Anwendung von
§ 83 StPO
/ZH auf von Dritten zur Verfügung gestellte frei gewordene Sicherheitsleistungen scheidet daher aus.
Die Heranziehung der von der D. AG zur Verfügung gestellten Kaution zur Deckung der Kosten des Strafverfahrens ist mit sachlichen Gründen nicht haltbar und verletzt die in
Art. 9 BV
verankerte Garantie des Schutzes vor Willkür und der Wahrung von Treu und Glauben. Die Beschwerde erweist sich als begründet. Die Vorinstanz wird bei ihrer neuen Beurteilung der Sache infolge Gutheissung der Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft Zürich im Verfahren 6B_466/2008 die Kaution, soweit sie freizugeben sein wird, nicht zur Deckung der den Beurteilten aufzuerlegenden Verfahrenskosten heranziehen können. Damit kann offenbleiben, ob im vorliegenden Fall auch der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt worden ist. | public_law | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b03f9fd9-fcf1-4d4e-aaed-fdf2dffc5267 | Urteilskopf
115 II 102
19. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 7 avril 1989 dans la cause société P. contre sociétés C. et D. et Cour de justice du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 190 ff. IPRG
. Übergangsrecht. Teilentscheide von Schiedsgerichten.
1. Anwendung der Grundsätze aus
Art. 87 OG
auf einen solchen Teilentscheid in der Sache (E. 2).
2. Wenn der Teilentscheid vor dem 1. Januar 1989 gefällt und bereits bei einer kantonalen Beschwerdeinstanz angefochten worden ist, aber nur zusammen mit dem Endentscheid zum Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde gemacht werden kann, so gilt das bisherige Recht auch für das Beschwerdeverfahren über den Endentscheid (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 115 II 102 S. 102
A.-
Le 24 janvier 1985, la société P., à Vaduz, en sa qualité d'entrepreneur général chargé de construire une raffinerie en Arabie Saoudite, a conclu deux contrats de sous-traitance avec les sociétés C. et D. Ces contrats avaient notamment pour objet
BGE 115 II 102 S. 103
l'exécution, par les deux entreprises françaises, de travaux de peinture et d'isolation sur le site de la raffinerie. Ils pouvaient être résiliés par la société P. en cas de carence des sous-traitants, conformément à une clause particulière des conditions générales (ch. 4.6).
Faisant usage de cette faculté, la société P. a résilié les deux contrats, par lettres des 18 juin et 6 juillet 1985, en invoquant principalement le retard pris par les sous-traitants dans l'exécution des travaux.
B.-
En avril 1986, les sociétés C. et D., qui contestaient la validité de la résiliation, ont introduit une procédure arbitrale en vue de contraindre la société P. à leur payer la somme de 5'127'183 US$ à titre de dommages-intérêts pour rupture de contrat.
La défenderesse a conclu, reconventionnellement, à ce que son droit de résilier les contrats de sous-traitance fût constaté et à ce que les demanderesses fussent condamnées à lui rembourser les dépenses qu'elle avait dû engager pour les remplacer.
Le 2 mars 1988, le Tribunal arbitral, dont le siège avait été fixé à Genève, a rendu une sentence partielle; pour l'essentiel, il y a constaté l'absence de validité de la résiliation litigieuse, rejeté en conséquence la demande reconventionnelle de la défenderesse, et réservé finalement la ou les décisions à prendre ultérieurement au sujet des dommages-intérêts dus aux demanderesses.
Contre cette sentence partielle, la société P. a formé un recours en nullité, fondé sur l'art. 36 lettre f du Concordat sur l'arbitrage (CIA; RS 279), que la Cour de justice du canton de Genève a rejeté par arrêt du 19 décembre 1988.
C.-
La défenderesse exerce un recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
Elle conclut à l'annulation tant de l'arrêt cantonal que de la sentence arbitrale, ainsi qu'au renvoi de la cause au Tribunal arbitral afin qu'il rende une nouvelle sentence.
Les intimées et la cour cantonale n'ont pas été invitées à se déterminer sur le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le présent recours est fondé sur la violation de l'art. 36 lettre f CIA. Selon la jurisprudence, ce moyen se confond avec le grief d'arbitraire au sens de l'
art. 4 Cst.
(
ATF 105 Ib 436
consid. 4b). Il est donc irrecevable, conformément à l'
art. 87 OJ
,
BGE 115 II 102 S. 104
s'il est dirigé contre une décision incidente qui n'entraîne pas de dommage irréparable pour la recourante (même arrêt, p. 437).
a) La décision finale est celle qui met un terme à la procédure, qu'il s'agisse d'une décision sur le fond ou d'une décision qui clôt l'action judiciaire en raison d'un motif tiré des règles de la procédure (
ATF 110 Ia 134
). Est, en revanche, une décision incidente celle qui est prise en cours de procès et qui ne constitue qu'une étape vers la décision finale; elle peut avoir pour objet une question de procédure tout comme une question de fond, jugée préalablement à la décision finale (
ATF 106 Ia 228
consid. 2, 233 consid. 3a et les références). Le fait qu'un jugement règle définitivement le sort d'une partie du litige ne modifie en rien le caractère incident d'une telle décision (
ATF 106 Ia 228
).
L'arrêt attaqué ne met pas un terme à la procédure arbitrale. En effet, la sentence partielle, objet du recours en nullité, ne scelle pas une fois pour toutes le sort des prétentions en cause: elle se borne à admettre le principe de la responsabilité contractuelle de la recourante, tout en réservant la fixation ultérieure des dommages-intérêts dus aux intimées (cf.
ATF 108 Ia 204
). Peu importe, à cet égard, que la demande reconventionnelle de la recourante ait été rejetée par le Tribunal arbitral. Ce nonobstant, la question du montant des indemnités prétendues par les intimées demeure en suspens, de sorte que l'arrêt entrepris, qui participe du caractère incident de la sentence, ne saurait être qualifié de décision finale, d'après la jurisprudence susmentionnée.
b) Pour que la condition du "dommage irréparable", au sens de l'
art. 87 OJ
, soit réalisée, la décision incidente doit causer à l'intéressé un préjudice juridique - un dommage de pur fait, tel que la prolongation de la procédure ou un accroissement des frais de celle-ci, n'est pas considéré comme irréparable de ce point de vue - qu'une décision favorable ne ferait pas disparaître entièrement (
ATF 108 Ia 204
,
ATF 106 Ia 228
/229, 234 et les références). Le but de l'
art. 87 OJ
n'est pas d'enlever au recourant la possibilité d'attaquer une décision incidente parce qu'il n'en découlerait pas de dommage irréparable, mais de l'obliger à faire valoir ses griefs au moment où est prise la décision finale (
ATF 96 I 465
consid. 3b). Encore faut-il qu'il puisse le faire, ce qui suppose que la décision finale soit elle-même susceptible d'un recours de droit public qui permette au Tribunal fédéral d'examiner, à cette occasion, si la décision incidente viole ou non l'
art. 4 Cst.
Prima facie, tel semble être le cas en l'espèce.
BGE 115 II 102 S. 105
Pourtant, à y regarder de plus près, la situation se complique en raison du caractère international de la procédure arbitrale divisant les parties et de l'entrée en vigueur, au début de cette année, de nouvelles dispositions légales applicables en la matière. Aussi un examen plus approfondi de la question s'impose-t-il dans le cas particulier.
3.
a) La loi fédérale sur le droit international privé (LDIP; RS 291) du 18 décembre 1987 est entrée en vigueur le 1er janvier 1989 (RO 1988 II 1827). Son chapitre 12 contient des dispositions régissant l'arbitrage international (art. 176 à 194), dont les parties peuvent toutefois exclure l'application au profit des règles de la procédure cantonale en matière d'arbitrage (art. 176 al. 2). La possibilité d'attaquer une sentence arbitrale - partielle ou finale - y est doublement restreinte: d'une part, le recours n'est ouvert que devant une seule instance, savoir le Tribunal fédéral, qui statue selon la procédure relative au recours de droit public (art. 191 al. 1; cf. art. 85 lettre c OJ nouveau), ou le juge du siège du tribunal arbitral, que les parties peuvent saisir, d'un commun accord, en lieu et place du Tribunal fédéral (art. 191 al. 2); d'autre part, la sentence arbitrale ne peut être attaquée que pour les motifs limitativement énumérés à l'art. 190 al. 2 - ils ont trait pour l'essentiel à des questions de procédure -, lesquels ne visent ni les constatations manifestement contraires aux faits résultant du dossier, ni la violation évidente du droit ou de l'équité, soit les motifs de nullité énoncés à l'art. 36 lettre f CIA (sur toutes ces questions, cf. A. BUCHER, Le nouvel arbitrage international en Suisse, n. 335 ss).
Dans un arrêt de principe rendu le 7 avril 1989 - soit le même jour que le présent arrêt - et publié à la page 97 ss, le Tribunal fédéral s'est penché sur la question du droit transitoire en matière d'arbitrage international. Constatant l'existence d'une lacune en ce domaine, il l'a comblée en retenant comme date décisive celle du prononcé de la sentence: si la sentence a été rendue avant le 1er janvier 1989, ce sont les dispositions de l'ancien droit qui déterminent la voie de recours par laquelle celle-ci peut être contestée, quelle que soit la date de sa notification aux parties; inversement, les dispositions topiques de la loi fédérale sur le droit international privé sont applicables à toutes les sentences de caractère international rendues après le 1er janvier 1989, sans qu'il importe de savoir si la procédure arbitrale considérée a été engagée avant ou après cette date.
BGE 115 II 102 S. 106
En l'occurrence, la stricte observation de ces principes jurisprudentiels aurait pour conséquence de soustraire la décision incidente présentement attaquée à la connaissance du Tribunal fédéral. En effet, la ou les sentences que le Tribunal arbitral devra encore rendre pour mettre fin à la procédure pendante ne seraient alors plus susceptibles que d'un recours de droit public au sens des
art. 190 al. 2 LDIP
et 85 lettre c OJ. Il n'y aurait donc plus de décision cantonale finale qui puisse faire l'objet d'un recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
, respectivement du Concordat sur l'arbitrage (art. 84 al. 1 lettres a et b OJ), et qui permette à la recourante de revenir, à ce moment-là (cf.
ATF 105 Ib 438
in fine), sur la décision incidente qu'elle critique aujourd'hui et qui conditionne d'ores et déjà l'issue du litige, voire y met fin s'agissant de la demande reconventionnelle. Le Tribunal arbitral serait du reste privé lui aussi de la faculté d'examiner, en rendant sa ou ses sentences ultérieures, si la sentence partielle ici en cause était fondée ou non (
ATF 112 Ia 171
/172 consid. 3d). Semblable solution serait sans doute inconciliable avec le but de l'
art. 87 OJ
, lequel - on l'a vu - ne consiste pas à exclure la recevabilité du recours de droit public contre une décision incidente, mais uniquement à éviter que le Tribunal fédéral ne doive s'occuper plus d'une fois de la même affaire. Aussi, lorsqu'une sentence partielle a été rendue avant le 1er janvier 1989 et a fait l'objet d'un arrêt de l'autorité cantonale de recours encore susceptible d'un recours de droit public au Tribunal fédéral en même temps que la décision finale, convient-il d'apporter un tempérament à la jurisprudence voulant que toute sentence rendue après le 1er janvier 1989 soit soumise au nouveau droit quant à la procédure de recours. En pareille hypothèse, il se justifie d'appliquer, jusqu'à la fin de la procédure arbitrale pendante, les dispositions de l'ancien droit touchant les voies de recours. Cette solution, qui vaut en tout cas pour la sentence partielle relative à une question de fond, implique que la sentence finale, pourtant postérieure au 1er janvier 1989, puisse néanmoins être déférée à l'autorité cantonale de recours, afin que le Tribunal fédéral, statuant sur un recours de droit public, au sens de l'
art. 84 al. 1 OJ
, dirigé contre l'arrêt de cette autorité, soit en mesure d'examiner, à cette occasion, les critiques visant la décision incidente prise avant le 1er janvier 1989 par la même autorité.
b) En application de ces principes, le présent recours doit être déclaré irrecevable, en vertu de l'
art. 87 OJ
. La recourante pourra
BGE 115 II 102 S. 107
cependant attaquer la décision incidente qui en fait l'objet en même temps que la décision finale. | public_law | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b041db72-4358-4c08-9875-d3e96fd56a23 | Urteilskopf
104 II 15
4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Februar 1978 i.S. Einwohnergemeinde Biel und Mitbeteiligte gegen Zuckerfabrik & Raffinerie Aarberg AG und Mitbeteiligte | Regeste
Art. 679 ZGB
; Schadenersatzklage wegen Beeinträchtigung bzw. Gefährdung von Grundwasserfassungen durch versickerte Betriebsabwässer
1. Aktivlegitimation der Eigentümer der Wasserfassungen (E. 1)
2. Passivlegitimation
a) im allgemeinen (E. 2);
b) des Unternehmens, das seine Abwässer in selbst angelegten Becken versickern lässt (E. 3);
c) der Eigentümer der Grundstücke, auf denen sich die Sickerbecken befinden (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 104 II 15 S. 15
A.-
Die Einwohnergemeinden Biel und Lyss und die Seeländische Wasserversorgung (SWG), ein Gemeindeverband mit dem Zweck, eine gemeinsame Wasserversorgung zu betreiben,
BGE 104 II 15 S. 16
sind Eigentümerinnen von Grundwasserfassungen im Berner Sceland. Das Pumpwerk der SWG und die beiden Pumpwerke der Einwohnergemeinde Biel befinden sich auf dem Gebiet der Gemeinde Worben, die beiden Pumpwerke der Einwohnergemeinde Lyss auf dem eigenen Gemeindegebiet.
Die Zuckerfabrik & Raffinerie Aarberg AG (ZRA), die in ihrem Betrieb Wasser für den Transport und das Waschen der angelieferten Rüben, für deren Verarbeitung und für die Reinigung ihrer Einrichtungen und Räume benötigt, liess bis und mit Kampagne (Hauptverarbeitungszeit) des Jahres 1963 grosse Mengen in Sickerbecken geleiteten Abwassers versickern. Weiteres Abwasser versickerte überdies aus sogenannten Deponieteichen. Für die Anlage dieser Sickerbecken und Deponieteiche waren der ZRA neun Parzellen - vorerst pachtweise und ab 4. Dezember 1954 aufgrund einer Personaldienstbarkeit - durch die Einwohnergemeinde Aarberg und drei weitere Parzellen - pachtweise - durch die Burgergemeinde Kappelen zur Verfügung gestellt worden.
Im Jahre 1967 schlossen sich die Einwohnergemeinden Biel und Lyss und die SWG zur Wasserverbund Seeland AG zusammen mit dem Zweck, im Raume Hagneckkanal - Walperswil (Gimmiz) - Kappelen eine neue Grundwasserfassung zu erstellen.
B.-
Am 6. Juli 1966 hatten die Einwohnergemeinden Biel und Lyss und die SWG beim Appellationshof des Kantons Bern (III. Zivilkammer) eine Schadenersatzklage eingereicht, mit dem Begehren, die ZRA, die Burgergemeinde Kappelen und die Einwohnergemeinde Aarberg seien solidarisch, allenfalls nach vom Gericht zu bestimmenden Anteilen, zu verpflichten, jeder der drei Klägerinnen einen vom Richter festzusetzenden Betrag nebst 5% Zins seit Klageeinreichung zu zahlen. Sie begründeten ihre Klage damit, dass das Grundwasser im Gebiet von Worben und Lyss durch die versickerten ZRA-Abwässer verschmutzt worden sei und sie sich deshalb veranlasst gesehen hätten, in Gimmiz eine neue Wasserfassung zu erstellen.
Mit Urteil vom 7. März 1977 wies der Appellationshof des Kantons Bern (III. Zivilkammer) die Klage der SWG vollumfänglich und jene der Einwohnergemeinden Biel und Lyss insoweit ab, als sie die Burgergemeinde Kappelen und die Einwohnergemeinde Aarberg betraf. Die gegen die ZRA gerichtete
BGE 104 II 15 S. 17
Klage der Einwohnergemeinden Biel und Lyss hiess er teilweise gut, wobei er jene verpflichtete, der Einwohnergemeinde Biel 1,2 Mio. und der Einwohnergemeinde Lyss 600'000 Franken zu bezahlen.
In seinen Erwägungen hält der Appellationshof unter Hinweis auf die
Art. 679 und 684 ZGB
fest, die von der ZRA verursachte Gewässerverschmutzung stelle eine gemäss Nachbarrecht unerlaubte übermässige Einwirkung dar. Die Aktivlegitimation der Klägerinnen sei zu bejahen. Das gleiche gelte für die Passivlegitimation der ZRA, und zwar unabhängig davon, ob diese als Pächterin der ihr für die Anlage der Sickerbecken und Deponieteiche zur Verfügung gestellten Parzellen aufgetreten sei oder als Dienstbarkeitsberechtigte; dagegen seien die Burgergemeinde Kappelen und die Einwohnergemeinde Aarberg nicht passivlegitimiert. Bei der Prüfung der einzelnen Haftungsvoraussetzungen gelangt der Appellationshof aufgrund der eingeholten Gutachten unter anderem zum Ergebnis, die von der ZRA verursachte Grundwasserverschmutzung habe nur die Wasserfassungen der Einwohnergemeinden Biel und Lyss beeinträchtigt bzw. gefährdet, nicht aber das Pumpwerk der SWG, deren Klage deshalb abzuweisen sei.
C.-
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen Berufung erhoben mit dem Antrag, alle drei Beklagten seien zu verpflichten, ihnen unter solidarischer Haftung, allenfalls anteilmässig, einen Betrag von Fr. 23'574'457.10 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1974 zu bezahlen; eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Burgergemeinde Kappelen und die Einwohnergemeinde Aarberg schliessen auf Abweisung der Berufung.
Die ZRA hat eine Anschlussberufung eingereicht und verlangt, die gegen sie gerichteten Klagen der Einwohnergemeinde Biel und der SWG seien abzuweisen; die Klage der Einwohnergemeinde Lyss sei insoweit abzuweisen, als ein Betrag gefordert werde, der 150'000 Franken übersteige.
Die Klägerinnen stellen den Antrag, die Anschlussberufung sei abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 679 ZGB
kann derjenige, der dadurch geschädigt oder mit Schaden bedroht wird, dass ein Grundeigentümer
BGE 104 II 15 S. 18
sein Eigentumsrecht überschreitet, auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen. Daraus könnte geschlossen werden, jedermann sei klageberechtigt, der geltend machen wolle, er habe dadurch einen Schaden erlitten, dass ein Grundeigentümer seine Befugnisse überschritten habe. Indessen hat sich in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt, dass der Anwendungsbereich von
Art. 679 ZGB
auf das nachbarliche Verhältnis beschränkt sei. Verantwortlichkeitsansprüche kann nur erheben, wer in der Nutzung, Benutzung oder Bewirtschaftung eines benachbarten Grundstücks beeinträchtigt wird. Erforderlich ist somit eine nicht bloss zufällige und momentane Beziehung zum betroffenen Grundstück. Klageberechtigt ist jedoch nicht nur dessen Eigentümer, sondern namentlich auch der Inhaber beschränkter dinglicher oder obligatorischer Rechte, d.h. unter anderem der Dienstbarkeitsberechtigte, Mieter oder Pächter (dazu
BGE 88 II 263
mit Hinweisen;
BGE 83 II 379
f. E. 1 mit Hinweisen; MEIER-HAYOZ, N. 38-43 zu Art. 679 und N. 186 f. zu
Art. 684 ZGB
; LIVER, N. 118 zu
Art. 737 ZGB
; LIVER, Das Eigentum, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1 S. 234 f.).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass die Aktivlegitimation der Klägerinnen zu bejahen ist. Diese sind Eigentümerinnen der Grundstücke, auf denen sie gemäss einer vom Regierungsrat des Kantons Bern erteilten Konzession bzw. Bewilligung Grundwasser fördern. Soweit sie geltend machen, dieses Grundwasser werde durch übermässige und daher unzulässige Einwirkungen beeinträchtigt, die von den fraglichen Grundstücken der Burgergemeinde Kappelen und der Einwohnergemeinde Aarberg ausgingen, sind sie insbesondere auch als Nachbarn zu betrachten, denn Nachbar im Sinne des
Art. 679 ZGB
ist nicht nur der Anstösser, sondern jeder, der als Eigentümer oder Besitzer eines Grundstückes von den beanstandeten Immissionen betroffen wird (vgl.
BGE 91 II 190
E. 4;
81 II 443
E. 1; MEIER-HAYOZ, N. 44 zu Art. 679 und N. 184 f. zu
Art. 684 ZGB
).
Mit dem in der Anschlussberufung erhobenen Einwand, an den im Eigentum der Klägerinnen stehenden Grundstücken und Anlagen sei kein Schaden entstanden und jene hätten jedenfalls gegenüber der ZRA keinen Anspruch auf eine bestimmte Menge und Qualität des von ihnen geförderten
BGE 104 II 15 S. 19
Grundwassers gehabt, lässt sich deren Aktivlegitimation nicht verneinen. Die Grundstücke der Klägerinnen und die darauf errichteten Wasserfassungen und Pumpwerke dienten ausschliesslich der Gewinnung von Trinkwasser. Durch eine Verschlechterung der Wasserqualität wurden die Klägerinnen in der bestimmungsgemässen Verwendung ihrer Grundstücke beeinträchtigt, was als Schädigung zu werten ist. Eine Verschmutzung von Grundwasservorkommen, die auf eine Überschreitung der Grundeigentümerbefugnisse zurückging, wurde vor Einführung des im neuen Gewässerschutzgesetz (SR 814.20) enthaltenen Kausalhaftungstatbestandes (Art. 36 denn auch allgemein als Anwendungsfall von
Art. 679 ZGB
betrachtet (dazu STARK, Probleme der Vereinheitlichung des Haftpflichtrechts, in ZSR 86/1967 II S. 124; SCHINDLER, Rechtsfragen des Gewässerschutzes in der Schweiz, in ZSR 84/1965 II S. 509 ff.).
2.
Nach dem Wortlaut des
Art. 679 ZGB
fallen als Haftpflichtige nur die Eigentümer von Grundstücken in Betracht. In Rechtsprechung und Lehre wurden indessen auch Inhaber beschränkter dinglicher Rechte als passivlegitimiert bezeichnet (
BGE 88 II 264
;
BGE 68 II 373
E. 2; WIELAND, N. 7 zu
Art. 679 ZGB
; HAAB, N. 12 zu
Art. 679 ZGB
; STARK, Das Wesen der Haftpflicht des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB
, S. 206; GUISAN, in JdT 1951 I S. 141; MEIER-HAYOZ, N. 58 f. zu
Art. 679 ZGB
; LIVER, N. 107 ff. zu
Art. 737 ZGB
; LIVER, Das Eigentum, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1 S. 234). Ob auch obligatorisch Berechtigte zum Kreis der möglichen Haftpflichtigen zu zählen seien, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (für deren Passivlegitimation sprechen sich unter anderem aus: WIELAND, N. 7 zu
Art. 679 ZGB
; ROSSEL/MENTHA, Manuel du droit civil suisse, 2. Aufl., 2. Bd. S. 353; GUISAN, a.a.O.; STARK, a.a.O., S. 207; die gegenteilige Auffassung vertreten namentlich LEEMANN, N. 29 zu
Art. 679 ZGB
; HAAB, N. 13 zu
Art. 679 ZGB
; MEIER-HAYOZ, N. 61 f. zu
Art. 679 ZGB
; LIVER, N. 115 zu
Art. 737 ZGB
; LIVER, Das Eigentum, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1 S. 234). Das Bundesgericht hatte diese Frage noch nie zu entscheiden (in
BGE 44 II 37
oben hat es sie angedeutet, aber offen gelassen).
a) Die Haftung gemäss
Art. 679 ZGB
wird ausgelöst durch eine Schädigung (oder drohende Schädigung) infolge Überschreitung
BGE 104 II 15 S. 20
der dem Grundeigentümer von der Rechtsordnung gezogenen Schranken, die namentlich im Nachbarrecht (
Art. 684 ff. ZGB
) umschrieben sind (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 3. Aufl. Bd. II/1, S. 15). Die Beeinträchtigung der Rechte des Nachbarn muss demnach auf die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über das Grundstück, d.h. auf dessen Bewirtschaftung oder sonstige Benützung, zurückgehen (
BGE 93 II 234
mit Hinweisen). Anknüpfungspunkt ist also nicht etwa das formale Kriterium des Eigentums als solchen (zur analogen Betrachtungsweise bei der mit der Grundeigentümerhaftung verwandten Werkeigentümerhaftung nach
Art. 58 OR
vgl.
BGE 91 II 284
E. b, 290 E. 7.
Die tatsächliche Herrschaft kann nicht nur der Eigentümer des Grundstückes ausüben, sondern auch ein unselbständiger Besitzer, der dieses zu einem beschränkten dinglichen oder zu einem persönlichen Recht zugewiesen erhalten hat (
Art. 919 und 920 ZGB
), so beispielsweise der Nutzniesser oder der Pächter. Ein solcher Besitzer hat gegenüber dem Nachbarn keinen grösseren Duldungsanspruch als der Eigentümer. Vielmehr unterliegt er den Regeln des Nachbarrechts genauso wie dieser (vgl. STARK, a.a.O. S. 206; MEIER-HAYOZ, N. 58 zu
Art. 679 ZGB
). Ist aber im nachbarrechtlichen Verhältnis der blosse Besitzer mit Bezug auf die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über das Grundstück dem Eigentümer gleichgestellt, rechtfertigt es sich, ihn auch hinsichtlich der Haftung aus
Art. 679 ZGB
nicht anders zu behandeln.
b) Einen sachlichen Grund, die Passivlegitimation nur auf den Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts auszudehnen, gibt es nicht. Die Wirkungen des Besitzes - der für die Haftung massgebenden Beziehung zum Grundstück - gegenüber Dritten sind nicht von der Art des ihm zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses abhängig. Es ist deshalb folgewidrig, nebst dem Eigentümer nur Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts zu den möglichen Passivlegitimierten zu zählen, mit der Begründung, der Ausnahmecharakter von
Art. 679 ZGB
erlaube nicht, über diese hinaus einen weiteren Personenkreis der strengen Kausalhaftung zu unterwerfen (so MEIER-HAYOZ, N. 62 zu
Art. 679 ZGB
).
Weiter wird etwa eingewendet, ein Mieter oder Pächter übe nicht ein Dritten gegenüber wirksames eigenes Recht am Grundstück aus, sondern nur die sich für ihn aus dem Vertrag
BGE 104 II 15 S. 21
mit dem Eigentümer ergebenden, nach Inhalt und Umfang ganz individuell bestimmten Befugnisse, denen jede Publizität fehle (LIVER, N. 116 zu
Art. 737 ZGB
). Entscheidend für die Frage der Passivlegitimation ist indessen einzig das Verhältnis zum Nachbarn; Art und Umfang des vom Eigentümer übertragenen Rechts sind unerheblich. Gewiss lässt sich der Bestand beispielsweise eines Pachtverhältnisses aus dem Grundbuch nicht entnehmen. Der Nachbar im Sinne von
Art. 679 ZGB
wird jedoch in aller Regel erkennen können, wer in Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über ein Grundstück die Ursache eines Schadens gesetzt hat. Jedenfalls ist es für ihn nicht schwieriger, den möglichen Haftpflichtigen auszumachen, als etwa für den durch ein Tier (
Art. 56 OR
) oder durch einen Werkmangel (
Art. 58 OR
) Geschädigten.
Der in der Lehre vertretenen Auffassung, für eine Ausdehnung der Haftung nach
Art. 679 ZGB
über Eigentümer und Träger von beschränkten dinglichen Rechten hinaus bestehe kein Bedürfnis (LEEMANN, N. 29 zu
Art. 679 ZGB
; MEIER-HAYOZ, N. 62 zu
Art. 679 ZGB
), kann nicht beigepflichtet werden. Dem Geschädigten wird es nämlich nicht in allen Fällen gelingen, sich am Eigentümer schadlos zu halten, und es kann für ihn dort, wo der Schaden durch einen finanzstarken Pächter verursacht oder mitverursacht wurde, wichtig sein, auch diesen gestützt auf
Art. 679 ZGB
ins Recht fassen zu können.
3.
Die Sickerteiche, über die die schädlichen Abwässer in den Grundwasserstrom gerieten, wurden nicht von den Eigentümerinnen der Parzellen angelegt, sondern von der ZRA selbst, die auch für den Unterhalt besorgt war. Damit übte die ZRA eine selbständige tatsächliche Herrschaft über die Grundstücke aus. Nach den vorstehenden Erwägungen kann sie daher auch für jene Verschmutzung gestützt auf
Art. 679 ZGB
belangt werden, die von den gepachteten Grundstücken ausging. Auch insofern ist die Anschlussberufung demnach unbegründet.
Es zeigt sich übrigens gerade am Beispiel der ZRA, dass es stossend wäre, vom Kreis der aus
Art. 679 ZGB
möglichen Haftpflichtigen die obligatorisch Berechtigten auszunehmen, würde doch - sollten die Voraussetzungen erfüllt sein - die ZRA in jenem Fall nur für die Versickerung auf denjenigen Parzellen kausal haften, die ihr von der Einwohnergemeinde
BGE 104 II 15 S. 22
Aarberg ab Ende 1954 aufgrund einer Dienstbarkeit zur Verfügung gestellt worden waren, während sie bezüglich der Versickerung auf den von der Burgergemeinde Kappelen gepachteten Grundstücken lediglich der Verschuldenshaftung des
Art. 41 OR
unterläge. Unbillig wäre dieses Ergebnis vor allem auch deshalb, weil im zweiten Fall nur die Grundeigentümerin kausal haften würde, obschon hauptsächlich die ZRA aus der durch
Art. 679 ZGB
verpönten Versickerung, deren Urheberin sie war, einen Vorteil zog, indem sie die Errichtung einer Anlage zur Beseitigung ihrer Abwässer hinauszögern und während Jahren die Kosten des Unterhalts einer solchen Anlage einsparen konnte. Für die Eigentümerin der Parzellen, auf denen sich die Sickerbecken befanden, hätte der Nutzen bei einer andern Bewirtschaftung dagegen nicht unbedingt geringer sein müssen.
4.
Knüpft die Haftung des
Art. 679 ZGB
nicht an das formale Kriterium des Eigentums als solchen an, beurteilt sich die Frage, ob ausser der ZRA auch die Burgergemeinde Kappelen und die Einwohnergemeinde Aarberg als Eigentümerinnen der Grundstücke passivlegitimiert seien, nach den konkreten Verhältnissen. Es ist daher zu prüfen, ob die beiden Eigentümerinnen den von den Klägerinnen behaupteten Schaden in Ausübung ihrer tatsächlichen Herrschaft über die Grundstücke mitverursacht haben, d.h. es ist abzuklären, ob die Verschmutzung des Grundwasserstroms auf die von den beiden Gemeinden bestimmte Art der Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über ihre Grundstücke zurückzuführen ist (vgl. STARK, a.a.O. S. 209; dazu auch
BGE 44 II 36
unten). Dies ist zu bejahen, denn nach den Feststellungen der Vorinstanz haben die Burgergemeinde Kappelen und die Einwohnergemeinde Aarberg der ZRA ihre Parzellen eigens zur Beseitigung der Betriebsabwässer zur Verfügung gestellt. Entgegen der Ansicht des Appellationshofes sind mithin auch die beiden Grundeigentümerinnen hinsichtlich der auf
Art. 679 ZGB
beruhenden Klage passivlegitimiert. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0451f17-d74b-4f3d-8807-870694af22f4 | Urteilskopf
140 V 89
14. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. B. gegen Unia Arbeitslosenkasse (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_678/2013 vom 31. März 2014 | Regeste
Art. 15 und 23 AVIG
;
Art. 40b AVIV
; versicherter Verdienst von Behinderten.
Art. 40b AVIV
gelangt nicht zur Anwendung, wenn die Erwerbsunfähigkeit unter 10 % liegt (E. 5.4). | Sachverhalt
ab Seite 89
BGE 140 V 89 S. 89
A.
Der 1982 geborene B. war seit 16. August 2004 als Gipser für die E. AG tätig. Da er diese Beschäftigung nach einem am 13. Dezember 2008 erlittenen Unfall, für dessen Folgen die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) Versicherungsleistungen erbrachte, nicht mehr ausüben konnte, löste die Arbeitgeberin die Anstellung durch schriftliche Kündigung vom 16. Februar 2011 per 31. März 2011 auf.
B. meldete sich am 7. März 2011 zur Arbeitsvermittlung an und stellte am 4. April 2011 Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. April 2011, wobei er angab, er sei bereit und in der Lage, Vollzeit zu arbeiten. Die Unia Arbeitslosenkasse eröffnete eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom 1. April 2011 bis 31. März 2013 und richtete in der Folge Taggelder, basierend auf einem versicherten Verdienst von Fr. 5'515.-, aus. Nachdem die SUVA einen Rentenanspruch mit Verfügung vom 7. April 2011 unter Hinweis auf eine Erwerbsunfähigkeit von "maximal 7,89 %" abgelehnt hatte,
BGE 140 V 89 S. 90
kündigte die Kasse mit Schreiben vom 11. Mai 2011 eine Korrektur des versicherten Verdienstes auf Fr. 5'080.- (92,11 %) an und teilte mit, sie werde die für den April 2011 zuviel geleisteten Taggelder im Betrag von Fr. 232.20 mit der Auszahlung im Monat Mai 2011 verrechnen. Mit Verfügung vom 23. Juni 2011 setzte sie den versicherten Verdienst ab April 2011 von Fr. 5'515.- um 7,89 % auf Fr. 5'080.- herab. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 18. November 2011).
B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 28. Juni 2013).
C.
B. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, die Arbeitslosentaggelder seien gestützt auf einen ungekürzten versicherten Verdienst von Fr. 5'515.- auszurichten. Ferner lässt er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersuchen. Dieses Begehren wurde am 9. Januar 2014 wieder zurückgezogen.
Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Arbeitslosenkasse den versicherten Verdienst von Fr. 5'515.- ab 1. April 2011 um 7,89 % (entsprechend der Höhe der von der SUVA mit Verfügung vom 7. April 2011 festgestellten Erwerbsunfähigkeit; zu den Rundungsregeln:
BGE 130 V 121
) auf Fr. 5'080.- reduzieren durfte.
3.
Als versicherter Verdienst gilt der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde; eingeschlossen sind die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen darstellen (
Art. 23 Abs. 1 Satz 1 AVIG
[SR 837.0]). Bei Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist gemäss
Art. 40b AVIV
(SR 837.02) der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht. Die ratio legis des
Art. 40b AVIV
besteht darin, über die Korrektur des versicherten Verdienstes die Koordination zur
BGE 140 V 89 S. 91
Eidgenössischen Invalidenversicherung zu bewerkstelligen, um eine Überentschädigung durch das Zusammenfallen einer Invalidenrente mit Arbeitslosentaggeldern zu verhindern (
BGE 132 V 357
E. 3.2.3 S. 359).
4.
4.1
Die Vorinstanz gelangt zum Ergebnis, die Kürzung des versicherten Verdienstes nach Massgabe des von der Unfallversicherung festgestellten Erwerbsunfähigkeitsgrades sei rechtens.
4.2
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu
Art. 40b AVIV
sei generell und insbesondere auch mit Blick auf die vorliegende Konstellation nicht haltbar. Die Verordnungsbestimmung basiere auf der gesetzlichen Delegation in
Art. 15 Abs. 2 AVIG
, worin nur die Koordination mit der Invalidenversicherung genannt werde. Koordination insinuiere zudem die intersystemische Koordination bei Zusammentreffen von jeweiligen Versicherungsleistungen verschiedener Sozialversicherer. Da er mit dem von der Unfallversicherung festgestellten Invaliditätsgrad von 7,89 % unter die Rentenerheblichkeitsgrenze des UVG falle, erhalte er aber gar keinen Ersatz für die von der Arbeitslosenkasse vorgenommene Kürzung des versicherten Verdienstes. Eine Überentschädigung liege nicht vor, weshalb ein Absenken des versicherten Verdienstes zu verzerrten und ungleichen Resultaten führe, welche sich weder systematisch noch teleologisch rechtfertigen lassen würden.
5.
5.1
Art. 40b AVIV
betrifft nicht allein die Leistungskoordination zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung, sondern - in allgemeinerer Weise - die Abgrenzung der Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung gegenüber anderen Versicherungsträgern nach Massgabe der Erwerbsfähigkeit. Nach Sinn und Zweck der Verordnungsbestimmung soll die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auf einen Umfang beschränkt werden, welcher sich nach der verbleibenden Erwerbsfähigkeit der versicherten Person während der Dauer der Arbeitslosigkeit auszurichten hat. Da die Arbeitslosenversicherung nur für den Lohnausfall einzustehen hat, welcher sich aus der Arbeitslosigkeit ergibt, kann für die Berechnung der Arbeitslosenentschädigung keine Rolle spielen, ob ein anderer Versicherungsträger Invalidenleistungen erbringt (
BGE 133 V 524
E. 5.2 S. 527). Durch das Abstellen auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit soll verhindert werden, dass die Arbeitslosenentschädigung auf
BGE 140 V 89 S. 92
einem Verdienst ermittelt wird, den der Versicherte nicht mehr erzielen könnte (
BGE 132 V 357
E. 3.2.3 S. 359 mit Hinweis auf das Schreiben des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 18. April 1985 an den Bundesrat). Der Beschwerdeführer weist zwar zu Recht darauf hin, dass teilinvaliden, nicht rentenberechtigten Versicherten bei dieser Bemessung des versicherten Verdienstes ein ungedeckter Ausfall entsteht. Indessen ist zu berücksichtigen, dass einen solchen Ausfall auch erleidet, wer - bei nicht rentenbegründender Invalidität - einem Erwerb nachgeht und einen Invalidenlohn erzielt (
BGE 133 V 524
E. 5.3 S. 528). Entgegen der Ansicht des Versicherten kann es für die Anwendbarkeit von
Art. 40b AVIV
nicht ausschlaggebend sein, ob die Teilinvalidität von der Invalidenversicherung oder - wie vorliegend - von der Unfallversicherung festgestellt wurde.
5.2
Soweit der Versicherte geltend macht, der Begriff der Erwerbsunfähigkeit gemäss
Art. 40b AVIV
sei nicht im Sinne der Definition in
Art. 7 ATSG
(SR 830.1), sondern als Arbeitsunfähigkeit in einer Verweistätigkeit zu verstehen, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Unter Erwerbsunfähigkeit nach
Art. 40b AVIV
ist die als dauernde Erwerbsunfähigkeit umschriebene Invalidität im Sinne des
Art. 8 ATSG
zu verstehen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts C 140/05 vom 1. Februar 2006 E. 3.2.2). Die im ATSG enthaltenen Formulierungen der Erwerbsunfähigkeit und der Invalidität entsprechen den bisherigen von der Rechtsprechung dazu entwickelten Begriffen (
BGE 130 V 343
). Deshalb ist die Behauptung des Beschwerdeführers,
Art. 40b AVIV
sei schon vor Inkrafttreten des ATSG in Kraft gestanden, weshalb dieses Gesetz für die Auslegung des Begriffs Erwerbsfähigkeit in
Art. 40b AVIV
nicht massgebend sein könne, nicht stichhaltig. Aus dem Umstand, dass der versicherte Verdienst beim Zusammentreffen von Arbeitslosenentschädigung und Krankentaggeldern nicht verändert wird, lässt sich ebenfalls nichts ableiten, da
Art. 40b AVIV
nicht die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, sondern allein die Erwerbs(un)fähigkeit betrifft. Der Versicherte verkennt sodann, dass es im Anwendungsbereich des
Art. 40b AVIV
nicht um Zweifel über die Vermittlungsfähigkeit geht. Die gesetzliche Vermutung der grundsätzlich gegebenen Vermittlungsfähigkeit von Behinderten (
Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG
und
Art. 15 Abs. 2 AVIG
in Verbindung mit
Art. 15 Abs. 3 AVIV
) führt für die Zeit, in welcher der Anspruch auf Leistungen einer anderen Versicherung abgeklärt wird und somit noch nicht
BGE 140 V 89 S. 93
feststeht (Schwebezustand), zu einer Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung. Damit sollen Lücken im Erwerbsersatz vermieden werden. Die Vorleistungspflicht ist aber auf die Dauer des Schwebezustandes begrenzt, denn sobald das Ausmass der Erwerbsunfähigkeit feststeht, muss der versicherte Verdienst im Sinne von
Art. 40b AVIV
angepasst werden (
BGE 136 V 95
E. 7.1 S. 101).
Art. 40b AVIV
kommt mit anderen Worten lediglich zur Anwendung, wenn eine dauernde Einschränkung in der Erwerbsfähigkeit feststeht. Aus dem Umstand, dass bei der Beurteilung des Anspruchs auf Heilbehandlung und Taggeld nach dem UVG die Rechtsprechung zur Invalidität bei unklaren Beschwerden gemäss
BGE 130 V 352
nicht zur Anwendung gelangt, lässt sich folglich nicht mit dem Versicherten ableiten, die Erwerbs(un)fähigkeit nach
Art. 40b AVIV
müsse abweichend von Art. 7 (recte: Art. 8) ATSG definiert werden.
5.3
Die Anrufung des Äquivalenz- und Versicherungsprinzips hilft dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht weiter.
Art. 23 Abs. 1 AVIG
erklärt den normalerweise aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen erzielten Lohn als massgeblich. Diese Formulierung lässt Sonderregeln, wie sie denn auch auf Gesetzes- und auf Verordnungsebene statuiert wurden, zu.
Art. 40b AVIV
, welcher eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzips mit sich bringt, findet seine genügende gesetzliche Grundlage in
Art. 15 Abs. 2 Satz 2 AVIG
und ist rechtmässig. Auch wenn diese Norm die vom versicherten Verdienst zu trennende Frage der Vermittlungsfähigkeit beschlägt, wird der Bundesrat darin umfassend ermächtigt, die Koordination zwischen Invaliden- und Arbeitslosenversicherung - bzw. die Abgrenzung der Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung gegenüber anderen Versicherungsträgern nach Massgabe der Erwerbsfähigkeit (
BGE 133 V 524
E. 5.2 S. 527) - zu regeln. Eine klarere gesetzliche Grundlage wäre allerdings wünschenswert (SVR 2006 ALV Nr. 16 S. 55, C 256/03 E. 4.3.2).
Inwieweit zudem mit einer Anpassung des versicherten Verdienstes an die aktuelle Erwerbsfähigkeit im Sinne von
Art. 40b AVIV
der Integrationsgedanke in der Invaliden- und der Unfallversicherung verletzt sein soll, wie der Versicherte weiter geltend macht, ist nicht nachvollziehbar. Aus dem Hinweis, wonach Betroffene mit einer Senkung des versicherten Verdienstes von ihren berechtigten ALV-Leistungen ausgeschlossen würden, wenn sie sich auf Integrationsmassnahmen der Invaliden- oder Unfallversicherung einliessen
BGE 140 V 89 S. 94
und in diesem Rahmen wegen der Leistungsschwellen aus der dortigen Leistungspflicht herausfielen, kann er jedenfalls nichts zu seinen Gunsten ableiten. Arbeitslose Personen müssen zur Schadenminderung grundsätzlich jede Beschäftigung unverzüglich annehmen (
Art. 16 Abs. 1 AVIG
). Erfahren die Behörden der Arbeitslosenversicherung unter anderem zufolge einer unterlassenen Anmeldung bei der Invalidenversicherung erst später von einer anhaltenden Unzumutbarkeit gewisser Beschäftigungen oder von einer (teilweisen) Erwerbsunfähigkeit infolge gesundheitlicher Probleme, sind sie befugt und verpflichtet, im Rahmen einer prozessualen Revision auf die bereits ausgerichtete Arbeitslosenentschädigung zurückzukommen, den versicherten Verdienst rückwirkend zu berichtigen und zu Unrecht ausgerichtete Taggelder zurückzufordern, sobald das Ausmass der Erwerbsunfähigkeit feststeht (
Art. 25 ATSG
in Verbindung mit
Art. 95 Abs. 1 sowie Abs. 1
bis
AVIG
;
BGE 133 V 530
E. 4 S. 533 mit Hinweis; vgl. auch
BGE 133 V 524
; Urteil 8C_212/2010 vom 31. Mai 2010 E. 6.2).
5.4
Die Arbeitslosenversicherung will der versicherten Person einen angemessenen Ersatz für Erwerbsausfälle wegen Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, schlechtem Wetter und Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers garantieren (
Art. 1a Abs. 1 AVIG
). Es gehört nicht zu ihren Aufgaben, Leistungslücken in der Unfallversicherung zu füllen, welche in concreto wegen einer unter 10 % liegenden unfallbedingten Invalidität bestehen. Der Beschwerdeführer bringt allerdings zu Recht vor, dass eine solch geringe Invalidität nicht als erheblich gelten kann:
5.4.1
Art. 18 Abs. 1 UVG
sah in seiner ursprünglichen Fassung (ab Inkrafttreten des hier interessierenden Teils des UVG am 1. Januar 1984) keinen Mindestinvaliditätsgrad für den Rentenanspruch vor. Es wurde auch keine "erhebliche" Verminderung der Erwerbsfähigkeit verlangt (AS 1982 1681). Das Eidg. Versicherungsgericht (heute: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) hatte jedoch in seiner früheren Praxis, welche zuletzt in RKUV 1988 S. 230, U 99/86, veröffentlicht wurde (vgl.
BGE 122 V 335
E. 4d S. 337), einen Mindestinvaliditätsgrad von 10 % gefordert. In
BGE 122 V 335
änderte es diese Rechtsprechung. In der Folge nahm der Gesetzgeber auf die Parlamentarische Initiative von Nationalrat Raggenbass hin die Praxisänderung zum Anlass, den Mindestinvaliditätsgrad von 10 % in
Art. 18 Abs. 1 UVG
nunmehr gesetzlich
BGE 140 V 89 S. 95
vorzuschreiben (Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates [SGK-N] vom 26. November 1999 zur Parlamentarischen Initiative "Invalidität unter 10 Prozent (Raggenbass)", BBl 2000 1320 ff.; Stellungnahme des Bundesrates vom 23. Februar 2000, BBl 2000 1330 ff.; AB 2000 N 366 f., 1611; AB 2000 S 877, 941). Diese Gesetzesänderung vom 15. Dezember 2000 trat am 1. Juli 2001 in Kraft (AS 2001 1491 f.). Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens hatten die Befürworter des Entwurfs namentlich vorgebracht, nach dem klaren Willen des Gesetzgebers solle eine Invalidenrente nur gewährt werden, wenn eine spürbare erwerbliche Beeinträchtigung eingetreten sei. Es sei fraglich, ob kleinere Einbussen, die unter 10 % liegen, überhaupt eine dauerhafte Invalidität zur Folge hätten. Geringfügige Restfolgen eines Unfalles begründeten in der Regel keine sich praktisch auswirkende Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit. Meist gewöhne sich der Versicherte bei der Wiederaufnahme der Arbeit an die anfänglichen Beschwerden, und man könne davon ausgehen, dass er die wirtschaftlichen Folgen durch eine entsprechende Willensanstrengung ausgleichen oder auch selbst tragen könne. Kleinstrenten würden zudem die Eigeninitiative der Versicherten, kleine Verdiensteinbussen wettzumachen, hemmen (a.a.O., BBl 2000 1324 f. Ziff. 2.4.1). Der Bundesrat unterstützte mit Stellungnahme vom 23. Februar 2000 die Vorlage der SGK-N mit ähnlichen Argumenten (BBl 2000 1330-1332). Der Antrag der SGK-N wurde in der Folge sowohl durch den National- als auch den Ständerat am 15. Dezember 2000 diskussionslos verabschiedet (AB 2000 N 1611 und S 877, 941;
BGE 131 V 84
E. 2.2 S. 86 ff.).
5.4.2
Gemäss der Marginalie zu
Art. 40b AVIV
soll in dieser Verordnungsbestimmung der versicherte Verdienst von "Behinderten" geregelt werden. Er wird an die verbleibende Erwerbsfähigkeit angepasst.
Art. 40b AVIV
schreibt zwar für die Notwendigkeit einer Korrektur des versicherten Verdienstes nicht ausdrücklich eine "erhebliche" gesundheitsbedingte Beeinträchtigung vor. Die Gründe, welche gemäss den Befürwortern der Parlamentarischen Initiative Raggenbass Anlass zur Einführung der Erheblichkeitsschwelle für eine Rente der Unfallversicherung führten, sind allerdings auch im Zusammenhang mit dem versicherten Verdienst in der Arbeitslosenversicherung zu berücksichtigen, stellt doch die Korrekturnorm des
Art. 40b AVIV
auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit ab (vgl. dazu E. 5.2 hiervor). Wenn nämlich im Unfallversicherungsbereich davon ausgegangen wird, dass bei einer Einschränkung der
BGE 140 V 89 S. 96
Erwerbsfähigkeit unter 10 % gar keine Invalidität vorliegt und allfällige wirtschaftliche Folgen von der versicherten Person durch Willensanstrengung ausgeglichen werden, so kann
Art. 40b AVIV
ebenfalls nicht zur Anwendung kommen, wenn eine kaum spürbare Erwerbsunfähigkeit unter 10 % besteht. Da der gesundheitsbedingt nicht mehr erwirtschaftete Verdienst diesfalls marginal ist, besteht kein Anlass für eine Korrektur des versicherten Verdienstes. Es ist vielmehr auch im Arbeitslosenversicherungsrecht davon auszugehen, dass die so geringfügig eingeschränkte versicherte Person gleichwohl den ohne Gesundheitsschaden vor der Arbeitslosigkeit bezogenen Lohn zu erzielen in der Lage ist.
6.
Mit Blick auf die in casu von der Unfallversicherung festgestellte Erwerbsunfähigkeit von 8 % erweist sich die mit Einsprache- und vorinstanzlichem Entscheid bestätigte Kürzung des versicherten Verdienstes von Fr. 5'515.- auf Fr. 5'080.- als nicht rechtens. Es muss beim ursprünglich auf Fr. 5'515.- festgesetzten versicherten Verdienst sein Bewenden haben, da dieser der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b045c60a-4825-4f95-b8bc-e2c76d95bdf5 | Urteilskopf
138 V 67
10. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause Service des prestations complémentaires contre G. (recours en matière de droit public)
9C_365/2011 du 17 janvier 2012 | Regeste
Art. 10 Abs. 2 lit. b ELG
; Betrag für persönliche Auslagen.
Art. 4 Abs. 2 der Verordnung zum Einführungsgesetz des Kantons Genf über die bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen zur AHV/IV widerspricht Bundesrecht, soweit diese Bestimmung vorsieht, dass die Höhe des Pauschalbetrags für persönliche Auslagen der in Heimen oder Spitälern lebenden anspruchsberechtigten Personen von deren tatsächlichen Ausgaben abhängt (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 138 V 67 S. 67
A.
G. (née en 1923) a été mise au bénéfice de prestations complémentaires à partir du 1
er
juillet 2007. Le 23 avril 2010, l'établissement médico-social X., où réside G., a demandé au Service des prestations complémentaires de la République et canton de Genève
BGE 138 V 67 S. 68
(SPC) la réduction du montant du forfait pour dépenses personnelles de l'intéressée. Le 27 avril suivant, le SPC a fixé à 4'844 fr. par mois le montant des prestations complémentaires de droit fédéral pour la période du 1
er
janvier au 30 avril 2010, puis à 4'554 fr. à partir du 1
er
mai 2010. Dans son calcul, l'administration a tenu compte, à titre de dépenses reconnues, d'un forfait pour dépenses personnelles de 3'600 fr., réduit à 120 fr. dès le 1
er
mai 2010. L'intéressée ayant contesté cette décision, le SPC a maintenu sa position par décision sur opposition du 24 septembre 2010. Le 27 septembre suivant, il a fixé à 4'844 fr. par mois le montant des prestations complémentaires fédérales à partir du 1
er
octobre 2010, en prenant en considération un forfait pour dépenses personnelles de 3'600 fr.
B.
G. a déféré la décision du 24 septembre 2010 au Tribunal cantonal des assurances sociales de la République et canton de Genève (aujourd'hui: Cour de justice de la République et canton de Genève, Chambre des assurances sociales). Par jugement du 17 mars 2011, la Chambre des assurances sociales de la Cour de justice genevoise a admis le recours et annulé les décisions de l'intimé "du 27 avril" et du 24 septembre 2010.
C.
Agissant par la voie du recours en matière de droit public, le SPC demande au Tribunal fédéral d'annuler le jugement cantonal en ce qu'il concerne les prestations complémentaires fédérales et de confirmer ses décisions "du 27 avril" et 24 septembre 2010.
G. conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales ne s'est pas déterminé.
Le recours a été rejeté.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
En instance fédérale, le litige porte sur le montant à prendre en compte à titre de dépenses personnelles dans le calcul des prestations complémentaires fédérales de l'intimée pour la période du 1
er
mai 2010 au 30 septembre 2010.
2.1
Le montant de la prestation complémentaire annuelle correspond à la part des dépenses reconnues qui excède les revenus déterminants (
art. 9 al. 1 LPC
[RS 831.30]). La liste des dépenses reconnues est prévue à l'
art. 10 LPC
et comprend pour les personnes qui vivent en permanence ou pour une longue période dans un home ou dans un hôpital (personnes vivant dans un home ou un hôpital), un
BGE 138 V 67 S. 69
montant, arrêté par les cantons, pour les dépenses personnelles (
art. 10 al. 2 let. b LPC
). La question du montant des dépenses personnelles à prendre en considération pour les personnes vivant, comme l'intimée, dans un home - montant qu'il appartient donc aux cantons de fixer - relève du droit cantonal.
En particulier, dans le canton de Genève, la compétence de déterminer "les montants laissés à la disposition des personnes séjournant dans un home ou dans un établissement médico-social pour les dépenses personnelles" a été déléguée au Conseil d'Etat (
art. 2 al. 1 let. b de la loi genevoise du 14 octobre 1965 sur les prestations fédérales complémentaires à l'assurance-vieillesse et survivants et à l'assurance-invalidité [LPFC; RSG J 7 10]
). Celui-ci en a fait usage à l'art. 4 al. 2 du règlement genevois du 23 décembre 1998 d'application de la loi sur les prestations fédérales complémentaires à l'assurance-vieillesse et survivants et à l'assurance-invalidité (RPFC; RSG J 7 10.01), qui a la teneur suivante:
"Le forfait pour dépenses personnelles s'élève à 3 600 F par an pour les personnes âgées et à 5 400 F par an pour les personnes invalides. Il est versé par mensualités avec la prestation. Il est de 120 F par an lorsque la personne dispose d'un montant capitalisé de 1 200 F pour les personnes âgées, respectivement 1 800 F pour les personnes invalides."
2.2
Le recours peut être interjeté pour violation du droit tel qu'il est délimité à l'
art. 95 LTF
, soit le droit fédéral (let. a), y compris le droit constitutionnel, le droit international (let. b), les droits constitutionnels cantonaux (let. c), les dispositions cantonales sur le droit de vote des citoyens ainsi que sur les élections et votations populaires (let. d) et le droit intercantonal (let. e). Sauf dans les cas cités expressément à l'
art. 95 LTF
, le recours ne peut pas être formé pour violation du droit cantonal en tant que tel. En revanche, il est toujours possible de faire valoir que la mauvaise application du droit cantonal constitue une violation du droit fédéral au sens de l'
art. 95 LTF
, en particulier qu'elle est arbitraire au sens de l'
art. 9 Cst.
ou contraire à d'autres droits constitutionnels (Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 4133;
ATF 134 II 349
consid. 3 p. 351;
ATF 133 III 462
consid. 2.3 p. 466). A cet égard, le Tribunal fédéral n'examine le moyen fondé sur la violation d'un droit constitutionnel ou du droit cantonal que si le grief a été invoqué et motivé de manière précise (
art. 106 al. 2 LTF
;
ATF 135 V 309
consid. 10 p. 318;
ATF 133 II 249
consid. 1.4.2 p. 254).
BGE 138 V 67 S. 70
En l'espèce, le recourant conteste l'interprétation donnée et l'application faite par la juridiction cantonale de l'art. 4 al. 2 RPFC (respectivement de l'art. 3 al. 3 du règlement genevois du 25 juin 1999, d'application de la loi sur les prestations cantonales complémentaires à l'assurance-vieillesse et survivants et à l'assurance-invalidité [RPCC; RSG J 7 15.01] qui a une teneur identique et dont la juridiction cantonale a examiné la conformité au droit fédéral). En faisant valoir que l'art. 4 al. 2 RPFC ne viole pas le droit fédéral, n'est pas arbitraire, ni contraire au principe constitutionnel de l'égalité de traitement, mais repose sur des motifs sérieux et objectifs dont il précise la nature, le recourant satisfait, quoiqu'à peine, aux exigences rappelées ci-avant. Il y a donc lieu d'entrer en matière sur son recours.
3.
3.1
La juridiction cantonale a considéré que la disposition cantonale en cause violait le droit fédéral. Tout d'abord, la règle cantonale contrevenait à l'
art. 25 OPC-AVS/AI
(RS 831.301), parce qu'elle ne respectait pas la notion de changement durable des circonstances prévue par le droit fédéral, en prescrivant une adaptation des prestations complémentaires chaque fois que le montant capitalisé du forfait pour les dépenses personnelles (soit la part non dépensée du forfait) se révélait inférieur ou supérieur à 1'200 fr. En prévoyant par ailleurs une variation du montant des dépenses personnelles, la norme cantonale était contraire au caractère forfaitaire conféré à ce dernier. En plus de créer une inégalité de traitement entre les bénéficiaires selon le rythme, la date d'échéance et le mode de paiement des factures à régler, elle pénalisait en outre les pensionnaires peu dépensiers ou qui devaient réunir un petit pécule en vue d'une dépense plus importante et favorisait sans motifs ceux qui épuisaient systématiquement leur forfait. Dans son résultat, la disposition litigieuse revenait à admettre que les dépenses reconnues, dont le forfait pour dépenses personnelles, étaient calculées non seulement en fonction des besoins vitaux des pensionnaires, mais également de leurs avoirs, ce qui relevait d'une conception erronée.
3.2
Appelé à revoir l'application ou l'interprétation d'une norme cantonale, le Tribunal fédéral ne s'écarte de la solution retenue par l'autorité cantonale de dernière instance que si celle-ci apparaît insoutenable, en contradiction manifeste avec la situation effective, adoptée sans motifs objectifs et en violation d'un droit certain. En revanche, si l'application de la loi défendue par l'autorité cantonale ne s'avère pas déraisonnable ou manifestement contraire au sens et au but de
BGE 138 V 67 S. 71
la disposition ou de la législation en cause, cette interprétation sera confirmée, même si une autre solution - éventuellement plus judicieuse - paraît possible (
ATF 134 II 124
consid. 4.1 p. 133;
ATF 133 II 257
consid. 5.1 p. 260 s. et les arrêts cités).
4.
4.1
Dans le cas de personnes qui vivent en permanence ou pour une longue période dans un home ou dans un hôpital, le montant consacré aux dépenses personnelles prévu par l'
art. 10 al. 2 let. b LPC
fait pendant aux montants destinés à la couverture des besoins vitaux prévu à l'
art. 10 al. 1 let. a LPC
, qui font partie des dépenses reconnues des personnes vivant à domicile (CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2
e
éd. 2009, p. 190). A l'inverse des montants forfaitaires qui sont fixés par la loi fédérale dans la situation des ayants droit vivant à domicile, le montant pour les dépenses personnelles à prendre en compte à titre de dépenses reconnues des personnes vivant dans un home ou un hôpital est déterminé par les cantons. Ce montant est destiné à couvrir la partie des besoins vitaux de ces personnes qui n'est pas garantie par les prestations fournies par l'établissement hospitalier ou médico-social (donc par la taxe journalière prévue à l'
art. 10 al. 2 let. a LPC
) et que les intéressés doivent eux-même prendre en charge. Il doit être déterminé de manière à ce que cette partie des besoins vitaux puisse être effectivement financée, mais ne doit pas, sous l'angle des prestations complémentaires fédérales et du financement par la Confédération, dépasser la couverture de ces besoins - les cantons étant libres de compléter le montant pour les dépenses personnelles prévu par le droit fédéral dans le cadre des prestations complémentaires de droit cantonal (RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 2
e
éd. 2007, p. 1718 n. 122).
4.2
D'après le système prévu par l'art. 4 al. 2 RPFC et mis en oeuvre selon la Directive concernant le versement, l'utilisation et la gestion du forfait pour dépenses personnelles dans les EMS, édictée le 26 juin 2008 par le Service du contrôle interne du Département de la solidarité et de l'emploi de la République et canton de Genève (ci- après: la directive), le forfait pour dépenses personnelles s'élève à 3'600 fr. par an pour les personnes âgées et est versé par mensualités avec la prestation; il est cependant réduit à 120 fr. par an (soit 10 fr. par mois) lorsque la personne dispose d'un montant capitalisé (soit la part non dépensée du forfait) de 1'200 fr. La vérification des sommes capitalisées par les bénéficiaires est effectuée quatre fois
BGE 138 V 67 S. 72
par an, au 31 mars, 30 juin, 30 septembre et 31 décembre de chaque année (cf. ch. 4.3 de la directive).
4.3
Le système cantonal prévoit une réduction du montant pour les dépenses personnelles à prendre en compte pour le calcul des prestations complémentaires fédérales dès qu'un certain seuil de capital (composé de la part du forfait non dépensée) est atteint, au gré des économies ou des dépenses effectivement réalisées par le bénéficiaire au moyen du forfait versé mensuellement. Cela revient à prendre en considération ledit montant en fonction des dépenses personnelles concrètes de chaque intéressé, ce qui n'est pas compatible avec la conception du montant destiné à la couverture des dépenses personnelles, respectivement des besoins vitaux, prévue par le législateur fédéral. En effet, de même que le montant destiné à la couverture des besoins vitaux pour les personnes vivant à domicile (
art. 10 al. 1 let. a LPC
) est fixé d'une manière invariable, indépendamment des sommes effectivement dépensées par l'ayant droit pour assurer ses besoins vitaux réels, le montant pour les dépenses personnelles n'a pas à varier en fonction des dépenses concrètes des personnes vivant dans un home ou un hôpital.
Admettre la prise en considération à titre de dépenses (personnelles) reconnues d'un montant variable en relation avec les sommes effectivement dépensées pour couvrir les besoins vitaux, telle que prévue par l'art. 4 al. 2 RPFC, s'apparente à un contrôle des dépenses personnelles des résidents d'un home ou d'un hôpital, par une vérification trimestrielle de celles-ci. Or, la notion même de dépenses personnelles réputées couvrir les besoins vitaux suppose le libre choix du bénéficiaire quant à l'utilisation concrète du montant alloué. De plus, les ayants droit vivant à domicile, par le biais du montant forfaitaire destiné à couvrir leurs besoins vitaux, ne sont pas soumis à un contrôle des dépenses effectives relatives à ces besoins, de sorte que les bénéficiaires vivant dans un home n'ont pas à le subir non plus.
En prévoyant une variation du montant pour dépenses personnelles en fonction des dépenses effectives de l'intéressé, respectivement une diminution du forfait à prendre en considération une fois que l'ayant droit a accumulé 1'200 fr. sur une période de trois mois, le système fondé sur l'art. 4 al. 2 RPFC implique par ailleurs de favoriser une catégorie de bénéficiaires par rapport à une autre. Même s'il a pour but d'éviter la thésaurisation des montants mis à disposition des bénéficiaires de prestations complémentaires vivant dans un
BGE 138 V 67 S. 73
home ou un hôpital, comme le fait valoir le recourant, ce système a pour effet de pénaliser les bénéficiaires du forfait qui ne dépensent pas systématiquement une grande partie ou la totalité du montant accordé par rapport à ceux qui utilisent intégralement les sommes reçues pour leurs dépenses personnelles. La première catégorie des ayants droit verra en effet, comme l'intimée en l'espèce, ses prestations complémentaires diminuer en raison de la réduction (de 3'600 fr. à 120 fr. par an) du montant à prendre en compte à titre de dépenses reconnues, contrairement à la seconde qui aura dépensé le forfait accordé sans que cela n'influence de manière négative les prestations complémentaires allouées. Un tel effet induit par la disposition réglementaire cantonale ne s'inscrit pas dans le caractère forfaitaire voulu par le législateur fédéral pour la prise en compte des montants destinés à la couverture des besoins vitaux, respectivement du montant pour dépenses personnelles. La nature même du forfait implique qu'il ne se détermine pas, et ne varie donc pas, par rapport aux dépenses effectives de chaque cas particulier, mais règle de manière unifiée des situations semblables - ici, le montant pour dépenses personnelles des personnes vivant dans un home ou un hôpital -, entre autres motifs pour des raisons pratiques (dans ce sens,
ATF 131 V 256
consid. 5.5 p. 260).
Pour ces motifs déjà, l'interprétation donnée par la juridiction cantonale de la disposition réglementaire cantonale en cause n'apparaît nullement insoutenable et doit donc être confirmée.
5.
On ajoutera encore que l'argumentation du recourant selon laquelle, pour l'adaptation du forfait pour dépenses personnelles qui relèverait d'"une nature particulière" en raison de leur compétence, les cantons ne seraient pas soumis au système de l'
art. 25 OPC-AVS/AI
, qui viseraient des dépenses et revenus "de toute autre nature", est mal fondée.
5.1
Aux termes de l'
art. 25 al. 1 let
. c OPC-AVS/AI, la prestation complémentaire annuelle doit être augmentée, réduite ou supprimée lorsque les dépenses reconnues, les revenus déterminants et la fortune subissent une diminution ou une augmentation pour une durée qui sera vraisemblablement longue; sont déterminants les dépenses nouvelles et les revenus nouveaux et durables, convertis sur une année, ainsi que la fortune existant à la date à laquelle le changement intervient; on peut renoncer à adapter la prestation complémentaire annuelle lorsque la modification est inférieure à 120 francs par an.
BGE 138 V 67 S. 74
5.2
Comme le prévoit expressément l'
art. 10 al. 2 let. b LPC
, les dépenses reconnues comprennent le montant, arrêté par les cantons, pour les dépenses personnelles. Contrairement à ce que fait valoir le recourant, il existe donc un lien entre l'adaptation du forfait pour dépenses personnelles et celle de la prestation complémentaire annuelle au sens de cette disposition, puisque le montant fixé par les cantons fait partie des dépenses reconnues à prendre en considération pour déterminer les prestations complémentaires fédérales. Une modification de ce montant correspond donc à un changement des dépenses reconnues, qui ne peut entraîner une adaptation des prestations complémentaires que si les exigences prévues par l'
art. 25 al. 1 let
. c OPC-AVS/AI sont réalisées. La compétence attribuée par le législateur fédéral aux cantons à l'
art. 10 al. 2 let. b LPC
pour fixer le montant des dépenses personnelles à prendre en considération ne les libère en rien du respect des conditions prévues par le droit fédéral en matière d'adaptation des prestations complémentaires fédérales en raison de la modification des circonstances.
Au regard de l'exigence d'une "diminution" ou d'une "augmentation" des dépenses reconnues, on constate que la modification du forfait pour dépenses personnelles au sens de l'art. 4 al. 2 RPFC (pour une durée minimale de trois mois) ne correspond pas à un changement des circonstances économiques au sens de l'
art. 25 al. 1 let
. c OPC-AVS/AI; l'épargne réalisée au cours d'une année sur la dépense annuelle reconnue ne constitue pas une nouvelle source de revenus, respectivement de dépenses, à prendre en compte. Ce point ne doit cependant pas être examiné plus avant, compte tenu de l'issue du litige (cf. supra consid. 4). | null | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b045dab0-4605-4217-84f6-fe093bfcbe26 | Urteilskopf
86 I 40
8. Extrait de l'arrêt du 3 février 1960 dans la cause Connor contre Genève, Cour de justice. | Regeste
Art. 90 lit. b OG
.
Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
; Anforderungen an die Begründung. | Erwägungen
ab Seite 40
BGE 86 I 40 S. 40
Agissant par la voie du recours de droit public, Douglas Connor a requis le Tribunal fédéral d'annuler un arrêt de la Cour de justice du canton de Genève. Il s'est plaint d'une violation de l'art. 4 Cst. Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable pour les motifs suivants:
Aux termes de l'art. 90 litt. b OJ, l'acte de recours doit contenir un exposé succinct des droits constitutionnels ou des principes juridiques violés, précisant en quoi consiste la violation. La jurisprudence interprète cette règle en ce sens notamment que, dans un recours pour déni de justice, il ne suffit pas d'invoquer de façon toute générale l'art. 4 Cst. et de motiver pour le surplus le pourvoi en critiquant la décision attaquée comme si le Tribunal fédéral était une juridiction d'appel pouvant revoir librement les questions de fait et de droit. Il faut au contraire tenter de démontrer, par une argumentation
BGE 86 I 40 S. 41
précise, que cette décision repose sur une administration ou une appréciation des preuves, sur une interprétation ou une application de la loi arbitraires, c'est-à-dire manifestement insoutenables.
De plus, c'est dans l'acte de recours lui-même qu'il faut exposer les moyens sur lesquels le recourant entend se fonder. Ce dernier ne saurait se contenter de renvoyer aux mémoires qu'il a produits en procédure cantonale. En effet, le Tribunal fédéral n'est pas tenu de rechercher dans le dossier cantonal ce qui pourrait justifier le recours (RO 71 I 377
;
81 I 56
/57, 183
;
83 I 272
).
Sieur Connor a violé ces règles. Sur plusieurs points, il se réfère à l'argumentation qu'il a développée devant la Cour de justice ou le Tribunal de première instance. Pour le surplus, il se borne à opposer sa manière de voir à celle de l'arrêt attaqué, sans tenter le moins du monde d'établir que l'opinion de la Cour de justice est dépourvue de toute base sérieuse, qu'elle est donc insoutenable et, partant, arbitraire. | public_law | nan | fr | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b0489ee5-fb0e-4c3a-9728-e6acda236dee | Urteilskopf
105 V 257
55. Extrait de l'arrêt du 6 novembre 1979 dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre Janin et Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS | Regeste
Art. 21 Abs. 2 IVG
, 14 IVV und Ziff. 14.02 HVI Anhang.
Die Ziff. 14.02 HVI Anhang ist nicht gesetzwidrig und überschreitet die durch die gesetzliche Delegation gezogenen Grenzen nicht; wenn sie den Anspruch davon abhängig macht, ob sich der Invalide selber fortbewegen kann oder nicht, so stellt das keine ungerechtfertigte oder durch unhaltbare Kriterien gebotene Schlechterstellung dar. | Erwägungen
ab Seite 257
BGE 105 V 257 S. 257
Extrait des considérants:
1.
L'
art. 21 al. 2 LAI
dispose que l'assuré qui, par suite de son invalidité, a besoin d'appareils coûteux pour se déplacer, établir des contacts avec son entourage ou développer son autonomie personnelle, a droit, sans égard à sa capacité de gain, à de tels moyens auxiliaires conformément à une liste qu'établira le Conseil fédéral.
BGE 105 V 257 S. 258
L'
art. 14 RAI
, édicté par le Conseil fédéral en exécution de la disposition précitée, délègue au Département fédéral de l'intérieur la compétence d'établir la liste des moyens auxiliaires pris en charge. Limitée jusqu'à fin 1976 à certains moyens non prévus dans une liste dressée par le Conseil fédéral lui-même, cette compétence est générale dès le 1er janvier 1977.
L'OMAI du 29 novembre 1976, en vigueur depuis le 1er janvier 1977, prévoit sous ch. 14.02 de la liste des moyens auxiliaires la remise d'élévateurs pour malades "lorsque l'emploi d'un tel appareil permet au paralysé de se déplacer de façon indépendante dans son logement". Sous l'empire de l'ancien droit, applicable jusqu'à fin 1976, l'art. 6 de l'OMA du 4 août 1972 connaissait déjà la remise d'élévateurs pour malades et mettait à cette remise des conditions qui, bien que formulées différemment, avaient une portée identique.
2.
L'OMAI, avec la liste qui l'accompagne, repose sur une délégation du législateur au Conseil fédéral et une subdélégation du Conseil fédéral au Département fédéral de l'intérieur.
Le Tribunal fédéral des assurances a reconnu cette subdélégation admissible, s'agissant de prescriptions dont le caractère technique prédominait et qui ne mettaient en cause aucun principe juridique. Il a prononcé que, si la norme édictée restait dans les limites autorisées par la délégation, le juge n'avait pas à décider si la solution adoptée représentait la solution la meilleure pour atteindre le but visé par la loi, étant donné qu'il ne pouvait substituer sa propre appréciation à celle du Conseil fédéral ou d'un département. Il a relevé que, l'
art. 21 LAI
n'ouvrant droit à la remise de moyens auxiliaires que dans le cadre d'une liste dressée par le Conseil fédéral, celui-ci ou à sa place le département pouvait faire un choix et limiter le nombre des moyens auxiliaires; qu'il disposait ce faisant d'une grande liberté, puisque la loi ne prescrivait pas expressément de quels points de vue ce choix devait s'inspirer; qu'il ne pouvait néanmoins agir d'une manière arbitraire, notamment procéder à des discriminations injustifiées ou adopter des critères insoutenables, ne reposant pas sur des motifs objectifs sérieux (voir
ATF 105 V 23
).
En l'espèce, la condition mise par le ch. 14.02 susmentionné à l'octroi d'élévateurs pour malades concerne non la construction du moyen auxiliaire - comme dans le cas des lombostats selon le ch. 3.02, objet de l'arrêt précité - mais l'aptitude de l'assuré à se déplacer de façon indépendante. Le caractère
BGE 105 V 257 S. 259
technique prédominant du choix dont l'
art. 21 LAI
délègue le soin au Conseil fédéral n'en est pas affecté pour autant. Et il est évident que, pouvant exclure un moyen auxiliaire, le Conseil fédéral ou à sa place le département a aussi la faculté de l'inclure dans la liste tout en posant à son octroi des conditions restrictives. Le juge ne saurait là non plus substituer sa propre appréciation à celle du Conseil fédéral ou du département; son rôle se bornera à vérifier si la norme édictée reste dans les limites autorisées par la délégation et s'il n'y a pas discriminations injustifiées ou critères insoutenables, comme il l'a fait à propos du ch. 3.02 précité.
3.
a) Le juge cantonal relève que la claire volonté du législateur était, en introduisant l'
art. 21 al. 2 LAI
, de faciliter l'existence et d'alléger la lourde épreuve des invalides les plus handicapés, au point de ne pouvoir songer à l'exercice d'une activité professionnelle, et que la seule restriction émise concernait les cas de peu d'importance, où la dépense engagée est si minime qu'il serait abusif de faire intervenir l'assurance-invalidité, les institutions d'assistance suffisant pour venir en aide aux indigents, si nécessaire.
Il est exact que le message du Conseil fédéral du 27 février 1967, après avoir souligné combien les moyens auxiliaires représentaient une aide précieuse pour les grands invalides, ne fait état que du souci d'"éviter que l'AI ait à intervenir pour des dépenses minimes" (FF 1967 I 702/703). Ce souci a d'ailleurs été concrétisé dans le texte légal lui-même, qui limite la remise de moyens auxiliaires aux "appareils coûteux". Mais le fait que le législateur exclut ainsi expressément la remise de moyens dont le coût est minime ne signifie pas nécessairement - e contrario - que tous les appareils coûteux devraient être pris en charge, à la seule condition que l'assuré en ait besoin pour se déplacer, établir des contacts ou développer son autonomie personnelle. Tout comme l'al. 1, l'
art. 21 al. 2 LAI
n'ouvre droit à la remise de moyens auxiliaires que dans le cadre d'une liste dressée par le Conseil fédéral. Celui-ci ou à sa place le département dispose donc de la même liberté que selon l'al. 1 - sous réserve de l'exclusion légale précitée - de limiter le nombre des moyens auxiliaires ou de poser à l'octroi de certains d'entre eux des conditions restrictives.
b) Le juge cantonal se demande pourquoi, dans le cas particulier des élévateurs pour malades, l'OMAI transforme les conditions alternatives de l'
art. 21 al. 2 LAI
en conditions
BGE 105 V 257 S. 260
cumulatives telle l'exigence de l'acquisition de meilleurs contacts avec l'entourage et d'une certaine autonomie.
Il est exact que l'
art. 21 al. 2 LAI
parle d'appareils dont l'assuré a besoin "pour se déplacer, établir des contacts avec son entourage ou développer son autonomie personnelle". Cette énumération n'est toutefois pas alternative au sens propre du terme, les buts visés pouvant se superposer sans nullement s'exclure. La situation est comparable à celle que l'on trouve dans le cadre de l'
art. 36 al. 1 RAI
, qui définit l'impotence grave en cumulant de même les deux exigences posées à l'
art. 42 al. 2 LAI
et dont le Tribunal fédéral des assurances a admis la conformité avec la loi (
ATF 104 V 129
consid. 2,
ATF 105 V 55
consid. 3). On ne saurait par conséquent considérer que, du seul fait qu'il met à la remise d'un moyen auxiliaire servant à développer l'autonomie personnelle la condition supplémentaire que ce moyen permette au paralysé de se déplacer de façon indépendante dans son logement, le ch. 14.02 de la liste OMAI (ou l'ancien art. 6 de l'OMA en vigueur jusqu'à fin 1976) serait contraire à la loi et déborderait les limites autorisées par la délégation.
c) Reste à voir si l'on doit qualifier d'arbitraire la distinction faite selon que l'assuré peut ou non se déplacer de façon indépendante dans son appartement, et notamment s'il s'agit là d'une discrimination injustifiée ou dictée par des critères insoutenables.
Le juge cantonal note que l'exigence est draconienne, la plupart des invalides qui doivent être sortis de leur lit au moyen d'un élévateur étant si gravement atteints qu'ils ne sauraient non plus mouvoir par leurs propres forces la chaise roulante dans laquelle on les installe. Aussi fondée la remarque puisse-t-elle être en fait, la sévérité même extrême d'une exigence ne signifie pas arbitraire: le juge ne peut substituer sa propre appréciation à celle du Conseil fédéral ou du département, dont il a été relevé plus haut qu'ils disposent d'une grande liberté quant à l'inclusion ou à l'exclusion de moyens auxiliaires et par conséquent aussi quant aux conditions mises à l'octroi de certains d'entre eux.
La question est en revanche si la distinction faite entre deux catégories d'assurés, qui ont pour point commun d'avoir besoin d'un élévateur pour être sortis de leur lit et installés dans une chaise roulante, constitue une discrimination injustifiée ou
BGE 105 V 257 S. 261
dictée par des critères insoutenables. Or, contrairement à l'avis du juge cantonal, cette distinction peut se justifier par le principe de la proportionnalité, d'une part, et par la systématique de la loi, d'autre part.
Certes, le secours combiné de l'élévateur et de la chaise roulante - que l'assuré puisse la mouvoir ou faire mouvoir lui-même ou non - facilite dans tous les cas la participation de l'invalide à la vie de son entourage. Mais il faut se rendre à l'évidence que, lorsque l'élévateur procure à l'assuré la possibilité de se déplacer ensuite de façon indépendante, son rôle et son importance sont tout autres que si l'invalide a néanmoins besoin de la présence et de l'aide constante d'un tiers pour tout déplacement. La classification des moyens auxiliaires dans l'OMAI souligne cette différence et sa signification: tandis que la liste des moyens auxiliaires permettant à l'invalide d'établir des contacts avec son entourage (ch. 15) est tout entière conçue sous l'aspect de la communication des idées par le langage écrit ou oral, les élévateurs pour malades font partie de la liste des moyens auxiliaires servant à développer l'autonomie personnelle (ch. 14), autonomie dont la possibilité de se déplacer constitue sans conteste un élément important.
D'autre part, aussi incongrue puisse-t-elle paraître à première vue, notamment considérée sous l'angle de la lourde épreuve des invalides les plus handicapés, la référence à l'allocation pour impotence répond à la systématique de la loi. L'
art. 42 al. 2 LAI
définit en effet l'impotence par le besoin permanent de l'aide d'autrui ou d'une surveillance personnelle pour accomplir les actes ordinaires de la vie, et l'allocation tend à couvrir tout ou partie de ces frais d'aide ou de surveillance. Or telle est précisément la situation de celui qui dépend de la présence et de l'aide constante de tiers pour tout déplacement. Il est par ailleurs permis de supposer que l'invalide apte à mouvoir son fauteuil roulant par ses propres forces sera la plupart du temps capable d'accomplir d'autres actes ordinaires aussi et que son impotence ne pourrait plus être qualifiée de grave, selon la définition donnée de cette notion par le nouvel
art. 36 al. 1 RAI
en vigueur depuis le 1er janvier 1977; il est donc tenu compte du besoin de l'aide constante d'un tiers pour se déplacer, dans le cadre de l'allocation pour impotence.
d) On doit par conséquent constater que le ch. 14.02 de la liste OMAI (comme aussi l'ancien art. 6 de l'OMA en vigueur jusqu'à fin 1976)
BGE 105 V 257 S. 262
n'est pas contraire à la loi et ne déborde pas des limites autorisées par la délégation légale; que la distinction qu'il fait selon que l'invalide peut ou non se déplacer de façon indépendante ne constitue pas non plus une discrimination injustifiée ou dictée par des critères insoutenables, ne reposant sur aucun motif objectif sérieux; que partant cette disposition lie le juge. | null | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0535e71-9166-400c-a65c-b9e9ec3cd35a | Urteilskopf
136 II 256
23. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause A.X. contre Administration fiscale cantonale du canton de Genève (recours en matière de droit public)
2C_648/2009 du 29 mars 2010 | Regeste
Art. 13 Abs. 1 StHG
; vermögenssteuerrechtliche Behandlung einer Leibrentenversicherung ohne Rückkaufswert.
Begriff der Leibrentenversicherung ohne Rückkaufswert (E. 2). Definition des der Vermögenssteuer nach
Art. 13 Abs. 1 StHG
unterliegenden Reinvermögens; periodische Leistungen wie Leibrenten zählen nicht dazu, wenn keine Rückkaufsmöglichkeit besteht (E. 3.2 und 3.3). Gesetzliche Ordnung der Leibrenten im Kanton Genf bis zum 31. Dezember 2009 (E. 4). Soweit das Genfer Recht auch Leibrentenversicherungen ohne Rückkaufswert der Vermögenssteuer unterstellt, widerspricht dies
Art. 13 Abs. 1 StHG
(E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 136 II 256 S. 256
A.
A.X., né en 1951, domicilié à Genève, bénéficie depuis 2001 d'une rente viagère du 3
e
pilier b qui lui est versée par la société Y. Cette rente lui est servie en vertu d'un contrat d'assurance de rente viagère du 2 juillet 2001 dont le preneur était la mère du prénommé, B.X., qui avait versé une prime unique de 469'082 fr. Le contrat ne comportait aucune clause de rachat, le preneur n'étant pas autorisé à mettre un terme prématuré à l'assurance.
Dans sa déclaration d'impôt pour la période fiscale 2005, A.X. a mentionné 24'000 fr. à titre de revenu et n'a indiqué aucune fortune.
BGE 136 II 256 S. 257
Le revenu en question provenait de la rente viagère qui lui était servie à raison de 2'000 fr. par mois.
B.
Le 14 septembre 2006, l'Administration fiscale cantonale genevoise (ci-après: l'Administration fiscale) a notifié à A.X. un bordereau de taxation pour l'impôt cantonal et communal 2005 d'un montant de 803 fr. 20. Ce bordereau était fondé sur un revenu imposable de 19'481 fr. et une fortune nulle, l'Administration fiscale ayant retenu un montant de 24'000 fr. comme valeur capitalisée de la rente.
Saisie d'une réclamation, l'Administration fiscale a modifié sa taxation par décision du 12 février 2007. Le revenu imposable a été réduit à 4'966 fr., compte tenu notamment du fait que la rente viagère était imposable seulement à raison de 40 % (...). S'agissant en revanche de l'imposition de la fortune, la valeur capitalisée de la rente a été portée à 432'000 fr., soit le montant annuel de la rente (24'000 fr.) multiplié par 18 ans. Compte tenu de la déduction sociale, la fortune imposable a été arrêtée à 380'000 fr. (...)
Le 3 novembre 2008, la Commission cantonale de recours en matière d'impôts - devenue entre-temps la Commission cantonale de recours en matière administrative - a rejeté le recours formé contre cette décision.
A l'encontre de la décision du 3 novembre 2008, A.X. a recouru au Tribunal administratif genevois en contestant l'imposition de la rente capitalisée au titre de la fortune. Par arrêt du 25 août 2009, le recours a été rejeté. Les juges cantonaux ont considéré que la volonté du législateur genevois était de soumettre à l'impôt sur la fortune, de manière large, les valeurs patrimoniales permettant de servir une rente viagère et ce même en l'absence d'une clause de rachat. A défaut d'une telle clause, l'évaluation aux fins de l'imposition au titre de la fortune devait être effectuée, conformément à la réglementation genevoise, par capitalisation de la rente viagère en prenant en considération l'âge de l'assuré. Ce mode d'estimation - qui avait été suivi en l'espèce - n'était pas contraire aux règles d'estimation prévues par le droit fédéral. (...)
C.
Agissant par la voie du recours en matière de droit public, A.X. demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais et dépens, principalement d'annuler la décision du 25 août 2009 ainsi que le bordereau correspondant et de "constater que le contribuable doit faire l'objet d'une imposition au titre de la fortune [...] en retenant comme valeur de rachat de l'assurance de rente dont il bénéficie un montant de CHF 0.-" (...).
BGE 136 II 256 S. 258
L'autorité précédente s'en rapporte à justice quant à la recevabilité du recours et persiste au surplus dans les considérants et le dispositif de son arrêt. L'Administration fiscale conclut au rejet du recours, sous suite de frais. Tout en renonçant à déposer des observations, l'Administration fédérale des contributions propose de rejeter le recours, au vu de la grande liberté dont les cantons jouissent en cette matière.
Le Tribunal fédéral a admis le recours dans la mesure de sa recevabilité.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
L'assurance de rente viagère est une assurance-vie dans laquelle la prestation assurée est versée sous forme de rentes périodiques aussi longtemps que la personne assurée est en vie. Elle peut être susceptible de rachat ou non. Dans le premier cas, l'assurance garantit une prestation en cas de vie de l'assuré - le versement d'une rente - et, en cas de décès de l'assuré au cours de la période de restitution des primes, une prestation en capital correspondant à la valeur de restitution. Pendant la période de restitution, cette assurance est une assurance susceptible de rachat au sens de l'art. 90 al. 2 de la loi fédérale du 2 avril 1908 sur le contrat d'assurance (loi sur le contrat d'assurance, LCA; RS 221.229.1). Lorsqu'il s'agit d'une assurance de rente viagère non susceptible de rachat, l'assureur verse une rente durant la vie de l'assuré. En cas de décès, il ne doit pas restituer les primes payées ou non utilisées. L'assuré ne peut racheter l'assurance (AMSCHWAND-PILLOUD/JUNGO/MAUTE, Assurances-vie et impôts, 2005, p. 128 s., 143; voir aussi GLADYS LAFFELY MAILLARD, Les assurances sur la vie, notamment les assurances de capitaux à prime unique, et leur traitement fiscal, Archives 66 p. 609 s.; BERNARD VIRET, Droit des assurances privées, 3
e
éd. 1991, p. 192).
3.
3.1
La loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'harmonisation des impôts directs des cantons et des communes (LHID; RS 642.14) traite de l'imposition de la fortune des personnes physiques aux art. 13 et 14.
Intitulé "Objet de l'impôt", l'
art. 13 LHID
a la teneur suivante:
"
1
L'impôt sur la fortune a pour objet l'ensemble de la fortune nette.
2
La fortune grevée d'usufruit est imposable auprès de l'usufruitier.
3
Les parts de fonds de placement (art. 20, 1
er
al., deuxième phrase) sont imposables pour la différence entre la valeur de l'ensemble des actifs du fonds et celle de ses immeubles en propriété directe.
BGE 136 II 256 S. 259
4
Le mobilier de ménage et les objets personnels d'usage courant ne sont pas imposés."
L'
art. 14 LHID
contient des règles d'évaluation. A son alinéa 1
er
, il dispose de manière générale que la fortune est estimée à sa valeur vénale, la valeur de rendement pouvant être prise en considération de façon appropriée. Cette disposition laisse ainsi une importante marge de manoeuvre aux cantons (cf. ZIGERLIG/JUD, in Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/1: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, 2
e
éd. 2002, n° 5 des remarques préalables ad art. 13/14 LHID; voir aussi arrêts 2C_83/2009 du 8 mai 2009 consid. 3.2; 2C_820/2008 du 23 avril 2009 consid. 3.1), comme l'Administration fédérale des contributions l'a également relevé dans son courrier au Tribunal de céans. Cette liberté se limite cependant à l'évaluation et ne saurait permettre d'imposer un élément qui n'entre pas dans la notion de fortune au sens de l'
art. 13 LHID
.
3.2
La fortune imposable au sens de l'
art. 13 al. 1 LHID
se compose de l'ensemble des actifs, pour autant qu'ils ne soient pas exonérés de l'impôt en vertu d'une disposition spéciale. Les actifs imposables comprennent en principe tous les droits - qu'ils portent sur des choses, des créances ou des participations - appréciables en argent, à savoir tous les droits qui peuvent être réalisés, c'est-à-dire cédés en échange d'une contre-prestation (ZIGERLIG/JUD, op. cit., n° 2 ad
art. 13 LHID
; HÖHN/WALDBURGER, Steuerrecht, 9
e
éd. 2001, § 15 n° 9). Selon la doctrine unanime, ne sont ainsi pas soumis à l'impôt sur la fortune en particulier les droits à des prestations périodiques telles qu'une rente viagère, lorsqu'ils ne sont pas susceptibles de rachat (ZIGERLIG/JUD, op. cit., n° 22 ad
art. 13 LHID
, n° 20 ad
art. 14 LHID
; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, 3
e
éd. 2007, § 8 n° 5; RYSER/ROLLI, Précis de droit fiscal suisse, 4
e
éd. 2002, p. 407; AMSCHWAND-PILLOUD/JUNGO/MAUTE, op. cit., p. 65;LAFFELY MAILLARD, op. cit., p. 616). Ces droits ne peuvent en effet être exercés que par le bénéficiaire de la rente (HÖHN/WALDBURGER, op. cit., § 15 n
os
9 et 19) et ne sont donc pas cessibles.
3.3
Dans une recommandation des 2 et 3 avril 2003, le Comité de la Conférence suisse des impôts a proposé, en se référant à l'
art. 13 al. 1 LHID
, que la valeur de rachat des rentes viagères soit soumise à l'impôt sur la fortune, non seulement tant que le versement est différé, mais aussi durant le service de la rente. La valeur de rachat représente en effet dans les deux cas une valeur patrimoniale (pt. A 3; cf.
BGE 136 II 256 S. 260
aussi PETRA HELFENSTEIN, Die Besteuerung der privaten Rentenversicherungen in der Schweiz - eine systematische Darstellung der kantonalen Unterschiede, RF 59/2004 p. 82 s.; AMSCHWAND-PILLOUD/JUNGO/MAUTE, op. cit., p. 65). On peut en déduire a contrario que, selon cette recommandation qui ne lie certes nullement le Tribunal de céans, il n'y a pas lieu d'imposer au titre de la fortune le droit à une rente viagère sans valeur de rachat.
3.4
L'
art. 13 al. 1 LHID
prescrit ainsi aux cantons de soumettre à l'impôt sur la fortune tous les droits appréciables en argent, tels que définis ci-dessus, mais seulement ceux-ci (cf. ZIGERLIG/JUD, op. cit., n° 2 ad
art. 13 LHID
). Par conséquent, les droits qui ne correspondent pas à cette définition ne peuvent être imposés au titre de la fortune, tout comme les biens mentionnés à l'
art. 13 al. 4 LHID
(ZIGERLIG/JUD, op. cit., n° 18 ad
art. 13 LHID
). Peu importe que l'
art. 14 LHID
laisse aux cantons une importante marge de manoeuvre s'agissant de l'évaluation de la fortune.
4.
4.1
Aux termes de l'art. 1 de la loi genevoise du 22 septembre 2000 sur l'imposition des personnes physiques - Impôt sur la fortune (LIPP-III; Recueil des lois 2000 p. 738; en vigueur jusqu'au 31 décembre 2009), l'impôt sur la fortune a pour objet l'ensemble de la fortune nette après déductions sociales. Le principe de l'imposition de la fortune nette est conforme à l'
art. 13 al. 1 LHID
.
Intitulé "Fortune imposable", l'art. 2 LIPP-III dispose que sont notamment soumis à l'impôt sur la fortune les assurances-vie et vieillesse pour leur valeur de rachat (let. g) et la valeur capitalisée des rentes viagères (let. h).
Selon l'art. 6 LIPP-III, les rentes viagères touchées par le contribuable en contrepartie d'un versement en capital sont capitalisées d'après l'échelle établie par le Conseil d'Etat.
L'échelle des rentes viagères est contenue dans le règlement du Conseil d'Etat d'application de la loi sur l'imposition des personnes physiques - Impôt sur la fortune du 19 décembre 2001 (RIPP-III; Recueil des lois 2001 p. 1336; en vigueur jusqu'au 31 décembre 2009). Le capital imposable correspond à un multiple de la rente viagère annuelle, le facteur de multiplication étant fonction de l'âge de la personne sur la tête de laquelle la rente est constituée et décroissant à mesure que cet âge augmente. L'âge pris en considération est déterminé au 31 décembre de l'année pour laquelle l'impôt est dû (art. 2
BGE 136 II 256 S. 261
al. 2 RIPP-III). Pour un âge compris entre 50 et 54 ans, le capital est évalué à 18 fois la rente annuelle (art. 2 al. 1 RIPP-III).
4.2
Les
art. 2 let
. h et 6 LIPP-III ne distinguent pas selon que les rentes viagères sont ou non susceptibles de rachat. AMSCHWAND-PILLOUD/JUNGO/MAUTE interprètent ces dispositions en ce sens que les assurances de rentes viagères ne sont soumises à l'impôt sur la fortune que si une restitution des primes a été convenue. Les assurances de risque pur, au nombre desquelles figurent les assurances de rente viagère sans restitution des primes, ne sont pas imposables, selon ces auteurs (op. cit., p. 195). Pour sa part, XAVIER OBERSON (op.cit., § 8 n° 10) relève qu'en droit genevois la fortune est définie largement et comprend notamment la valeur capitalisée des rentes viagères; cet auteur ne distingue pas parmi les rentes viagères entre celles qui sont susceptibles de rachat et celles qui ne le sont pas. S'agissant par ailleurs de la législation antérieure (
art. 35 let
. f de la loi générale du 9 novembre 1887 sur les contributions publiques, dans sa teneur en vigueur du 17 décembre 1947 au 31 décembre 2000, qui était identique à celle de l'
art. 2 let
. h LIPP-III), LAFFELY MAILLARD mentionne que le canton de Genève est le seul à percevoir l'impôt sur la fortune également sur la valeur capitalisée des rentes viagères non susceptibles de rachat (op. cit., p. 617, note de bas de page 89). Ces dispositions ne devaient toutefois pas demeurer en vigueur après l'échéance du délai de l'
art. 72 LHID
, de sorte que la question de la conformité à la loi fédérale sur l'harmonisation fiscale ne se posait pas de la même manière.
5.
5.1
En dénonçant une violation des
art. 13 et 14 LHID
ainsi que du principe de la primauté du droit fédéral (
art. 49 al. 1 Cst.
), le recourant soutient que, du moment qu'elle n'est pas susceptible de rachat, sa rente viagère n'est pas imposable au titre de la fortune, et qu'à supposer qu'elle le soit, sa valeur devrait être estimée à 0 fr. Il se plaint en outre de ce que la décision du 25 août 2009 serait arbitraire.
5.2
S'agissant de la définition de la fortune imposable, au sens de l'
art. 13 al. 1 LHID
, la loi fédérale sur l'harmonisation fiscale ne laisse guère de marge de manoeuvre aux cantons (cf. consid. 3.4 ci-dessus), de sorte qu'à cet égard, le Tribunal de céans examine librement la conformité du droit cantonal harmonisé et de son application par les instances cantonales aux dispositions de ladite loi fédérale (cf. consid. 1.3 ci-dessus).
BGE 136 II 256 S. 262
Il est constant que l'assurance de rente viagère - au demeurant conclue par sa mère - dont bénéficie le recourant ne prévoit pas de restitution des primes et n'a pas de valeur de rachat. Dès lors, il ne s'agit pas d'un actif faisant partie de la fortune imposable au sens de l'
art. 13 al. 1 LHID
, tel qu'interprété plus haut (consid. 3.2).
L'autorité précédente ainsi que l'Administration fiscale, dans sa détermination sur le recours, justifient l'imposition du droit à la rente litigieuse principalement par la volonté du législateur genevois de soumettre à l'impôt sur la fortune non seulement les assurances-vie ayant une valeur de rachat, mais aussi et plus largement les valeurs patrimoniales permettant de servir une rente viagère et ce même en l'absence d'une clause de rachat. Selon cette interprétation, l'
art. 2 let
. h LIPP-III soumet à l'impôt sur la fortune, de manière générale, la valeur capitalisée des rentes viagères, sans distinguer, lorsque celles-ci reposent sur un contrat d'assurance, selon que l'assurance a une valeur de rachat ou non.
Le législateur genevois ne saurait pourtant étendre la notion de fortune imposable au-delà de ce que permet la loi fédérale sur l'harmonisation fiscale. Or, comme on l'a vu, les droits à des prestations périodiques telles qu'une rente viagère ne sauraient être soumis à l'impôt sur la fortune en l'absence d'une valeur de rachat. Entre-temps, le législateur genevois s'est d'ailleurs ravisé, puisque la nouvelle loi du 27 septembre 2009 sur l'imposition des personnes physiques (LIPP; RSG, D 3 08, entrée en vigueur le 1
er
janvier 2010) ne mentionne plus la valeur capitalisée des rentes viagères comme élément de la fortune imposable (cf. art. 47 LIPP a contrario). Lors des travaux préparatoires, il est en effet apparu comme problématique de soumettre à l'impôt sur la fortune, de manière générale, la valeur capitalisée des rentes viagères, notamment lorsque celles-ci se fondent sur un contrat d'assurance. Selon la Commission fiscale chargée du projet de loi, il faut plutôt distinguer selon que l'assurance est susceptible de rachat ou non, celles qui ne le sont pas ne pouvant pas être soumises à l'impôt sur la fortune "parce qu'il n'y a pas de créance en restitution du capital constitutif ou des primes" (Secrétariat du Grand Conseil, Rapport du 26 mai 2009 de la Commission fiscale chargée d'étudier le projet de loi sur l'imposition des personnes physiques, p. 165
http://www.ge.ch/grandconseil/data/texte/PL10199A.pdf
[consulté le 8 février 2010]).
Il apparaît ainsi qu'en confirmant l'imposition au titre de la fortune de la valeur capitalisée de la rente viagère du recourant, alors que
BGE 136 II 256 S. 263
celle-ci n'est pas susceptible de rachat, les juges cantonaux ont contrevenu à l'
art. 13 al. 1 LHID
. Dans ces conditions, l'arrêt entrepris doit être annulé, sans qu'il soit besoin d'examiner les autres griefs soulevés par le recourant. | public_law | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0569505-20ef-4ab2-8cf7-4ebb3218ea5d | Urteilskopf
124 III 193
34. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. März 1998 i.S. A. und B. gegen C. (Berufung) | Regeste
Art. 334 Abs. 2 ZGB
und
Art. 334bis Abs. 2 ZGB
; Stundung des Lidlohns.
Aus Gründen der Billigkeit kann der Richter bei der Zahlung des Lidlohns dem Schuldner entgegenkommen; unter Umständen kann die Fälligkeit bis zur Erbteilung hinausgeschoben werden (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 193
BGE 124 III 193 S. 193
Das Obergericht des Kantons Glarus verpflichtete C. am 21. November 1997 in getrennten Urteilen, seinen Söhnen A. und B. die von diesen gegenüber ihrem Vater geltend gemachten Lidlohnansprüche von Fr. 53'750.-- bzw. Fr. 77'085.-- zu bezahlen, abzüglich nachträglich für diese Beträge zu entrichtende Sozialversicherungsabgaben. Sodann wurde entschieden, die Beträge seien ab 1998 in zehn gleich hohen jährlichen, jeweils am 30. Juni zu entrichtenden Raten zu tilgen und nicht fristgerecht geleistete Raten ab deren Fälligkeit mit 5% zu verzinsen (je Ziff. 1).
A. sowie B. haben Berufung eingelegt mit dem Antrag, in Abänderung von Ziffer 1 der Urteile des Obergerichts C. zur Bezahlung
BGE 124 III 193 S. 194
von Fr. 53'750.-- bzw. 77'085.- nebst Zins zu 5% seit 16. Mai bzw. 30. Mai 1995 zu verurteilen, abzüglich nachweislich von diesen Beträgen zu entrichtende Sozialversicherungsabgaben. Ferner wird beantragt, der Rechtsvorschlag in den Betreibungen Nrn. xxx bzw. yyy des Betreibungsamtes des Kantons Glarus für diese Beträge sei zu beseitigen, eventuell sei das Obergericht anzuhalten, das Ergebnis der Beweisführung festzustellen.
Das Bundesgericht hat die Berufungen abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Das Obergericht hat gemäss
Art. 334 Abs. 2 ZGB
erwogen, eine Verpflichtung zur sofortigen Bezahlung des Lidlohnes trüge den unbestrittenen finanziellen Schwierigkeiten des Beklagten überhaupt nicht Rechnung. Diese geböten geradezu, dass ihm grosszügige Zahlungsfristen eingeräumt würden, zumal er beiden Söhnen Lidlohnentschädigungen von zusammen über Fr. 120'000.-- schulde. Der Beklagte sei daher zu verpflichten, diese ab 1998 in je zehn gleichbleibenden jährlichen Raten zu tilgen.
Die Kläger werfen der Vorinstanz vor, sie habe durch die Stundung der Lidlohnforderungen
Art. 334bis Abs. 2 ZGB
verletzt, der keinen Raum für solche Anordnungen lasse. Könne eine Forderung geltend gemacht werden, so sei sie auch fällig, das heisst, mit dem Eintritt eines der Gründe gemäss
Art. 334bis Abs. 2 ZGB
verfallen. Das Obergericht habe zwar den Beklagten als Schuldner schützen wollen, schütze aber de facto niemand anders als dessen weitere Gläubiger. Einem nicht aufrecht stehenden Lidlohnschuldner die Stundung zu bewilligen, könne nicht Zweck der richterlichen Befugnis nach
Art. 334 Abs. 2 ZGB
sein.
b) Die den Kindern oder Grosskindern zustehende Entschädigung kann gemäss
Art. 334bis Abs. 2 ZGB
schon zu Lebzeiten des Schuldners unter anderem dann geltend gemacht werden, wenn gegen ihn eine Pfändung erfolgt oder wenn der gemeinsame Haushalt aufgehoben wird. Im Streitfall entscheidet gemäss
Art. 334 Abs. 2 ZGB
der Richter nicht bloss über die Höhe der Entschädigung, sondern ebenso über ihre Sicherung sowie über die Art und Weise der Bezahlung.
Nach dem ursprünglichen Vorschlag wäre
Art. 334 ZGB
in Abs. 3 dahin zu ändern gewesen, dass im Falle der Bestreitung der Richter über den Bestand, die Höhe der Forderung und ihre Fälligkeit unter
BGE 124 III 193 S. 195
Berücksichtigung der Vermögenslage der Eltern und des Kindes nach seinem Ermessen entscheide (BBl 1970 I S. 851); er zähle damit die wichtigsten Gesichtspunkte für den ermessensmässig zu bestimmenden Anspruch auf (BBl 1970 I S. 836/3.2.). Gemäss dem neuen Änderungsvorschlag von Art. 334 Abs. 2, in welchem der Wortlaut im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf vereinfacht (BBl 1971 I S. 743/1.), die richterliche Kompetenz also nicht etwa eingeschränkt wurde, entscheidet der Richter im Streitfall über die Höhe der Forderung und die Art und Weise der Tilgung (BBl 1971 I S. 763). In der Botschaft wird dazu ausgeführt, aus den vorgeschlagenen Formulierungen gehe klar hervor, dass der Lidlohn als Forderung im Sinne des Schweizerischen Obligationenrechts verstanden sein wolle. Aus wirtschaftlichen und familiären Gründen weise dieser Anspruch allerdings bestimmte Eigenheiten auf. Sowohl seine Höhe als auch die Zahlungsbedingungen sollten nach dem Grundsatz der Billigkeit ausgerichtet sein. Überdies werde die Fälligkeit durch besondere, wesentlich stärker einschränkende Normen geordnet, als es für Lohnforderungen nach dem Obligationenrecht der Fall sei. Aus Gründen der Billigkeit werde der Richter dem Schuldner unter Umständen gewisse Zahlungserleichterungen gewähren müssen. Eine derart geschmeidige Regelung dränge sich nicht nur mit Rücksicht auf die fast unbegrenzte Verschiedenheit der Einzelfälle auf, sondern auch im Hinblick auf die engen familiären Bande, die in der Regel zwischen Gläubiger und Schuldner bestünden (BBl 1971 I S. 743 ff./2. und 745 ff./8.). Das blieb in den parlamentarischen Beratungen nicht bloss unwidersprochen (AB 1971 S 401; AB 1972 N 1170), sondern wurde durch den Berichterstatter im Ständerat vielmehr ausdrücklich bestätigt; dieser erklärte, Abs. 2 von Art. 334 in der Fassung der Kommission - die schliesslich Gesetz geworden ist - verdeutliche noch, dass, wenn sich die Parteien nicht einigen könnten, sich der Richter bei seinem Entscheid von Billigkeitserwägungen leiten lassen solle. Er könne dabei nicht nur die Höhe der Entschädigung, sondern auch die Art und Weise der Bezahlung festlegen und - eventuell gegen eine bestimmte Sicherstellung - gewisse Zahlungsfristen zugestehen oder Ratenzahlungen vorsehen.
In der Literatur wird denn auch einhellig die Auffassung vertreten, beim richterlichen Entscheid, der auch die Art und Weise der Bezahlung des Lidlohnes umfasse, werde vor allem auf die finanzielle Belastbarkeit des Schuldners Rücksicht zu nehmen sein. Zahlungserleichterungen könnten durch die Einräumung von
BGE 124 III 193 S. 196
Zahlungsfristen, die Festlegung eines Abzahlungsplans oder durch Stundung gewährt werden. Sollte die finanzielle Lage des Schuldners so prekär sein, dass ihm über kurz oder lang nicht einmal Teilzahlungen zuzumuten seien, so könne der Richter in derart extrem gelagerten Situationen die Fälligkeit bis zum Tode des Schuldners oder bis zur Erbteilung hinausschieben; auch liege in der Kompetenz des Richters, eine Verzinsung des Anspruchs festzulegen, wenn die Zahlungsschwierigkeiten nur vorübergehender Natur seien (NEUKOMM/CZETTLER, Das bäuerliche Erbrecht, S. 189/4.3; IMHOF, Die neuen Bestimmungen zum Lidlohn, Diss. ZH 1975, S. 89; STUDER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch I, Basel 1996, N. 9 zu
Art. 334 ZGB
). Der Richter kann selbstverständlich den Anspruch nicht ablehnen, doch kann er aus Gründen der Billigkeit von den in
Art. 334bis Abs. 2 ZGB
verankerten Fälligkeitsterminen abweichen, wenn die sofortige Bezahlung des Lidlohns nicht zumutbar ist (NEUKOMM/CZETTLER, a.a.O.). | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b057046c-fd87-42cf-9bce-4697ffeb0545 | Urteilskopf
116 V 290
44. Arrêt du 4 juillet 1990 dans la cause Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail contre T. et Commission cantonale vaudoise d'arbitrage pour l'assurance-chômage | Regeste
Art. 95 Abs. 2 AVIG
,
Art. 47 Abs. 1 AHVG
,
Art. 79 Abs. 1 AHVV
, 163 ZGB: Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen, Erlass und Verrechnung.
- Das Einkommen des Ehegatten des rückerstattungspflichtigen Versicherten ist zu berücksichtigen beim Entscheid, ob die Rückerstattung eine grosse Härte im Sinne von
Art. 95 Abs. 2 AVIG
bedeutet (Erw. 3).
- Teilweiser Erlass der Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen: Anwendung der in
BGE 116 V 12
veröffentlichten Rechtsprechung (Erw. 5a).
- Verrechnung mit andern Sozialversicherungsleistungen (Erw. 5b). | Sachverhalt
ab Seite 291
BGE 116 V 290 S. 291
A.-
Par décision du 8 août 1988, la Caisse d'assurance-chômage de la Chambre vaudoise du commerce et de l'industrie a fixé à 14'259 fr. 55 le montant des prestations d'assurance-chômage indûment touchées de novembre 1987 à avril 1988 par A.T., au motif que l'assurance-invalidité lui avait alloué pour la période du 1er novembre 1987 au 31 août 1988 une rente entière d'invalidité, d'un montant mensuel de 153 francs, assortie de deux rentes complémentaires pour sa femme et sa fille. La caisse d'assurance-chômage lui a réclamé la restitution de 12'719 fr. 55, après compensation avec l'arriéré de rente AI jusqu'à concurrence de 1'540 francs. Cette décision n'a pas été attaquée.
B.-
Le 24 août 1988, A.T. a présenté une demande de remise de l'obligation de restituer la somme précitée, en faisant valoir, entre autres arguments, son entière bonne foi et le fait que tout l'argent servi par l'assurance-chômage avait été consacré, en sus du salaire de son épouse, à entretenir sa famille, à payer ses impôts et à verser une aide à des parents demeurant à l'étranger.
Par décision du 7 octobre 1988, l'Office cantonal vaudois de l'assurance-chômage a rejeté cette demande au motif que la restitution exigée de l'assuré n'était pas de nature à entraîner pour ce dernier des rigueurs particulières, au sens de la loi et de la jurisprudence.
C.-
Par jugement du 22 février 1989, la Commission cantonale vaudoise d'arbitrage pour l'assurance-chômage a admis le recours formé contre cette décision par l'assuré. La juridiction cantonale a considéré, en bref, que l'application analogique des règles valables en matière de restitution de prestations de l'AVS/AI indûment perçues semblait "quelque peu inadéquate" dans un tel cas puisqu'elle conduisait à prendre en considération la limite de revenu d'une rente de couple et, par conséquent, le revenu des deux époux. Elle a estimé qu'une prestation de l'assurance-chômage n'avait pas "un rapport aussi direct avec la situation familiale du débiteur" qu'une rente AVS ou AI et que, en outre, selon les règles du droit matrimonial, le conjoint n'avait pas qualité de débiteur solidaire des dettes contractées par son époux. Elle en a déduit qu'il fallait prendre en considération les seuls revenus de l'assuré pour décider si l'obligation de restitution entraînait des rigueurs particulières. La commission cantonale a conclu que le recourant n'était pas tenu de restituer le montant litigieux.
D.-
L'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail interjette recours de droit administratif contre ce jugement;
BGE 116 V 290 S. 292
il conclut à son annulation et demande au Tribunal fédéral des assurances de constater que la remise de l'obligation de restituer ne peut être accordée à l'intimé.
A.T. conclut implicitement au rejet du recours et demande expressément à être libéré de son obligation de restituer les indemnités de chômage indûment touchées. L'Office cantonal vaudois de l'assurance-chômage conclut à l'admission du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Pouvoir d'examen)
2.
a) Selon l'
art. 95 LACI
, la caisse est tenue d'exiger du bénéficiaire la restitution des prestations de l'assurance auxquelles il n'avait pas droit (al. 1, première phrase). Si le bénéficiaire des prestations était de bonne foi en les acceptant et si leur restitution devait entraîner des rigueurs particulières, on y renoncera, sur demande, en tout ou en partie (al. 2, première phrase).
En l'espèce, nul ne conteste que l'intimé remplit la condition de la bonne foi. Sur ce point, la Cour de céans n'a pas de motif de s'écarter du jugement attaqué.
b) Sous l'empire de l'
art. 35 al. 1 LAC
, deuxième phrase, en vigueur jusqu'au 31 décembre 1983 - disposition d'après laquelle, lorsque l'assuré était de bonne foi et qu'il aurait été trop durement frappé par la restitution d'indemnités indûment touchées, la remise entière ou partielle de ces indemnités devait, s'il l'avait requis, lui être accordée -, le point de savoir si un assuré devait être considéré comme trop durement frappé au sens de cette disposition s'appréciait selon les critères développés par la jurisprudence en matière d'AVS concernant la remise de rentes et d'allocations pour impotents indûment touchées (DTA 1981 No 10 p. 47 et 1978 No 20 p. 72). Cette pratique a été ancrée dans le nouveau droit avec l'entrée en vigueur, le 1er décembre 1984, de la LACI et notamment de l'art. 95 al. 2. On lit, en effet, ce qui suit dans le message du Conseil fédéral concernant une nouvelle loi fédérale sur l'assurance-chômage obligatoire et l'indemnité en cas d'insolvabilité du 2 juillet 1980, à propos de l'art. 94 al. 2 du projet dont le texte était identique à celui qui figure maintenant à l'
art. 95 al. 2 LACI
(FF 1980 III 642):
"... la renonciation à l'exigence du remboursement, lorsqu'il s'agit d'assurés dont la situation sociale est difficile, répond à l'idée de protection qui est fondamentale dans les assurances sociales. Afin d'unifier la pratique entre les diverses branches des assurances sociales,
BGE 116 V 290 S. 293
le texte de l'article 94 du projet de loi est, quant au fond, analogue à la disposition correspondante de la LAVS, en ce qui concerne le principe du remboursement et les conditions dont dépend la remise."
Ce principe n'a pas non plus été remis en cause par la doctrine, dans la mesure où elle s'est exprimée à ce sujet (cf. GERHARDS, Kommentar zum AVIG, n. 42 ad art. 95, p. 781; STAUFFER, Die Arbeitslosenversicherung, pp. 267-268, ad ch. 2.5.1.3).
Dès lors, pour décider si la restitution des prestations touchées sans droit par le bénéficiaire est de nature à entraîner, pour ce dernier, "des rigueurs particulières" au sens de l'
art. 95 al. 2 LACI
, il faut transposer à cette situation les principes développés par la jurisprudence relative à l'art. 47 al. 1 seconde phrase LAVS d'après lequel la restitution (de rentes ou d'allocations pour impotents indûment touchées) peut ne pas être demandée lorsque l'intéressé était de bonne foi et serait mis dans une situation difficile.
c) Aux termes de cette jurisprudence, un assuré se trouve dans une situation difficile au sens de l'
art. 47 al. 1 LAVS
lorsque les deux tiers du revenu à prendre en compte (auquel s'ajoute, le cas échéant, une part de la fortune) n'atteignent pas la limite fixée à l'
art. 42 al. 1 LAVS
pour l'octroi de rentes extraordinaires, augmentée de 50%. Pour calculer le revenu à prendre en considération, ainsi que la part de fortune qui s'y ajoute, on applique les règles des art. 56 à 63 RAVS qui concernent le calcul des rentes extraordinaires (
ATF 111 V 132
consid. 3b et les arrêts cités). Lors du calcul, on déduit de la fortune le montant de la créance en restitution. Dans certains cas, on peut tenir compte des circonstances particulières telles que la maladie, l'invalidité, les lourdes charges d'entretien et les charges liées à l'extinction d'autres dettes (VALTERIO, Commentaire de la LAVS, t. II, p. 233).
Sont en général déterminantes les conditions économiques existant au moment où l'intéressé devrait s'acquitter de sa dette (
ATF 107 V 80
consid. 3b, 104 V 62,
ATF 103 V 54
consid. 1,
ATF 98 V 252
; DTA 1978 No 20 p. 74; GERHARDS, op.cit., n. 58 ad art. 95, p. 784; cf. aussi WIDMER, Die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Leistungen in den Sozialversicherungen, thèse Bâle, 1984, pp. 168-169).
Le juge des assurances sociales n'est pas tenu d'examiner d'office si et dans quelle mesure la situation économique du débiteur s'est modifiée depuis la décision de remise litigieuse. Il ne lui est toutefois pas interdit de fonder son jugement - en particulier pour des raisons d'économie de procédure - sur le nouvel état de fait,
BGE 116 V 290 S. 294
à condition de respecter le droit des parties d'être entendues. Pour sa part, le Tribunal fédéral des assurances, qui dispose, dans la présente affaire, d'un pouvoir d'examen limité, ne peut, à titre exceptionnel, tenir compte de faits survenus postérieurement à la période considérée par le premier juge que si ceux-ci sont dûment établis (
ATF 107 V 80
consid. 3b,
ATF 104 V 63
consid. 1b).
3.
En l'espèce, sans remettre en cause ces divers principes, les premiers juges sont cependant d'avis, avec l'intimé, qu'il n'est pas admissible dans un cas de ce genre de prendre en considération le revenu du conjoint de l'assuré qui doit restituer les prestations d'assurance-chômage indûment touchées.
a) En ce qui concerne la définition de la situation difficile au sens des
art. 47 al. 1 LAVS
et 79 al. 1 RAVS, la jurisprudence et la pratique administrative sont constantes depuis le début de l'application de la LAVS: pour déterminer les "conditions d'existence" (en allemand "Verhältnisse", en italien "condizioni economiche") de la personne tenue à restitution, on prend en considération, si celle-ci est mariée, le revenu et la fortune des deux conjoints, sans égard à leur régime matrimonial et pour autant qu'ils ne soient pas séparés (
ATF 108 V 60
,
ATF 107 V 80
consid. 3b et la jurisprudence citée; RCC 1978 p. 229, 1951 p. 125). Cette règle ne s'applique pas seulement dans le cas où l'objet de la restitution est une rente de couple, mais également s'il s'agit d'une rente simple (arrêt non publié G., du 16 septembre 1970, cité par WIDMER, op.cit., p. 168, n. 56).
b) D'après la jurisprudence rendue à propos de l'
art. 35 al. 1 LAC
, la même règle s'appliquait au calcul du revenu déterminant pour décider si l'assuré de bonne foi était trop durement frappé par la restitution (DTA 1981 No 10 p. 49, 1978 No 20 p. 73 consid. 1). Il n'y a pas de motif de s'en écarter dans le cadre de l'application de l'
art. 95 al. 2 LACI
(GERHARDS, op.cit., n. 43 ad art. 95, p. 782). Les prestations en espèces de l'assurance-chômage sont destinées à remplacer le gain perdu en raison du chômage subi par un assuré. Si ce dernier est marié, le revenu de substitution alloué par l'assurance-chômage profite à l'autre conjoint au même titre que s'il s'agissait du revenu d'une activité lucrative. Au demeurant, pour les personnes mariées, l'indemnité journalière est plus élevée que pour celles qui ne le sont pas (
art. 22 al. 1 LACI
). Dès lors, la distinction que voudraient faire les premiers juges entre les prestations indues reçues de l'AVS ou de l'AI et celles provenant de l'assurance-chômage, pour la raison que celles-ci ne se
BGE 116 V 290 S. 295
trouveraient pas "dans un rapport aussi direct avec la situation familiale du débiteur" que celles-là, ne trouve un fondement ni dans la loi ni dans la réalité économique.
Ce qui est vrai, en revanche, comme le souligne également l'intimé dans sa réponse, c'est que du point de vue du droit civil, seul le conjoint qui a perçu indûment des prestations d'assurance sociale en est le débiteur à l'égard de l'institution d'assurance (RCC 1989 p. 420). Mais cela n'empêche nullement de tenir compte de la situation financière (revenu et fortune) de l'autre époux lorsqu'il s'agit de déterminer si les conditions de la "situation difficile" ou des "rigueurs particulières", telles qu'on les a définies ci-dessus, sont ou non réalisées. Du reste, même si les règles de calcul diffèrent, il n'en va pas autrement dans le cas où l'on doit chiffrer le minimum d'existence, au sens de l'
art. 93 LP
, d'un débiteur poursuivi et marié (cf. pour l'ancien droit matrimonial:
ATF 110 III 118
et pour le nouveau droit:
ATF 114 III 15
consid. 3).
De même, n'est pas pertinent l'argument des premiers juges selon lequel, "sur le strict plan de l'équité, il serait inopportun que Me T. doive débourser un montant particulièrement élevé au regard de sa situation financière personnelle, alors qu'elle contribue déjà très largement par son travail à l'entretien du ménage". Ce raisonnement n'est pas compatible avec la nouvelle teneur de l'
art. 163 CC
en vigueur depuis le 1er janvier 1988. On se trouve précisément, en l'espèce, dans un cas où cette règle et la jurisprudence à laquelle elle a donné lieu (
ATF 114 II 301
) prennent toute leur signification.
Dans ces conditions, le jugement attaqué ne saurait être maintenu.
4.
Du moment qu'ils estimaient que seul le revenu personnel de l'intimé devait être pris en considération, les premiers juges n'ont pas examiné de plus près le calcul auquel a procédé l'office cantonal de l'assurance-chômage dans sa décision du 7 octobre 1988 qui est à l'origine du litige. Il convient de relever à cet égard que la jurisprudence citée dans cette décision est dépassée puisque sont déterminantes les limites de revenu fixées par l'
art. 42 al. 1 LAVS
augmentées de 50% (cf. consid. 2c supra). D'autre part, on ignore tout de la manière dont le revenu prêté à l'intimé (fr. ...) a été calculé, le questionnaire envoyé à l'intéressé le 20 septembre 1988 par l'office ne figurant pas au dossier. En outre, selon la décision précitée, la période déterminante s'étend du 1er septembre
BGE 116 V 290 S. 296
1987 au 31 août 1988. Cela n'est pas exact dans la mesure où, comme on l'a vu ci-avant, ce sont les conditions économiques existant au moment où l'intéressé devrait s'acquitter de sa dette qui sont déterminantes.
Le calcul établi par l'office cantonal de l'assurance-chômage repose donc sur des bases erronées, de sorte qu'il n'est pas possible, en l'état, de décider si la restitution réclamée entraîne pour l'intimé des rigueurs particulières.
5.
S'il devait s'avérer, après un nouveau calcul, que l'intimé est tenu à restitution, il conviendrait encore de fixer l'étendue de celle-ci.
a) L'
art. 95 al. 2 LACI
, déjà cité, prévoit que l'administration, quand les conditions en sont remplies, renoncera en tout ou partie à la restitution de prestations indues.
aa) Les modalités de la remise partielle ont fait l'objet d'un arrêt récent du Tribunal fédéral des assurances dans une affaire d'AVS (
ATF 116 V 12
). La Cour de céans a jugé que l'
art. 79 al. 1 RAVS
- dont le contenu a inspiré celui de l'
art. 95 al. 2 LACI
- précise, sans en excéder le cadre, l'
art. 47 al. 1 LAVS
qui lui sert de base légale. Il s'agit, par la remise partielle, de tenir compte du principe selon lequel la répétition de prestations indues ne doit pas compromettre la situation financière de l'assuré de bonne foi. Aussi doit-elle être accordée lorsque le montant qui dépasse la limite de revenu applicable est inférieur à la somme qui doit être restituée. La répétition de prestations indues n'est en effet exigible que dans la mesure où elle ne porte pas atteinte au revenu en deçà duquel il y a cas pénible.
En d'autres termes, la remise partielle concerne la part du montant à restituer qui excède la différence entre les deux tiers du revenu déterminant et la limite de revenu - augmentée de 50% - applicable dans un cas d'espèce. Selon cette nouvelle jurisprudence, ce calcul doit être fait une seule fois, et cela au moment où l'intéressé devrait s'acquitter de sa dette. Il n'y a donc pas lieu de fractionner le remboursement des prestations indues en l'étalant sur plusieurs années (
ATF 116 V 14
).
bb) Compte tenu de ce qui vient d'être dit, plusieurs éléments sont susceptibles d'influencer le sort de la cause. Si les limites de revenu fixées par l'
art. 42 al. 1 LAVS
n'ont pas varié entre le moment où la décision administrative litigieuse a été prononcée et celui où le jugement entrepris a été rendu, on ignore, en revanche, si l'enfant O., née en 1967, est toujours à la charge de l'intimé. On
BGE 116 V 290 S. 297
ne sait pas non plus comment ont évolué le revenu déterminant de l'assuré et celui de son épouse. Ces points doivent être éclaircis.
b) En ce qui concerne la compensation avec les arriérés de rente échus, l'office recourant fait observer que seuls les jours pour lesquels l'intimé a été indemnisé par l'assurance-chômage peuvent être pris en considération pour la compensation et non pas toute la période de chômage coïncidant avec le statut de rentier AI. Ceci est exact (
art. 94 al. 2 LACI
et 124 OACI; DTA 1988 No 5 p. 36 consid. 3b et 1987 No 13 p. 120 consid. 3b). A cet égard et contrairement à ce que semble croire le recourant, l'entrée en force de la décision par laquelle la caisse d'assurance-chômage a fixé le montant que l'intimé doit restituer ne fait pas obstacle à un réexamen, au stade de la procédure de remise, du calcul de la compensation. En effet, celle-ci n'est qu'un mode d'exécution de l'obligation de restituer les prestations indûment touchées. Et selon la jurisprudence précitée, l'obligation de restituer des prestations d'assurance sociale ne peut être remise dans la mesure où cette obligation peut être éteinte par compensation avec d'autres prestations d'assurance sociale. Dès lors, si une partie de la dette dont la remise est demandée a été ou pourrait être éteinte par compensation, ce point ne pourra être définitivement réglé, en principe, que dans le cadre de la procédure relative à la remise éventuelle de l'obligation de restitution.
6.
Cela étant, il se justifie d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer le dossier aux juges cantonaux pour qu'ils se prononcent à nouveau, en se conformant aux considérants qui précèdent.
7.
(Frais) | null | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0575152-b13f-4a4b-bcf5-5608047d4648 | Urteilskopf
110 V 389
63. Sentenza del 10 dicembre 1984 nella causa Balassi contro Cassa svizzera di compensazione e Commissione federale di ricorso in materia d'AVS/AI per le persone residenti all'estero | Regeste
Art. 18 Abs. 2 BZP
, Art. 35 Abs. 1 und 405 Abs. 1 OR.
Stirbt der Auftraggeber im Laufe des Prozesses und mangelt es an einer diesbezüglichen Vereinbarung, so muss das Auftragsverhältnis in Beachtung des Vertrauensschutzprinzips fortbestehen, wenigstens bis zu dem Zeitpunkt, in welchem - nachdem die Erben ermittelt sind - abgeklärt ist, ob diese den Prozess fortzuführen gedenken und wer gegebenenfalls hierzu ermächtigt ist. | Sachverhalt
ab Seite 389
BGE 110 V 389 S. 389
A.-
Il cittadino italiano Claudio Balassi ha deferito una decisione della Cassa svizzera di compensazione 2 luglio 1981 in tema di assicurazione federale per l'invalidità con gravame alla Commissione federale di ricorso in materia d'AVS/AI per le persone residenti all'estero.
L'insorgente era rappresentato, sulla base di una regolare procura, dal Patronato ACLI, sede di Ginevra.
Il 15 ottobre 1982 la Cassa svizzera di compensazione ha comunicato all'autorità di ricorso che l'insorgente era deceduto in data 22 ottobre 1981. Il giudice delegato si è quindi rivolto, il 21 ottobre 1982, agli eredi Balassi, per il tramite della vedova Amelia Balassi, per sapere se essi avessero inteso continuare il procedimento ricorsuale e se il Patronato ACLI di Ginevra dovesse anche nel futuro essere considerato rappresentante delle parti, assegnando per la risposta un termine
BGE 110 V 389 S. 390
scadente il 22 novembre 1982, con l'avvertenza che il silenzio sarebbe stato ritenuto desistenza.
Non avendo gli eredi dato seguito all'ordinanza, la Commissione di ricorso ha, con giudizio 3 dicembre 1982, stralciato la causa dal ruolo.
B.-
Assistita dal Patronato INAC, Amelia Balassi interpone ricorso di diritto amministrativo a questa Corte adducendo che essa, nel momento in cui le venne intimata la comunicazione del giudice commissionale, era in stato confusionale e quindi non in grado di reagire tempestivamente.
La Cassa di compensazione opponente e l'Ufficio federale delle assicurazioni sociali rinunciano a determinarsi.
Erwägungen
Diritto:
1.
Oggetto della lite è unicamente la questione di sapere se a ragione la Commissione di ricorso abbia stralciato la causa dal ruolo, non avendo gli eredi dell'assicurato dato seguito all'intimazione del giudice delegato.
2.
a) La procedura davanti alla Commissione federale di ricorso in materia d'AVS/AI per le persone residenti all'estero è disciplinata dalla PA (art. 1 cpv. 1 e cpv. 2 lett. d PA), legge questa che non regolamenta la successione in lite nel caso di morte del ricorrente. Secondo l'
art. 4 PA
le disposizioni del diritto federale che regolano più compiutamente un procedimento sono applicabili in quanto non siano contrarie a detta legge. Ora giusta l'
art. 6 PC
il processo è sospeso per legge nei casi specialmente previsti, come pure per la morte di una parte (cpv. 2) e se il giudice non ottiene, né dalla comunione ereditaria né dalla controparte, le indicazioni necessarie sulla legittimazione degli eredi la causa viene stralciata dal ruolo (cpv. 4). In concreto legittimamente quindi il giudice delegato della Commissione di ricorso si è prevalso della PC per chiedere informazioni circa la prosecuzione della causa dopo l'avvenuto decesso dell'insorgente.
b) Rimane da esaminare se, avendo l'assicurato assegnato al Patronato ACLI il mandato di rappresentarlo, pure a ragione l'autorità giudiziaria di primo grado abbia notificato l'ordinanza agli eredi.
Ai sensi dell'
art. 11 cpv. 1 PA
in ogni stadio del procedimento la parte può farsi rappresentare. Giusta il cpv. 3 di questo articolo
BGE 110 V 389 S. 391
fintanto che la parte non revochi la procura l'autorità comunica con il rappresentante. Infine, l'
art. 38 PA
dispone che una notificazione difettosa non può cagionare alle parti alcun pregiudizio. Al riguardo la giurisprudenza ha precisato che il fatto di comunicare una decisione impugnabile alla parte stessa anziché al rappresentante è una notificazione difettosa e non può cagionare alla parte alcun pregiudizio (
DTF 99 V 177
).
È vero ora che la comunicazione del giudice delegato agli eredi non configurava tecnicamente una decisione impugnabile; trattandosi tuttavia di un provvedimento che in caso di mancato riscontro avrebbe comportato per la parte un pregiudizio non altrimenti riparabile, i suesposti principi possono comunque essere applicati.
c) Decisivo ai fini di stabilire se la comunicazione sia stata regolarmente notificata è determinare se il mandato con cui Claudio Balassi aveva incaricato il patronato ACLI di rappresentarlo era decaduto con la morte dell'interessato.
L'
art. 18 cpv. 2 PC
- legge che, come è stato detto, è applicabile a titolo sussidiario nell'ambito della PA - dichiara richiamabili le norme del CO circa i limiti e l'estensione della facoltà di rappresentanza. Ora per l'
art. 35 cpv. 1 CO
il mandato conferito per negozio giuridico cessa, se non risulta il contrario dalla convenzione o dalla natura del negozio, con la morte del mandante. Questa regola è ribadita dall'
art. 405 cpv. 1 CO
relativo al mandato, il quale dispone che il rapporto si estingue con la morte del mandante, salvo sempre che risulti il contrario dalla convenzione o dalla natura dell'affare.
Nulla predisponendo per il caso di morte la procura con cui Claudio Balassi aveva incaricato il patronato ACLI di rappresentarlo, deve essere esaminato il tema se la natura del rapporto giustificasse o meno la continuazione del mandato dopo il decesso dell'interessato. Orbene il Tribunale federale ha avuto modo di affermare che in una procedura giudiziaria il mandato dura oltre la morte del mandante e sino al termine del procedimento (
DTF 75 II 192
, 50 II 30). La dottrina, pur alludendo al fatto che alcune discipline processuali prevedono la decadenza del mandato in caso di morte del rappresentante, approda alla stessa soluzione ritenuta dal Tribunale federale quando si tratti di applicare la PC (cfr. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3a edizione, pag. 138; GAUTSCHI, Berner Kommentar VI/2, nota 5a ad
art. 405 CO
; STRÄULI/MESSMER,
BGE 110 V 389 S. 392
Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 2a edizione, ad § 37; WALDER-BOHNER, Zivilprozessrecht, 3a edizione, pag. 150).
La Corte non vede motivo di scostarsi in sostanza da questa prassi in sede della presente vertenza, nel senso che essa, in caso di morte del mandante nel corso di un procedimento, considera in mancanza di convenzione al riguardo dover il rapporto di mandato in ossequio al principio dell'affidamento sussistere, ciò per lo meno sino al momento in cui, conosciuti gli eredi, si sia accertato se essi intendano continuare la procedura e, se del caso, si sia designato chi è abilitato a procedere.
3.
Dato quanto procede deve essere concluso che l'ordinanza del giudice delegato, malgrado il decesso dell'insorgente, sarebbe stata da notificare al rappresentante e non già alle parti, cui da questo fatto non può derivare nessun pregiudizio. In queste condizioni il querelato giudizio non può che essere annullato, gli atti essendo da ritornare alla Commissione di ricorso perché provveda all'intimazione di detta ordinanza al rappresentante del defunto ricorrente.
Dispositiv
Per questi motivi, il Tribunale federale delle assicurazioni pronuncia:
Il ricorso di diritto amministrativo è accolto nel senso che, annullato il querelato giudizio, gli atti sono ritornati alla Commissione di ricorso perché proceda conformemente ai considerandi. | null | nan | it | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b05df8a0-8a69-4cf4-9c44-02f834cb4d05 | Urteilskopf
97 IV 99
23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Mai 1971 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft und Generalprokurator des Kantons Bern gegen Marti. | Regeste
Art. 204 Ziff. 3 StGB
.
a) Die Verpflichtung des Richters zur vorgängigen Einziehung eines unzüchtigen Gegenstandes ist in dem in
Art. 204 Ziff. 3 StGB
ausgesprochenen Gebot der Vernichtung bereits enthalten.
b) Der Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" in der Fassung, die in Bern gezeigt wurde, ist unzüchtig. | Sachverhalt
ab Seite 99
BGE 97 IV 99 S. 99
A.-
Marti ist Besitzer des Kinos "Actualis" in Bern. Vom 26. September 1969 bis 27. Januar 1970 zeigte er den amerikanischen Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia". Der Film schildert in vielfältiger Abwandlung die Abenteuer, welche die sich angeblich in gegenseitiger unerfüllbarer Liebe verzehrenden Romeo und Julia mit andern Ge schlechtspartnern erlebten, wobei Sippen und Gesinde in ausgiebiger Weise am ausgelassenen Spiel beteiligt sind. Dieses findet seinen bildlichen Niederschlag in beinahe pausenlos sich aneinanderreihenden, derben und an zum Teil ausgefallenen Handlungsorten abrollenden Intimszenen, die zwischendurch von einer Orgie und einer Darstellung sexueller Abartigkeit unterbrochen werden. Eine entsprechende Geräuschkulisse und ein Kommentator begleiten das Geschehen auf der Szene, bis Romeos und Julias Liebeswünsche schliesslich in der Grab kammer unter dem gemeinsamen Sargdeckel hörbar in Erfüllung gehen.
Der Film wurde am 27. Januar 1970 beschlagnahmt.
BGE 97 IV 99 S. 100
B.-
Auf Strafanzeige hin sprach der Gerichtspräsident VI von Bern Marti am 25. September 1970 von der Anklage der unzüchtigen Veröffentlichungen frei und hob die Beschlagnahme des Films auf.
Dieser Entscheid wurde am 22. Januar 1971 vom Obergericht des Kantons Bern bestätigt.
C.-
Die Schweizerische Bundesanwaltschaft und der Generalprokurator des Kantons Bern führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Einziehung und Vernichtung des Films "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" in Anwendung von
Art. 204 Ziff. 3 und 58 StGB
anordne.
D.-
Marti trägt auf Abweisung der Beschwerde an.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
...
2.
Was den Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" anbelangt, so wird von den Beschwerdeführern einzig dessen Einziehung und Vernichtung gemäss
Art. 204 Ziff. 3 und 58 StGB
verlangt.
a) Nach
Art. 204 Ziff. 3 StGB
hat der Richter unzüchtige Gegenstände, zu denen gemäss Ziff. 1 der genannten Bestimmung unter anderem unzüchtige Filme zählen, in jedem Falle zu vernichten, unbekümmert um die Strafbarkeit einer bestimmten Person (
BGE 77 IV 19
). Da eine solche Massnahme ohne vorgängige Einziehung des unzüchtigen Gegenstandes nicht denkbar wäre, ist die Verpflichtung des Richters zur vorgängigen Einziehung in dem in
Art. 204 Ziff. 3 StGB
ausgesprochenen Gebot der Vernichtung enthalten, ohne dass dafür zusätzlich
Art. 58 Abs. 1 StGB
beigezogen werden müsste.
b) Voraussetzung für die Einziehung und Vernichtung eines Filmes ist nach
Art. 204 Ziff. 3 StGB
der unzüchtige Charakter desselben. Im vorliegenden Falle hat das Obergericht diesen verneint. Zwar stellt auch seiner Meinung nach der Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" ein geschmackloses und ordinäres Machwerk dar, das an die niederen Instinkte des Menschen appelliert. Die Vorinstanz hielt jedoch dafür, dass im Lichte der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtes (
BGE 96 IV 68
), welche die unzweifelhaft eingetretenen Wandlungen
BGE 97 IV 99 S. 101
in den allgemeinen Anschauungen über Moral und Sitte in der Weise berücksichtigte, dass ausser in Fällen offensichtlicher Pornographie in der Anwendung von
Art. 204 StGB
Zurückhaltung zu üben sei, es sich nicht rechtfertige, den primitiven Film als unzüchtig zu bezeichnen, zumal der verantwortliche Beamte für das Lichtspielwesen im Kanton Bern ihn als weniger weitgehend als den im genannten Entscheid des Bundesgerichtes beurteilten schwedischen Film gewertet habe.
In dem von der Vorinstanz angerufenen Entscheid hat der Kassationshof in der Tat festgestellt, dass die zeitbedingten Anschauungen der Allgemeinheit über Moral und Sitte sich in der jüngsten Vergangenheit geändert haben und dass in Sexualfragen eine versachlichte und natürliche Betrachtungsweise Platz gegriffen hat. Dass diesem Wandel in der Einstellung zur Sexualität auch vom Strafrichter Rechnung zu tragen ist, besagt indessen nicht, dass die deswegen gebotene Zurückhaltung in der Beurteilung geschlechtlicher Darstellungen, die nicht eigentlich pornographischer Natur sind, soweit gehen muss, dass in diesem Bereich praktisch überhaupt kein Raum mehr ist für die Anwendung von
Art. 204 StGB
. Das war denn auch nicht der Sinn der zitierten Erwägung des vorgenannten bundesgerichtlichen Urteils. Vielmehr wurde in diesem ausdrücklich festgehalten, dass eine realistische, freie und unbeschönigende Darstellung von Beischlafsszenen mit der vereinzelten Zurschaustellung der nackten Körper der Beteiligten, auch wenn deren Genitalien nicht sichtbar sind, zumindest höchst gewagt erscheine. Wenn im damals beurteilten Fall der unzüchtige Charakter solcher Szenen verneint wurde, so vor allem deswegen, weil einerseits von keinen raffinierten technischen Kunstgriffen oder anderen die Phantasie anregenden Andeutungen Gebrauch gemacht wurde, die Darstellung vielmehr sachlich nüchtern war, und weil sich anderseits aus dem Gesamtzusammenhang des Filmes ergab, dass jenen verhältnismässig kurzen Bilderfolgen auch politische oder gesellschaftskritische Bedeutung zukam. Dadurch wurde der an sich anstössige Charakter jener Szenen derart abgeschwächt, dass eine aufdringlich erotisierende oder sexuell aufreizende Wirkung auf erwachsene Beschauer unterblieb (
BGE 96 IV 71
E. 4).
Im vorliegenden Fall wird eine Shakespeare-Aufführung des Dramas "Romeo und Julia" zum Ausgangspunkt einer praktisch ununterbrochenen Folge von ungehemmten Darstellungen
BGE 97 IV 99 S. 102
geschlechtlicher Vorgänge benutzt. Ausgedehnte Entkleidungsszenen, bei denen die geschlechtlichen Reize der Frau durch Haltung und Bewegung klar herausgestellt werden und die aufdringliche Wirkung des Bildes durch entsprechende Texte sowie die Verwendung bestimmter Gegenstände (z.B. Banane) unterstrichen wird, leiten über zur offenen Darstellung des Geschlechtsaktes, bei welchem die nackten Partner stöhnend und sich wälzend bis zur Erschöpfung gezeigt werden. Als Handlungsort dienen dabei ausser dem Bett u.a. der Küchentisch, der strohbelegte Pferdestall, eine Schenke und schliesslich der Sarg in der Grabkammer. Dabei fällt auch die Wahl der jeweils rasch wechselnden Geschlechtspartner auf; so wenn der ständig seine Liebe zu Julia bekennende Romeo sich hemmungslos mit deren Zofe oder deren Mutter tröstet, diese ihrerseits einen Ordensbruder zu gleichem Tun bemüht und einzig mit einer Maske versehen an einer Massen-Orgie teilnimmt. Oder wenn Julia sich nicht nur Männern, sondern hemmungslos auch der lesbischen Liebe mit ihrer Zofe hingibt und ihrer Leidenschaft überdies in sexueller Abartigkeit Befriedigung verschafft, indem sie sich während ihres nächtlichen Gesprächs mit Romeo, das über die Gasse stattfindet, auf ihrem Balkon in Leidenschaft windet, welches auffällige Gebaren schliesslich in einem unter ihren Rockschössen hervorspringenden Hund seine Erklärung findet. In denselben Rahmen passt auch die Szene zwischen dem sich noch als keusch ausgebenden Mädchen aus dem Gesinde der "Capulet", das sich nach einer vorgetäuschten Auspeitschung als ersten Geschlechtspartner den in seiner Hässlichkeit abstossenden Henker auswählt. Die Orgie in der Schenke schliesslich zeigt neben Beischlafsszenen zu zweit sogenannten Gruppensex. Alles in allem genommen, beherrscht derbe Sexualität die Szene, und ein anderes Motiv ist nicht ersichtlich. Der weder künstlerische noch wissenschaftliche Zwecke verfolgende Film erweist sich als ein geschmackloses Machwerk. Damit unterscheidet er sich wesentlich von dem in
BGE 96 IV 68
beurteilten schwedischen Film. Die in grosser Breite und ungewöhnlicher Fülle gegebenen Darstellungen geschlechtlicher Vorgänge entbehren denn auch jener nüchternen Sachlichkeit, wie sie der Kassationshof im genannten Film festgestellt hat. Zudem wird der einer uneingeschränkten Schaustellung sexueller Belange anhaftende Makel des Anstössigen durch all die genannten Umstände nicht etwa
BGE 97 IV 99 S. 103
abgeschwächt, sondern in solchem Masse verstärkt, dass ganze Bilderfolgen geradezu ins Pornographische absinken und jedenfalls den Film in seiner Gesamtheit zu einem unzüchtigen Gegenstand im Sinne des
Art. 204 Ziff. 3 StGB
machen. Darüber helfen auch die eingeflochtenen Witzeleien des Kommentators nicht hinweg, mit welchen von einer Szene zur andern übergeleitet wird und die ihrem Zwecke entsprechend zumeist zweideutig sind. Dass der Film nach der Meinung der Vorinstanz primitiv ist, ändert am Gesagten ebenfalls nichts. Auch primitive Darstellungen geschlechtlicher Vorgänge können das natürliche Schamgefühl verletzen, wenn sie in derber Weise den Menschen zum geilen und völlig von seinem Geschlechtstrieb beherrschten Wesen erniedrigen und damit beim Beschauer zumindest eine Abscheu und Widerwillen erregende Wirkung erzeugen (vgl.
BGE 96 IV 69
oben mit Verweisungen).
Schliesslich verfängt auch der Hinweis des Beschwerdegegners nicht, dass angeblich gegen 100'000 Personen den Film in Bern gesehen, jedoch nur zwei von ihnen Strafanzeige wegen unzüchtiger Veröffentlichung erstattet hätten. Das Schweigen der Kinobesucher kann verschieden gedeutet werden. Ein Teil von ihnen mag jene Darbietungen gesucht oder an diesen jedenfalls keinen Anstoss genommen haben. Andere werden von der Erstattung einer Strafanzeige abgesehen haben, weil sie die damit verbundenen Unzukömmlichkeiten scheuten oder befürchteten, sich der öffentlichen Kritik auszusetzen. So oder anders ändert das Verhalten des Publikums nichts am genannten Charakter des Films.
Ist aber der Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" nach dem Gesagten unzüchtig, so ist das angefochtene Urteil in diesem Punkte aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie gemäss
Art. 204 Ziff. 3 StGB
verfahre.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 22. Januar 1971 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0612895-2e24-4dc5-9046-595ae533458b | Urteilskopf
95 I 531
77. Auszug aus dem Urteil vom 15. Oktober 1969 i.S. Müller und Rutishauser gegen den Grossen Rat des Kantons Thurgau. | Regeste
Kantonales Finanzreferendum
1. Rechtliche Bedeutung des Budgetbeschlusses (Erw. 3).
2. Unterscheidung zwischen neuen und gebundenen Ausgaben (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 4).
3. Bei wiederkehrenden Verwendungen kann nur im Anschluss an den erstmaligen Budgetbeschluss verlangt werden, die Ausgabe sei der Volksabstimmung zu unterstellen. Denn die Entscheidung des Volkes hat über den entsprechenden Verwaltungsakt selber zu ergehen und nicht über weitere Folgen dieses Verwaltungsaktes, d.h. z.B. die entsprechenden Budgetbeschlüsse späterer Jahre (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 532
BGE 95 I 531 S. 532
A.-
Die Verfassung des Standes Thurgau vom 28. Februar 1869 bestimmt in § 4 in der revidierten Fassung vom 7. April 1964/4. März 1965:
"Der Volksabstimmung unterliegen:
a) ...
b) ...
c) alle Grossratsbeschlüsse, welche eine einmalige Gesamtausgabe von mehr als 800'000 Franken oder eine neue jährlich wiederkehrende Verwendung von mehr als 80'000 Franken zur Folge haben;
d) ..."
§ 36 lit. h überträgt dem Grossen Rat des Kantons den Entscheid über Staatsbauten, über Ankauf, Verkauf und Verpfändung von Staatsgütern, sofern sie den Betrag von 10'000 Franken übersteigen, und lit. k die Befugnis zur Festsetzung des Voranschlages über Einnahmen und Ausgaben des Staates für das folgende Jahr (Budget). Nach § 36 lit. b ist die Aufstellung öffentlicher Beamtungen, die Festsetzung der Besoldungen und die Wahl der Beamten nach den Bestimmungen der Verfassung oder besonderer Gesetze Sache des Grossen Rates. Der Regierungsrat ernennt die Beamten und Angestellten, deren Wahl ihm die Verfassung oder die Gesetze zuweisen (§ 39 Ziff. 7 Abs. 1 KV); ausserdem hat er den Voranschlag zu entwerfen. Dem Regierungsrat ist ferner durch § 2 des Gesetzes über die Gebäudeversicherung vom 12. Juli 1946 die Aufsicht über die Gebäudeversicherungsanstalt des Kantons Thurgau übertragen, die eine staatliche, öffentlich-rechtliche Anstalt gemäss
Art. 59 Abs. 1 ZGB
und § 34 Ziff. 1 des thurgauischen EG zum ZGB ist (§ 1 des Gesetzes).
B.-
Die thurgauische Staatsverwaltung litt seit längerer Zeit unter Raumnot. Verschiedene Amtsstellen konnten im Laufe der Jahre nicht mehr in staatlichen Gebäuden, sondern nur noch in gemieteten Räumlichkeiten untergebracht werden. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau beabsichtigte deshalb schon gegen Ende der Fünfzigerjahre, zur Beschaffung von
BGE 95 I 531 S. 533
Räumlichkeiten in Frauenfeld durch die Gebäudeversicherungsanstalt ein Verwaltungsgebäude an Stelle des von ihr gekauften alten Promenadenschulhauses erstellen zu lassen und darin die nötigen Büroräume zu mieten und damit eine räumliche Konzentration der staatlichen Verwaltung einzuleiten. Er unterrichtete verschiedentlich den Grossen Rat über seine Absichten, so in der Botschaft zum Voranschlag 1960 vom 20. Oktober 1959, und im Zusammenhang mit dem kantonalen Hochbau-Programm 1965-1974. Das Gebäude wurde in der Folge erstellt und war auf 1. Juli 1968 bezugsbereit. Der Staat mietete ungefähr 90% seiner Nutzfläche. Der Mietvertrag wurde jedoch vorderhand nicht schriftlich fixiert, da der Mietzins nur in provisorischer Höhe festgesetzt werden konnte; die definitive Vereinbarung sollte nach Abschluss der Bauabrechnung erfolgen. Für das zweite Halbjahr 1968 war demnach ein erster Halbjahreszins zu entrichten.
Im Voranschlag 1968 waren unter Rubrik 3245 "Liegenschaften und gemietete Räume" folgende Posten aufgenommen:
Voranschlag 1968 Voranschlag 1967 Fr. Fr.
620 Abwarte etc. 110 000 100'000
820 Mietzinse 334'000 113'000
824 Reinigung 41,0 20'000
825 Beleuchtung etc. 160'000 80'000
In der Budgetbotschaft 1968 vom 25. September 1967 wies der Regierungsrat daraufhin, es sei mit einem gewichtigen Mehraufwand bei den Mietzinsen zu rechnen, weil im kommenden Jahr das neue Verwaltungsgebäude "Promenade" bezogen werde, wo die dort untergebrachten Kantonsämter bei der Gebäudeversicherung eingemietet würden. Aus dem Referat des Präsidenten der Budgetkommission anlässlich der Budgetberatung vom 9. Januar 1968 ging hervor, dass für Mietzinsen Fr. 211'000.-- mehr als im Vorjahr budgetiert worden seien, nämlich Fr. 230'000.-- Halbjahreszins für das Promenadengebäude abzüglich Fr. 19'000.--, die zufolge Aufgabe anderer Mieten eingespart werden könnten; die Jahresmiete betrage also Fr. 460'000.--. Dazu kämen Nebenkosten, so dass der Mehraufwand infolge der Einmietung Fr. 580'000.-- ausmache, wogegen Fr. 40'000.-- durch Aufgabe anderer Mieten weniger ausgegeben würden. Die Nettobelastung durch die Einmietung
BGE 95 I 531 S. 534
im Verwaltungsgebäude betrage somit in Zukunft Fr. 620'000.-- an Mieten und Nebenkosten (richtig Fr. 540'000.--). Das Budget wurde in dieser Form genehmigt.
Im Voranschlag 1969 waren für die genannten Aufwendungen folgende Beiträge eingesetzt:
620 Abwarte etc. Fr. 125'000.--
820 Mietzinse Fr. 557'000.--
824 Reinigung Fr. 30'000.--
825 Beleuchtung etc. Fr. 170'000.--
Die starke Erhöhung der Position 820 um Fr. 223'000.-- ergab sich, weil nunmehr ein ganzer Jahreszins für die Einmietung im Verwaltungsgebäude eingestellt werden musste. Anlässlich der Budgetberatung 1969 vom 13. Dezember 1968 wurde ein Antrag Bauhofer, die Mietzinsausgaben für das Verwaltungsgebäude in Höhe von Fr. 460'000.-- der Volksabstimmung zu unterstellen, abgelehnt und das Budget, soweit es die Mietzinse betraf, genehmigt.
C.-
Gegen den Grossratsbeschluss vom 13. Dezember 1968, soweit er die im Rahmen des Voranschlages 1969 genehmigten Ausgaben für Mietzinsen und Nebenkosten der Einmietung im Verwaltungsgebäude der Gebäudeversicherungsanstalt betraf, sowie gegen den Einzelbeschluss, mit dem der Grosse Rat eine Volksabstimmung über die genannten Ausgaben ablehnte, führen die im Kanton Thurgau wohnhaften Rechtsanwälte Georg Müller und Max Rutishauser staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragen, es seien die angefochtenen Beschlüsse des Grossen Rates insgesamt, eventuell teilweise im Sinne der Erwägungen aufzuheben. Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, die streitige Ausgabe aus dem Mietverhältnis stelle eine "neue" und nicht eine "gebundene" Verwendung dar, weshalb sie dem Finanzreferendum zu unterstellen sei. Weil der Grosse Rat das nicht getan habe, verletzten seine Beschlüsse den § 4 lit. c KV. Die nähere Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen.
D.-
Der Grosse Rat schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
und 2. - (Eintretensfragen).
3.
Nach § 4 Abs. 1 lit. c KV unterliegen der Volksabstimmung alle Grossratsbeschlüsse, die eine neue einmalige Gesamtausgabe
BGE 95 I 531 S. 535
von mehr als Fr. 800'000.-- oder eine neue jährlich wiederkehrende Verwendung von mehr als Fr. 80'000.-- zur Folge haben. Der Grosse Rat bestreitet nicht, dass mit der Genehmigung des Budgets 1969 jährlich wiederkehrende Ausgaben für die Miete im Verwaltungsgegäude der Gebäudeversicherungsanstalt ins Budget aufgenommen wurden, die die verfassungsrechtlich vorgesehene Grenze der Ausgabenkompetenz des Grossen Rates überschreiten. Hingegen stellt der Grosse Rat in Abrede, dass die Aufnahme der erwähnten Posten ins Budget einem eigentlichen Ausgaben- bzw. Kreditbeschluss gleichzusetzen sei; vielmehr handle es sich dabei um einen blossen Budgetbeschluss, bei dem es darum gehe, bereits bestehende Verpflichtungen zu erfüllen, über deren Rechtmässigkeit nicht mehr zu befinden sei. Immerhin räumt der Grosse Rat ein, dass auch neue Ausgaben dann und wann nicht auf dem Wege über eine besondere Kreditvorlage beschlossen, sondern im Rahmen eines Budgetbeschlusses bewilligt würden. Im vorliegenden Falle handle es sich aber deshalb um einen reinen Budgetbeschluss, weil zum Abschluss des Mietvertrages einzig der Regierungsrat zuständig und die Ausgabe lediglich eine Folge jenes Vertragsschlusses gewesen sei.
Dass der Regierungsrat zum Abschluss des Mietvertrages mit der Gebäudeversicherungsanstalt zuständig war, lässt sich nicht bestreiten. Der Regierung als oberster Verwaltungsbehörde steht es mangels anderslautender Verfassungs- oder Gesetzesvorschrift zu, für die Bereitstellung der für die staatliche Verwaltung benötigten Räumlichkeiten zu sorgen. Dazu gehört unter Umständen auch der Abschluss von Mietverträgen mit Dritten, sofern sich der Bau eigener Gebäulichkeiten als unerwünscht erweist. Aus dieser Zuständigkeit folgt indessen nicht, dass die Aufnahme der Mietkosten in das Budget einen blossen Budgetbeschluss darstellt, dem lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt und der mithin nicht als Ausgabenbeschluss im Sinne von § 4 Abs. 1 lit. c KV zu gelten hat.
Zwar enthält das Budget in erster Linie eine blosse übersichtliche Darstellung der Einnahmen und Ausgaben, die für die massgebende Periode zu erwarten sind (vgl.
BGE 72 I 280
). So zählt es denn auch diejenigen Ausgaben auf, die schon auf Grund von Gesetzen oder andern vorausgegangenen Beschlüssen zu tätigen sein werden. Daneben kann das Budget aber auch andere Elemente enthalten. Wohl wird in der schweizerischen Finanzpraxis über neue Ausgaben von grösserer Bedeutung
BGE 95 I 531 S. 536
in der Regel durch einen besonderen Beschluss entschieden (NAWIASKY, Rechtliche Bedeutung und rechtliche Wirkung des Voranschlages, in "Voranschlag und Rechnung der öffentlichen Gemeinwesen", Veröffentlichungen der Handelshochschule St. Gallen, S. 84). Doch wird mitunter über die Ausgabe auch gleichzeitig mit dem Budgetbeschluss und ohne besondere Vorlage entschieden (NAWIASKY, a.a.O. S. 88; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 156, insbesondere Anm. 60; LAUR, Das Finanzreferendum im Kanton Zürich, Diss. 1966, S. 220 f.;
BGE 77 I 114
). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Der Grosse Rat hat über die Mieten für die Einmietung im neuen Verwaltungsgebäude unbestrittenermassen keinen Beschluss gefasst, der ausserhalb der Abstimmung über das Budget stand. Der Aufnahme der genannten Mietzinsen ins Budget käme deshalb nur dann lediglich deklaratorische Bedeutung zu, wenn die Zuständigkeit zum Beschluss über eine solche Ausgabe bei einer andern Behörde läge und diese darüber vor der Budgetberatung entschieden hätte. Als derartige Behörde käme nach den Umständen einzig der Regierungsrat in Frage. Wie indessen § 29 KV zu entnehmen ist, verfügt der Regierungsrat über keine allgemeine Ausgabenkompetenz. Er ist nur in unvorhergesehenen Fällen befugt, über Ausgaben bis zu Fr. 10'000.-- zu befinden (§ 29 Abs. 3 KV). Daraus ergibt sich, dass es der Grosse Rat war, der die entsprechende Ausgabe zusammen mit der Budgetabstimmung auch materiell bewilligt hat. Im Bericht zum Voranschlag 1968 stellte der Präsident der Budgetkommission denn auch folgerichtig den Antrag, es seien die im Budget enthaltenen Kredite für den Bezug des neuen Verwaltungsgebäudes zu bewilligen. Der Beschluss des Grossen Rates, die geforderten Mietzinsen ins Budget aufzunehmen, stellt somit - wenigstens soweit es die erstmalige Bewilligung angeht - einen echten Ausgabenbeschluss im Sinne von § 4 Abs. 1 lit. c KV dar. Als solcher unterliegt er der Volksabstimmung, wenn damit eine neue, jährlich wiederkehrende Verwendung beschlossen wurde.
4.
Einmalige Ausgaben bezeichnet § 4 Abs. 1 lit. c KV als "Gesamtausgaben", wiederkehrende als "Verwendungen" Es wird von keiner Seite geltend gemacht, zwischen den beiden Ausdrücken bestehe ein sachlicher Unterschied. Auch unter den Verwendungen sind somit "Ausgaben" zu verstehen. Bei der
BGE 95 I 531 S. 537
Zahlung von Miete und Nebenkosten handelt es sich zudem um echte Ausgaben und nicht etwa um sog. Anlagen, da sich ihr Gegenwert nicht in einem dauernden Bestandteil des Staatsvermögens niederschlägt (vgl.
BGE 93 I 318
f. Erw. 5). Schliesslich herrscht Einigkeit darüber, dass der Grosse Rat Ausgaben beschloss, die jährlich wiederkehren werden.
Umstritten ist einzig, ob es sich dabei um neue Ausgaben handelt. Was darunter zu verstehen ist, muss in erster Linie durch Auslegung des kantonalen Verfassungsrechts ermittelt werden. Weder aus dem weiteren Inhalt der Verfassung noch aus anderen Quellen ist aber für die Auslegung des Begriffs der "Neuheit" in einem besondern, vom thurgauischen Verfassungsgesetzgeber verstandenen Sinn etwas zu gewinnen. Übrigens haben die Parteien auch nicht behauptet, jenem Begriff komme ein besonderer, nur für den Kanton Thurgau geltender Sinn zu. Es ist daher mit geziemender Vorsicht heranzuziehen, was für das Recht anderer Gemeinwesen, die das Ausgabenreferendum kennen, gelehrt und entschieden wurde (vgl.
BGE 93 I 625
). Danach steht die neue Ausgabe im Gegensatz zur gebundenen Ausgabe, welche beiden Begriffe sich gegenseitig ausschliessen. Der Sinn des Begriffs der Neuheit ist aus dem verfassungspolitischen Zweck des Ausgabenreferendums zu gewinnen. Dieser liegt einmal darin, dem Bürger ein Mitspracherecht zu gewährleisten bei Ausgaben, deren Grösse seine Belastung als Steuerzahler mitbestimmt (
BGE 95 I 218
); ausserdem soll der Stimmberechtigte über die Art und Weise der Erfüllung wichtiger Verwaltungsaufgaben befinden dürfen (LAUR, a.a.O. S. 33 und die dort angeführten Lehrmeinungen). Das Ausgabenreferendum will somit dem Volk ein Mitspracherecht bei der Bewilligung von erheblichen Ausgaben sichern, wenn der Verwaltung nach der Rechtslage und den Umständen eine verhältnismässig grosse Handlungsfreiheit zusteht, und nicht nur dann, wenn sie eine Ausgabe beschliesst, die ausserhalb der gesetzlichen Aufgaben liegt (
BGE 95 I 218
). Darf aber angenommen werden, das Volk habe mit einem vorausgehenden Grunderlass auch die aus ihm folgende Ausgabe bereits gebilligt, ist diese eine gebundene und untersteht sie nicht dem Ausgabenreferendum. Es wäre nicht sinnvoll, das Volk über die gleiche Ausgabe, über die es bereits mit dem Grunderlass befunden hat, noch einmal zu befragen. Gebunden ist also jede Ausgabe für ein Mittel, das beim Entscheid über den Grunderlass
BGE 95 I 531 S. 538
voraussehbar war. Ferner kann eine Ausgabe einer gebundenen gleichgestellt werden, wenn es offensichtlich gleichgültig ist, welche Mittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass übernommenen Aufgabe gewählt werden. Diese Voraussetzung trifft dann nicht zu, wenn zwischen verschiedenen Mitteln wesentliche Unterschiede bestehen, z.B. hinsichtlich der Kosten oder der Auswirkungen (
BGE 95 I 218
/9).
Im Lichte dieser Begriffsumschreibung sind die Aufwendungen für die Mieten und Nebenkosten, die an die Gebäudeversicherungsanstalt bezahlt werden müssen, neue Ausgaben im Sinne von § 4 KV. Der Grosse Rat, der sie für gebunden hält, begründet seine Auffassung damit, der Regierungsrat sei verpflichtet, die für die Erfüllung der staatlichen Aufgaben nötigen Arbeitskräfte zu gewinnen und ihnen Arbeitsräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die daraus entstehenden Kosten seien die notwendige Folge dieser Ausgabe und deshalb durch den Grunderlass gedeckt. In der Tat hat GIACOMETTI (Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden zum Abschluss von langfristigen Mietverträgen für Verwaltungszwecke, ZBl 59/1958 S. 97 ff.) die Ansicht vertreten, dass Ausgaben, die für das Unterbringen des staatlichen Personals notwendig seien, als gebunden betrachtet werden müssten. Er fand indessen keine Zustimmung (GEIGER, Elektronische Datenverarbeitungsanlage und Finanzreferendum, ZBl 68/1967 S. 206 f.; KELLER, Probleme des zürcherischen Gemeinderechts, ZBl 69/1968 S. 206 f.; RÖTHELI, in Festgabe Max Obrecht, S. 76). Die erwähnte Auffassung hätte zur Folge, dass alle Ausgabenbeschlüsse dem Referendum entzogen blieben, die sich noch irgendwie im Vollzug von verfassungsmässig oder gesetzlich geregelten öffentlichen Aufgaben als nötig erwiesen. Eine derartige Einschränkung des Finanzreferendums entspräche wohl in keinem Falle dem Willen des Verfassungsgesetzgebers. Nur wenn der Grunderlass Art und Weise der Durchführung der Aufgabe so bestimmte, dass keine wesentliche Wahlfreiheit mehr bestünde, könnte von einer gebundenen Ausgabe gesprochen werden. Mit dem Entscheid darüber, dass eine staatliche Verwaltung aufzubauen sei, ist jedoch nicht gesagt, auf welche Weise die für die staatlichen Beamten benötigten Räumlichkeiten beschafft werden. In der Regel stellt das Gemeinwesen die erforderlichen Räume durch Bau eigener Gebäude bereit. Dass in diesem Falle
BGE 95 I 531 S. 539
die Aufwendungen dem Finanzreferendum unterstehen, sofern sie die in der Verfassung gezogene Grenze überschreiten, gibt der Grosse Rat ausdrücklich zu. § 36 KV behält denn auch sowohl für den Entscheid über Staatsbauten (lit. h) als auch für die Genehmigung des Voranschlages (lit. k) die Volksrechte ausdrücklich vor. Ob nun die benötigten Räumlichkeiten durch den Bau von eigenen Verwaltungsgebäuden oder, wie im vorliegenden Fall, auf dem Weg der Einmietung in Gebäude, die Dritten gehören, geschaffen werden sollen, ist mit der Übertragung der Zuständigkeit zur Beschaffung des nötigen Raumes an den Regierungsrat nicht gesagt. Es ist dafür vielmehr eine Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten eröffnet, die unter Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Beschaffungsarten zu erfolgen hat. Die Entscheidung, ob der Staat selber durch Eigenbauten für die Deckung des Raumbedarfes sorgen oder sich mit blosser Miete begnügen solle, ist von grundlegender Tragweite, wenn es sich um die Befriedigung bedeutender und kostspielieger Bedürfnisse handelt. Die Stimmbürger haben dadurch, dass sie mit der Einrichtung einer kantonalen Verwaltung einverstanden waren, zu diesem Entscheid nicht Stellung nehmen können. Er ist somit nicht schon durch den Grunderlass gedeckt und darf dem Stimmbürger nicht entzogen werden, wenn die zu erwartenden Ausgaben die verfassungsmässig vorgesehenen Grenzen überschreiten. In diesem Sinne ist die umstrittene Ausgabe neu.
Der Grosse Rat wendet ein, es sei anerkannte thurgauische Praxis, Aufwendungen für die Miete von Räumlichkeiten nicht dem Finanzreferendum zu unterstellen. Schon 1958, als die eigene Finanzkompetenz des Grossen Rates für wiederkehrende Ausgaben bloss Fr. 20'000.-- betrug, seien für Mietzinse über Fr. 25'000.-- ausgegeben worden. In der Tat wurde im Kanton Thurgau schon früher die Auffassung vertreten, das Finanzreferendum spiele im wesentlichen nur noch beim Bau staatlicher Gebäude eine Rolle (vgl. ESCHER, Das Finanzreferendum in den Schweizerischen Kantonen, Diss. 1943 S. 119 Anm. 1). Eine solche, von der dargelegten Auffassung der neuen und gebundenen Ausgaben abweichende Auslegung wäre beachtlich (
BGE 95 I 219
Erw. 3, 529). Es fehlt aber an einem überzeugenden Nachweis, dass die thurgauische Verfassungspraxis derartige Ausgaben bisher tatsächlich als gebunden behandelt hat. Insbesondere hat der Grosse Rat nicht dargetan, dass zufolge
BGE 95 I 531 S. 540
eines einzigen neuen Mietverhältnisses eine einmalige neue Ausgabe gemacht worden ist, die die Zuständigkeit des kantonalen Parlamentes überstieg. Es ist nämlich möglich, dass die genannte Summe sich nach und nach aus Mietverhältnissen ergeben hat, von denen für keines allein die Finanzkompetenz des Grossen Rates überschritten wurde.
5.
a) Zwar sind die Aufwendungen für Miete neuer Verwaltungsräumlichkeiten nach dem Gesagten eine neue Ausgabe und sie wären deshalb, als sie für das Jahr 1968 erstmals beschlossen wurden, der Volksabstimmung zu unterstellen gewesen. Indessen hätten die Beschwerdeführer damals die Volksabstimmung, die unbestrittenermassen nicht stattfand, mit staatsrechtlicher Beschwerde erzwingen können. Wenn sie das nicht getan haben, können sie es im Anschluss an die Beschlüsse für 1969 nicht mehr nachholen.
Das Ausgabenreferendum soll dem Bürger ermöglichen, über Aufwendungen für einen neuen Zweck zu entscheiden. Geht es dabei wie hier um wiederkehrende Aufwendungen, so hat die Entscheidung des Volkes über den entsprechenden Verwaltungsakt selber zu ergehen und nicht über weitere Folgen dieses Verwaltungsakts. Es würde zu Rechtsunsicherheit und häufig auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, wenn die Volksabstimmung über den Ausgabenbeschluss noch in einem späteren Zeitpunkt verlangt werden könnte. Daraus, dass der (erstmalige) Verzicht auf die Abstimmung von niemandem angefochten wurde, obschon die Möglichkeit dazu bestand, darf eben geschlossen werden, die Stimmbürger seien mit der Ausgabe und dem sie allenfalls begründenden Verwaltungsakt einverstanden.
Der Verwaltungsakt, an dem die Stimmbürger über den Weg des Ausgabenreferendums hätten mitwirken können, war im vorliegenden Falle die Einmietung der kantonalen Verwaltung im Verwaltungsgebäude der Gebäudeversicherungsanstalt. Darüber wurde aber erstmals mit dem Beschluss für das Budget 1968 entschieden. Schon damals überstiegen die neuen geplanten Aufwendungen die Finanzkompetenz des Grossen Rates erheblich. Als der entsprechende Kredit in das Budget 1969 aufgenommen wurde, handelte es sich somit um keinen Beschluss über eine neue wiederkehrende "Verwendung" mehr, sondern um die Fortführung einer bereits vom Kanton übernommenen Belastung. Insofern betraf lediglich der Beschluss für 1968 eine neue Ausgabe.
BGE 95 I 531 S. 541
b) Was die Beschwerdeführer gegen diese Ansicht vorbringen, hält näherer Prüfung nicht stand. Sie wenden einmal ein, der erstmalige Beschluss, die Mietzinse und Nebenkosten für ein halbes Jahr ins Budget aufzunehmen, habe lediglich provisorischen Charakter gehabt. Der Bürger habe deshalb einen endgültigen Entscheid abwarten dürfen, bis er dagegen ein Rechtsmittel ergriff. Provisorisch war indessen nicht das Vertragsverhältnis über die Miete von Verwaltungsräumlichkeiten, sondern lediglich die Höhe des vom Kanton zu entrichtenden Mietzinses. Dieser war nach Vertrag in Prozenten der Baukosten zu berechnen, und die Höhe der Baukosten stand damals noch nicht fest.
Bei dem pro 1968 bewilligten Kredit handelte es sich auch nicht um einen Teilkredit. Der Begriff des Teilkredites steht im Gegensatz zu demjenigen des Gesamtkredites und spielt als solcher nur bei den einmaligen Ausgaben eine Rolle (
BGE 77 I 114
). Mit dem Budgetbeschluss 1968 wurde aber nicht eine einmalige, sondern eine neue wiederkehrende Ausgabe bewilligt. Aus dem gleichen Grunde kann der Beschluss für die Mietzinsen für das Jahr 1969 auch nicht als Wiedererwägungsbeschluss desjenigen für das Jahr 1968 aufgefasst werden. Wie ausgeführt, handelt es sich dabei vielmehr um eine Folge aus dem ersten Beschluss.
c) Die Beschwerde erweist sich daher insofern als verspätet, als bereits die Ausgabenbewilligung im Budgetbeschluss für 1968 hätte angefochten werden sollen. Die Beschwerdeführer waren dazu in der Lage. Aus dem Voranschlag für 1968 ging klar hervor, dass erstmalig wiederkehrende Aufwendungen für die Einmietung in das Verwaltungsgebäude der Gebäudeversicherungsanstalt beschlossen werden sollten, und das Gleiche ergab sich auch aus den öffentlichen Verhandlungen des Grossen Rates. Dessen Beschlüsse und Erwägungen werden überdies in der Regel durch die Presseberichterstattung über die Verhandlungen dem Bürger hinreichend klar dargestellt. Der Stimmberechtigte kann sich deshalb Rechenschaft darüber geben, ob mit einer Verfassungsverletzung gerechnet werden muss. Es ist ihm dann auch zuzumuten, die näheren Unterlagen selber zu beschaffen.
d) Die Beschwerdeführer fechten nun allerdings den Budgetbeschluss für 1969 eventuell nur deswegen an, weil gegenüber dem Beschluss für 1968 die umstrittenen Mietzinsen noch einmal in einem Masse erhöht wurden, das die Finanzkompetenz
BGE 95 I 531 S. 542
des Grossen Rates überstieg. Nach Ansicht der Beschwerdeführer verbietet es keine Verfassungsbestimmung, auch eine derartige nachträgliche Erhöhung noch im betreffenden Jahr zu beanstanden und zu verlangen, dass sie dem Volke zur Abstimmung unterbreitet werde. Zwar besteht eine solche ausdrückliche Verfassungsbestimmung nicht, doch folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass die Erhöhung der Budgetsumme für eine bereits übernommene Verpflichtung, die in der gleichen Art und Weise weitergeführt wird, keinen Beschluss über neue Ausgaben darstellt. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Erhöhung einer nunmehr gebundenen Ausgabe, deren Ausmass überdies vorauszusehen war.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b0672985-31b3-4a8a-b272-f7b48c646258 | Urteilskopf
136 V 216
26. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. L. gegen IV-Stelle des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_972/2009 vom 27. Mai 2010 | Regeste
Art. 31 IVG
;
Art. 17 Abs. 1 ATSG
; Rentenrevision.
Die in
Art. 31 IVG
("Herabsetzung oder Aufhebung der Rente") im Rahmen der rentenrevisionsrechtlichen Überprüfung vorgesehenen Einkommensfreibeträge finden nur Anwendung, wenn die Rentenbezügerin oder der Rentenbezüger neu ein tatsächliches Invalideneinkommen erzielt bzw. ein höheres Erwerbseinkommen generiert, nicht aber für den Fall, dass ein rein hypothetischer Verdienst angerechnet wird (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 216
BGE 136 V 216 S. 216
A.
A.a
Die 1959 geborene L. meldete sich am 25. Februar 2003 unter Hinweis auf seit einem Unfall vom 5. Dezember 2001 bestehende Kniebeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) klärte die Verhältnisse in beruflich-erwerblicher und medizinischer Hinsicht ab, wobei sie insbesondere Berichte des Hausarztes Dr. med. B., Facharzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 18. März und 8. Oktober 2003 sowie des Kreisarztes der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Dr. med. O., Orthopädische Chirurgie FMH, vom 16. Mai 2003 einholte und die Erstellung eines Gutachtens bei Dr. med. F., Oberarzt, Fachstelle für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, veranlasste, welches am 2. Juli 2003 ausgefertigt wurde. Gestützt darauf sprach sie L. mit Verfügungen vom 20. August/5. November 2004 rückwirkend ab 1. Januar 2003 eine ganze Invalidenrente zu.
BGE 136 V 216 S. 217
A.b
Anlässlich eines im April 2007 angehobenen Revisionsverfahrens zog die Verwaltung einen Verlaufsbericht des Dr. med. B. vom 11. Mai 2007 bei, liess die Versicherte psychiatrisch sowie rheumatologisch begutachten (Expertisen des Dr. med. E., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 31. Januar 2008 und des Dr. med. H., Innere Medizin Rheumatologie FMH, vom 9. Juni 2008) und forderte eine Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) an, welche am 11. Juli 2008 erstattet wurde. Auf dieser Basis ging sie neu von einer Arbeitsfähigkeit im Rahmen einer leidensadaptierten Tätigkeit von 60 % aus, ermittelte einen Invaliditätsgrad von 40 % und setzte die bisherige ganze Rente auf den zweiten der Verfügungszustellung folgenden Monat auf eine Viertelsrente herab (Vorbescheid vom 30. Juli 2008, Verfügung vom 29. September 2008).
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 21. Oktober 2009 ab.
C.
L. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihr weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
Zu beurteilen ist somit, ob
Art. 31 IVG
revisionsrechtlich nur zur Anwendung gelangt, wenn die rentenberechtigte Person neu ein tatsächliches Erwerbseinkommen erzielt bzw. ein höheres Erwerbseinkommen generiert oder auch für den Fall, dass ihr ein rein hypothetisches Invalideneinkommen angerechnet wird.
5.1
Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der
BGE 136 V 216 S. 218
Norm zu erkennen. Namentlich bei neueren Texten kommt den Materialien - bei noch kaum veränderten Umständen oder gewandeltem Rechtsverständnis - eine besondere Stellung zu. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (
BGE 135 II 78
E. 2.2 S. 81;
BGE 135 V 153
E. 4.1 S. 157,
BGE 135 V 249
E. 4.1 S. 252;
BGE 134 I 184
E. 5.1 S. 193;
BGE 134 II 249
E. 2.3 S. 252).
5.2
Der am 1. Januar 2008 im Rahmen der 5. IV-Revision in Kraft getretene
Art. 31 Abs. 1 IVG
sieht in der deutschsprachigen Fassung vor, dass eine Invalidenrente nur dann im Sinne von
Art. 17 Abs. 1 ATSG
(SR 830.1) revidiert wird, wenn die rentenberechtigte Person neu ein Erwerbseinkommen erzielen oder ein bestehendes Erwerbseinkommen erhöhen kann (und die Einkommensverbesserung dabei jährlich mehr als Fr. 1'500.-beträgt). Der italienische Gesetzestext spricht gleichenorts in Bezug auf die hier relevante Passage von "Se un assicurato che ha diritto a una rendita consegue un nuovo reddito lavorativo o se il suo reddito lavorativo attuale aumenta, ...", während die französische Version wie folgt lautet: "Si un assuré ayant droit à une rente perçoit un nouveau revenu ou que son revenu existant augmente, ...". Der deutschsprachige Text erscheint mithin in seinem Aussagegehalt insofern nicht ganz klar, als er bezogen auf das Erwerbseinkommen die Formulierung "erzielen" oder "erhöhen"
kann
enthält und damit - entgegen der Betrachtungsweise des BSV - nicht nur den real erzielten sondern grundsätzlich auch den hypothetischen Verdienst beinhaltet, welchen die versicherte Person auf Grund ihres verbesserten Gesundheitszustandes nunmehr zumutbarerweise zu erzielen vermöchte. Demgegenüber fehlt in der italienisch- und französischsprachigen Fassung das Wort "können"; es ist einzig von "consegue" und "aumenta" bzw. "perçoit" und "augmente" die Rede. Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung lässt demnach namentlich in seiner deutschsprachige Version zwar auch die Möglichkeit einer Anwendung bei nur hypothetisch angerechnetem Invalideneinkommen zu, doch deuten die in ihrer Ausgestaltung eindeutigen italienisch- und französischsprachigen Texte auf die vom BSV vertretene Auffassung hin.
5.3
5.3.1
Was das historische Auslegungselement anbelangt, kommt diesem im vorliegenden Kontext, da
Art. 31 IVG
erst mit der 5. IV-Revision auf 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, erhöhter Stellenwert
BGE 136 V 216 S. 219
zu und ist gleichzusetzen mit einer geltungszeitlichen Herangehensweise (vgl. E. 5.1 hievor; zur Begrifflichkeit der massgeblichen Materialien:
BGE 134 V 170
E. 4.1 S. 174 mit Hinweisen). Diesbezüglich ist der Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (5. Revision; BBl 2005 4459 ff.,
BGE 134 V 4539
Ziff. 1.6.2.2) unter dem Titel "Vermeidung von Einkommenseinbussen bei erhöhter Erwerbstätigkeit" Folgendes zu entnehmen: "Wenn Bezügerinnen und Bezüger von IV-Renten sich anstrengen, ihre Resterwerbsfähigkeit möglichst gut auszunützen, und dadurch ihren Invaliditätsgrad so stark verringern, dass ihre Rente herabgesetzt oder sogar aufgehoben wird, werden sie beim heutigen System für diesen persönlichen Einsatz in bestimmten Fällen 'bestraft', indem das wegfallende Renteneinkommen grösser ist als die Zunahme des Erwerbseinkommens und somit das Gesamteinkommen trotz der vermehrten Erwerbstätigkeit tiefer ausfällt als vorher. In der Praxis verzichten deshalb Bezügerinnen und Bezüger von IV-Renten immer wieder darauf, ihre erweiterten Erwerbsmöglichkeiten vollständig auszunutzen. Dieser falsche Anreiz soll behoben werden. Eine Verbesserung des Erwerbseinkommens soll nicht mehr ohne Weiteres zu Verschlechterungen des Gesamteinkommens führen. Wie bei den Ergänzungsleistungen wird für die Rentenrevision nur ein Bruchteil des zusätzlich erzielten Einkommens berücksichtigt. Ähnliche Anreizsysteme zur Erwerbsaufnahme oder zur Verbesserung eines bestehenden Erwerbseinkommens werden heute teilweise bereits in der Sozialhilfe praktiziert. Bei Bezügerinnen und Bezügern von Ergänzungsleistungen führt eine Einkommensverbesserung zwar zu einer Reduktion der Ergänzungsleistungen. Da aber das Erwerbseinkommen eben nicht voll angerechnet wird (Art. 3c Abs. 1 lit. a [a]ELG [seit 1. Januar 2008:
Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG
(SR 831. 30)]), kann eine bessere Nutzung der Erwerbsfähigkeit trotzdem zu einer Verbesserung des Gesamteinkommens führen. Auch unter Berücksichtigung der neuen Dreiviertelsrenten wurden im Jahr 2004 nur rund 600 Renten herabgesetzt. Insgesamt sind die finanziellen Auswirkungen durch eine grosszügigere Anrechnung von zusätzlichen Erwerbseinkommen bei der Revision von Invalidenrenten deshalb unbedeutend." Ferner hielt der Bundesrat im Rahmen der Erläuterung der einzelnen Artikel zu
Art. 31 IVG
fest (BBl 2005 4569 [und 4613]): "Mit der vorgeschlagenen Regelung werden Rentenbezügerinnen und -bezüger, die ihre Resterwerbsfähigkeit bestmöglich ausnützen, nicht mehr durch überproportionale Verluste von
BGE 136 V 216 S. 220
Leistungen bestraft. Einkommensverbesserungen, welche den Invaliditätsgrad beeinflussen, führen zwar wie heute auch schon zu einer Herabsetzung oder dem Verlust der IV-Renten. Allerdings sollen solche Verbesserungen nicht sofort wirksam werden. Zu diesem Zweck wird auf die Regelung bei den Ergänzungsleistungen [Einkommensfreibetrag von jährlich Fr. 1'500.-; vom Betrag, der Fr. 1'500.- übersteigt, sollen nur zwei Drittel für die Neufestsetzung des Invaliditätsgrades berücksichtigt werden] zurückgegriffen". Dem wurde in den parlamentarischen Beratungen nicht opponiert (vgl. AB 2006 N 381 in fine f.; AB 2006 S 608; Protokoll der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 11.-13. Januar 2006, S. 76; Protokoll der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 29. und 30. Mai 2006, S. 46 ff.).
5.3.2
5.3.2.1
Obgleich der Bundesrat in seinen Erläuterungen insbesondere bezüglich der erhöhten Erwerbstätigkeit auf eine Unterscheidung zwischen dadurch real erzieltem oder hypothetisch zugemutetem Erwerbseinkommen verzichtet, geht daraus doch deutlich hervor, dass die neue Regelung darauf abzielt, den bisherigen "falschen" Anreiz des Verzichts auf eine vollständige Ausnutzung der Erwerbsmöglichkeiten infolge einer durch die Kürzung oder den Wegfall der Rente drohenden finanziellen Schlechterstellung bzw. der jedenfalls nicht eintretenden Besserstellung zu verhindern. Im Zentrum der Neuerung stand der Gedanke, die erhöhte Anstrengung im Sinne des persönlichen Einsatzes der Rentenbezügerin oder des -bezügers, die ihnen verbliebene Restarbeitsfähigkeit möglichst optimal zu verwerten, nicht durch eine damit einhergehende Reduktion der Rentenleistungen gleichsam zu "bestrafen". Vor dem Hintergrund der bundesrätlichen Ausführungen ist mit dem BSV in dessen Vernehmlassung vom 7. April 2010 davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung von
Art. 31 IVG
und den darin im Rahmen von revisionsrechtlichen Neuüberprüfungen von Renten vorgesehenen Einkommensfreigrenzen die (Re-)Integration der versicherten Personen in den realen Arbeitsmarkt in dem Sinne nicht mehr "sanktionieren", sondern fördern - und dergestalt ein "neues" Anreizsystem schaffen - wollte, als die Betroffenen in bestimmten Konstellationen nicht länger mit der sofortigen Kürzung der Rente zu rechnen haben. Gelangte diese Vorgehensweise auch in Revisionsfällen zur Anwendung, in welchem der Rentenbezügerin oder dem -bezüger ein bloss hypothetisches Invalideneinkommen auf der Basis der grundsätzlich
BGE 136 V 216 S. 221
noch zumutbaren Leistungsfähigkeit angerechnet wird, spielte der derart bezweckte Anreiz gerade nicht. Die betroffene Person könnte diesfalls, obwohl sie ihre Restarbeitsfähigkeit nicht verwertet, ebenfalls von den Einkommensfreibeträgen profitieren und dadurch allenfalls weiterhin eine gemessen an ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen überhöhte Invalidenrente beziehen; dies dürfte dem Anstoss, eine Erwerbsmöglichkeit zu suchen oder zu erweitern, erfahrungsgemäss erst recht nicht dienlich sein.
5.3.2.2
Im Sinne eines legislatorischen Ausblicks gilt es das Augenmerk auch auf die aktuell im Gange befindliche 6. IV-Revision zu richten, anlässlich derer der Bundesrat im Rahmen eines ersten Massnahmenpaketes u.a. die Streichung des Abs. 2 von
Art. 31 IVG
sowie die Einführung einer Übergangsleistung bei Arbeitsunfähigkeit vorschlägt (vgl. Botschaft vom 24. Februar 2010 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, BBl 2010 1817 ff., insb. 1896 ff. und 1941 ff., insb. 1946). Für den hier zu beurteilenden Kontext massgeblich sind dabei die bundesrätlichen Erläuterungen (vgl. BBl 2010 1896), wonach
Art. 31 IVG
eingeführt worden sei, um Rentenbezügerinnen und -bezüger, die ihr Erwerbseinkommen erhöhten, nicht mehr durch überproportionale Verluste von Leistungen zu bestrafen. In Anlehnung an die Regelung bei den Ergänzungsleistungen (
Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG
) sei in
Art. 31 IVG
ein Mechanismus verankert worden, nach welchem Einkommensverbesserungen nicht bzw. nicht sogleich zu einer Rentenrevision führten. Für die Rentenbezügerinnen und -bezüger entstehe damit tatsächlich ein gewisser positiver finanzieller Anreiz, da für die Invaliditätsbemessung nur ein Teil des zusätzlichen Einkommens angerechnet werde und sie dadurch die Rente trotz gesteigerten Erwerbseinkommens oft behalten könnten. Im Folgenden ortet der Bundesrat indes namentlich mit Blick auf Abs. 2 der Bestimmung umsetzungstechnische Probleme und die Gefahr von damit bewirkten Ungleichbehandlungen, da der solcherart ermittelte Invaliditätsgrad nicht dem effektiven Invaliditätsgrad (Erwerbsunfähigkeit nach
Art. 7 ATSG
) entspreche.
Art. 31 Abs. 1 IVG
, welcher vor allem bei tiefen Einkommen einen minimalen finanziellen Anreiz biete, wird demgegenüber als in der Umsetzung unproblematisch - und deshalb beizubehalten - bewertet. Der nach dem bundesrätlichen Entwurf neu zu schaffende
Art. 32 Abs. 1 lit. c IVG
sieht sodann vor, dass eine versicherte Person Anspruch auf eine Übergangsleistung in Form einer Rente haben soll, wenn sie vor Herabsetzung oder Aufhebung
BGE 136 V 216 S. 222
der Rente an Massnahmen zur Wiedereingliederung nach dem ebenfalls neu einzuführenden
Art. 8a IVG
teilgenommen hat oder die Rente wegen der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit oder der Erhöhung des Beschäftigungsgrades herabgesetzt oder aufgehoben wurde. Insbesondere der zweite Teilsatz dieser Formulierung zielt, worauf das BSV letztinstanzlich zutreffend hinweist, auf denselben Adressatenkreis ab wie
Art. 31 IVG
, verdeutlicht nun jedoch das Erfordernis des durch erneute Aufnahme bzw. Erweiterung einer erwerblichen Beschäftigung realiter erzielten Einkommens.
Auch aus einer rein entstehungsgeschichtlichen Optik ist der vom BSV vertretenen rechtlichen Auffassung somit der Vorzug zu geben.
5.4
In Bezug auf Sinn und Zweck der neuen Norm - und damit das teleologische Element des Auslegungsprozesses - kann weitgehend auf das in E. 5.3 hievor Gesagte verwiesen werden. Mit der Einführung des
Art. 31 IVG
wurde darauf abgezielt, das bisherige, einer Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. einer Erweiterung des Arbeitspensums eher hinderliche System der unmittelbaren Kürzung der Rentenleistungen insofern zu mildern, als neu innerhalb bestimmter Einkommensfreigrenzen auf eine sofortige revisionsrechtliche Herabsetzung der Rente verzichtet wird. Es soll damit die möglichst zügige (Re-)Integration der rentenbeziehenden Person in den Arbeitsmarkt gefördert werden. Wie vorstehend bereits einlässlich erwogen wurde, ist dieses Ziel mit der Anwendung der neuen Revisionsbestimmung auch auf Fälle, in welchen die betroffene Person die ihr verbliebene Restarbeitsfähigkeit nicht erwerblich verwertet, sondern der lediglich ein hypothetisches, auf der Basis des ihr grundsätzlich zumutbaren Leistungsvermögens erzielbares Invalideneinkommen angerechnet wird, gerade nicht zu erreichen.
5.5
Unter dem Gesichtspunkt einer systematischen Auslegung gilt es namentlich, das Verhältnis des
Art. 31 IVG
zu
Art. 11 Abs. 1 lit. a ELG
zu berücksichtigen, welch letzterer Bestimmung die revisionsrechtliche IV-Norm nachgebildet ist (vgl. E. 5.3 hievor). Danach sind Erwerbseinkünfte nicht im vollen Betrag, sondern nur privilegiert einnahmenseitig anrechenbar, d.h. es wird ein fixer Betrag abgezogen und vom Rest werden zwei Drittel angerechnet. Begründet wird diese Besonderheit damit, dass das Interesse, weiterhin eine bescheidene Erwerbstätigkeit auszuüben, nicht gelähmt werden dürfe (Botschaft vom 21. September 1964 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und
BGE 136 V 216 S. 223
Invalidenversicherung, BBl 1964 II 681 ff., 692). Die Kombination eines fixen Freibetrages mit einem prozentualen Einschlag biete den Vorteil, "dass die wirtschaftlich schwächsten Anwärter besonders begünstigt werden und zugleich das Interesse an einem bescheidenen Erwerbs-[...]einkommen, das den festen Abzug übersteigt, erhalten bleibt, indem ein solches Einkommen nicht zu einer entsprechenden Reduktion der Ergänzungsleistungen führt" (BBl 1964 II 681 ff., 693; vgl. auch die Botschaft vom 21. November 1984 über die zweite Revision der Invalidenversicherung, BBl 1985 I 17 ff., 106, wo von einem "Anreiz zur Selbsthilfe durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit" gesprochen wird). Beitragspflichtiges Erwerbseinkommen im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn eine Erwerbstätigkeit kausal für den Zufluss geldwerter Leistungen ist. EL-rechtlich sind all jene geldwerten Leistungen als Erwerbseinkünfte zu betrachten, die ihre Ursache in einer erwerblichen Tätigkeit der betreffenden Person haben und deren privilegierte Anrechnung sich motivierend - "Selbsthilfe durch Erwerbstätigkeit" - auswirken kann (zum Ganzen RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1747 ff. Rz. 163 ff.; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2. Aufl. 2009, S. 148 f.).
Auch dieser Blickwinkel bekräftigt somit ohne weiteres die Betrachtungsweise des BSV.
5.6
5.6.1
Zusammenfassend ergibt sich auf Grund einer entstehungsgeschichtlichen (und zugleich zeitgemässen), teleologischen sowie systematischen Auslegung, dass
Art. 31 IVG
nur auf Rentenrevisionsfälle Anwendung findet, in der die betroffene Person ihre Restarbeitsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich verwertet und dadurch - durch erneute Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder Erweiterung des bisherigen Arbeitspensums - ein entsprechendes Einkommen erwirtschaftet. Nicht heranzuziehen ist die Bestimmung demgegenüber in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem der Rentenbezügerin im Rahmen des Einkommensvergleichs lediglich ein hypothetisches, auf der Basis von Tabellenlöhnen ermitteltes (erhöhtes) Invalideneinkommen angerechnet wird. Diese Lesart entspricht überdies dem in allen Sprachregelungen insoweit übereinstimmenden Wortlaut, auch wenn die deutschsprachige Fassung eine darüber hinausgehende Interpretation grundsätzlich zuliesse. Schliesslich stösst die Schlussfolgerung, soweit erkennbar, auch im
BGE 136 V 216 S. 224
Schrifttum nicht auf Widerstand (vgl. etwa SUSANNE FRIEDAUER, Neuerungen im Rahmen der 5. IV-Revision, HILL 2007, Fachartikel Nr. 6 S. 8; UELI KIESER, Entwicklungen im Rahmen der 5. IV-Revision, HILL 2007, Fachartikel Nr. 7 S. 6; THOMAS LOCHER, Invalidität, Invaliditätsgrad und Entstehung des Rentenanspruchs nach dem Entwurf zur 5. IV-Revision, in: Medizin und Sozialversicherung im Gespräch, 2006, S. 298 f.).
5.6.2
Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände vermögen keine andere Sichtweise zu bewirken. Unbehelflich ist insbesondere das Vorbringen, es stelle eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes dar, diejenigen Rentenbezügerinnen und -bezüger, welche ihr Invalideneinkommen auf reale Art erhöhten, besserzustellen als Versicherte, denen ein hypothetischer Invalidenverdienst angerechnet werde und die sich, da nicht in den Genuss der in
Art. 31 IVG
normierten Rechtswohltat gelangend, durch die Herabsetzung ihrer Rente gleichsam gezwungen sähen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. diese zu erweitern. Wie aus den vorstehenden Erwägungen deutlich wird, beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Einführung der Bestimmung gerade die "Belohnung" derjenigen IV- Rentnerinnen und -Rentner - durch Milderung der Rentenreduktion -, welche sich freiwillig wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Würde der Beschwerdeführerin ohne Ausschöpfung des ihr grundsätzlich zumutbaren erwerblichen Leistungsvermögens das in
Art. 31 IVG
vorgesehene rentenrevisionsrechtliche Privileg zugestanden, schaffte dies vielmehr, worauf hievor bereits hingewiesen wurde, einen gegenteiligen, gerade nicht gewollten Anreiz. Wie vorzugehen wäre bzw. ob
Art. 31 IVG
Anwendung finden würde, wenn eine betroffenen Person ihr vorerst hypothetisches Invalideneinkommen zu einem späteren Zeitpunkt in ein faktisch erzieltes "umwandeln" könnte, bedarf hier keiner weiteren Ausführungen. Ebenso wenig braucht an dieser Stelle auf andere, sich bei Anwendung des
Art. 31 IVG
in gewissen Konstellationen allenfalls ergebende Problemstellungen näher eingegangen zu werden (etwa aufeinanderfolgende Revisionen [Vergleichsbasis für das Invalideneinkommen einer nachfolgenden Revision], Frage der absoluten - nicht relativen - Grenze, bloss vorübergehende Veränderungen, Ungleichbehandlung der Nichterwerbstätigen, Verhältnis IV-/UV-Invalidenrente im Revisionsfall; dazu im Detail KIESER, a.a.O., S. 10; LOCHER, a.a.O., S. 299 f.). Schliesslich erweisen sich in Anbetracht des Ausgangs des Verfahrens auch Erwägungen zur Frage, auf welchen Teil des
BGE 136 V 216 S. 225
Invalideneinkommens sich die in Abs. 2 von
Art. 31 IVG
verwendete Formulierung "nur zwei Drittel berücksichtigt" ihrem Rechtssinn nach bezieht, als obsolet (ebenfalls offengelassen im Urteil 9C_833/2009 vom 4. Februar 2010 E. 4). | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b067d00e-e045-474a-821f-8511795cfe6f | Urteilskopf
123 V 331
54. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1997 i.S. W. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Obergericht des Kantons Uri | Regeste
Art. 10, 12 lit. e und 19 VwVG
,
Art. 57, 58 und 60 BZP
,
Art. 22 und 23 OG
.
Die nach
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 57 ff. BZP
für Sachverständigengutachten geltenden Verfahrensvorschriften (insbesondere die Ausstandsregeln von
Art. 58 BZP
in Verbindung mit
Art. 22 und 23 OG
) sind auf die Berichte und Gutachten versicherungsinterner Ärzte nicht anwendbar. | Erwägungen
ab Seite 331
BGE 123 V 331 S. 331
Aus den Erwägungen:
I.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) den Verwaltungsentscheid ausschlaggebend auf die Beurteilung des
BGE 123 V 331 S. 332
Integritätsschadens durch Kreisarzt Dr. med. L. gestützt hat. Er macht geltend, SUVA-Ärzte hätten wegen des bestehenden besonderen Pflicht- oder Abhängigkeitsverhältnisses bei gutachtlichen Beurteilungen generell in Ausstand zu treten. (...).
1.
Was das Argument der generellen Ausstandspflicht betrifft, beruft sich der Beschwerdeführer auf
Art. 58 BZP
in Verbindung mit
Art. 23 lit. b OG
, wonach Sachverständige von den Parteien u.a. abgelehnt werden können, wenn zwischen ihnen und einer Partei ein besonderes Pflicht- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht. Zu prüfen ist, ob diese Bestimmung auf die kreisärztliche Beurteilung des Integritätsschadens vom 16. Dezember 1994 anwendbar ist.
a) Für das Verwaltungsverfahren in der obligatorischen Unfallversicherung bestimmt
Art. 96 UVG
, dass die Vorschriften des UVG anwendbar sind, soweit das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG) für Versicherer nicht gilt oder das UVG eine abweichende Regelung enthält. Weil die SUVA den Verfahrensregeln des VwVG unterliegt und das UVG diesbezüglich keine besonderen Regeln enthält, richtet sich das Beweisverfahren nach den Vorschriften des VwVG. Dies gilt sinngemäss auch für die nach
Art. 68 Abs. 1 UVG
zugelassenen Privatversicherer (
BGE 120 V 357
ff.).
Gemäss
Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG
haben Personen, die eine Verfügung treffen oder diese vorbereiten, in Ausstand zu treten, wenn sie aus andern als den in lit. a bis c (persönliches Interesse, Verwandtschaft oder Vertreter einer Partei) angeführten Gründen in der Sache befangen sein könnten. Daneben kennt die Bundesrechtspflege weitere, speziell auf Experten zugeschnittene Bestimmungen. Nach
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 58 BZP
gelten für Sachverständige die gleichen Ausstandsgründe, wie sie für die Richter in
Art. 22 und 23 OG
vorgesehen sind. Danach kann eine Gerichtsperson u.a. dann abgelehnt werden, wenn zwischen ihr und einer Partei ein besonderes Pflicht- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht (
Art. 23 lit. b OG
).
b) Nach der gesetzlichen Regelung finden die Ausschliessungs- und Ablehnungsgründe von
Art. 22 und 23 OG
auf das Verwaltungsverfahren nur sinngemäss (
Art. 19 VwVG
) und nach
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 58 BZP
nur auf Sachverständige Anwendung. Als solche gelten Drittpersonen, die vom Richter (bzw. der Verwaltung) aufgrund ihrer besondern Fachkenntnisse zur Aufklärung des Sachverhaltes beigezogen werden (
Art. 57 BZP
), nicht dagegen (verwaltungsinterne) Personen, die eine Verfügung zu treffen
BGE 123 V 331 S. 333
oder vorzubereiten haben (Art. 10 Abs. 1 Ingress VwVG). Für diese sind die in
Art. 10 VwVG
genannten allgemeinen Ausstandsgründe massgebend, wie sie auch auf verwaltungsinterne Fach- und Rekurskommissionen Anwendung finden (vgl.
BGE 119 V 456
ff. und 112 V 206 ff.).
Weil Personen, die - wie die Verwaltungsärzte - aufgrund ihrer besondern Fachkenntnisse an der Vorbereitung von Verfügungen mitwirken, nicht als Sachverständige im Sinne von
Art. 57 ff. BZP
zu qualifizieren sind, unterliegen ihre Meinungsäusserungen nicht den nach
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 57 ff. BZP
für Sachverständigengutachten geltenden Regeln. Auch wenn solche Meinungsäusserungen entscheidwesentliche Grundlagen zum Gegenstand haben und materiell Gutachtenscharakter aufweisen, handelt es sich nicht um Sachverständigengutachten im Sinne von
Art. 12 lit. e VwVG
und
Art. 60 BZP
(vgl. bezüglich der Eidg. Arzneimittelkommission als verwaltungsinternes Beratungsgremium:
BGE 108 V 138
Erw. 4). Sie sind in beweisrechtlicher Hinsicht vielmehr den nach
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 49 BZP
eingeholten Amtsberichten gleichzustellen. Inhaltlich können solche Berichte sowohl einer Auskunft (
Art. 12 lit. c VwVG
) als auch einem Gutachten (
Art. 12 lit. e VwVG
) entsprechen; auch im zweiten Fall kommen die besondern Verfahrensvorschriften für den Sachverständigenbeweis (
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 57 ff. BZP
) jedoch nicht zur Anwendung (nicht veröffentlichtes Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 17. August 1987 i. S. M. AG). Der Beschwerdeführer kann sich daher nicht auf
Art. 58 BZP
in Verbindung mit
Art. 23 lit. b OG
berufen, um die kreisärztliche Beurteilung des Integritätsschadens aus dem Recht zu weisen.
c) An diesem Ergebnis vermögen die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Fehl geht zunächst der Einwand, weil nach der Rechtsprechung "nicht ohne zwingende Gründe" von der Einschätzung des medizinischen Experten abgewichen werde und der Richter auch verwaltungsinternen Gutachten volle Beweiskraft zuerkennen dürfe, komme diesen Gutachten eine qualifizierte Beweiskraft in dem Sinne zu, als die richterliche Kognition nicht mehr völlig frei sei, sondern sich gewissermassen auf "Kassationsgründe" beschränke, weshalb an die Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit der begutachtenden Ärzte hohe Anforderungen zu stellen und zumindest die gesetzlichen Befangenheitsgründe von
Art. 23 lit. a und b OG
zu beachten seien. Die vom Beschwerdeführer erwähnte Rechtsprechung, wonach der Richter
BGE 123 V 331 S. 334
"nicht ohne zwingende Gründe" von der Einschätzung des medizinischen Experten abweicht, hat den Beweiswert von Gerichtsgutachten zum Gegenstand (
BGE 122 V 161
Erw. 1c mit Hinweisen) und findet auf versicherungsinterne ärztliche Beurteilungen nicht Anwendung. Berichte und Gutachten versicherungsinterner Ärzte unterliegen wie andere Beweismittel der freien richterlichen Beweiswürdigung. Es kann ihnen Beweiswert beigemessen werden, sofern sie als schlüssig erscheinen, nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen (
BGE 122 V 161
Erw. 1c unten mit Hinweisen). Im übrigen ist richtig, dass an die Unparteilichkeit auch des versicherungsinternen Gutachters ein strenger Massstab anzulegen ist (
BGE 122 V 162
Erw. 1c in fine). Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die in
Art. 23 OG
enthaltenen generellen Ablehnungsgründe Anwendung zu finden hätten.
Nicht entscheidend ist sodann, dass der ärztlichen Beurteilung u.a. bei der Bemessung von Integritätsschäden besondere Bedeutung zukommt und sich die ärztliche Tätigkeit dabei nicht auf die Feststellung von Tatsachen beschränkt, sondern auch eine Beurteilung aufgrund von Erfahrungssätzen umfasst. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers hätte zur Folge, dass in allen Fällen, wo der medizinische Sachverstand eine Voraussetzung für die Beurteilung von Leistungsansprüchen bildet, ein versicherungsexternes Gutachten eingeholt werden müsste. Eine entsprechende Pflicht des Versicherungsträgers ergibt sich indessen weder aus dem Gesetz noch aus Verfassung oder EMRK. Nach der Rechtsprechung ist es im Rahmen der freien Beweiswürdigung daher grundsätzlich zulässig, dass Verwaltung und Sozialversicherungsrichter den Entscheid allein auf versicherungsinterne Entscheidungsgrundlagen stützen (
BGE 122 V 157
ff.). Auch hieraus folgt, dass eine generelle Ausstandspflicht, wie sie der Beschwerdeführer aus
Art. 19 VwVG
in Verbindung mit
Art. 58 BZP
und
Art. 23 lit. b OG
ableitet, für Versicherungsärzte nicht besteht. Dementsprechend hat das Eidg. Versicherungsgericht im genannten Urteil unter Hinweis auf
BGE 120 V 357
ff. festgehalten, dass die Tatsache allein, dass der befragte Arzt in einem Anstellungsverhältnis zum Versicherungsträger steht, nicht schon auf mangelnde Objektivität und auf Befangenheit schliessen lässt; es bedarf vielmehr besonderer Umstände, welche das fehlende Vertrauen in die Unparteilichkeit der Beurteilung objektiv als begründet erscheinen lassen (
BGE 122 V 161
f.). | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b071028d-ddf8-4910-aeff-e6d833bec80c | Urteilskopf
100 IV 63
18. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 28 juin 1974, dans la cause Briner contre Procureur général du canton de Genève. | Regeste
Art. 3 SVG
.
Nach
Art. 3 Abs. 3 SVG
sind die Kantone unter dem Vorbehalt der Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger frei, auf Strassen, die nicht dem allgemeinen Durchgangsverkehr geöffnet sind, den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr ganz zu verbieten oder zeitlich zu beschränken, während sie andere Verkehrsbeschränkungen und Anordnungen nur unter den in Art. 3 Abs. 4 genannten einschränkenden Bedingungen erlassen dürfen (Erw. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 63
BGE 100 IV 63 S. 63
A.-
Selon arrêté du Département de Justice et Police de Genève du 1er juillet 1971, un tronçon d'environ 250 mètres, de la Grand-Rue, à Genève, est fermé à la circulation générale des véhicules; néanmoins des livraisons y sont autorisées dès l'ouverture des commerces et jusqu'à 11 h. 30. Des signaux "interdiction générale de circuler" (fig. 201) ont été placés aux entrées du tronçon. L'exception en faveur des livraisons figure sur une plaque complémentaire.
Le 5 juin 1973 Robert Briner, avocat, qui a son étude sur le tronçon précité, y a circulé à cyclomoteur.
BGE 100 IV 63 S. 64
B.-
Le 13 décembre 1973 à 15 h. Briner a été condamné par le Tribunal de Police à une amende de fr. 15.-.
La deuxième section de la Cour de Justice du canton de Genève, le 11 avril 1974, a déclaré irrecevable l'appel de Briner en constatant qu'elle ne pouvait déceler dans le jugement attaqué aucune violation ni interprétation erronée de la loi.
C.-
Contre cet arrêt Briner se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il conclut à l'acquittement et, subsidiairement, au renvoi de la cause à l'autorité cantonale.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Le recourant invoque en premier lieu l'illégalité de l'arrêté cantonal du 1er juillet 1971 fermant à la circulation le tronçon en cause, tout en y autorisant les livraisons. Il fait valoir que l'administration ne doit causer préjudice à la circulation des riverains que pour des raisons graves et que de telles raisons n'existent pas en l'occurrence; il relève que l'autre tronçon de la Grand-Rue et les rues avoisinantes sont autorisées aux riverains par le même arrêté cantonal, que l'autorité n'exerce qu'une surveillance médiocre sur le tronçon incriminé et qu'elle y tolère la circulation des taxis. Il invoque en outre l'article 82 al. 1 OSR, qui impose le choix de la mesure qui, pour atteindre son but, n'occasionnera que le minimum de restriction à la circulation; et il soutient que l'arrêté cantonal viole gravement cette disposition lorsqu'il interdit la circulation des riverains alors qu'il autorise largement en droit, et encore plus en fait, celle des livreurs.
b) Celui qui est impliqué dans une poursuite pénale pour violation d'une interdiction peut, sous certaines conditions, faire trancher la question préjudicielle de la légalité de la décision d'interdiction, à l'exclusion de son opportunité (RO 98 IV 260, 266 et jurispr. citée).
c) L'article 3 al. 2 LCR donne aux cantons la compétence d'interdire, restreindre ou régler la circulation sur certaines routes. Et l'alinéa 3 pose que la circulation des véhicules automobiles et des cycles peut être interdite complètement ou restreinte temporairement sur les routes qui - comme en l'espèce - ne sont pas ouvertes au grand transit.
En l'espèce, ni la compétence de l'autorité qui a pris la décision d'interdiction de circuler ni la validité formelle de la
BGE 100 IV 63 S. 65
décision ne sont contestées. Ce que conteste le recourant c'est la légalité de la décision, c'est-à-dire sa conformité au droit fédéral et plus particulièrement aux alinéas 2 et 3 de l'article 3 LCR. A la différence de l'article 3 al. 4 LCR qui fixe des conditions particulières et restrictives auxquelles l'autorité cantonale doit se soumettre pour édicter d'autres limitations ou prescriptions, l'article 3 al. 3 LCR n'impose aux cantons ni restrictions ni conditions à leur pouvoir d'interdire complètement ou partiellement la circulation sur les routes qui ne sont pas ouvertes au grand transit. Les cantons sont donc libres d'agir comme ils l'entendent dans ce domaine. Les décisions d'interdiction qu'ils prennent, pour autant qu'elles émanent d'une autorité compétente et répondent aux exigences formelles de la loi, ne sauraient donc - sous réserve des droits constitutionnels des citoyens (art. 3 al. 2 phrase 2 LCR) - être critiquées ou revues, faute d'une norme fédérale les subordonnant au respect de certains critères de fond. Cela découle déjà de l'art. 37bis al. 2 Cst. C'est précisément en raison de cette disposition constitutionnelle que le législateur a distingué les interdictions et restrictions à la circulation, d'une part (art. 3 al. 3 LCR), et les autres limitations ou prescriptions relatives à la façon de rouler, d'autre part (art. 3 al. 4 LCR) (cf. FF 1955 II 11, ad art. 4 al. 1 du projet de LCR; et Bull. stén. Conseil National 1956 p. 335, 336; Conseil des Etats 1958 p. 80). C'est donc à tort que le recourant invoque une violation du droit fédéral et de l'article 3 LCR.
d) C'est en vain également que le recourant se plaint d'une violation de l'art. 82 al. 1 OSR. Cette règle légale est en effet une disposition d'exécution de l'art. 3 al. 4 LCR et n'est pas applicable aux décisions d'interdiction de circuler. D'ailleurs, en vertu du droit réservé aux cantons par l'art. 37bis al. 2 Cst. en matière d'interdiction de circulation ni le législateur fédéral ni le Conseil fédéral n'auraient pu édicter une quelconque disposition restreignant ce droit.
e) Quant aux exceptions à l'interdiction de circuler, que le canton peut librement décréter, pour autant qu'elles répondent aux exigences formelles de la LCR et de ses dispositions d'application, elles échappent également à la censure de l'autorité fédérale.
f) C'est donc à juste titre que la juridiction cantonale a retenu à la charge du recourant une infraction aux articles 27 LCR
BGE 100 IV 63 S. 66
et 16 OSR et lui a infligé une amende en application de l'art. 90 LCR.
2.
Le recourant fait valoir encore, à l'encontre de l'arrêté cantonal du 1er juillet 1971 et de son application, plusieurs moyens tirés de la violation de l'article 4 Cst.: violation de l'égalité de traitement et arbitraire. De tels moyens auraient dû être invoqués dans le cadre d'un recours de droit public; ils ne peuvent pas faire l'objet d'un pourvoi en nullité (art. 269 al. 2 PPF) et sont partant irrecevables (RO 98 IV 138 et jurispr. citée).
3.
Quant à un moyen très subsidiaire du recourant, tiré de l'erreur de droit, il ne résiste pas à l'examen, face à une signalisation parfaitement nette et dont le sens ne peut échapper à aucun conducteur de véhicules automobiles ou de cycles.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi dans la mesure où il est recevable. | null | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b071233d-9cc3-443a-9500-11f4329866d8 | Urteilskopf
120 II 369
67. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 6 décembre 1994 dans la cause Ligue Suisse de Hockey sur Glace contre Dubé (recours en réforme) | Regeste
Art. 28 ff. ZGB
; Persönlichkeitsschutz, Abgrenzung zwischen Spielregel und Rechtsnorm.
Wo Persönlichkeitsrechte verletzt sind, kommt der Abgrenzung zwischen Spielregel und Rechtsnorm keine Bedeutung zu. | Sachverhalt
ab Seite 369
BGE 120 II 369 S. 369
A.-
Normand Dubé a été engagé en qualité d'entraîneur par le Hockey-Club Martigny pour la saison 1986/87; ce contrat a été renouvelé pour les deux saisons suivantes. Dubé devait entraîner la première équipe du HC Martigny et la diriger lors des matches.
BGE 120 II 369 S. 370
Le 17 janvier 1988, Dubé a participé à un match de l'équipe des juniors à Moutier, ce qui n'entrait pas dans ses attributions ordinaires. Mécontent de l'issue de la rencontre, il s'est emporté et s'en est pris aux arbitres, commettant des voies de fait. Par décision du 22 février 1988, la Commission disciplinaire de la Ligue Suisse de Hockey sur Glace (ci-après: LSHG) a suspendu Dubé de toute fonction comportant une responsabilité pour une équipe jusqu'à la fin de la saison 1988/89. Statuant le 31 mars 1988, la Chambre des recours de la LSHG a confirmé la sanction, précisant qu'elle déploierait ses effets jusqu'au 22 février 1989. Un recours en grâce auprès du Comité de la LSHG a été rejeté le 11 novembre 1988.
B.-
Le 6 janvier 1989, Dubé a ouvert action contre la LSHG devant le Juge-Instructeur du district de Martigny, en concluant à la levée de la suspension prononcée à son encontre et au paiement de la somme de 89'055 fr. 70 plus intérêts à 5% dès l'introduction de la demande.
Par jugement du 26 novembre 1993, la Cour civile I du Tribunal cantonal valaisan a admis l'action en constatation du caractère illicite de l'atteinte portée aux droits de la personnalité du demandeur par la défenderesse et condamné cette dernière à lui payer la somme de 15'000 fr. plus intérêts à 5% dès le 6 janvier 1989.
La LSHG exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral contre cette décision, en concluant au rejet de l'action.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
C'est à juste titre que la cour cantonale a considéré que la sanction litigieuse ressortit au droit, et non au jeu. La suspension infligée à l'intimé - mesure qui affecte indubitablement la sphère personnelle et économique d'un entraîneur professionnel - va bien au delà d'une simple sanction destinée à assurer le déroulement correct d'un jeu; elle constitue une véritable peine statutaire qui porte atteinte aux intérêts juridiques de l'intéressé et peut, à ce titre, être soumise au contrôle du juge étatique (
ATF 119 II 271
consid. 3c p. 280/281,
ATF 118 II 12
consid. 2b p. 16,
ATF 108 II 15
consid. 3 p. 21; RSJ 1991 p. 284 ss, 1988 p. 85 ss, 1979 p. 75 ss; RVJ 1991 p. 346 ss; RJB 1988 p. 311 ss; KUMMER, Spielregel und Rechtsregel, Berne 1973, p. 45/46 et 48 ss; BADDELEY, L'association sportive face au droit, thèse Genève 1994, p. 115 ss, 317 ss et 352 ss; BODMER, Vereinstrafe und Verbandsgerichtsbarkeit, thèse St-Gall 1989, p. 160 ss; DALLÈVES, Problèmes juridiques de la lutte contre le dopage, in Il diritto dello sport, Lugano 1994, p. 20; LEU, L'intervention des
BGE 120 II 369 S. 371
tribunaux nationaux dans la pratique du sport, in Conférence Internationale Droit et Sport, Lausanne 1993, p. 49 ch. 4 et 50 ch. 6; OSWALD, Le règlement des litiges et la répression des comportements illicites dans le domaine sportif, in Mélanges Grossen, p. 74; OSWALD, Le pouvoir juridictionnel des organisations sportives et ses limites, in Conférence Internationale Droit et Sport, p. 44 ch. VII; ROCHAT, Le règlement des litiges en matière sportive, in Il diritto dello sport, p. 10; SCHERRER, Rechtsfragen des organisierten Sportlebens in der Schweiz, thèse Zurich 1982, p. 139 ss et 150/151; SCHERRER, Sportrecht - Eine notwendige Sonderdisziplin?, RSJ 1988 p. 3 ch. III/2).
Au demeurant, comme l'a jugé récemment la cour de céans, la distinction entre règles de jeu et règles de droit est dénuée de pertinence en cas d'atteinte aux droits de la personnalité (arrêt non publié Ligue Suisse de Hockey sur Glace c. H. du 12 août 1993, consid. 2). L'"atteinte", au sens des
art. 28 ss CC
, est réalisée par tout comportement humain, tout acte de tiers, qui cause de quelque façon un trouble aux biens de la personnalité d'autrui en violation des droits qui la protègent (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zurich 1984, n. 550 ss; BUCHER, Personnes physiques et protection de la personnalité, 2e éd., Bâle/Francfort 1992, n. 514; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 2e éd., Berne 1986, n. 579); même l'application d'une règle de jeu peut dès lors violer les droits de la personnalité (KUMMER, op.cit., p. 73/74; cf.
ATF 102 II 211
consid. 7 p. 221). | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b07611d0-872f-4c31-b41b-eed08c374547 | Urteilskopf
105 Ib 165
26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. September 1979 i.S. V. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Fremdenpolizeiliche Ausweisung.
1. Das Verhältnis zwischen strafrechtlicher Landesverweisung und fremdenpolizeilicher Ausweisung (E. 5).
2. Angemessenheit der Ausweisung (
Art. 11 Abs. 3 ANAG
). Die Begehung eines schweren Verbrechens rechtfertigt nicht in jedem Fall die Ausweisung (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 165
BGE 105 Ib 165 S. 165
Am 3. Januar 1932 wurde die jugoslawische Staatsangehörige V. in Jugoslawien geboren. 1950 heiratete sie den Landsmann B. Kurz nach der Scheidung dieser Ehe suchte V. Arbeit im Ausland. Am 21. Juli 1966 erhielt sie von der Fremdenpolizei des Kantons Zürich die Einreisebewilligung. Vom August 1966 bis Oktober 1972 arbeitete sie in verschiedenen Betrieben als Office- und Buffetangestellte, als Hilfsköchin, Köchin und als Verkäuferin. Zwei Arbeitgeber stellten ihr lediglich eine Arbeitsbestätigung aus; die übrigen erklärten sich mit ihren Arbeitsleistungen sehr zufrieden und bezeichneten Frau V. als zuverlässige, freundliche und saubere Mitarbeiterin. Anlässlich der Behandlung ihres Aufenthaltsverlängerungsgesuches führte der zuständige Polizeibeamte am 15. Oktober 1970 aus, polizeiliche Aktenvorgänge seien keine vorhanden und über Frau V. sei nichts Nachteiliges bekannt. Lediglich im Mai 1967 hatte sie es einmal unterlassen, sich anlässlich einer Übernachtung in einem Hotel in die Hotelkontrolle einzutragen.
BGE 105 Ib 165 S. 166
Im Oktober 1967 lernte Frau V. den türkischen Staatsangehörigen K. kennen, der allein in Zürich lebte; dessen Frau war zusammen mit ihren Kindern in der Türkei geblieben. Seit Mai 1971 lebten Frau V. und K. zusammen. Im September 1972 kehrte K. in die Türkei zurück, angeblich um seinen kranken Sohn zu holen und in der Schweiz pflegen zu lassen; anfangs Oktober 1972 kam er zusammen mit seiner Frau in die Schweiz zurück. Es folgten heftige Spannungen, doch konnte sich Frau V. nicht entscheiden, die Verbindung mit K. aufzulösen. Am 15. Oktober 1972 tötete sie dessen Frau. Am 13. Dezember 1973 wurde sie durch das Obergericht des Kantons Zürich wegen vorsätzlicher Tötung zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt und 15 Jahre des Landes verwiesen. In der Begründung führte das Obergericht aus, in objektiver Hinsicht wiege das Verschulden der Angeklagten schwer, doch lägen Umstände vor, die ihre Schuld geringer erscheinen liessen, als es zunächst den Anschein habe. Insbesondere sei ihren Ausführungen, wonach sie von K. zur Tat gedrängt worden sei, Glauben zu schenken. Wenn auch sein Verhalten nicht allein zu der Ausnahmesituation geführt habe, aus welcher sie die Tat begangen habe, sei es doch geeignet, sie zu entlasten.
Am 20. Mai 1974 verfügte die Eidgenössische Fremdenpolizei in Anwendung von
Art. 13 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20)
eine unbefristete Einreisesperre nach der Haftentlassung. Am 6. August 1974 hob dieselbe Behörde die Verfügung wieder auf.
Frau V. verbüsste ihre Strafe in der Strafanstalt Hindelbank. Am 14. März 1977 konnte sie in die Halbfreiheit versetzt werden; vom Übergangsheim Steinhof in Burgdorf aus ging sie regelmässig im Bezirksspital Burgdorf ihrer Arbeit nach. Am 7. Dezember 1977 verfügte die Direktion der Justiz des Kantons Zürich die bedingte Entlassung von Frau V. und setzte ihr eine dreijährige Probezeit an; gleichzeitig wurde der Vollzug der Landesverweisung für die Dauer der Probezeit bedingt aufgeschoben.
Trotz dieser Verfügung beschloss der Regierungsrat auf Antrag der Direktion der Polizei am 5. April 1978, Frau V. in Anwendung von
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
für dauernd aus der Schweiz auszuweisen. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
BGE 105 Ib 165 S. 167
Am 8. April 1979 reichte die Vertreterin von Frau V. einen Bericht ein, der die Verhältnisse seit Beschwerdeeinreichung darstellt. Sie führt darin aus, dass sich Frau V. am 25. September 1978 mit V. verheiratet habe. Das am 14. April 1978 geborene mongoloide Kind sei in einem sehr gut geeigneten Kinderheim in Basel untergebracht, wo es immer noch mit der Sonde ernährt werden müsse. Die Schädigung sei schwerster Art. Die Mutter hänge an diesem Kind und helfe bei der Pflege mit. Die Ehe sei harmonisch und allmählich sei eine Aufhellung der Depression von Frau V. festzustellen. Aus den Akten geht zudem hervor, dass ihr jetziger Ehemann in Jugoslawien aus politischen Gründen zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden war und ihm die Schweiz politisches Asyl gewährte.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Entscheid stütze sich auf eine unrichtige oder unvollständige Tatsachenfeststellung. Der Regierungsrat führte in seinem Entscheid in allgemeiner Weise aus, das Verhalten der Beschwerdeführerin habe zu schweren Klagen Anlass gegeben. Tatsächlich lässt das dem Bundesgericht übergebene Dossier diesen allgemeinen Schluss nicht zu. Die Beschwerdeführerin verhielt sich seit ihrer Ankunft in der Schweiz im August 1966 bis zum 16. Oktober 1972, abgesehen von einer nicht ins Gewicht fallenden Bagatellsache, völlig klaglos, und erfuhr von den meisten Arbeitgebern eine sehr gute Beurteilung. Auch ihre Aufenthaltsbewilligung wurde stets anstandslos verlängert, zuletzt am 30. Juni 1972 bis zum 8. August 1974. Während des Strafvollzugs, in der Halbfreiheit und schliesslich in der Freiheit gab sie zu keinen Beschwerden Anlass. Die Beurteilungen aus dieser Zeit lauten durchwegs positiv. In der Vernehmlassung anerkennt denn der Regierungsrat selber, dass sich die "schweren Klagen" im Tötungsdelikt erschöpfen.
5.
Für dieses Verbrechen wurde die Beschwerdeführerin zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt sowie gemäss
Art. 55 StGB
für 15 Jahre aus dem Gebiet der Schweiz verwiesen. Wegen guter Führung wurde sie mit einer Probefrist von 3 Jahren bedingt entlassen, nachdem zwei Drittel der Strafe vollzogen waren. In dieser Verfügung vom 7. Dezember 1977 erwog die Justizdirektion des Kantons Zürich zudem, dass sich angesichts
BGE 105 Ib 165 S. 168
der günstigen Prognose, die Frau V. gestellt werden könne, nicht behaupten lasse, dass sich der Vollzug der Landesverweisung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit aufdränge. Bei der Frage, ob die Schweiz oder Jugoslawien die besseren Voraussetzungen für die Resozialisierung biete, sei zu berücksichtigen, dass sie sich seit dem Jahre 1966 in der Schweiz aufhalte und sich im allgemeinen recht eingelebt habe. Bindungen ans Heimatland seien heute nicht mehr vorhanden. Das sie in Jugoslawien erwartende Schicksal sei infolge der Beziehung zu ihrem Verlobten (und heutigen Ehemann), welcher dort wegen einer Denunziation als Antikommunist eine zweijährige Freiheitsstrafe verbüsst und nun in Basel das schweizerische Asylrecht erhalten habe, zumindest ungewiss. Jedenfalls sei es schwierig für sie, dort Arbeit zu finden. Aus diesen Gründen schob die Justizdirektion des Kantons Zürich den Vollzug der Landesverweisung bedingt auf. Ebenso beschloss die Eidgenössische Fremdenpolizei am 6. August 1974, die auf unbestimmte Dauer verfügte Einreisesperre vorläufig zu annullieren.
Das Bundesgericht hat zwar wiederholt festgestellt, dass gemäss
Art. 10 Abs. 4 ANAG
die strafrechtliche Landesverweisung von der im ANAG geregelten fremdenpolizeilichen Ausweisung unberührt bleibt. Sowohl die gesetzliche Grundlage als auch der Zweck von Landesverweisung und administrativer Ausweisung sind voneinander verschieden. Bei der Verhängung der als Nebenstrafe vorgesehenen Landesverweisung stehen strafrechtliche Gesichtspunkte im Vordergrund, während dem Entscheid der Verwaltungsbehörde fremdenpolizeiliche Kriterien zugrunde liegen (
BGE 98 Ib 89
;
BGE 97 I 64
; Urteil vom 10. November 1978 i.S. S.-W.). Die Berechtigung dieses Dualismus ist aber nicht unbestritten und dessen Auswirkungen vermögen im Einzelfall nicht immer zu befriedigen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen gleich sind, das heisst, wenn sich die administrative Ausweisung vor allem auf eine strafbare Handlung stützt, wie das vorliegend der Fall ist. Unter diesen Voraussetzungen wäre im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtseinheit zu erwarten, dass sich die verschiedenen Behörden bemühen würden, ihre Tätigkeit zu koordinieren (vgl.
BGE 96 I 774
; Urteil vom 22. Mai 1975 i.S. E.). Der Umstand, dass die instruierende Polizeidirektion und der Regierungsrat den Erwägungen der Justizdirektion nicht Rechnung getragen haben, führt indessen
BGE 105 Ib 165 S. 169
allein nicht zur Gutheissung der Beschwerde, denn das Bundesgericht hat die geltende Ordnung und damit die Unabhängigkeit von Landesverweisung und Ausweisung so einzuhalten, wie sie vom Bundesgesetzgeber festgelegt worden ist (
Art. 113 Abs. 3 BV
).
6.
a) Nach
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft worden ist. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Nach
Art. 11 Abs. 3 ANAG
soll die Ausweisung indessen nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind gemäss
Art. 16 Abs. 3 ANAV
namentlich wichtig die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile. Die Frage der Angemessenheit einer Ausweisungsverfügung haben in erster Linie die kantonalen Behörden zu entscheiden. Das Bundesgericht prüft auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin ausschliesslich, ob die entscheidende Behörde ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hat (
Art. 104 lit. a OG
;
BGE 98 Ib 3
ff.). Wenn eine Ausweisung nach
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
zwar rechtlich begründet, aber nach den Umständen nicht angemessen erscheint, soll sie bloss angedroht werden (
Art. 16 Abs. 3 ANAV
).
b) Die Beschwerdeführerin hat die Frau ihres Freundes im Jahre 1972 vorsätzlich getötet. Selbst wenn ihr zahlreiche Milderungsgründe angerechnet wurden, trifft sie bezüglich dieser Tat ein schweres Verschulden.
Auf der andern Seite befindet sich die Beschwerdeführerin seit 13 Jahren in der Schweiz und hat sich hier eingelebt. Zudem würden ihr und ihrer Familie wesentliche Nachteile drohen, wenn sie ausgewiesen würde. Die Sachlage hat sich insbesondere nach dem Ausweisungsbeschluss des Regierungsrates zugunsten der Beschwerdeführerin geändert. Das Bundesgericht hat in konstanter Rechtsprechung erkannt, dass bei der Frage, ob eine Ausweisung angemessen sei oder nicht, auch Tatsachen zu berücksichtigen sind, die erst nach Fällung des angefochtenen Entscheides eingetreten sind (
BGE 105 Ia 163
;
BGE 98 Ib 178
mit Hinweisen, 512 E. 1b). Vorliegend hat die Beschwerdeführerin im September 1978 V. geheiratet, dem die Schweiz politisches Asyl gewährte. Die beiden Ehegatten leben in Basel
BGE 105 Ib 165 S. 170
und kümmern sich um ihr gemeinsames mongoloides Kind, welches nach wie vor intensiver Pflege in einem Heim bedarf. Diese Angaben stützen sich im wesentlichen auf das Schreiben der Vertreterin der Beschwerdeführerin vom 8. April 1979. Treffen sie zu, so verletzt die Ausweisung von Frau V. Bundesrecht. Es rechtfertigt sich unter diesen Umständen, die Sache zur Neubeurteilung an den Regierungsrat zurückzuweisen. Dieser wird den Sachverhalt überprüfen müssen und gegebenenfalls zu entscheiden haben, ob die Ausweisung lediglich anzudrohen (
BGE 98 Ib 179
E. 2d; vgl. auch Urteil vom 19. Mai 1978 i.S. G., E. 2c) oder von einer Administrativmassnahme überhaupt abzusehen sei. Hingegen ginge es nicht an, den Vollzug der Ausweisung auf unbestimmte Zeit aufzuschieben (
BGE 98 Ib 179
). | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b077f47e-a80f-452f-bbe0-38230b95e27a | Urteilskopf
134 III 511
80. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. V. gegen Generali BVG-Stiftung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_99/2008 vom 3. Juli 2008 | Regeste
Art. 4 und 6 VVG
(in der bis Ende 2005 gültig gewesenen Fassung); Verletzung der Anzeigepflicht und Rücktritt vom Vorsorgevertrag.
Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Begriff der "Gefahrstatsache" im Sinne von
Art. 4 VVG
und zur Anzeigepflicht im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge (E. 3).
In casu keine Anzeigepflichtverletzung eines alkoholabhängigen Antragstellers, welcher die offengehaltene Frage "Bestanden in den letzten 5 Jahren jemals Krankheiten (...)?" verneint hat; Auslegung des Begriffs "Krankheit" (E. 4 und 5). | Erwägungen
ab Seite 512
BGE 134 III 511 S. 512
Aus den Erwägungen:
2.
Es steht ausser Frage, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Invalidenrente nach BVG (SR 831.40) hat. Streitig ist einzig, ob ihm eine Invalidenrente aus weitergehender (überobligatorischer) beruflicher Vorsorge zusteht, insbesondere die Frage, ob die Vorinstanz dies zu Recht mit der Begründung verneint hat, infolge wahrheitswidrig ausgefüllter Gesundheitserklärung vom 25. Januar 2000 sei die BVG-Stiftung berechtigterweise vom überobligatorischen Vorsorgevertrag zurückgetreten. (...)
3.
3.1
Das kantonale Gericht hat zutreffend dargelegt, dass die Vorsorgeeinrichtungen die weitergehende Vorsorge im Rahmen von
Art. 49 Abs. 2 BVG
grundsätzlich privatautonom ausgestalten und namentlich den Versicherungsschutz durch Gesundheitsvorbehalte einschränken können, dabei aber an die gesetzlichen (hier irrelevanten) Regeln von
Art. 14 FZG
(SR 831.42) gebunden sind. Richtig dargelegt hat die Vorinstanz ferner, dass sich die Verletzung der Anzeigepflicht und deren Folgen im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge nach den statutarischen und/oder reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung, beim Fehlen entsprechender statutarischer und/oder reglementarischer Normen subsidiär und analogieweise nach
Art. 4 ff. des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG; SR 221.229.1)
richten (
BGE 130 V 9
E. 2.1 S. 11 f.;
BGE 119 V 283
E. 4 S. 286 f.;
BGE 116 V 218
E. 4 S. 225 f.). Auf die entsprechenden Erwägungen wird verwiesen.
3.2
Der Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung und dessen Rechtsfolgen sind im Reglement der Beschwerdegegnerin wie folgt geregelt:
"Art. 3 AUFNAHMEVERFAHREN / AUSKUNFTSERTEILUNG
1. Der Arbeitgeber meldet der Stiftung jeden Arbeitnehmer, der gemäss Vorsorgeplan dem Kreis der meldepflichtigen Arbeitnehmer angehört, zur Aufnahme in die Personalvorsorge und die Versicherung.
2. ...
3. Die Aufnahme in die Versicherung erfolgt aufgrund eines ausgefüllten und unterzeichneten Anmeldeformulares. Es werden die jeweiligen Aufnahmebedingungen für Gruppenversicherungen der GENERALI angewandt.
4. Jede versicherte oder anspruchsberechtigte Person hat der Stiftung über alle ihre Versicherung betreffenden massgebenden Verhältnisse
BGE 134 III 511 S. 513
wahrheitsgetreu Auskunft zu geben. Sie hat alle von der Stiftung für die Abklärung eines Leistungsanspruchs verlangten Unterlagen einzureichen. Zur Abklärung eines Anspruchs kann die Stiftung auf ihre Kosten ein vertrauensärztliches Gutachten verlangen.
...
... ... Hat die versicherte Person tatsächlich bekannte, erhebliche Gefahrentatsachen verschwiegen, kann die Stiftung innerhalb von vier Wochen, nachdem sie von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erhalten hat, jede das BVG-Obligatorium übersteigende Leistungspflicht ablehnen."
Nach Art. 3 Ziff. 4 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 des Reglements der Beschwerdegegnerin hat der durch den Arbeitgeber zur Aufnahme in die Versicherung gemeldete Arbeitnehmer auf dem von ihm ausgefüllten und unterzeichneten Anmeldeformular über alle seine die "Versicherung betreffenden massgebenden Verhältnisse wahrheitsgetreu Auskunft zu geben". Mit dieser Umschreibung sind im Reglement die erheblichen Gefahrstatsachen im Sinne von
Art. 4 VVG
anvisiert, aber nicht konkretisiert, weshalb diesbezüglich auf die zu erwähnter Gesetzesbestimmung ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen ist.
3.3
3.3.1
Gemäss
Art. 4 VVG
hat der Antragsteller dem Versicherer an Hand eines Fragebogens oder auf sonstiges schriftliches Befragen alle für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsachen, soweit und so wie sie ihm beim Vertragsabschlusse bekannt sind oder bekannt sein müssen, schriftlich mitzuteilen (Abs. 1). Erheblich sind diejenigen Gefahrstatsachen, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschliessen, einen Einfluss auszuüben (Abs. 2).
3.3.2
Gefahrstatsachen im Sinne des
Art. 4 VVG
sind alle Tatsachen, die bei der Beurteilung der Gefahr in Betracht fallen und den Versicherer demzufolge über den Umfang der zu deckenden Gefahr aufklären können; dazu sind nicht nur jene Tatsachen zu rechnen, welche die Gefahr verursachen, sondern auch solche, die bloss einen Rückschluss auf das Vorliegen von Gefahrenursachen gestatten. Die Anzeigepflicht des Antragstellers weist indessen keinen umfassenden Charakter auf. Sie beschränkt sich vielmehr auf die Angabe jener Gefahrstatsachen, nach denen der Versicherer ausdrücklich und in unzweideutiger Art gefragt hat; der Antragsteller ist daher ohne entsprechende Fragen nicht verpflichtet, von sich aus über bestehende Gefahren Auskunft zu geben. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich
BGE 134 III 511 S. 514
die Anzeige- bzw. Nachmeldepflicht auch auf (erhebliche) Gefahrstatsachen, die zwar nach Einreichung des Antrages, aber vor Abschluss des Vertrages entstehen, unabhängig davon, ob die Vertragswirkungen früher oder später einsetzen. Hat der Antragsteller beim Abschluss einer Versicherung eine für ihn erkennbare erhebliche Gefahrstatsache im soeben dargelegten Sinn, nach der er ausdrücklich und in unzweideutiger Art gefragt worden war, unrichtig beantwortet oder verschwiegen, so steht dem Versicherer nach
Art. 6 VVG
(in der bis Ende 2005 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung; vgl. ab 1. Januar 2006:
Art. 6 Abs. 1 und 2 VVG
) das Recht zu, binnen vier Wochen seit Kenntnis der Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurückzutreten (
BGE 116 V 218
E. 5a S. 226 f. mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; vgl. auch
BGE 118 II 333
E. 2a S. 336;
BGE 116 II 338
E. 1a S. 339, je mit Hinweisen; SZS 1998 S. 375, E. 3a, B 42/96).
3.3.3
Im Gegensatz zum vertraglich vereinbarten Rechtsnachteil bei der Verletzung einer Obliegenheit gemäss
Art. 45 Abs. 1 VVG
fällt die Frage nach dem Verschulden im Bereiche des
Art. 6 VVG
ausser Betracht. Wann die Anzeigepflicht verletzt ist, beurteilt sich verschuldensunabhängig nach subjektiven wie auch nach objektiven Kriterien. Denn nach dem Wortlaut von
Art. 4 und 6 VVG
hat der Antragsteller dem Versicherer in Beantwortung entsprechender Fragen nicht nur die ihm tatsächlich bekannten (von seinem positiven Wissen erfassten) erheblichen Gefahrstatsachen mitzuteilen, sondern auch diejenigen, die ihm bekannt sein müssen. Damit stellt das Gesetz ein objektives (vom tatsächlichen Wissen des Antragstellers über den konkreten Sachverhalt unabhängiges) Kriterium auf, bei dessen Anwendung jedoch die Umstände des einzelnen Falles, insbesondere die persönlichen Eigenschaften (Intelligenz, Bildungsgrad, Erfahrung) und die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist somit, ob und inwieweit ein Antragsteller nach seiner Kenntnis der Verhältnisse und gegebenenfalls nach den ihm von fachkundiger Seite erteilten Aufschlüssen eine Frage des Versicherers in guten Treuen verneinen durfte. Er genügt seiner Anzeigepflicht nur, wenn er ausser den ihm ohne weiteres bekannten Tatsachen auch diejenigen angibt, deren Vorhandensein ihm nicht entgehen kann, wenn er über die Fragen des Versicherers ernsthaft nachdenkt (
BGE 118 II 333
E. 2b S. 337;
BGE 116 II 338
E. 1c S. 341;
BGE 116 V 218
E. 5b S. 227 f.; SZS 1998 S. 375 f., E. 3b, B 42/96).
3.3.4
Gemäss
Art. 4 Abs. 3 VVG
gilt eine Vermutung dafür, dass die Gefahrstatsachen, auf welche die schriftlichen Fragen des
BGE 134 III 511 S. 515
Versicherers "in bestimmter, unzweideutiger Fassung gerichtet sind", erheblich sind. Damit stellt das Gesetz eine widerlegbare Rechtsvermutung für die Erheblichkeit derjenigen Tatsachen auf, über die der Versicherer mit den schriftlichen Fragen Auskunft verlangt (ALFRED MAURER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl., Bern 1995, S. 253; vgl. URS CH. NEF, in: Honsell/Vogt/Schnyder [Hrsg.], Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag [VVG], Basel 2001, N. 50 zu
Art. 4 VVG
). Der Sinn und die Tragweite der gestellten Fragen sind jedoch nach denselben Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln, wie sie für Verträge gelten, somit normativ nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) sowie unter Berücksichtigung der speziell für den Versicherungsvertrag im Gesetz (
Art. 4 Abs. 3 VVG
) statuierten Erfordernisse der Bestimmtheit und Unzweideutigkeit der Fragenformulierung. Danach verletzt ein Versicherter die Anzeigepflicht, wenn er eine bestimmte und unzweideutig formulierte Frage zu den bei ihm bestehenden oder vorbestandenen gesundheitlichen Störungen verneint, denen er nach der ihm zumutbaren Sorgfalt Krankheitscharakter beimessen müsste. Hingegen würde es zu weit führen, wenn der Aufnahmebewerber vereinzelt aufgetretene Unpässlichkeiten, die er in guten Treuen als belanglose, vorübergehende Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens betrachten darf und bei der gebotenen Sorgfalt nicht als Erscheinungsformen eines ernsthafteren Leidens beurteilen muss, anzuzeigen verpflichtet wäre. Das Verschweigen derartiger geringfügiger Gesundheitsstörungen vermag keine Verletzung der Anzeigepflicht zu begründen (
BGE 106 V 170
E. 3b S. 174 betreffend Art. 5 Abs. 3 des bis 31. Dezember 1994 in Kraft gewesenen Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Krankenversicherung [KUVG], das eine dem
Art. 4 VVG
weitgehend analoge, allerdings verschuldensabhängige Regelung der Anzeigepflichtverletzung kannte; vgl. auch
BGE 116 II 338
E. 1b S. 340).
4.
4.1
Nach Auffassung der Vorinstanz hat V. die Anzeigepflicht dadurch verletzt, dass er in der am 25. Januar 2000 zuhanden der BVG-Stiftung ausgefüllten Gesundheitserklärung die Frage Nr. 7 - "Bestanden in den letzten 5 Jahren jemals Krankheiten ...?" - verneint hat. Dabei ist das Gericht in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seit Jahren unter Alkoholismus leide, der eine Krankheit darstelle und bei ihm zu einem Leberschaden sowie vollständiger Invalidität geführt habe. Bereits am 7. Januar 1992 habe ihn sein Hausarzt zwecks Gastroskopie und Sonographie der
BGE 134 III 511 S. 516
Leber an Dr. med. W., Spezialarzt FMH für Innere Medizin, überwiesen, der in seinem Bericht vom 10. Januar 1992 ausgeführt habe, V. leide seit einigen Monaten an mehr oder weniger konstanten Schmerzen im rechten Hypochondrium (Oberbauch) und müsse am Morgen gelbliches, manchmal dunkelbraunes Magensekret erbrechen; die Leber sei massiv vergrössert und plump, die Kanten abgerundet; es bestehe Verdacht auf Fettleberzirrhose. Im Dezember 2000 sei die Leber schliesslich so stark geschädigt gewesen, dass sie zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt habe; wenn dem aber so sei, müssten "auch im Januar 2000 spürbare Beeinträchtigungen vorhanden" gewesen sein; im Mai 2000 habe V. dementsprechend auch - gleich wie im Jahre 1992 - erneut unter rezidivierendem Erbrechen gelitten und deshalb den Spezialarzt für Chirurgie Dr. med. T. aufgesucht. Im Januar 2000 sei er "schon dermassen lange Zeit alkoholabhängig" gewesen und habe "entsprechende sekundäre Gesundheitsschädigungen" aufgewiesen, dass er diese auf dem Fragebogen als Krankheit hätte angeben müssen.
4.2
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz sei von einem falschen Krankheitsbegriff ausgegangen. Er habe unter Krankheiten nur "Ereignisse" verstehen dürfen und müssen, welche eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt oder "weitergehende therapeutische Massnahmen" notwendig gemacht hätten. Das kantonale Gericht habe die Rechtsprechung zur Anzeigepflichtverletzung gemäss
Art. 4 ff. VVG
verkannt, wenn es einerseits aus der Tatsache, dass im Jahre 1992 ärztlicherseits eine Leberschädigung festgestellt worden sei und andererseits aus dem im Mai 2000, also nach Unterzeichnung des Fragebogens aufgetretenen Erbrechen und der deswegen erfolgten Arztkonsultation den Schluss gezogen habe, V. habe "die Zwischenzeit durchgehend als 'Kranksein' empfinden und verstehen müssen ..." (...).
5.
5.1
Soweit das kantonale Gericht aus den vom Gastroenterologen Dr. med. W. im Januar 1992 erhobenen pathologischen Leberbefunden sowie der im Mai 2000 wegen rezidivierendem Erbrechen erfolgten Konsultation des Chirurgen Dr. med. T. den Schluss gezogen hat, der Beschwerdeführer habe im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Gesundheitserklärung am 25. Januar 2000 sowie in den fünf Jahren davor an Alkoholismus gelitten und dadurch bedingte "sekundäre Gesundheitsschädigungen" (insbesondere Leberschädigung) aufgewiesen, ist diese Feststellung weder offensichtlich unrichtig noch rechtsfehlerhaft getroffen worden. Unter dem Blickwinkel von
Art. 105 Abs. 2
BGE 134 III 511 S. 517
BGG
nicht halten lässt sich dagegen die Annahme der Vorinstanz, angesichts der im Dezember 2000 eingetretenen vollständigen Arbeitsunfähigkeit müssten bereits im Januar 2000 "spürbare Beeinträchtigungen" vorhanden gewesen sein. Diese Feststellung entbehrt einer verlässlichen Grundlage in den medizinischen Akten; sie ist vielmehr rein spekulativ und damit willkürlich, sodass eine diesbezügliche Bindungswirkung des Bundesgerichts entfällt.
5.2
Die rechtserhebliche Frage, ob der Beschwerdeführer seine Alkoholabhängigkeit mit daraus resultierenden sekundären Gesundheitsschädigungen im Fragebogen der BVG-Stiftung als im Zeitraum 1995 bis 25. Januar 2000 bestandene "Krankheiten" hätte deklarieren müssen, hat die Vorinstanz allein aufgrund der im Jahre 1992 erhobenen Leber-Befunde sowie der bereits damals und erneut im Mai 2000 aus erwähnten Gründen (E. 4.1 hievor) erfolgten ärztlichen Behandlung bejaht. Diese Betrachtungsweise greift indessen zu kurz: Der Beschwerdeführer wusste im Januar 2000 wohl um seinen überdurchschnittlich hohen Alkoholkonsum oder hätte bei gebotener Sorgfalt zumindest darum wissen müssen. Dies bedeutet jedoch nicht ohne weiteres, dass er sich zugleich einer anzeigepflichtigen "Krankheit" bewusst war oder hätte sein müssen.
5.2.1
Die relevante Frage 7 auf dem Fragebogen der Beschwerdegegnerin - "Bestanden in den letzten 5 Jahren jemals Krankheiten ...?"- ist sehr umfassend und weit formuliert. Was unter "Krankheiten" zu verstehen ist (vorübergehende Erkrankungen üblicher Art, Krankheiten mit oder ohne Arbeitsunfähigkeit, ...?), geht daraus nicht hervor. Die Beschwerdegegnerin hätte den Krankheitsbegriff ohne weiteres durch konkrete, für den Laien verständliche Krankheitsbilder spezifizieren (betreffend Lumbago vgl.
BGE 101 II 339
E. 2b S. 343 f.) oder überhaupt nur nach solchen fragen können. Zudem stellte sie dem Aufnahmebewerber auf dem Fragebogen nur für den Fall der Bejahung einer Krankheit zwei Leerzeilen für deren Beschreibung zur Verfügung. Für den Fall der Negation der Gesundheitsfrage 7 liess sie dem zu Versichernden keinen Raum, um allfälligen Zweifeln über das Vorliegen einer ernsthaften Erkrankung oder einer passageren, belanglosen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens Ausdruck zu geben. Bei solch offengehaltenen Fragen ist eine Anzeigepflichtverletzung nach der Rechtsprechung zu
Art. 6 VVG
(in der bis Ende 2005 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung) nur restriktiv anzunehmen (vgl. SZS 1998 S. 376 f., B 42/96;
BGE 116 II 338
E. 1d S. 341: ["... avec la plus grande retenue"]; 101
BGE 134 III 511 S. 518
II 339 E. 2b S. 344; ferner Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 106/04 vom 6. Mai 2006, E. 5.2, und B 38/99 vom 18. September 2000, E. 3b).
5.2.2
Mit Blick auf den subjektiven Verständnishorizont des Beschwerdeführers (vgl. E. 3.3.3 hievor) ist zu berücksichtigen, dass alkoholabhängige Personen erfahrungsgemäss geradezu zwanghaft dazu neigen, ihre Sucht und deren gesundheitliche Langzeitfolgen so lange zu verharmlosen, als nicht gravierende, ihre Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigende Beschwerden auftreten. Zwar kann unter vertrauensrechtlichen Gesichtspunkten nicht auf ein solch enges Krankheitsverständnis abgestellt werden. In Anbetracht der weit gefassten Gesundheitsfrage (E. 5.2.1 hievor) durfte jedoch der ärztlicherseits als einfach strukturiert beschriebene Beschwerdeführer unter "Krankheiten" in guten Treuen nur solche Gesundheitsstörungen verstehen, die zu nicht ganz kurzfristigen Arbeitsunfähigkeiten und Absenzen vom Arbeitsplatz geführt hatten. Unter einer Krankheit in diesem Sinne hat er aber in den fünf Jahren von Januar 1995 bis Januar 2000 ausweislich der Akten nie gelitten: In der von Dr. med. I. dokumentierten Krankengeschichte sind - was vorinstanzlich nicht in Abrede gestellt wird - bezogen auf den Zeitraum von 1995 bis Januar 2000 insgesamt lediglich neun Hausarztkonsultationen - eine im Jahre 1995 (6. Mai 1995), drei im Jahre 1996 und fünf im Jahre 1997 - eingetragen. Soweit die handschriftlichen ärztlichen Notizen lesbar sind, betraf davon einzig die Konsultation vom 4. Januar 1996, für welche "vomitus matt." (vomitus matutinus) vermerkt ist, eine Gesundheitsstörung, die mit der Leberschädigung in Zusammenhang gebracht werden kann. Das morgendliche Erbrechen von Schleim (z.B. beim Alkoholiker infolge Oesophagitis und Gastritis; vgl. Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl., München und Jena 2003, S. 1951) war somit beim Beschwerdeführer bereits im Januar 1996 aufgetreten, in der Folge aber relativ rasch wieder abgeklungen, weil Dr. med. I. im Jahre 1996 und auch in den Folgejahren 1997, 1998 und 1999 nie mehr dieselbe oder eine ähnliche Gesundheitsstörung notiert hat. Des Weitern ist den Akten für den gesamten Zeitraum von Januar 1995 bis Januar 2000 keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsplatzabsenz zu entnehmen. Im Bericht des Dr. med. M., Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 12. November 1997 wurde gegenteils festgehalten, der Beschwerdeführer sei "recht indolent" und arbeite "körperlich schwer als Gipser". Erstmals beim Arbeitgeber krank gemeldet hat er sich am 7. Dezember 2000 nach bereits erfolgter Kündigung des Arbeitsverhältnisses per 22. Dezember 2000.
BGE 134 III 511 S. 519
5.2.3
Musste sich der Beschwerdeführer in den fünf Jahren vor dem Ausfüllen/Unterzeichnen des Fragebogens nur einmal wegen einer Gesundheitsstörung, in welcher er unter Umständen eine Folge seiner Alkoholsucht hätte erblicken müssen, in ärztliche Behandlung begeben und war bei ihm bis Januar 2000 kein nennenswerter Leistungsabfall als Gipser zu verzeichnen, kann ihm nach dem unter E. 5.2.2 hievor Gesagten keine Anzeigepflichtverletzung zur Last gelegt werden, wenn er die nicht eindeutige Frage nach dem Bestand von "Krankheiten" in den letzten fünf Jahren verneinte (vgl. auch Urteil B 106/04 vom 16. Mai 2006, E. 5.1).
5.3
Hinsichtlich der in der Gesundheitserklärung vom 25. Januar 2000 verneinten Frage 6 - "Beanspruchen Sie gegenwärtig eine ärztliche Behandlung?" - hat die Vorinstanz eine Anzeigepflichtverletzung verneint, was sowohl in tatsächlicher (
Art. 105 Abs. 2 BGG
) wie rechtlicher Hinsicht (
Art. 95 BGG
) standhält. Die in der Vernehmlassung der BVG-Stiftung dagegen erhobenen Einwände vermögen nichts daran zu ändern, dass der Beschwerdeführer nach Lage der Akten im Januar 2000 wie auch in den Monaten davor nicht in ärztlicher Behandlung stand (vgl. auch E. 5.2.2 hievor [...]); ebenso wenig hatte er - mangels ausgewiesener Beschwerden und feststellbarer Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit in jener Zeit - Anlass, gerade damals einen Arzt aufzusuchen.
5.4
Zusammenfassend hat die Vorinstanz mit der Bejahung einer Anzeigepflichtverletzung und eines berechtigten Rücktritts der BVG-Stiftung von den überobligatorischen Leistungen Bundesrecht verletzt. (...).
(Das Bundesgericht heisst die Beschwerde insoweit teilweise gut, als es den Anspruch auf eine Invalidenrente aus weitergehender Vorsorge bejaht). | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b079678d-be9e-4547-8cae-4e871f74808c | Urteilskopf
101 IV 162
41. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 24 avril 1975, dans la cause H. contre Ministère public du canton de Vaud | Regeste
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
; Veruntreuung einer vertretbaren Sache.
Eine vertretbare Sache gilt dann als anvertraut, wenn der Täter sie mit der Verpflichtung empfängt, sie nach ausdrücklichen oder stillschweigend geäusserten Abmachungen in bestimmter Weise im Interesse eines andern zu verwenden. Es ist belanglos, ob der Täter sie vom Verletzten oder von einem Dritten erhalten hat (Erw. 2 lit. a). | Sachverhalt
ab Seite 162
BGE 101 IV 162 S. 162
A.-
H. a ouvert en 1972 un magasin d'appareils électroménagers. En sus des ventes proprement dites, il a pris un certain nombre de commandes pour l'installation de cuisines, dont les fournitures et l'agencement devaient être exécutés par l'entreprise F. S.A. à Renens. Le paiement de ces prestations devait être effectué en mains de H., qui devait le rétrocéder à la maison F. S.A. après avoir prélevé une commission.
En diverses occasions, H. a procédé aux encaissements prévus, mais il a gardé tout ou partie de l'argent, soit environ 25'000 fr. au total. par-devers lui, l'utilisant à des fins non établies. H. s'est rapidement trouvé aux prises avec de graves difficultés financières; un sursis concordataire lui a été refusé; il est tombé en faillite le 14 mars 1974. La faillite a été sommairement liquidée le 8 avril 1974, conformément à l'art. 231 LP.
B.-
Le 25 novembre 1974, H. a été condamné par le Tribunal correctionnel du district de Nyon à quatre mois d'emprisonnement avec sursis pendant trois ans, pour abus de
BGE 101 IV 162 S. 163
confiance. Son recours a été rejeté le 17 janvier 1975 par la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois.
C.-
H. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il conclut à libération.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La Cour de cassation pénale est liée par les constatations de l'autorité cantonale de dernière instance (cf. art. 268 et 277bis PPF). Il s'ensuit que le recourant ne saurait ici tirer argument de la rédaction du jugement rendu contre lui par le Tribunal correctionnel du district de Nyon, pour soutenir qu'il agissait en réalité pour son compte à lui, comme entrepreneur ou vendeur indépendant, et non pour celui de F. S.A., cette entreprise ne constituant qu'un fournisseur créancier parmi d'autres.
2.
a) Contrairement à ce qui est prévu au premier alinéa de l'art. 140 CP, lorsque la chose confiée est fongible, il n'est pas nécessaire qu'elle soit la propriété d'autrui pour que son emploi illicite entraîne la répression pénale (art. 140 ch. 1 al. 2 CP; RO 90 IV 184 ss; STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, bes. Teil I, p. 175), sans quoi le mélange (art. 727 CC) suffirait à exclure l'infraction (HAFTER, Lehrbuch, bes. Teil I, p. 241). Dans ce cas, la chose est confiée aussitôt que l'auteur la reçoit - et en acquiert le cas échéant la propriété indépendamment de sa volonté - avec l'obligation de l'utiliser d'une manière particulière dans l'intérêt d'autrui, que ce soit pour la garder, l'administrer ou la livrer (RO 80 IV 55, 88 IV 18, 94 IV 139), selon des instructions qui peuvent être expresses ou tacites (RO 80 IV 153). Enfin, la chose confiée peut avoir été remise matériellement à l'auteur non seulement par la victime, mais également par un tiers (RO 70 IV 73, 75 IV 15, 94 IV 139, 98 IV 25; STRATENWERTH, op.cit., p. 172). Tel est le cas notamment lorsqu'un mandataire procède à un encaissement d'argent pour le compte du mandant.
b) In casu, il ressort des constatations souveraines de l'autorité cantonale que F. S.A. a mandaté le recourant pour que, moyennant une commission, il encaisse pour elle auprès de tiers les sommes lui revenant pour avoir installé ou agencé des cuisines à leur intention. Comme le recourant a gardé les montants ainsi perçus par-devers lui, l'hypothèse de l'art. 140
BGE 101 IV 162 S. 164
ch. 1 al. 2 CP est en tout cas réalisée objectivement. Que F. S.A. ait pu obtenir l'inscription d'hypothèques légales lui garantissant qu'elle sera finalement payée ne change rien à cela, car elle a dû ou devra vraisemblablement procéder pour obtenir satisfaction et subit de ce fait un dommage au moins temporaire, suffisant pour que l'infraction soit réalisée (cf. RO 77 IV 11).
Dès lors que par ailleurs l'autorité cantonale a constaté de façon définitive que le recourant savait qu'il devait utiliser d'une certaine manière les fonds perçus pour F. S.A. et qu'il a voulu les utiliser à son profit, c'est à juste titre qu'elle l'a reconnu coupable d'abus de confiance au sens de l'art. 140 ch. 1 al. 2 CP.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi. | null | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b082c1eb-5fc0-473d-af8d-d929604184df | Urteilskopf
119 Ia 81
13. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 6 mai 1993 dans la cause A., société en nom collectif, contre Commission cantonale d'arbitrage en matière de conflits du travail du canton du Valais (recours de droit public) | Regeste
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; Art. 29 ff. des Arbeitsgesetzes des Kantons Wallis (ArbG).
1. Die staatsrechtliche Beschwerde ist im vorliegenden Fall zulässig (E. 1a).
2. Der Begriff des "unabhängigen und unparteiischen Gerichts" im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(E. 3).
3. Das Schiedsgericht ist ein Spezialgericht, welches hinsichtlich seiner Zusammensetzung, der Ernennung seiner Mitglieder und seiner Organisation den Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
entspricht (E. 4a).
4. Im vorliegenden Fall verletzte die Prozessführung
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht; insbesondere hat die Funktion des Gerichtsschreibers in diesem Verfahren die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Schiedsgerichts nicht verletzt (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 82
BGE 119 Ia 81 S. 82
Le 8 mai 1991, Dame T. s'est adressée au Service social de protection des travailleurs et des relations du travail du canton du Valais (ci-après: le Service) au sujet du conflit l'opposant à son employeur, la société en nom collectif A. Elle a requis l'intervention de la Commission cantonale d'arbitrage en matière de conflits du travail (ci-après: la Commission d'arbitrage), en signant un formulaire officiel dûment rempli à la main par le fonctionnaire B. qui la recevait. Ce fonctionnaire a cité les parties pour une audience de conciliation qui s'est tenue sous son autorité le 17 juin 1991 et n'a pas abouti. Il a conduit l'instruction puis convoqué les parties pour le débat final fixé au 22 octobre 1991 devant la Commission d'arbitrage dont il a assumé le greffe. Dans sa décision rendue à l'issue des débats, la Commission d'arbitrage a rejeté les exceptions préjudicielles de la défenderesse concernant l'indépendance de la Commission d'arbitrage et la récusation du greffier. Elle a condamné la défenderesse à payer d'une part à la demanderesse un montant de 9'183.10 francs et d'autre part à la Caisse publique cantonale valaisanne de chômage un montant de 6'124.95 francs avec intérêts à 5% l'an dès le 30 septembre 1991.
Le Tribunal cantonal du Valais a déclaré irrecevable l'appel interjeté par la société A. contre cette décision.
Simultanément à l'appel cantonal, la société A. a formé un recours de droit public dans lequel elle conclut à l'annulation de la décision rendue le 22 octobre 1991 par la Commission d'arbitrage.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en ce qui concerne le grief tiré de la violation de l'
art. 6 par. 1 CEDH
.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Instituée par les art. 29 à 34 de la loi valaisanne du 16 novembre 1966 sur le travail (RSV no 1751; LTr), la Commission d'arbitrage est compétente pour trancher les contestations de droit civil résultant du contrat de travail soumises à la procédure sommaire
BGE 119 Ia 81 S. 83
par le droit fédéral (art. 29, 1re phrase LTr), soit tous les litiges résultant du contrat de travail dont la valeur litigieuse ne dépasse pas 20'000 francs et dont l'art. 343 al. 2, 1re phrase CO exige qu'ils soient soumis à une procédure simple et rapide. En dépit de ce que pourrait laisser penser la désignation de cette autorité, elle n'est pas un tribunal arbitral, mais un tribunal étatique. Elle statue en instance unique et le recours en réforme est exclu en vertu de l'
art. 48 al. 2 OJ
(
ATF 115 II 367
-369 consid. 2). C'est donc avec raison que la recourante agit par la voie du recours de droit public.
Le grief tiré d'une violation de l'
art. 6 par. 1 CEDH
ayant été soulevé devant l'autorité intimée, le recours répond à toutes les exigences de l'épuisement des instances cantonales au sens de l'
art. 86 al. 1 OJ
(cf.
ATF 117 Ia 495
consid. 2a).
3.
La recourante considère que la Commission d'arbitrage ne répondrait pas aux exigences du droit conventionnel à cause de sa subordination hiérarchique au gouvernement cantonal qui en désigne les membres, et du rôle joué par son greffier dans le déroulement de la procédure.
Aux termes de l'
art. 6 par. 1 CEDH
, toute personne a droit à ce que sa cause soit entendue équitablement, publiquement et dans un délai raisonnable, par un tribunal indépendant et impartial, établi par la loi, qui décidera, soit des contestations sur ses droits et obligations de caractère civil, soit du bien-fondé de toute accusation en matière pénale dirigée contre elle.
Est un "tribunal", au sens de cette norme, une autorité qui se caractérise par son rôle juridictionnel, consistant à résoudre le litige sur la base de normes juridiques à l'issue d'une procédure organisée (
ATF 115 Ia 186
consid. 4a, et les arrêts cités; cf. aussi ACEDH Sramek du 22 octobre 1984, Série A, vol. 84 par. 36). L'institution de tribunaux spéciaux n'est pas en soi contraire à l'
art. 6 par. 1 CEDH
, pour autant que leur compétence et leur organisation sont régies par un arrêté de portée générale et que des motifs objectifs justifient leur mise en oeuvre et leur composition (
ATF 117 Ia 381
consid. 4b).
L'indépendance et l'impartialité à l'égard des autres pouvoirs d'Etat et des parties que requiert le droit conventionnel de même que l'
art. 58 Cst.
(
ATF 115 Ia 187
consid. 4b,
ATF 114 Ia 54
) doivent être favorisées par des règles organiques, telles que le statut personnel des membres de la juridiction concernée et les règles de procédure qu'elle doit suivre pour rendre ses décisions (ACEDH Belilos, du 29 avril 1988, Série A, vol. 132 par. 64, Langborger, du 22 juin 1989, Série A, vol. 155 par. 32). Le tribunal doit statuer sans recevoir
BGE 119 Ia 81 S. 84
d'instructions ou de recommandations (ACEDH Campbell et Fell, du 28 juin 1984, Série A, vol. 80 par. 79, Ettl et consorts, du 23 avril 1987, Série A, vol. 117 par. 38). L'apparence d'indépendance et d'impartialité aux yeux des parties est un élément décisif (ACEDH Sramek, cité, par. 42; Campbell et Fell, cité, par. 78 et 81; Belilos, cité, par. 67). Que le tribunal compte en son sein des assesseurs spécialisés ou des échevins n'est, en soi, pas de nature à remettre en cause son indépendance (
ATF 117 Ia 381
consid. 4b,
ATF 115 Ia 230
consid. 7a/bb; ACEDH Ringeisen du 16 juillet 1971, Série A, vol. 13 par. 95-97, Ettl et consorts, cité, par. 40, et Langborger, cité, par. 34). Celle-ci est toutefois compromise lorsqu'un fonctionnaire siégeant au sein du tribunal est subordonné à l'une des parties, en raison notamment d'un état de subordination de fonctions et de services (ACEDH Sramek, cité, par. 41-42; Ettl et consorts, cité, par. 38). Pour ce qui concerne le domaine pénal visé par l'
art. 6 par. 1 CEDH
, le Tribunal fédéral a jugé que la disposition du droit cantonal selon laquelle le greffier fonctionne successivement au cours de l'enquête pénale puis au sein de l'autorité de jugement viole la Convention, tout au moins dans la mesure où elle permet à un greffier juriste qui a participé à des actes importants de l'instruction de siéger au sein d'un tribunal composé en majorité de laïcs et de rédiger le jugement (
ATF 115 Ia 227
ss consid. 7).
Le droit à un juge indépendant et impartial fait aussi obstacle à ce que des circonstances extérieures au procès puissent influer sur le jugement d'une manière qui ne serait pas objective, en faveur ou au préjudice d'une partie: celui qui se trouve sous de telles influences ne peut être un "juste médiateur". Cette garantie est assurée en premier lieu par les règles cantonales relatives à la récusation. Mais, indépendamment de ces dispositions cantonales, la Convention et la Constitution garantissent à chacun que seuls des juges qui ne font pas d'acception de personne statuent sur son litige, en d'autres termes des juges qui offrent la certitude d'une appréciation indépendante et impartiale. Si la simple affirmation de la partialité ne suffit pas, mais doit reposer sur des faits objectifs, il n'est pas nécessaire non plus que le juge soit effectivement prévenu à l'égard d'un des plaideurs; la suspicion est déjà légitime si elle se fonde sur des apparences résultant des circonstances de l'espèce examinées objectivement (
ATF 117 Ia 325
/326, 116 Ia 18/19 consid. 4, 390/391 consid. 2a,
ATF 115 Ia 175
consid. 3, 226 consid. 5, et les arrêts cités). Cette apparence de prévention résultera par exemple de déclarations, faites avant la délibération du tribunal, qui laisseraient à penser que le juge
BGE 119 Ia 81 S. 85
s'est déjà formé une opinion sur l'issue à donner au litige (
ATF 115 Ia 181
).
4.
Il convient d'examiner, en premier lieu, si le système établi par le législateur valaisan aux art. 29 à 34 LTr répond à ces exigences et, en second lieu, si celles-ci ont été respectées en l'espèce. Ces garanties sont applicables au litige dont le règlement est prévu dans ces dispositions du droit cantonal, car les différends relatifs à la résiliation d'un contrat de travail portent sur des droits de caractère civil au sens du droit conventionnel (ACEDH Bucholz du 6 mai 1981, Série A, vol. 42 par. 46), et l'application de l'
art. 6 par. 1 CEDH
en Suisse ne fait plus l'objet d'aucune réserve (arrêt F., du 17 décembre 1992, destiné à la publication).
a) La Commission d'arbitrage est composée d'un président, juriste de formation, d'un assesseur patronal et d'un assesseur ouvrier, ainsi que de trois suppléants. Il s'agit là d'un tribunal spécial établi par la loi pour trancher les contestations qui sont portées devant lui suivant une procédure orale et accélérée et en principe dans les trente jours. Nul ne prétend que la présence, aux côtés du président juriste, de deux assesseurs proposés respectivement par les milieux d'employeurs et d'employés soit de nature à porter atteinte à l'indépendance et à l'impartialité de cette juridiction. Les membres de celle-ci sont nommés par le Conseil d'Etat, et cela pour la période administrative de quatre ans. Ce mode de nomination et la soumission à réélection au terme d'un délai relativement court ne suffisent pas pour conclure à la subordination de la Commission d'arbitrage à l'égard du Conseil d'Etat. On doit en effet présumer la capacité des membres d'un tribunal de s'élever au-dessus de telles contingences lorsqu'ils sont appelés à rendre des décisions concrètes dans l'exercice de leur charge. Au demeurant, l'Etat n'est partie à la procédure. Qu'il soit investi des tâches de protection des travailleurs n'est nullement décisif puisque la Commission d'arbitrage statue en toute indépendance, sans recevoir d'instructions et en appréciant librement les questions pertinentes de fait et de droit qui se posent à elle (
art. 32 al. 6 LTr
). Il est, partant, sans importance qu'elle ait son siège dans les locaux du Service de protection des travailleurs, que ses décisions soient rédigées sur un papier portant l'en-tête du Département compétent dans ce domaine et que son compte bancaire soit le même que celui de ce dernier. Ce sont là des modalités pratiques d'organisation dans lesquelles on ne saurait voir un indice déterminant d'une subordination quelconque dans l'exercice de tâches juridictionnelles.
BGE 119 Ia 81 S. 86
Le secrétariat de la Commission d'arbitrage est assuré par le Service de protection des travailleurs auquel sont confiées la conciliation et l'instruction des causes. Selon une pratique constante, les requêtes sont elles-mêmes dressées sur un formulaire que remplit le secrétaire sur la base des indications qui lui sont données par la partie demanderesse. Lorsque la conciliation échoue, le secrétariat invite les parties à formuler d'une manière précise l'objet de leur réclamation et procède d'office à toutes les enquêtes nécessaires pour établir les faits pertinents. Il peut lui-même ordonner une expertise, s'il l'estime nécessaire, et préciser les points sur lesquels les experts doivent donner leur avis. Cette procédure est orale, accélérée et gratuite. A l'issue de l'échange des écritures ou de l'instruction, les parties sont convoquées par le secrétariat, pour le jugement, devant la Commission d'arbitrage. Celle-ci, qui apprécie librement les preuves, n'est pas liée par les "offres" des parties. Elle rend son jugement conformément aux
art. 270 et 270bis CPC
/VS. Le jugement est rédigé par le secrétariat du Service représenté par le fonctionnaire qui a conduit la procédure jusque-là. Ce fonctionnaire a la charge de greffier, et, dans la plupart des cas, le rôle de rapporteur. Les tâches confiées à ce fonctionnaire sont donc importantes et peuvent être comparées, jusqu'au moment où les parties sont citées devant l'autorité de jugement, à celles qu'exerce en matière pénale un juge d'instruction. Il n'est de surcroît pas exclu que ce fonctionnaire joue un rôle déterminant dans la formation de la décision de la Commission d'arbitrage lorsque celle-ci le désigne comme rapporteur. Cette circonstance ne serait pas admissible dans un procès pénal où l'Etat, dont ce fonctionnaire est l'agent, est partie comme responsable de l'accusation (cf.
ATF 115 Ia 224
). Mais dans une procédure civile conduite entre des particuliers, ces circonstances ne permettent pas de conclure à la partialité de l'autorité de jugement, même s'il n'est pas clair, selon le texte de l'
art. 32 al. 6 LTr
, que la Commission d'arbitrage administre elle-même des preuves complémentaires comme le font les tribunaux civils ordinaires sur la base de l'
art. 268 CPC
/VS.
Il résulte de ce qui précède que la procédure sommaire exigée par le droit fédéral pour les contestations de droit civil résultant d'un contrat de travail dont la valeur litigieuse n'excède pas 20'000 francs n'est pas contraire à l'
art. 6 par. 1 CEDH
telle qu'elle a été aménagée par le législateur valaisan aux art. 29 à 34 LTr.
BGE 119 Ia 81 S. 87
b) En l'espèce, le secrétariat a conduit toute la procédure antérieure au débat final et a fonctionné au cours de celui-ci en qualité de greffier auprès de l'autorité de jugement.
Ce fonctionnaire - qui n'est pas juriste de formation - a reçu la demanderesse qui s'adressait au Service pour contester la résiliation de son contrat de travail. C'est sur les indications de celle-ci qu'il a rempli le formulaire officiel de requête à la Commission d'arbitrage. Aucun élément du dossier ne permet de dire que, ce faisant, il ait conseillé la demanderesse sur des questions matérielles ou qu'il ait pris parti d'emblée pour la thèse qu'elle défendait. La teneur de la formule officielle fait au contraire apparaître qu'il a simplement mis en forme les prétentions exposées dans la lettre que la demanderesse avait adressée à son employeur après son licenciement jugé abusif. Son intervention, à ce stade, n'excède pas son obligation légale de faciliter l'accès des citoyens à la justice dont le fonctionnement est réglé par les art. 29 à 34 LTr.
Ce secrétaire a ensuite présidé l'audience de conciliation qui a échoué. Il semble avoir, en cette circonstance, exprimé l'avis que, sur le fond, la demanderesse devait obtenir gain de cause. La forme exacte de cette déclaration n'est pas connue. Quoi qu'il en soit, l'indépendance et l'impartialité d'une autorité de jugement ne sont pas nécessairement affectées par les déclarations qui sont faites par le magistrat qui dirige la procédure lorsque intervient une tentative de conciliation ou de liquidation transactionnelle d'un différend civil. Il est normal que le magistrat dont les parties attendent souvent qu'il les aide à rechercher une solution amiable à leur litige émette son point de vue sur les chances de succès des thèses respectives qu'elles soutiennent dans la procédure. Dans les circonstances ordinaires, un tel avis n'est pas de nature à faire naître dans l'esprit d'une partie que le juge ne la traitera pas en toute impartialité.
La manière dont la suite de la procédure a été conduite n'autorise pas davantage le Tribunal fédéral à dire que le greffier a manqué à l'objectivité dont il avait le devoir de faire preuve, au point que la Commission d'arbitrage auprès de laquelle il a fonctionné en ait perdu l'indépendance et l'impartialité requises par l'
art. 6 par. 1 CEDH
.
Le grief tiré de cette disposition n'est donc pas fondé. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b08631e2-4419-4e5d-b244-193d32f193e6 | Urteilskopf
100 II 245
36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Juli 1974 i.S. Nägeli gegen Büchi | Regeste
Die Indexierung von Renten für geschiedene Ehegatten nach
Art. 152 und
Art. 151 Abs. 1 ZGB
, soweit sie Ersatz für den verlorenen ehelichen Unterhaltsanspruch darstellen, durch den Richter ist grundsätzlich zulässig (Änderung der Rechtsprechung). Sie darf aber nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass der Pflichtige in den Genuss des vollen Teuerungsausgleichs gelangt. Die Abänderungsklage gemäss
Art. 153 Abs. 2 ZGB
bleibt vorbehalten (Erw. 3-6).
Ist die Scheidung in Rechtskraft erwachsen, bevor die vermögensrechtlichen Folgen geregelt wurden, muss die Kapitalabfindung nach
Art. 151 ZGB
erst verzinst werden, wenn ihre Höhe rechtskräftig festgesetzt worden ist (Erw. 7). | Sachverhalt
ab Seite 246
BGE 100 II 245 S. 246
A.-
Das Kantonsgericht Zug schied am 3. Juli 1970 die Ehe der Parteien in Gutheissung der Klage des Ehemannes gestützt auf
Art. 142 ZGB
und in Gutheissung der Widerklage der Ehefrau gestützt auf
Art. 137 ZGB
. Das der Ehe entsprossene Kind wurde unter die elterliche Gewalt der Beklagten gestellt, während ihre Begehren um Zusprache einer monatlichen Dauerrente von Fr. 2000.-- sowie einer Entschädigung von Fr. 200 000.-- abgewiesen wurden.
Die Beklagte erklärte Berufung an das Obergericht des Kantons Zug und verlangte die Scheidung der Ehe gestützt auf ihr Begehren sowie die Erhöhung der Unterhaltsbeiträge für den Sohn; ferner beantragte sie, den Kläger zu verpflichten, ihr eine Dauerrente von monatlich Fr. 2000.-- sowie eine Entschädigung und Genugtuung von Fr. 200 000.-- zu bezahlen. Das Obergericht hiess die Berufung mit Urteil vom 16. Februar 1971 bezüglich der Unterhaltsbeiträge für das Kind gut; im übrigen wies es die Berufung ab.
Die Beklagte zog dieses Urteil an das Bundesgericht weiter, welches die Berufung am 2. Dezember 1971 teilweise guthiess, die Scheidungsklage des Ehemannes abwies und mit Bezug auf die Ansprüche der Beklagten aus
Art. 151 Abs. 1 ZGB
die Sache zur Ergänzung und zur Ausfällung eines neuen Entscheides an das Obergericht zurückwies. Das Bundesgericht nahm im Gegensatz zum Obergericht an, die Beklagte sei schuldlos im Sinne von
Art. 151 ZGB
.
B.-
Das Obergericht führte ergänzende Erhebungen zur Abklärung der finanziellen Lage der Parteien durch und gab diesen Gelegenheit, sich dazu schriftlich zu äussern. Am 4. Dezember 1972 forderte der Anwalt der Beklagten in seiner Vernehmlassung:
"a. monatliche Dauerrente von Fr. 2000.-- versehen mit der Indexklausel gemäss geltender Gerichtspraxis,
b. Entschädigung nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
Fr. 199 000.--, nachdem die Genugtuungsforderung abgewiesen wurde (Reduktion demnach von Fr. 200 000.-- um Fr. 1000.-- auf Fr. 199 000.--) nebst Zins zu 5% seit 29.8.1971 (Rechtskraft des Scheidungsurteils)."
BGE 100 II 245 S. 247
Am 20. November 1973 fand vor Obergericht eine neue Verhandlung statt. Die Beklagte liess dabei das Begehren stellen, es sei ihr eine monatliche Dauerrente von Fr. 2000.--, versehen mit der Indexklausel gemäss geltender Gerichtspraxis, d.h. eine jeweilige Anpassung bei einer Erhöhung des Indexes um 10%, sowie eine Entschädigung von Fr. 199 000.-- nebst Zins zuzusprechen.
Der Kläger beantragte unter anderem die Gewährung einer monatlichen Rente von Fr. 750.-- und einer Kapitalabfindung von Fr. 50 000.-- an die Beklagte. Er bezeichnete das Begehren um Indexierung als prozessual und materiell unzulässig.
Das Obergericht des Kantons Zug fällte am 8. Januar 1974 folgendes Urteil:
"In Abänderung des obergerichtlichen Urteils vom 16. Februar 1971 wird der Berufungsbeklagte verpflichtet, der Berufungsklägerin ab Rechtskraft dieses Urteils eine einmalige Kapitalabfindung im Betrage von Fr. 199 000.-- sowie eine monatliche Dauerrente von Fr. 2000.-- zu bezahlen.
Der Betrag der Rente basiert auf dem Landesindex der Konsumentenpreise, Stand Ende November 1973 (146.1 Punkte); er ist je auf den 1. Januar jeden Jahres dem Landesindex Ende November des Vorjahres anzupassen, erstmals auf den 1. Januar 1975."
Das Obergericht nahm an, dass die Indexierung nicht nur für Unterhaltsbeiträge an Kinder (
BGE 98 II 257
ff.), sondern auch für solche an den geschiedenen Ehegatten zulässig sein müsse, gehe es doch darum, den künftigen Ausfall des ehelichen Unterhalts zu decken. Dies wäre jedoch bei der heutigen galoppierenden Inflation ohne Indexierung des Unterhaltsbeitrages nicht der Fall. Es könne nicht die Meinung des Gesetzgebers gewesen sein, Renten im Sinne von
Art. 151 ZGB
einem derartigen Kaufkraftschwund auszuliefern, wie er heute bestehe. Die herrschende Inflation, verbunden mit der zahlenmässigen Erhöhung des Einkommens des Klägers, das sich regelmässig der Teuerung anpasse, würde zu einem derart stossenden Missverhältnis führen, dass die Ablehnung der Indexierung der Rente als rechtsmissbräuchlich erscheinen müsste.
Das Begehren der Beklagten um Verzinsung der Kapitalabfindung vom 29. August 1971 bzw. vom 2. Dezember 1971 an wurde mit der Begründung abgelehnt, die zugesprochenen Entschädigungsleistungen nach
Art. 151 ZGB
würden erst mit
BGE 100 II 245 S. 248
dem unbenützten Ablauf der Rechtsmittelfrist dieses Verfahrens rechtskräftig.
C.-
Der Kläger legt gegen das Urteil des Obergerichts vom 8. Januar 1974 beim Bundesgericht Berufung ein. Er stellt den Antrag, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2000.-- für die Beklagte indexiert habe (Ziffer 1 Absatz 2 des Urteilsdispositivs).
D.-
Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und erklärt Anschlussberufung mit dem Begehren, das Urteil des Obergerichts vom 8. Januar 1974 sei in dem Sinne abzuändern, dass der Kläger die der Beklagten zugesprochene Kapitalabfindung von Fr. 199000.-- mit 5% seit dem 29. August 1971 bzw. 2. Dezember 1971 zu verzinsen habe.
E.-
Der Kläger stellt den Antrag, die Anschlussberufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
...
2.
3.- Das Obergericht hat die der Beklagten zugesprochene Rente mit einer Indexklausel versehen. Der Kläger macht mit seiner Berufung geltend, die Vorinstanz habe dadurch Art. 151 in Verbindung mit
Art. 153 Abs. 2 ZGB
verletzt. Er beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, die bisher weder zugelassen hat, dass die geschiedenen Ehegatten zugesprochenen Renten bei veränderten Verhältnissen nachträglich erhöht, noch dass sie im Scheidungsurteil selbst indexiert werden. Es stellt sich somit die Frage, ob an dieser Praxis festzuhalten sei.
4.
a) Gemäss
Art. 153 Abs. 2 ZGB
können Bedürftigkeitsrenten im Sinne von
Art. 152 ZGB
auf Verlangen des pflichtigen Ehegatten aufgehoben oder herabgesetzt werden, wenn die Bedürftigkeit nicht mehr besteht oder in erheblichem Masse abgenommen hat sowie wenn die Verhältnisse des Pflichtigen der Höhe der Rente nicht mehr entsprechen. Die dem geschiedenen Ehegatten gestützt auf
Art. 151 ZGB
zugesprochene Rente ist dagegen grundsätzlich unabänderlich. Zur Vermeidung von Härten hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung
BGE 100 II 245 S. 249
allerdings zugelassen, dass auch eine Rente nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
herabgesetzt oder aufgehoben werden kann, wenn die Lage des Pflichtigen sich wesentlich verschlechtert hat, soweit diese Rente für den Verlust des Unterhaltsanspruches zuerkannt wurde (
BGE 71 II 7
ff. und
BGE 80 II 188
). Eine weitergehende Anwendung von
Art. 153 Abs. 2 ZGB
auf Renten nach
Art. 151 ZGB
wurde jedoch abgelehnt, weil dies dem Schadenersatzcharakter dieser Rente widersprechen würde (HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 144).
b) Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten, die Auslegung der
Art. 151-153 ZGB
führe zum Schluss, dass sowohl die Bedürftigkeitsrente nach Art. 152 als auch die Unterhaltsrente nach
Art. 151 ZGB
nur der nachträglichen Herabsetzung und Aufhebung auf Verlangen des Pflichtigen, nicht aber der Erhöhung auf Verlangen des Berechtigten unterliege (
BGE 80 II 191
). Es beruhe nicht auf einem Versehen, dass
Art. 153 Abs. 2 ZGB
nur von der Herabsetzung und nicht auch von der Erhöhung des Beitrages spreche. Das ergebe sich namentlich aus der Regelung der Unterhaltsbeiträge für Kinder aus geschiedener Ehe und für aussereheliche Kinder. In diesen beiden Fällen lasse das Gesetz gemäss
Art. 157 und 320 ZGB
eine Erhöhung zu, weil hier die der Unterhaltspflicht zugrunde liegende Rechtsbeziehung, das Kindesverhältnis, fortbestehe. Nach ausgesprochener Scheidung seien dagegen die durch die Ehe geschaffenen Bande endgültig gelöst und würden keine Wirkungen mehr entfalten (
BGE 77 II 25
). Dementsprechend hat es das Bundesgericht abgelehnt, eine Rentenerhöhung zuzulassen, obwohl durch das Sinken der Kaufkraft des Geldes die geschiedene Frau einen um 70% höheren Betrag aufwenden musste, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und der Pflichtige den vollen Teuerungsausgleich erhielt (
BGE 51 II 19
ff.). In
BGE 77 II 28
Erw. 2 erklärte das Bundesgericht, das Gesetz habe absichtlich auch das Risiko eines Kaufkraftschwundes des Geldes dem Rentenberechtigten überbunden.
Eine Ausnahme vom erwähnten Grundsatz hat das Bundesgericht nur zugelassen, wenn die Rente sich beim Eintritt eines bestimmten, nach den Umständen des konkreten Falles sicher voraussehbaren Ereignisses auf einen für diesen Fall zum voraus festgesetzten Betrag erhöhen soll. Diese Möglichkeit, eine
BGE 100 II 245 S. 250
künftige, ziffernmässig fixierte Erhöhung der Unterhalts- und Bedürftigkeitsrente anzuordnen, bleibt dem Scheidungsrichter vorbehalten. So kann er beispielsweise eine bestimmte Erhöhung für den Zeitpunkt vorsehen, da die rentenberechtigte Frau ihren Beruf nicht mehr ausüben kann. Ein allgemeiner Vorbehalt, wonach die geschiedene Frau bei wesentlicher Verschlechterung ihrer Erwerbsfähigkeit eine Erhöhung ihrer Rente verlangen könne, ist indessen nach der Rechtsprechung nicht zulässig (
BGE 89 II 1
f.,
BGE 80 II 191
f.,
BGE 79 II 136
und
BGE 77 II 27
). In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht ausdrücklich erklärt, dass dem Richter nicht die Befugnis zukomme, dem rentenberechtigten Ehegatten Anspruch auf eine dem Lebenskostenindex automatisch folgende Rente zu gewähren. Im konkreten Fall wurde die Anpassung der Rente bei Steigen oder Fallen des Lebenskostenindex um je 10% abgelehnt (
BGE 79 II 136
; siehe auch das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 27. Februar 1953 i.S. Pruschy c. Kind, Erw. 4). Das Bundesgericht erblickte in der Indexierung der Rente im Scheidungsurteil eine Umgehung von
Art. 153 Abs. 2 ZGB
.
Dagegen wurde es von der Rechtsprechung als zulässig erachtet, dass die Indexierung einer Unterhalts- oder Bedürftigkeitsrente oder ihre spätere Erhöhung im Rahmen einer Scheidungskonvention von den Parteien vereinbart und vom Gericht genehmigt wird (
BGE 80 II 192
/93 und
BGE 77 II 28
Erw. 3).
c) In
BGE 98 II 257
ff. hat das Bundesgericht die Indexierung von Unterhaltsbeiträgen für eheliche oder aussereheliche Kinder durch den Richter als grundsätzlich zulässig bezeichnet. Dabei ging es davon aus, dass die
Art. 157 und 320 ZGB
im Falle einer Veränderung der Verhältnisse nicht bloss eine Herabsetzung, sondern auch eine Erhöhung der Alimente erlauben und das Rechtsverhältnis, auf dem die Pflicht zur Leistung solcher Beiträge beruht, während der ganzen Dauer der Beitragspflicht weiter besteht. Kann aber eine nachträgliche Erhöhung der Alimente verlangt werden, muss auch die Aufnahme einer Indexklausel in das die Kinderalimente festsetzende Urteil gestattet sein. Die Indexierung der Alimente vermag eine spätere Abänderungsklage, die in der Regel mit erheblichen Kosten und Umtrieben verbunden sein wird, in vielen Fällen unnötig zu machen, so dass ihre Zulassung einem echten Bedürfnis entspricht. Voraussetzung für die Indexierung
BGE 100 II 245 S. 251
ist aber in jedem Fall, dass der Pflichtige selber auf seinem Einkommen den vollen Teuerungsausgleich erhält.
Das Bundesgericht hat in diesem Urteil auch die Frage nach der Indexierung der einem geschiedenen Ehegatten zugesprochenen Unterhaltsbeiträge aufgeworfen (
BGE 98 II 259
lit. c), jedoch dazu nicht abschliessend Stellung genommen.
5.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage der Indexierung der Unterhaltsbeiträge für den geschiedenen Ehegatten gemäss Art. 151/52 ZGB wurde in der Literatur mehrfach kritisiert.
a) MERZ, N. 208 zu
Art. 2 ZGB
, verweist auf den Sondercharakter der Unterhalts- und Unterstützungspflichten des Familienrechts, der nicht dadurch verloren gehe, dass diese Pflichten im Hinblick auf die Vollstreckbarkeit in Geld ausgedrückt werden. Es handle sich in Wirklichkeit um Sachleistungspflichten, die nur die äussere Hülle von Geldschulden trügen. Solche Ansprüche könnten regelmässig den wechselnden Unterhaltskosten angepasst werden. Wo das nicht gesetzlich vorgesehen sei, müsse die Anpassung obligationsgemäss gleichwohl gewährt werden. Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Praxis zur Bedürftigkeits- und zur Unterhaltsrente bei Scheidungen neu zu überprüfen. Der Ausschluss der Indexklausel sei bei zunehmender Geldentwertung kaum mehr vertretbar. Einer Berufung auf
Art. 153 Abs. 2 ZGB
bedürfe es nicht, soweit die Rente Ausdruck eines nachwirkenden Unterhaltsanspruchs sei und damit Sachleistungscharakter habe (siehe auch MERZ, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1963, ZBJV 1964 S. 438/39).
b) HINDERLING, a.a.O., führt auf S. 149/50 aus, stetes Schwinden der Kaufkraft des Geldes, verbunden mit entsprechender zahlenmässiger Erhöhung des Einkommens des Pflichtigen, könne zu einem derart stossenden Missverhältnis führen, dass der Widerstand gegen die Erhöhung einer nach Art. 152 oder auch - soweit es sich um Ersatz für ehelichen Unterhalt handle - nach
Art. 151 ZGB
zugesprochenen Rente als rechtsmissbräuchlich erscheine. Anschliessend kritisiert der Autor
BGE 79 II 136
, wo die Indexierung einer Rente des geschiedenen Ehegatten für den Fall eines Steigens oder Fallens des Lebenskostenindex um je 10% abgelehnt wurde. Er befürwortet die Zulassung der Indexierung, sofern eine entsprechende künftige Erhöhung des Einkommens des
BGE 100 II 245 S. 252
Pflichtigen mit Sicherheit anzunehmen sei. In seinem Supplement (S. 94) vertritt HINDERLING die Auffassung, es sei unbedenklich zu bejahen, dass auch Bedürftigkeits- und Unterhaltsrenten im Verhältnis zwischen geschiedenen Ehegatten mit entsprechenden Indexklauseln versehen werden dürften, auch wenn eine nachträgliche Erhöhung solcher Renten unter keinem Gesichtspunkt zugelassen werden sollte.
c) EGGER, N. 8 zu
Art. 153 ZGB
, schliesslich bezeichnet die Rechtsprechung des Bundesgerichts und der kantonalen Gerichte zu
Art. 153 Abs. 2 ZGB
als zu starr.
6.
a) Nach seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesgericht die Indexierung der dem geschiedenen Ehegatten gestützt auf Art. 151/52 ZGB zugesprochenen Rente aus zwei Gründen abgelehnt, nämlich einerseits im Hinblick auf
Art. 153 Abs. 2 ZGB
, der unter bestimmten Voraussetzungen lediglich die Aufhebung oder Herabsetzung einer Bedürftigkeitsrente gestattet, und anderseits auf Grund der Tatsache, dass die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen an einen geschiedenen Ehegatten auf einem nicht mehr bestehenden Rechtsverhältnis beruht (
BGE 98 II 258
lit. a). Das Bundesgericht hat daraus den Schluss gezogen, dass eine Rente nach Art. 151/52 ZGB, abgesehen vom Vorbehalt des
Art. 153 Abs. 2 ZGB
, nachträglich nicht mehr geändert und damit auch nicht mit einer Indexklausel versehen werden dürfe.
Diese Betrachtungsweise hält einer erneuten Prüfung nicht stand. Die Antwort auf die Frage, ob eine dem geschiedenen Ehegatten zugesprochene Rente indexiert werden darf, hängt wesentlich von der Natur dieser Rente ab. Es trifft zu, dass die Rente nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
primär eine Schadenersatzleistung ist, indem sie einen Ersatz für die durch die Scheidung entgangenen Vermögensrechte und Anwartschaften bilden soll. Daneben kann sie aber auch die Funktion haben, der geschiedenen Frau Ersatz für den verlorenen Unterhaltsanspruch durch den Mann zu gewähren. Soweit die Rente in diesem Sinne Ausdruck eines nachwirkenden Unterhaltsanspruches ist, kommt ihr Sachleistungscharakter zu, wie MERZ, N. 208 zu
Art. 2 ZGB
, richtig festgehalten hat. Das Bundesgericht hat den Sachleistungscharakter der Entschädigung und damit der Rente nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
in
BGE 80 II 102
ff. ebenfalls bejaht. Diese Sachleistung, bestehend im wenigstens teilweisen Ersatz des entgangenen Unterhaltsanspruchs,
BGE 100 II 245 S. 253
würde jedoch durch eine starke Geldentwertung innerlich ausgehöhlt. Wird die Rente mit einer Indexklausel versehen, so bedeutet dies nur eine nominale Veränderung, materiell wird die Rente lediglich wertbeständig gestaltet und damit in ihrer Substanz erhalten. So betrachtet liegt in der Indexierung kein Verstoss gegen
Art. 153 Abs. 2 ZGB
. Diese Bestimmung behält ihre Bedeutung, indem eine reale Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten nicht zu einer Erhöhung der Rente führen darf. Es bleibt auch der Unterschied zu den Kinderalimenten, die im Gegensatz zu den Ehegattenrenten bei Veränderung der Verhältnisse nicht nur herabgesetzt, sondern auch erhöht werden dürfen, weil das Rechtsverhältnis, auf dem die Leistungspflicht beruht, während deren ganzen Dauer weiterbesteht (
BGE 98 II 259
lit. d).
MERZ (N. 208 zu
Art. 2 ZGB
) war schon im Jahre 1962 der Auffassung, der Ausschluss der Indexklausel sei bei zunehmender Geldentwertung kaum mehr vertretbar. Nachdem die jährliche Inflationsrate in den letzten Jahren gegen 10% betrug, entspricht die Zulassung der Indexierung für Scheidungsrenten ebenso einem Bedürfnis wie diejenige der Kinderalimente. Eine Unterhaltsrente würde ihre Bedeutung und Funktion weitgehend verlieren, wenn sie in wenigen Jahren auf einen Bruchteil ihres Wertes sinken und möglicherweise nicht einmal mehr den Notbedarf des Berechtigten decken würde, worauf dieser, sofern der Pflichtige leistungsfähig ist, Anspruch hat (
BGE 96 II 304
).
Zulässig ist eine Indexierung der Rente gegen den Willen des Verpflichteten allerdings nur, wenn die bestimmte Voraussicht besteht, dass auch das Einkommen des Pflichtigen der Teuerung laufend angeglichen wird. Andernfalls müsste der Pflichtige einen verhältnismässig grösseren Teil seines Einkommens für die Rente aufwenden, als dies ursprünglich der Fall war. Das käme einer unzulässigen Erhöhung der Rente gleich. Erhält dagegen ein Arbeitnehmer oder Selbständigerwerbender regelmässig den vollen Teuerungsausgleich, wie dies in den letzten Jahren üblich war, so wird durch die Bindung der Rente an den Lebenskonstenindex lediglich eine Entwicklung berücksichtigt, die auf Grund der Erfahrung mit einiger Sicherheit vorauszusehen ist. Besonderen Fällen kann durch Ablehnung oder eine andere Gestaltung der Indexklausel Rechnung getragen werden. Vorbehalten bleibt in allen
BGE 100 II 245 S. 254
Fällen die nachträgliche Änderung des Urteils im Rahmen von
Art. 153 Abs. 2 ZGB
bei realen Veränderungen der Verhältnisse.
Solange in der gesamten übrigen Wirtschaft die Teuerung voll ausgeglichen wird, ist nicht einzusehen, weshalb die Renten für geschiedene Ehegatten davon ausgenommen sein sollen. Beispielsweise werden sämtliche Renten der SUVA und der Militärversicherung sowie die Renten der staatlichen Pensionsversicherungen regelmässig der Teuerung angepasst. Selbst den Rentnern der AHV und der Invalidenversicherung wird - abgesehen von dem in den letzten Jahren erfolgten Ausbau dieser Sozialwerke - ein gewisser Teuerungsausgleich gewährt. Dass sich die Geldentwertung für Sparer und einzelne Rentnerkategorien ungerecht auswirkt, ist kein Grund, auch die Bezüger von Scheidungsrenten dem gleichen Unrecht auszusetzen. Wenn im übrigen Schadenersatzrecht bisher die Indexierung von Renten nicht üblich war, so ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Rechtsgebiet selten Renten, sondern viel häufiger Kapitalentschädigungen gewährt werden, bei deren Festsetzung übrigens bereits heute auf die künftige Einkommensentwicklung, soweit sie voraussehbar ist, Rücksicht genommen wird (
BGE 89 II 399
; OFTINGER, Haftpflichtrecht, Bd. I S. 183). Fällt jedoch die Zusprechung von Renten in Betracht, so wird sich auch bei diesen die Frage nach der Indexierung stellen (MERZ, N. 209 zu
Art. 2 ZGB
).
Gewiss bestünde an sich die Möglichkeit, im Einzelfall die Berufung auf die Unabänderlichkeit der Rente als rechtsmissbräuchlich zu erklären, wenn durch das Schwinden der Kaufkraft des Geldes einerseits und die Gewährung des Teuerungsausgleichs an den Pflichtigen anderseits ein krasses Missverhältnis entstanden ist (HINDERLING, a.a.O. S. 149). Bei ständig fortschreitender Teuerung und allgemeiner Anpassung der Einkommen müsste dies jedoch zu einer grossen Zahl von Prozessen führen, die den Rentenberechtigten kaum zuzumuten wären. Die Indexierung der Rente wird im Regelfall vorzuziehen sein. Ändern sich die Verhältnisse entgegen den bei der Urteilsfällung gehegten Erwartungen, z.B. weil die Teuerung nicht mehr zunimmt oder wegen rückläufiger Konjunktur nicht mehr voll ausgeglichen wird, so ist eine Anpassung des Urteils immer noch auf dem Wege der Abänderungsklage gemäss
Art. 153 Abs. 2 ZGB
möglich.
BGE 100 II 245 S. 255
b) Nach dem Ausgeführten erscheint es als angezeigt, die bisherige Rechtsprechung in dem Sinne zu ändern, dass die Indexierung von Renten für geschiedene Ehegatten als zulässig erklärt wird. Allerdings gilt dies nur für Bedürftigkeitsrenten nach
Art. 152 ZGB
und für Renten nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
, soweit sie Ersatz für ehelichen Unterhalt darstellen. Ausserdem darf die Indexierung nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass der Pflichtige in den Genuss des vollen Teuerungsausgleichs gelangt. Es dürfte dem Richter in aller Regel nicht schwer fallen, sich bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen im einzelnen Fall ein Urteil darüber zu bilden, ob der Pflichtige zu den Personen gehört, die in Zukunft mit einer regelmässigen, die Teuerung ausgleichenden Erhöhung ihres Einkommens rechnen können (
BGE 98 II 261
lit. f). Der Klarheit halber ist auch festzuhalten, dass die Indexklausel sowohl den Anstieg wie auch das Absinken des Lebenskostenindex berücksichtigen muss. Um Schwierigkeiten bei der Eintreibung der Rente zu vermeiden, muss die Indexklausel sodann möglichst einfach und klar abgefasst sein.
c) Im vorliegenden Fall ist der Beklagten eine monatliche Rente von Fr. 2000.-- zugesprochen worden, welche nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil gestützt auf
Art. 151 Abs. 1 ZGB
Ersatz für den durch die Scheidung verlorenen ehelichen Unterhaltsanspruch darstellt. Ferner hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der Kläger mit einer regelmässigen Anpassung seines Einkommens an die Teuerung rechnen darf. Das Obergericht hat die Indexklausel im angefochtenen Urteil in dem Sinne formuliert, dass die Rente je auf den 1. Januar eines jeden Jahres dem Landesindex der Konsumentenpreise auf Ende November des Vorjahres anzupassen ist. Damit ist die Vorinstanz nicht der weit verbreiteten Indexklausel gefolgt, welche eine Anpassung der Rente um 10% vorsieht, sobald sich der Lebenskostenindex um die entsprechende Punktzahl verändert hat, und die auch dem Urteil in
BGE 98 II 257
zugrunde liegt. Die von der Vorinstanz getroffene Lösung hat demgegenüber den Vorteil, dass die Anpassung jährlich erfolgt, wie dies bei den Löhnen der Angestellten die Regel ist. Sie berücksichtigt zudem den Anstieg wie auch das Sinken des Lebenskostenindex. Auf jeden Fall kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden, sie habe Bundesrecht verletzt, weil die von ihr gewählte Methode
BGE 100 II 245 S. 256
zu kompliziert sei und geringfügige Schwankungen im Lebenskostenindex auf diese Weise nicht unberücksichtigt bleiben könnten.
Die Berufung ist demnach abzuweisen.
7.
a) Mit der Anschlussberufung verlangt die Beklagte, dass die ihr zugesprochene Kapitalabfindung von Fr. 199 000.-- mit Wirkung ab 29. August 1971 bzw. 2. Dezember 1971 mit 5% zu verzinsen sei. Sie macht geltend, die Vorinstanz habe
Art. 151 ZGB
verletzt, indem sie die Verzinsung des Entschädigungsbetrages erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils vorsehe. Die Ehe der Parteien sei bereits mit Urteil vom 16. Februar 1971, welches am 30. August 1971 in Rechtskraft erwachsen sei, geschieden worden. Zwar habe die Beklagte im Scheidungspunkt appelliert, nicht aber der Kläger. Jedenfalls sei die Frage der Scheidung mit dem bundesgerichtlichen Urteil vom 2. Dezember 1971 endgültig erledigt worden. Spätestens von diesem Zeitpunkt an seien die Ansprüche der Beklagten aus
Art. 151 ZGB
fällig geworden. Das Obergericht habe nur noch deren Höhe festsetzen müssen. Die Frage der Kapitalabfindung habe nichts zu tun mit den Unterhaltsleistungen, die nach
Art. 145 ZGB
für die Dauer des Prozesses verfügt werden. Richtigerweise hätten die vermögensrechtlichen Folgen zusammen mit der Scheidungsklage beurteilt werden müssen. Die Beklagte würde benachteiligt, wenn sie wegen des späteren Urteils über die Nebenfolgen der Scheidung einen Zinsverlust erleiden müsste.
b) Die Vorinstanz hat das Begehren der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, die Beklagte erhalte bis zum rechtskräftigen Abschluss des ganzen Verfahrens die nach
Art. 145 ZGB
zugesprochenen Unterhaltsbeiträge. Die gestützt auf
Art. 151 ZGB
gewährten Entschädigungsleistungen würden erst mit dem unbenützten Ablauf der Rechtsmittelfrist dieses Verfahrens rechtskräftig, weshalb die Kapitalabfindung im Betrage von Fr. 199 000.--, wie übrigens auch die Rente von monatlich Fr. 2000.--, erst ab diesem Termin geschuldet werde.
Der Beklagten ist beizupflichten, dass die ihr gemäss
Art. 145 ZGB
zugesprochenen Unterhaltsleistungen rechtlich mit der Frage der Verzinsung der Kapitalabfindung nichts zu tun haben, da diese Entschädigung nicht zur Abgeltung der
BGE 100 II 245 S. 257
Unterhaltsansprüche, sondern als Ersatz für erb- oder versicherungsrechtliche Vermögensvorteile gewährt wurde. Richtig ist auch, dass in der Regel die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung zusammen mit der Scheidungsklage behandelt und beurteilt werden. Doch können nach der Rechtsprechung aus praktischen Gründen Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen werden (
BGE 69 II 213
,
BGE 80 II 8
und
BGE 81 II 399
). Im vorliegenden Fall entstand die Aufteilung der Behandlung von Klage und Nebenfolgen durch die Berufung der Beklagten und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neuregelung der Ansprüche aus
Art. 151 ZGB
.
Dass der Beklagten Ansprüche aus
Art. 151 ZGB
grundsätzlich zustehen, ergab sich aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 2. Dezember 1971. Über die Höhe dieser Ansprüche wurde jedoch erst im angefochtenen Urteil vom 8. Januar 1974 entschieden. Bevor die Höhe der Leistung vom Richter festgelegt wurde, konnte diese nicht erfüllt und damit auch nicht fällig werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Fälligkeit nicht schon mit der Aussprechung der Scheidung der Ehe der Parteien eingetreten, sondern die Kapitalabfindung wird erst vom Datum des vorliegenden Urteils (
Art. 38 OG
) an geschuldet (vgl. das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 28. Februar 1969 i.S. Apothéloz c. Zanchi, S. 8). Die Rechtslage ist hier insofern anders als im übrigen Schadenersatzrecht, wo die Schadenersatzansprüche mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses fällig werden. Die Entschädigung nach
Art. 151 ZGB
wird demgegenüber für entgehende Anwartschaften, also einen zukünftigen Schaden, gewährt. Die Beklagte kann daher die Verzinsung der ihr zugesprochenen Kapitalabfindung erst vom 11. Juli 1974 an verlangen.
Die Anschlussberufung erweist sich damit ebenfalls als unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung und die Anschlussberufung werden abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 8. Januar 1974 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b08967f9-cfd5-43ac-95f8-20f6b272e31e | Urteilskopf
99 V 55
20. Extrait de l'arrêt du 30 avril 1973 dans la cause Pedone contre Caisse de compensation du canton de Berne et Tribunal des assurances du canton de Berne | Regeste
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen kantonalen Nichteintretensentscheid:
Art. 97 OG
, Art. 5 Abs. 1 lit. c VwG (Erw. 1).
Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts. wenn ein kantonaler Nichteintretensentscheid sich auf kantonales Prozessrecht stützt und wegen Verletzung von
Art. 4 BV
angefochten wird:
Art. 104 lit. a OG
(Erw. 2, 3). | Erwägungen
ab Seite 56
BGE 99 V 55 S. 56
Extrait des considérants:
1.
Le recours de droit administratifest dirigé contre le refus du Tribunal des assurances du canton de Berne d'entrer en matière dans un cas d'espèce ressortissant au domaine de l'assurance-invalidité, donc au domaine des assurances sociales. Il s'en prend ainsi à une décision d'irrecevabilité, au sens de l'art. 5 al. 1 lit. c LPA (cf. art. 128 et 97 al. 1 OJ).
La Cour de céans a déjà eu l'occasion de juger qu'était recevable un recours de droit administratif contestant l'application faite par l'autorité de première instance de règles cantonales, lorsque cette application est susceptible de violer des prescriptions du droit fédéral des assurances sociales. S'agissant d'une question de procédure, il est nécessaire d'entrer en matière pour vérifier si le droit fédéral (art. 85 al. 2, plus spécialement lit. b, LAVS) a été violé ou non en l'occurrence (RO 98 V 163 et la jurisprudence citée). Au demeurant, le Tribunal fédéral considère qu'un refus d'entrer en matière fondé sur le droit de procédure cantonal peut faire l'objet d'un recours de droit administratif, quand cette décision exclut l'application du droit fédéral (RO 98 I b 333).
2.
Le recours formé devant une juridiction cantonale contre la décision d'une caisse de compensation est régi en principe, quant à la procédure, par le droit cantonal (art. 85 al. 2 LAVS et 69 LAI). Selon la loi et la jurisprudence bernoises, d'une part, les pièces de procédure doivent être rédigées en allemand ou en français, langues officielles du canton et, d'autre part, le tribunal peut déclarer irrecevable la demande ou le recours d'une partie qui s'absente pour un temps relativement long sans prendre de dispositions pour que des communications puissent être notifiées à son domicile. Ces principes ne sont point contraires aux quelques normes de droit fédéral imposées par l'art. 85 al. 2 LAVS. Ils ne heurtent pas non plus les grandes règles - parfois non écrites - qui dominent la procédure de tout Etat respectueux des droits de la personne.
Si ces normes sont indiscutables en soi, il en est autrement de l'application que le Tribunal des assurances du canton de Berne en a faite. En effet, ce dernier est parti de l'idée que le recourant Pedone avait quitté Berne sans avoir pris de dispositions quant aux notifications judiciaires auxquelles il devait s'attendre. En
BGE 99 V 55 S. 57
réalité, avant de s'absenter de Suisse, le recourant avait prévenu le tribunal de sa future adresse.
3.
Il n'est pas évident, cependant, que le Tribunal fédéral des assurances ait qualité pour revoir en l'espèce l'application du droit cantonal. La difficulté ne provient pas tant de l'art. 105 al. 2 OJ, en vertu duquel le tribunal est lié par les faits retenus par la juridiction cantonale (car cette règle souffre une exception lorsque ces faits - comme c'est ici le cas - sont manifestement inexacts), mais surtout de l'art. 104 lit. a OJ, qui limite à l'observation du droit fédéral le pouvoir d'examen de la Cour de céans. Or, on l'a vu, le jugement attaqué repose sur l'application du droit cantonal.
Cependant, la notion de droit fédéral, dont la violation ouvre la voie du recours de droit administratif, englobe les droits constitutionnels. La jurisprudence a reconnu que le recours de droit administratif assume le rôle du recours de droit public à l'égard de violations des droits constitutionnels commises par l'autorité cantonale, dans les matières soumises au contrôle du Tribunal fédéral en tant que juge administratif (v. les arrêts du Tribunal fédéral au RO 96 I 184, consid. 2 p. 187, et 96 I 88, consid. 1 p. 89/90, ainsi que la doctrine et la jurisprudence qu'ils citent). Cela est vrai également du Tribunal fédéral des assurances, dans le domaine qui lui est propre (cf. art. 122 et 132 OJ et Droit du travail et assurance-chômage, bulletin de l'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail, 1971, p. 38, No 9).
Or, en l'occurrence, l'application erronée qu'a faite le Tribunal des assurances du canton de Berne d'une règle cantonale de procédure doit être qualifiée d'arbitraire, au sens de l'art. 4 de la Constitution fédérale, dont la protection s'étend aux étrangers (cf. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, ch. 1787 et 1831 à 1849, tome 2, pp. 645 et 658 à 663). N'est pas soutenable la décision qui déclare un recours irrecevable parce que le recourant n'a pas pu être atteint en une résidence qu'il a quittée en communiquant au juge son départ et sa nouvelle adresse. En effet, la règle cantonale applicable n'a pour but que d'épargner aux tribunaux des recherches ou des formalités fastidieuses pour correspondre avec les parties, alors qu'en l'espèce il n'aurait pas été difficile de communiquer avec l'intéressé, dont l'adresse à Alessano était connue.
En conséquence, il faut annuler le jugement attaqué. | null | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b09ee6de-9098-4c55-a8c4-42745d38c153 | Urteilskopf
99 IV 164
35. Urteil des Kassationshofes vom 26. September 1973 i.S. Göggel gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 3 Abs. 2, 27 Abs. 1 SVG.
Nicht strafbar macht sich derjenige Fahrzeugführer, der ein nichtiges Verkehrszeichen missachtet, sofern durch sein Verhalten nicht andere Verkehrsteilnehmer, die auf den durch das Signal geschaffenen Rechtsschein vertrauen, konkret gefährdet werden. | Sachverhalt
ab Seite 165
BGE 99 IV 164 S. 165
A.-
1.- Am 15. Oktober 1971 wurde der Abschnitt Neuenhof-Zürich der Autobahn dem Verkehr übergeben. Da die Strecke Neuenhof-Dietikon erst mit der sogenannten Heissmischtragschicht versehen war, die an den Fugenübergängen Unebenheiten aufwies, wurden auf Beschluss des Baudepartementes des Kantons Aargau im Einvernehmen mit der kantonalen Verkehrspolizei beidseits der Fahrbahnen in regelmässigen Abständen Signale "Höchstgeschwindigkeit 100 km/h" mit Zusatztafeln "Provisorischer Belag" aufgestellt.
Die Geschwindigkeitsbeschränkung sollte etwa acht Monate dauern. Das kantonale Baudepartement hatte sich diesbezüglich mit dem eidgenössischen Amt für Strassen- und Flussbau als Unterabteilung des eidgenössischen Departementes des Innern in Verbindung gesetzt, das sich mündlich mit der Signalisation einverstanden erklärte. Eine entsprechende Verfügung erliess das Amt für Strassen- und Flussbau nicht. Auch unterblieb eine Veröffentlichung der Geschwindigkeitsbeschränkung.
2.-
Am 27. Februar 1972 lenkte Göggel seinen Personenwagen auf der Autobahn von Neuenhof Richtung Zürich. Zwischen Neuenhof und Dietikon fuhr er mit einer Geschwindigkeit von 130-140 km/h.
B.-
Durch Strafbefehl des Bezirksamtes Baden vom 1. Mai 1972 wurde Göggel wegen Übertretung der Art. 27 Abs. 1 und 32 Abs. 2 SVG mit einer Busse von Fr. 200. -belegt.
Auf Einsprache des Gebüssten verurteilte das Bezirksgericht Baden diesen am 16. August 1972 wegen Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit im Sinne von
Art. 27 Abs. 1 SVG
zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 200.--.
Am 30. März 1973 wies das Obergericht des Kantons Aargau eine von Göggel eingereichte Berufung ab.
C.-
Göggel führt Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 99 IV 164 S. 166
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Das Bezirksgericht hat entgegen dem Strafbefehl des Bezirksamtes den Beschwerdeführer nur wegen Missachtung von Signalen (
Art. 27 Abs. 1 SVG
), und nicht auch wegen übersetzter Geschwindigkeit (
Art. 32 SVG
) bestraft. Unter Hinweis auf das kantonale Prozessrecht führt die Vorinstanz im angefochtenen Urteil aus, es sei nicht möglich, im Berufungsverfahren den Angeklagten durch einen zusätzlichen Schuldspruch zu beschweren. Im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren vor Bundesgericht steht somit ausschliesslich die Anwendung von
Art. 27 SVG
zur Entscheidung.
2.
Die Beschwerde macht geltend, die Signalisation der Geschwindigkeitsbeschränkung sei ungültig gewesen, da sie nicht veröffentlicht worden und der erforderliche Hinweis auf den Rechtsmittelweg dadurch unterblieben sei.
Dem wegen Missachtung einer signalisierten Höchstgeschwindigkeit - also einer Allgemeinverfügung - in ein Strafverfahren verwickelten Beschwerdeführer steht unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch auf vorfrageweise Prüfung der Rechtsbeständigkeit der Verfügung durch den Strafrichter zu, unter Ausschluss der Prüfung der Angemessenheit (
BGE 98 IV 111
E. 3, 266). Im vorliegenden Fall konnte der Beschwerdeführer die Rechtsbeständigkeit der Verfügung auf dem Rechtsmittelweg in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht überprüfen lassen, da die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht veröffentlicht worden war, mithin ein Hinweis auf eine allfällige Beschwerdemöglichkeit nicht erging. Das hat zur Folge, dass dem Kassationshof in casu nach der oben angeführten Rechtsprechung freie Kognition unter Ausschluss der Überprüfung der Angemessenheit zukommt.
3.
Soll auf einem bestimmten Strassenabschnitt eine höchstzulässige Geschwindigkeit signalisiert werden, so darf eine solche Verkehrsanordnung nur im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen getroffen werden. Zuständig zum Erlass örtlicher Verkehrsanordnungen auf Nationalstrassen ist das Eidgenössische Departement des Innern, sofern die Anordnung dauernden Charakter hat (
Art. 32 Abs. 5 SVG
in Verbindung mit
Art. 84 Abs. 2 SSV
). Diese letztere Voraussetzung trifft nach
BGE 99 IV 164 S. 167
der Praxis der genannten Behörde nicht zu für Geschwindigkeitsbeschränkungen, von denen im voraus feststeht, dass sie in absehbarer Zeit wieder hinfällig werden, also namentlich für solche, die infolge eines provisorischen Strassenbelags angeordnet wurden. In diesen Fällen ist die Behörde desjenigen Kantons, in dem das betreffende zu signalisierende Strassenstück liegt, für die Anordnung zuständig (
Art. 3 Abs. 1 und 2 SVG
). Sie hat örtliche Verkehrsanordnungen unter Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit möglichst frühzeitig amtlich zu veröffentlichen, wenn sie länger als dreissig Tage dauern sollen oder sich periodisch wiederholen (
Art. 82 Abs. 4 SSV
). Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheidungen über Verkehrsanordnungen kann innert dreissig Tagen seit der Veröffentlichung beim Bundesrat Beschwerde geführt werden (
Art. 3 Abs. 4 SVG
).
4.
Im vorliegenden Fall stellt das Obergericht fest, dass es sich bei der Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit nicht um eine dauernde, sondern um eine vorläufige Anordnung handelte. Somit waren die kantonalen Behörden unter Vorbehalt des Beschwerderechts an den Bundesrat für die Anordnung und deren Veröffentlichung zuständig. Unbestritten ist ferner, dass die fragliche Signalisation nicht veröffentlicht und der Rechtsmittelweg nicht geöffnet wurden.
Verkehrsanordnungen sind indes nur dann rechtsbeständig, wenn die in Erwägung 3 oben genannten Vorschriften von den zuständigen Behörden beachtet worden sind. Hat eine unzuständige Behörde eine Anordnung erlassen oder ist eine solche zwar von einer zuständigen Behörde verfügt, sind dabei aber die Vorschriften der Veröffentlichung und der Öffnung des Beschwerdewegs missachtet worden, dann sind die Gültigkeitsvoraussetzungen für die entsprechende Signalisation nicht erfüllt. Daraus folgt, dass die im Bereich zwischen Neuenhof und Zürich signalisierte Geschwindigkeitsbeschränkung nicht rechtsbeständig war.
5.
Fraglich ist, ob ein Strassenbenützer wegen Missachtung eines nichtigen Verkehrszeichens bestraft werden kann. Das Bezirksgericht Baden scheint dies zu bejahen, denn es stellte bloss auf das Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ab und stützte seinen Schuldspruch ausschliesslich auf diesen Umstand.
Von einer derartigen Verselbständigung eines Verkehrszeichens
BGE 99 IV 164 S. 168
einerseits und dessen Missachtung anderseits kann jedoch keine Rede sein. Es ist nicht der Sinn des Gesetzes, dem Strassenbenützer die Beachtung eines jeden Signals unter Androhung von Strafe vorzuschreiben, gleichgültig, ob dieses rechtsbeständig sei oder nicht.
Art. 27 Abs. 1 SVG
verlangt vom Verkehrsteilnehmer vielmehr die Beachtung der vorschriftsgemäss beschlossenen und angebrachten Signale (
BGE 98 IV 122
E. 2).
Damit ist indessen nicht gesagt, dass Verkehrszeichen, bei denen die Gültigkeitsvoraussetzungen im beschriebenen Sinne nicht erfüllt sind, schlechthin unbeachtlich seien. Es gibt Fälle, in denen der Strassenbenützer Verkehrszeichen beachten muss, die zur Erlangung der Rechtsbeständigkeit keines besonderen Verfahrens bedürfen. Nach
Art. 27 Abs. 1 Satz 2 SVG
gehen Weisungen der Polizeiorgane den allgemeinen Regeln und Signalen vor. Die Polizei kann somit in dringenden Fällen (Unfall, Katastrophe) oder kurzfristig (Umzüge, Ausstellungen, Sportanlässe) rechtsgültige Verkehrsbeschränkungen anordnen, ohne dass diese einer vorgängigen Veröffentlichung bedürften oder die Betroffenen die Rechtsbeständigkeit der Anordnung auf dem Rechtsmittelweg überprüfen lassen könnten. Das gilt jedoch nur für Weisungen einzelner Polizeiorgane, die nicht länger als acht Tage beibehalten werden sollen; andernfalls sind sie von der zuständigen Behörde zu genehmigen (
Art. 82 Abs. 5 SSV
).
Sodann ist denkbar, dass die Verkehrssicherheit ein unmittelbares Inkrafttreten von noch nicht rechtskräftigen Verkehrsanordnungen verlangt, selbst wenn diese längere Zeit dauern sollten. Diesfalls ist die Lösung nicht in einer Umgehung der gesetzlichen Vorschriften über das Verfahren und den Rechtsmittelweg zu suchen, sondern nötigenfalls auf dem Wege von vorläufigen Verfügungen der Rechtsmittelinstanzen. Diese werden jedoch eine vorzeitige Inkraftsetzung verweigern müssen, wenn zum vorschriftsgemässen Erlass ein genügender Zeitraum zur Verfügung stand, oder wenn die Anordnung selbst nicht dringlichen Charakter aufweist.
Solche Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall nicht zu. Zu Unrecht verweist die Staatsanwaltschaft auf
Art. 82 Abs. 5 SSV
, denn sie übersieht, dass die fragliche Geschwindigkeitsvorschrift nicht von einem einzelnen Polizeiorgan angeordnet worden ist. Vielmehr hat das kantonale Baudepartement im
BGE 99 IV 164 S. 169
Zusammenwirken mit der kantonalen Verkehrspolizei die Anordnung erlassen. Zudem ist der Staatsanwaltschaft die Regel von
Art. 82 Abs. 4 SSV
entgangen, wonach örtliche Verkehrsanordnungen unter Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit amtlich zu veröffentlichen sind, wenn sie länger als dreissig Tage dauern sollen. Zweifellos war die fragliche Geschwindigkeitsbeschränkung für weit mehr als diese Zeit in Aussicht genommen worden, nämlich für die Dauer von mindestens sechs Monaten. Nachdem bei neueröffneten Nationalstrassen erfahrungsgemäss der Verkehr zunächst während längerer Zeit auf provisorischem Belag geführt wird, womit in den meisten Fällen eine Geschwindigkeitsbeschränkung verbunden ist, haben die zuständigen Behörden in aller Regel genügend Zeit, die nötigen Vorkehrungen zur rechtmässigen Anbringung der entsprechenden Verkehrszeichen zu treffen. Im vorliegenden Fall sind den Akten keine Umstände zu entnehmen, die den Schluss zuliessen, die aargauischen Behörden seien mit der Eröffnung des betreffenden Abschnitts der Autobahn hinsichtlich der Verkehrssicherheit unvermittelt vor Tatsachen gestellt worden, mit denen nicht zu rechnen war. Erforderten die Verhältnisse aber nicht ein unvorhergesehenes, plötzliches Anbringen der Signale, dann mussten die gesetzlichen Vorschriften über den Erlass der Verkehrsanordnung beachtet werden.
6.
Ausnahmsweise sind auch nicht rechtmässig aufgestellte Verkehrszeichen zu beachten.
Die Strassenbenützer können dem äusseren Erscheinungsbild eines Verkehrszeichens nicht ansehen, ob es vorschriftsgemäss aufgestellt wurde. Sie sind nicht verpflichtet und meist auch nicht in der Lage, sich bei der zuständigen Behörde danach zu erkundigen. Vielmehr müssen sie darauf vertrauen können, dass ein tatsächlich aufgestelltes Signal oder eine angebrachte Markierung mit der objektiven Rechtslage übereinstimmt (s. ARNHOLD, Deutsches Autorecht 1973, S. 67). Diesem Umstand hat auch ein Strassenbenützer Rechnung zu tragen, der die rechtliche Unverbindlichkeit des Signals kennt. Er darf nicht durch Missachtung des rechtswidrigen Verkehrszeichens andere Verkehrsteilnehmer konkret gefährden, die auf den durch das Signal geschaffenen Rechtsschein vertrauen. Das Vertrauen dieser Strassenbenützer ist schutzwürdig, unbekümmert um die rechtliche Gültigkeit des Zeichens. Dies trifft beispielsweise zu bei einem rechtswidrig aufgestellten Stopsignal,
BGE 99 IV 164 S. 170
wo der Belastete zur Vermeidung von Unfällen auf das Vortrittsrecht verzichten muss; dasselbe gilt bei rechtswidrig angebrachten Sicherheitslinien, signalisierten Einbahnstrassen, usw.
Im vorliegenden Fall ist bei der Frage, ob mit der Nichtbeachtung der Geschwindigkeitsbegrenzung durch den Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Vertrauen anderer Verkehrsteilnehmer verletzt worden ist, davon auszugehen, dass die betreffende Verkehrsanordnung in erster Linie zur Schonung der vorläufigen Belagsschicht angebracht wurde. Wenn der Beschwerdeführer die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, sind dadurch für die übrigen Autobahnbenützer keine zusätzlichen Gefahren entstanden. Es drohten ihnen nur die mit der Benützung der Autobahn ohnehin verbundenen allgemeinen Verkehrsgefahren. Den Beschwerdeführer traf demnach keine Pflicht zur Beachtung der nicht rechtmässig angebrachten Geschwindigkeitsbegrenzung. Infolgedessen ist er von der Anschuldigung des Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit freizusprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 30. März 1973 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0a1139c-dbc3-4eae-a960-94e7a3c00565 | Urteilskopf
93 II 111
19. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. März 1967 i.S. Assicuratrice Italiana gegen Vereinigte Huttwil-Bahnen. | Regeste
Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung.
Händigt der Versicherer dem Halter vorbehaltlos den Versicherungsnachweis im Sinne von
Art. 68 Abs. 1 SVG
und
Art. 4 VVV
aus, nachdem der Halter in gültiger Weise (schriftlich oder mündlich) den Antrag auf Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit einer die gesetzlichen Mindestbeträge (
Art. 64 SVG
) übersteigenden Deckung gestellt hat, so ist sein Verhalten grundsätzlich als Annahme des Antrags zu deuten (Erw. 1-4).
Bestimmen die dem Halter übergebenen Versicherungsbedingungen, dass die Versicherung an dem im Versicherungsnachweis festgesetzten Tage beginne, die Gesellschaft aber das Recht habe, "bis zur Aushändigung der Police den Antrag abzulehnen", so bedeutet die Aushändigung des Versicherungsnachweises die vorläufige Zusage der beantragten Deckung (Erw. 5).
Das gilt auch, wenn der Versicherer die Versicherungsnachweise durch untergeordnete Angestellte ausstellen und aushändigen lässt (Erw. 6).
Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Versicherer (Erw. 7).
Haftpflicht für Schaden, der bei einem Zusammenstoss zwischen Motorfahrzeug und Eisenbahn entstanden ist.
Natur der Motorfahrzeug- und der Eisenbahnhaftpflicht (Erw. 8 a, b); Regeln für den Fall der Kollision dieser Haftungen (Erw. 8 c-e).
Haftpflicht des Motorfahrzeughalters für den Sachschaden der Bahn (Erw. 8 d, e).
Rückgriff der Bahnunternehmung auf den Halter im Falle, dass sie den verunfallten Bahnreisenden ihren Personenschaden und den Sachschaden an den von ihnen unter ihrer eigenen Obhut mitgeführten Sachen (
Art. 11 Abs. 1 EHG
) ersetzt hat; Voraussetzungen, unter denen sich die Bahn die Ansprüche nicht verletzter Reisender auf Ersatz von Sachschaden (
Art. 11 Abs. 2 EHG
) abtreten lassen kann (Erw. 8 f).
Rückgriff der Bahn für von der SUVA nicht gedeckten Personenschaden und für Sachschaden von Bahnangestellten (Erw. 8 g).
Wann darf angenommen werden, dass neben dem vom einen Teil zu vertretenden Verschulden die vom andern Teil gesetzte Betriebsgefahr nicht in rechtserheblicher Weise zum Schaden beigetragen habe? (Erw. 9).
Grobes Verschulden eines Lastwagenführers, der trotz gehörig funktionierender und gut sichtbarer Blinklichtanlage mit unverminderter Geschwindigkeit einen Bahnübergang überquert (Erw. 10). Mitverschulden der Bahn wegen zu hoher Geschwindigkeit, wegen ungenügender Sicherung der Übergangs oder wegen unterlassener Bremsung? (Erw. 11). | Sachverhalt
ab Seite 112
BGE 93 II 111 S. 112
BGE 93 II 111 S. 113
BGE 93 II 111 S. 114
A.-
Die Autotransportfirma Pesenti & Berri in Locarno beantragte der Assicuratrice Italiana im Juni 1961 den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für ihren Motorlastwagen Marke Skoda, Baujahr 1961. Der unter Verwendung eines Formulars der Assicuratrice schriftlich niedergelegte, vom 9. Juni 1961 datierte Antrag sieht u.a. vor, die Versicherung solle am 10. Juni 1961 in Kraft treten und bis zum 1. Juli 1966 dauern, und nennt als Versicherungssumme den Betrag von Franken 1'000,000.--. Die Assicuratrice stellte der Firma Pesenti & Berri für den erwähnten Wagen einen vom 10. Juni 1966 an gültigen Versicherungsnachweis im Sinne von
Art. 68 Abs. 1 SVG
und Art. 4 der Verordnung vom 20. November 1959 über Haftpflicht und Versicherungen im Strassenverkehr (VVV) aus, mit dem sie bescheinigte, dass "l'assicurazione stipulata in base alla polizza suddetta" (die auf Grund der obigen Police abgeschlossene Versicherung) den Bestimmungen des SVG entspreche. In der für die Angabe der Nummer der Police bestimmten Rubrik des Versicherungsnachweises steht: "in corso em." (in corso di emissione = in Ausstellung begriffen). Gegen Aushändigung dieses Versicherungsnachweises gab das Verkehrsamt des Kantons Tessin der Firma Pesenti & Berri am 13. Juni 1961 die Kontrollschilder TI 39864 ab. Die Ausstellung der Versicherungspolice liess auf sich warten.
B.-
Am 28. August 1961, kurz nach 15 Uhr, führte Dario Pini, Chauffeur der Firma Pesenti & Berri, den Lastwagen TI 39864 und einen zweiachsigen Anhänger, die gleichen Tages in Henniez mit 350 Harrassen gefüllter Mineralwasserflaschen beladen worden waren, auf der Staatsstrasse Huttwil-Willisau von Zell gegen Gettnau. Diese Strasse wird bei Briseck (Gemeinde Zell), wo sie in einer flachen S-Kurve zuerst nach links
BGE 93 II 111 S. 115
und dann nach rechts biegt, in spitzem Winkel von der eingleisigen normalspurigen Bahnlinie Zell-Gettnau der Vereinigten Huttwil-Bahnen (VHB) überquert. Beidseitig des Bahnübergangs sind Blinklichtanlagen mit Warnglocke und Andreaskreuz angebracht. Ausserdem weisen Vorsignale (Gefahrsignal Nr. 5, heute Nr. 120: Dreiecktafel mit Darstellung einer Lokomotive) und Distanzpfähle auf den Bahnübergang hin. Bei der Annäherung an diesen Übergang bemerkte Pini nicht, dass die Blinklichter und die Warnglocken das Herankommen eines Zuges ankündigten. Er setzte seine Fahrt fort, ohne auch nur seine Geschwindigkeit von mindestens 50 Stundenkilometern zu mässigen. Auf der Kreuzungsstelle prallte der Steuerwagen des von Gettnau kommenden Personenzuges Nr. 229 der VHB gegen die rechte Vorderseite des Lastwagens, riss diesen mit und entgleiste. Infolge des Zusammenstosses wurde Umberto Pesenti, der Pini begleitet hatte, sofort getötet. Pini und der Lokomotivführer Sommer erlitten schwere, der Kondukteur und sieben Fahrgäste des Zuges leichte Verletzungen. Ausserdem entstand beträchtlicher Sachschaden. Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte Pini am 18. Dezember 1962 wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs zu einer (bedingten) Gefängnisstrafe von sechs Monaten und zu einer Busse von Fr. 300.--.
C.-
Mit Klage vom 6. September 1963 forderte die Bahngesellschaft von der Assicuratrice Italiana Fr. 169'170.25 nebst 5% Zins von diesem Betrag seit 28. August 1961 und 5% Zins von Fr. 30'000.-- für die Zeit vom 28. August 1961 bis 8. Juni 1963. Sie machte geltend, der Zusammenstoss sei ausschliesslich auf das grobe Verschulden Pinis zurückzuführen, für das die Firma Pesenti & Berri als Halterin des von ihm geführten Lastwagens einzustehen habe; als Haftpflichtversicherer der Firma Pesenti & Berri könne die Beklagte im Rahmen der vertraglichen Deckung von Fr. 1'000,000.-- für den aus dem Zusammenstoss entstandenen Schaden unmittelbar belangt werden; die Klägerin habe einen Schaden von Fr. 199'170.25 erlitten (Kosten der Instandstellung und Betriebsausfall des beschädigten Rollmaterials; Kosten der Räumung, Bewachung und Instandstellung der Bahnanlage; von der Klägerin gegen Abtretung der betreffenden Ansprüche vergüteter Sach- und Personenschaden von Fahrgästen und Bahnangestellten;
BGE 93 II 111 S. 116
weitere durch den Unfall verursachte Auslagen); die Beklagte habe am 9. Juni 1963 Fr. 30'000.-- bezahlt, so dass ein Betrag von Fr. 169'170.25 nebst Zins vom Unfalltag an zu decken bleibe.
Die Beklagte erklärte sich bereit, über die bereits bezahlten Fr. 30'000.-- hinaus noch Fr. 776.30 (die Hälfte des für Personenschaden geforderten Betrages) zu zahlen, und beantragte im übrigen die Abweisung der Klage. Sie brachte im wesentlichen vor, zwischen ihr und der Firma Pesenti & Berri sei kein Versicherungsvertrag zustande gekommen; die Ausstellung des Versicherungsnachweises bedeute nur, dass sie Dritten gegenüber im Rahmen der in
Art. 64 SVG
festgesetzten Mindestbeträge hafte; für Sachschaden könne sie also nur bis zum Betrag von Fr. 30'000.--, den sie bezahlt habe, belangt werden; die Halterin des Lastwagens hafte im übrigen nicht für den vollen Schaden; vielmehr sei dieser wegen eines mit dem Verschulden Pinis konkurrierenden Verschuldens der Bahn und wegen der von dieser zu vertretenden Betriebsgefahr zwischen der Halterin und der Klägerin hälftig zu teilen; zahlenmässig werde ein Schaden von Fr. 86'000.-- anerkannt.
Das Amtsgericht Willisau verurteilte die Beklagte am 15. Dezember 1965 zur Zahlung von Fr. 140'000.-- nebst Zins.
Das Obergericht des Kantons Luzern, an das die Beklagte appellierte, berechnete den Gesamtschaden der Klägerin auf Fr. 164'788.60, indem es den eigenen Sachschaden der Klägerin niedriger bemass als diese, und sprach der Klägerin mit Urteil vom 3. März 1966 unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten Fr. 134'788.60 nebst 5% Zins von Fr. 164'788.60 ab 7. August 1962 (Betreibungsbegehren) bis 9. Juni 1963 und von Fr. 134'788.60 ab 10. Juni 1963 zu.
D.-
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt "präliminär" die Rückweisung der Sache an das Obergericht zu neuer Entscheidung nach Abnahme der von ihr angebotenen Beweise, "principaliter" dem Sinne nach die Abweisung der Klage und "eventualiter" die Herabsetzung des von ihr zu leistenden Schadenersatzes auf zwei Drittel des vom Obergericht errechneten Gesamtschadens, nämlich auf Fr. 109'858.--, so dass sie noch Fr. 79'858.-- nebst Zins zu zahlen hätte.
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
BGE 93 II 111 S. 117
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beklagte macht vor Bundesgericht nicht mehr geltend, zwischen ihr und der Firma Pesenti & Berri sei überhaupt kein Versicherungsvertrag zustande gekommen. In der Berufungsschrift anerkennt sie vielmehr, dass mit der Aushändigung des Versicherungsnachweises an Pesenti & Berri ein solcher Vertrag geschlossen wurde. Hinsichtlich der rechtlichen Beziehungen zwischen der Beklagten und der Firma Pesenti & Berri ist nur noch streitig, ob der Vertrag dieser Firma bis zu der im Versicherungsantrag genannten Summe von Franken 1'000,000.-- oder nur bis zu den gesetzlichen Mindestbeträgen im Sinne von
Art. 64 SVG
Deckung bot. Während die Klägerin in der Aushändigung des Versicherungsnachweises die vorbehaltlose Annahme ihres Antrags erblickt, behauptet die Beklagte, mit der Aushändigung des Versicherungsnachweises sei zwischen ihr und der Firma Pesenti & Berri lediglich eine Übereinkunft getroffen worden, "auf Grund welcher einerseits die Versicherungsgesellschaft bis zur Prüfung des Versicherungsvorschlags sich verpflichtete, das Fahrzeug der Firma Pesenti & Berri im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu versichern, und anderseits die Firma Pesenti & Berri sich verpflichtete, die Prämie zu zahlen, die für die gesetzlich vorgeschriebene Deckung festgelegt ist". Die Beklagte macht damit dem Sinne nach geltend, die Aushändigung des Versicherungsnachweises habe nur eine auf die Mindestbeträge im Sinne von
Art. 64 SVG
begrenzte vorläufige Deckungszusage bedeutet.
2.
Das Obergericht hat festgestellt, die Beklagte habe den Versicherungsnachweis auf Grund eines auf die Deckungssumme von einer Million Franken lautenden Versicherungsantrages ausgestellt und ausgehändigt. Es nimmt also an, der Versicherungsnachweis sei ausgestellt und der Firma Pesenti & Berri übergeben worden, nachdem diese der Beklagten den Abschluss einer Haftpflichtversicherung mit der erwähnten Deckungssumme beantragt hatte. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse... Der in der Berufungsschrift enthaltene Antrag, der Beklagten sei der Nachweis zu erlauben, "dass in unserem Fall der Versicherungsnachweis möglicherweise gleich bei der Ausfüllung des Versicherungsantrages von einem lokalen subalternen Angestellten der Gesellschaft ausgehändigt
BGE 93 II 111 S. 118
wurde", ist als neues Vorbringen unzulässig (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
), und hievon abgesehen würde der Beweis, dass der Versicherungsnachweis bei der genannten Gelegenheit ausgehändigt wurde, die Annahme nicht widerlegen, dass die Firma Pesenti & Berri den Versicherungsnachweis erhielt, nachdem sie den Abschluss einer Versicherung für eine Million Franken beantragt hatte. Die in diesem Sinne lautende Feststellung des Obergerichtes ist also gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
fùr das Bundesgericht verbindlich.
3.
Mit dem Versicherungsantrag, den die Firma Pesenti & Berri der Beklagten nach der eben angeführten Feststellung vor Erhalt des Versicherungsnachweises unterbreitet hatte, meint das Obergericht, wie aus einer andern Stelle seines Urteils klar hervorgeht, den schriftlichen Antrag vom 9. Juni 1961. Das Bundesgericht hat also davon auszugehen, dass die Firma Pesenti & Berri den Versicherungsnachweis nach Einreichung des schriftlichen Antrages vom 9. Juni 1961 auf Abschluss einer Haftpflichtversicherung für eine Million Franken erhielt.
Der Aushändigung des Versicherungsnachweises an die Firma Pesenti & Berri wäre im übrigen selbst dann ein gültiger Antrag auf Abschluss einer solchen Versicherung vorausgegangen, wenn die Firma Pesenti & Berri einen dahin gehenden Antrag zunächst nur mündlich gestellt hätte und der schriftliche Antrag erst nach der Aushändigung des Versicherungsnachweises ausgefertigt worden wäre. Das VVG enthält nämlich keine Vorschriften über die Form des Antrags des Versicherungsnehmers und der Annahmeerklärung des Versicherers. In diesem Punkte finden daher gemäss
Art. 100 VVG
die Bestimmungen des OR Anwendung. Nach
Art. 11 Abs. 1 OR
bedürfen Verträge zu ihrer Gültigkeit nur dann einer besondern Form, wenn das Gesetz eine solche vorschreibt. Da solche Vorschriften für den Versicherungsvertrag nicht bestehen, sind der Versicherungsantrag und die Annahmeerklärung des Versicherers formlos gültig (ROELLI N. 5 b und 7 b zu
Art. 1 VVG
, S. 13 und 28; KOENIG, Schweiz. Privatversicherungsrecht, S. 61 und 63). Der Agent der Beklagten war von Gesetzes wegen befugt, eine mündliche Antragserklärung entgegenzunehmen (ROELLI N. 5 b zu
Art. 1 VVG
, S. 14).
4.
Der Versicherer hat den Versicherungsnachweis zuhanden der Behörde auszustellen, die den Fahrzeugausweis abgibt (
Art. 68 Abs. 1 SVG
). Die Übergabe des Versicherungsnachweises
BGE 93 II 111 S. 119
an diese Behörde ist Voraussetzung für die Zulassung des betreffenden Fahrzeugs zum Verkehr (
Art. 3 VVV
). Der Versicherungsnachweis erfüllt also in erster Linie eine polizeirechtliche Aufgabe. Ausserdem ist er für die gesetzliche Haftung des Versicherers gegenüber Dritten von Bedeutung (
BGE 69 II 169
; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 2. Aufl., II/2 S. 706, 765 f.). Eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Versicherers gegenüber dem Halter, der sich versichern will, enthält er dagegen an und für sich nicht, da er nicht für diesen, sondern für die Behörde bestimmt ist. Er enthält auch keine nähern Angaben über die Höhe der Versicherungsdeckung, sondern bezeugt nur, dass die für das fragliche Fahrzeug abgeschlossene Versicherung den Bestimmungen des SVG entspricht (vgl. den Formulartext in AS 1959 S. 1308). Seine Aushändigung kann aber gleichwohl auch für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages zwischen dem Versicherer und dem Halter und für den Umfang der Versicherungsdeckung von Bedeutung sein: übergibt der Versicherer nach Erhalt eines gültigen, alle wesentlichen Angaben enthaltenden Antrags für den Abschluss einer Haftpflichtversicherung dem Halter (oder mit dessen Wissen unmittelbar der zuständigen Behörde) den Versicherungsnachweis, bevor er den Antrag auf andere Weise angenommen hat, so ist sein Verhalten als Annahme des Antrags zu deuten. Der Halter ist in einem solchen Falle nach Treu und Glauben zur Auffassung berechtigt, der Versicherer wolle ihm erlauben, sein Fahrzeug mit der von ihm gewünschten Versicherungsdeckung in Verkehr zu setzen, und der Versicherer kann und muss sich davon Rechenschaft geben, dass der Halter seine Handlungsweise in diesem Sinne verstehen darf. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn sich aus den dem Halter übergebenen Versicherungsbedingungen nichts Abweichendes ergibt und der Versicherer den Versicherungsnachweis vorbehaltlos aushändigt, wie es hier gemäss verbindlicher Feststellung des Obergerichtes geschehen ist. (Bringt der Versicherer bei der Aushändigung des Versicherungsnachweises an den Versicherungsnehmer einen Vorbehalt an, z.B. hinsichtlich der Versicherungssumme, so kann darin allenfalls ein Gegenantrag liegen, der als angenommen zu gelten hat, wenn der Halter den Versicherungsnachweis bei der zuständigen Behörde abgibt, um den Fahrzeugausweis zu erhalten.)
BGE 93 II 111 S. 120
Ob es vorkommt, dass ein Versicherungsnachweis ausgehändigt wird, bevor ein gültiger Antrag auf Abschluss einer Haftpflichtversicherung für bestimmte Summen gestellt wurde, und welche Wirkungen die Aushändigung des Nachweises in einem solchen Falle hätte, kann hier dahingestellt bleiben; denn die Beklagte hat der Firma Pesenti & Berri den Versicherungsnachweis nach Erhalt eines gültigen Antrags für eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von einer Million Franken übergeben.
5.
Die Firma Pesenti & Berri erklärte in ihrem Versicherungsantrag vom 9. Juni 1961, ein Exemplar der Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten zu haben. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Motorfahrzeughaftpflicht-Versicherung (ausgenommen die Motorradhaftpflicht-Versicherung), die damit unstreitig gemeint sind, regeln im Abschnitt II den Beginn und die Dauer der Versicherung. Art. 8 lautet in der allein bei den Akten liegenden deutschen Fassung, von der nicht behauptet wird, dass sie von der wohl verwendeten italienischen abweiche, wie folgt:
"Beginn. Die Versicherung beginnt an dem im Versicherungsnachweis festgesetzten Tag. Die Gesellschaft hat jedoch das Recht, bis zur Aushändigung der Police den Antrag abzulehnen. Macht sie davon Gebrauch, so erlischt ihre Leistungspflicht 3 Tage nach Zustellung der Ablehnungserklärung an den Versicherungsnehmer. Die Pro-rata-Prämie bis zum Erlöschen der Leistungspflicht bleibt der Gesellschaft geschuldet."
Diese Bestimmung verbietet nicht, die Aushändigung des Versicherungsnachweises an einen Halter, der einen gültigen Haftpflichtversicherungsantrag gestellt hat, als Zusage der beantragten Versicherungsdeckung aufzufassen. Ein solcher Halter darf unter der "Versicherung", die nach Satz 1 an dem im Versicherungsnachweis festgesetzten Tage beginnt, und unter der "Leistungspflicht" des Versicherers, die nach Satz 3 bis zum dritten Tage nach Zustellung der "Ablehnungserklärung" im Sinne von Satz 2 dauert, nach Treu und Glauben die Versicherung bezw. die Leistungspflicht nach Massgabe der im Antrag festgesetzten Summen verstehen, da die Versicherungsbedingungen die in einem solchen Falle geltenden Versicherungssummen nicht anderswie festsetzen. Wenn Satz 2 der Beklagten das Recht wahrt, bis zur Aushändigung der Police "den Antrag abzulehnen", so heisst das nicht, dass die Höhe der Deckung, welche die am ersten Geltungstag des Versicherungsnachweises
BGE 93 II 111 S. 121
beginnende Versicherung dem Halter bietet, sich nicht nach dem Antrag, sondern nach den gesetzlichen Vorschriften über die Mindestversicherung richte. Vielmehr bedeutet Satz 2 bloss, dass der Versicherer, solange er die Police nicht ausgehändigt hat, nicht für die ganze im Antrag vorgesehene Dauer, sondern nur einstweilen gebunden sein und das Recht haben will, die am genannten Tage in Kraft getretene Versicherung durch eine einseitige, in seinem Belieben stehende Erklärung zum Erlöschen zu bringen. Satz 2 unterstellt also den mit der Aushändigung des Versicherungsnachweises zustande gekommenen, vom angegebenen Tage an wirksamen Versicherungsvertrag einer auflösenden Wollensbedingung, m.a.W.: er legt fest, dass die Aushändigung des Versicherungsnachweises nur als vorläufige Zusage der beantragten Deckung verstanden werden darf (vgl. hiezu KOENIG, a.a.O. S. 59).
Wenn die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass jährlich sehr viele Versicherungsanträge abgewiesen werden, nachdem der Versicherungsnachweis abgegeben wurde, so folgt daraus nicht, dass die Aushändigung dieses Nachweises "keine stillschweigende Annahme des Versicherungsantrages bedeutet". Vielmehr ergäbe sich daraus nur, dass den Haltern, die den Abschluss einer Haftpflichtversicherung beantragen, sehr häufig zunächst nur eine vorläufige Deckungszusage erteilt wird und dass die Versicherer von der Befugnis, den Abschluss eines länger dauernden Vertrages abzulehnen, verhältnismässig oft Gebrauch machen. Das Obergericht hat daher mit Recht davon abgesehen, über die erwähnte Behauptung Beweis zu erheben.
Ob der Versicherer den Entscheid, den er sich vorbehalten hat, beliebig hinauszögern dürfe, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden. Auf jeden Fall bleibt die vorläufige Deckungszusage wirksam, solange der Versicherer sich nicht entschieden hat (und der mit dieser Zusage zustande gekommene Vertrag auch nicht auf andere Weise aufgelöst worden ist). Im vorliegenden Falle stand also die in der Aushändigung des Versicherungsnachweises liegende vorläufige Zusage der Deckung bis zu der im Antrag genannten Summe im Zeitpunkt des Unfalles vom 28. August 1961 noch in Kraft; denn die Beklagte hat bis dahin unstreitig keine "Ablehnungserklärung" im Sinne von Art. 8 ihrer Versicherungsbedingungen abgegeben, und das Versicherungsverhältnis ist auch nicht aus einem andern Grunde vor dem Unfall zu Ende gegangen.
Zur Vermeidung von Missverständnissen mag, obwohl das
BGE 93 II 111 S. 122
für den vorliegenden Fall keine Rolle spielt, noch bemerkt werden, dass die Leistungspflicht der Beklagten, wenn sie eine "Ablehnungserklärung" im Sinne von Art. 8 ihrer Versicherungsbedingungen abgibt, gegenüber dem Geschädigten nicht schon nach Ablauf von drei Tagen seit der Zustellung dieser Erklärung an den Versicherungsnehmer aufhört, sondern erst mit der Abgabe des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder, spätestens aber 60 Tage nach Eingang der Meldung, die der Versicherer der zuständigen Behörde beim Aussetzen oder Aufhören der Versicherung zu erstatten hat (
Art. 68 Abs. 2 SVG
).
6.
Die Beklagte macht geltend, die Aushändigung des Versicherungsnachweises könne auch deshalb nicht als Annahme des vom Halter gestellten Antrags gelten, weil die Versicherungsnachweise von untergeordneten Angestellten des Versicherers ausgestellt und ausgehändigt würden; die Angestellten seien nur hiezu befugt, dagegen nicht ermächtigt, Anträge anzunehmen, die eine höhere als die gesetzlich vorgeschriebene Versicherungssumme vorsehen. Sie hat im kantonalen Verfahren den Beweis dafür angeboten, dass der Agent Jacky de Carli die Verhandlungen mit der Firma Pesenti & Berri geführt habe und dass dieser Agent nicht unterschriftsberechtigt gewesen sei.
Auch dieser Beweis war wegen Unerheblichkeit des behaupteten Sachverhalts nicht abzunehmen. Der Versicherungsnachweis wurde der Firma Pesenti & Berri anerkanntermassen von einem hiezu ermächtigten Angestellten der Beklagten ausgehändigt (vgl. auch
Art. 34 Abs. 1 VVG
). Diese Handlung hat daher die gleichen Rechtsfolgen, wie wenn der Versicherer selber (durch ein Organ mit umfassender Vertretungsbefugnis) sie vorgenommen hätte, und zu diesen Folgen gehört eben, dass der Antrag der Firma Pesenti & Berri im Sinne einer vorläufigen Deckungszusage als angenommen zu gelten hat. Ob der betreffende Angestellte der Beklagten unterschriftsberechtigt war, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Es genügt, dass er den Versicherungsnachweis abgeben durfte. Mit der Abgabe des Versicherungsnachweises vor der endgültigen Annahme des Antrags verhält es sich ähnlich wie mit der Abgabe dieses Nachweises vor der Zahlung der ersten Prämie (vgl. hiezu
BGE 83 II 75
ff.).
7.
War demnach die Firma Pesenti & Berri bei der Beklagten im Zeitpunkt des Unfalles für eine Million Franken gegen
BGE 93 II 111 S. 123
die Folgen der Haftpflicht versichert, so steht den Geschädigten gemäss
Art. 65 Abs. 1 SVG
im Rahmen dieser Deckung ein Forderungsrecht unmittelbar gegen die Beklagte zu.
Die in der Berufungsschrift enthaltene Bemerkung, dass der Antrag der Firma Pesenti & Berri "eine Deckung von Fr. 1'000,000.-- nicht ausdrücklich für Sachschäden, sondern allgemein für den Schadensfall vorsah" und dass somit die Firma Pesenti & Berri die erwähnte Deckung "für den Schadensfall und nicht nur für Sachschäden gewünscht" habe, ist an sich richtig. Die Deckung von einer Million Franken gilt nicht allein für den Sachschaden, sondern für den Personen- und den Sachschaden zusammen. Das ist auch die Auffassung der Klägerin und des Obergerichtes. Mit dieser Feststellung ist aber für die Beklagte nichts gewonnen. Die Forderung der Klägerin erreicht den Betrag von Fr. 1'000,000.-- bei weitem nicht. Dass die Gesamtsumme der Forderungen aus dem Unfall vom 28. August 1961 diesen Betrag übersteige, wird nicht behauptet, und es bestehen dafür auch keine Anhaltspunkte. Eine Ermässigung der Forderungen der Geschädigten gemäss
Art. 66 Abs. 1 SVG
kommt daher nicht in Frage, sondern die Beklagte hat die Schadenersatzforderung der Klägerin voll zu decken, soweit sie materiell begründet ist.
8.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten als dem Haftpflichtversicherer der Firma Pesenti & Berri den Ersatz des Schadens, den sie infolge Beschädigung ihres Rollmaterials und der Bahnanlage beim Zusammenstoss ihres Zuges mit dem Lastwagen der Firma Pesenti & Berri erlitten hat, sowie unter Berufung auf Abtretungen den Ersatz des Sach- und Personenschadens von Fahrgästen und Bahnangestellten, der bei diesem Zusammenstoss entstanden ist. Für die Beurteilung der Schadenersatzfolgen dieses Unfalls sind nicht allein die Vorschriften über die Haftpflicht der Motorfahrzeughalter, sondern auch jene über die Eisenbahnhaftpflicht von Bedeutung.
a) Wird durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder Sachschaden verursacht, so haftet nach
Art. 58 Abs. 1 SVG
(früher Art. 37 Abs. 1 MFG) der Halter für den Schaden. Dabei handelt es sich um eine sog. Gefährdungshaftung (OFTINGER II/2 S. 453), d.h. der Halter haftet ohne Verschulden auf Grund der blossen Verursachung des Schadens durch den mit Gefahren verbundenen Betrieb seines Fahrzeugs. Die vom Obergericht verwendete Bezeichnung
BGE 93 II 111 S. 124
"Kausalhaftung, bei der ein Verschulden vermutet wird" ist ungenau. Eine Schuldvermutung besteht zulasten des Halters nur insofern, als er sich nach
Art. 59 Abs. 1 SVG
(Art. 37 Abs. 2 MFG) durch den Beweis, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder durch grobes Verschulden des Geschädigten oder eines Dritten verursacht wurde, von seiner Haftung nur zu befreien vermag, wenn er ausserdem (u.a.) beweist, dass weder ihn noch Personen, für die er verantwortlich ist, ein Verschulden trifft (vgl. OFTINGER II/2 S. 554 lit. d und die dort in Note 482 angeführten Entscheide). Diese Bestimmung ist im vorliegenden Falle schon deshalb nicht anwendbar, weil die Beklagte mit Recht nicht behauptet, den Lastwagenführer Pini, für den die Halterin Pesenti & Berri nach
Art. 58 Abs. 4 SVG
verantwortlich ist, treffe kein Verschulden.
b) Wenn beim Betrieb einer Eisenbahn ein Mensch getötet oder körperlich verletzt wird, so haftet der Inhaber der Bahnunternehmung nach
Art. 1 EHG
für den daraus entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt, durch Verschulden Dritter oder durch Verschulden des Getöteten oder Verletzten verursacht wurde. Das gleiche gilt nach
Art. 11 Abs. 1 EHG
für Schaden an Gegenständen, die der Betroffene (victime, persona uccisa o lesa, d.h. der Getötete oder Verletzte) unter seiner eigenen Obhut mit sich führte, wenn die Beschädigung, die Zerstörung oder der Verlust mit dem Unfall zusammenhängt. Abgesehen von diesem Falle ist die Bahnunternehmung gemäss
Art. 11 Abs. 2 EHG
für Beschädigung, Zerstörung oder Verlust von Gegenständen, die weder als Frachtgut noch als Reisegepäck aufgegeben wurden, nur dann schadenersatzpflichtig, wenn ihr ein Verschulden nachgewiesen wird. Für Personenschaden und die unter
Art. 11 Abs. 1 EHG
fallenden Sachschäden besteht also eine Gefährdungshaftung, für die nicht von
Art. 11 Abs. 1 EHG
erfassten Sachschäden dagegen unter Vorbehalt der Bestimmungen über das Frachtgut und das Reisegepäck bloss eine Verschuldenshaftung der Bahnunternehmung.
c) Für Schaden aus Körperverletzung haften demnach sowohl der Motorfahrzeughalter als auch der Inhaber der Bahnunternehmung ohne Verschulden auf Grund der blossen Verursachung durch den Betrieb des betreffenden Verkehrsmittels. Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass bei einem Unfall, an dem ein Motorfahrzeug und die Eisenbahn
BGE 93 II 111 S. 125
beteiligt sind, der dem Motorfahrzeughalter infolge Körperverletzung entstandene Schaden grundsätzlich zwischen ihm und dem Inhaber der Bahnunternehmung nach dem Verhältnis zu teilen ist, in welchem die den beiden Verkehrsmitteln innewohnenden Betriebsgefahren zum Schaden beigetragen haben, m.a.W. dass der Halter seinen Personenschaden, soweit er auf die Betriebsgefahr seines eigenen Fahrzeugs zurückzuführen ist, selbst zu tragen hat (
BGE 67 II 183
ff.,
BGE 69 II 159
,
BGE 76 II 324
). Hat auf der einen oder andern oder auf beiden Seiten ein Verschulden zum Schaden beigetragen, so kann sich nach der Rechtsprechung eine andere Verteilung rechtfertigen (
BGE 67 II 187
Erw. 3,
BGE 69 II 159
,
BGE 76 II 325
). Bildet ein dem Motorfahrzeughalter anzurechnendes Verschulden die einzige adäquate Ursache des Unfalls, so wird die Bahnunternehmung von ihrer Haftung für den Personenschaden des Halters befreit (
BGE 76 II 325
,
BGE 87 II 306
f.,
BGE 88 II 450
). Stellt dagegen ein vom Inhaber der Bahnunternehmung zu vertretendes Verschulden die einzige adäquate Unfallursache dar, so muss sich der Motorfahrzeughalter wegen der - in diesem Fall eben nicht adäquat kausalen - Betriebsgefahr seines Fahrzeugs eine Herabsetzung seiner Schadenersatzansprüche gegen den Inhaber der Bahnunternehmung nicht gefallen lassen, sondern haftet ihm dieser für den vollen Personenschaden.
Der umgekehrte Fall, dass bei einem Unfall der erwähnten Art der Inhaber der Bahnunternehmung körperlich verletzt wird, dürfte praktisch kaum vorkommen, weil die Bahnunternehmungen gewöhnlich juristischen Personen gehören, wäre aber gegebenenfalls entsprechend zu behandeln.
d) Die Haftung für Sachschaden ist, wie dargelegt, im SVG (früher MFG) und im EHG verschieden geregelt. Da die Bahnunternehmung im Gegensatz zum Motorfahrzeughalter für solchen Schaden, vom Falle des
Art. 11 Abs. 1 EHG
abgesehen, nur bei Verschulden haftet und da es als unbillig erscheint, bei Unfällen mit Beteiligung beider Verkehrsmittel den Motorfahrzeughalter gegenüber der Bahnunternehmung strenger haften zu lassen als umgekehrt, wurde unter der Herrschaft des MFG bei solchen Fällen die Kausalhaftpflicht des Halters für Sachschäden im Verhältnis zwischen ihm und der Bahnunternehmung nicht berücksichtigt. Vielmehr wurde die für die Haftung zwischen Haltern aufgestellte Vorschrift von Art. 39 Satz 2 MFG, die für Sachschaden das OR als massgebend
BGE 93 II 111 S. 126
erklärt, entsprechend angewendet, so dass sich die Haftung für Sachschaden im Verhältnis zwischen dem Motorfahrzeughalter und der Bahnunternehmung ausschliesslich nach dem Verschulden richtete (
BGE 69 II 160
lit. c und 410 Erw. 3,
BGE 76 II 332
/333).
Anstelle von Art. 39 Satz 2 MFG gilt heute
Art. 61 Abs. 2 SVG
, wonach für Sachschaden eines Halters ein anderer Halter nur haftet, "wenn der Geschädigte beweist, dass der Schaden verursacht wurde durch Verschulden oder vorübergehenden Verlust der Urteilsfähigkeit des beklagten Halters oder einer Person, für die er verantwortlich ist, oder durch fehlerhafte Beschaffenheit seines Fahrzeuges". Diese Bestimmung weicht von der früher geltenden Regelung der Sache nach nur darin ab, dass sie dem Verschulden des beklagten Halters oder einer Person, für die er verantwortlich ist, den vorübergehenden Verlust der Urteilsfähigkeit und die fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs gleichstellt. Statt Art. 39 Satz 2 MFG ist daher heute grundsätzlich
Art. 61 Abs. 2 SVG
auf die Haftung für Sachschaden im Verhältnis zwischen Motorfahrzeughalter und Bahnunternehmung entsprechend anzuwenden. Das führt dazu, dass der Halter für den Sachschaden der Bahn ohne Rücksicht auf die beidseitigen Betriebsgefahren voll haftet, wenn er oder eine Person, für die er verantwortlich ist, den Schaden nachgewiesenermassen verschuldet hat und der Bahn kein Mitverschulden zur Last fällt. (Von vorübergehendem Verlust der Urteilsfähigkeit eines Beteiligten oder von fehlerhafter Beschaffenheit eines der beteiligten Fahrzeuge ist im vorliegenden Falle nicht die Rede.)
e) In der Lehre wird freilich die Auffassung vertreten, die für das Verhältnis unter Motorfahrzeughaltern geltenden, grundsätzlich auf das Verschulden abstellenden Vorschriften über die Haftung für Sachschäden seien auf das Verhältnis zwischen einem Motorfahrzeughalter und einer Bahnunternehmung nur dann ohne Vorbehalt entsprechend anwendbar, wenn beim Unfall kein Personenschaden entstehe; werde beim Unfall ein Mensch getötet oder verletzt, so hafte die Bahnunternehmung für Sachschäden gemäss
Art. 11 Abs. 1 EHG
kausal, wenn der Verunfallte die betreffenden Sachen unter seiner eigenen Obhut mit sich führte und der Schaden im Zusammenhang mit dem Unfall eintrat (vgl. lit. b hievor); in einem solchen Falle bestehe kein Grund, von der nach dem Gesetzeswortlaut geltenden
BGE 93 II 111 S. 127
Kausalhaftung des Motorfahrzeughalters abzusehen, sondern habe die Auseinandersetzung zwischen diesem und der Bahnunternehmung nach den Regeln für die Kollisionen von Kausalhaftungen (genauer: nach den von der Rechtsprechung für die Kollision der Gefährdungshaftungen nach
Art. 1 EHG
und Art. 37 MFG bezw.
Art. 58 SVG
entwickelten Regeln; vgl. lit. c hievor) zu erfolgen (P. PORTMANN, Die Ersatzpflicht bei gegenseitiger Schädigung mehrerer Haftpflichtiger..., ZBJV 1954 S. 1 ff., insbesondere S. 29 ff.; zustimmend OFTINGER I S. 278 Note 11). Diese Auffassung hat weittragende Folgen, wenn man annimmt,
Art. 11 Abs. 1 EHG
gelte entgegen der Meinung, die bei Erlass der entsprechenden Bestimmung des EHG von 1875 (Art. 8 Abs. 1 aEHG) wahrscheinlich herrschte (
BGE 56 II 65
) und zu der A. BUSSY (Les accidents de passages à niveau, 1956, S. 43 No 79) zu neigen scheint, nicht nur für die von verunfallten Bahnreisenden (und Bahnangestellten) mitgeführten Sachen, sondern
Art. 11 Abs. 1 EHG
erfasse entsprechend seinem allgemein gehaltenen Wortlant auch die von einem andern Verunfallten mitgeführten Gegenstände, z.B. ein Motorfahrzeug, das eine bei einem Zusammenstoss mit der Bahn verunfallte Person führte (so OFTINGER II/1 S. 314; ähnlich A. MARTIN in SJZ 1951 S. 193 und PORTMANN a.a.O. S. 30). Haftet in einem solchen Falle die Bahnunternehmung dem Motorfahrzeughalter für den Schaden aus der Beschädigung oder Zerstörung des Motorfahrzeugs nach den Regeln über die Kollision der erwähnten Gefährdungshaftungen, so unterliegt diesen Regeln aus Gründen der Gleichbehandlung wohl auch die Haftung des Halters für den Sachschaden, den die Bahnunternehmung infolge Beschädigung des Eisenbahnzuges erleidet, wenn dessen Führer beim Zusammenstoss verletzt wurde.
Alle diese Streitfragen können hier jedoch offen bleiben, wenn sich ergibt, dass das von der Firma Pesenti & Berri zu vertretende Verschulden des Fahrzeuglenkers Pini die einzige adäquate Ursache des eingeklagten Schadens ist; denn in diesem Falle haftet die Firma Pesenti & Berri, deren Haftpflicht die Beklagte zu decken hat, sowohl nach den Grundsätzen der Verschuldenshaftung als auch nach den Regeln der Gefährdungshaftung für den vollen Schaden.
f) Für den Personenschaden der Bahnreisenden haften die Klägerin und der Motorfahrzeughalter auf Grund von
Art. 1
BGE 93 II 111 S. 128
EHG
bezw.
Art. 58 Abs. 1 SVG
solidarisch, und zwar kausal. Mit der Deckung dieses Schadens durch die Klägerin gingen die Ansprüche der Geschädigten gegen beide Solidarschuldner unter (
Art. 147 Abs. 1 OR
). Die Klägerin konnte sich daher die Ansprüche der Geschädigten gegen den Motorfahrzeughalter nicht abtreten lassen, sondern es kann sich nur fragen, ob und wieweit die Klägerin zum Rückgriff auf den Motorfahrzeughalter berechtigt sei.
Nach
Art. 18 EHG
bleibt der Bahnunternehmung der Rückgriff vorbehalten gegenüber Personen, die durch ihr Verschulden einen Unfall verursacht haben, aus welchem Schadenersatzansprüche geltend gemacht wurden. Ob auch ein Rückgriff der Bahnunternehmung auf neben ihr haftende Kausalhaftpflichtige (insbesondere auf Motorfahrzeughalter) möglich sei, wird im Gesetz nicht gesagt, doch ist diese Frage mit OFTINGER (II/1 S. 376/77) grundsätzlich zu bejahen. Auf den Rückgriff der Bahnunternehmung gegen den Motorfahrzeughalter für von ihr gedeckten Personenschaden der Reisenden sind die Regeln über die gegenseitige Haftung des Halters und des Inhabers der Bahnunternehmung für ihnen zugestossene Personenschäden (lit. c hievor) entsprechend anzuwenden (OFTINGER I S. 317). Der Klägerin ist also der Rückgriff für den vollen Personenschaden der Reisenden zu gewähren, wenn der Unfall ausschliesslich auf das Verschulden des Motorfahrzeuglenkers, für das die Firma Pesenti & Berri einzustehen hat, zurückzuführen ist.
Für Sachschaden infolge Beschädigung, Zerstörung oder Verlustes von Gegenständen, die von verletzten Bahnreisenden unter ihrer eigenen Obhut (im Bahnwagen) mitgeführt wurden, gilt das gleiche wie für den Personenschaden der Reisenden.
Für sonstigen Sachschaden von Reisenden (insbesondere für den Sachschaden von nicht verletzten Reisenden) würde die Bahn nur bei Verschulden haften, wenn man von der hier nicht in Frage stehenden Verantwortlichkeit für aufgegebenes Frachtgut und Reisegepäck absieht. Fällt der Bahn kein Verschulden zur Last, so hat sie mit der Deckung solchen Sachschadens nicht eine eigene Schuld erfüllt. Unter der eben genannten Voraussetzung konnte sie sich also gegen Zahlung des Schadenersatzbetrags die Ansprüche der Reisenden gegen die Firma Pesenti & Berri abtreten lassen. Diese Firma haftet den Geschädigten gegenüber für den Sachschaden kausal (
Art. 58 Abs. 1
BGE 93 II 111 S. 129
SVG
). Von den Entlastungs- und Ermässigungsgründen des
Art. 59 SVG
kommt im Verhältnis zwischen den geschädigten Bahnreisenden und der Firma Pesenti & Berri praktisch nur der Entlastungsgrund des groben Verschuldens eines Dritten (der Bahn) in Betracht. Trifft die Klägerin kein Verschulden, sondern ist der Lastwagenführer Pini am Unfall alleinschuldig, so ist der Klägerin folglich der hier in Frage stehende Schadensposten voll zuzusprechen.
g) Als Personenschaden von Bahnangestellten macht die Klägerin den Unterschied zwischen dem vollen Lohn des verunfallten Lokomotivführers Sommer und dem ihm von der SUVA gemäss KUVG ausgerichteten Krankengeld von 80% dieses Lohnes geltend. Sie hat Sommer diese Differenz auf Grund des mit ihm bestehenden Dienstvertrages bezahlt und kann dafür auf die Firma Pesenti & Berri auf jeden Fall dann Rückgriff nehmen, wenn der Unfall ausschliesslich durch das von dieser Firma zu vertretende Verschulden des Lastwagenführers Pini verursacht wurde.
Für den Sachschaden, den Bahnangestellte bei einem Eisenbahnunfall erleiden, gilt das KUVG nicht. In dieser Hinsicht sind also die Vorschriften des EHG (das ursprünglich auch für den Personenschaden von Bahnangestellten aus Betriebsunfällen galt) durch das KUVG (Art. 128 Ziff. 3) nicht aufgehoben worden (OFTINGER I S. 384). Vielmehr ist für Sachschäden der erwähnten Art der
Art. 11 EHG
massgebend geblieben. Was vorstehend über den von der Klägerin gedeckten Sachschaden der Bahnreisenden ausgeführt wurde, gilt daher auch für den entsprechenden Schaden von Bahnangestellten.
Als Gesamtergebnis der bisherigen Erwägungen ist festzuhalten, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherer der Firma Pesenti & Berri die Forderung der Klägerin in dem vom Obergericht festgesetzten Betrage, dessen Berechnung als solche nicht angefochten ist, voll zu decken hat, wenn das von dieser Firma zu vertretende Verschulden des Lastwagenführers Pini die einzige adäquate Ursache des geltend gemachten Schadens ist.
9.
OFTINGER pflichtet der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich darin bei, dass die Regel, wonach bei Kollision verschiedener Haftungen der einer Gefährdungshaftung unterstehende Geschädigte wegen der von ihm gesetzten Betriebsgefahr einen Teil des Schadens selbst zu tragen hat, dann nicht gilt, wenn das vom andern Teil zu vertretende
BGE 93 II 111 S. 130
Verschulden die einzige adäquate Ursache des Schadens ist, m.a.W. wenn die vom Geschädigten gesetzte Betriebsgefahr nicht adäquat kausal wirksam geworden ist (I S. 276, 285 Ziff. 4, II/1 S. 342/43, II/2 S. 648 Ziff. 1, 650 Ziff. 4, 653 mit Note 839). Er ist jedoch der Auffassung, das sei "selten der Fall" (I S. 276, II/1 S. 342/43, II/2 S. 649), "praktisch kaum denkbar" (II/2 S. 650 Ziff. 4), "nur ausnahmsweise der Fall" (II/2 S. 653). Er beanstandet deswegen (II/2 S. 650) das Urteil
BGE 85 II 519
ff., das bei einem Unfall, der einem Autohalter und dessen Ehefrau infolge groben Verschuldens eines angetrunkenen Fussgängers zugestossen war, dieses Verschulden als einzige rechtserhebliche Ursache des Schadens bezeichnete und es darum ablehnte, die Haftung des Fussgängers aus
Art. 41 ff. OR
im Hinblick auf die Betriebsgefahr des Autos zu mildern.
Richtig ist, dass nicht leichthin angenommen werden darf, die vom einen Teil zu vertretende Betriebsgefahr habe neben einem Verschulden, für das der andere Teil einzustehen hat, nicht in rechtserheblicher Weise auf den Schaden eingewirkt. Dass das nur ausnahmsweise angenommen werden dürfe oder sogar praktisch kaum denkbar sei, kann jedoch nicht zugegeben werden. Es kommt häufig vor, dass Verkehrsteilnehmer in gröbster Weise gegen elementare Gebote der Vorsicht verstossen (vgl.
BGE 87 II 307
), und es ist sehr wohl denkbar, dass ein solcher Verstoss sich bei einem Unfall so intensiv auswirkt, dass daneben die vom andern Teil zu vertretende Betriebsgefahr als adäquate Ursache des Schadens ausscheidet. Die Vorschriften über die Entlastung der Bahnunternehmung und des Motorfahrzeughalters durch ein Selbstverschulden des Geschädigten (
Art. 1 Abs. 1 EHG
,
Art. 59 Abs. 1 SVG
) beruhen auf dieser Auffassung. Die gleiche Auffassung muss auch zur Geltung kommen, wenn es sich darum handelt, ob ein schuldloser Geschädigter, der infolge Verschuldens des andern Teils einen Unfall erlitten hat, sich im Hinblick auf die von ihm gesetzte Betriebsgefahr eine Ermässigung des ihm geschuldeten Schadenersatzes gefallen lassen müsse.
10.
Die Beklagte anerkennt heute mit Recht, dass der Lastwagenführer Pini die Hauptverantwortung für den Unfall trägt. Pini übertrat Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 des Bahnpolizeigesetzes vom 18. Februar 1878 in Verbindung mit Art. 11 Ziff. 2 lit. a der Verordnung vom 7. Mai 1929 betr. den Abschluss
BGE 93 II 111 S. 131
und die Signalisierung der Niveaukreuzungen (Niv-KreuzV), wonach die Bahn beim Nahen eines Zuges nicht überschritten werden darf und Fahrzeuge bei einem Übergang, der durch eine im Gang befindliche Blinklichtanlage gesperrt ist, wenigstens 10 m vor dieser Sperre angehalten werden müssen. Ferner verstiess seine Fahrweise gegen die Art. 4 Abs. 2 des Bahnpolizeigesetzes, Art. 11 Ziff. 2 lit. c und d NivKreuzV und Art. 25 Abs. 1 des zur Zeit des Unfalls in diesem Punkte noch gültig gewesenen MFG, aus denen sich ergibt, dass der Fahrzeugführer bei der Annäherung an einen Bahnübergang erhöhte Vorsicht walten lassen und seine Geschwindigkeit so bemessen muss, dass er wenn nötig vor dem Geleise anhalten kann (vgl. zu alledem
BGE 87 II 309
/10). Ob Pini, wie das Obergericht annimmt, auch Art. 11 Ziff. 2 lit. b NivKreuzV betreffend das Verhalten vor unbewachten Übergängen verletzt habe (vgl. zu diesem umstrittenen Begriff
BGE 87 II 309
und 316 ff. mit Hinweisen, sowie Art. 8 Abs. 2 der seit dem Unfall erlassenen Verordnung über die Strassensignalisation vom 31. Mai 1963, der den in
BGE 87 II 309
und 316 ff. erwähnten Art. 9 der entsprechenden Verordnung vom 17. Oktober 1932/23. November 1934 ersetzt), kann dahingestellt bleiben; denn im Verhalten Pinis lag auch dann, wenn Art. 11 Ziff. 2 lit. b NivKreuzV als nicht anwendbar erachtet wird, ein grober Verstoss gegen mehrere Verkehrsvorschriften und gegen elementare Gebote der Vorsicht. Insbesondere war es grob fahrlässig, dass er die funktionierenden Blinklichter übersah. Die Leuchtkraft dieser Lichter wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts durch das Sonnenlicht nicht beeinträchtigt, sondern ihr Aufleuchten war auf eine Entfernung von 100 m einwandfrei erkennbar. Was die Beklagte gegen diese Feststellung vorbringt, ist als Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu hören (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Das gleiche gilt auch für ihre Behauptung, das über den Blinklichtern angebrachte Andreaskreuz sei "auf eine bestimmte Entfernung schwer auszumachen", d.h. durch die Farbe eines Hauses "verwischt". Mit dieser Behauptung wendet sich die Beklagte in unzulässiger Weise gegen die Feststellung des Obergerichtes, wonach alle Signale gut sichtbar waren. Wenn die Zeichen der Warnglocke im Führerstand eines Lastwagens kaum zu hören waren, was dem. Obergericht als glaubhaft erscheint, so entlastet das
BGE 93 II 111 S. 132
Pini nicht. Der Führer eines Lastwagens, der selber einen starken Lärm entwickelt, muss sich davon Rechenschaft geben, dass ihm akustische Signale entgehen können. Um so mehr muss er auf die optischen Signale aufpassen. Die akustischen Signale so zu verstärken, dass auch der Führer eines Lastwagens mit starkem Eigenlärm sie deutlich hören kann, darf von den Bahnunternehmungen schon mit Rücksicht auf die Allgemeinheit nicht verlangt werden. Das Verhalten Pinis war zudem auch deshalb höchst unvorsichtig, weil er sich durch die gut sichtbaren Vorsignale nicht dazu bestimmen liess, die Geschwindigkeit seines schweren Lastzuges bei der Annäherung an den Bahnübergang so zu mässigen, dass er nötigenfalls vor dem Übergang anhalten konnte. Pini verhielt sich also in mehr als einer Beziehung grob schuldhaft, und es steht auch ausser Zweifel, dass sein fehlerhaftes Verhalten sich beim Unfall als entscheidende Ursache auswirkte.
11.
Gegen die Annahme des Obergerichtes, das Verschulden Pinis sei nicht bloss die Hauptursache, sondern die einzige adäquate Ursache des Schadens, wendet die Beklagte ein, die Bahn habe nicht alles getan, um den Unfall zu vermeiden oder wenigstens seine Folgen zu mildern. Vielmehr sei der Bahnunternehmung und dem Lokomotivführer ein Mitverschulden vorzuwerfen. Deswegen und wegen der Betriebsgefahr der Bahn sei die Ersatzpflicht der Firma Pesenti & Berri um 1/3 zu ermässigen. Die Argumente der Beklagten halten jedoch nicht stand.
a) Der Vorwurf ungenügender Wirksamkeit der den Bahnübergang und das Nahen eines Zuges anzeigenden Signale wurde bereits widerlegt (Erw. 10 hievor).
b) Es bedeutet auch kein Verschulden der Bahn, dass ihr Fahrdienstreglement beim fraglichen Übergang eine Geschwindigkeit von 75 Stundenkilometern zulässt und dass der Unfallzug mit einer Geschwindigkeit von 67 Stundenkilometern fuhr, als für den Lokomotivführer ungefähr 50 m vor der Kreuzung erkennbar wurde, dass der Führer des Lastenzuges vor dem Übergang nicht anzuhalten gedachte. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist den Bahnen nicht zuzumuten, vor Übergängen die Geschwindigkeit so zu mässigen, dass der Zug beim Auftauchen eines Hindernisses noch vor dem Übergang angehalten werden kann. Eine solche Anforderung wäre mit dem Bahnbetrieb unvereinbar, weshalb das Gesetz der Bahn bei Niveauübergängen die unbedingte Priorität gewährt (
BGE 87 II 315
BGE 93 II 111 S. 133
lit. c). Hieran hat das Aufkommen des motorisierten Strassenverkehrs nichts geändert.
c) Die Beklagte erblickt eine Fahrlässigkeit der Klägerin oder doch eine erhöhte Betriebsgefahr der Bahn darin, dass ein - nach dem Unfall entfernter - Baum die Sicht auf das Bahngeleise behinderte und dass der Übergang gleichwohl nicht mit Schranken oder Halbschranken gesichert wurde.
Die Klägerin betreibt eine sog. Nebenbahn. Nach Art. 11 Ziff. 4 Abs. 2 der Verordnung vom 19. März 1929 über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen ist bei mit fernbedienten Barrieren versehenen oder unbewachten Wegübergängen "für grösstmöglichste Übersichtlichkeit zu sorgen". Ob Übergänge, die mit einer Blinklichtanlage ausgestattet sind, im Sinne dieser Bestimmung als unbewacht zu gelten haben (vgl. zu dieser Streitfrage
BGE 87 II 316
ff. mit Hinweisen und Erw. 10 hievor), braucht im vorliegenden Falle so wenig wie im Falle
BGE 87 II 301
ff. entschieden zu werden. Selbst wenn man nämlich zugunsten der Beklagten annehmen wollte, der streitige Übergang habe als unbewacht zu gelten, so könnte doch nicht anerkannt werden, dass die Nichtbeseitigung des erwähnten Baumes vor dem Unfall der Klägerin zum Verschulden gereiche oder eine erhöhte Betriebsgefahr begründet habe. Die einwandfrei funktionierende Blinklichtanlage, die wie die Vorsignale auf genügende Entfernung gut sichtbar war, bildete angesichts der Tatsache, dass der in Frage stehende Übergang ausserhalb des Dorfkerns liegt, für jeden auch nur einigermassen aufmerksamen Fahrzeuglenker eine so zuverlässige Sicherheitsvorkehr, dass nicht von ungenügender Übersichtlichkeit des Übergangs gesprochen werden kann, auch wenn die Sicht auf das von rechts vorn kommende Bahngeleise erst ca. 25 m vor dem Übergang frei wurde (vgl.
BGE 87 II 318
/19, wo ähnliche Verhältnisse vorlagen). Wie dem aber auch sei, so kann die Beklagte aus der Behinderung der Sicht auf das Bahngeleise auf jeden Fall deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil Pini nach den für das Bundesgericht massgebenden tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts derart sorglos auf die Kreuzung zufuhr, dass sich der Zusammenstoss auch bei besserer Sicht auf das Bahngeleise mit gleicher Intensität ereignet hätte.
Das Fehlen von Schranken oder Halbschranken kann aus den in
BGE 87 II 313
lit. a dargelegten Gründen, die hier entsprechend gelten, nicht als Mangel der Anlage angesehen werden.
BGE 93 II 111 S. 134
d) Die Beklagte macht schliesslich noch geltend, den Lokomotivführer Sommer treffe ein Verschulden, weil er nach Erkennen der Gefahr im Vertrauen auf sein Vortrittsrecht nur Pfeifsignale abgegeben habe, statt seine Geschwindigkeit herabzusetzen, wodurch der Zusammenstoss vermieden worden wäre. Mit diesen Vorbringen übergeht die Beklagte die verbindliche tatsächliche Feststellung des Obergerichts, wonach Sommer bremste. Nach dem u.a. auf die Untersuchung des Geschwindigkeitsmesser-Streifens gestützten Gutachten Winter, auf welches das Obergericht abstellt, leitete Sommer eine Schnellbremsung ein, sobald er erkennen konnte, dass der Lastwagenführer nicht anzuhalten gedachte. Damit hat er getan, was ihm zuzumuten war. Wenn sich durch diese Bremsung die Geschwindigkeit bis zur Kreuzungsstelle wegen der kurzen Entfernung nicht mehr wesentlich vermindern liess, so war das nicht seine Schuld. Durch das Senken des Stromabnehmers, wozu nach seiner Darstellung die Zeit nicht reichte, wäre nach dem Gutachten am Ablauf der Ereignisse nichts geändert worden. Das Obergericht hat daher ein Verschulden Sommers am Unfall zu Recht verneint. - Hat demnach die Klägerin weder ein Verschulden noch eine erhöhte Betriebsgefahr zu vertreten, so konnte das Obergericht ohne Verletzung von Bundesrecht annehmen, das grobe Verschulden Pinis, der unter Missachtung elementarer Gebote der Vorsicht blindlings drauflosfuhr, sei die einzige adäquate Ursache des geltend gemachten Schadens. Die dem Bahnbetrieb normalerweise innewohnende Betriebsgefahr wird durch dieses Verschulden, das sich beim Unfall entscheidend ausgewirkt hat, als Ursache des Unfalls so sehr in den Hintergrund gedrängt, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dieser Gefahr und dem Unfall nicht mehr als rechterheblich gelten kann. Die Halterin des Lastwagens haftet deshalb für den vollen Schaden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern, I. Kammer, vom 3. März 1966 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0a36f62-21cf-4ec4-9699-2e9b9e3b0793 | Urteilskopf
111 II 284
57. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 17 septembre 1985 dans la cause Negresco S.A. contre la Masse en faillite de Socsil S.A. (recours en réforme) | Regeste
Art. 718 Abs. 1 OR
.
1. Der klare Wortlaut einer solidarischen Verbindlichkeit schliesst jede Auslegung im Sinne einer Bürgschaft aus (E. 2).
2. Aufgabe der Rechtsprechung zu
Art. 718 Abs. 1 OR
, die verlangte, dass die Handlung des Organs tatsächlich dem Gesellschaftszweck diene, und den guten Glauben des Vertragspartners unberücksichtigt liess (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 285
BGE 111 II 284 S. 285
A.-
Socsil S.A. - dont la faillite a été prononcée le 11 septembre 1980 - avait pour but la "fabrication, vente et exportation du protoxyde d'azote et autres gaz narcotiques, exportation d'appareils d'analgésie et de narcose ainsi que l'exportation et l'importation de marchandises de toutes sortes". Elle était engagée par la signature individuelle de feu Eli Pinkas, connu dans les milieux d'affaires vaudois. Celui-ci a commis de nombreuses escroqueries afin de se procurer les fonds dont il avait besoin pour ses dépenses personnelles. Il empruntait des sommes importantes, au nom de Socsil S.A. ou de sociétés panaméennes qu'il contrôlait, en offrant des intérêts substantiels, puis utilisait vraisemblablement ces fonds pour ses besoins propres. Il a mêlé formellement Socsil S.A. à ces opérations, en la faisant apparaître comme caution ou codébiteur solidaire des emprunts consentis par des tiers. Aucune trace n'a été trouvée, dans les comptes de Socsil S.A., d'un transfert effectif de fonds en faveur de cette dernière.
Dans ce contexte, Marcel Stern a investi des fonds jusqu'à concurrence de 3'050'000 francs dans les affaires de Pinkas, ce dernier lui assurant que ces fonds seraient placés auprès de Socsil S.A., soit directement, soit indirectement par l'intermédiaire d'autres sociétés.
Les fonds ainsi versés par Stern provenaient de prêts que lui avait faits Gérard Tersmeden. Cette créance de Tersmeden a été cédée à Negresco S.A., société panaméenne dont Tersmeden était le représentant et l'actionnaire. Quant à la dette de Stern, elle a été reprise par une autre société panaméenne, Transfina Corporation.
BGE 111 II 284 S. 286
Le 30 octobre 1977 a été signée la pièce suivante à en-tête de Transfina Corporation:
"RECONNAISSANCE DE DETTE
La société soussignée reconnaît devoir à
NEGRESCO S.A.
la somme de Frs. 3'050'000.-- (Trois millions cinquante mille frs).
Cette somme portera un intérêt au taux de 9% l'an, dès le 30 octobre
1977, payable trimestriellement, mais pour la première fois le 30 janvier
1978.
Le présent prêt est remboursable les 30 janvier, 30 avril, 30
juillet, et 30 octobre de chaque année, moyennant un préavis donné par
écrit 180 jours avant la date de remboursement à TRANSFINA CORPORATION,
c/o Me Louis MUDRY 4, rue Charles-Bonnet, 1206 Genève.
Les personnes soussignées se reconnaissent débitrices solidaires du
montant susmentionné, ainsi que des intérêts.
Les débiteurs solidaires: Marcel Stern (sig. Stern)
TRANSFINA CORPORATION (sig. Stern)
SOCSIL S.A. (sig. Pinkas)
Eli Pinkas (sig. Pinkas)
Genève, le 30 octobre 1977."
Il n'est pas établi que Socsil S.A. ait bénéficié d'une manière ou d'une autre des capitaux avancés par Tersmeden à Stern, et faisant l'objet de la reconnaissance de dette précitée. Quant à Negresco S.A., au vu des explications que lui avait fournies feu Pinkas, elle considérait que les fonds avancés profitaient à Socsil S.A.
B.-
Le 12 janvier 1981, Negresco S.A. a produit dans la faillite de Socsil S.A. à concurrence de 3'118'625 francs. Cette production ayant été entièrement écartée, Negresco S.A. a ouvert action en contestation de l'état de collocation en concluant à l'admission de la créance précitée en cinquième classe.
Par jugement du 20 décembre 1984, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté les conclusions de la demanderesse Negresco S.A. et admis les conclusions libératoires de la masse en faillite de Socsil S.A.
C.-
La demanderesse interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut à la réforme du jugement cantonal, en ce sens que l'état de collocation de la faillite Socsil S.A. est modifié, la créance de Negresco S.A. étant admise en 5e classe à concurrence de 3'118'625 francs, subsidiairement à concurrence de 3'050'000 francs.
La masse défenderesse conclut au rejet du recours.
BGE 111 II 284 S. 287
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
C'est de manière erronée que la cour cantonale se réfère aux règles d'interprétation dégagées par la jurisprudence pour déterminer si l'engagement pris par Socsil S.A. dans l'acte du 30 octobre 1977 est un cautionnement ou un engagement principal solidaire ou cumulatif, règles qui font appel au but du contrat et à l'intérêt propre de celui qui s'engage et qui posent une présomption en faveur du cautionnement (cf.
ATF 101 II 325
ss et les références). On ne peut en effet recourir à ces règles d'interprétation que si les termes de l'accord passé entre parties laissent planer un doute ou sont peu clairs (cf.
ATF 83 II 307
,
ATF 81 II 525
; cf. également SCYBOZ, Le contrat de garantie et le cautionnement, Traité de droit privé suisse VII/2, p. 31; VON TUHR/ESCHER, p. 302; BECK, Das neue Bürgschaftsrecht, p. 15 n. 26; REICHEL, Die Schuldmitübernahme, p. 224, 308 s.). Selon le principe de la confiance, est déterminant le sens que, selon les règles de la bonne foi, chacune des parties pouvait raisonnablement prêter aux déclarations de volonté de l'autre (
ATF 105 II 18
consid. 3a et les arrêts cités,
ATF 92 II 348
). Si, en appliquant ce principe, le juge peut donner un sens clair et conférer un effet juridique aux déclarations de volonté, une interprétation plus approfondie est superflue (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, n. 246 ad
art. 1er CO
; JÄGGI/GAUCH, n. 386 ad
art. 18 CO
). Lorsque le texte d'un contrat est clair, il n'y a pas lieu d'en dénaturer le sens par la recherche d'une interprétation fondée sur des éléments extrinsèques, sauf circonstances particulières qui n'existent pas en l'espèce (
ATF 99 II 285
).
Le texte de la reconnaissance de dette litigieuse est tout à fait clair et le sens de l'engagement pris par ceux qui ont signé sous la rubrique "débiteurs solidaires" est dépourvu de toute équivoque. Il s'agit d'un engagement solidaire, lié à une dette assumée par Transfina Corporation, et comportant une reconnaissance expresse de la dette d'un montant bien déterminé. Tel est aussi le sens que pouvait raisonnablement prêter la créancière Negresco S.A. à l'engagement pris par Socsil S.A. notamment.
Les constatations de fait du jugement ne permettent au demeurant pas de retenir l'existence d'un accord de volontés réciproques différent de celui qui ressort de l'acte lui-même. L'engagement solidaire pris par Socsil S.A. ne pouvait en tout cas pas paraître anormal à la créancière, puisque d'une part il était pris
BGE 111 II 284 S. 288
concurremment et au même titre que l'engagement de Stern, bénéficiaire direct du montant en cause, et que d'autre part, aux yeux de la créancière, le montant prêté était investi chez Socsil S.A. Dans ces conditions, il importe peu qu'en réalité Socsil S.A. n'ait en rien bénéficié du montant en cause et qu'elle n'ait eu aucun intérêt propre et direct à l'exécution de l'obligation reprise par Transfina Corporation. La concordance des volontés exprimées (
ATF 101 II 331
consid. 2), telle qu'elle résulte de l'acte signé par les parties, suffit en effet à la perfection de l'accord (
art. 1er al. 1 CO
).
On doit donc considérer, contrairement à la cour cantonale, que l'engagement pris par Socsil S.A. est une reprise cumulative de dette, soit un engagement solidaire, et non pas un cautionnement.
3.
a) La cour cantonale a jugé que l'acte signé par Pinkas au nom de Socsil S.A., qu'elle a qualifié à tort de cautionnement, était nul pour vice de forme. Par surabondance de droit, elle a considéré que, supposé formellement valable, l'acte en question était de toute façon nul au regard de l'
art. 718 al. 1 CO
. Selon elle, Socsil S.A. n'était pas valablement engagée, car l'opération, qui a servi à obtenir des capitaux dans le seul intérêt de Pinkas, sortait du cadre des actes que peut impliquer le but social. Elle a également retenu à cet égard que la bonne ou la mauvaise foi de la créancière ne jouait aucun rôle.
b) Pour nier la conformité de l'engagement litigieux avec le but social de Socsil S.A., la cour cantonale se fonde essentiellement sur le fait que Pinkas, en engageant la société, a agi uniquement à des fins personnelles. Les premiers juges ont donc examiné si, concrètement, l'opération litigieuse était un acte que pouvait impliquer le but social. Ce faisant, ils ont appliqué pleinement la jurisprudence de l'arrêt, auquel ils se réfèrent expressément, publié in
ATF 95 II 442
ss, spécialement consid. 3 et 7. Or cette jurisprudence a non seulement été critiquée de façon unanime par la doctrine, mais elle n'a déjà plus été appliquée dans l'arrêt publié une année plus tard in
ATF 96 II 440
ss. La question mérite donc un réexamen.
Aux termes de l'
art. 718 al. 1 CO
, les personnes autorisées à représenter la société ont le droit de faire au nom de celle-ci tous les actes que peut impliquer le but social. Selon la jurisprudence, approuvée par la doctrine, le but social embrasse l'ensemble des actes juridiques qui, du point de vue objectif, peuvent, ne fût-ce que de façon indirecte, contribuer à atteindre le but social,
BGE 111 II 284 S. 289
c'est-à-dire tous ceux que ce but n'exclut pas nettement; il n'est pas nécessaire qu'ils rentrent dans l'activité habituelle de l'entreprise (
ATF 96 II 445
,
ATF 95 II 450
consid. 3 et les arrêts cités). Pour la doctrine, cependant, les actes en question doivent être appréciés selon un critère objectif, d'une manière générale et abstraite (PATRY, Précis de droit suisse des sociétés, vol. II, p. 248). C'est ainsi que l'acte juridique est apprécié en fonction de sa nature, de son type, et non pas en fonction de la relation concrète qu'il peut avoir, dans la réalité d'une opération donnée, avec le but de la société (cf. BUCHER, in Festgabe Bürgi, p. 53 et 57). En d'autres termes, il n'est pas essentiel que, dans un cas précis, l'affaire ait réellement servi le but social, mais il suffit que l'acte passé soit éventuellement justifié par ce but, qu'il n'y soit donc pas complètement étranger (F. DE STEIGER, Le droit des sociétés anonymes en Suisse, traduction Lausanne 1973, p. 263). Cette conception est seule compatible avec la nature des actes et des pouvoirs des organes des personnes morales. Il importe donc peu de savoir si l'acte accompli par l'organe était concrètement, réellement, un acte que pouvait impliquer le but social. Par ailleurs, les organes des personnes morales ne sont pas des représentants, au sens technique des
art. 32 ss CO
, mais ils forment directement la volonté même de la personne morale qu'ils engagent par leurs actes juridiques, voire par leurs actes illicites (cf.
ATF 98 II 219
, 68 II 98); la bonne foi du cocontractant qui traite avec un tel organe n'est dès lors pas sans portée.
Ainsi ne saurait-on confirmer la jurisprudence de l'arrêt
ATF 95 II 442
ss, dans la mesure où, au considérant 3 (p. 450), elle exige que l'acte de l'organe soit concrètement un acte que pouvait impliquer le but social, c'est-à-dire qu'il s'agisse d'un acte qui serve concrètement le but social, et ou, au considérant 7 (p. 455), elle fait abstraction de la bonne foi du cocontractant. L'abandon de cette jurisprudence correspond à ce que demande la doctrine unanime et tient compte des critiques pertinentes qui ont été émises à son endroit (BUCHER, in Festgabe Bürgi, p. 50 ss, et Allg. Teil, p. 573/574; MERZ, in Festschrift Harry Westermann, p. 401; KUMMER, in RJB 107 (1971), p. 214 ss et 108 (1972), p. 128/129; F. DE STEIGER, op.cit., p. 263, n. 259; W. VON STEIGER, FJS 803, trad. française, p. 23 et n. 69; et in Schweiz. Privatrecht VIII/1, Die Kollektivgesellschaft, p. 517; VON GREYERZ, in Schweiz. Privatrecht VIII/2, Die Aktiengesellschaft, p. 210; WOHLMANN, in Schweiz. Privatrecht VIII/2, Die GmbH, p. 422; SCHÄRER, Die
BGE 111 II 284 S. 290
Vertretung der Aktiengesellschaft durch ihre Organe, thèse Fribourg 1981, p. 72 ss; ROTH, in RDS 104 (1985), I, p. 290). Le Tribunal fédéral a du reste lui-même clairement relevé, dans l'arrêt
ATF 96 II 444
/5 consid. 3b, que l'
art. 718 al. 1 CO
vise à protéger les tiers de bonne foi et non à régir les rapports internes entre la société et ses représentants; il a ainsi nettement admis la conformité avec le but social d'actes qui, abstraitement et objectivement, réalisaient cette conformité, alors même que, concrètement, ils n'avaient profité qu'à l'organe personnellement et non à la société qu'il représentait. On peut aussi noter que la référence faite par le Tribunal fédéral, dans l'arrêt publié in
ATF 105 II 296
consid. 7, à certaines des critiques citées plus haut, indiquait qu'il en ferait probablement cas tôt ou tard.
c) En tenant compte de ce qui précède, un engagement solidaire, une reprise cumulative de dette, voire un cautionnement, n'apparaissent point, objectivement et abstraitement, comme des actes nettement exclus par le but social d'une société industrielle et commerciale telle que Socsil S.A. En effet, pour réaliser ses buts de fabrication et d'import-export, une telle société pouvait parfaitement chercher à obtenir des prestations, des financements, des prêts ou des avances impliquant des reconnaissances de dettes et des garanties, soit des engagements du genre de ceux qu'elle a souscrits. Il s'agit d'actes qui manifestement, de façon indirecte, peuvent contribuer à atteindre le but social. Ces éléments suffisent pour que le tiers de bonne foi qui a traité avec la société soit protégé, et cela sans qu'importe la circonstance que, concrètement, l'acte litigieux souscrit n'ait bénéficié qu'à Pinkas et n'ait servi en réalité en rien le but social de Socsil S.A. Au demeurant, la mauvaise foi de la demanderesse n'a pas été démontrée; au contraire, de sérieux indices font apparaître que cette dernière était de bonne foi en croyant procéder, comme elle l'a fait, à des investissements en faveur de Socsil S.A.
Dans ces conditions, il ne saurait être question d'admettre, ainsi que le retient le jugement attaqué, la nullité de l'engagement litigieux sur la base de l'
art. 718 al. 1 CO
.
4.
Il s'ensuit que le présent recours doit être admis en ce sens que la créance de Negresco S.A., découlant de l'acte du 30 octobre 1977, devra être admise en cinquième classe à l'état de collocation de la faillite de Socsil S.A. (...) | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0a3bae6-7d51-4faa-9f52-511f0d44e43b | Urteilskopf
123 V 118
20. Auszug aus dem Urteil vom 15. Juli 1997 i.S. Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen gegen M. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | Regeste
Art. 76 AHVV
,
Art. 22 Abs. 4 ELV
: Drittauszahlung nachträglich zugesprochener Ergänzungsleistungen.
Art. 22 Abs. 4 ELV
bildet eine genügende Grundlage für Drittauszahlungen nachträglich zugesprochener Ergänzungsleistungen an vorschussleistende Institutionen, ohne dass darüber hinaus auch noch die von
Art. 76 AHVV
- oder von der in
BGE 118 V 88
verdeutlichten und präzisierten Praxis - verlangten zusätzlichen Drittauszahlungsvoraussetzungen erfüllt sein müssten.
Art. 2 Abs. 3 ELG
,
Art. 22 Abs. 4 ELV
: Verrechnung mit für Kinder ausgerichteten Vorschussleistungen. Es ist nicht zulässig, einen in der Ergänzungsleistung enthaltenen Anteil für die in die Leistungsberechnung miteinbezogenen Kinder auszuscheiden; hingegen ist eine Drittauszahlung zwecks Verrechnung mit für diese Kinder erbrachten Vorschussleistungen in dem Umfang zulässig, in welchem damit Kosten bestritten wurden, für die sonst der Ergänzungsleistungsberechtigte aufgrund seiner familienrechtlichen Unterhaltspflicht hätte aufkommen müssen. | Erwägungen
ab Seite 119
BGE 123 V 118 S. 119
Aus den Erwägungen:
5.
a) Offenbar übersehen hat das kantonale Gericht, dass der Bundesrat gestützt auf
Art. 3 Abs. 6 ELG
mit dem auf den 1. Januar 1990 neu in Kraft gesetzten
Art. 22 Abs. 4 ELV
eine besondere Regelung über die Nachzahlung von Ergänzungsleistungen getroffen hat und das in ZAK 1989 S. 224 publizierte Urteil insoweit durch die Rechtsentwicklung überholt ist. Gemäss dieser Verordnungsbestimmung kann einer privaten oder einer öffentlichen Fürsorgestelle, die einer Person im Hinblick auf Ergänzungsleistungen Vorschussleistungen für den Lebensunterhalt während einer Zeitspanne gewährt hat, für die rückwirkend Ergänzungsleistungen ausgerichtet werden, dieser Vorschuss bei der Nachzahlung direkt vergütet werden. Diese Norm enthält somit eine ausdrückliche materielle Grundlage zur Koordination von Ergänzungsleistungen mit Leistungen der öffentlichen Fürsorge, was dem Rechtszustand entspricht, der mit der Einfügung des seit 1. Januar 1994 in Kraft stehenden
Art. 85bis IVV
auch im Bereich der Invalidenversicherung erreicht worden ist. Das Ziel dieser koordinationsrechtlichen
BGE 123 V 118 S. 120
Ordnung ist primär in der Vermeidung eines Doppelbezugs von Leistungen zu Lasten des gleichen Gemeinwesens zu erblicken (
BGE 121 V 24
f. Erw. 4c/aa). Insofern unterscheidet sie sich von den zur Sicherstellung zweckgemässer Leistungsverwendung aufgestellten Normen. Vor diesem Hintergrund bildet
Art. 22 Abs. 4 ELV
eine durchaus genügende Grundlage für Drittauszahlungen von nachträglich zugesprochenen Ergänzungsleistungen an vorschussleistende Institutionen, ohne dass darüber hinaus auch noch die von
Art. 76 AHVV
- oder von der in
BGE 118 V 88
verdeutlichten und präzisierten Praxis - verlangten zusätzlichen Drittauszahlungsvoraussetzungen erfüllt sein müssten.
b) Im vorliegenden Fall zu beachten ist allerdings, dass die dem Beschwerdegegner zugesprochenen Leistungen an die Amtsvormundschaft überwiesen werden sollen zwecks Verrechnung mit Vorschussleistungen, welche nicht diesem selbst, sondern dessen Tochter gewährt wurden. Wie das kantonale Gericht unter Hinweis auf ZAK 1989 S. 224 an sich zutreffend erkannte, haben Kinder, die einen Anspruch auf eine Kinderrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründen und deshalb in die Ergänzungsleistungsberechnung miteinzubeziehen sind, indem die für sie massgebenden Einkommensgrenzen dem anspruchsberechtigten Elternteil zugerechnet werden (
Art. 2 Abs. 3 ELG
), keinen Anspruch auf direkte Ausrichtung eines Teils der Ergänzungsleistung. Daraus schloss die Vorinstanz, die Tatsache der finanziellen Unterstützung der Tochter des Leistungsberechtigten durch die Fürsorgebehörde könne keinen Anspruch auf Drittauszahlung der Ergänzungsleistung begründen. Dieser Folgerung kann in dieser Form indessen nicht beigepflichtet werden. Zwar geht es tatsächlich nicht an, einen in der Ergänzungsleistung enthaltenen Anteil für die in die Leistungsberechnung miteinbezogenen Kinder auszuscheiden. Folgerichtig hat das Eidg. Versicherungsgericht in
BGE 122 V 300
denn auch den auf den 1. Januar 1995 neu in Kraft getretenen
Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV
, welcher eine gesonderte Ergänzungsleistungsberechnung für den Leistungsansprecher und dessen Kind, das Anspruch auf eine Kinderrente der Alters- und Hinterlassenen- oder der Invalidenversicherung begründet, als gesetzeswidrig erklärt und dieser Bestimmung damit die Anwendung versagt. (...). Zu Recht ging die Vorinstanz damit davon aus, dass sozialversicherungsrechtlich eine reale Aufteilung des Ergänzungsleistungsanspruchs auf den leistungsberechtigten Elternteil und dessen Kind nicht zulässig ist, obschon dies rein rechnerisch an sich denkbar
BGE 123 V 118 S. 121
wäre, sei dies nun in der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen oder aber auf eine andere Weise.
Vorliegend geht es jedoch gar nicht darum, einen dem Kind des Ergänzungsleistungsbezügers zustehenden Anteil an der Ergänzungsleistung auszuscheiden. Diese soll ausschliesslich dem Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten dienen. Zu dessen Lebensunterhalt sind indessen auch allfällige familienrechtliche Unterhaltspflichten zu zählen. Allein damit lässt sich auch die in
Art. 2 Abs. 3 ELG
vorgesehene Zurechnung der für Kinder massgebenden Einkommensgrenzen rechtfertigen. Werden nun aber mit den von einer Fürsorgestelle vorschussweise erbrachten Leistungen Kosten bestritten, für welche aufgrund seiner familienrechtlichen Unterhaltspflicht der anspruchsberechtigte Ergänzungsleistungsbezüger hätte aufkommen müssen, liegen indirekt Zuwendungen an dessen eigenen Lebensunterhalt vor. Es ist kein plausibler Grund ersichtlich, weshalb nachträglich ausgerichtete Ergänzungsleistungen nicht gestützt auf
Art. 22 Abs. 4 ELV
mit solchen Vorschusszahlungen sollten zur Verrechnung gebracht werden können. Vorauszusetzen ist lediglich, dass tatsächlich Vorschussleistungen erbracht und für Aufwendungen eingesetzt wurden, die sonst vom Ergänzungsleistungsberechtigten hätten übernommen werden müssen. Soweit die Vorinstanz die streitige Drittauszahlung grundsätzlich als unzulässig erklärt, erweist sich der angefochtene Entscheid somit als bundesrechtswidrig und muss daher aufgehoben werden.
6.
Die Amtsvormundschaft forderte die Drittauszahlung im Umfang eines rein rechnerisch auf die Tochter des Beschwerdegegners entfallenden Anteils an der nachträglich zugesprochenen Ergänzungsleistung, was nach dem Gesagten nicht zulässig ist. Nichts einwenden liesse sich indessen gegen eine Drittauszahlung bis zum Betrag, für welchen die Amtsvormundschaft der Tochter des Beschwerdegegners Vorschussleistungen hat zukommen lassen, für welche dieser aufgrund seiner familienrechtlichen Unterhaltspflicht hätte aufkommen müssen. Diesbezüglich enthalten die vorhandenen Akten jedoch keine zuverlässigen Angaben. Die Beschwerdeführerin, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird deshalb von der Amtsvormundschaft entsprechende Belege einholen und, solange kein als Tatbestand wirkendes Urteil des zuständigen Zivilrichters vorliegt, vorfrageweise prüfen müssen, inwiefern die geleisteten Zahlungen zur familienrechtlichen Unterhaltspflicht des Beschwerdegegners gehören. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse wird sie erneut über die streitige Drittauszahlung befinden. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0a8bc07-11b8-475c-a21d-57a377f1b8d5 | Urteilskopf
87 I 61
10. Auszug aus dem Urteil vom 1. Februar 1961 i.S. Schneider AG gegen Imholz sowie Handelsgericht und Kassationsgericht des Kantons Zürich. | Regeste
1.
Art. 86 Abs. 2 und 3 OG
. Muss die staatsrechtliche Beschwerde auch dann in erster Linie gegen den Entscheid über das ausserordentliche kantonale Rechtsmittel und nicht gegen das ihm zugrunde liegende Sachurteil gerichtet werden, wenn der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft zu werden braucht, der Beschwerdeführer aber gleichwohl vom kantonalen Rechtsmittel Gebrauch gemacht hat? Frage offen gelassen (Erw. 2).
2.
Art. 61 BV
hat nicht nur die Vollstreckung, sondern auch die Anerkennung von Urteilen anderer Kantone zum Gegenstand; den Urteilen sind der Vergleich, die Klageanerkennung, der Klagerückzug und die Klageverwirkung gleichzusetzen (Erw. 3).
3. Die Gerichte eines Kantons haben das Recht eines andern Kantons dort, wo es Platz greift, von Amtes wegen anzuwenden (Erw. 4 a).
4. Einwendungen gegen die Vollstreckung und Anerkennung von Urteilen anderer Kantone (Erw. 5). Die Vereinbarung eines Gerichtsstands schliesst im Zweifel die Klage am Wohnsitz der beklagten Partei nicht aus (Erw. 5 a). | Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 87 I 61 S. 62
Aus dem Tatbestand:
Die Schneider A. G. in Zürich erhob auf Grund eines Kaufvertrags gegen Imholz Klage auf Zahlung von Fr. 11'480.--. Obschon der Vertrag den Gerichtsstand Zürich vorsieht, reichte die Schneider A. G. die Klage beim Vermittleramt von Altdorf, dem Wohnsitz des Beklagten, ein. Der Vermittlungsvorstand führte zu keiner Einigung. Das Vermittleramt stellte der Klägerin am 15. Mai 1959 den Weisungsschein aus. Dieser vermerkt:
"Es wird daher das Rechtsbegehren zur Beurteilung an den Präsidenten des Landgerichts Uri zu Handen der zuständigen Gerichtsbehörde gewiesen und dem Kläger auf sein Verlangen dieser Weisungsschein ausgestellt, der binnen sechzig Tagen mit der Klageschrift ... dem Gerichtspräsidenten einzureichen ist, ansonst Prozessabstand angenommen wird gemäss Z.P.O. § 114."
Die Schneider AG machte vom Weisungsschein keinen Gebrauch. Sie leitete statt dessen anfangs 1960 beim Friedensrichteramt Zürich 4 eine neue Klage über die nämliche Forderung gegen Imholz ein, wobei sie sich auf die Gerichtsstandsabrede des Kaufvertrags berief. In der Folge machte sie die Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich anhängig. Imholz erhob die Einrede der abgeurteilten Sache. Das Handelsgericht hat mit Urteil vom 2. Mai 1960 erkannt, entgegen der in
BGE 67 II 70
vertretenen Auffassung übe die Versäumung der Frist zur Einreichung des Weisungsscheins die in § 114 Abs. 2 der Urner ZPO angedrohte Wirkung nur im Kanton Uri
BGE 87 I 61 S. 63
aus; der Prozessabstand, der nach der genannten Bestimmung anzunehmen sei, entfalte anderwärts keine Rechtskraft, so dass der Beklagte im Kanton Zürich nicht die Einrede der abgeurteilten Sache erheben könne; andere Einwendungen aber habe er der Klage nicht entgegengestellt; sie sei daher gutzuheissen.
Imholz hat gegen dieses Urteil kantonale Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der
Art. 4 und 61 BV
erhoben. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat die Nichtigkeitsbeschwerde am 23. September 1960 abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, als Nichtigkeitsgrund komme nur die Verletzung klaren Rechts im Sinne von § 344 Ziff. 9 der Zürcher ZPO in Frage; eine solche liege hier. nicht vor, da sich die Ansicht des Handelsgerichts, auch wenn sie
BGE 67 II 70
widerspreche, vertreten lasse.
Im Anschluss an diesen Entscheid hat Imholz eine zweite staatsrechtliche Beschwerde "gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 2. Mai 1960" eingereicht. Er nimmt darin erneut zu den Erwägungen des Sachurteils Stellung und wirft nebenhin dem Kassationsgericht Willkür vor.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Ausführungen darüber, dass die behauptete Rechtsverletzung weder mit der zivilrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde noch mit der Berufung hätte gerügt werden können; vgl.
BGE 81 II 146
Erw. 1 a.)
2.
Der Rüge der Verletzung des
Art. 4 BV
kommt unter den gegebenen Umständen neben dem Vorwurf der Missachtung des
Art. 61 BV
keine selbständige Bedeutung zu. Die Beschwerde wegen Missachtung des letztgenannten Verfassungssatzes ist gemäss
Art. 86 Abs. 2 OG
zulässig, bevor von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist. Dem Beschwerdeführer steht es jedoch nach
Art. 86 Abs. 3 OG
frei, zunächst die kantonalen Rechtsmittel durchzuführen.
Im vorliegenden Fall konnte der Beschwerdeführer
BGE 87 I 61 S. 64
demnach schon das Sachurteil des Handelsgerichts beim Staatsgerichtshof wegen Verletzung des
Art. 61 BV
anfechten, wie er es in seiner ersten staatsrechtlichen Beschwerde getan hat. Er hat zudem von der ihm nach
Art. 86 Abs. 3 OG
zustehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde zu erheben. Im Anschluss an die Abweisung dieses ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels hat er eine zweite staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, deren Begründung indes, jedenfalls soweit sie sich gegen den Entscheid des Kassationsgerichts wendet, den Anforderungen des
Art. 90 Abs. 1 OG
nicht entspricht. Das könnte dem Beschwerdeführer jedoch nur schaden, wenn die Anhandnahme der staatsrechtlichen Beschwerde gegen das Sachurteil von der gültigen Anfechtung des Rechtsmittelentscheids abhängig wäre.
Falls die Ausgestaltung des kantonalen ausserordentlichen Rechtsmittels es gestattet, die Rügen zu prüfen, die im bundesgerichtlichen Verfahren angebracht werden können, ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
, wie das Bundesgericht in
BGE 81 I 148
und
BGE 84 I 234
Erw. 1 erkannt hat, in erster Linie gegen den Rechtsmittelentscheid zu richten; in diese Anfechtung kann auch das Sachurteil einbezogen werden; beschränkt sich der Beschwerdeführer dagegen auf die Anfechtung des Sachurteils, ohne auch den Rechtsmittelentscheid darin einzubeziehen, so kann auf die Beschwerde überhaupt nicht eingetreten werden. Das Bundesgericht hat auf diese Weise der Vorschrift Nachachtung verschafft, dass die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
erst gegen den Entscheid der letzten kantonalen Instanz zulässig ist. Wo der kantonale Instanzenzug, wie bei der Beschwerde wegen Verletzung des
Art 61 BV
, nicht erschöpft zu werden braucht, erscheint es daher nicht ohne weiteres als gegeben, dass sich die staatsrechtliche Beschwerde (unter dem erwähnten Vorbehalt) gleichfalls in erster Linie gegen den Rechtsmittelentscheid
BGE 87 I 61 S. 65
und nicht gegen das Sachurteil wenden müsste. Die Frage kann hier jedoch offen bleiben. Während das Bundesgericht auf Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 61 BV
hin grundsätzlich frei darüber befindet, ob ein ausserkantonales Urteil zu vollstrecken sei (
BGE 78 I 112
Erw. 2 mit Verweisungen), hatte das Kassationsgericht nur zu prüfen, ob eine klare gesetzliche Bestimmung verletzt worden sei (§ 344 Ziff. 9 der Zürcher ZPO). Da die Rügen, die mit der staatsrechtlichen Beschwerde erhoben werden können, im kantonalen Rechtsmittelverfahren nicht anzubringen waren, entfällt die Voraussetzung, unter der die staatsrechtliche Beschwerde nach der durch
BGE 81 I 148
und
BGE 84 I 234
Erw. 1 eingeleiteten Rechtsprechung an den Rechtsmittelentscheid angeknüpft werden muss. Selbst wenn diese Rechtsprechung auch auf Beschwerden Anwendung finden sollte, die vor Durchführung der kantonalen Rechtsmittel erhoben werden können, brauchte sich der Beschwerdeführer somit im vorliegenden Fall nicht gegen den Rechtsmittelentscheid zu wenden. Die Mängel der Beschwerde, die im Anschluss an den Entscheid des Kassationsgerichts eingereicht worden ist, stehen darum der Anhandnahme der das Sachurteil des Handelsgerichts betreffenden Beschwerde nicht entgegen. Ist das Sachurteil als verfassungswidrig aufzuheben, so wird damit dem Rechtsmittelentscheid des Kassationsgerichts der Gegenstand entzogen und er fällt dahin, ohne dass er besonders angefochten werden müsste (BIRCHMEIER, Handbuch, S. 348 lit. c).
3.
Gemäss
Art. 64 Abs. 1 und 2 BV
steht dem Bund die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts zu. Die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung sind jedoch nach
Art. 64 Abs. 3 BV
"wie bis anhin" den Kantonen verblieben. Die Gerichtsbarkeit der einzelnen Kantone gegeneinander abzugrenzen, kann nur die Aufgabe von Normen sein, die dem kantonalen Recht vorgehen (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 57; vgl. auch
BGE 41 I 198
). Die Verfassung
BGE 87 I 61 S. 66
und die Gesetzgebung des Bundes enthalten eine Reihe von Normen über die Abgrenzung der kantonalen Gebietshoheiten in verschiedenen Bereichen. Mit Bezug auf die Justizhoheit der Kantone in Zivilsachen fallen hierbei neben der Gerichtsstandsgarantie des
Art. 59 BV
die Gerichtstandsbestimmungen des Bundeszivilrechts in Betracht.
Mit der Abgrenzung der Gerichtshoheiten der Kantone kann es indes nicht sein Bewenden haben; es gilt auch, diese Ordnung aufrecht zu erhalten. Aufgabe des Bundes als des Garanten der kantonalen Gebietshoheit (
Art. 5 BV
), der Gleichheit der Kantone und des Rechtsfriedens zwischen den Bundesgliedern ist es, dafür zu sorgen, dass die Gerichtsbarkeit, die ein Kanton innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit ausübt, in den andern Kantonen Beachtung finde. In diesem Sinne schreibt
Art. 61 BV
vor, dass die rechtskräftigen Zivilurteile, die in einem Kanton gefällt worden sind, in der ganzen Schweiz vollzogen werden müssen. Damit wird gleichzeitig ein Teil der Rechtshilfe geordnet, welche die Kantone einander als Bundesglieder schulden.
a) Der genannte Verfassungssatz wird durch
Art. 80 und 81 SchKG
nach bestimmten Richtungen hin gesetzlich ausgeführt; er erschöpft sich jedoch nicht in diesen Vorschriften, die nur die Vollstreckung regeln und sich bloss auf Urteile beziehen, die auf Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtet sind (
Art. 38 Abs. 1 SchKG
). Obwohl auch
Art. 61 BV
selber lediglich die Vollstreckung erwähnt, ist sein Anwendungsbereich ein weiterer. Sein wirklicher Sinn geht dahin, der Gerichtsbarkeit des zuständigen Kantons ganz allgemein in der ganzen Schweiz Nachachtung zu verschaffen. Das heisst, dass nicht nur die Leistungsurteile des betreffenden Kantons in der ganzen Schweiz zu vollstrecken sind, sondern dass auch die übrigen rechtskräftigen Zivilentscheidungen in den andern Kantonen Anerkennung finden sollen. Indem
Art. 61 BV
den Kantonen die bedeutsamste Folge dieser
BGE 87 I 61 S. 67
Anerkennung, die Vollstreckung, ausdrücklich zur Pflicht macht, verhält er sie auch, die Entscheidungen ausserkantonaler Gerichte in allen andern Beziehungen, so insbesondere hinsichtlich der Einrede der abgeurteilten Sache, grundsätzlich in gleicher Weise zu beachten wie die Entscheidungen der eigenen Gerichte (
BGE 30 I 682
,
BGE 71 I 26
Erw. 4; GULDENER, Internationales und interkantonales Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 84 § 8 Ziff. I).
Art. 61 BV
hat demnach nicht nur die Vollstreckung, sondern auch die Anerkennung rechtskräftiger ausserkantonaler Zivilurteile zum Gegenstand.
b) Ein Akt der kantonalen Gerichtsbarkeit, dem in der ganzen Schweiz Anerkennung zukommt, liegt nicht nur in einem Urteil, das auf Grund eigener Rechtsfindung des befassten Gerichts ergangen ist, sondern auch in einer Schlussnahme, die sich auf eine Parteierklärung (Klageanerkennung, Klagerückzug oder Vergleich) stützt (vgl.
BGE 74 I 134
Erw. 2; BURCKHARDT, Komm. 3 Aufl., S. 574 lit. b; FLEINER/GIACOMETTI, S. 862).
Art. 80 Abs. 2 SchKG
stellt denn auch den gerichtlichen Vergleich und die gerichtliche Schuldanerkennung ausdrücklich den Urteilen gleich. Dabei begründet es keinen Unterschied, ob es zur Beendigung des Prozesses eines gerichtlichen Urteils bedarf, das gestützt auf die Parteierklärung auszufällen ist (Abschreibungsverfügung), oder ob die Beendigung unmittelbar auf Grund der Parteierklärung und ohne Zutun des Gerichts eintritt (vgl. GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht, S. 291 Ziff. 9, S. 298 Ziff. 4). Zwar ist die betreffende Erklärung einer Partei oder den Parteien und nicht dem Staate zuzurechnen; doch stellen die Wirkungen, die das Prozessrecht damit verbindet, einen Ausfluss der kantonalen Gerichtsbarkeit dar, der von den andern Kantonen zu beachten ist. Ob über die Beendigung des Prozesses eine Urkunde ausgestellt werde, ist lediglich von beweisrechtlicher Bedeutung, entscheidet dagegen nicht darüber, ob die Beendigung vollstreckbar bzw. anerkennungsfähig sei oder nicht.
BGE 87 I 61 S. 68
c) Entgegen der Auffassung des Handelsgerichts ist dem Klagerückzug der Fall gleichzusetzen, da ein Versäumnis des Klägers nach dem kantonalen Prozessrecht die Klageverwirkung nach sich zieht. Als Akt der kantonalen Gerichtsbarkeit fällt hier wie dort nicht das Verhalten der Partei, sondern die daran geknüpfte Rechtsfolge in Betracht. Diese Rechtsfolge aber ist in beiden Fällen dieselbe: der Verlust des Rechts, die Klage zu erneuern. Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, ist vom Standpunkt des Bundeszivilrechts aus nichts dagegen einzuwenden, dass das Prozessrecht einen Anspruch dahinfallen lässt, wenn der Kläger eine Frist versäumt, die zur Fortsetzung des einmal angehobenen Verfahrens dient (
BGE 67 II 73
mit Verweisungen). Das Handelsgericht hat sich dieser Feststellung angeschlossen. Es weicht nur insofern von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ab, als es die Wirkungen des Prozessabstands auf das Gebiet des Kantons beschränkt wissen will, worin sich der Prozess abgespielt hat. Dem kann nicht gefolgt werden. Wird der eingeklagte materielle Anspruch als Gegenstand des Prozesses betrachtet, wie das in
BGE 67 II 74
geschehen ist, dann ist es von vornherein klar, dass der einmal untergegangene Anspruch nicht andernorts wiederaufleben und neu eingeklagt werden kann. Zum selben Ergebnis führt es, wenn das Klagerecht als publizistischer Anspruch gegen den Staat vom materiellen Anspruch abgehoben wird, und wenn die Klageverwirkung mit TROLLER (Von den Grundlagen des zivilprozessualen Formalismus, S. 20) als rein prozessrechtliches Institut aufgefasst wird. Wohl ergibt sich bei dieser Betrachtungsweise, dass sich die Klageverwirkung zunächst und soweit das kantonale Recht in Frage steht, nur auf dem Gebiet des Kantons auswirkt, der sie vorschreibt; weil aber
Art. 61 BV
der Gerichtsbarkeit, die ein Kanton innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit ausübt, in der ganzen Schweiz Nachachtung verschafft, entfaltet die Klageverwirkung, die der Kanton kraft
BGE 87 I 61 S. 69
seiner Gerichtshoheit eintreten lässt, von Bundesverfassungs wegen ihre Wirkungen auch in den andern Kantonen (vgl. GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht, S. 67 A. 53).
Zusammengefasst ist festzustellen, dass die Klageverwirkung einem Zivilurteil im Sinne des
Art. 61 BV
gleichkommt, das nach Eintritt der Rechtskraft grundsätzlich in der ganzen Schweiz anzuerkennen ist.
4.
Die Beschwerdegegnerin hat ein und denselben Anspruch erst am Wohnsitz des Beschwerdeführers in Altdorf und dann am vereinbarten Gerichtsstand in Zürich eingeklagt. Im zweiten Verfahren hat der Beschwerdeführer vor dem Handelsgericht unter Hinweis auf den Prozessabstand, der das erste Verfahren beendigt hat, die Einrede der abgeurteilten Sache erhoben. Bei Beurteilung dieser Einrede hatte das Handelsgericht nach dem in Erw. 3 Gesagten zu prüfen, ob der Prozessabstand als Klageverwirkung aufzufassen sei, und ob dieser Justizakt Rechtskraft erlangt habe. Beide Fragen beantworten sich nach urnerischem Recht.
a) Als Ausfluss der Rechtshilfe, welche die Kantone einander zu leisten haben, haben die Gerichte eines Kantons das Recht eines andern Kantons dort, wo es Platz greift, vom Amtes wegen anzuwenden. Dieser Grundsatz, den
Art. 2 Abs. 2 NAG
mit Bezug auf das Zivilrecht eines andern Kantons ausdrücklich festhält, gilt auch für den Richter, der sich über die Vollstreckung oder Anerkennung eines ausserkantonalen Urteils auszusprechen hat und der dabei über Vorfragen zu befinden hat, die nach dem Prozessrecht des Urteilskantons zu entscheiden sind. Der Richter hat dieses Recht nach der in jenem Kanton massgebenden Rechtsprechung und Lehrmeinung auszulegen (NIEDERER, Allg. Lehren des internationalen Privatrechts, 3. Aufl. S. 343 Ziff IV), von denen er nicht ohne Not abweichen darf. Die selben Einschränkungen treffen das Bundesgericht, wenn es auf Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 61 BV
hin die Auslegung zu überprüfen
BGE 87 I 61 S. 70
hat, die dem Recht des Urteilskantons nach dessen Rechtsprechung zuteil wird.
b) Ob ein anerkennungsfähiger Justizakt im Sinne des
Art. 61 BV
vorliege, hängt im vorliegenden Fall von der Auslegung des § 114 Abs. 2 der Urner ZPO ab. Danach ist Prozessabstand anzunehmen, wenn es der Kläger unterlässt, einen Weisungsschein zu verlangen oder diesen binnen sechzig Tagen beim zuständigen Gerichtspräsidenten zur Einleitung der Klage einzureichen. Die urnerische Rechtsprechung fasst diese Versäumnisfolge als Klageverwirkung auf, welche die nochmalige Klageerhebung ausschliesst und damit zur rechtskräftigen Erledigung des eingeklagten Anspruchs führt. Der Staatsgerichtshof hat diese Auffassung im nicht veröffentlichten Urteil vom 14. Februar 1941 i.S. Gisler, auf dem auch
BGE 67 II 73
fusst, als nicht willkürlich bezeichnet. Auf diesen Entscheid zurückzukommen, besteht kein Anlass, da sich das Handelsgericht der darin geschützten urnerischen Rechtsprechung angeschlossen hat, ohne dass die Parteien daran Anstoss genommen hätten.
In
BGE 67 II 75
ist allerdings darauf hingewiesen worden, dass es dem Kläger nicht schade, wenn er das Verfahren nach Durchführung des Vermittlungsvorstandes nicht fortsetze, weil die Klage an einem prozessualen Mangel leide; das Versäumnis der in
§ 114 Abs. 2 ZPO
gesetzten Frist ziehe diesfalls nicht die Verwirkung der Klage nach sich. Um die in der genannten Vorschrift aufgestellte Vermutung des Prozessabstands zu widerlegen, wird der Kläger indes in einem solchen Fall ausdrücklich einen entsprechenden Vorbehalt anzubringen haben. Die Beschwerdegegnerin hat keine derartige Erklärung abgegeben; sie hätte auch keinen Anlass gehabt, die Klage angebrachterweise zurückzuziehen. Zwar macht sie geltend, sie habe das Verfahren nicht fortsetzen können, weil sie die Klage beim örtlich unzuständigen Richter erhoben habe. Das trifft jedoch, wie in Erw. 5 lit a zu zeigen sein wird, nicht zu. Dass sie den Vermittlungsvorstand
BGE 87 I 61 S. 71
"lediglich als nochmalige ernstliche Mahnung des Beschwerdeführers" verlangt habe, ist durch nichts bewiesen; wäre dem so, dann wäre das zudem in diesem Zusammenhang ohne Belang. Die Rechtswirkungen einer Prozesshandlung treten unbekümmert darum ein, ob sie gewollt seien oder nicht (GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht, S. 208 Ziff. III); wenn die Beschwerdegegnerin beim Friedensrichteramt Altdorf gegen den Beschwerdeführer Klage erhob, so trafen sie deshalb selbst dann die dem Kläger obliegenden prozessualen Pflichten, falls sie nicht im Ernste an die Durchführung des Prozesses dachte. Die Verletzung dieser Pflichten zog die im Gesetze vorgesehenen Folgen nach sich. Die Säumnis der Beschwerdegegnerin führte demgemäss nach der urnerischen Rechtsprechung auf Grund des
§ 114 Abs. 2 ZPO
zur rechtskräftigen Verwirkung der Klage.
5.
Das heisst indes noch nicht, dass diese Rechtsfolge ohne weiteres in den andern Kantonen zu vollziehen bzw. anzuerkennen sei. Wie dargelegt, gewährleistet
Art. 61 BV
den rechtskräftigen Zivilurteilen eines Kantons nur insoweit die ausserkantonale Anerkennung, als dieser sich bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit innerhalb der Schranken seiner Zuständigkeit gehalten hat. Solche Schranken bestehen namentlich in zwei Richtungen: sie ergeben sich aus den Regeln, welche die Gerichtshoheit der Kantone gegeneinander abgrenzen, und aus gewissen unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessenden prozessualen Grundrechten (rechtliches Gehör, Gleichheit der Parteien im Verfahren), denen die Kantone bei der Ausgestaltung des Prozessgangs Rechnung zu tragen haben. Sind diese Schranken missachtet worden, so besteht nach
Art. 61 BV
kein Anspruch auf Vollstreckung des Urteils ausserhalb des Kantons, dessen Gerichte das Urteil gefällt haben, was der Urteilsschuldner im Vollstreckungsverfahren einwendungsweise geltend machen kann. Das SchKG hat diese sich aus der Verfassung ergebenden Grundsätze gesetzlich ausgeführt; es hat dabei die Verteidigungsrechte
BGE 87 I 61 S. 72
des Urteilsschuldners weiter verstärkt. Wird die Vollstreckung eines ausserkantonalen Urteils verlangt, so kann der Betriebene gemäss
Art 81 Abs. 2 SchKG
die Zuständigkeit des Gerichts bestreiten, welches das Urteil gefällt hat; er kann ferner einwenden, er sei nicht regelrecht vorgeladen worden oder nicht gesetzlich vertreten gewesen; soll ein ausserkantonaler Schiedsspruch vollstreckt werden, so kann er nach der Rechtsprechung ausserdem die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts bemängeln (
BGE 76 I 92
Erw. 3,
BGE 80 I 340
Erw. 3,
BGE 81 I 327
Erw. 3). Entsprechende Einwendungen stehen der belasteten Partei gegenüber einem ausserkantonalen rechtskräftigen Justizakt zu, der durch die Erhebung der Einrede der abgeurteilten Sache zur Anerkennung gebracht werden soll.
a) Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin ist der Prozessabstand, der in dem in Altdorf eingeleiteten Verfahren eingetreten ist, schon deswegen ausserhalb des Kantons unbeachtlich, weil die Urner Gerichte infolge der Vereinbarung des Gerichtsstands Zürich zur Beurteilung der Klage unzuständig gewesen seien. Dieser Einwand ist unbegründet. Die Vereinbarung eines Gerichtsstands schliesst im Zweifel die Klage am ordentlichen Gerichtsstand des Wohnsitzes der beklagten Partei nicht aus, entspricht es doch im allgemeinen deren Interesse, an ihrem Wohnsitz eingeklagt zu werden (GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht, S. 94 Ziff. III/2, A. 88). Die Beschwerdegegnerin hat nicht dargetan, dass sich aus dem Wortlaut der Gerichtsstandsabrede des Kaufvertrags, dem Zusammenhang, in dem sie steht, oder den Umständen, unter denen sie getroffen wurde, der Wille der Vertragsschliessenden ergäbe, dem vereinbarten Gerichtsstand einen ausschliesslichen Charakter zuzuerkennen.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt ein Urteil im Sinne von Art. 80 f. SchKG (und
Art. 61 BV
) nur vor, wenn das Gericht seine Entscheidung in einem Verfahren getroffen hat, das beiden Parteien Gelegenheit bot, sich über das streitige Begehren auszusprechen
BGE 87 I 61 S. 73
(
BGE 67 I 9
Erw. 2). Der Prozessabstand, den der Beschwerdeführer in der Einrede der abgeurteilten Sache angerufen hat, ist in einem Zivilprozess eingetreten, in dem sich beide Seiten Gehör verschaffen konnten.
6.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich hatte mithin keinen Grund, dem Prozessabstand, der in dem im Kanton Uri eingeleiteten Verfahren eingetreten ist, die Anerkennung zu versagen. Die Verwerfung der Einrede der abgeurteilten Sache verstösst deshalb gegen
Art. 61 BV
. Das Urteil des Handelsgerichts ist, weil insofern verfassungswidrig, aufzuheben. Damit fällt auch der Entscheid des Kassationsgerichts dahin (vgl. Erw. 2 am Ende). | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b0aa33d0-6a3b-4b0e-8f5b-5902d13a44e2 | Urteilskopf
120 Ia 19
3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. März 1994 i.S. R. gegen Schulgemeinde Fischenthal und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; Anspruch auf richterliche Beurteilung einer Werkplanfestsetzung für einen Schulhausbau.
Der Anspruch auf eine richterliche Überprüfung nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ist grundsätzlich bereits vor der letzten kantonalen Instanz geltend zu machen (E. 2c).
Gegenüber der Festsetzung von Werkplänen nach zürcherischem Recht besteht ein Anspruch auf eine richterliche Überprüfung nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, da diese Pläne dem Werkträger das Enteignungsrecht erteilen (E. 3).
Vorliegend gewährleistet weder das kantonale Verfahren noch das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht den nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
erforderlichen gerichtlichen Rechtsschutz (E. 4).
Anweisung an den Kanton Zürich, dem Beschwerdeführer eine Gerichtsinstanz im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zur Verfügung zu stellen, welche den Sachverhalt und die Rechtsanwendung frei überprüft (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 20
BGE 120 Ia 19 S. 20
In der Gemeinde Fischenthal soll ein neues Oberstufenschulhaus gebaut werden, um den akuten Mangel an Schulräumen zu beheben. Zu diesem Zweck erwarb die Schulgemeinde am 27. Januar 1988 von der Erbengemeinschaft R. eine Landparzelle im Gebiet Burghalden in der Nähe der bereits bestehenden Schulanlagen im Ortsteil Schmittenbach. Der Kaufvertrag enthielt ein Rückkaufsrecht der Verkäufer für den Fall, dass bis am 31. Dezember 1989 kein "baurechtlich genehmigtes Projekt für öffentliche Bauten und Anlagen (Schulhaus)" vorliege. Das Bezirksgericht Hinwil sprach der Erbengemeinschaft R. am 9. Juli 1991 gestützt auf dieses Rückkaufsrecht das Eigentum an der fraglichen Parzelle wieder zu, da am 31. Dezember 1989 eine Baubewilligung für das geplante Schulhaus nicht vorhanden war. R. zahlte in der Folge seine Miterben aus und ist heute alleiniger Eigentümer des genannten Grundstücks.
BGE 120 Ia 19 S. 21
Zur Verwirklichung des Schulhausneubaus im Gebiet Burghalden wurden neben dem erwähnten, nachträglich gescheiterten freihändigen Landerwerb die folgenden Schritte unternommen: Am 5. Juli 1988 teilte die Gemeindeversammlung Fischenthal die vorgesehene Parzelle von der Wohnzone W2 in die Zone für öffentliche Bauten um. Der Regierungsrat des Kantons Zürich genehmigte am 20. Dezember 1989 das Raumprogramm und am 22. August 1990 das Projekt des neuen Oberstufenschulhauses Burghalden. Er sicherte der Gemeinde für die Realisierung des Vorhabens einen Staatsbeitrag zu. Die Schulgemeindeversammlung bewilligte am 27. April 1990 einen Kredit für den Schulhausneubau, und der Gemeinderat Fischenthal erteilte am 6. Juni 1990 die dafür erforderliche Baubewilligung. Die Gemeindeversammlung Fischenthal beschloss ferner am 10. Dezember 1990 eine Änderung des kommunalen Richtplans, mit welchem der Bereich Burghalden/Schmittenbach vom Wohngebiet zum Gebiet mit hohem Anteil öffentlicher Bauten umgeteilt sowie an dieser Stelle der Standort für ein Oberstufenschulhaus festgesetzt wurde.
Die Schulgemeinde Fischenthal versuchte nach der erwähnten Rückübertragung des für den Schulhausbau vorgesehenen Lands an die Verkäufer erneut, von diesen die fragliche Parzelle auf vertraglichem Weg zu erwerben. Die zu diesem Zweck geführten Verhandlungen blieben jedoch ohne Erfolg. Die Schulpflege Fischenthal setzte darauf am 18. März 1992 zur Sicherung des Schulhausbaus auf der Parzelle von R. einen Werkplan fest. Gleichzeitig wurden indessen auch weitere Standorte für das neue Schulhaus geprüft, um das zur Realisierung im Gebiet Burghalden erforderlich gewordene Enteignungsverfahren zu vermeiden. Die von der Schulpflege, der Rechnungsprüfungskommission und der Lehrerschaft von Fischenthal befürwortete Variante "Mühlebach" lehnte die Erziehungsdirektion aus Kostengründen ab und verlangte die Weiterverfolgung des Projekts "Burghalden".
R. focht die Festsetzung des Werkplans auf seiner Parzelle mit Rekurs bei der Baurekurskommission III an. Diese wies das Rechtsmittel am 23. September 1992 ab, soweit sie darauf eintrat. Gegen diesen Entscheid erhob R. Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Zürich, welcher am 28. April 1993 abgewiesen wurde. Ein gegen den Rekursentscheid eingereichtes Revisionsgesuch wies der Regierungsrat am 3. November 1993 ebenfalls ab.
R. hat gegen die Entscheide des Regierungsrats vom 28. April 1993 und vom 3. November 1993 je eine staatsrechtliche Beschwerde
BGE 120 Ia 19 S. 22
beim Bundesgericht eingereicht. Er beantragt die Aufhebung der beiden angefochtenen Entscheide. Neben einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (
Art. 4 BV
) und des Anspruchs auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter (
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und
Art. 4 und 58 BV
) rügt der Beschwerdeführer, die Festsetzung des fraglichen Werkplans verletze den Grundsatz des Vertrauensschutzes (
Art. 4 BV
) und die Eigentumsgarantie (
Art. 22ter BV
).
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der erste angefochtene Entscheid bestätigt die Zulässigkeit der fraglichen Werkplanfestsetzung. Der zweite verneint die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften bzw. die versehentliche Nichtberücksichtigung aktenkundiger Tatsachen im ersten Verfahren betreffend die Festsetzung des Werkplans.
a) Nach
Art. 84 Abs. 1 OG
können kantonale Erlasse und Verfügungen (Entscheide) mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Ein solcher anfechtbarer Hoheitsakt liegt nur vor, wenn dadurch die Rechtsstellung des Bürgers in verbindlicher Weise festgelegt wird (
BGE 118 Ia 165
E. 2a S. 168;
BGE 113 Ia 232
E. 1 S. 234 f.).
Der Regierungsrat weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass der umstrittene Werkplan - trotz des irreführenden Titels des angefochtenen Entscheids - noch nicht genehmigt sei. Grundsätzlich sind zwar Rechtsmittelentscheide über die Festsetzung von Nutzungsplänen erst nach Vorliegen der Genehmigung mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar, da sie erst damit rechtsverbindlich werden (
Art. 26 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [RPG; SR 700]
). Mit Rücksicht auf die besondere Ordnung des Planfestsetzungsverfahrens im Kanton Zürich tritt das Bundesgericht jedoch auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Nutzungspläne auch dann ein, wenn die Genehmigung bezüglich des fraglichen Grundstücks noch nicht vorliegt (
BGE 118 Ia 165
E. 2a S. 168 f.).
Die Entscheide des Regierungsrats vom 28. April 1993 und 3. November 1993 können somit mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden.
b) Nach
Art. 86 Abs. 1 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Das zürcherische Recht sieht in § 67 lit. a und b des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 24. Mai 1959 (VRG) gegen Urteile des Regierungsrats und des Verwaltungsgerichts ein
BGE 120 Ia 19 S. 23
kassatorisches Rechtsmittel vor, das grundsätzlich ergriffen werden muss, bevor entsprechende Rügen mit staatsrechtlicher Beschwerde dem Bundesgericht unterbreitet werden können (
BGE 110 Ia 136
E. 2 S. 137 f.;
BGE 106 Ia 52
E. 1b S. 54 f.;
BGE 101 Ia 298
E. 1a S. 299 f.).
Der Beschwerdeführer hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtslage gegen das erste Urteil des Regierungsrats vom 28. April 1993 nicht nur eine staatsrechtliche Beschwerde, sondern auch ein Revisionsgesuch beim Regierungsrat eingereicht. In seiner zweiten Beschwerde gegen den Entscheid vom 3. November 1993 rügt er nicht allein Verfassungsverletzungen dieses letzteren Entscheids, sondern auch solche des ersten vom 28. April 1993, die er in seiner ersten Beschwerde noch nicht vorgebracht hat. Der Regierungsrat ist der Auffassung, auf diese neuen Rügen könne nicht eingetreten werden, da sie bereits in der Beschwerde gegen den ersten Entscheid hätten geltend gemacht werden müssen.
Die Rechtsprechung des Bundesgerichts verlangt in Fällen, in denen neben dem letztinstanzlichen auch noch ein diesem vorangehender Entscheid mitangefochten werden kann, nicht, dass einzelne Rügen bereits vor dem letztinstanzlichen Entscheid zu erheben sind. Es müssen mit anderen Worten die Einwendungen, die zwar mit staatsrechtlicher Beschwerde vor Bundesgericht, aber nicht oder nicht im gleichem Umfang vor der letzten kantonalen Instanz vorgebracht werden können, nicht bereits neben der Einlegung des letzten kantonalen Rechtsmittels mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht geltend gemacht werden. Es ist vielmehr zulässig, diese Rügen auch noch im Anschluss an den letzten kantonalen Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Beschwerdeführer die Aufhebung beider Hoheitsakte verlangt (
BGE 115 Ia 414
E. 1 S. 415;
BGE 110 Ia 136
E. 3b S. 138 f.;
BGE 94 I 459
E. 2b/bb S. 462 f.).
Im vorliegenden Fall beantragt der Beschwerdeführer mit seiner zweiten Beschwerde ausdrücklich zwar lediglich die Aufhebung des Revisionsentscheids. Er stellt aber zugleich den Antrag, die neu eingereichte zweite Beschwerde zusammen mit der bereits eingereichten ersten zu behandeln, in welcher er die Aufhebung des ersten Entscheids beantragt. Darin kann sinngemäss eine Mitanfechtung auch des ersten Entscheids durch die zweite Beschwerde gesehen werden. Es ist daher ebenfalls auf die erst in der zweiten Beschwerde erhobenen Rügen gegen den ersten Entscheid einzutreten.
c) Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde an das Bundesgericht geltend, der Anspruch auf eine Beurteilung seiner
BGE 120 Ia 19 S. 24
Sache durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
sei verletzt. Der Regierungsrat hält diese Rüge für unzulässig, da sie erstmals im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren erhoben werde. Ihre Geltendmachung erst vor Bundesgericht verstosse gegen Treu und Glauben.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat der Rechtsuchende gewisse Mängel des Verfahrens sofort nach deren Kenntnis zu rügen. Es widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, diejenigen Einwände erst nach dem Ergehen eines ungünstigen Entscheids in einem anschliessenden Rechtsmittelverfahren zu erheben, die bei rechtzeitiger Geltendmachung im vorangehenden Verfahren noch hätten behoben werden können (vgl.
BGE 119 Ia 221
E. 5a S. 228 f. sowie JEAN-FRANÇOIS EGLI, La protection de la bonne foi dans le procès, in: Giurisdizione costituzionale e Giurisdizione amministrativa, 1992, S. 239 f.). Aus diesem Grund hat beispielsweise derjenige, der einen Richter oder Beamten wegen Befangenheit ablehnen will, das entsprechende Begehren unverzüglich zu stellen, nachdem er vom Ablehnungsgrund Kenntnis erlangt hat; lässt er sich stillschweigend auf den Prozess ein, verwirkt er sein Ablehnungsrecht (
BGE 117 Ia 322
E. 1c S. 323;
BGE 116 Ia 485
E. 2c S. 487;
BGE 114 Ia 278
E. 3e S. 280).
bb) Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch bei der Geltendmachung einer Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(vgl.
BGE 119 Ia 221
E. 5 S. 227 ff.). In der jüngsten Praxis wurde allerdings die erstmalige Anrufung dieser Bestimmung vor Bundesgericht wiederholt zugelassen. Dies geschah im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Anspruchs auf einen richterlichen Rechtsschutz aus der Erwägung, dass
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht ausschliesst, dass zunächst eine Verwaltungsbehörde entscheidet und dass erst deren Entscheid bei einem Gericht angefochten werden kann. Es wurde davon ausgegangen, dass für den Rechtsuchenden unter diesen Umständen kein Anlass bestehe, die Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
bereits bei einer nichtrichterlichen letzten kantonalen Instanz geltend zu machen (
BGE 119 Ia 88
E. 1b S. 91; nicht veröffentlichtes Urteil vom 13. Juli 1993 i.S. Fondation C. c. Commune de Montreux, E. 3b; vgl. auch
BGE 117 Ia 522
E. 3a S. 526). In einem Entscheid führte das Bundesgericht auch aus, der Beschwerdeführer sei nicht verpflichtet gewesen, die Öffentlichkeit des Verfahrens gestützt auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
bereits im kantonalen Verfahren zu verlangen, da in diesem Zeitpunkt die Rechtslage gemäss der Praxis des Europäischen
BGE 120 Ia 19 S. 25
Gerichtshofs für Menschenrechte noch nicht völlig klar gewesen sei (
BGE 117 Ia 491
E. 2a S. 495).
In der Zwischenzeit hat sich die Situation in den Fällen geändert, in denen - wie in der vorliegenden Sache (vgl. nachstehend E. 3a) - über die Anwendbarkeit von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
eine gefestigte Rechtsprechung besteht. Ferner ist zu beachten, dass die neuere Praxis des Bundesgerichts die Kantone verpflichtet, auch in den Fällen einen
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
genügenden gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen, in denen er nach der massgebenden kantonalen Gesetzgebung noch nicht besteht. In dieser Situation haben sie die gerichtliche Überprüfung direkt gestützt auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu gewährleisten, sei es durch eine konventionskonforme Auslegung bestehender Vorschriften, sei es durch den Erlass einer Übergangsregelung durch Verordnung oder durch die Bezeichnung des Gerichts im Einzelfall (
BGE 118 Ia 331
E. 3 S. 333 ff.). Das setzt aber voraus, dass rechtzeitig bekannt ist, ob der Rechtsuchende eine gerichtliche Beurteilung seiner Sache verlangt, damit das Nötige zur Erfüllung eines solchen Begehrens vorgekehrt werden kann. Will daher der Rechtsuchende schon vor der Anpassung der kantonalen Gesetzgebung an die Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
seine sich aus dieser Bestimmung ergebenden Rechte geltend machen, so darf von ihm nach Treu und Glauben erwartet werden, dass er die entsprechende Rüge bereits vor der letztinstanzlichen kantonalen Verwaltungsbehörde und nicht erst vor Bundesgericht erhebt. Dies gibt dem Kanton die Möglichkeit, rechtzeitig einen konventionskonformen richterlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen. Dadurch lassen sich unnötige Verfahrensverzögerungen und eine Anrufung des Bundesgerichts vermeiden.
Aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass derjenige, der vor der letzten kantonalen Instanz eine richterliche Überprüfung gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht verlangt, auf dieses Recht verzichtet. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte steht dieser Pflicht zur rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs auf einen gerichtlichen Rechtsschutz nicht entgegen. Sie hält vielmehr den Verzicht auf sich aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ergebende Rechte auch dann für zulässig, wenn sie von grundsätzlicher Bedeutung sind. Erforderlich ist jedoch, dass ein solcher Verzicht unzweideutig ist und keinen öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Er kann ausdrücklich oder sinngemäss aufgrund der Umstände erfolgen (Urteil Håkansson und Sturesson vom 21. Februar 1990, Série A, Nr. 171-A, Ziff. 66; vgl. auch
BGE 119 Ib 311
BGE 120 Ia 19 S. 26
E. 6d S. 330). Ein Verzicht kann auch darin liegen, dass ein Rechtsuchender seine Rechte nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
in einer Situation nicht geltend macht, in der man dies von ihm erwarten darf (Urteil Schuler-Zgraggen vom 24. Juni 1993, Série A, Nr. 263, Ziff. 58;
BGE 119 Ia 221
E. 5b S. 229 f.). Wie erwähnt, ist es nach Treu und Glauben jedenfalls in Fällen, in denen nach der Rechtsprechung die Anwendbarkeit von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
feststeht, vom Rechtsuchenden zu erwarten, dass er eine richterliche Beurteilung seiner Sache bereits vor der letzten kantonalen Instanz verlangt. Andernfalls erscheint auch nach der erwähnten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Annahme eines Verzichts angebracht.
Der Anspruch auf eine richterliche Überprüfung nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ist somit grundsätzlich bereits vor der letzten kantonalen Instanz zu erheben. Die Unterlassung der Geltendmachung ist als Verzicht auf dieses Recht anzusehen.
cc) Diese Regel stellt gegenüber der dargestellten bisherigen Praxis eine Verschärfung dar. Dem Beschwerdeführer, der die bisher geltenden Anforderungen an das Verfahren eingehalten hat, darf daraus kein Nachteil erwachsen (103 Ib 197 E. 4 S. 201 f.). Im vorliegenden Fall ist daher die erstmalige Erhebung der Rüge der Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vor Bundesgericht zuzulassen.
Der Beschwerdeführer hat überdies in seinem Revisionsbegehren an den Regierungsrat "eindringlich um Gewährleistung eines fairen gerichtlichen Verfahrens unter Respektierung des Anspruchs des Gesuchstellers auf Beachtung der ihm im Zusammenhang mit dem zivilrechtlichen Charakter der Streitsache zustehenden Verfahrensgarantien (
Art. 58 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
)" ersucht. Dieses zwar knappe, aber hinreichend deutlich formulierte Begehren ist als genügende Geltendmachung des Anspruchs auf eine richterliche Überprüfung bereits vor der letzten kantonalen Instanz anzusehen. Auf die Rüge der Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
wäre somit auch nach der neuen verschärften Praxis einzutreten.
d) Die übrigen Voraussetzungen der Beschwerdeführung sind ebenfalls gegeben. Auf die beiden staatsrechtlichen Beschwerden ist daher einzutreten.
3.
Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
darin, dass er die umstrittene Frage, ob die Festsetzung eines Werkplans auf seinem Grundstück zulässig sei, keinem unabhängigen Gericht zur Beurteilung vorlegen könne. Nach seiner Auffassung vermag vorliegend das bundesgerichtliche Verfahren
BGE 120 Ia 19 S. 27
die Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht zu erfüllen, da auch Sachverhaltsfeststellungen umstritten seien, welche im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht frei überprüft würden.
a) Wie das Bundesgericht schon mehrfach festgehalten hat, fallen Enteignungsverfahren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Anwendungsbereich von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. Der von einer Enteignung Betroffene hat Anspruch darauf, dass nicht nur die Entschädigungsfrage, sondern auch die Zulässigkeit der Enteignung im Streitfalle von einem Gericht beurteilt wird, das zumindest den Sachverhalt und das anwendbare Recht frei überprüft (
BGE 119 Ia 88
E. 3b S. 92;
BGE 118 Ia 372
E. 6a S. 381;
BGE 118 Ia 223
E. 1c S. 227). Auch die Festsetzung von Plänen, mit denen dem Gemeinwesen das Enteignungsrecht erteilt wird, hat den Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu genügen, wenn in einem späteren Verfahren dieses Recht nicht mehr bestritten werden kann (
BGE 119 Ia 88
E. 3b S. 92, 321 E. 6a/bb S. 329;
BGE 118 Ia 223
E. 1c S. 227).
b) Der Werkplan des zürcherischen Rechts dient der Landsicherung für öffentliche Werke (§ 114 Abs. 1 des Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 [PBG]). Er gibt über den ungefähren Standort der geplanten Bauten und über deren genauen Landbedarf Aufschluss (
§ 114 Abs. 3 PBG
). Die Genehmigung des Werkplans schliesst die Erteilung des Enteignungsrechts ein (
§ 116 PBG
).
Das Bundesgericht hat bereits in einem anderen Zusammenhang erklärt, dass beim Erlass von Werkplänen nach zürcherischem Recht ein Anspruch auf eine Kontrolle durch ein Gericht gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
bestehe, da diese Pläne dem Werkträger das Enteignungsrecht erteilen (Urteil vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993 447 f. E. 5b/bb). Im vorliegenden Fall steht freilich die Genehmigung des Werkplans durch den Regierungsrat noch aus, welche gemäss
§ 116 PBG
dem Träger des Werks das Enteignungsrecht erst einräumt. Die Erteilung der Genehmigung ist allerdings nach einem durchgeführten Rechtsmittelverfahren, in dem der Regierungsrat als Rechtsmittelinstanz ebenfalls beteiligt ist, regelmässig nur eine reine Formsache. Dies ist auch der Grund, warum auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Nutzungsplanfestsetzungen im Kanton Zürich trotz einer noch ausstehenden Genehmigung eingetreten wird (vgl. vorn E. 2a und
BGE 118 Ia 165
E. 2a S. 169). Im vorliegenden Fall erklärt der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung, er werde nach Abschluss der staatsrechtlichen
BGE 120 Ia 19 S. 28
Beschwerdeverfahren den Werkplan ohne weitere Zusätze genehmigen. Er weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass es unzweckmässig wäre, die von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verlangte Überprüfung durch ein unabhängiges Gericht erst im Anschluss an die Genehmigung vorzusehen. Sie würde in der Tat der dem zürcherischen Recht zugrundeliegenden Ordnung widersprechen, nach der das Rechtsmittelverfahren vor der Plangenehmigung abgeschlossen wird und diese letztere erst hernach als blosse Formsache erfolgt. Über die Zulässigkeit eines Werkplans mit Enteignungsrecht wird somit bereits vor dessen Genehmigung entschieden, weshalb auch der nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
erforderliche gerichtliche Rechtsschutz bereits gegenüber der der Genehmigung vorangehenden Festsetzung zu gewährleisten ist.
Aus diesen Gründen hat der Beschwerdeführer Anspruch darauf, die umstrittene Werkplanfestsetzung durch eine Gerichtsinstanz gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
überprüfen zu lassen.
4.
a) Nach der geltenden Gesetzgebung können Rechtsmittelentscheide des Zürcher Regierungsrats über Werkplanfestsetzungen nicht bei einem kantonalen Gericht angefochten werden. Der Regierungsrat selber stellt aber auch als Rechtsmittelbehörde kein Gericht dar und genügt daher den Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht (vgl.
BGE 119 Ia 88
E. 5a S. 95;
BGE 117 Ia 378
E. 5c S. 385;
BGE 115 Ia 183
E. 4b S. 187).
Die Schulgemeinde Fischenthal wendet ein, dem Anspruch auf richterliche Beurteilung gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
sei im vorliegenden Fall dadurch nachgelebt worden, dass der Beschwerdeführer die Werkplanfestsetzung bei der Baurekurskommission habe überprüfen lassen können. Das Bundesgericht hat in einem neueren Entscheid gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zwar angedeutet, dass die Baurekurskommissionen im Kanton Zürich als Gericht im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
angesehen werden könnten (nicht veröffentlichtes Urteil vom 28. Januar 1993 i.S. M. c. Gemeinde Oberglatt, E. 5a). Vorliegend schloss der Entscheid der Baurekurskommission jedoch den kantonalen Instanzenzug nicht ab. Vielmehr wurde anschliessend der Regierungsrat angerufen, der die Sache nochmals mit voller Kognition überprüfte (vgl. § 20 Abs. 1 VRG), als Rechtsmittelinstanz aber wie erwähnt die Voraussetzungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht erfüllte. Auch wenn es ausreicht, dass während des ganzen Verfahrens ein dieser Bestimmung genügender gerichtlicher Rechtsschutz wenigstens einmal gewährleistet ist (vgl. CLAUDE ROUILLER, La protection juridique
BGE 120 Ia 19 S. 29
en matière d'aménagement du territoire par la combinaison des art. 6 par. 1 CEDH, 33 LAT et 98a OJ: complémentarité ou plénitude?, RSJ 90/1994 26; MARK E. VILLIGER, a.a.O., N. 408), so kann dieser jedoch nicht in jedem beliebigen Verfahrensstadium erfolgen. Ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ist nicht garantiert, wenn der von einem unabhängigen Gericht ergangene Entscheid durch eine obere nicht richterliche Instanz mit voller Kognition überprüft werden kann und diese davon auch Gebrauch macht, indem sie wie im vorliegenden Fall in erheblichem Umfang neue Sachverhaltsfeststellungen trifft.
Es ergibt sich somit, dass das bisher durchlaufene Rechtsmittelverfahren im Kanton Zürich den Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht erfüllt.
b) Allerdings stellt sich die Frage, ob nicht das Verwaltungsgericht gestützt auf § 44 lit. d VRG im Rahmen des Enteignungsverfahrens gemäss § 24 des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 (AbtrG) ebenfalls die Zulässigkeit der vorangegangenen Werkplanfestsetzung überprüfen könnte, wie dies das Bundesgericht in einzelnen Entscheiden angetönt hat (vgl.
BGE 118 Ia 372
E. 6c S. 382 f.; Urteil vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993 477 f. E. 5b/bb; nicht veröffentlichtes Urteil vom 28. Januar 1993 i.S. M. c. Gemeinde Oberglatt, E. 5b). Der Regierungsrat hält indessen in seiner Vernehmlassung ein solches Vorgehen mit Recht für unzweckmässig. Nach der gesetzlichen Ordnung erfolgt die Erteilung des Enteignungsrechts mit der Genehmigung des Werkplans, während im Planauflageverfahren lediglich noch Einwendungen nach § 24 AbtrG zugelassen sind. Eine uneingeschränkte akzessorische Überprüfung der Werkplanfestsetzung in diesem späteren Stadium stünde im Widerspruch mit den von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dazu aufgestellten Grundsätzen (vgl.
BGE 116 Ia 207
E. 3b S. 211;
BGE 111 Ia 129
E. 3d S. 131;
BGE 106 Ia 383
E. 3c S. 387). Es wäre aber auch unter praktischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll, wenn der Grundsatzentscheid über den Standort eines öffentlichen Werks nachträglich im Zusammenhang mit dem konkreten Projekt wieder in Frage gestellt werden könnte. Eine solche Lösung liesse sich überdies mit dem bereits dargestellten Verhältnis von Rechtsmittelweg und Genehmigung (E. 3b) im Kanton Zürich nicht vereinbaren.
Es ist aus diesen Gründen bereits gegen die Planfestsetzung ein
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
genügender Rechtsschutz zu gewährleisten.
BGE 120 Ia 19 S. 30
Einen solchen stellt das kantonale Recht wie gezeigt dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung.
c) Unter diesen Umständen bleibt schliesslich zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren dem Beschwerdeführer den erforderlichen richterlichen Rechtsschutz zu bieten vermag, wie dies der Regierungsrat und die Schulgemeinde Fischenthal geltend machen.
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verlangt zumindest eine freie richterliche Überprüfung des Sachverhalts und der Rechtsfragen, dagegen nicht eine Ermessenskontrolle (
BGE 119 Ia 88
E. 5c/aa S. 95 f.;
BGE 117 Ia 497
E. 2d und e S. 501 ff.;
BGE 115 Ia 189
E. 4b S. 190 f.). Das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren vermag diese Anforderungen nur zu erfüllen, wenn der Sachverhalt nicht bestritten ist und wenn die sich aus der Verfassungskontrolle ergebende Beschränkung bei der Überprüfung der gesetzlichen Grundlage nicht zum Zuge kommt (
BGE 119 Ia 88
E. 5c/aa und bb S. 96;
BGE 118 Ia 372
E. 6a S. 381;
BGE 117 Ia 497
E. 2c-e S. 501 ff.). Sachverhaltsfragen prüft das Bundesgericht im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür, so dass es insoweit den gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
gebotenen Rechtsschutz nicht zu gewährleisten vermag (
BGE 117 Ia 497
E. 2d S. 502;
BGE 115 Ia 384
E. 3 S. 386;
BGE 114 Ia 114
E. 4c/ch S. 128). Nur wenn Sachverhaltsfeststellungen umstritten sind, die sich ohne weiteres als offensichtlich zutreffend oder unzutreffend erweisen, kann das Bundesgericht ausnahmsweise über eine blosse Willkürprüfung hinausgehen, um unnötige prozessuale Weiterungen zu vermeiden.
Der Beschwerdeführer kritisiert im Zusammenhang mit der Standortwahl für das neue Schulhaus zahlreiche Sachverhaltsfeststellungen des Regierungsrats. Umstritten sind verschiedene tatsächliche Aspekte der geprüften Alternativstandorte, unter anderem die örtlichen Verbindungen, die Distanzen, der Geländeverlauf sowie die Kosten. Aber auch bezüglich des Schulhausprojekts Burghalden selber ist der Sachverhalt nicht unbestritten. Nach der dargestellten Rechtsprechung vermag das Bundesgericht bei dieser Sachlage den nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
erforderlichen Rechtsschutz im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht sicherzustellen.
d) Da vorliegend weder das kantonale noch das bundesgerichtliche Verfahren den Anforderungen von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
genügt, ist die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung dieser Norm begründet. Es sei beigefügt, dass das Bundesgericht dem Kanton Zürich im Blick auf das festgestellte Ungenügen des Rechtsschutzes
BGE 120 Ia 19 S. 31
wiederholt nahegelegt hat, gegen die das Enteignungsrecht einschliessende Festsetzung von Werkplänen und Baulinien eine Beschwerde an ein kantonales Gericht im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vorzusehen (
BGE 118 Ia 372
E. 6d S. 383; Urteil vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993 478 E. 5b/cc; vgl. auch KARL SPÜHLER, Der Rechtsschutz von Privaten und Gemeinden im Raumplanungsrecht, ZBl 90/1989 118 f.).
5.
Die staatsrechtlichen Beschwerden sind aus diesen Gründen gutzuheissen. Der von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verlangte gerichtliche Rechtsschutz zählt zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bundesrechts, denen die Kantone Rechnung zu tragen haben (
BGE 119 Ia 88
E. 7 S. 98;
BGE 118 Ia 331
E. 3b S. 334;
BGE 118 Ia 223
E. 1c S. 227). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine Gerichtsinstanz im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zur Verfügung zu stellen, welche die angefochtenen Entscheide in bezug auf den Sachverhalt und die Rechtsanwendung frei überprüft. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b0aadfda-305c-40e0-8efd-12a112be2d27 | Urteilskopf
105 Ib 122
19. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Februar 1979 i.S. Baugesellschaft Zilemp gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Kürzung einer Bundessubvention.
Die Subventionskürzungen, die in Art. 12a Abs. 1 des BG über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues (in der Fassung des BG über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes vom 5. Mai 1977) vorgesehen sind, treffen auch bereits zugesicherte Bundesbeiträge. | Sachverhalt
ab Seite 123
BGE 105 Ib 122 S. 123
Das Eidg. Bureau für Wohnungsbau hatte am 16. Mai 1969 bzw. am 4. Mai 1971 der Baugesellschaft Zilemp, Niedergösgen, Beiträge an die Kapitalverzinsung von Wohnbauten im Sinne von
Art. 7 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues vom 19. März 1965 (SR 842)
gewährt. Für zwei 8-Familienhäuser betrug der ab 1. Dezember 1968 für die Dauer von 20 Jahren auszurichtende Beitrag Fr. 6739.- pro Jahr; für ein weiteres 8-Familienhaus wurde mit Wirkung ab 1. April 1970 ein Beitrag von Fr. 3624.- pro Jahr, ebenfalls für die Dauer von 20 Jahren, zugesichert. Mit Verfügungen vom 16. März 1978 kürzte das Bundesamt für Wohnungswesen in der Folge die genannten Kapitalzinszuschüsse mit Wirkung ab 1. Juli 1978 um 50% auf Fr. 3369.50 bzw. auf Fr. 1812.- pro Jahr. Die Verfügungen stützten sich auf das Bundesgesetz vom 5. Mai 1977 über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes (AS 1977, S. 2249 ff., insbesondere S. 2257 f.) und die dazugehörige Vollziehungsverordnung vom 12. Dezember 1977 (AS 1977, S. 2273 ff.). Eine von der Baugesellschaft Zilemp gegen diese Verfügungen erhobene Beschwerde wies das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement mit Entscheid vom 28. Juni 1978 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Baugesellschaft Zilemp, der Entscheid des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Verfügungen des Eidg. Bureaus für Wohnungsbau vom 16. Mai 1969 und vom 4. Mai 1971 betreffend die Festsetzung von Kapitalzinsübernahmen durch den Bund weiterhin in Kraft stehen. Ferner stellt sie den Antrag, der Bund sei zu verpflichten, die ursprünglich zugesicherten Kapitalzinszuschüsse, solange
BGE 105 Ib 122 S. 124
deren Voraussetzungen gemäss dem zur Zeit der Zusicherung geltenden Bundesgesetz vom 19. März 1965 erfüllt sind, weiterhin und ungekürzt auszurichten.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Herabsetzung der Bundesbeiträge, welche der Beschwerdeführerin gewährt worden sind, stellt einen teilweisen Widerruf einer begünstigenden Verfügung im Sinne von
Art. 99 lit. h OG
dar und unterliegt somit gemäss
Art. 101 lit. d OG
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
2.
a) Durch das Bundesgesetz über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes wurde im Bundesgesetz über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues u.a. ein Art. 12a eingefügt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung werden, ausser für Alters- und Invalidenwohnungen, die Kapitalzinszuschüsse nach acht Jahren um 50%, nach 11 Jahren um weitere 25% herabgesetzt und nach 14 Jahren eingestellt. Gemäss Art. 12a Abs. 3 wurde der Bundesrat ermächtigt, Einzelheiten zur Vermeidung von Härtefällen zu regeln. Der Bundesrat hat eine solche Regelung durch Einfügung eines Art. 27a in die Verordnung (2) vom 22. Februar 1966 über Bundeshilfe zur Förderung des Wohnungsbaues erlassen (vgl. AS 1977 2284).
b) Die Beschwerdeführerin hat sich im Verfahren vor dem EVD nicht auf das Vorliegen eines Härtefalles gemäss Art. 27a der Verordnung berufen. Die Vorinstanz nimmt im angefochtenen Entscheid ebenfalls nicht zu dieser Frage Stellung, da sie der Ansicht war, ein Härtefall sei aus den Akten nicht ersichtlich. Auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht geltend gemacht, bei der Beschwerdeführerin seien die Voraussetzungen für einen Härtefall erfüllt. Unter diesen Umständen braucht die Frage des Härtefalls im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht weiter geprüft zu werden.
c) Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die neu in das Bundesgesetz über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues eingefügte Bestimmung von Art. 12a Abs. 1 könne sich vernünftigerweise nur auf zukünftige Subventionszusagen sowie auf solche beziehen, die nicht für eine bestimmte Zeit fest zugesichert, sondern ausdrücklich nur auf Zusehen hin oder mit dem Vorbehalt des einseitigen Widerrufs gewährt worden seien.
BGE 105 Ib 122 S. 125
Der Wortlaut von Art. 12a Abs. 1 bietet keine Anhaltspunkte für eine solche Auslegung. Dass die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Auslegung nicht haltbar ist, geht vor allem auch aus den Gesetzesmaterialien hervor. In der bundesrätlichen Botschaft wird ausgeführt, der Abbau der Bundessubvention um 50% erfordere je nach Erstellungsjahr einer Baute einen Mietzinsanstieg zwischen 12-15%, was bei den betreffenden Mietzinsen gerade noch als zumutbar bezeichnet werden könne (BBl 1977 I, S. 824). Aus dieser Feststellung geht klar hervor, dass der Abbau der Subventionen auch bereits zugesicherte Beträge treffen sollte. Auch den eidgenössischen Räten war bei der Behandlung des Bundesgesetzes über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes bewusst, dass gestützt darauf früher zugesicherte Bundesbeiträge an die Kapitalzinsen von Wohnbauten abgeändert oder aufgehoben werden sollten (vgl. die Voten von Bundesrat Brugger, Amtl. Bull. N 1977, S. 218 und von Ständerat Egli, Amtl. Bull., S 1977 S. 171). Wiederholt wurde auch darauf hingewiesen, dass schon für das Jahr 1978 mit 5 Mio. Franken Einsparungen gerechnet werden könne (BBl 1977 I, S. 825; Bundesrat Brugger, Amtl. Bull. N 1977, S. 218, Ständerat Reverdin, Amtl. Bull., S 1977 S. 171). Solche schnell wirksam werdenden Einsparungen entsprachen dem Zweck des Bundesgesetzes über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes. Wenn die Auslegung richtig wäre, welche die Beschwerdeführerin Art. 12a Abs. 1 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues gibt, wären sofortige Einsparungen im erwähnten Umfang nicht möglich gewesen.
d) Die Beschwerdeführerin vermag entgegen ihrer Ansicht auch nichts aus den Übergangsbestimmungen des Bundesgesetzes über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes abzuleiten. Gemäss Ziff. II/1 finden die Übergangsbestimmungen nur Anwendung, soweit die einzelnen materiellen Bestimmungen des Gesetzes keine besondere Regelung enthalten. Eine solche besteht aber gerade in Art. 12a Abs. 1 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues.
3.
Die Auslegung von Art. 12a des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues hat gezeigt, dass die im vorliegenden Fall angeordnete Kürzung der Kapitalzinszuschüsse dem Willen des Gesetzes genau entspricht. Die
BGE 105 Ib 122 S. 126
Rügen der Beschwerdeführerin, die angefochtene Massnahme bedeute einen Verstoss gegen Treu und Glauben, eine unzulässige Rückwirkung, einen Vertragsbruch sowie einen Entzug eines wohlerworbenen Rechtes, richten sich somit gegen den genannten Art. 12a. Diese Bestimmung ist jedoch für das Bundesgericht massgebend (
Art. 114 bis Abs. 3 BV
) und kann nicht auf ihre Verfassungs- bzw. Rechtmässigkeit überprüft werden. Auf die genannten Rügen der Beschwerdeführerin ist somit nicht einzugehen. Auch für eine verfassungskonforme Auslegung bleibt im vorliegenden Fall kein Raum, da der Sinn von Art. 12a des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus eindeutig ist (
BGE 102 IV 155
E. 1b mit Hinweisen).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
b0afb838-d023-4cc8-a79c-df457b388efc | Urteilskopf
96 III 111
20. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. März 1970 i.S. Hofmann gegen Zingg, Blickle & Co. | Regeste
Anfechtungsklage (
Art. 285 ff. SchKG
) ausserhalb eines Konkursverfahrens. Die Legitimation zu einer solchen Klage, die ein provisorischer Verlustschein (
Art. 115 Abs. 2 SchKG
) dem betreibenden Gläubiger verleiht (
Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG
), fällt dahin, wenn sich ergibt, dass in der fraglichen Betreibung ein endgültiger Verlustschein (
Art. 149 SchKG
) nicht mehr ausgestellt werden kann. Fall, dass der Gläubiger es mit Bezug auf einzelne Pfändungsgegenstände (die Gegenstände einer vom Gläubiger verlangten Nachpfändung) unterlassen hat, innert der gesetzlichen Frist (
Art. 116 SchKG
) das Verwertungsbegehren zu stellen (Erw. 3).
Widerspruchsklage nach
Art. 109 SchKG
wegen zivilrechtlicher Ungültigkeit der Abtretung, gestützt auf welche ein Dritter das gepfändete Guthaben für sich beansprucht. Eine solche Klage setzt voraus, dass die Pfändung verfahrensrechtlich gültig ist. Nichtigkeit der Pfändung wegen Versäumung der Frist für das Pfändungsbegehren (
Art. 88 Abs. 2 SchKG
). Der mit der Widerspruchsklage befasste Richter kann deren materielle Beurteilung wegen Nichtigkeit der Betreibung oder der Pfändung ablehnen, ohne vorher die Betreibungsbehörden über diesen Punkt entscheiden zu lassen, wenn die Nichtigkeit ausser Zweifel steht und selbst für den Fall einer abweichenden Auffassung der Betreibungsbehörden nicht damit zu rechnen ist, dass der Pfändungsbeschlag bestehen bleibt (Änderung der Rechtsprechung) (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 112
BGE 96 III 111 S. 112
A.-
Am 20. Juli 1966 stellte Heinz Hofmann beim Betreibungsamt Kreuzlingen gegen Otto Munz in Bottighofen das Betreibungsbegehren für eine Forderung von Fr. 80 000.-- nebst 6% Zins seit 12. Mai 1965. Der Zahlungsbefehl wurde gemäss einem Bericht des Betreibungsamtes am gleichen Tage erlassen (Betreibung Nr. 8665). Am 12. August 1966 vollzog das
BGE 96 III 111 S. 113
Betreibungsamt eine Pfändung. In der Pfändungsurkunde steht, die Pfändung sei ungenügend und die Urkunde diene im Sinne von
Art. 115 SchKG
als provisorischer Verlustschein.
Nachdem das Amt am 22. Dezember 1966 auf das Verwertungsbegehren vom 2. November 1966 hin einen Teil der gepfändeten Gegenstände freihändig verkauft hatte, vollzog es am 12. Juli 1967 auf Begehren Hofmanns für dessen Restforderung von Fr. 65 600.-- nebst Zins eine neue Pfändung (die auch zwei weitern Gläubigern zugute kam). Die Pfändungsurkunde vom 14. August 1967 enthält den Vermerk, sie gelte als provisorischer Verlustschein nach
Art. 115 Abs. 2 SchKG
.
Am 23. September 1967 arrestierte das Betreibungsamt auf Grund eines Arrestbefehls, den Hofmann tags zuvor gestützt auf
Art. 271 Ziff. 5 SchKG
für seine Restforderung von Fr. 65 600.-- gegen Munz erwirkt hatte, den "Rechtsanspruch des Schuldners auf die Konkursdividende der Firma Munz AG, Bottighofen" (d.h. den - durch die Pfändungen vom 12. August 1966 und 12. Juli 1967 nicht erfassten - Rechtsanspruch des Schuldners auf die ihm im Konkurs der Munz AG zukommende Dividende von Fr. 8430.--). Munz teilte dem Betreibungsamt daraufhin mit, er habe am 25. Februar 1967 die gesamte Konkursdividende an die Firma Zingg, Blickle & Co. in Kreuzlingen abgetreten.
Hofmann unterliess es, innert zehn Tagen nach Zustellung der am 25. September 1967 versandten Arresturkunde (
Art. 278 Abs. 1 SchKG
) eine neue Betreibung anzuheben. Hingegen stellte er in der Betreibung Nr. 8665 ein neues Fortsetzungsbegehren, das dem Betreibungsamt am 4. Oktober 1967 zuging. Daraufhin pfändete das Betreibungsamt in dieser Betreibung am 6. Oktober 1967 den arrestierten Dividendenanspruch. In der am 13. November 1967 versandten Pfändungsurkunde steht, dieser Anspruch werde von der Firma Zingg, Blickle & Co. zu Eigentum angesprochen; dem Gläubiger werde hiermit gemäss
Art. 109 SchKG
zur Anhebung der gerichtlichen Klage eine Frist von zehn Tagen gesetzt.
B.-
Innert dieser Frist leitete Hofmann gegen die Firma Zingg, Blickle & Co. Klage ein mit den Begehren:
"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Anspruch der Beklagten auf die ihr durch Otto Munz abgetretene Konkursdividende der Firma Munz AG nicht rechtsbeständig ist.
2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Konkursdividende
BGE 96 III 111 S. 114
der Firma Munz AG, Bottighofen, soweit sie Otto Munz zusteht, für die Befriedigung der durch den Kläger in Betreibung gesetzten Forderung gegen Otto Munz verwendet werden kann".
Das Bezirksgericht Kreuzlingen betrachtete die Klage als Anfechtungsklage im Sinne von
Art. 285 ff. SchKG
und hiess sie am 27. November 1968 in Anwendung von
Art. 288 SchKG
gut.
Das Obergericht des Kantons Thurgau, an das die Beklagte appellierte, wies die Klage am 1. Juli 1969 ab mit der Begründung, der Kläger mache nicht nur die paulianische Anfechtbarkeit, sondern auch die zivilrechtliche Ungültigkeit der streitigen Abtretung geltend. Zur paulianischen Anfechtung sei er nicht legitimiert, weil er die von der zweiten Pfändung (12. Juli 1967) an laufende Jahresfrist zur Stellung eines Verwertungsbegehrens (
Art. 116 Abs. 1 SchKG
) versäumt und damit die Möglichkeit verloren habe, in der Betreibung Nr. 8665 einen definitiven Verlustschein zu erhalten, wie er nötig wäre, um ihr das Recht zur Anfechtungsklage in endgültiger Weise zu verleihen; als Widerspruchsklage wegen zivilrechtlicher Ungültigkeit der Abtretung sei die Klage unzulässig, weil das Recht zur Stellung eines Fortsetzungsbegehrens in der Betreibung Nr. 8665 gemäss
Art. 88 Abs. 2 SchKG
mit dem 20. Juli 1967 (d.h. mit dem Ablauf eines Jahres seit der Zustellung des Zahlungsbefehls) erloschen und die auf Grund eines Fortsetzungsbegehrens vom 4. Oktober 1967 vollzogene Pfändung des streitigen Dividendenanspruchs folglich schlechthin nichtig sei.
C.-
Gegen das Urteil des Obergerichts hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Klage vom 12. Dezember 1967 sei zu schützen und der Eigentumsanspruch der Beklagten an der Konkursdividende der Firma Munz AG abzuweisen; eventuell sei die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Erwägungen:
1., 2. - ... (Berufungsantrag; Streitwert).
3.
Der Kläger stützt seine Legitimation zur Erhebung der Anfechtungsklage auf
Art. 285 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG
, wonach zur Anstellung dieser Klage jeder Gläubiger berechtigt ist, der
BGE 96 III 111 S. 115
einen provisorischen oder endgültigen Verlustschein erhalten hat. Diese Regelung beruht auf dem Gedanken, dass der Gläubiger sich zunächst an das dem Schuldner gehörende Vermögen halten und nur dann, wenn dieses zu seiner Befriedigung nicht ausreicht, berechtigt sein soll, Drittvermögen in Anspruch zu nehmen, das in anfechtbarer Weise vom Schuldner erworben wurde. Der Nachweis, dass das eigene Vermögen des Schuldners dem Gläubiger keine genügende Deckung bietet, kann indes nach
Art. 285 SchKG
, wenn der Schuldner sich nicht im Konkurs befindet und Art. 285 Abs. 2 Ziff. 2 folglich nicht anwendbar ist, nur durch einen provisorischen oder endgültigen Verlustschein erbracht werden. Dabei hat es die Meinung, dass ein provisorischer Verlustschein im Sinne von
Art. 115 Abs. 2 SchKG
dem Gläubiger die Legitimation zur Anfechtungsklage nur vorläufig verleiht. Endgültig und unbedingt ist zur Erhebung einer solchen Klage ausserhalb des Konkursverfahrens nur berechtigt, wer einen endgültigen Verlustschein im Sinne von
Art. 149 SchKG
erhalten hat. Kann eine Betreibung aus irgendeinem Grunde nicht mehr zu einem endgültigen Verlustschein führen, so fällt die durch einen provisorischen Verlustschein einstweilen begründete Klagelegitimation dahin (vgl. zu alledemBGE 37 II 500ff. E. 3,
BGE 39 II 384
ff. E. 3, 4; JAEGER, Kommentar, 3. Aufl., und JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis der Jahre 1911-1945, I, je N. 3 A zu
Art. 285 SchKG
; W. HANGARTNER, Die Gläubigeranfechtung im schweiz. Recht, Diss. Zürich 1929, S. 19 ff.; E. BRAND, Die Anfechtungsklage, ZSR 1943 S. 209 f. und SJK 743 S. 1 f.; H. GAUGLER, Die paulianische Anfechtung, I, 1944, S. 148 ff.; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, II, 1968, S. 287 f.).
Ein endgültiger Verlustschein kann namentlich dann nicht mehr ausgestellt werden, wenn die in Betreibung gesetzte Forderung bezahlt oder durch das Verwertungsergebnis gedeckt worden ist oder wenn die Betreibung wegen Ausbleibens eines Verwertungsbegehrens innert der Fristen von
Art. 116 SchKG
oder mangels rechtzeitiger Erneuerung eines innert Frist gestellten, dann aber zurückgezogenen Verwertungsbegehrens erloschen ist (
Art. 121 SchKG
;
BGE 37 II 500
ff. E. 3). Das gleiche gilt aber auch dann, wenn die Frist für das Verwertungsbegehren nur in bezug auf einzelne Pfändungsgegenstände versäumt wurde; denn die Ausstellung eines endgültigen Verlustscheins setzt (unter Vorbehalt des im vorliegenden Falle nicht in
BGE 96 III 111 S. 116
Betracht kommenden
Art. 127 SchKG
) die Verwertung aller gepfändeten Gegenstände voraus (
BGE 48 III 133
ff.,
BGE 57 III 138
,
BGE 74 III 81
).
Die Verwertung der beweglichen Vermögensstücke, die am 5./12./27. Juli 1967 zugunsten des Klägers und zweier weiterer, mit ihm die Gruppe Nr. 25/7 bildender Gläubiger gepfändet worden waren, konnte gemäss
Art. 116 Abs. 1 und 2 SchKG
spätestens ein Jahr nach dem Pfändungsbegehren des letzten an der Gruppe teilnehmenden Gläubigers, das am 24. Juli 1967 gestellt worden war, also spätestens bis zum 24. Juli 1968 verlangt werden. Hinsichtlich des gepfändeten Lohns war das Verwertungsbegehren (soweit ein solches nötig war, d.h. soweit der Arbeitgeber des Schuldners die gepfändeten Lohnbeträge nicht ablieferte) binnen 15 Monaten seit dem Pfändungsvollzug zu stellen (
BGE 60 III 20
ff.; Ziff. 2 der Erläuterungen auf Seite 1 des obligatorischen Formulars für die Pfändungsurkunde). Der Kläger behauptet selber nicht, und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er innert dieser Fristen ein Verwertungsbegehren gestellt oder dass einer der beiden andern Gläubiger der Gruppe Nr. 25/7 das getan habe, wodurch die Frist für alle Gläubiger der Gruppe gewahrt worden wäre (
BGE 54 III 310
ff. E. 2,
BGE 59 II 56
f.,
BGE 85 III 79
/80). Ebensowenig ist behauptet oder gar dargetan, dass die am 5./12./27. Juli 1967 für diese Gruppe gepfändeten Gegenstände auf Begehren von Gläubigern der in der Pfändungsurkunde erwähnten vorgehenden Betreibungen verwertet worden seien, in welchem Falle ein Verwertungsbegehren der Gläubiger der Gruppe Nr. 25/7 nicht mehr nötig gewesen wäre. Daher muss mit der Vorinstanz angenommen werden, die Betreibung Nr. 8665 könne nicht mehr zu einem endgültigen Verlustschein führen.
Der Kläger wendet freilich ein, es sei ihm bis heute nicht möglich gewesen, einen endgültigen Verlustschein zu erlangen, weil einem allfälligen Verwertungsbegehren vor der rechtskräftigen Erledigung seiner Anfechtungsklage keine Folge gegeben worden wäre; er habe diese Klage gestützt auf
Art. 109 SchKG
erhoben;
Art. 107 Abs. 2 SchKG
, der auch für Klagen nach
Art. 109 SchKG
gelte, hemme die in
Art. 116 SchKG
festgesetzten Fristen für das Verwertungsbegehren bis zur Erledigung der prozessualen Auseinandersetzung. Die Klage, die der Kläger innert der ihm nach der Pfändung vom 6. Oktober 1967 gemäss
Art. 109 SchKG
angesetzten Frist eingeleitet hat,
BGE 96 III 111 S. 117
bezieht sich jedoch nicht auf die am 5./12./27. Juli 1967 gepfändeten Gegenstände, sondern ausschliesslich auf den am 6. Oktober 1967 gepfändeten Dividendenanspruch. Sie stand daher einer Verwertung jener Gegenstände nicht im Wege und hatte keinen Einfluss auf die Fristen, innert welcher die Verwertung jener Gegenstände zu verlangen war. Nach dem klaren Wortlaut von
Art. 107 Abs. 2 SchKG
führt die Erhebung einer Widerspruchsklage nur "in Hinsicht auf den streitigen Gegenstand", nicht auch hinsichtlich anderer Pfändungsgegenstände zur Einstellung der Betreibung. Das gilt auch dann, wenn sich der Gläubiger im Widerspruchsprozess der Freigabe des streitigen Gegenstandes (wie es an sich zulässig ist) mit der Begründung widersetzt, der Drittansprecher habe ihn durch ein nach
Art. 285 ff. SchKG
anfechtbares Geschäft erworben.
Die Pfändung vom 6. Oktober 1967 und die vorliegende, gemäss Fristansetzung in der Pfändungsurkunde erhobene Klage können selbst unter der Voraussetzung, dass die Pfändung gültig war und dass die Klage den Lauf der Frist für das Begehren auf Verwertung des gepfändeten Dividendenanspruchs bis heute hemmte, nichts daran ändern, dass in der Betreibung Nr. 8665 mangels eines rechtzeitigen Begehrens auf Verwertung der im Juli 1967 gepfändeten Gegenstände ein endgültiger Verlustschein nicht mehr ausgestellt werden kann.
Der Kläger hat also die - ihm durch den provisorischen Verlustschein vom 14. August 1967 vorläufig verliehene - Legitimation zur Anfechtungsklage mit dem unbenützten Ablauf der Fristen, innert welcher die Verwertung der im Juli 1967 gepfändeten Gegenstände verlangt werden konnte, endgültig verloren. Die Pfändungsurkunde über die Pfändung vom 6. Oktober 1967, die wie die frühern Pfändungen den Forderungsbetrag nicht deckte (
Art. 115 Abs. 2 SchKG
), konnte dem Kläger diese Legitimation schon deshalb nicht wieder verschaffen, weil die Pfändung vom 6. Oktober 1967 (wenn sie verfahrensrechtlich überhaupt zulässig war) materiell nur im Falle der Gutheissung der vorliegenden Klage Bestand haben kann, m.a.W. weil sie durch das Ergebnis des vorliegenden Prozesses erst noch gerechtfertigt werden muss (vgl. hiezuBGE 37 II 504E. 4).
4.
Die gerichtliche Feststellung zu verlangen, dass die Abtretung des gepfändeten Dividendenanspruchs an die Beklagte zivilrechtlich ungültig sei und aus diesem Grunde der Pfändung
BGE 96 III 111 S. 118
nicht entgegengehalten werden könne, ist der Kläger grundsätzlich nur berechtigt, wenn die Pfändung jenes Anspruchs verfahrensrechtlich gültig ist. Nur in diesem Falle war ihm durch eine Fristansetzung nach
Art. 109 SchKG
Gelegenheit zu geben, gegen die Beklagte auf Aberkennung des auf die Abtretung gestützten Eigentumsanspruchs zu klagen.
Weder die Pfändung noch die Fristansetzung zur Klage sind innert der Frist des
Art. 17 Abs. 2 SchKG
durch Beschwerde angefochten worden. Daher kann sich nur noch fragen, ob diese Betreibungsakte schlechthin nichtig seien und ob die Gerichte diese Nichtigkeit im vorliegenden Prozesse von Amtes wegen zu berücksichtigen haben.
a) Gemäss
Art. 88 Abs. 2 SchKG
erlischt das Recht des betreibenden Gläubigers, das Pfändungsbegehren zu stellen, mit Ablauf eines Jahres seit der Zustellung des Zahlungsbefehls, wobei die Zeit für die gerichtliche Beseitigung eines vom Schuldner erhobenen Rechtsvorschlags nicht mitgezählt wird (
Art. 88 Abs. 2 Satz 2 SchKG
;
BGE 88 III 62
). Die Jahresfrist des
Art. 88 Abs. 2 SchKG
gilt nach feststehender Rechtsprechung auch für Nachpfändungsbegehren, die der Gläubiger auf Grund eines provisorischen Verlustscheins stellt (
BGE 88 III 61
/62 mit Hinweisen; JAEGER, N. 7, und JAEGER/DAENIKER, N. 6 A und 7 zu
Art. 88 SchKG
). Die Auffassung des Klägers, dass die auf sein Begehren am 6. Oktober 1967 vollzogene Nachpfändung einen blossen Bestandteil der Pfändung vom 12. Juli 1967 darstelle, würde zu einer dem Gesetz widersprechenden Ausdehnung der in Frage stehenden Jahresfrist führen. Sie widerspricht aber auch dem Wesen einer solchen Nachpfändung, die durchaus selbständigen Charakter hat (
BGE 70 III 63
).
Da der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. 8665 am 20. Juli 1966 erlassen und wenn nicht am gleichen Tage, so doch unmittelbar darauf dem Schuldner zugestellt wurde, ist die Frist für die Stellung des Pfändungsbegehrens im vorliegenden Falle mit dem 20. Juli 1967 oder kurz darauf abgelaufen. Das Nachpfändungsbegehren des Klägers vom 4. Oktober 1967 war also unzweifelhaft verspätet, so dass die am 6. Oktober 1967 daraufhin vollzogene Pfändung hätte unterbleiben sollen. Eine Pfändung, die auf ein verspätetes Pfändungsbegehren hin vollzogen wird, ist nichtig (
BGE 62 III 153
,
BGE 77 III 58
E. 1; JAEGER N. 7 a.E. zu
Art. 88 SchKG
).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können
BGE 96 III 111 S. 119
nichtige Verfügungen eines Betreibungsamtes von diesem selbst oder von den Aufsichtsbehörden jederzeit aufgehoben werden und haben andere Behörden eine von ihnen als nichtig erkannte Verfügung eines Betreibungsamtes grundsätzlich einfach unbeachtet zu lassen (
BGE 78 III 51
,
BGE 84 III 151
). Im zuletzt genannten Entscheide wird jedoch dem mit einer Widerspruchsklage befassten Richter die Befugnis abgesprochen, den Prozess kurzerhand als erledigt zu erklären, wenn ihm die Betreibung, die zu dieser Klage Anlass gab, mit einem Nichtigkeitsgrunde behaftet zu sein scheint (im gleichen Sinne STOCKER, Widerspruchsverfahren, SJK 986 S. 10 Ziff. 2 c). Diese - die normalen Folgen der Nichtigkeit abschwächende - Lösung wird im wesentlichen damit begründet, die Abschreibung des Widerspruchsprozesses wegen Nichtigkeit der Betreibung hindere die Betreibungsbehörden nicht, die Betreibung ihrerseits weiterhin als gültig zu betrachten; der Richter dürfe daher die materielle Beurteilung einer Widerspruchsklage nicht wegen Nichtigkeit der Betreibung ablehnen, solange der umstrittene Gegenstand tatsächlich mit Beschlag belegt ist (
BGE 84 III 152
).
Wo damit zu rechnen ist, dass die Betreibungsbehörden den Pfändungsbeschlag aufrechterhalten und in der Folge zur Verwertung schreiten, obwohl der Richter die Betreibung oder wenigstens die Pfändung als nichtig betrachtet, oder wo der Richter die Nichtigkeit einer Betreibungshandlung selber nicht mit Sicherheit feststellen kann, ist es in der Tat angezeigt, dass der Entscheid über das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes den Betreibungsbehörden vorbehalten wird. Der Richter hat in einem solchen Falle seinen Entscheid aufzuschieben und die Betreibungsbehörden um ihre Stellungnahme zu ersuchen oder eine Partei zu veranlassen, sich an diese Behörden zu wenden. Er muss jedoch befugt bleiben, die materielle Beurteilung der Widerspruchsklage ohne vorherige Begrüssung der Betreibungsbehörden abzulehnen, wenn die Nichtigkeit der Betreibung oder doch der Pfändung ausser Zweifel steht und selbst für den Fall einer abweichenden Auffassung der Betreibungsbehörden nicht damit zu rechnen ist, dass der Pfändungsbeschlag bestehen bleibt.
c) Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle erfüllt. Die Pfändung vom 6. Oktober 1967 ist ohne jeden Zweifel nichtig, und die Gefahr, dass die Betreibungsbehörden sie aufrechterhalten könnten, kann selbst für den Fall einer abweichenden
BGE 96 III 111 S. 120
Auffassung dieser Behörden ausgeschlossen werden. Der Kläger, dem gemäss
Art. 109 SchKG
Frist zur Klage auf Aberkennung des Eigentumsanspruchs der Beklagten gesetzt wurde, muss nämlich ein seine Klage gutheissendes Urteil vorweisen können, wenn die Pfändung der streitigen Konkursdividende aufrecht bleiben soll. Wird seine Klage jedoch abgewiesen oder ohne materielle Beurteilung als erledigt erklärt, so gilt der Anspruch der Beklagten als anerkannt und fällt die umstrittene Konkursdividende aus der Pfändung, selbst wenn die Betreibungsbehörden davon ausgehen sollten, die Pfändung vom 6. Oktober 1967 sei zu Recht erfolgt. Die Betreibungsbehörden können die Pfändung der streitigen Konkursdividende bei einer solchen Erledigung der Widerspruchsklage unter keinen Umständen aufrechterhalten.
Die Vorinstanz hat also mit Recht angenommen, der Kläger sei wegen Nichtigkeit der Pfändung der streitigen Konkursdividende (und damit auch der in der Pfändungsurkunde enthaltenen Fristansetzung zur Klage nach
Art. 109 SchKG
) nicht befugt, auf dem Wege der Widerspruchsklage geltend zu machen, die Abtretung des Dividendenanspruchs an die Beklagte sei zivilrechtlich ungültig. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0b0453d-ac45-41ec-8411-949d2c62549f | Urteilskopf
118 III 40
13. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 3 juin 1992 dans la cause G. contre Banque X. (recours de droit public) | Regeste
Art. 204 Abs. 1 und
Art. 207 Abs. 1 SchKG
;
Art. 63 KOV
. Wirkung der Konkurseröffnung auf einen hängigen Aberkennungsprozess.
1. Tragweite des Konkursbeschlags (E. 4).
2. Der bei Konkurseröffnung hängige Aberkennungsprozess ist nach Massgabe von
Art. 207 Abs. 1 SchKG
zunächst einzustellen und alsdann gemäss dem in
Art. 63 KOV
vorgesehenen Verfahren abzuschliessen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 40
BGE 118 III 40 S. 40
A.-
Le 7 mars 1989, la Banque X. a fait notifier à G. un commandement de payer la somme de 57'853'034 fr. 25 avec intérêts, que le poursuivi a frappé d'opposition. Après la mainlevée provisoire accordée par le Tribunal de première instance de Genève, G. a déposé le 7 décembre 1989 une demande en libération de dette.
Après une mise en demeure, le Président du Tribunal de première instance de Genève a avisé G., par lettre du 5 mars 1990, qu'à défaut de s'être acquitté des frais d'introduction de la cause, celle-ci ne serait pas portée au rôle du tribunal.
G. a fait appel de cette décision. Par arrêt du 22 juin 1990, la Cour de justice a considéré que la décision déférée n'avait pas valeur de jugement et que la cause n'avait dès lors pas été régulièrement rayée du rôle; partant, elle a déclaré l'appel "irrecevable".
A la suite de cet arrêt, le Président du Tribunal de première instance a rendu le 5 juillet 1990 une nouvelle décision rayant du rôle la cause en libération de dette. G. a fait derechef appel de ce jugement.
BGE 118 III 40 S. 41
B.-
A la requête de la Banque Y., le Tribunal de première instance de Genève a prononcé le 15 avril 1991 la faillite sans poursuite préalable de G. Par arrêts des 6 juin et 25 novembre 1991, la Cour de justice puis la IIe Cour civile du Tribunal fédéral ont rejeté l'appel, respectivement le recours de droit public, du failli.
Vu l'ouverture de la faillite, la Cour de justice a, par arrêt du 13 décembre 1991, déclaré sans objet l'appel contre le jugement du 5 juillet 1990 et rayé la cause du rôle.
C.-
G. exerce un recours de droit public au Tribunal fédéral contre la décision de la Cour de justice du 13 décembre 1991. Il demande son annulation et le renvoi de la cause à la cour cantonale pour être réinscrite au rôle et suspendue conformément à l'
art. 207 LP
.
Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la décision attaquée.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Dans sa réponse au recours, l'intimée prétend que le recourant n'aurait plus qualité pour recourir vu son dessaisissement.
Cette opinion n'est pas fondée. La suspension des procès civils prévue à l'
art. 207 al. 1 LP
est l'une des conséquences du dessaisissement consécutif à la faillite du débiteur (
art. 204 al. 1 LP
;
ATF 54 I 264
). Ce dessaisissement s'étend aux procès qui, par leur objet, peuvent avoir une influence sur la masse. Tel est le cas en l'espèce. Mais le recourant demande simplement que le procès en libération de dette soit suspendu, pour donner la possibilité à la masse ou aux créanciers (art. 63 al. 2 et 3 OOF) de contester la créance qui en fait l'objet. Il n'y a là aucun acte de disposition sur le droit litigieux. Au demeurant, l'arrêt attaqué est dirigé contre le recourant personnellement, non contre la masse, alors même que la Cour de justice connaissait l'ouverture de la faillite.
5.
La Cour de justice a considéré que "compte tenu de la faillite de G. devenue définitive, il appert que le présent appel d'une décision, qui avait déclaré irrecevable une action en libération de dette ouverte par le débiteur, n'a maintenant plus d'objet (
art. 206 LP
)".
Le recourant prétend au contraire que les
art. 207 LP
et 63 OOF auraient dû être appliqués.
a) Après avoir laissé la question indécise (
ATF 40 III 91
), le Tribunal fédéral a jugé que l'action en libération de dette (
art. 83 al. 2
BGE 118 III 40 S. 42
LP
) ne constitue pas un simple incident de l'exécution forcée qui tomberait lors de l'ouverture de la faillite (
art. 206 LP
), comme le soutenaient certains auteurs (JAEGER, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. II, Lausanne 1920, n. 2 ad
art. 207 LP
; SANDOZ, De l'effet de la faillite sur les procès du débiteur, thèse Lausanne 1938, p. 38); elle est au contraire une action de droit matériel qui tend à la constatation de l'inexistence de la créance invoquée par le poursuivant. Le procès en libération de dette doit dès lors être suspendu en vertu de l'
art. 207 al. 1 LP
et traité comme un procès dont l'objet est une créance contre le failli, à savoir selon la procédure prévue à l'art. 63 OOF (
ATF 83 III 75
ss,
ATF 71 III 92
ss). Cette jurisprudence est approuvée par la doctrine unanime (BRAND, FJS No 1002 p. 2; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. II, 2e éd., Zurich 1968, p. 50; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2e éd., Lausanne 1988, p. 291 in fine; HINDERLING, in RDS 83/1964 p. 127; LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3e éd., Berne 1956, n. 2 ad art. 203 ZPO; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2e éd., Zurich 1982, n. 4 ad § 16 et n. 6b ad § 49 ZPO; STAEHELIN, Die betreibungsrechtlichen Streitigkeiten, in Festschrift 100 Jahre SchKG, Zurich 1989, p. 72 in fine; FURRER, Die Kollokationsklagen nach schweizerischem Recht, thèse Zurich 1979, p. 95/96; SYZ, Aberkennungsklage und Aberkennungsprozess gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG, thèse Zurich 1972, p. 115 ss, spéc. 120 ss).
Les motifs de l'arrêt attaqué, dans leur brièveté, ne sont pas très clairs. Certes, c'est moins l'action comme telle, que l'appel, qui est déclaré sans objet. Il n'en demeure pas moins que la cause elle-même est rayée du rôle, pour un motif manifestement erroné, à savoir l'ouverture de la faillite qui entraînerait l'application de l'
art. 206 LP
.
b) La suspension selon l'
art. 207 al. 1 LP
intervient de par la loi (
ATF 116 V 288
let. e,
ATF 100 Ia 301
consid. 1) dès l'ouverture de la faillite (
art. 175 LP
), et non seulement dès sa publication (
ATF 54 III 265
; SJ 1969 p. 351). Elle ne vise toutefois que les procès qui sont déjà pendants lors du jugement déclaratif. En l'espèce, toute la question est de savoir si tel est le cas de l'action en libération de dette introduite par le recourant le 7 décembre 1989. Pour la résoudre, il faut rechercher si cette action a été valablement rayée du rôle, avant l'ouverture de la faillite, par la décision rendue le 5 juillet 1990 par le Président du Tribunal de première instance. Or, le recourant a fait
BGE 118 III 40 S. 43
précisément appel de cette décision. De deux choses l'une: soit la cause a été valablement rayée du rôle en première instance le 5 juillet 1990 et le procès n'était donc plus pendant à l'ouverture de la faillite; soit elle ne l'a pas été et le procès devait alors être suspendu conformément à l'
art. 207 al. 1 LP
(cf. supra let. a). Il semble d'ailleurs que la décision déférée n'était pas définitive, vu l'effet suspensif attribué à cet appel (
art. 291 et 302 LPC
gen.), lorsque la cour cantonale l'a déclaré sans objet. Il n'est donc pas possible de savoir avec certitude si l'action était encore pendante à l'ouverture de la faillite, prononcée le 15 avril 1991. Il appartient dès lors à la Cour de justice d'examiner cette question. | null | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0b2a706-7c3b-4915-b2c6-2099dab9f6de | Urteilskopf
126 I 228
29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. September 2000 i.S. A. gegen Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
;
Art. 30 Abs. 1 BV
; Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung vor einer richterlichen Behörde bei vorübergehender Einstellung eines Anwalts im Beruf.
Umfang der Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
auf anwaltsrechtliche Disziplinarverfahren; Begriff der richterlichen Behörde (E. 2a).
Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich ist in diesem Zusammenhang keine richterliche Behörde im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
bzw.
Art. 30 Abs. 1 BV
(E. 2c), weshalb eine von ihr durchgeführte öffentliche Verhandlung bei entsprechendem Gesuch eine solche vor dem Obergericht nicht zu ersetzen vermag (E. 3a). | Sachverhalt
ab Seite 229
BGE 126 I 228 S. 229
Rechtsanwalt A. reichte am 24. Februar 1998 bei der I. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Uster ein. Am 25. Februar 1998 stellte deren Präsident fest, dass die Eingabe unter anderem einen ungebührlichen Inhalt aufweise, soweit darin von "vereinigten habsburgischen und alpengermanischen Plutokratien" (Österreich und Vorinstanz), von einem "reinen Affentheater" (Verfahren), von einem "betmühlenartig heruntergeschwatzten Sprüchlein von Recht und Gerechtigkeit", von einem "epochalen Betrug", von einem "aufgetürmten Machwerk und ungeniessbaren juristischen Wurstsalat", von einem "systematischen Absegnen der Verbrechen der Österreicher" (Urteil der Vorinstanz), von einem "apodiktischen Decken der seinerzeitigen Verbrechen der österreichischen Justiz" (Vorinstanz und Gegenpartei), von "vom Recht schwafelnden Organen der Unrechtsstaaten" (Vorinstanz und Vertreter der Klägerin), von "blankem Unsinn" bzw. einer "aberwitzigen und hirnverbrannten Klage" und so weiter die Rede sei. Rechtsanwalt A. erhielt Gelegenheit, seine Eingabe zu verbessern, ansonsten aufgrund der Akten entschieden würde. Am 3. März 1998 reichte er eine zweite Fassung seiner Berufungsschrift ein, in der er die beanstandeten Ausdrücke bis auf den jeweiligen Anfangsbuchstaben wegliess, worauf der Präsident der I. Zivilkammer verfügte, dass die Rechtsschrift nicht korrekt verbessert worden sei und deshalb - wie angedroht - aufgrund der Akten entschieden werde.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hob am 15. März 1999 das gestützt hierauf ergangene Urteil vom 25. Mai 1998 mit der Begründung auf, das Obergericht habe den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, indem es die (zweite) Berufungsschrift vollumfänglich aus dem Recht gewiesen habe. Am 1. Juli 1999 bestätigte die I. Zivilkammer des Obergerichts ihr kassiertes Urteil.
Am 9. März 1998 war der Präsident der I. Zivilkammer gegen Rechtsanwalt A. an die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich gelangt, welche ein Disziplinarverfahren bezüglich Geschäftsführung, Interessenwahrung und Zutrauenswürdigkeit eröffnete (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 30 Abs. 2 des zürcherischen Anwaltsgesetzes vom 3. Juli 1938; AnwG). Am
BGE 126 I 228 S. 230
4. November 1999 beschloss sie, Rechtsanwalt A. unter Auferlegung einer Ordnungsbusse von Fr. 1'000.- für drei Monate im Beruf einzustellen. Zwar habe er nicht gegen die Pflicht zur gewissenhaften Wahrung der Interessen seiner Auftraggeberin verstossen, nachdem gemäss dem Urteil des Kassationsgerichts die (zweite) Berufungsschrift nicht aus den Akten hätte gewiesen werden dürfen; mit seiner (ersten) Eingabe habe er jedoch § 7 Abs. 1 AnwG verletzt, da seine Äusserungen in der Berufungsbegründung die Grenzen der anwaltsrechtlich zulässigen Kritik an Justiz und Gegenpartei überschritten hätten. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte diese Einschätzung auf Rekurs hin am 25. Februar 2000.
Hiergegen hat A. staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, welche das Bundesgericht gutheisst, soweit es darauf eintritt,
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Obergericht habe
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
bzw.
Art. 29 BV
verletzt, da es keine öffentliche Verhandlung durchgeführt habe. Zwar sei er durch die Aufsichtskommission antragsgemäss öffentlich angehört worden, diese sei aber kein unabhängiges Gericht.
a) aa)
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verlangt, dass über zivilrechtliche Ansprüche in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist durch ein unabhängiges und unparteiisches, auf dem Gesetz beruhendes Gericht entschieden wird (vgl. zum ähnlichen Inhalt von
Art. 30 BV
: AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. 2, Les droits fondamentaux, Bern 2000, Rz. 1191 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, S. 570 f.). Disziplinarstreitigkeiten, die zur Einstellung in der Berufsausübung oder zum Entzug der entsprechenden Bewilligung führen, gelten als zivilrechtlich im Sinne von
Art. 6 EMRK
(
BGE 123 I 87
E. 2a S. 88 f. mit Hinweisen;
BGE 125 I 417
E. 2b S. 420; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1999, S. 143; MICHELE DE SALVIA, Compendium de la CEDH, Kehl/Strassburg/Arlington 1998, Rzn. 100 ff. zu Art. 6). Weder zivil- noch strafrechtlicher Natur ist dagegen die Ausfällung einer Disziplinarbusse wegen der Verletzung von Berufspflichten; insofern findet
Art. 6 EMRK
keine Anwendung (
BGE 125 I 417
E. 2b S. 420).
bb) Als Gericht im Sinne der Menschenrechtskonvention bzw. von
Art. 30 Abs. 1 BV
gilt eine Behörde, die nach Gesetz und Recht
BGE 126 I 228 S. 231
in einem justizförmigen, fairen Verfahren begründete und bindende Entscheidungen über Streitfragen trifft. Sie braucht nicht in die ordentliche Gerichtsstruktur eines Staates eingegliedert zu sein; sie muss jedoch organisatorisch und personell, nach der Art ihrer Ernennung, der Amtsdauer, dem Schutz vor äusseren Beeinflussungen und nach ihrem Erscheinungsbild sowohl gegenüber anderen Behörden als auch gegenüber den Parteien unabhängig und unparteiisch sein. Ihr können ohne Verletzung von konventions- und verfassungsrechtlichen Garantien Vertreter eines bestimmten Berufsstands angehören, solange sie nicht weisungsgebundene Funktionäre sind (
BGE 123 I 87
E. 4 S. 91 ff. mit Hinweisen und Übersicht über die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Aufsichts- und Disziplinarinstanzen [E. 4c]; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, a.a.O., Rz. 1192; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1999, Rz. 414; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, a.a.O., S. 158).
b) Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich besteht aus sieben Mitgliedern, von denen vier durch das Obergericht und deren drei durch die Rechtsanwaltschaft je auf die Amtsdauer des Obergerichts gewählt werden (§ 16 AnwG). Es gelten für sie die gesetzlichen Bestimmungen über den Ausstand der Gerichtsbeamten (§ 19 AnwG). Die Aufsichtskommission ist beschlussfähig, wenn sie mit vier vom Obergericht und drei von der Rechtsanwaltschaft gewählten Mitgliedern oder Ersatzmännern besetzt ist; im Übrigen gibt sie sich ihre Geschäftsordnung selber (§ 18 AnwG). Im Disziplinarverfahren können Zeugen und Sachverständige einvernommen und Beweisstücke bei Drittpersonen erhoben werden, wobei für die Einvernahme die Bestimmungen der Strafprozessordnung Anwendung finden (§ 26 AnwG). Dem Beschuldigten ist Einsicht in die Akten zu gewähren und Gelegenheit zu geben, sich binnen angemessener Frist zu den Ergebnissen der Untersuchung schriftlich zu äussern (§ 28 AnwG). Damit ist die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte organisatorisch und personell aufgrund ihrer Wahlart, Amtsdauer und sonstigen Stellung von nichtgerichtlichen Behörden an sich unabhängig.
c) aa) Ihre richterliche Natur erscheint indessen mit Blick auf ihre Aufgaben und Funktionen im Aufsichtsbereich über die Rechtsanwälte zweifelhaft: Wie das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Bündner Notariatskommission ausgeführt hat, gilt die Streitentscheidung zwischen verschiedenen Parteien als Wesenskern des gerichtlichen Verfahrens. Diese Voraussetzung, welche für die
BGE 126 I 228 S. 232
streitige Zivilgerichtsbarkeit im herkömmlichen Sinne typisch ist, ergibt sich in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - soweit diese über "zivilrechtliche" Ansprüche im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu entscheiden hat - aus der Gegenüberstellung der Verwaltung, die eine Verfügung erlassen hat, und dem Bürger, der diese anficht. Die Verwaltung und der von der Verfügung Betroffene stehen sich als Parteien gegenüber, während das unabhängige Gericht zwischen ihnen entscheidet. Dabei nimmt typischerweise die Verwaltung das öffentliche Interesse wahr, während der Beschwerdeführer seine Privatinteressen zu verteidigen versucht. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde eingeführt und wird in "zivilrechtlichen" Angelegenheiten von
Art. 6 EMRK
gefordert, um dem Bürger eine unabhängige Beurteilung zwischen dem von der Verwaltung geltend gemachten öffentlichen Interesse und dem Privatinteresse zu ermöglichen (
BGE 123 I 87
E. 4e S. 93).
bb) Wie der Bündner Notariatskommission obliegen im Kanton Zürich der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte generelle und umfassende Aufsichtsbefugnisse, die sie funktionell eher in die Nähe einer Verwaltungsbehörde denn in jene des Gerichts im umschriebenen Sinne rücken. Nach § 20 AnwG stellt die Aufsichtskommission dem Obergericht Antrag über die Verwirkung des Rechts zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs, zudem begutachtet sie zu seinen Handen verschiedene weitere mit der Berufsausübung verbundene Fragen (Erlass von Prüfungen, Bewilligung der Prozessführung usw.). Sie "ahndet" unmittelbar Verstösse gegen die dem Rechtsanwalt durch das Anwaltsgesetz auferlegten Pflichten, d.h. sie sanktioniert zum Schutz des Publikums, der Rechtspflege und der Vertrauenswürdigkeit der Anwaltschaft direkt standeswidriges Verhalten (§ 22 AnwG). Dabei wird sie nicht nur auf Anzeige hin tätig, sondern "von Amtes wegen", sofern ihr Tatsachen bekannt werden, "die den dringenden Verdacht begründen, es liege ein Disziplinartatbestand vor" (§ 12 der Geschäftsordnung der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich vom 7. Dezember 1983). Die Aufsichtskommission wahrt damit in einem umfassenden Sinn das öffentliche Interesse an der ordnungsgemässen Ausübung des Anwaltsberufs. Wenn sie einen Anwalt disziplinarisch bestraft, verfolgt sie selber dieses Ziel. Sie steht dem Rechtsanwalt, der die Rechtmässigkeit dieser Aufgabenwahrnehmung bestreitet, deshalb als Gegenpartei und nicht als "rechter Mittler" gegenüber (vgl.
BGE 123 I 87
E. 4e S. 93 f.). Die Aufsichtskommission selber und mit ihr das Bundesgericht gingen denn in einer
BGE 126 I 228 S. 233
älteren Rechtsprechung auch davon aus, dass es sich bei ihr um eine Verwaltungsbehörde und nicht um ein Gericht handle (vgl. ZR 71/1972 Nr. 100;
BGE 108 Ia 316
E. 5b).
cc) Nach der Praxis der Strassburger Organe ist im Zweifel insbesondere auf den Eindruck ("appearances") abzustellen, den die Behörde nach aussen vermittelt (vgl. VILLIGER, a.a.O., Rz. 412). Dabei fällt - neben den bereits genannten Umständen - vorliegend zusätzlich ins Gewicht, dass jeweils ein instruierendes Mitglied der Aufsichtskommission selber die Untersuchung leitet, der Kommission Antrag stellt und anschliessend an der Entscheidfällung mitwirkt. Zwar ist es im Zivilprozess allgemein üblich und weder konventions- noch verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass - auch bereits vor erster Instanz - das instruierende Gerichtsmitglied am Entscheid beteiligt ist. Dabei tritt das Gericht aber von Anfang an als Schlichter zwischen zwei Parteien auf, von denen die eine die andere einklagt; in einer Situation wie hier, wo die Aufsichtskommission auf Anzeige eines Kammerpräsidenten des Obergerichts hin ein Disziplinarverfahren einleitet, gleicht die Tätigkeit des untersuchenden Mitglieds aber eher jener eines Untersuchungsrichters im Strafverfahren, auch wenn es beim Disziplinarverfahren ausschliesslich um ein verwaltungsrechtliches Administrativverfahren und nicht um die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage geht (vgl.
BGE 125 I 417
E. 2b S. 420;
BGE 120 Ia 184
E. 4f). Dies wird im zürcherischen Recht zusätzlich unterstrichen, soweit das Anwaltsgesetz für die Verfahrensinstruktion auf die Bestimmungen in der Strafprozessordnung verweist (vgl. § 26 Abs. 2 und § 28 AnwG). War es im Lichte von
Art. 4 aBV
nicht zu beanstanden, wenn das die Untersuchung führende Mitglied einer Disziplinarbehörde hernach auch am Entscheid teilnahm, gilt dies - wie das Bundesgericht bereits festgehalten hat - nicht, soweit die strengeren Anforderungen von
Art. 6 EMRK
(bzw.
Art. 30 Abs. 1 BV
) zum Tragen kommen (BGE
BGE 123 I 87
E. 4f S. 94 f. mit Hinweisen).
dd) Zu beachten ist schliesslich, dass die Mitglieder der Aufsichtskommission - zumindest soweit sie von der Anwaltschaft gewählt werden (vgl. § 2 des Reglements des Obergerichts über die Wahl der von der Rechtsanwaltschaft zu bezeichnenden Mitglieder und Ersatzmitglieder der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte vom 19. Dezember 1979) - ihrerseits Inhaber des Anwaltspatents sind. Sie erweisen sich damit einerseits zwar als speziell fachkundig, um die sich in einem Disziplinarverfahren stellenden anwaltsrechtlichen Fragen zu beurteilen; andererseits bilden sie aber
BGE 126 I 228 S. 234
auch gerade (zumindest potentielle) Konkurrenten des zu Disziplinierenden, was gegen aussen geeignet erscheint, bei diesem den Anschein einer in der Organisation liegenden Voreingenommenheit zu begründen (ROBERT ZIMMERMANN, Les sanctions disciplinaires et administratives au regard de l'art. 6 CEDH, RDAF 1994 S. 335-337, 355 f; vgl.
BGE 123 I 87
E. 4g).
3.
a) Berufsständisch zusammengesetzte Entscheidungsgremien sind konventions- und verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit gegen ihren Entscheid ein Rechtsmittel an eine gerichtliche Instanz offen steht, die ihrerseits den Anforderungen von
Art. 6 EMRK
genügt, was hier grundsätzlich der Fall war (§ 29 AnwG). Auch ist nicht zum Vornherein ausgeschlossen, dass ein berufsständisch oder paritätisch zusammengesetztes Organ selber als unabhängiges und unparteiisches Gericht gelten kann, wenn es funktionell, organisatorisch und verfahrensmässig die Voraussetzungen hierzu erfüllt (
BGE 123 I 87
E. 4g S. 95). Da vorliegend indessen nur die Aufsichtskommission eine öffentliche Verhandlung durchgeführt hat, welche nach dem Gesagten im hier interessierenden Zusammenhang nicht als Gericht im Sinne von
Art. 6 EMRK
(bzw.
Art. 30 Abs. 1 BV
) gelten kann, und das Obergericht seinerseits als richterliche Behörde - trotz des entsprechenden Antrags des Beschwerdeführers - hiervon abgesehen hat, verletzt der angefochtene Entscheid die dem Beschwerdeführer aus
Art. 6 EMRK
(bzw.
Art. 30 BV
) zustehenden Verfahrensgarantien. Er ist deshalb aufzuheben, ohne dass die weiteren Rügen des Beschwerdeführers noch geprüft werden müssten. Es wird am Obergericht sein, unter Einhaltung der Verfahrensgarantien von
Art. 6 EMRK
(öffentliche Verhandlung) erneut zu entscheiden. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
b0b47d92-4892-409f-bbe5-87c4cd019ddd | Urteilskopf
113 Ia 266
42. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 29 mai 1987 dans la cause Witz et cons. contre Genève, Grand Conseil (recours de droit public) | Regeste
Raumplanung; Umzonung aus einer Einfamilien- in eine Mehrfamilienhauszone (Erhöhung der Baudichte).
Die Erhöhung der Baudichte hilft, im konkreten Fall die bestehende akute Wohnungsnot zu bekämpfen und eine weitere Schmälerung der Landwirtschaftszone, die bereits unter dem vom EJPD festgesetzten Richtwert der Fruchtfolgefläche liegt, zu vermeiden (E. 3a).
Die Erhöhung der Baudichte von in unmittelbarer Nähe einer städtischen Agglomeration befindlichen Zonen ist an gewisse Bedingungen geknüpft: die neuen Bauten müssen sich in die bereits überbaute Umgebung harmonisch einfügen lassen und dürfen sie nicht beeinträchtigen. Im konkreten Fall sind diese Voraussetzungen erfüllt (E. 3a).
Art. 35 Abs. 3 RPG
. Vorliegen objektiver, ernstzunehmender Gründe, die ein Abweichen von den Grundsätzen eines vor mehr als zehn Jahren erstellten kantonalen Richtplanes - im konkreten Fall lediglich eines Arbeitspapieres ohne rechtliche Tragweite - erlauben (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 267
BGE 113 Ia 266 S. 267
En 1981, les propriétaires de diverses parcelles situées le long du chemin Vert, à Pinchat, commune de Carouge, ont saisi le Département des travaux publics du canton de Genève (ci-après: le département) d'un projet de lotissement portant sur vingt-sept villas. Les parcelles se trouvaient pour l'essentiel en zone 5 A (zone de villas) au sens de l'art. 11 al. 6 de la loi sur les constructions et les installations diverses du 25 mars 1961 (LCI), une partie des terrains étant par ailleurs placée en zone de verdure. L'indice
BGE 113 Ia 266 S. 268
d'utilisation du sol selon ce projet était de 0,189. Toutefois, à la suite de discussions entre promoteurs et autorités, on opta pour la construction de petits immeubles locatifs. Les autorités avaient en effet estimé que, dans le secteur en cause, proche de la ville et bien desservi par les transports publics, il convenait de prévoir une utilisation du sol plus dense que l'édification de villas, compte tenu de la crise du logement sévissant à Genève et de la volonté de ne pas diminuer l'aire agricole du canton.
Au début de 1984, les propriétaires déposèrent auprès du département une demande préalable prévoyant la construction d'immeubles d'habitation collective pour environ 121 logements, avec garage souterrain de 135 places et 20 boxes. L'indice d'utilisation prévu s'élevait à 0,596. Le département donna son accord, tout en réservant la modification par le Grand Conseil du régime des zones de construction, soit la création d'une quatrième zone B de développement au sens de l'art. 11 al. 5 LCI (zone destinée aux petites maisons d'habitation), ainsi que l'établissement et l'adoption avant le dépôt de la requête définitive d'un plan d'aménagement.
Un projet de loi No 5686, modifiant le régime des zones de construction à Pinchat et prévoyant la création de la zone de développement 4 B, fut soumis à la procédure d'opposition en janvier/février 1985. Divers propriétaires riverains du chemin Vert ont fait opposition. Le Grand Conseil renvoya le projet à la Commission de développement du canton, qui consacra plusieurs séances à l'examen détaillé du projet et entendit les opposants ainsi que diverses personnes susceptibles de compléter son information, notamment un ingénieur de la circulation. Au terme de son rapport, la commission proposa au Grand Conseil d'approuver le projet, avec quelques modifications (création d'une nouvelle zone de verdure à l'intérieur du périmètre concerné; autorisation donnée au Conseil d'Etat de supprimer la zone de verdure située le long du chemin Vert, dans la mesure où elle n'était plus nécessaire pour la réalisation d'équipements publics). Dans sa séance du 21 juin 1985, le Grand Conseil adopta le projet de loi, avec les modifications apportées par la commission.
Agissant par la voie d'un recours de droit public fondé sur les art. 4 et 22ter Cst., les opposants ont requis le Tribunal fédéral d'annuler la loi No 5686. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 113 Ia 266 S. 269
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Pour l'essentiel, les recourants critiquent le déclassement de terrains voisins des leurs de la zone de villas 5 A, avec un coefficient d'utilisation du sol de 0,2, en zone de développement 4 B avec un coefficient de 0,6. Pratiquement, la loi attaquée permettra d'édifier une dizaine de petits bâtiments locatifs abritant environ 130 logements en lieu et place d'une trentaine de villas.
a) Pour justifier cette densification, le Conseil d'Etat expose notamment - et sans être contredit - que les zones à bâtir occupent environ 30% du territoire cantonal. La zone agricole, qui représente 47% de ce territoire, ne saurait être amputée davantage au profit des zones à bâtir, afin de maintenir une aire agricole suffisante (art. 3 al. 2 lettre a LAT). A cet égard, il y a lieu de relever que le chiffre indicatif de la part cantonale de la surface d'assolement, selon la décision du Département fédéral de justice et police du 6 janvier 1987, est de 10 500 ha, alors que selon une première estimation des autorités genevoises cette surface ne pourra être que d'environ 8500 ha. Par ailleurs, la zone de villas est très étendue, puisqu'elle occupe 47% des zones à bâtir et 60% des zones affectées à l'habitat (abstraction faite des zones industrielles). Or, le canton de Genève doit faire face à une grave crise du logement. Dans ces conditions, et pour assurer une utilisation mesurée du sol (art. 1 al. 1 LAT), il apparaît raisonnable et pour le moins pas arbitraire d'augmenter la densité des zones à bâtir existantes là où cela se révèle possible et admissible, notamment dans les zones de villas qui se trouvent à proximité de l'agglomération urbaine. Cette densification ne saurait toutefois avoir lieu de manière désordonnée. Il convient que les nouvelles constructions s'intègrent au milieu bâti existant et ne lui portent pas préjudice (art. 1 al. 2 lettre b LAT). La mesure d'aménagement critiquée répond parfaitement à ces exigences. La densification prévue reste mesurée et ne crée pas une disproportion manifeste entre les villas existantes et les futures constructions. Le milieu bâti existant ne souffrira pas foncièrement de la proximité de la nouvelle zone, d'autant que celle-ci se trouve à une extrémité du quartier. Il s'avère aussi que le projet de construction litigieux permettra de ménager d'importants espaces de verdure et une très grande partie des arbres existants. Au reste, le site de Pinchat aux portes de la ville, bien desservi par des transports publics proches, bénéficiant d'un
BGE 113 Ia 266 S. 270
établissement scolaire et de terrains de sport, se prête à l'aménagement envisagé.
Il résulte de ces considérations que les autorités cantonales ont en l'espèce été guidées par des motifs pertinents et sérieux.
b) Les recourants font valoir que la loi attaquée décrète une affectation des terrains contraire au plan directeur cantonal de 1975 prévoyant dans le secteur en cause de l'habitation à faible densité (villas).
La loi fédérale sur l'aménagement du territoire dispose, à l'art. 35 al. 3, que les plans directeurs cantonaux en force au moment de son entrée en vigueur conservent leur validité selon le droit cantonal jusqu'à l'approbation par l'autorité compétente d'un plan établi selon les exigences fédérales. En d'autres termes, le plan directeur ancien n'a en principe pas les effets que donne la LAT à une telle réglementation (DFJP/OFAT, Etude relative à la LAT, n. 6 ad art. 35), mais ceux que lui conférait à l'époque le droit cantonal. A cet égard, le plan directeur cantonal précise qu'il est un document de travail et non pas un document de portée juridique. Lorsqu'il en a approuvé le principe, le Conseil d'Etat a mentionné qu'il s'agissait d'une référence indicative pour l'établissement de programmes d'investissements publics et privés. De plus, les plans directeurs établis selon la LAT doivent être adaptés lorsque les circonstances se sont modifiées et que de nouvelles tâches se présentent, un réexamen s'imposant de toute façon tous les dix ans (art. 9 al. 2 et 3 LAT). C'est dire que le Grand Conseil pouvait en l'occurrence s'écarter des principes du plan directeur Alvéole Rhône - Arve Sud, commune de Carouge, adopté par les autorités communales en 1974 (DFJP/OFAT, op.cit., n. 10 ad art. 9). Or, comme on l'a vu plus haut, il existe en l'espèce des raisons objectives et sérieuses de s'écarter de principes directeurs fixés il y a largement plus de dix ans.
c) C'est sans arbitraire que le Grand Conseil a admis que les problèmes de circulation ne faisaient pas obstacle à l'adoption de la loi attaquée. L'ingénieur de circulation entendu par la Commission de développement a déclaré que le secteur de Pinchat était bien desservi sur le plan des transports en commun et des cheminements piétons. De plus, selon ce spécialiste, le chemin Vert est apte à supporter le trafic engendré par les constructions prévues, le seul point délicat étant le carrefour chemin de Pinchat - chemin Vert, qui peut toutefois être aménagé en conséquence.
BGE 113 Ia 266 S. 271
Au demeurant, les équipements ne doivent pas être nécessairement existants au moment de l'adoption d'une mesure de planification; il suffit qu'ils soient réalisés au moment de la construction des bâtiments, ce qui est possible en l'espèce. Il conviendra cependant, le moment venu, que les autorités compétentes veillent à régler de manière satisfaisante les problèmes de circulation, notamment pour parer aux dangers que courraient les usagers, en particulier les enfants sur le chemin de l'école. | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b0b83e1c-767a-42ee-824a-821f0d63da7b | Urteilskopf
98 II 104
15. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 14 mars 1972 dans la cause Aeschbach contre Jérôme DUCHOSAL SA | Regeste
Art. 48 OG
: Endentscheid.
Der Entscheid über das erste Gesuch, das Mietverhältnis nach
Art. 267a Abs. 1 OR
zu erstrecken, ist ein Endentscheid im Sinne von
Art. 48 OG
(Erw. 1a).
Art. 267a und 267c lit. c OR
, Erstreckung des Mietverhältnisses.
Der Eigenbedarf, den der Eigentümer an seinen Geschäftsräumen haben kann, darf nicht strenger gewertet werden als bei Wohnungen; ist er begründet, so kommt auf die gegenseitigen Interessen des Eigentümers und des Mieters nichts an (Erw. 3 b). | Sachverhalt
ab Seite 105
BGE 98 II 104 S. 105
A.-
Jérôme Duchosal SA, entreprise spécialisée dans le commerce en gros et au détail ainsi que dans la pose de glaces et de vitres, était au bénéfice d'un bail dès le 1er octobre 1968 pour une durée de cinq ans, avec tacite reconduction d'année en année. Ce bail concernait des bureaux et des entrepôts qu'elle occupait depuis 60 ans et d'ailleurs situés entre deux immeubles lui appartenant.
En 1968 les frères Aeschbach, qui possèdent quatre et bientôt cinq magasins de chaussures, sont devenus propriétaires de l'immeuble (25 bis, rue de Carouge) au rez-de-chaussée duquel se trouvent les locaux loués. Ils déclarent en avoir absolument besoin; le manque de personnel les obligerait à étendre leurs installations de vente de façon à pouvoir pratiquer une sorte de self-service nécessitant des étalages importants.
B.-
Le 26 juin 1970, par lettre de leur régisseur, les frères Aeschbach ont dénoncé le bail précité pour le 30 septembre suivant en précisant: "Dès cette date, votre contrat de location se poursuivra pour des périodes de 6 mois en 6 mois avec préavis de résiliation de 3 mois d'avance, avant l'échéance du semestre en cours."
La locataire n'a pas répondu à cette lettre et n'a pas formé de recours contre la modification apportée aux clauses de résiliation de son bail. En revanche, lorsqu'elle a reçu, le 15 décembre
BGE 98 II 104 S. 106
1970, l'avis que le contrat était résilié au 31 mars 1971, elle a introduit action devant le Tribunal de première instance de Genève.
Celui-ci, au cours d'une inspection locale, a constaté que Duchosal SA "pourrait mettre ailleurs ses bureaux, que les entrepôts ne sont pas complètement ni judicieusement utilisés", mais que, compte tenu des locaux dont elle était propriétaire et de ceux qu'elle louait à des tiers, la réorganisation de l'ensemble des lieux "posait des problèmes difficiles". Il a cependant reconnu que les frères Aeschbach se trouvaient "à l'étroit" dans leurs installations actuelles.
Le 28 mai 1971, le Tribunal de première instance a déclaré la résiliation du bail valable, au sens de l'art. 267 a CO, mais il en a reporté les effets au 31 décembre suivant, 9 mois plus tard. Sur appel de Duchosal SA qui demandait l'invalidation de la résiliation du bail et subsidiairement sa prolongation pour deux ans, la Cour de justice de Genève a confirmé, le 12 novembre 1971, le premier jugement en tant qu'il avait déclaré valable la résiliation du bail, mais elle a prolongé celui-ci de 15 mois jusqu'au 30 juin 1972.
C.-
Les frères Aeschbach recourent en réforme au Tribunal fédéral. Ils concluent au rétablissement du jugement de première instance. Duchosal SA propose la confirmation de l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Il a déjà été jugé que la prolongation judiciaire d'un bail est une décision susceptible de recours en réforme si la valeur litigieuse atteint 8000 fr. (arrêts non publiés Pfister c. Pfister, du 29 juillet 1971; Conti c. Terenus AG, du 11 janvier 1972).
L'intimée, tout en s'en remettant sur ce point à l'appréciation de la Cour de céans, émet l'hypothèse que la décision attaquée n'est peut-être pas finale au sens de l'art. 48 OJ. Le recours en réforme pourrait n'être ouvert qu'à l'encontre de la décision statuant sur la seconde demande de prolongation de bail autorisée par l'art. 267 a al. 2 CO.
Il n'en est rien. Chaque prolongation de l'art. 267 a, al. 1 et 2 CO fait l'objet d'une procédure distincte. La première décision prise n'emporte pas l'effet de la chose jugée à l'égard
BGE 98 II 104 S. 107
de la seconde, sans quoi le juge ne pourrait tenir compte, ainsi que l'art. 267 a al. 2 CO le lui commande, des changements de circonstances intervenus durant le premier moratoire, tant en ce qui concerne le locataire que le bailleur. D'ailleurs, le code de procédure civile genevois dispose que la requête du locataire est examinée selon les règles de la procédure accélérée (art. 25 h CPC cant.); celle-ci aboutit à une décision sur le fond du litige susceptible d'appel (art. 25 n CPC cant.), et partant, le cas échéant, d'un recours en réforme au Tribunal fédéral (art. 48 OJ).
b) En ce qui concerne la valeur litigieuse, il faut d'après la jurisprudence, considérer le loyer afférent à la période sur laquelle porte la contestation lorsque le différend a pour objet l'existence d'un contrat de bail ou l'expulsion du preneur (RO 33 II 706;
85 II 220
;
86 II 57
/58;
88 II 59
). Les positions respectives des parties sont réputées être celles qu'elles ont défendues en dernière instance cantonale (art. 46 OJ).
En l'espèce, les recourants acceptaient une prolongation de bail de 9 mois; l'intimée a demandé à la Cour de justice d'annuler la résiliation du contrat, subsidiairement de le prolonger pour deux ans. Le loyer annuel s'élevant à 14 600 fr., la valeur litigieuse équivaut à 15 mois de loyer au moins et dépasse en tout cas 8000 fr. Le recours est donc recevable.
c) Selon l'intimée, les recourants auraient admis le principe de la prolongation du bail en renonçant à mettre en cause le sursis de 9 mois accordé par le premier juge. Dès lors que la Cour de justice n'a pas excédé la limite maximale de deux ans posée à l'art. 267 a al. 1 CO, elle ne saurait avoir violé le droit fédéral.
Ce moyen ne résiste pas à l'examen. Lorsque le droit fédéral impose au juge de statuer sur l'ampleur d'une indemnité ou sur la durée d'une obligation ou d'un droit, l'appréciation du juge relève du droit fédéral.
2.
(Irrecevabilité d'un grief formulé contre l'application du droit cantonal).
3.
a) Selon les art. 267 a et 267 c litt. c CO, un bail peut être prolongé de deux ans au plus, s'il s'agit de locaux commerciaux et du logement qui en dépend; la prolongation est exclue lorsque le propriétaire a besoin des locaux pour lui ou pour de proches parents ou alliés.
BGE 98 II 104 S. 108
La Cour de justice a pris la décision attaquée en considérant que le besoin des recourants n'était "ni actuel ni urgent". Le Tribunal fédéral est lié par ces constatations quant à l'actualité ou à l'urgence du besoin que le bailleur peut avoir de ses locaux (art. 63 al. 2 OJ), mais non quant à son existence au sens de la loi, car il s'agit là d'une question de droit.
b) Lorsque le besoin du propriétaire est sérieux, il n'y a pas lieu de mettre en balance les intérêts respectifs du propriétaire et du locataire (RO 92 I 191). Cela revient à dire que le juge n'a pas à examiner s'il doit exiger du premier de patienter plutôt que d'imposer au second de vider les locaux loués. Par ailleurs, le congé justifié par le besoin du propriétaire en locaux commerciaux ne doit pas être apprécié de façon plus sévère qu'en matière de logement (RO 92 I 191). Même sous l'empire de la législation exceptionnelle du 20 octobre 1941 au 18 décembre 1970, le droit du propriétaire d'occuper un logement dans sa propre maison n'a jamais été lié au risque qu'il aurait eu luimême de se trouver sans toit. Aussi bien, d'après la jurisprudence du Tribunal fédéral relative aux arrêtés fédéraux en la matière, le besoin personnel du propriétaire existait dès que celui-ci avait des raisons sérieuses d'occuper des locaux et que, dans les circonstances données, ces raisons devaient être considérées comme valables; il n'était pas nécessaire qu'il y fût contraint ou menacé d'un grave préjudice (RO 74 I 3 confirmé à p. 99/100 avec références à des arrêts non publiés). Aucune raison ne commande de se montrer plus rigoureux sous le régime du droit commun dont les dispositions sont entrées en vigueur le 19 décembre 1970.
c) La Cour de justice n'a pas nié la légitimité du désir des recourants d'augmenter la surface de vente de leur magasin; elle l'a même expressément reconnue, admettant de ce fait l'actualité du besoin. Comment admettre en effet qu'il n'y a pas de raison de réaliser immédiatement un désir légitime? L'arrêt attaqué renferme donc une certaine contradiction dans les appréciations qu'il contient. En constatant la légitimité du besoin qu'ils ont de leurs locaux, la Cour de justice a montré que les recourants avaient des raisons valables de les occuper. Elle a dès lors violé le droit fédéral en n'appliquant pas l'exception prévue à l'art. 267 c CO et en procédant à la comparaison des intérêts en présence avant d'accorder la prolongation du bail selon l'art. 267 a al. 1 CO
BGE 98 II 104 S. 109
Comme les recourants n'ont pas conclu à la suppression de celle-ci dans sa totalité, il suffit d'admettre le recours dans la mesure demandée, c'est-à-dire de limiter à une durée de 9 mois la prolongation du bail accordée à l'intimée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et réforme l'arrêt attaqué en ce sens que la prolongation du bail accordée à l'intimée est limitée à 9 mois, soit jusqu'au 31 décembre 1971. | public_law | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
b0bb70b1-2916-42d5-9bb4-ac417708c0fa | Urteilskopf
110 V 48
9. Auszug aus dem Urteil vom 10. Januar 1984 i.S. Schweizerische Ausgleichskasse gegen Peter und Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen | Regeste
Anfechtungsgegenstand und Streitgegenstand.
- Verfügung als Anfechtungsgegenstand und damit Sachurteilsvoraussetzung des nachfolgenden Beschwerdeverfahrens; Voraussetzungen der Ausdehnung des Beschwerdeverfahrens auf eine ausserhalb der Verwaltungsverfügung liegende Frage (Erw. 3b).
- Abgrenzung des Anfechtungsgegenstandes vom Streitgegenstand; Voraussetzung der Ausdehnung des Beschwerdeverfahrens auf einen innerhalb der Verwaltungsverfügung liegenden, aber nicht Teil des Streitgegenstandes bildenden Punkt (Erw. 3c).
- Streitgegenstand ist das angefochtene Verfügungsdispositiv; Invaliditätsgrad und Berechnungsgrundlagen sind Teilfaktoren der streitigen Rentenfestsetzung (Erw. 3d).
Untersuchungsgrundsatz und Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen. Tragweite dieser Grundsätze im Hinblick auf die Mitwirkungspflichten der Parteien und das Rügeprinzip; Abgrenzung der Rechtsprechungskompetenz von der Befugnis zum aufsichtsrechtlichen Einschreiten (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 110 V 48 S. 49
A.-
Dem deutschen Staatsangehörigen Walter Peter ist mit Verfügung der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 3. März 1982 eine ganze Invalidenrente ab 1. März 1979 zugesprochen worden, dies in Form einer ordentlichen Teilrente nach Skala 33. Der Versicherte erhob Beschwerde an die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit dem Wortlaut: "Möchte das Gericht bitten, die Verfügung vom 3. März 1982 zu überprüfen. Ich habe 25 Jahre in Basel und Münchenstein/BL gearbeitet. Mit dieser kleinen Rente kann ich meine Familie nicht unterhalten." Die Rekurskommission hob mit Entscheid vom 31. Januar 1983 die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zwecks näherer Abklärung an die Verwaltung zurück, weil die invaliditätsmässigen Anspruchsvoraussetzungen nach der Aktenlage nicht schlüssig beurteilt werden könnten.
B.-
Die Schweizerische Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen:
"1. das angefochtene Urteil sei aufzuheben;
2. der Invalidenversicherungs-Kommission Basel-Stadt sei die
Möglichkeit zu geben, ihre Akten vorzubringen und eine Vernehmlassung
einzureichen;
3. was die Berechnung der Rente betrifft, sei aus den in unserer
Vernehmlassung vom 20. Juli 1982 zuhanden der Rekurskommission
dargestellten Gründen die Richtigkeit unserer Verfügung vom 3. März 1982 zu
bestätigen, es sei denn, Ihr Gericht würde den Eintritt der Invalidität auf
ein anderes Datum als dasjenige festsetzen, das die
Invalidenversicherungs-Kommission Basel-Stadt angenommen hat."
Zur Begründung macht die Schweizerische Ausgleichskasse im wesentlichen geltend, streitig sei lediglich die Rentenberechnung (Höhe des Rentenbetrages), nicht aber die Bemessung der Invalidität noch das Datum des Invaliditätseintritts; aus diesem Grunde habe sie sich am 20. Juli 1982 gegenüber der Vorinstanz lediglich zur Frage der Rentenberechnung ausgesprochen, ohne eine
BGE 110 V 48 S. 50
Stellungnahme der Invalidenversicherungs-Kommission zu den mit der Invalidität zusammenhängenden Punkten einzuholen und der Vernehmlassung beizulegen. Die Rekurskommission habe "nicht über die streitige Frage der Berechnung der Rente entschieden", sondern "das von der Invalidenversicherungs-Kommission Basel-Stadt angenommene Datum des Eintritts der Invalidität in Frage gestellt", ohne die vorhandenen Kommissionsakten eingeholt zu haben. Die Rekurskommission habe somit ohne Kenntnis des genauen Sachverhaltes entschieden, was allein schon die Aufhebung ihres Entscheides rechtfertige.
Walter Peter lässt sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst sich den Anträgen und Ausführungen der Schweizerischen Ausgleichskasse an; insbesondere sei die Rente richtig berechnet sowie der Rentenbeginn zutreffend festgelegt worden, und es seien auch die versicherungsmässigen Voraussetzungen zur Rentengewährung erfüllt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Mit der Verfügung vom 3. März 1982 ist dem Beschwerdegegner eine ganze Invalidenrente zugesprochen worden. Er hat somit unter dem Gesichtspunkt der für den Rentenanspruch wesentlichen Anspruchsvoraussetzung der Invalidität die höchstmögliche Leistung erhalten (vgl.
Art. 28 Abs. 1 IVG
). Bei dieser Sachlage erscheint der Einwand der Schweizerischen Ausgleichskasse als richtig, dass das eingangs wiedergegebene, äusserst knapp formulierte vorinstanzliche Rechtsbegehren des Versicherten nur dahin verstanden werden kann, dass er die Rentenverfügung vom 3. März 1982 weder in bezug auf den Invaliditätsgrad als solchen noch hinsichtlich des mit der Art der Invalidität aufs engste verknüpften Rentenbeginns, sondern einzig unter dem Gesichtswinkel der Rentenberechnung anfocht. Diese Interpretation wird durch die vom Versicherten zum Ausdruck gebrachte Absicht, eine für den Unterhalt der Familie ausreichende, somit eben betragsmässig höhere Invalidenrente zu erhalten, bestätigt. Die Rekurskommission hat jedoch die angefochtene Rentenverfügung in bezug auf die Rentenberechnung nicht geprüft; vielmehr hat sie die Sache zwecks näherer Abklärung an die Verwaltung zurückgewiesen, weil die invaliditätsmässigen Anspruchsvoraussetzungen nach der Aktenlage nicht schlüssig beurteilt werden könnten. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz durch diesen Entscheid in unzulässiger
BGE 110 V 48 S. 51
Weise über den Streitgegenstand hinausgegangen ist, wie die Schweizerische Ausgleichskasse sinngemäss behauptet.
b) Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen und zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (vgl.
BGE 105 V 276
Erw. 1 mit Hinweisen; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 44 unten; SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 170).
Nach der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts kann das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren aus prozessökonomischen Gründen auf eine ausserhalb des Anfechtungsgegenstandes, d.h. ausserhalb des durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisses liegende spruchreife Frage ausgedehnt werden, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens in Form einer Prozesserklärung geäussert hat (vgl.
BGE 106 V 25
Erw. 3a mit Hinweisen).
c) Vom Anfechtungsgegenstand zu unterscheiden ist der Begriff des Streitgegenstandes. Streitgegenstand im System der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches - im Rahmen des durch die Verfügung bestimmten Anfechtungsgegenstandes - den aufgrund der Beschwerdebegehren effektiv angefochtenen Verfügungsgegenstand bildet (GYGI, a.a.O., S. 46; KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, S. 131 f. N. 19). Nach dieser Begriffsumschreibung sind Anfechtungsgegenstand und Streitgegenstand identisch, wenn die Verwaltungsverfügung insgesamt angefochten wird. Bezieht sich demgegenüber die Beschwerde nur auf einen Teil des durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisses, gehören die nicht beanstandeten Teilaspekte des verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses zwar wohl zum Anfechtungs-, nicht aber zum Streitgegenstand.
In der Verwaltungsverfügung festgelegte - somit Teil des Anfechtungsgegenstandes bildende -, aber aufgrund der Beschwerdebegehren nicht mehr streitige - somit nicht zum Streitgegenstand
BGE 110 V 48 S. 52
zählende - Fragen prüft der Richter nur, wenn die nichtbeanstandeten Punkte in engem Sachzusammenhang mit dem Streitgegenstand stehen (
BGE 101 V 116
Erw. 1 mit Hinweis,
BGE 98 V 139
; ZAK 1968 S. 628).
Nicht zum Streitgegenstand gehören blosse Differenzen bezüglich der Begründung einer Verfügung, weil nur das Verfügungsdispositiv, nicht aber die Begründung anfechtbar ist (vgl.
BGE 106 V 92
Erw. 1).
d) Streitgegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war das Begehren des heutigen Beschwerdegegners, es sei ihm eine höhere als die laut Dispositiv der Kassenverfügung vom 3. März 1982 festgesetzte Rente zuzusprechen, wobei der Antragsteller sinngemäss davon ausging, dass die Rentenberechnung als solche fehlerhaft erfolgt sei. Indem die Rekurskommission statt dessen den Fall lediglich unter dem von keiner Seite in Frage gestellten Gesichtspunkt des Invaliditätsgrades beurteilte und die Sache diesbezüglich zu näherer Abklärung an die Ausgleichskasse zurückwies, ging sie nicht über den Streitgegenstand hinaus; denn der Invaliditätsgrad und die Rentenberechnung als solche bilden nur Teilfaktoren im Rahmen der Festsetzung der streitigen Rente.
4.
a) Im Prozess vor der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen ist grundsätzlich das VwVG anwendbar (
Art. 1 Abs. 2 lit. d VwVG
; Art. 12 Vo über verschiedene Rekurskommissionen (SR 831.161)). Massgeblich sind somit in erster Linie die
Art. 44 ff. VwVG
; im Beschwerdeverfahren sind aber auch die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des 2. Abschnittes (
Art. 7 ff. VwVG
) zu beachten (SALADIN, a.a.O., S. 92 und S. 163).
Nach
Art. 12 VwVG
stellt die Behörde den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Gemäss
Art. 62 Abs. 4 VwVG
bindet die Begründung der Begehren die Beschwerdeinstanz in keinem Falle. Es gelten somit der Untersuchungsgrundsatz und das Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen (SALADIN, a.a.O., S. 113 ff.). Der Untersuchungsgrundsatz besagt, dass Verwaltung und Richter von sich aus für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen haben (
BGE 104 V 211
Erw. b in fine,
BGE 97 V 177
,
BGE 96 V 95
f.; EVGE 1967 S. 144 f.; ZAK 1979 S. 78 Erw. 2b in fine; RSKV 1982 Nr. 492 S. 143 und Nr. 496 S. 158; GYGI, a.a.O., S. 206). Das Prinzip der Rechtsanwendung von Amtes wegen verpflichtet den Richter, auf den festgestellten Sachverhalt jenen Rechtssatz anzuwenden, den er als den zutreffenden
BGE 110 V 48 S. 53
ansieht, und ihm auch die Auslegung zu geben, von der er überzeugt ist (GYGI, a.a.O., S. 212).
Die beiden erwähnten Grundsätze gelten nicht uneingeschränkt. Sie finden ihr Korrelat in den verschiedenen Mitwirkungspflichten der Parteien (
Art. 13 VwVG
) und namentlich in der in
Art. 52 Abs. 1 VwVG
aufgestellten Begründungspflicht (
BGE 104 V 211
Erw. b,
BGE 97 V 173
; GYGI, a.a.O., S. 208 ff.; SALADIN, a.a.O., S. 119 f.; PFEIFER, Der Untersuchungsgrundsatz und die Offizialmaxime im Verwaltungsverfahren, S. 123 ff.). Zu beachten ist sodann das Rügeprinzip, welches besagt, dass die Beschwerdeinstanz nicht prüft, ob sich die angefochtene Verfügung unter schlechthin allen in Frage kommenden Aspekten als korrekt erweist, sondern nur die vorgebrachten Beanstandungen untersucht (GYGI, a.a.O., S. 214 ff.; JOST, Zum Rechtsschutz im Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: ZSR 101/1982 II S. 513). Diese Prinzipien grenzen den Bereich der verwaltungsgerichtlichen Prüfung von der Befugnis zur aufsichtsmässigen Herstellung des gesetzmässigen Zustandes ab, welche in der Rechtsprechungskompetenz nicht inbegriffen ist (GYGI, a.a.O., S. 44 und S. 213). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Beschwerdeinstanz zusätzliche Abklärungen nur vornimmt oder veranlasst und von den Verfahrensbeteiligten nicht aufgeworfene Rechtsfragen nur prüft, wenn hiezu aufgrund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten ergebenden Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht.
b) Da im vorliegenden Fall allseits unbestritten ist, dass dem Beschwerdegegner unter dem Gesichtswinkel der invaliditätsmässigen Voraussetzungen eine ganze Rente zusteht, und da sich auch sonst in den Akten keinerlei Anhaltspunkte finden, die es rechtfertigen würden, auf diese Frage zurückzukommen, ist der die Rückweisung der Sache zur Abklärung der invaliditätsmässigen Voraussetzungen anordnende Entscheid der Rekurskommission aufzuheben.
5.
Da sich der vorinstanzliche Entscheid zu der allein zu prüfenden Frage der Rentenberechnung nicht ausspricht, wäre grundsätzlich die Rückweisung des Falles an die Vorinstanz am Platz. Indessen hat der Versicherte selber in keinem Stadium des Verfahrens konkrete Beanstandungen hinsichtlich der Rentenberechnung vorgebracht. Auch ist aus den Rentenakten (Kontenauszüge, Berechnungsblatt) kein Fehler ersichtlich, was übrigens vom Bundesamt ausdrücklich bestätigt wird.
Da somit der Fall im Rahmen der dem Eidg. Versicherungsgericht in diesem Streit um Versicherungsleistungen zustehenden
BGE 110 V 48 S. 54
umfassenden Kognition (
Art. 132 OG
) als spruchreif erscheint und das rechtliche Gehör der Parteien im vorliegenden Verfahren gewahrt worden ist, rechtfertigt es sich, die Sache aus Gründen der Prozessökonomie direkt in dem Sinne zu erledigen, dass der vorinstanzliche Entscheid in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Schweizerischen Ausgleichskasse aufgehoben und damit die Kassenverfügung vom 3. März 1982 bestätigt wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen vom 31. Januar 1983 aufgehoben. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0bc615f-2b01-4d8c-9372-5c8151bcf0f1 | Urteilskopf
120 Ia 258
39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1994 i.S. A. gegen X. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 88 OG
; aktuelles praktisches Interesse als Voraussetzung für die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde.
Weil mit der Schätzung der einzelnen Nachlasswerte in einem Sicherungsinventar nach
Art. 553 ZGB
keine zivilrechtlichen Wirkungen verbunden sind, hat ein Erbe keine aktuellen praktischen Interessen daran, die Schätzung mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten zu können. | Erwägungen
ab Seite 258
BGE 120 Ia 258 S. 258
Aus den Erwägungen:
1.
a) Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann - abgesehen von hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen - nur der letzte kantonale Entscheid angefochten werden. Entsprechend kann das Bundesgericht auch nur diesen aufheben. Auf den Antrag, den Entscheid des Kreispräsidenten Oberengadin mitaufzuheben, ist deshalb nicht einzutreten.
BGE 120 Ia 258 S. 259
b) Bei einer staatsrechtlichen Beschwerde ist u.a. Eintretensvoraussetzung, dass überhaupt ein aktuelles praktisches Interesse gegeben ist (SPÜHLER, Die Praxis der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, Rz. 14; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, S. 258 f.). Der Beschwerdeführer will mit seinem Rechtsmittel unter anderem bewirken, dass gewisse im Inventar aufgeführte Vermögenswerte tiefer geschätzt werden. Es fragt sich, ob der Beschwerdeführer daran überhaupt ein praktisches Interesse hat.
In dem den vorliegenden Fall betreffenden
BGE 118 II 269
f. hielt das Bundesgericht fest, dass das Inventar nach schweizerischem Recht nur die Sicherung des bei Eröffnung des Erbganges vorhandenen Vermögens bezweckt, indem verhindert werden soll, dass Vermögenswerte unbemerkt verschwinden können. Das Sicherungsinventar dient insbesondere nicht der Berechnung der Erbteile und der Pflichtteile und kann nicht Rechnungsgrundlage für die Erbteilung bilden. Entsprechend sieht das Bundesrecht für das Sicherungsinventar im Gegensatz zum öffentlichen Inventar nach
Art. 581 ZGB
keine Schätzung der Vermögenswerte vor (
BGE 118 II 270
). Wird dennoch eine Schätzung vorgenommen, so ergeben sich daraus keinerlei zivilrechtliche Folgen. Von daher ist nicht zu sehen, welches praktische Interesse der Beschwerdeführer an einer tieferen Bewertung der Aktien der A. AG haben könnte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Art. 92 Abs. 2 EG ZGB des Kantons Graubünden die Aktiven und Passiven geschätzt werden sollen. Es steht dem kantonalen Gesetzgeber nicht zu, irgendwelche zivilrechtlichen Wirkungen an die Schätzung zu knüpfen. Mit Bezug auf allfällige Gebühren- und Steuerfolgen der Schätzung ist nicht der Abschluss des Inventars anzufechten. Vielmehr müssen dafür die entsprechenden Gebühren- und Steuerverfügungen weitergezogen werden.
Entsprechend hält das Kantonsgerichtspräsidium denn auch fest, dass es nach konstanter Praxis auf Rekurse nicht eintritt, soweit sie sich nur auf die Bewertung einzelner Aktiven beziehen. Mit dieser Argumentation im angefochtenen Entscheid setzt sich der Beschwerdeführer gar nicht auseinander. Es fehlt deshalb an einer
Art. 90 OG
genügenden Begründung und auf diese Rüge ist nicht einzutreten.
c) Soweit der Beschwerdeführer einzelne Posten im Inventar gar nicht aufgeführt haben will, liegt demgegenüber ein aktuelles praktisches Interesse vor. Das Inventar erbringt im Sinne von
Art. 9 ZGB
Beweis dafür, dass die aufgeführten Vermögenswerte bei Eröffnung des Erbganges in der im
BGE 120 Ia 258 S. 260
Inventar aufgeführten Weise vorhanden waren und gemäss den inventarisierten Angaben in diesem Zeitpunkt zum Nachlass gehörten. Werden einzelne Angaben aus dem Inventar gestrichen, so entfällt mit Bezug auf diese die Richtigkeitsvermutung. Soweit der Beschwerdeführer die Streichung einzelner Posten verlangt, ist deshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b0c59987-45d0-4685-8494-458c1e16a625 | Urteilskopf
123 III 241
39. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Mai 1997 i.S. G. gegen X. Rückversicherungsgesellschaft (Berufung) | Regeste
Nachweis eines den Verzugszins übersteigenden Schadens (
Art. 104 OR
und 106 OR;
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
).
Der vom Sachrichter gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung gezogene Schluss, eine Versicherung hätte einen bei ihr eingehenden Geldbetrag zinstragend angelegt, stellt Beweiswürdigung dar, die vom Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann (E. 3).
Der Verspätungsschaden nach
Art. 106 OR
ist nur soweit zusätzlich zu den gesetzlich geschuldeten Verzugszinsen gemäss
Art. 104 OR
zu ersetzen, als er diese übersteigt (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 242
BGE 123 III 241 S. 242
Die Personalvorsorgestiftung der Arbeitgeberin von G. gewährte dessen Ehefrau ein Darlehen in der Höhe von Fr. 1'000'000.--, das durch die Übergabe eines Inhaberschuldbriefes gesichert war. Als G. am 1. August 1990 zur X. Rückversicherungsgesellschaft wechselte, übernahm diese das Darlehen per 2. August 1990 zu einem Zinssatz von 5,25% (ab 1. Januar 1991) und mit G. als alleinigem Darlehensnehmer.
G. kündigte das Arbeitsverhältnis auf Ende Februar 1991, worauf die X. Rückversicherungsgesellschaft ihm mitteilte, dass das Darlehen nach seinem Austritt zur Rückzahlung fällig werde. G. zahlte nicht zurück.
Am 7. Februar 1992 klagte die X. Rückversicherungsgesellschaft beim Bezirksgericht Horgen auf Bezahlung von Fr. 1'000'000.-- nebst Zins zu 7,75% seit 1. Januar 1992 sowie von Fr. 8'333.35 nebst Zins zu 5,25% seit 1. Januar 1992, gegen Rückgabe des Inhaberschuldbriefes an die berechtigte Person nach vollständiger Tilgung von Kapital und Zinsen.
Mit Urteil vom 26. August 1992 hiess das Bezirksgericht die Klage im wesentlichen gut. Das Obergericht des Kantons Zürich hob auf Berufung des Beklagten das Urteil auf und wies den Prozess zur Ergänzung des Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurück. Gegen das zweite, die Klage wiederum im wesentlichen gutheissende Urteil des Bezirksgerichts erhob der Beklagte erneut Berufung. Mit Urteil vom 29. August 1995 verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich den Beklagten zur Bezahlung von Fr. 1'000'000.-- nebst Zins zu 7,75% vom 1. März 1991 bis 30. Juni 1993 und zu 5,25% ab 1. Juli 1993, abzüglich geleisteter Zinszahlungen; im Mehrbetrag wurde die Zinsforderung abgewiesen. Die Klägerin wurde verpflichtet, den sich in ihrem Besitz befindlichen Inhaberschuldbrief nach vollständiger Tilgung von Kapital und Zinsen der berechtigten Person herauszugeben.
Die vom Beklagten dagegen erhobene Berufung heisst das Bundesgericht teilweise gut und weist die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Eine Bundesrechtsverletzung erblickt der Kläger ferner darin, dass die Vorinstanzen den Verzugsschaden der Klägerin abstrakt berechnet hätten. Im Rückblick könne immer eine Anlageform gefunden werden, die eine bestimmte Rendite erzielt hätte. Die
BGE 123 III 241 S. 243
Klägerin habe aber nicht nachgewiesen, dass sie ausgerechnet eine solche Anlage gewählt hätte. Insofern habe sie ihren Schaden ungenügend substanziert.
a) Die Frage nach Entstehung und Ausmass eines Schadens ist tatsächlicher Natur und der Überprüfung durch das Bundesgericht im Berufungsverfahren grundsätzlich entzogen (
Art. 63 Abs. 2 OG
;
BGE 107 II 222
E. II/2 S. 224 f.). Eine Frage der Rechtsanwendung ist hingegen, ob die Vorinstanz auf zulässige Berechnungsgrundsätze abgestellt hat, wozu auch die Anwendung der konkreten oder abstrakten Schadensberechnung zählt (MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 135;
BGE 107 II 222
E. II/2 S. 225;
BGE 104 II 198
).
Macht der Gläubiger einen den Verzugszins übersteigenden Schaden geltend, trägt er hierfür die Beweislast (
Art. 106 OR
in Verbindung mit
Art. 8 ZGB
; BGE
BGE 117 II 256
E. 2b S. 258). In der Regel ist dafür ein konkreter Schadensnachweis erforderlich. So hat ein Gläubiger, wenn er geltend macht, durch die verspätete Leistung des Schuldners Währungsverluste erlitten zu haben, den Beweis zu erbringen, dass er den fraglichen Betrag bei rechtzeitiger Erfüllung umgehend in eine andere Währung umgewandelt hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist in solchen Fällen indes nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu vermuten, dass der Gläubiger das Geld in die gesetzliche Währung seines Wohn- oder Geschäftssitzes konvertiert hätte (
BGE 117 II 256
E. 2b S. 258;
BGE 109 II 436
E. 2 S. 440 ff.). Die Schadensberechnung wird durch eine solche natürliche Vermutung nicht zu einer abstrakten, noch wird dadurch die Beweislast umgekehrt. Dem Gläubiger wird gestützt auf Erfahrungssätze lediglich der Schadensnachweis erleichtert. Daraus gezogene Schlüsse stellen deshalb grundsätzlich nicht Anwendung von Bundesrecht dar, sondern sind Teil der Beweiswürdigung und insoweit nicht mit Berufung anfechtbar. Nur wo sich das kantonale Gericht auf Erfahrungssätze stützt, die über den konkreten Sachverhalt hinaus Bedeutung haben und damit gleichsam die Funktion von Normen übernehmen, überprüft das Bundesgericht solche Schlüsse im Berufungsverfahren frei (
BGE 117 II 256
E. 2b S. 258 mit Hinweisen).
b) Das Bezirksgericht holte zu der Frage, welche Rendite bei einer Geldanlage mit vergleichbarem Risiko hätte erzielt werden können, ein Gutachten ein. Gestützt darauf erachtete das erstinstanzliche Gericht den Beweis für einen den Verzugszins übersteigenden Schaden für erbracht und hielt fest, in Fällen der vorliegenden Art
BGE 123 III 241 S. 244
sei keine andere Schadensermittlung praktikabel, weil in Grossbetrieben wie der Klägerin nicht konkret ermittelt werden könne, wie ein entsprechender Betrag hypothetisch angelegt worden wäre. Diese Auffassung hat die Vorinstanz übernommen. Die kantonalen Gerichte gingen davon aus, dass eine Versicherungsgesellschaft wie die Klägerin Beträge im allgemeinen zinsbringend anlegt.
Eine solche typisierende Betrachtungsweise wird in der Literatur namentlich dort befürwortet, wo es sich beim Gläubiger um eine Bank oder ein anderes Finanzinstitut handelt (ROLF H. WEBER, Gedanken zur Verzugsschadensregelung bei Geldschulden, in: FS Max Keller, Zürich 1989, S. 332 ff.; zum deutschen Recht vgl. STAUDINGER/LÖWISCH, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., Berlin 1995, N. 25 ff. zu § 288 BGB). Auch bei Versicherungen wie der Klägerin kann im allgemeinen davon ausgegangen werden, dass eingehende Geldbeträge, die nicht für den laufenden Geschäftsbetrieb erforderlich sind, nicht nutzlos verwahrt, sondern gewinnbringend angelegt werden (vgl. WEBER, a.a.O., S. 333 f.; STAUDINGER/LÖWISCH, a.a.O., N. 29 zu § 288 BGB). Die kantonalen Gerichte folgerten gestützt auf diesen Erfahrungssatz und nach den Gesamtumständen des konkreten Falles, dass ein entsprechender Schaden der Klägerin hinreichend nachgewiesen sei. Dieser Schluss beruht auf der Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die im Rahmen des Berufungsverfahrens von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen nicht überprüfbar ist (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Dem Beklagten wäre es im übrigen im kantonalen Verfahren unbenommen geblieben, den Gegenbeweis anzutreten und darzulegen, dass der Erfahrungsschluss aufgrund atypischer Umstände nicht berechtigt sei.
4.
a) Nach den Ergebnissen des vom Bezirksgericht eingeholten Gutachtens konnte ohne professionelles Portfoliomanagement in der Zeit vom 1. März 1991 bis 30. Juni 1993 die von der Klägerin behauptete Rendite von 7,75% erreicht bzw. sogar übertroffen werden. Nach diesem Zeitpunkt wäre allerdings nur noch eine Rendite von 2% erzielbar gewesen. Im Beweisverfahren vor dem Bezirksgericht hat die Klägerin deshalb ihre Zinsforderung für die Zeit ab 1. Juli 1993 auf den vertraglich vereinbarten Zinssatz von 5,25% reduziert, wovon das Obergericht mit Beschluss Vormerk genommen hat. Der Beklagte wurde schliesslich verpflichtet, neben der Kapitalrückzahlung Zins zu 7,75% für die Zeit vom 1. März 1991 bis 30. Juni 1993 und zu 5,25% seit 1. Juli 1993 zu bezahlen.
Der Beklagte rügt diese Berechnung des Verzugsschadens als bundesrechtswidrig. Er macht geltend, richtigerweise hätte die
BGE 123 III 241 S. 245
Vorinstanz den gesamten, von der Klägerin bis zum Urteilszeitpunkt erlittenen Verzugsschaden feststellen und davon die vertraglich vereinbarten, ohne Schadensnachweis geschuldeten Verzugszinse gemäss
Art. 104 Abs. 2 OR
in Abzug bringen müssen.
b) Der gesetzlichen Verzugsregelung bei Geldschulden gemäss
Art. 104 ff. OR
liegt der Gedanke zugrunde, dass einerseits dem Gläubiger ein Schaden entsteht, wenn er den Betrag nicht zins- oder gewinnbringend nutzen kann, und anderseits der säumige Schuldner den Vorteil hat, über die fragliche Summe verfügen zu können bzw. Kreditkosten zu sparen (BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 361 f.; FRANZ SCHENKER, Die Voraussetzungen und die Folgen des Schuldnerverzugs im schweizerischen Obligationenrecht, Diss. Fribourg 1987, S. 128 f.).
Art. 104 Abs. 1 OR
ermöglicht deshalb dem Gläubiger, ohne Nachweis eines Schadens und unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Schuldners Verzugszinse von 5% zu fordern; gemäss Absatz 2 und 3 dieser Norm werden entsprechend höhere Verzugszinse geschuldet, wenn der zwischen den Parteien vereinbarte Zins oder der übliche Bankdiskonto am Zahlungsort 5% übersteigt. Bestand und Höhe des Gläubigerschadens werden in diesem Umfang fingiert; es ist unerheblich, ob der Gläubiger den ausstehenden Betrag tatsächlich genutzt oder der Schuldner seinerseits während des Verzugs Nutzen daraus gezogen hätte (SCHENKER, a.a.O., S. 130). Übersteigt der vom Gläubiger erlittene Verspätungsschaden dagegen die Höhe der gesetzlich geschuldeten Verzugszinse, ist der Schuldner gemäss
Art. 106 OR
zum Ersatz auch dieses Schadens verpflichtet, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
Das Bezirksgericht, auf dessen Erwägungen die Vorinstanz im angefochtenen Urteil verweist, hat der Klägerin gestützt auf die Ergebnisse des eingeholten Gutachtens für die Zeit vom 1. März 1991 bis 30. Juni 1993 Zins zu 7,75% und ab 1. Juli 1993 zu 5,25% zugesprochen. Es hielt fest, die Klägerin sei aufgrund von
Art. 104 Abs. 2 OR
jedenfalls berechtigt, während des Verzugs den zuletzt vereinbarten Zins von 5,25% zu fordern. Es sei deshalb ohne Belang, wenn das Gutachten ergeben habe, dass nach dem 30. Juni 1993 auf unter vergleichbaren Risiken investiertem Kapital nurmehr eine Rendite von weniger als 5,25% hätte erzielt werden können.
Diese Auffassung ist offensichtlich bundesrechtswidrig und verletzt
Art. 106 OR
. Der Verspätungsschaden des Gläubigers entspricht dem positiven Interesse und besteht in der Differenz zwischen
BGE 123 III 241 S. 246
dem gegenwärtigen Stand seines Vermögens und dem Bestand, den sein Vermögen hätte, wenn der Schuldner rechtzeitig erfüllt hätte (vgl. VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 84 und 86; BUCHER, a.a.O., S. 341 f.). Die gesetzlich geschuldeten Verzugszinse gemäss
Art. 104 OR
müssen darauf angerechnet werden (SCHENKER, a.a.O., S. 148). Der Verspätungsschaden nach
Art. 106 OR
tritt nicht kumulativ hinzu, sondern wird nur dann geschuldet, wenn er die Verzugszinse übersteigt. Die von den kantonalen Gerichten vorgenommene Schadensberechnung vermengt jedoch in unzulässiger Weise ein Vorgehen nach
Art. 106 OR
mit der Verzugszinsregelung von
Art. 104 OR
. Wohl hätte die Klägerin nach den Feststellungen des Gutachtens vom 1. März 1991 bis zum 30. Juni 1993 eine über dem vertraglich vereinbarten Zinssatz von 5,25% liegende Rendite erzielen können, wenn der Beklagte seiner Zahlungspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. Ebenso wäre aber die Rendite nach diesem Zeitpunkt unter 5,25% gefallen, wodurch der Gewinn gesamthaft entsprechend geschmälert worden wäre. Es geht aber nicht an, einzelne Verzugsperioden herauszugreifen und dafür eine höhere erzielbare Rendite zugrundezulegen, in anderen - ungünstigeren - Perioden dagegen auf die gesetzlich geschuldeten Verzugszinsen gemäss
Art. 104 OR
abzustellen. Nur wenn und soweit der über die gesamte Dauer des Verzugs bis zum Urteilszeitpunkt erlittene Verspätungsschaden mehr ausmacht als der für diese Periode insgesamt geschuldete Verzugszins, ist der Schuldner zu dessen Ersatz verpflichtet, sofern er sich nicht exkulpieren kann. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0cad301-79a0-4ab1-9338-c5986d9eea37 | Urteilskopf
102 IV 225
48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Dezember 1976 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
1.
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 5 StGB
. Verhältnis von Abs. 5 (voraussehbare Todesfolge) zu den Qualifikationsmerkmalen der Abs. 2-4 (E. 2).
2.
Art. 11 StGB
. Nicht jede neurotische Fehlentwicklung (Verunsicherung, starke Minderwertigkeitsgefühle, Entschlussunfähigkeit) genügt, um die Zurechnungsfähigkeit herabzusetzen. Ermessen des Richters (E. 7). | Erwägungen
ab Seite 225
BGE 102 IV 225 S. 225
Aus den Erwägungen:
2.
Fragen kann sich, ob in Fällen, wo der verübte Raub neben der voraussehbaren Todesfolge bereits andere Qualifikationsmerkmale gemäss
Art. 139 Ziff. 2 StGB
aufweist und demzufolge überhaupt kein Unterschied im Strafminimum besteht, nicht vom normalen Fahrlässigkeitsbegriff auszugehen sei. Das ist zu verneinen. Entscheidend sind nach der Rechtsprechung die Strafminima des einfachen und des durch die voraussehbare Todesfolge qualifizierten Tatbestandes.
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 5 StGB
umschreibt zudem keine qualifiziertere Art eines gegenüber dem einfachen Raub bereits qualifizierten Straftatbestandes, sondern einen unter verschiedenen,
BGE 102 IV 225 S. 226
durch jeweils besondere Merkmale ausgezeichneten Raub, der hinsichtlich der Rechtsfolge insofern abweichend von den übrigen behandelt wird, als nicht nur auf Zuchthaus von 5-20 Jahren, sondern auch auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt werden kann. Für die Qualifikationsmerkmale des
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 1-4 StGB
hat die Rechtsprechung bereits erkannt, "doppelt ausgezeichnet in dem Sinne, dass der aus dem einen Grunde verschärfte Strafrahmen aus einem andern Grunde noch weiter verschärft würde", könne der Raub nicht sein (
BGE 73 IV 19
).
7.
a) Y. macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in leichtem Grade, wie sie das über ihn erstattete psychiatrische Gutachten vorsehe, verneint.
b) Gemäss
Art. 11 StGB
kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (
Art. 66 StGB
), wenn der Täter zur Zeit der Tat in seiner geistigen Gesundheit oder in seinem Bewusstsein beeinträchtigt oder geistig mangelhaft entwickelt war, so dass die Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, herabgesetzt war.
Zur Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit genügt nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen (
BGE 73 IV 210
). Der Täter muss vielmehr, zumal der Begriff des normalen Menschen nicht eng zu fassen ist (BINDER, SJZ 47, S. 101 ff.;
BGE 73 IV 210
,
BGE 78 IV 212
,
BGE 81 IV 8
), in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen, seine Geistesverfassung nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen (
BGE 98 IV 154
/55,
BGE 100 IV 130
). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist weitgehend Ermessensfrage (
BGE 73 IV 211
). Der Sachrichter ist bei seinem Entscheid nicht an die Schlussfolgerungen eines von ihm eingeholten psychiatrischen Gutachtens gebunden. Er kann dieses vielmehr in tatsächlicher Hinsicht frei auf seine Beweiskraft hin würdigen, und es steht ferner ihm, nicht dem Sachverständigen zu, den von ihm festgestellten Sachverhalt als Verminderung der Zurechnungsfähigkeit im Sinne von
Art. 11 StGB
zu werten oder zu erklären, er erfülle die gesetzlichen Merkmale dieses Rechtsbegriffes nicht (
BGE 75 IV 148
E. 1;
BGE 81 IV 8
E. 1;
BGE 96 IV 98
). Weicht er in Fachfragen von der Auffassung
BGE 102 IV 225 S. 227
des Experten ab, so hat er hiefür allerdings triftige Gründe anzuführen (
BGE 101 IV 129
).
Der Kassationshof hat auf Nichtigkeitsbeschwerde hin einzig zu prüfen, ob die Vorinstanz Bundesrecht zutreffend angewandt habe, insbesondere ob der von der Vorinstanz für ihn verbindlich festgestellte biologisch-psychologische Zustand, in dem der Täter die Delikte beging (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
), die rechtlichen Merkmale der verminderten Zurechnungsfähigkeit im Sinne von
Art. 11 StGB
aufweist oder nicht (
BGE 81 IV 8
).
c) Nach dem von der Vorinstanz bei der psychiatrischen Universitätsklinik Bern eingeholten Gutachten hat Y. eine neurotische Fehlentwicklung durchgemacht, bei der er seine ursprünglich gute Intelligenzlage verkümmern liess und heute noch eine Intelligenzleistung von 90-95 IQ-Punkten aufweist. Die neurotische Reifungshemmung äussert sich in schwerer Verunsicherung, starken Minderwertigkeitsgefühlen, grosser Ambivalenz, woraus sich wiederum eine grosse Entschlussunfähigkeit ergibt. Dieser Mechanismus führt nach Auffassung des Sachverständigen zu seelischem Druck, aus dem sich unüberlegte Handlungen ergeben könnten, besonders wenn zum Beispiel durch Alkohol die Hemmschranken weggefallen seien. Y. lehne sich in seiner Unsicherheit gerne an andere an, wobei er diese oft überschätze, sich selbst aber unterschätze. Die Fähigkeit, gemäss der vorhandenen Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, sei in leichtem Grade herabgesetzt gewesen.
d) Die Vorinstanz geht, ohne das zwar ausdrücklich festzuhalten, offenbar vom biologisch-psychologischen Zustand des Y. aus, wie ihn das Gutachten beschreibt. Sie macht jedenfalls diesbezüglich keinerlei Einschränkungen. Eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit hat sie, ausgehend von einem rechtlich zutreffenden Begriff der Zurechnungsfähigkeit, deshalb verneint, weil die bei Y. festgestellte neurotische Fehlentwicklung nicht als schwerwiegender erscheine als der in
BGE 78 IV 211
ff. umschriebene Mangel der Persönlichkeitsentwicklung. Sie hat das ihr bei dieser Wertung zustehende Ermessen nicht überschritten. Zwar spricht - wie bereits dargetan - das Gutachten davon, die neurotische Reifungshemmung des mit Sicherheit nicht schwachsinnigen Y. äussere sich in schwerer Verunsicherung, starken Minderwertigkeitsgefühlen, grosser
BGE 102 IV 225 S. 228
Ambivalenz, woraus wieder eine grosse Entschlussunfähigkeit resultiere. Den seelischen Druck, zu dem dieser Mechanismus führe, charakterisiert das Gutachten indessen nicht näher, bezeichnet ihn jedenfalls nicht als einen solchen schwerwiegender Art. Abgesehen davon, dass unüberlegtes Handeln an sich eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit nicht indiziert, hält das Gutachten lediglich fest, aus dem geschilderten seelischen Druck könnten sich unüberlegte Handlungen ergeben, besonders wenn die Hemmungsschranken, beispielsweise durch Alkoholkonsum, wegfielen. Dass und inwiefern allenfalls mit bezug auf den in Frage stehenden Raub gerade eine solche Wirkung eingetreten sei, legt das Gutachten indessen nicht dar. Die Alkoholisierung des Y. war nach den Feststellungen des Strafgerichtes, die unwidersprochen blieben, derart geringfügig, dass von einem Wegfall der Hemmschranken ohnehin nicht die Rede sein kann. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz ohne Ermessensüberschreitung annehmen, Y. falle selbst nach der Persönlichkeitsbeschreibung im Gutachten nicht in derart hohem Masse in den Bereich des Abnormen, dass sich daraus eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, die der Gutachter selber nur als eine solche in leichtem Masse bezeichnet, ergebe. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0cd7db2-0a0f-4833-b3de-28dfef3a588c | Urteilskopf
100 IV 91
24. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 5 juin 1974, dans la cause Wipf contre Ministère public du canton de Neuchâtel. | Regeste
Art. 52 Abs. 1, 99 Abs. 7 SVG. 94 Abs. 1 VRV.
Unter diese Bestimmungen fällt nicht nur wer für eine öffentliche Veranstaltung keine Bewilligung einholt, sondern überdies wer eine vom Gesetz verbotene Veranstaltung organisiert, sei es auch unfreiwillig, indem er die zu ihrem Unterbleiben nötigen Massnahmen nicht trifft. | Sachverhalt
ab Seite 91
BGE 100 IV 91 S. 91
A.-
Franco Wipf est le directeur du Centre de pilotage de Lignières (NE), qui dispose d'une piste pour l'apprentissage et le perfectionnement des conducteurs automobiles. Le Centre est autorisé à organiser deux courses publiques en circuit par année.
Les 11 juin, 30 juin, 28 juillet et 4 août 1973, Wipf a organisé d'autres courses sur le circuit. Selon lui il s'agissait de courses internes, non soumises à autorisation. Plusieurs spectateurs (non payants) ont néanmoins assisté à ces courses: 200 spectateurs le 11 juin, un cinquantaine le 30 juin, une centaine le 28 juillet et environ 80 le 4 août.
BGE 100 IV 91 S. 92
La piste se trouve sur un terrain bordé par un chemin public. Les spectateurs, soit des personnes étrangères au Centre, ne se trouvaient pas seulement sur le chemin mais plusieurs avaient pénétré à l'intérieur du terrain sans être inquiétés; certains s'étaient même assis sur des chaises. Des restes de barrières bordent le terrain, sans empêcher d'y pénétrer. Sur le terrain lui-même les spectateurs n'étaient pas séparés de la piste par une barrière.
Quatre membres du Centre ont déclaré qu'ils étaient chargés du service d'ordre, leur mission étant d'abord de veiller à ce qu'aucun spectateur ne s'approche de la piste puis, dans la mesure du possible, de refouler les spectateurs qui auraient pénétré sans droit sur le terrain; en fait ces surveillants ne pouvaient pas empêcher l'intrusion de spectateurs.
Lors de chacune des courses incriminées la gendarmerie, constatant la présence de spectateurs, a dressé des procèsverbaux qu'elle a notifiés à Wipf le jour même.
B.-
Par jugement du 7 février 1974 le Tribunal de police du district de Neuchâtel a condamné Wipf à 1500 fr. d'amende pour infraction aux art. 52 al. 1, 99 al. 7 LCR et 94 al. 1 OCR.
Par arrêt du 10 avril 1974 la Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel a rejeté un pourvoi interjeté par Wipf contre le jugement de première instance.
C.-
Wipf forme contre cet -arrêt un pourvoi en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à libération, subsidiairement à la réduction de la peine.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant invoque une fausse application des art. 52 al. 1, 99 al. 7 LCR et 94 al. 1 OCR, en faisant valoir que l'infraction à l'art. 99 al. 7 LCR ne peut être commise qu'au moment où l'organisateur d'une manifestation sportive prend sa décision quant au caractère qu'il entend donner à la manifestation; s'il veut donner un caractère public à cette manifestation, il demandera une autorisation, et ce n'est alors que s'il n'en demande pas qu'il commet la contravention réprimée à l'art. 99 al. 7 LCR; en revanche, s'il n'a pas l'intention de donner à la manifestation un caractère public, il n'a aucune raison de demander une autorisation; l'intention délictueuse
BGE 100 IV 91 S. 93
ou éventuellement la négligence ne pourrait ainsi porter que sur la nécessité de demander une autorisation. En outre le recourant doute que l'on puisse lui reprocher en l'espèce d'avoir agi par négligence en ce qui concerne l'admission de spectateurs aux courses qu'il a organisées.
2.
L'art. 52 al. 1 LCR interdit les courses en circuit ayant un caractère public, c'est-à-dire, en vertu de l'art. 94 al. 1 OCR, les courses empruntant de manière ininterrompue un parcours déterminé, si des spectateurs y sont admis. Et l'art. 99 al. 7 LCR menace des arrêts ou de l'amende celui qui, sans droit, aura notamment organisé des manifestations sportives automobiles.
Or le recourant se méprend sur le sens de ces dispositions légales, qui ne visent pas seulement l'hypothèse et la situation qu'il évoque. Agit sans droit au sens de l'art. 99 al. 7 LCR, non seulement celui qui, ayant l'intention d'organiser une manifestation à caractère public, ne demande pas d'autorisation, mais également celui qui, à un moment quelconque, organise une manifestation interdite par la loi. L'intention préalable de l'organisateur sur le caractère qu'il entendait donner à la manifestation importe peu. Ce qui est essentiel, c'est le caractère qu'a réellement eu la manifestation.
En effet, ce que vise l'art. 99 al. 7 LCR, c'est toute infraction à l'interdiction d'organiser des manifestations sportives automobiles, et en particulier des courses en circuit où le public peut avoir accès; les mots "sans droit" ne font que réserver les cas où une autorisation a été accordée. Le texte légal ne souffre aucune équivoque sur ce point et correspond à l'intention clairement exprimée par le législateur, qui a entendu interdire les courses en circuit accessibles au public (cf. Bull. stén. Conseil national 1958, p. 665; Conseil des Etats 1958, p. 353).
En l'espèce, il n'est pas contesté que les courses incriminées étaient des courses en circuit. Or, à partir du moment où des spectateurs y ont assisté, elles ont revêtu un caractère public. En présence de cette situation, l'organisateur de la course devait ou bien prendre des mesures immédiates et efficaces pour empêcher les spectateurs d'assister à la course, ou bien interdire la course devenue illicite. En fait, aucune mesure efficace n'a été prise, puisque les spectateurs n'ont cessé d'assister aux courses; et le recourant ne se prévaut d'ailleurs
BGE 100 IV 91 S. 94
nullement de mesures sérieuses qu'il aurait prises ou fait prendre en constatant l'impuissance de son modeste service d'ordre. En ne se préoccupant pas de cette situation et en n'interrompant pas la course, il a indiscutablement contrevenu à l'art. 99 al. 7 LCR, et enfreint les interdictions prévues aux art. 52 al. 1 LCR et 94 al. 1 OCR.
Les premiers juges ont retenu que l'infraction avait été commise par négligence, qui est punissable pour les infractions à la LCR (art. 100 ch. 1 al. 1 LCR). Il s'agit là d'une position très favorable au recourant qui, du fait qu'il a laissé se poursuivre les courses alors qu'elles étaient devenues illicites, a dépassé le stade de la négligence pour passer au stade de l'infraction intentionnelle ou par dol éventuel; c'est en particulier le cas pour les courses postérieures au 11 juin 1974, puisque, du fait du procès-verbal dressé contre lui par la gendarmerie, le recourant savait que sa manière d'agir pouvait tomber sous le coup de la loi. Il n'y a donc aucune violation défavorable au recourant des dispositions sur la négligence.
Le pourvoi doit donc être rejeté.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi. | null | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0cda21d-2917-44a5-a872-b9db28dbd390 | Urteilskopf
109 IV 137
38. Urteil des Kassationshofes vom 8. September 1983 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 91 Abs. 3 SVG
. Vereitelung einer Blutprobe durch Unterlassung der Meldung eines Unfalls an die Polizei.
1. Objektiver Tatbestand: Die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei erfüllt den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, wenn der Fahrzeuglenker gemäss
Art. 51 SVG
zur sofortigen Meldung verpflichtet und die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte.
2. Subjektiver Tatbestand: Eventualvorsatz genügt. Er ist gegeben, wenn der Fahrzeuglenker die die Meldepflicht sowie die die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründenden Tatsachen kannte und daher die Unterlassung der gemäss
Art. 51 SVG
vorgeschriebenen und ohne weiteres möglichen Meldung an die Polizei vernünftigerweise nur als Inkaufnahme der Vereitelung einer Blutprobe gewertet werden kann (Präzisierung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 138
BGE 109 IV 137 S. 138
A.-
In der Nacht vom 4. auf den 5. Januar 1981 (Sonntag/Montag), um ca. 01.00 Uhr, fuhr G. in Begleitung seiner Gattin und eines befreundeten Ehepaares mit seinem Personenwagen auf der Albisstrasse in Zürich stadteinwärts. Die vier Personen hatten den Abend beim befreundeten Ehepaar B. in Zürich verbracht. In einer Kurve bei der Einmündung der Kilchbergstrasse schlitterte sein Fahrzeug auf der abschüssigen, unter einer frischen Schneedecke vereisten Fahrbahn seitlich weg und fuhr einen Signalständer sowie drei Kettenabschrankungspfosten um (Sachschaden an der Abschrankung ca. Fr. 1'400.--, am Fahrzeug ca. Fr. 5'000.--). Ungefähr 400 m von der Unfallstelle entfernt, wo die Strasse nicht mehr abschüssig war, hielt G. an und besah sich den Schaden. Er bemerkte, dass er bei der Kollision das vordere Nummernschild verloren hatte. Er fuhr nach Hause, nachdem er zuvor noch das befreundete Ehepaar vor dessen Heim abgesetzt hatte. Über die Mittagszeit des 5. Januar 1981 meldete seine Ehefrau mit seinem Einverständnis den Vorfall zuerst dem Strasseninspektorat und dann der Polizei. Die Polizei hatte bereits in derselben Nacht, um ca. 02.00 Uhr, das Kontrollschild an der Unfallstelle gefunden, den Schaden an der Abschrankung festgestellt und hernach dem aufgrund des Nummernschildes ermittelten G. eine Vorladung zugestellt, der G. am 7. Januar 1981 um ca. 18.00 Uhr Folge leistete.
B.-
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich sprach G. am 12. November 1981 der Vereitelung einer Blutprobe (
Art. 91 Abs. 3 SVG
) und des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall (
Art. 51 Abs. 3 SVG
) schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 45 Tagen und zu Fr. 500.-- Busse. Von der Anschuldigung der Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von
Art. 31 Abs. 1 SVG
(Nichtbeherrschung des Fahrzeugs) und
Art. 32 SVG
(Nichtanpassung der Geschwindigkeit) wurde G. freigesprochen.
Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich bestätigte am 9. September 1982 auf die von G. gegen die Verurteilung
BGE 109 IV 137 S. 139
wegen Vereitelung einer Blutprobe eingereichte Berufung hin den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und im Strafpunkt.
C.-
Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Zürcher Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
D.-
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die von G. gegen das obergerichtliche Urteil erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 14. März 1983 ab.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist strafbar, wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahme vereitelt. Der Kassationshof hat diese Bestimmung auch auf Fälle angewandt, in denen die Blutprobe noch gar nicht amtlich angeordnet worden war. Die bereits erfolgte amtliche Anordnung der Blutprobe ist weder Tatbestandsmerkmal noch objektive Strafbarkeitsbedingung von
Art. 91 Abs. 3 SVG
(
BGE 90 IV 94
,
BGE 95 IV 144
). Daran ist aus den in den zitierten Bundesgerichtsentscheiden genannten Gründen festzuhalten.
Die vom Kassationshof in der Folge verwendete Formel, strafbar nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
mache sich auch derjenige, welcher nach den gesamten Umständen mit einer Blutprobe rechnete oder rechnen musste, wurde mitunter missverstanden. Die fragliche Wendung will, wie der Kassationshof in
BGE 106 IV 396
klarstellte, nicht blosse Fahrlässigkeit, sondern nur jene Fälle erfassen, in denen nach den Umständen kein ernstlicher Zweifel bestehen kann, dass die Polizei eine Blutprobe angeordnet hätte. Die Rechtsprechung zu
Art. 91 Abs. 3 SVG
bedarf insoweit einer Präzisierung.
2.
a) Die Vereitelung der Blutprobe ist ein Erfolgsdelikt; Erfolg ist die Verunmöglichung der zuverlässigen Ermittlung des Blutalkoholgehalts zur Zeit des Unfalls mittels Blutprobe. Die Tat kann auch durch Unterlassung verübt werden; Voraussetzung ist in diesem Fall erstens eine Rechtspflicht zur Vornahme der unterlassenen Handlung und zweitens die Möglichkeit, diese Handlung vorzunehmen (siehe dazu STRATENWERTH, AT I, S. 386 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 96 IV 174
). Zwischen der Unterlassung und dem Erfolg besteht dann ein Kausalzusammenhang, wenn bei Vornahme der gebotenen Handlung der Erfolg mit einem hohen
BGE 109 IV 137 S. 140
Grad der Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (siehe
BGE 106 IV 402
, 105 IV 19,
BGE 102 IV 102
; hypothetischer Zusammenhang). Die blosse Möglichkeit des Nichteintritts des Erfolgs bei Vornahme der gebotenen Handlung reicht zur Bejahung dieses hypothetischen Zusammenhangs nicht aus.
Die Unterlassung der sofortigen Meldung eines Unfalls an die Polizei erfüllt demnach den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, wenn der Fahrzeuglenker gemäss
Art. 51 SVG
zur sofortigen Meldung verpflichtet und die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe zwecks Feststellung der Alkoholkonzetration im Blut des Fahrzeuglenkers angeordnet hätte. Zu diesem Umständen gehören einerseits der Unfall als solcher (Art, Schwere, Hergang) und anderseits das Verhalten des Fahrzeuglenkers vor und nach dem Unfall.
b) Der subjektive Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe ist erfüllt, wenn der Fahrzeuglenker die die Meldepflicht nach
Art. 51 SVG
sowie die die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründenden Tatsachen kannte. Wo aufgrund der gesamten Umstände die Anordnung einer Blutprobe sehr wahrscheinlich ist, macht sich derjenige, der die gemäss
Art. 51 SVG
vorgeschriebene und ihm mögliche sofortige Meldung an die Polizei unterliess, auch dann gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
strafbar, wenn ihm keine Äusserung nachgewiesen werden kann, die ausdrücklich belegen würde, dass er an das Risiko einer solchen Massnahme dachte (
BGE 106 IV 398
). Liegen Umstände vor, welche die Anordnung einer Blutprobe objektiv als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen, so kann derjenige, der diese Umstände kannte, sich nicht darauf berufen, dass er aus ihnen nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer Blutprobe geschlossen habe und die Massnahme nicht habe vereiteln wollen. Das ergibt sich aus dem Begriff des Eventualvorsatzes. Der Richter hat auf das Einverständnis zur Tatbestandsverwirklichung zu schliessen, wenn sich dem Täter der Erfolg seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses Erfolges ausgelegt werden kann (
BGE 101 IV 46
,
BGE 84 IV 128
E. 2 mit Verweisungen).
c) Die Unterlassung der sofortigen Meldung an die Polizei erfüllt demnach den Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe dann, wenn (kumulativ)
BGE 109 IV 137 S. 141
- eine Meldepflicht gemäss
Art. 51 SVG
besteht,
- die sofortige Meldung möglich ist, und
- im Falle der Meldung die Polizei nach den gesamten Umständen aller Wahrscheinlichkeit nach eine Blutprobe angeordnet hätte (hypothetischer Zusammenhang).
3.
Der Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar war der Beschwerdeführer gemäss
Art. 51 SVG
zur sofortigen Meldung des Unfalls an die Polizei verpflichtet und war diese Meldung ohne weiteres möglich (dass er angeblich den Polizeiposten in Zürich-Enge nicht fand, weil dieser nicht beleuchtet war, hinderte eine telefonische Benachrichtigung der Polizei nicht); es kann aber aus folgenden Gründen nicht gesagt werden, dass bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe zwecks Feststellung der Alkoholkonzentration im Blut des Beschwerdeführers im Unfallzeitpunkt angeordnet hätte.
a) Die Art des Unfalls bot unbestrittenermassen keinen Anhaltspunkt für einen Verdacht auf Angetrunkenheit des Lenkers. Die Vorinstanz wies ausdrücklich darauf hin, dass die "Kollision des vom Angeklagten geführten Fahrzeuges mit dem Signalständer und der Kettenabschrankung ... auf die hochwinterlich tückischen Strassenverhältnisse - Vereisung unter der Schneedecke eines abschüssigen Strassenstücks - zurückzuführen (war)". Das Obergericht sah, wie schon die Polizeibeamten, im Unfallereignis als solchem kein Indiz für eine Angetrunkenheit des Fahrzeuglenkers. Die Vorinstanz stellte auch nicht fest, es hätten beim Beschwerdeführer äussere Anzeichen bestanden (unsichere Sprache, Bewegungen, Geruch), welche den Verdacht auf Angetrunkenheit nahelegten, so dass aus diesem Grunde von der Polizei wahrscheinlich eine Blutprobe angeordnet worden wäre (solche Umstände waren etwa in dem
BGE 95 IV 144
zugrunde liegenden Fall gegeben). Die Tatsache, dass sich der Unfall in den ersten Tagen des neuen Jahres zur Nachtzeit ereignete, vermag keinen im Rahmen von
Art. 91 Abs. 3 SVG
relevanten Verdacht zu begründen und ist kein Anzeichen von Angetrunkenheit (siehe dazu
BGE 106 IV 397
).
b) Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben im Verlauf des fraglichen Abends einen Aperitif und zum Essen zwei Gläser Wein trank und dass die Vorinstanz an der Richtigkeit dieser Angaben zweifelte, sowie die Tatsachen, dass
BGE 109 IV 137 S. 142
der Beschwerdeführer zweieinhalb Monate vor dem hier zu beurteilenden Vorfall wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden war und dass er die jenem Urteil (Entscheid des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirkes Zürich vom 23. Oktober 1980) zugrunde liegende Tat wie die vorliegende ebenfalls auf der Rückfahrt von einem Besuch bei den Eheleuten B. begangen hatte, lassen nicht auf die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe schliessen. Gewiss ist es denkbar, dass dem Polizeibeamten bei einer Einvernahme des Beschwerdeführers in der fraglichen Nacht aufgrund von dessen Aussagen zu den Ereignissen vor dem Unfall der Gedanke gekommen wäre, der Beschwerdeführer könnte, auch wenn er nüchtern wirkte und der Selbstunfall unzweifelhaft auf die Vereisung der Fahrbahn zurückzuführen war, angetrunken sein. Es ist auch nicht auszuschliessen, dass dieser Gedanke im Verlauf der allfälligen weiteren Einvernahme zufolge der Äusserungen bzw. des Verhaltens des Beschwerdeführers (oder gegebenenfalls der übrigen Fahrzeuginsassen) zu einem Verdacht geworden wäre und dass die den Fall behandelnden Polizeibeamten auf die eine oder andere Weise auch die wenige Monate zurückliegende Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand in Erfahrung gebracht hätten. Es kann indessen nicht gesagt werden, dass die Polizeibeamten die genannten Erkenntnisse aller Wahrscheinlichkeit nach gewonnen und gestützt darauf eine Blutprobe oder eine andere Massnahme angeordnet hätten. Es bestand lediglich eine gewisse Möglichkeit, dass die Meldung an die Polizei zur Anordnung einer Blutprobe führen würde; sehr wahrscheinlich war dies angesichts der in Erw. 3 lit. a erwähnten Umstände nicht. Es fehlt somit der hypothetische Zusammenhang zwischen der Unterlassung der Meldung des Unfalls an die Polizei und der Verhinderung der Vornahme einer Blutprobe. Der objektive Tatbestand von
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist demnach nicht erfüllt.
4.
Die Sache ist daher in Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anschuldigung der Vereitelung einer Blutprobe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Ergebnis werden keine Kosten erhoben und ist dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0d4fbd7-b061-41e9-a15f-973e31c7b58c | Urteilskopf
108 V 50
14. Auszug aus dem Urteil vom 14. Juli 1982 i.S. Ausgleichskasse für Gewerbe, Handel und Industrie in Graubünden gegen Jörg und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 82 Abs. 1 AHVV
.
Zeitpunkt der "Kenntnis des Schadens" im Konkurs des Beitragsschuldners.
Übersicht über die Entwicklung der Rechtsprechung. | Erwägungen
ab Seite 51
BGE 108 V 50 S. 51
Aus den Erwägungen:
3.
Nach
Art. 52 AHVG
hat ein Arbeitgeber, der durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften einen Schaden verursacht, diesen der Ausgleichskasse zu ersetzen. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, die zur Zeit der Geltendmachung der Haftung nicht mehr besteht, so können gegebenenfalls die verantwortlichen Organe in Anspruch genommen werden (
BGE 103 V 122
und unveröffentlichtes Urteil Müller und Nyffeler vom 21. November 1978; vgl. auch
BGE 96 V 125
).
4.
Gemäss
Art. 82 Abs. 1 AHVV
verjährt die Schadenersatzforderung, wenn sie nicht innert Jahresfrist seit Kenntnis des Schadens durch Erlass einer Schadenersatzverfügung geltend gemacht wird, auf jeden Fall aber mit Ablauf von fünf Jahren seit Eintritt des Schadens.
Die Kasse beruft sich in diesem Zusammenhang auf Randziffer 502 der Wegleitung über den Bezug der Beiträge, wo das Bundesamt mit dem Hinweis auf das in ZAK 1973 S. 78 veröffentlichte Urteil erklärt, im Konkurs des Arbeitgebers erhalte die Ausgleichskasse in dem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden, in welchem der Verlust der Beitragsforderung amtlich festgestellt werde. Diese amtliche Feststellung fällt nach Auffassung der Kasse mit der Schliessung des Konkurses durch den Richter zusammen, weil das Ergebnis jeden Konkursverfahrens so lange nicht zweifelsfrei feststehe, als der Richter nicht nach sorgfältiger Prüfung des ihm von der Konkursverwaltung unterbreiteten Berichtes das Konkursverfahren geschlossen habe.
Das Bundesamt räumt ein, dass die Ausgleichskasse mit der Auflage von Schlussrechnung und Verteilungsliste sowie nach Erhalt der die Forderung der Kasse betreffenden Spezialanzeige samt Auszug aus der Verteilungsliste vom 4. April 1978 zumindest mit grosser Wahrscheinlichkeit mit dem Verlust ihrer Beitragsforderung habe rechnen müssen. Es pflichtet jedoch der Auffassung der Ausgleichskasse bei, dass diese erst mit der Beendigung des Konkursverfahrens durch den Konkursrichter die definitive Höhe des Forderungsausfalles gekannt habe. An den Begriff der "Kenntnis des Schadens" seien besonders hohe Anforderungen zu stellen, u. a. weil die als Schadenersatz entrichteten Beiträge den individuellen Konten der betroffenen Arbeitnehmer dann nicht gutgeschrieben würden, wenn die Arbeitnehmerbeiträge seinerzeit
BGE 108 V 50 S. 52
vom Lohn nicht abgezogen worden seien (
Art. 138 Abs. 3 AHVV
), so dass im Verjährungsfall nachteilige Auswirkungen auf die Renten entstehen würden. Abgesehen davon habe der Gesetzgeber im SchKG wohl mit guten Gründen die Beendigung des Konkursverfahrens durch den Richter verlangt.
5.
In EVGE 1957 S. 226 (= ZAK 1957 S. 459) hat das Eidg. Versicherungsgericht den Grundsatz aufgestellt, dass eine Ausgleichskasse erst in dem Zeitpunkt im Sinne von
Art. 82 Abs. 1 AHVV
Kenntnis des Schadens habe, in dem sie unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit und unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Praxis erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht nach sich ziehen können. Dass eine solche Annahme nur dann zulässig wäre, wenn der Verlust durch einen formellen Akt einer das SchKG anwendenden Behörde festgestellt worden ist, lässt sich dem zitierten Urteil nicht entnehmen. Es besteht auch sonst kein Grund zur Annahme, dass für die Bestimmung des Zeitpunktes, in welchem die Ausgleichskasse vom Schadenseintritt Kenntnis hat, irgendwie von den allgemeinen Beweisregeln abgewichen werden müsste, wonach auf das Ergebnis der Prüfung aller im konkreten Einzelfall erheblichen Umstände abzustellen ist.
In dem in ZAK 1973 S. 78 publizierten Urteil hat das Gericht den im Jahre 1957 aufgestellten Grundsatz ausdrücklich bestätigt mit der Bemerkung, es sei "im vorliegenden Fall" der Schaden in dem Zeitpunkt als eingetreten zu betrachten, in welchem amtlich festgestellt wurde, dass der Konkurs fruchtlos geblieben war. Das Gericht betrachtete in diesem Fall den massgebenden Zeitpunkt als mit der Einstellung des Konkurses identisch. Im gleichen Sinne äusserte sich das Eidg. Versicherungsgericht in
BGE 103 V 122
. Damit wurde zwar auf einen formellen Akt des Konkursrichters abgestellt, der das Konkursverfahren abgeschlossen hatte. Entscheidend daran war aber nicht die Tatsache, dass mit diesem Akt der Konkursrichter das Konkursverfahren beendet hatte, sondern dass damit feststand, es gebe "weder etwas zu verwerten noch zu verteilen" (FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs II, 2. Aufl., S. 112), woraus der Verlust der Beitragsforderung der Ausgleichskasse resultiere. In die nämliche Richtung weist auch das unveröffentlichte Urteil Müller und Nyffeler vom 21. November 1978, worin nicht etwa der Schluss des Konkursverfahrens durch den Konkursrichter als für den Schadenseintritt massgeblicher Zeitpunkt
BGE 108 V 50 S. 53
genannt wird, sondern die zeitlich frühere Ausstellung des Konkursverlustscheines.
Zusammengefasst ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichtes, dass die Kenntnis des Schadenseintritts zwar mit derjenigen vom Schluss des Konkursverfahrens zusammenfallen kann - wie im Falle der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven -, es aber nicht notwendigerweise muss, wenn der Verlust der Beitragsforderung bei Beachtung der zumutbaren Aufmerksamkeit bereits vorher feststellbar war, wie beispielsweise bei Erhalt des Verlustscheines. Es kann also der These der Ausgleichskasse und des Bundesamtes nicht gefolgt werden, dass ein Beitragsverlust im Konkursverfahren eines Beitragsschuldners allgemein erst mit dem Schluss des Konkursverfahrens durch den Konkursrichter feststehe.
6.
Im vorliegenden Falle hat die Konkursverwaltung keine Verlustscheine ausgestellt, wie der Spezialanzeige vom 4. April 1978 entnommen werden muss. Die Konkursverwaltung hat aber der Ausgleichskasse mit eben dieser Spezialanzeige mitgeteilt, dass die Verteilungsliste bis zum 14. April 1978 zur Einsichtnahme aufliege und Beschwerden dagegen innert 10 Tagen bei der Aufsichtsbehörde einzureichen seien. Ferner hat sie in dieser Anzeige festgestellt, dass selbst die (in der ersten Klasse kollozierten) Lohnforderungen nur mit 22,79% befriedigt werden könnten und sogar die Pfandgläubiger Verluste hätten hinnehmen müssen. Für die in der II. Klasse kollozierte Forderung der Ausgleichskasse im Betrage von Fr. 74'574.70 ergebe sich demnach in vollem Umfang ein Verlust.
Der Kollokationsplan wurde von der Ausgleichskasse nicht angefochten. Ob andere Gläubiger sich rechtzeitig dagegen beschwert haben, kann offen bleiben. Jedenfalls wäre es der Ausgleichskasse zuzumuten gewesen, nach Ablauf der Beschwerdefrist sich innerhalb nützlicher Frist über den endgültigen Charakter der Verteilungsliste zu erkundigen. Keinesfalls durfte sie damit ein halbes Jahr, vom April bis zum Oktober 1978, zuwarten. Als sie am 4. Oktober 1979 gegenüber X Jörg die Schadenersatzverfügung erliess, war die einjährige Verjährungsfrist des
Art. 82 Abs. 1 AHVV
abgelaufen gewesen. Somit erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
b0d55233-cb3d-4701-9791-314bca0957d9 | Urteilskopf
105 Ia 172
34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Oktober 1979 i.S. Hefti c. Kaiser, Bezirksgericht March und Kantonsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 und 58 BV
; Besetzung des urteilenden Gerichts.
1. Tragweite von
Art. 58 Abs. 1 BV
im allgemeinen: Verhältnis zu
Art. 4 BV
und zum kantonalen Gerichtsverfassungsrecht; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2 und 3).
2. Verletzung von
Art. 58 Abs. 1 BV
durch willkürliche Auslegung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts? (E. 4).
3. Anderweitige Verletzung von
Art. 58 Abs. 1 und
Art. 6 EMRK
? (E. 5 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 173
BGE 105 Ia 172 S. 173
In einem Forderungsprozess wies das Bezirksgericht March mit Urteil vom 6. Juli 1978 die Klage des Heinrich Hefti gegen E. Kaiser teilweise ab. An der Sitzung in dieser Sache nahmen neben dem Gerichtspräsidenten sechs Ersatzrichter teil. In seiner Berufung an das Kantonsgericht Schwyz machte Hefti unter anderem geltend, das Gericht sei nicht richtig besetzt gewesen. Das Kantonsgericht beschränkte das Berufungsverfahren zunächst auf diese Frage und holte dazu eine Vernehmlassung des Bezirksgerichts March ein. Dieses äusserte sich dahin, es sei zutreffend, dass für die Sitzung vom 6. Juli 1978 absichtlich nur Ersatzrichter aufgeboten worden seien. Da es nur selten vorkomme, dass ein ordentliches Mitglied des Gerichtes verhindert sei, an dessen Sitzung teilzunehmen, kämen die Ersatzrichter kaum mehr zum Zuge und verlören an Praxis. Um diesen Nachteil auszugleichen, seien auf den 6. Juli 1978 - ohne Rücksicht auf die zu behandelnden Prozesse - die amtsjüngsten Ersatzrichter aufgeboten worden. Zugunsten dieses Vorgehens wird weiter angeführt, nicht nur der Gerichtsvorstand, sondern auch der Rechtsuchende hätten ein legitimes und schützenswertes Interesse daran, dass die Ersatzrichter einigermassen mit der Gerichtspraxis vertraut blieben.
Das Kantonsgericht wies mit Urteil vom 26. März 1979 im Sinne eines Vorentscheides den Einwand der nicht gehörigen Besetzung des Bezirksgerichts March ab. Es führte zwar sinngemäss aus, dass der vom Gerichtspräsidenten angestrebte Zweck sich wohl besser durch Einberufung der Ersatzrichter je einzeln im Turnus verwirklichen liesse, fand jedoch, dass das gewählte Vorgehen nicht gegen die Bestimmungen der Gerichtsorganisation des Kantons Schwyz und damit auch nicht gegen
Art. 58 BV
und gegen
Art. 6 EMRK
verstosse.
Heinrich Hefti erhob staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, dieses Urteil sei aufzuheben, und das Kantonsgericht sei anzuweisen, die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die erste Instanz zurückzuweisen oder sie selbst neu zu beurteilen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze die
Art. 58 und 4 BV
sowie
Art. 6 EMRK
. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, im Zusammenhang mit den rechtlichen
BGE 105 Ia 172 S. 174
Erörterungen zurückzukommen sein. Das Kantonsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von § 85 der Verfassung des Kantons Schwyz, verschiedener Bestimmungen der kantonalen Gerichtsordnung sowie eine solche von
Art. 58 BV
und - allerdings nur am Rande - von
Art. 6 EMRK
.
a) Die Auslegung kantonalen Verfassungsrechtes prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei (
BGE 98 Ia 53
E. 3). Indessen besagt § 85 KV lediglich, die Bezirksgerichte bestünden aus dem Präsidenten und sechs weiteren Mitgliedern sowie sieben Ersatzmännern. Über die Art des Einsatzes der Richter und der Ersatzmänner ist dieser Bestimmung nichts zu entnehmen. Sie kann daher durch das beanstandete Vorgehen des Bezirksgerichts March nicht verletzt worden sein.
b) Ob die angerufenen kantonalen Gesetzesbestimmungen verletzt seien, überprüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (
BGE 104 Ia 273
, E. 2;
BGE 92 I 276
). Darüber hinaus prüft es frei, ob die als willkürfrei erkannte Auslegung des kantonalen Gesetzesrechtes vor den angerufenen verfassungsmässigen Rechten des Bundes, zu denen auch die Garantien der EMRK gehören, standhalte, d.h. im vorliegenden Falle, ob der Anspruch auf den verfassungsmässigen Richter gewahrt sei (zum Verhältnis des kantonalen Rechts zur verfassungsrechtlichen Garantie vgl.
BGE 105 Ia 159
E. 3-5,
BGE 92 I 276
und
BGE 91 I 399
f.; ferner BURCKHARDT, Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung, 3. Aufl. S. 532 ff.; MÜLLER, Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, ZBJV 1970, 249 ff.; BEYELER, Das Recht auf den verfassungsmässigen Richter als Problem der Gesetzgebung, Zürich 1978, S. 74 ff.).
3.
a) Die Garantie des verfassungsmässigen Richters und das daraus folgende Verbot der Ausnahmegerichte richtet sich zunächst an den kantonalen Gesetzgeber. Diesem obliegt es, eine durch Rechtssatz bestimmte Gerichtsordnung zu schaffen, welche Gewähr dafür bietet, dass nicht Gerichte eigens für einen bestimmten Prozess oder zur Beurteilung bestimmter Personen eingerichtet oder besonders besetzt werden (MÜLLER, a.a.O., S. 252 f., 255 ff.). Dagegen schreibt
Art. 58 Abs. 1 BV
BGE 105 Ia 172 S. 175
den Kantonen nicht selbst eine bestimmte Gerichtsorganisation oder ein bestimmtes Verfahren vor, noch garantiert er einen bestimmten Gerichtsstand (
BGE 100 Ib 147
f. E. II/1; BURCKHARDT, a.a.O., S. 535). Ebensowenig erhebt
Art. 58 Abs. 1 BV
die kantonale Gerichtsordnung zu Verfassungsrecht. Eine Verletzung dieser kantonalen Organisationsvorschriften bedeutet daher für sich allein noch keine Verletzung des
Art. 58 Abs. 1 BV
(BURCKHARDT, a.a.O., S. 533; MÜLLER, a.a.O., S. 259; BEYELER, a.a.O., S. 24 ff.). Anerkannt ist indessen, dass
Art. 58 Abs. 1 BV
vor willkürlicher Anwendung der kantonalen Vorschriften über Organisation und Besetzung der Gerichte schützt (
BGE 98 Ia 359
E. 2 mit Verweisungen; BURCKHARDT, a.a.O., S. 534; FAVRE, Droit constitutionnel suisse, S. 397). Im Verstoss gegen das Willkürverbot bei der Auslegung und Anwendung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts kann demnach zugleich eine Verletzung von
Art. 58 Abs. 1 BV
liegen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung garantiert
Art. 58 Abs. 1 BV
dem Einzelnen endlich ohne Rücksicht auf die kantonalen Ausstandsbestimmungen die Beurteilung seiner Streitsache durch ein unparteiisches und unabhängiges Gericht (
BGE 104 Ia 273
E. 3 mit Verweisungen).
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, das Bezirksgericht March sei am Tage der Verhandlung seiner Streitsache mit Ersatzrichtern besetzt gewesen, ohne dass dies notwendig gewesen sei, und er rügt die Anzahl dieser Ersatzrichter. Er ruft somit die Schutzfunktion des
Art. 58 Abs. 1 BV
hinsichtlich der Besetzung des zuständigen Gerichts an und erblickt die Verletzung dieser Verfassungsbestimmung in erster Linie in der seines Erachtens unhaltbaren Auslegung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts. Da die Organisation der Gerichte - wie dargelegt - Sache der Kantone ist, fallen insoweit die Rügen der Verletzung des
Art. 4 BV
und des
Art. 58 BV
inhaltlich weitgehend zusammen.
4.
Die Bestimmungen der Gerichtsordnung des Kantons Schwyz, deren willkürliche Anwendung der Beschwerdeführer rügt, lauten wie folgt:
§ 78 Abs. 1: "Der Präsident versammelt das Gericht und ergänzt es nötigenfalls durch Ersatzrichter. Er bezeichnet den Referenten."
§ 89: "Kein Mitglied darf ohne zureichende Gründe einer Gerichtssitzung fernbleiben. Dauert die Abwesenheit eines Richters länger als einen Monat, so ist beim Gerichtspräsidenten ein Urlaub einzuholen."
BGE 105 Ia 172 S. 176
a) Das Kantonsgericht hat dazu ausgeführt, der Ausdruck "nötigenfalls" in § 78 Abs. 1 GO werde im Kanton Schwyz nicht im engen Sinne zwingender Verhinderung ausgelegt. Wie in anderen Kantonen würden Ersatzrichter nach dem Ermessen des Gerichtspräsidenten immer dann beigezogen, wenn ein ordentliches Mitglied des Gerichtes wegen anderweitiger Inanspruchnahme um Ersetzung ersuche. Dies sei ebenso zulässig wie der Einsatz von Ersatzrichtern zur Entlastung von Berufsrichtern an grösseren Gerichten, so z.B. auch am Bundesgericht. Der Gerichtspräsident sei allerdings gehalten, sein Ermessen pflichtgemäss auszuüben, um Manipulationen zu verhindern. § 89 GO anderseits statuiere einzig eine Pflicht der Richter; doch lasse sich daraus nicht ableiten, unter welchen Voraussetzungen sie von dieser Pflicht entbunden werden könnten. Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, die §§ 78 Abs. 1 und 89 GO ergänzten sich: aus der Pflicht des Richters, an den Sitzungen teilzunehmen, ergebe sich, dass das Wort "nötigenfalls" in
§ 78 Abs. 1 eng
auszulegen sei, d.h. dass Ersatzrichter nur dann aufgeboten werden dürften, wenn das Gericht sonst nicht vollständig besetzt werden könnte.
b) Es ist einzuräumen, dass die Auslegung des Beschwerdeführers einiges für sich hat. Indessen steht es dem Bundesgericht nicht zu, darüber zu befinden, ob sie derjenigen des Kantonsgerichtes vorzuziehen sei. Es kann vielmehr wegen Willkür nur einschreiten, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (
BGE 102 Ia 4
;
BGE 100 Ia 6
;
BGE 99 Ia 346
mit Hinweisen). So hat das Bundesgericht mit Urteil vom 20. Juli 1979 i.S. St. ein von einem zürcherischen Ersatzrichter gefälltes Urteil aufgehoben, weil sich ergab, dass nach den eindeutigen Bestimmungen des zürcherischen Rechts ein Ersatzrichter nur aufgrund eines Beschlusses des betreffenden Bezirksgerichts und einer zusätzlichen Bewilligung der Verwaltungskommission des Obergerichts als Einzelrichter amten dürfe. Im vorliegenden Fall fehlen indessen entsprechende klare gesetzliche Bestimmungen. Bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs "nötigenfalls" kommt den kantonalen Instanzen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Das Kantonsgericht durfte daher bei der Ermittlung des Sinnes dieses Begriffs mit in Betracht ziehen, dass sich der Gesetzgeber wohl deutlicher ausgedrückt hätte, wenn er den Einsatz von Ersatzrichtern wirklich nur in eigentlichen Notfällen hätte gestatten wollen. Es durfte
BGE 105 Ia 172 S. 177
überdies berücksichtigen, dass sowohl beim Bundesgericht wie auch im allgemeinen bei den Gerichten der grösseren Kantone ähnlich lautende Vorschriften weitherzig ausgelegt werden. Im übrigen liegt es zweifellos im Interesse der Rechtsprechung, dass auch Personen, die ordentliche Richter "nötigenfalls" vertreten sollen, über gewisse Erfahrungen in der Rechtspflege verfügen. Das Kantonsgericht konnte daher ohne Willkür annehmen, im Kanton Schwyz dürften auch dann Ersatzrichter herangezogen werden, wenn die dadurch überzählig werdenden ordentlichen Richter nicht verhindert seien, an der Sitzung teilzunehmen. Wie der Bezirksgerichtspräsident ausführt, nahmen die betreffenden Ersatzrichter am 6. Juli 1978 an der ganzen Gerichtssitzung teil. Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht nicht geltend, es seien speziell mit Rücksicht auf seinen Prozess mit E. Kaiser bestimmte ordentliche Richter übergangen und dafür Ersatzrichter eingesetzt worden. Beruhte daher im konkreten fall der Beizug von Ersatzrichtern an sich nicht auf einer willkürlichen Anwendung der schwyzerischen Gerichtsordnung, so verstiess er auch nicht gegen
Art. 58 Abs. 1 BV
, soweit diese Bestimmung Schutz vor willkürlicher Anwendung des kantonalen Gerichtsverfassungsrechts gewährt. Dies gilt unabhängig davon, ob die ordentlichen Gerichtsmitglieder an der Sitzung teilzunehmen wünschten oder nicht, weshalb in der Unterlassung der beantragten Beweiserhebungen zu dieser Frage auch keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs liegt.
5.
Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob es statthaft gewesen sei, sechs Ersatzrichter gleichzeitig einzuberufen und damit die Richterbank - abgesehen vom Präsidenten - ausschliesslich mit solchen zu besetzen. Das kantonale Recht enthält hierüber keine Regeln, weshalb dieser Punkt vor allem unter dem Gesichtswinkel von
Art. 58 Abs. 1 BV
zu prüfen ist.
a) Das Vorgehen des Präsidenten des Bezirksgerichts March muss als unüblich und nicht zweckmässig betrachtet werden. Zwar ist es verständlich, dass ein Bezirksgerichtspräsident auch den Ersatzmitgliedern seines Gerichtes ermöglichen will, den Kontakt mit der Rechtspflege zu wahren, und dass er sie deshalb auch ohne zwingende Notwendigkeit von Zeit zu Zeit zu Sitzungen einberuft. Indessen hätte im vorliegenden Falle beachtet werden sollen, dass ein zu seiner überwiegenden Mehrheit mit Ersatzrichtern besetztes Gericht bei den Parteien -
BGE 105 Ia 172 S. 178
wenn auch hier zu Unrecht - den Eindruck eines eigens für ihre Sache gebildeten Ausnahmegerichtes erwecken kann, was im Hinblick auf das Ansehen der Rechtspflege hätte vermieden werden sollen. Das vom Gerichtspräsidenten angestrebte Ziel hätte sich in wesentlich sinnvollerer Weise auch dadurch erreichen lassen, dass die Ersatzrichter einzeln oder in kleineren Gruppen zu verschiedenen Sitzungen einberufen worden wären.
Diese Überlegungen führen indessen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Den Gerichtspräsidenten steht nach schweizerischer Übung bei der Besetzung des Spruchkörpers und insbesondere beim Beizug von Ersatzrichtern ein weites, allerdings pflichtgemäss auszuübendes Ermessen zu. Dieses Ermessen erstreckt sich - abweichende Vorschriften des kantonalen Rechtes vorbehalten - auch auf die Zahl der Ersatzrichter, die gleichzeitig eingesetzt werden dürfen. Da die Ersatzrichter gleich wie die ordentlichen Richter vom Volk gewählt (§ 76 in Verbindung mit § 85 KV) und daher ebenso wie jene zur Ausübung der Rechtspflege legitimiert sind, wäre es schwer, ohne Willkür eine zahlenmässige Grenze für ihr Tätigwerden im gleichen Spruchkörper zu ziehen. Im Umstand allein, dass ein zur Mehrheit mit Ersatzrichtern besetztes Gericht den Anschein eines Ausnahmegerichtes erwecken kann, liegt noch kein Verstoss gegen
Art. 58 Abs. 1 BV
, sofern es tatsächlich kein Ausnahmegericht ist. Bei derartigen Fragen der Gerichtsorganisation ist - anders als etwa beim Ausstand von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl.
BGE 97 I 95
) - auf den objektiven Sachverhalt und nicht auf den Anschein abzustellen. Um ein Ausnahmegericht in Form eines einzig im Hinblick auf einen bestimmten Prozess aus unsachlichen Erwägungen zusammengestellten Spruchkörpers handelt es sich hier aber nicht, da das Gericht, wie bereits dargelegt wurde, aus an sich beachtenswerten Erwägungen für den ganzen Sitzungstag einberufen worden war. Dass die mitwirkenden Ersatzrichter oder einzelne von ihnen keine Gewähr für unabhängige Rechtsprechung geboten hätten, wird nicht geltend gemacht. Eine Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters ist daher auch in dieser Hinsicht zu verneinen.
b) In jüngster Zeit werden hinsichtlich des Anspruches auf den verfassungsmässigen Richter namentlich unter dem Einfluss deutscher Lehre und Rechtsprechung allerdings weitergehende
BGE 105 Ia 172 S. 179
Forderungen vertreten. Es wird insbesondere postuliert, dass die Gerichte auch als Spruchkörper für den einzelnen Fall nach voraussehbaren Regeln gebildet werden müssten. Daraus wird abgeleitet, dass die Gerichte oder Gerichtsabteilungen nicht grösser sein sollten als die Spruchkörper, dass Ersatzrichter nur aus zwingenden Gründen und dann in einer im voraus festgelegten Kehrordnung einzuberufen seien und dass ganz allgemein dem Vorsitzenden bei der Zuteilung der einzelnen Prozesse an die Referenten ein möglichst geringes Ermessen zustehen dürfe (BEYELER, a.a.O., S. 24 ff.; im gleichen Sinne, wenn auch mit weniger weit gehenden Forderungen J. P. MÜLLER, a.a.O., S. 252 ff.). Indessen entspricht ein derartiger Schematismus hinsichtlich der Besetzung der Richterbank und der Geschäftszuteilung dem schweizerischen Rechtsempfinden kaum und ist, soweit ersichtlich, auch in keinem Kanton verwirklicht worden; ja es sind nicht einmal politische Vorstösse nach seiner Einführung bekannt geworden. Das hat seine guten Gründe. Die von der deutschen Lehre geforderte "blinde" Zuteilung der einzelnen Prozesse an die Spruchkörper und Referenten mag einer theoretischen Vorstellung über die ideale Rechtsprechung entsprechen. Vom praktischen Standpunkt ausgesehen stehen ihr aber Nachteile gegenüber. So wäre es bei konsequenter Durchsetzung der erwähnten Forderungen nicht mehr möglich, ausserberuflich oder im Richteramt erworbene besondere Erfahrungen einzelner Richter oder Ersatzrichter auf Spezialgebieten (wie z.B. Baurecht, Steuerrecht, Handel usw.) so gut als möglich auszunützen; die Dauer der Prozesse müsste sich dadurch im Durchschnitt verlängern. Würde sodann im besonderen der Beizug von Ersatzrichtern auf eigentliche Notfälle beschränkt, so müsste notwendigerweise die Belastung der ordentlichen Richter ansteigen, was sich qualitativ zum Nachteil der Rechtsprechung auswirken könnte. Es drängt sich daher nicht auf, die in den meisten Kantonen und auch beim Bundesgericht herrschende Praxis, die den Präsidenten der Gerichte und ihrer Abteilungen bei der Besetzung des Gerichtes und insbesondere beim Beizug von Ersatzrichtern eine gewisse Freiheit lässt, als mit
Art. 58 Abs. 1 BV
unvereinbar zu betrachten. Selbstverständlich ist, dass die Gerichtspräsidenten ihr Ermessen pflichtgemäss auszuüben haben und dass jede Besetzung eines Gerichtes, die sich nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, unstatthaft ist. Insbesondere würden
BGE 105 Ia 172 S. 180
sowohl
Art. 58 Abs. 1 BV
als auch das in
Art. 4 BV
enthaltene Willkürverbot verletzt, wenn ein Gericht mit Rücksicht auf die an einem bestimmten Prozess beteiligten Personen in einer vom Üblichen abweichenden Weise besetzt würde. Wird diese Grenze beachtet, dann ist kaum zu sehen, welche Nachteile den Parteien aus einer elastischen Ordnung der Besetzung der Spruchkörper aus den in gesetzmässiger Form gewählten Richtern und Ersatzrichtern erwachsen könnten.
6.
Der Beschwerdeführer rügt - allerdings nur mit einem einzigen Satz - auch eine Verletzung von
Art. 6 EMRK
. Er macht geltend, seine Sache sei nicht von einem auf Gesetz beruhenden Gericht beurteilt worden. Die Garantie des gesetzmässigen Richters im Sinne von
Art. 6 EMRK
deckt sich dem Sinne nach mit derjenigen von
Art. 58 Abs. 1 BV
(
BGE 105 Ia 166
). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die EMRK dem Beschwerdeführer weitergehende Ansprüche verschaffen sollte. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
b0d84f3a-037c-46bc-8b99-adea4ffd6f33 | Urteilskopf
104 IV 58
18. Urteil des Kassationshofes vom 31. Mai 1978 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
.
Die dem Verurteilten bestimmte Probezeit beginnt frühestens mit der nach dem kantonalen Recht massgeblichen Eröffnung des Urteils zu laufen, das vollstreckbar wird. | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 104 IV 58 S. 58
A.-
Das Kreisgericht Chur hatte X. am 27. November 1975 wegen fortgesetzter vollendeter und versuchter Unzucht mit Kindern zu einer bedingt vollziehbaren, mit der Weisung verbundenen Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt, sich während der Probezeit von zwei Jahren einer ambulanten ärztlichen Behandlung zu unterziehen. Die von X. gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hatte der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 24. Mai 1976 abgewiesen. Die Urteilseröffnung erfolgte am 7. Januar 1977 schriftlich.
B.-
Zum Zwecke angeblicher wissenschaftlicher Untersuchung führte X. am 12. Dezember 1976 mit dem 12jährigen Y. einen Farbentest durch, fotografierte Y. nackt und mass dessen Brustumfang sowie die Körpergrösse.
Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verwarnte X. am 8. Februar 1978 wegen Täuschung des auf ihn gesetzten Vertrauens und verlängerte die Probezeit um ein Jahr.
C.-
X. führt gegen den Beschluss des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 8. Februar 1978 Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung desselben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe dadurch, dass er am 12. Dezember 1976 den 12jährigen Y. nackt fotografierte, das auf ihn gesetzte Vertrauen nicht getäuscht. Sein Handeln falle ausserdem nicht in die Probezeit, die erst mit der schriftlichen Eröffnung des Berufungsurteils am 7. Januar 1977 zu laufen begonnen habe.
BGE 104 IV 58 S. 59
2.
Die Anordnung des Strafvollzuges oder der für leichte Fälle vorgesehenen Ersatzmassnahmen setzt eine Täuschung des richterlichen Vertrauens während der dem Verurteilten bestimmten Probezeit voraus (
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
). Diese beginnt frühestens mit der Eröffnung jenes Urteils zu laufen, das vollstreckbar wird (
BGE 90 IV 242
E. 1 und 1b).
Der Beschwerdeführer hat das ihn wegen Unzucht mit Kindern verurteilende Erkenntnis des Kreisgerichtes Chur durch Berufung vollumfänglich an den Kantonsgerichtsausschuss weitergezogen. Bei der Berufung handelt es sich nach graubündnerischem Strafprozessrecht um ein ordentliches, mit Suspensiv- und Devolutiveffekt ausgestattetes Rechtsmittel, dessen Ergreifung demnach den Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils hemmt. Das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses tritt an die Stelle des angefochtenen Entscheides der ersten Instanz und erwächst allein in Rechtskraft (
Art. 143 und 146 StPO
; LARDI, Die ordentlichen Rechtsmittel im Bündnerischen Strafprozessrecht, Diss. Zürich 1969, S. 115 f. und 132/133; unveröffentlichter Entscheid der staatsrechtlichen Kammer vom 25. Januar 1961 in Sachen AB gegen Staatsanwaltschaft und Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden).
Das Berufungsurteil des Kantonsgerichtsausschusses vom 24. Mai 1976 ist nicht mündlich, sondern durch Zustellung einer Urteilsausfertigung schriftlich eröffnet worden. Das geschah unbestrittenermassen am 7. Januar 1977. Der Anlass zur Verwarnung des Beschwerdeführers und zur Verlängerung der ihm bestimmten Probezeit bildende Vorfall vom 12. Dezember 1976 fällt demnach noch vor deren Beginn; er hätte daher richtigerweise, wie das auch die Vorinstanz in ihrem Schreiben vom 28 April 1978 anerkennt die Einleitung eines Widerrufsverfahrens gar nicht auszulösen vermocht. Die dem Beschwerdeführer erteilte Verwarnung und die angeordnete Verlängerung der Probezeit verletzen demnach
Art. 41 Ziff. 3 StGB
, so dass der angefochtene Beschluss der Vorinstanz aufzuheben ist.
3.
Es kann unter diesen Umständen ungeprüft gelassen werden, ob im Verhalten des Beschwerdeführers vom 12. Dezember 1976 ohne Rechtsverletzung überhaupt eine Täuschung des auf ihn gesetzten Vertrauens hätte erblickt werden können.
BGE 104 IV 58 S. 60
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 8. Februar 1978 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
b0da85cf-cdb1-42c9-8469-1883ddd55517 | Urteilskopf
123 III 261
42. Auszug aus den Urteilen der I. Zivilabteilung vom 10. Juni 1997 i.S. Rinsoz & Ormond Tabac SA und Fivaz & Cie SA gegen Homag AG (Berufung und staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 697a ff. OR
. Sonderprüfung.
Gegenstand einer Sonderprüfung können nur Interna der Gesellschaft sein; ein Sonderprüfer kann nicht mit einer allgemeinen Marktuntersuchung beauftragt werden (Entscheid über die Berufung, E. 2).
Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers setzt nach
Art. 697a Abs. 1 OR
die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder des Einsichtsrechts sowie ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus; Tragweite dieser Voraussetzungen (Entscheid über die Berufung, E. 3).
Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR (Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde, E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 262
BGE 123 III 261 S. 262
A.-
Die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA sind Aktionäre der Homag AG. Diese Gesellschaft befasst sich im wesentlichen mit der Veredelung und Homogenisierung von Tabakblättern. Sie verkauft ihre Produkte sowohl an Aktionäre wie an Dritte.
Mit Schreiben vom 9. August 1995 wandten sich die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA an den Verwaltungsrat der Homag AG und beantragten im Hinblick auf die ordentliche Generalversammlung vom 8. September 1995 die Traktandierung eines Auskunftsbegehrens, mit dem der Verwaltungsrat unter anderem aufgefordert wurde, über seine Geschäftspolitik gegenüber Aktionären und Nichtaktionären sowie über die Bildung und Auflösung von stillen Reserven Bericht zu erstatten. Anlässlich der Generalversammlung erteilte der Verwaltungsrat den Aktionären schriftlich Auskunft zu den im Auskunftsbegehren gestellten Fragen. Im Anschluss daran beantragten die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA die Einsetzung eines Sonderprüfers. Dieser Antrag wurde von der Generalversammlung bei einer Enthaltung mit 721 zu 225 Stimmen abgelehnt.
B.-
Mit Gesuch vom 6. Dezember 1995 stellten die Rinsoz & Ormond Tabac SA und die Fivaz & Cie SA beim Handelsgericht
BGE 123 III 261 S. 263
des Kantons Aargau das Begehren, es sei ein Sonderprüfer gemäss
Art. 697a ff. OR
einzusetzen, wobei sich die Untersuchung insbesondere auf die Erhebung der erforderlichen Angaben betreffend den Herstellpreis der Produkte der Gesellschaft, die Verrechnungspreise an die Aktionäre und die Erhebung von Konkurrenzpreisen betreffend die Geschäftsjahre 1990/91 bis 1994/95 zu erstrecken habe. Der Vizepräsident des Handelsgerichts wies das Gesuch mit Entscheid vom 24. September 1996 ab. Die Verfahrenskosten setzte er auf Fr. 5'866.-- fest und auferlegte sie den Klägerinnen. Im weiteren verpflichtete er die Klägerinnen, der beklagten Gesellschaft eine Parteientschädigung von Fr. 24'320.35 auszurichten.
C.-
Die Klägerinnen haben gegen den Entscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist beide Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen des Entscheids über die Berufung:
2.
Die Sonderprüfung ist wie das Auskunfts- und das Einsichtsrecht der Aktionäre ein Mittel, das den Aktionären Zugang zu Informationen über Angelegenheiten der Gesellschaft verschaffen soll (Art. 697 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 697a Abs. 1 OR
). Mit ihrem Sonderprüfungsantrag streben die Klägerinnen näheren Aufschluss über den Herstellpreis der Produkte der Beklagten, über die Verrechungspreise an die Aktionäre und über die Konkurrenzpreise an. Nach Ansicht der Beklagten handelt es sich bei den Konkurrenzpreisen nicht um eine Angelegenheit der Gesellschaft. Sie tritt der gegenteiligen Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts entgegen. Zu einer derartigen Kritik am angefochtenen Entscheid ist sie im Rahmen der Berufungsantwort befugt (vgl.
BGE 118 II 36
E. 3 S. 37, mit Hinweis).
a) Das Institut der Sonderprüfung ist anlässlich der Aktienrechtsrevision von 1991 mit dem Ziel eingeführt worden, die Informationslage der Aktionäre zu verbessern (BBl 1983 II 834; vgl. auch
BGE 120 II 393
E. 4 S. 396). Mit diesem Mittel der Informationsbeschaffung soll den Aktionären ermöglicht werden, in hinreichender Kenntnis der Sachlage darüber zu entscheiden, ob und wie sie von ihren Aktionärsrechten Gebrauch machen wollen (WEBER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 11 zu
Art. 697a OR
; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, S. 402 Rz. 8; Andreas Casutt, Die Sonderprüfung im
BGE 123 III 261 S. 264
künftigen schweizerischen Aktienrecht, Diss. Zürich 1991, S. 21 Rz. 13; derselbe, Das Institut der Sonderprüfung, ST 1991, S. 574). Die Sonderprüfung soll dem Informationsdefizit abhelfen, das dadurch entsteht, dass die Minderheitsaktionäre kaum Möglichkeiten haben, an Interna der Gesellschaft heranzukommen (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl. 1996, S. 985 f. Rz. 1850). Aus dieser Zweckbestimmung des Instituts folgt, dass die Sonderprüfung nur zur Beschaffung von Informationen zur Verfügung steht, die gesellschaftsinterne Verhältnisse betreffen. Tatsachen, die ausserhalb der Gesellschaft liegen, können auch dann nicht Gegenstand einer Sonderprüfung sein, wenn sie geeignet sind, den Geschäftsgang der Gesellschaft mitzubeeinflussen. Den Aktionären ist zuzumuten, sich über solche Tatsachen anderweitig zu informieren. Ausgeschlossen ist es daher insbesondere, einen Sonderprüfer mit einer allgemeinen Untersuchung der Marktlage in einem bestimmten Wirtschaftssektor zu beauftragen.
b) Auf eine derartige Marktuntersuchung würde die von den Klägerinnen verlangte Erhebung der Konkurrenzpreise durch einen Sonderprüfer hinauslaufen. Dieser Untersuchungsgegenstand lässt sich daher entgegen der Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts nicht als Angelegenheit der Gesellschaft bezeichnen. Soweit die Klägerinnen Auskünfte über die Konkurrenzpreise erlangen möchten, ist ihr Gesuch um Sonderprüfung folglich zum vornherein unzulässig. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass es ihr nicht zumutbar wäre, eine Sonderprüfung über sich ergehen zu lassen und die entsprechenden Kosten zu tragen (
Art. 697g OR
), soweit der Sonderprüfer nicht Interna der Gesellschaft untersuchen, sondern die Preise der Konkurrenz in Erfahrung bringen soll.
3.
Nach Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts scheitert das Sonderprüfungsbegehren der Klägerinnen teils am Fehlen eines vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens, teils angesichts der vom Verwaltungsrat bereits erteilten Auskünfte an der mangelnden Erforderlichkeit weiterer Abklärungen. Die Klägerinnen halten den angefochtenen Entscheid in beider Hinsicht für bundesrechtswidrig.
a) Eine Sonderprüfung kann ein Aktionär nach
Art. 697a Abs. 1 OR
nur beanspruchen, wenn er das Auskunfts- oder das Einsichtsrecht (
Art. 697 OR
) bereits ausgeübt hat. Insoweit ist der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers gegenüber dem Recht auf Auskunft und auf Einsicht subsidiär. Daraus folgt, dass das Sonderprüfungsbegehren thematisch vom vorgängigen Auskunfts- oder
BGE 123 III 261 S. 265
Einsichtsbegehren abgedeckt sein muss. Wie hoch die Anforderungen an die thematische Identität anzusetzen sind, ist allerdings umstritten. Während Horber dafür hält, dass das Auskunfts- oder Einsichtsbegehren den maximalen Rahmen des Rechts, eine Sonderprüfung zu beantragen, abstecke (Das Auskunftsbegehren und die Sonderprüfung - siamesische Zwillinge des Aktienrechts, SJZ 91/1995, S. 165 Fn. 6; ähnlich CASUTT, a.a.O., Diss., S. 72 Rz. 16), genügt es für BÖCKLI, wenn der antragstellende Aktionär den Verwaltungsrat im wesentlichen zum gleichen Gegenstand, auf den das Gesuch um Sonderprüfung abzielt, um Auskunft oder Einsicht ersucht hat (a.a.O., S. 991 Rz. 1866). Noch offener formuliert KUNZ: Für ihn muss der Antrag auf Sonderprüfung zwar einen gewissen Konnex mit dem vorgängigen Informationsbegehren haben, darf inhaltlich jedoch auch weiter gefasst werden (Zur Subsidiarität der Sonderprüfung, SJZ 92/1996, S. 3). Er rechtfertigt diese Ansicht damit, dass die vom Verwaltungsrat erteilten Informationen neue Aspekte offenbaren oder zusätzliche Überlegungen und Verdachtsmomente begründen können und dass es diesfalls künstlich erschiene, ein weiteres Informationsbegehren zu verlangen, bevor der Antrag auf Sonderprüfung zugelassen würde (a.a.O.). Schliesslich weisen CASUTT (a.a.O., Diss., S. 18) und von GREYERZ (Aktionärsschutz im neuen Aktienrecht, ZBJV 120/1984, S. 453) darauf hin, dass der Aktionär oft gar nicht sinnvoll wird fragen können, weil er die hiefür notwendigen Anhaltspunkte nicht kennt.
Durch das vorgängige Auskunfts- oder Einsichtsbegehren soll der Verwaltungsrat die Gelegenheit erhalten, das Informationsbedürfnis der Aktionäre von sich aus zu befriedigen, bevor das mit Aufwand und Umtrieben verbundene Verfahren auf Sonderprüfung eingeleitet wird. Massgebend für die thematische Begrenzung der Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist deshalb das Informationsbedürfnis der antragstellenden Aktionäre, wie es der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben aus dem vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren erkennen musste. Dabei darf sich der Verwaltungsrat zwar nicht hinter einer wortklauberischen Auslegung verschanzen und zum vornherein nur ausdrücklich gestellte Fragen beantworten. Auf der anderen Seite ist aber auch den Aktionären zuzumuten, bei der Formulierung ihres Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens eine gewisse Sorgfalt aufzuwenden und darin so klar, wie es ihnen aufgrund ihres Kenntnisstandes möglich ist, zum Ausdruck zu bringen, worüber sie weiteren Aufschluss zu erhalten wünschen.
BGE 123 III 261 S. 266
Nebst der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder des Einsichtsrechts setzt das Begehren um Sonderprüfung - wie jede Klage - ein aktuelles Rechtsschutzinteresse des Antragstellers voraus (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., S. 404 Rz. 29; WEBER, a.a.O., N. 15 zu
Art. 697a OR
). Die Durchführung der Sonderprüfung muss dem Antragsteller die Ausübung von Rechten oder die Beurteilung von Chancen ermöglichen, wozu er sonst nicht in der Lage wäre (CASUTT, a.a.O., Diss., S. 38 Rz. 8). Das meint das Gesetz, wenn es eine Sonderprüfung nur zulässt, sofern sie "zur Ausübung der Aktionärsrechte erforderlich" ist (
Art. 697a Abs. 1 OR
). An der Erforderlichkeit einer Sonderprüfung fehlt es insbesondere, wenn die Sachverhalte, die abgeklärt werden sollen, aufgrund der Auskunftserteilung des Verwaltungsrats bereits offen zu Tage liegen (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, a.a.O., S. 405 Rz. 30). Dabei bleibt es zwar grundsätzlich Sache der betroffenen Aktionäre zu entscheiden, ob sie sich mit den vom Verwaltungsrat gelieferten Informationen zufrieden geben wollen (BÖCKLI, a.a.O., S. 991 Rz. 1866). Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist jedoch, dass die Aktionäre bei vernünftiger Betrachtung Anlass haben konnten, an der Vollständigkeit oder an der Richtigkeit der vom Verwaltungsrat erteilten Auskünfte zu zweifeln. An einer Sonderprüfung zu Fragen, die durch die Auskünfte des Verwaltungsrats bereits zweifelsfrei geklärt sind, besteht kein hinreichendes Rechtsschutzinteresse. Es wäre sinnlos, eine Sonderprüfung durchzuführen, die den Aktionären keine neuen Perspektiven eröffnen kann (CASUTT, a.a.O., Diss., S. 41 RZ 12).
b) Im vorliegenden Fall hat nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid der Verwaltungsrat zu den Verrechnungspreisen der beklagtischen Produkte an Aktionäre und an Dritte in der Generalversammlung umfassend Auskunft erteilt. Den Klägerinnen ist es im kantonalen Verfahren - wie die Vorinstanz willkürfrei festgestellt hat (E. 3 des Entscheids über die staatsrechtliche Beschwerde) - nicht gelungen, Zweifel an den Preisangaben des Verwaltungsrats glaubhaft zu machen. Damit ist davon auszugehen, dass die Frage, zu welchen Preisen die Beklagte im massgeblichen Zeitraum an Aktionäre und an Dritte geliefert hat, bereits zweifelsfrei geklärt ist. Bei dieser Sachlage aber hat der Vizepräsident des Handelsgerichts in bezug auf die Verrechnungspreise ein aktuelles Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen an einer Sonderprüfung zu Recht verneint.
BGE 123 III 261 S. 267
Die Herstellungskosten hatten die Klägerinnen in ihrem Auskunftsbegehren an den Verwaltungsrat der Beklagten nicht erwähnt. Sie hatten diesen lediglich aufgefordert, über die Verrechnungspreise gegenüber Aktionären, nahestehenden Personen und unabhängigen Dritten Bericht zu erstatten. Weshalb der Verwaltungsrat dieser klar umgrenzten Fragestellung hätte entnehmen müssen, dass die Klägerinnen zusätzlich auch noch Auskunft zum Herstellpreis der beklagtischen Produkte zu erhalten wünschen, ist nicht einzusehen. Wenn, wie die Klägerinnen glauben zu machen suchen, von Anfang an klar gewesen sein sollte, dass sie auch darüber Angaben benötigten, um die Aussichten einer Rückforderungsklage gemäss
Art. 678 OR
beurteilen zu können, so hätten sie die entsprechende Frage ohne weiteres auch stellen können. Da sie jedoch nur zu den Verrechnungspreisen Auskunft verlangt hatten, durfte der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass ihnen die Angaben dazu genügen würden. Die Auffassung des Vizepräsidenten des Handelsgerichts, in bezug auf den Herstellpreis der beklagtischen Produkte fehle es an einem vorgängigen Auskunftsbegehren, ist deshalb ebenfalls nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerinnen behaupten, die Herstellungskosten seien seit mehreren Jahren Gegenstand von Diskussionen und von Korrespondenz gewesen, scheitern ihre Berufungsvorbringen im übrigen auch daran, dass darüber im angefochtenen Entscheid keine tatsächlichen Feststellungen zu finden sind; die Klägerinnen verkennen, dass das Bundesgericht als Berufungsinstanz an den vom kantonalen Sachrichter festgestellten Sachverhalt gebunden ist. Schliesslich erscheint entgegen den Ausführungen in der Berufung auch als zweifelhaft, ob die Klägerinnen in der Tat auf eine Sonderprüfung angewiesen sind, um sich ein Bild über die Herstellungskosten zu machen, ist doch schon aus den Auskünften des Verwaltungsrats über die Bilanzierung und über den Geschäftsgang erkennbar, dass und in welchem Gesamtumfang die Produktion der Beklagten im fraglichen Zeitraum nicht kostendeckend sein konnte.
Aus den Erwägungen des Entscheids über die staatsrechtliche Beschwerde:
4.-
Die Beschwerdevorbringen gegen den Sachentscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts erweisen sich somit als unbegründet, soweit es nicht ohnehin bereits an den Eintretensvoraussetzungen fehlt. Zu prüfen bleiben die Rügen, welche die Beschwerdeführerinnen
BGE 123 III 261 S. 268
gegen die im angefochtenen Entscheid getroffene Kosten- und Entschädigungsregelung erheben. Der Vizepräsident des Handelsgerichts hat für die Festsetzung von Gerichtsgebühr und Parteientschädigung auf den Streitwert abgestellt. Den Streitwert hat er - unter Hinweis auf
BGE 120 II 393
- nach der Höhe des von den Beschwerdeführerinnen geltend gemachten mutmasslichen Schadens zufolge Verletzung ihrer Aktionärsrechte bemessen, den er schätzungsweise mit Fr. 250'000.-- angenommen hat. Gegen diese Streitwertbemessung wenden sich die Beschwerdeführerinnen. Ihrer Ansicht nach ist es willkürlich, den Streitwert des Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers mit dem mutmasslichen Schaden gleichzusetzen.
a) Den Beschwerdeführerinnen ist zuzugestehen, dass beim Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen eines Verfahrens auf dessen Gegenstand und auf dessen Natur Rücksicht zu nehmen ist. Sie bringen in diesem Zusammenhang an sich zutreffend vor, dass Streitgegenstand des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR nicht die Verpflichtung der Gesellschaft oder Dritter zu Schadenersatz ist. Es geht vorerst vielmehr einzig um die Frage, ob bestimmte Sachverhalte, die als mögliches Klagefundament für eine spätere Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in Betracht kommen, mittels Sonderprüfung abgeklärt werden sollen oder nicht (FELIX HORBER, Die Informationsrechte des Aktionärs, S. 399, Rz. 1228). Der Antrag auf Einsetzung eines Sonderprüfers zielt lediglich auf die Beschaffung von Informationen ab. Die beantragte Sonderprüfung soll den Aktionären diejenigen Informationen liefern, die sie als Grundlagen für ihren Entscheid benötigen, ob und wie sie ihre Aktionärsrechte ausüben wollen (Treuhand-Kammer, Revisionshandbuch der Schweiz, 1992 Bd. II, S. 586), während es gerade nicht Sache des Sonderprüfers ist, darüber zu befinden, ob bestimmte Ansprüche, die einzelne Aktionäre zu besitzen glauben oder vermuten, bestehen oder nicht bestehen, hat er doch nur bestimmte Sachverhalte zu untersuchen, ohne sich über Rechtsfragen auszusprechen (BÖCKLI, a.a.O. S. 993 Rz. 1872 und S. 998 Rz. 1884, WEBER, a.a.O., N 16 zu
Art. 697a OR
, PREDROJA, Die Sonderprüfung im neuen Aktienrecht, AJP 1992, S. 779, CASUTT, a.a.O., Diss., S. 46 f. und ST 1991, S. 576). Mittels Sonderprüfung sollen sich die Aktionäre die nötigen Informationen beschaffen können, bevor sie sich zu einer Leistungsklage mit den entsprechenden Kostenrisiken entschliessen. Das Kostenrisiko eines Gesuchs um Sonderprüfung sollte daher im Vergleich zu jenem einer Leistungsklage
BGE 123 III 261 S. 269
bescheiden bleiben (CASUTT, a.a.O., Diss., S. 21 f. Rz. 13 und S. 282 Rz. 1; HIRSCH, Le contrôle spécial, in: Ciocca, Le nouveau droit des sociétés anonymes, S. 419 und 422).
Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der von den antragstellenden Aktionären geltend gemachte mutmassliche Schaden für die Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens zwingend in jeder Hinsicht bedeutungslos bleiben müsste. Sonderprüfungen werden nicht um ihrer selbst willen, sondern im Hinblick auf eine sachgerechte Ausübung von Aktionärsrechten durchgeführt. Der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers setzt denn nach
Art. 697b Abs. 2 OR
auch voraus, dass eine Schädigung der Gesellschaft oder von Aktionären glaubhaft gemacht wird. Es liegt daher auf der Hand, dass der Vermögenswert der Informationen, welche die antragstellenden Aktionäre mit der beantragten Sonderprüfung zu erlangen suchen, vom mutmasslichen Schaden abhängig ist. Der Zusammenhang mit dem mutmasslichen Schaden ist allerdings insofern nur ein indirekter, als vorerst offen ist, ob die beantragte Sonderprüfung die Verdachtsmomente, aus denen die antragstellenden Aktionäre die Glaubhaftigkeit einer Schädigung ableiten, bestätigt oder entkräftet; die Sonderprüfung soll die Aktionäre erst in die Lage versetzen zu beurteilen, ob es sich tatsächlich lohnt, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Im weiteren ist zu beachten, dass das eigene geldwerte Interesse, das die antragstellenden Aktionäre an der Durchführung der beantragten Sonderprüfung haben, nicht einfach dem mutmasslichen Gesamtschaden entsprechen kann, sondern höchstens dem Wertzuwachs ihrer Beteiligung am Aktienkapital, zu dem eine erfolgreiche Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen führen könnte. Schliesslich deckt sich auch das geldwerte Interesse, das die betroffene Gesellschaft an der Verhinderung einer Sonderprüfung haben kann, nicht ohne weiteres mit dem mutmasslichen Schaden, würde sich doch eine gestützt auf die Ergebnisse der Sonderprüfung erhobene Schadenersatzklage gar nicht gegen sie, sondern gegen Gründer, Organe oder Aktionäre richten; geklagt würde zudem auf Leistung an die Gesellschaft (
Art. 678 Abs. 3 Satz 2 und
Art. 756 Abs. 1 Satz 2 OR
).
Dennoch kann es nicht ohne weiteres als willkürlich bezeichnet werden, wenn ein Gericht für die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des Antragsverfahrens gemäss Art. 697b f. OR zunächst vom glaubhaft zu machenden mutmasslichen Schaden ausgeht, wie dies der Vizepräsident des Handelsgerichts im vorliegenden Fall getan hat. Von Willkür kann vielmehr erst die Rede sein,
BGE 123 III 261 S. 270
wenn Gerichtsgebühren und Parteientschädigungen gestützt auf einen nach diesem Schaden bemessenen Streitwert unbekümmert um die besondere Natur des Antragsverfahrens unhaltbar hoch angesetzt werden. Nicht halten liessen sich namentlich Gerichts- und Parteikosten, die das Kostenrisiko eines Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers in die Grössenordnung des Kostenrisikos rükken würden, mit dem eine ohne vorgängige Sonderprüfung direkt erhobene Leistungsklage verbunden gewesen wäre. Willkürlich wären ferner Gebühren und Parteientschädigungen, die in einem krassen Missverhältnis zum verursachten Aufwand stehen (vgl.
BGE 120 Ia 171
E. 2a S. 174, mit Hinweisen). Dass und weshalb der angefochtene Kostenentscheid in diesem Sinne nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich sein soll (vgl.
BGE 122 I 61
E. 3a S. 66 f.;
BGE 122 III 130
E. 2a S. 131, je mit Hinweisen), ist in der Beschwerdeschrift ausgehend von den massgebenden kantonalen Gesetzes- und Tarifvorschriften im einzelnen darzulegen (
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
;
BGE 122 I 70
E. 1c S. 73, mit Hinweisen).
b) Eine derartige Darlegung lässt die vorliegende Beschwerde vermissen. Die Beschwerdeführerinnen nennen nicht einmal die Gesetzes- und Tarifvorschriften, bei deren Anwendung der Vizepräsident des Handelsgerichts in Willkür verfallen sein soll. Vor allem aber führen sie nicht näher aus, inwiefern die Gerichtsgebühr und die Parteientschädigung, die im angefochtenen Entscheid festgesetzt sind, im Ergebnis unhaltbar sein sollen. Sie behaupten zwar beiläufig, der Kostenentscheid des Vizepräsidenten des Handelsgerichts führe dazu, dass das Kostenrisiko des Gesuchs um Einsetzung eines Sonderprüfers bereits gleich hoch sei wie dasjenige einer Leistungsklage; sie belegen diese Behauptung jedoch nicht näher. Ebensowenig lässt sich den Ausführungen in der Beschwerde entnehmen, dass die vom Vizepräsidenten des Handelsgerichts festgesetzten Gerichts- und Parteikosten im Verhältnis zum Aufwand, den die Beschwerdeführerinnen mit ihrem Begehren verursacht hatten, derart hoch wären, dass sie sich mit dem Willkürverbot nicht mehr vereinbaren liessen. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0dc10f3-76b6-4f46-b682-bda0e014ab10 | Urteilskopf
99 III 46
10. Entscheid vom 26. November 1973 i.S. A. | Regeste
Ausstandspflicht des Konkursbeamten;
Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG
.
Der Konkursbeamte, der Vertreter bzw. Organ eines Konkursgläubigers ist, hat nicht nur beim Erlass derjenigen Verfügungen in den Ausstand zu treten, die sich direkt auf die Forderung dieses Gläubigers beziehen, sondern seine Ausstandspflicht erstreckt sich auf das gesamte Konkursverfahren (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 46
BGE 99 III 46 S. 46
A.-
Fürsprech X. ist Vorsteher des Konkursamtes Y. und leitet in dieser Eigenschaft den Konkurs über den Schuldner A. Dieser stellte am 29. März 1973 das Begehren, Fürsprech X. habe in den Ausstand zu treten und die zuständige kantonale
BGE 99 III 46 S. 47
Instanz um Ernennung eines ausserordentlichen Stellvertreters zu ersuchen. Zur Begründung führte er an, Fürsprech X. sei Präsident des Bankrats der Kantonalbank Y., die im vorliegenden Konkurs Hauptgläubigerin sei. Der ordentliche Stellvertreter, Fürsprech Z.,.müsse deswegen in den Ausstand treten, weil er mit Fürsprech X. in Bürogemeinschaft zusammenarbeite.
Mit Schreiben vom 2. April 1973 wies der Konkursbeamte das Ausstandsbegehren ab mit der Begründung, er müsse nur dann in den Ausstand treten, wenn die Kantonalbank Y. durch eine Amtshandlung des Konkursamtes unmittelbar berührt werde. Dies sei nur bei der Kollokation ihrer Forderungen der Fall. Die diesbezügliche Verfügung sei aber schon längst erlassen worden, und zwar von seinem Stellvertreter.
B.-
Das Obergericht Y. als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs wies mit Entscheid vom 16. Mai 1973 eine hiegegen erhobene Beschwerde ab.
C.-
Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts stellt der Schuldner folgende Anträge:
"1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.
2. Der Konkursbeamte X. sei anzuweisen, gestützt auf
Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG
und Art. 6 Abs. 1 KV in Ausstand zu treten und die zuständige kantonale Instanz um Ernennung eines ausserordentlichen Stellvertreters zur weiteren Durchführung des Konkurses zu ersuchen."
Das Obergericht sowie der Konkursbeamte und dessen Stellvertreter beantragen die Abweisung des Rekurses.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG
darf ein Beamter keine Amtshandlungen vornehmen in Sachen einer Person, deren gesetzlicher Vertreter, Bevollmächtigter oder Angestellter er ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung übermittelt der Betreibungsbeamte, der sich in einem solchen Fall befindet, ein an ihn gerichtetes Begehren sofort seinem Stellvertreter und benachrichtigt hievon den Gläubiger. Entgegen seinem Wortlaut bezieht sich
Art. 10 Abs. 2 SchKG
auch auf den Konkursbeamten (vgl. z.B.
BGE 46 III 77
/78). Dies deckt sich mit dem französischen und dem italienischen Gesetzestext, wo ganz allgemein von "préposé" bzw. "ufficiale" die Rede ist. Die deutsche
BGE 99 III 46 S. 48
Formulierung von
Art. 10 Abs. 2 SchKG
beruht offensichtlich auf einem Versehen (JAEGER, N. 10 zu
Art. 10 SchKG
; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 52 N. 24).
2.
Die in
Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG
vorgesehene Ausstandspflicht gilt auch für Organe juristischer Personen des privaten wie des öffentlichen Rechts (
BGE 97 III 106
mit weiteren Hinweisen; JAEGER-DAENIKER, N. 8 zu
Art. 10 SchKG
). Da Fürsprech X. Präsident des Bankrats der Kantonalbank Y. ist, welche als Hauptgläubigerin am vorliegenden Konkurs teilnimmt, so ist er als deren Vertreter im Sinne der erwähnten Bestimmung zu betrachten. Dass er nicht einzelzeichnungsberechtigt ist, spielt entgegen seiner Ansicht keine Rolle. Unerheblich ist auch, dass das kantonale Parlament die gleiche Person zum Konkursbeamten und zum Bankratspräsidenten gewählt hat, obwohl vorauszusehen war, dass die Kantonalbank häufig an Konkursverfahren beteiligt sein würde. Der Umstand, dass nach kantonalem Recht zwischen den beiden Funktionen keine Unvereinbarkeit besteht, hat nichts zu tun mit der Frage der Ausstandspflicht gemäss
Art. 10 SchKG
.
3.
Das Obergericht vertritt die Ansicht, obwohl Fürsprech X. als Vertreter der Kantonalbank betrachtet werden müsse, habe er nicht für den ganzen Konkurs in den Ausstand zu treten. Eine Interessenkollision sei nur hinsichtlich der Kollokation der Forderungen der Bank denkbar. Da die diesbezügliche Verfügung vom stellvertretenden Konkursbeamten erlassen worden sei, habe Fürsprech X. die Vorschriften über die Ausstandspflicht nicht verletzt. Auch nach JAEGER (N. 10 zu
Art. 10 SchKG
) hat der Konkursbeamte nicht die Durchführung des gesamten Konkurses seinem Stellvertreter zu überlassen, wenn er mit einem Konkursgläubiger in der in
Art. 10 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG
erwähnten Beziehung steht, sondern er muss nur dann in den Ausstand treten, wenn spezielle Verfügungen über die Forderung des betreffenden Gläubigers zu erlassen sind.
Die Bestimmungen über die Ausstandspflicht bezwecken, einen Beamten von der Vornahme amtlicher Handlungen auszuschliessen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu erwecken (
BGE 46 III 77
). Zwar ist richtig, dass solche Zweifel bei einem Konkursbeamten, der Vertreter bzw. Organ eines Konkursgläubigers ist, vor allem dann aufkommen können, wenn Verfügungen zu erlassen sind,
BGE 99 III 46 S. 49
die sich direkt auf die Forderung dieses Gläubigers beziehen, wie z.B. die Kollokation. Eine Interessenkollision kann indessen auch in andern Fällen bestehen. Der Konkursbeamte könnte den Gläubiger, den er vertritt, z.B. auch dadurch bevorzugen, dass er die Forderungen der übrigen Gläubiger abweist. Gewiss können sich diese mit der Kollokationsklage gegen eine solche Verfügung wehren; sie sind jedoch bereits dadurch benachteiligt, dass sie gezwungen sind, vor den Richter zu gelangen. Ist die Forderung des Gläubigers, dessen Vertreter der Konkursbeamte ist, pfandgesichert, so könnte dieser umgekehrt versucht sein, Forderungen Dritter zu Unrecht zuzulassen, um langwierige Kollokationsprozesse zu vermeiden und so das Konkursverfahren abzukürzen. Ähnlich wie bei der Kollokation verhält es sich, wenn im Sinne von
Art. 242 SchKG
über Aussonderungsansprüche zu befinden ist. Auch im Stadium der Verwertung kann es zu Interessenkollisionen kommen; so etwa, wenn der betreffende Gläubiger eine zur Masse gehörende Sache freihändig erwerben will. Aus diesen Gründen hat ein Konkursbeamter, der Vertreter bzw. Organ eines Konkursgläubigers ist, nicht nur in bezug auf einzelne spezielle Verfügungen als befangen zu gelten. Die Ausstandspflicht muss sich daher in einem solchen Falle auf das gesamte Konkursverfahren erstrecken. Dies entspricht auch praktischen Bedürfnissen, wäre es doch unzweckmässig, wenn in einem Konkurs einzelne Geschäfte vom ordentlichen Konkursbeamten, andere aber von dessen Stellvertreter vorgenommen werden müssten.
Die Ausstandspflicht gemäss
Art. 10 Abs. 1 SchKG
gilt auch für das Nachlassverfahren (
BGE 94 III 60
). Fürsprech X. könnte also in einem solchen Verfahren nicht als Sachwalter amten.
4.
Dass der Stellvertreter des Konkursbeamten, Fürsprech Z., schon deswegen in den Ausstand treten müsste, weil er mit diesem als Anwalt in Bürogemeinschaft zusammenarbeitet, ist nicht einzusehen. Selbst wenn ein ständiger Angestellter des Konkursamtes, der in seiner sonstigen Tätigkeit dem ordentlichen Konkursbeamten unterstellt ist, als Stellvertreter fungiert, was häufig der Fall ist, wird angenommen, er verfüge über die erforderliche Unabhängigkeit, um jenen vertreten zu können. Umso weniger ist davon auszugehen, es bestehe die Gefahr einer Beeinflussung, wenn der ordentliche Konkursbeamte und sein Stellvertreter, die ihre Funktionen nebenamtlich ausüben, in ihrem Hauptberuf als selbständige Anwälte Kanzleigemeinschaft
BGE 99 III 46 S. 50
haben. Besondere Gründe, die im vorliegenden Fall Fürsprech Z. als befangen erscheinen liessen, wurden nicht vorgebracht.
Die vom Rekurrenten angeführte standesrechtliche Regel, dass es einem Anwalt, der mit einem Kollegen in Bürogemeinschaft zusammenarbeite, untersagt sei, in einem Verfahren die Gegenpartei von dessen Klienten zu vertreten, hat mit der Frage der Ausstandspflicht des Konkursbeamten nichts zu tun. Dieser übt ein öffentliches Amt aus; er ist nicht Interessenvertreter wie der Anwalt.
Unerheblich ist auch, dass sich der ordentliche und der stellvertretende Konkursbeamte des gleichen Sachbearbeiters bedienen. Verantwortlich für die zu treffenden Verfügungen ist ausschliesslich der Konkursbeamte; das weitere Personal hat unter dessen Aufsicht lediglich untergeordnete Arbeiten auszuführen. In Fällen, wo der Stellvertreter Angestellter des Konkursamtes ist, erscheint es als selbstverständlich, dass ihm die übrigen Hilfspersonen des Amtes unterstellt sind, wenn er den ordentlichen Konkursbeamten vertreten muss. Daher kann es nicht unzulässig sein, wenn im vorliegenden Fall der Sachbearbeiter M. auch für Fürsprech Z. arbeitet.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 16. Mai 1973 in dem Sinne abgeändert, dass der Konkursbeamte X. angewiesen wird, im Konkurs A. in den Ausstand zu treten und das Geschäft seinem ordentlichen Stellvertreter zu übergeben. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
b0dd78c0-2448-4339-8d6e-a489b8f633da | Urteilskopf
107 Ia 102
19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. August 1981 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
.
Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
Rechtsnatur. Rechtliches Gehör. | Erwägungen
ab Seite 102
BGE 107 Ia 102 S. 102
Aus den Erwägungen:
2.
a) Das Wiederaufnahmeverfahren ist kein ordentliches Sachverfahren, sondern ein sog. Bewilligungsverfahren, in welchem das Gericht lediglich darüber zu befinden hat, ob das Gesuch in formeller und materieller Beziehung begründet sei (CLERC, De la procédure en matière de revision, ZStR 1946, Festgabe Hafter,
BGE 107 Ia 102 S. 103
S. 238 ff.; GERSPACH, Die Wiederaufnahme des Verfahrens im aarg. Strafprozess, Diss. Zürich 1973, S. 144; HAUSER, Kurzlehrbuch des schweiz. Strafprozessrechtes, S. 269 ff.). Es ist also nicht eine von Amtes wegen eingeleitete Prozedur, sondern ein Verfahren, das durch das Gesuch des Verurteilten (bzw. einer anderen Partei; s. § 170 und 171 BL/StPO) eingeleitet wird, der denn auch die neuen Tatsachen und Beweismittel angeben und begründen muss, weswegen diese das Sachurteil als ein Fehlurteil erscheinen lassen. Dem entspricht die Regelung in § 172 BL/StPO. Verweist aber der Gesuchsteller zur Begründung auf Akten aus einem anderen Verfahren, deren Edition er verlangt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er deren Inhalt kennt. Es muss ihm deshalb nicht noch Gelegenheit gegeben werden, zu den in den edierten Akten enthaltenen Tatsachen Stellung zu nehmen, nachdem er diese bereits selber angerufen hat. Anders wäre es nur, wenn der Gesuchsteller ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass er von den angeführten Tatsachen bloss vermutungsweise Kenntnis habe, und er eine nachträgliche Stellungnahme verlangt hätte. Dass dem so gewesen sei, behauptet der Beschwerdeführer nicht. War er aber mit seinem begründeten Gesuch zu Wort gekommen, dann entsprach es dem Grundsatz der Waffengleichheit, die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde anzuhören. Die Bestimmung des § 173 BL/StPO, die dies vorschreibt, verstösst deshalb in keiner Weise gegen
Art. 4 BV
, wie der Beschwerdeführer behauptet. Auch ist nicht ersichtlich, warum das Obergericht das Gesuch nur nach öffentlichen Verhandlungen hätte abweisen dürfen. Eine solche Pflicht ergab sich nicht aus
Art. 4 BV
. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
Subsets and Splits
No community queries yet
The top public SQL queries from the community will appear here once available.