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Industrie
Ein riesiger Roboterarm ragt von rechts in die Farbfotografie und bewegt Automobilteile nach links. In der Halle sind Stationen und Schaltkasten zu sehen.
Industrieroboter Fanuc R-2000iB zum Schweißen von Karosserien des ZAZ Chance, Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod
Nach der Rezession der 1990er Jahre erholte sich der industrielle Sektor und wuchs in den 2000er Jahren. Im Jahr 2007 lag der Anteil des Industriesektors am Bruttoinlandsprodukt bei etwa 32 %.[389] Allerdings sank dieser Wert bis auf rund 22,5 % im Jahr 2019 und lag damit sowohl unter dem globalen Schnitt von ca. 25,6 % als auch unter dem Niveau der vergleichbaren mitteleuropäischen und baltischen Staaten von rund 27,6 %.[389]
Metallurgie
Die ukrainische Teilrepublik der UdSSR war ein industrielles Zentrum der Sowjetunion. In der Mitte der 1980er Jahre war die UdSSR der weltweit größte Rohstahl- und Eisenerzproduzent, wobei ein Großteil der Produktion auf die ukrainische Teilrepublik entfiel.[390]
In der ersten Hälfte der 1990er Jahre brach im Zuge der ökonomischen Transformation die metallurgische Produktion zunächst ein. Danach erholte sich der metallurgische Sektor. Obgleich er den traditionellen Abnehmern, den Maschinenbauern und der Rüstungsindustrie, weniger verkaufte, da diese in den 1990er Jahren in die Krise geraten waren, konnte er jedoch zunehmend exportieren.[391] Dabei stellte der Sektor den Großteil seiner Produkte für den Export her. Er führte seine Waren weniger in den GUS-Raum und zunehmend in die Staaten Lateinamerikas, Afrikas und des Mittleren Ostens sowie nach Asien aus.[391] Die metallurgischen Exporte und dabei insbesondere die Stahlindustrie hatten einen großen Anteil an den Gesamtexporten der Ukraine und trieben bis 2008 eine Wachstumsphase an.[392][393] Dadurch wurde der Sektor für den ukrainischen Staat auch zu einer wichtigen Einnahmequelle für Devisen. Da der Sektor mehr produzierte, war er stärker auf den Import russischer Rohstoffe angewiesen.[394]
Um das Jahr 2000 war die Eisenmetallurgie in vier südöstlichen Oblasten konzentriert: in der Oblast Dnipropetrowsk wurden 80 % des ukrainischen Eisenerzes produziert, das eine wichtige Komponente für die Stahlproduktion ist.[395] Die Koksproduktion konzentrierte sich vor allem in der Oblast Donezk und im größten Bergbau- und Metallurgiekomplex in Krywyj Rih, der sich im Oblast Dnipropetrowsk befand.[395] Fast die gesamte Stahlproduktion entfiel auf die Oblaste Donezk, Dnipropetrowsk, Saporischschja und Lugansk. Der meiste Stahl wurde von den folgenden fünf Industriekomplexen erzeugt, nämlich Kryworischstal, die Iljitsch Eisen- und Stahlwerke Mariupol, das Metallurgische Kombinat Asow-Stahl, Saporischstal und der Altschewsk-Metallurgiekomplex in der Oblast Lugansk.[395]
Finanz-industrielle Gruppen integrierten viele metallurgische Unternehmen in ihre Strukturen.[396] Diese Gruppen investierten oft zu wenig in die Modernisierung der relativ alten und energieintensiven Produktionsmittel.[393] Allerdings unterstützte der Staat die Produzenten.[396] Auch bezogen sie in den 2000er Jahren billiges russisches Gas und der Weltmarkt entwickelte sich bis 2008 günstig, wie zum Beispiel im Falle der steigenden Preise für Stahl.[392]
Nach der Krise von 2008/2009 erreichte die Stahlproduktion bis einschließlich 2016 nicht mehr die Rekordwerte der Vorkrisenzeit (43,7 Mio. Tonnen in 2007).[397] Die Preise für metallurgische Waren auf dem Weltmarkt blieben niedrig und durch den Bürgerkrieg im Osten der Ukraine wurden viele Industrieanlagen zerstört. Während der Krisenjahre 2014/15 verloren metallurgische Erzeugnisse ihren Rang als größte Exportgütergruppe an Nahrungsmittel.[279] Nachdem die Russische Föderation im Februar 2022 gegen die Ukraine einen Krieg begonnen hatte, wurden im Krieg viele Produktionsmittel der Stahlindustrie zerstört.[398]
Rüstungsindustrie
Über ein Drittel des militärisch-industriellen Komplexes der UdSSR entfiel auf die ukrainische Teilrepublik.[399] Nachdem die Ukraine unabhängig geworden war, produzierte sie bis 2014 weiterhin arbeitsteilig militärische Güter zusammen mit und für die Russische Föderation.[400] Orientiert am Vorbild des russischen Unternehmens Rosoboronexport entstand der ukrainische Staatskonzern Ukroboronprom.[400] Zu den Zentren des ukrainischen militärisch-industriellen Komplexes gehörten beispielsweise Charkiw (Panzerindustrie), Mykolajiw (Schiffbau), Dnepropetrowsk (Raketenindustrie) und Saporischschja (Motor Sitsch Jettriebwerke).[401]
Während der ukrainische Staat von 2007 bis 2013 weniger fürs Militär ausgab, lagen die Militärausgaben von 2014 bis 2021 zwischen etwa 2,2 % bis 3,8 % des Bruttoinlandsproduktes.[402] Während im Jahr 2015 private Unternehmen etwa 23 % der staatlichen Aufträge erledigten, stieg dieser Anteil auf 54 % im Jahr 2020, um dem gestiegenen Bedarf des ukrainischen Staates zu decken.[403]
Die ukrainische Waffenindustrie hatte von 2010 bis 2014 einen Anteil von rund 3 % am internationalen Waffenexport.[404] 2012 war die Ukraine der weltweit viertgrößte Waffenexporteur.[405] Später sank der Weltmarktanteil und lag von 2017 bis 2021 bei etwa 0,7 %.[406] Da die Russische Föderation die Krim eingliederte, exportierte Kiew keine Waffen mehr in die Russische Föderation, wodurch die Ukraine einen großen Absatzmarkt verlor.[407] Daher wandte die Ukraine sich anderen Staaten stärker zu, wie Indonesien, Pakistan, Polen, Thailand, Saudi-Arabien und Südafrika.[407] Von 2017 bis 2021 war die Volksrepublik China der Hauptabnehmer ukrainischer Waffen.[406] Die Ukraine war in dieser Zeit der drittgrößte Lieferant der Volksrepublik.[408] Dabei lieferte sie kritische Komponenten, bei denen China noch nicht eigenständig war, wie zum Beispiel für Flugzeugträger.[401] Als Lieferant war die Ukraine neben der Russischen Föderation für China wichtig geworden, da die USA und die Europäische Union im Jahr 1989 ein Waffenhandelsembargo gegen China verhangen hatten.[409]
Dienstleistungen
Bereits im Jahr 2000 hatte der Dienstleistungssektor von allen Sektoren den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Dieser Wert stieg von rund 40 % im Jahr 2000 kontinuierlich auf über 50 % im Jahr 2019.[389]
Bankensektor
Eine seitliche Farbaufnahme des hellroten Backsteingebäudes mit seinen Rundfenstern und Säulen, verziert mit spitzen Türmen und Figuren. Die Architektur erinnert an barocke Kirchen.
Das Gebäude der 1991 gegründeten Zentralbank der Ukraine
Vogelperspektive auf die Stadt bei Sonnenuntergang. Unten links ist ein Teil des Flusses zu sehen und mehrere Hochhäuser ragen aus dem Viertel hervor.
Dnipro gilt als Finanzzentrum des Landes.
Der Geldschein ist mit kyrillischer Schrift und dem Wert bedruckt. In der Mitte ist das Porträt des Mannes und rechts von ihm ist eine grüne Blume gemalt.
1000 Hrywni mit Porträt von Wolodymyr Wernadski
Die Nationalbank der Ukraine fungiert seit den 1990er Jahren als Zentralbank und soll die Geschäftsbanken überwachen.
Allerdings überwachte die Nationalbank die Geschäftsbanken zunächst nicht sehr streng. Während in der ukrainischen Republik der UdSSR der Staat alle Banken besaß und kontrollierte, entstanden seit Anfang der 1990er Jahre in der unabhängigen Ukraine zahlreiche private Banken.[410] 1991 gab es 73 Banken und bereits 1995 waren es etwa 200.[226] Viele davon gehörten Oligarchen und wurden in oligarchische Unternehmenskomplexe integriert. Oligarchen nutzten sie oft, um eigenen oder befreundeten Unternehmen Kredite zu geben (related party lending). Zwar beschränkte der Staat derartige Aktivitäten mittels Gesetzen, aber Banken konnten diese Bestimmungen umgehen.[226]
Des Weiteren beeinflussten Politiker Anfang der 1990er Jahre die Geldpolitik der Nationalbank stark, so dass diese dem Staat und Unternehmen viele Kredite gab. Dies führte 1993/94 zur Hyperinflation.[226] Sie war ein Grund dafür, dass viele Menschen in der Ukraine den Banken und der einheimischen Währung misstrauten: Seit den 1990er Jahren ist ein Großteil der Depositen und Kredite in harten Fremdwährungen denominiert, vor allem in US-Dollar.[226]
In Zusammenhang mit der Russlandkrise von 1998/99 wertete die Hrywnja ab. Darauf bestimmte die Nationalbank einen festen Wechselkurs der Hrywnja zum US-Dollar.[411] So wollte die Nationalbank auf die Inflation reagieren und die ukrainische Währung unterbewertet halten, um die Unternehmen in der Ukraine auf internationalen Märkten konkurrenzfähiger zu machen.[411] Während die ukrainische Stahlindustrie in den 2000er Jahren viel exportieren konnte, ließ die Nationalbank angesichts des Aufwertungsdrucks auch zu, dass die einheimische Währung gegenüber dem US-Dollar etwas aufwertete.[411]
Während die ukrainische Volkswirtschaft nach ihrem Einbruch in den 1990er Jahren in den 2000er Jahren stärker wuchs, dehnten die Banken das Kreditvolumen aus (ca. 32 % des BIP in 2005, ca. 80 % des BIP in 2009).[412] Im Falle der ukrainischen Banken erreichte das Verhältnis von Krediten zu den Einlagen 219 %.[412] Dass die Nationalbank einen festen Wechselkurs zum US-Dollar hielt, begünstigte, dass viele Banken im Ausland Kapital aufnahmen, um es in der Ukraine zu verleihen, und dass viele Haushalte, die keine regelmäßigen Fremdwährungseinkünfte hatten, in harten Fremdwährungen denominierte Kredite nahmen.[412] In den 2000er Jahren kamen auch viele ausländische Banken in die Ukraine. Sie nahmen oft Kredit bei ihrer jeweiligen Mutterbank und verliehen es in der Ukraine, wo die Zinssätze höher waren.[254]
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die 2008 auch die Ukraine erreichte, war die Profitabilität des Bankensektors insgesamt in den Jahren 2009 und 2010 negativ.[261] Der Bankensektor erholte sich bis 2012 und dehnte von Anfang 2013 bis Anfang 2014 das Kreditvolumen aus.[413] Allerdings blieb die Profitabilität des Sektors insgesamt verhalten und sank mit der Krise von 2014 erneut.[414]
Anfang 2014 ließ die Nationalbank zu, dass die Landeswährung stark abwertete. Hatte die Hrywnja in den Krisen von 1998 und 2008 rund 50 bis 60 % an Wert verloren, so waren es im Zeitraum von Anfang 2013 bis Anfang 2014 ca. 30 %.[415] Gründe dafür waren, dass die ukrainische Volkswirtschaft über Jahre ein Leistungsbilanzdefizit verzeichnet hatte und die Nationalbank kaum noch über Devisenreserven verfügte.[415] Letztere wurde zudem von einigen ukrainischen Banken, mit denen sie intransparente Geschäfte gepflegt hatte, unter Druck gesetzt. Der Schritt der Nationalbank war insofern vorteilhaft, da der ukrainische Staat vom Internationalen Währungsfonds finanzielle Hilfe brauchte und der Fonds in den Jahren zuvor einen flexiblen Wechselkurs gefordert hatte.[415] Er baute diese Forderung in seine Programme ein.[416][417]
Im Zuge der Krise, die 2008 begann, zogen sich viele ausländische Banken aus der Ukraine zurück. Die 20 größten Banken, die sich in ausländischem Besitz befanden, machten im Zeitraum von 2010 bis Ende 2012 Verluste von insgesamt etwa 960 Millionen US-Dollar.[418] Der Anteil der ausländischen Banken (russische Banken ausgenommen) an den gesamten Assets des Bankensektors lag 2009 bei 40 % und halbierte sich in den folgenden vier Jahren.[418] Russische Banken hingegen gelang es eher, ihre Marktanteile zu halten.[418] Ukrainische private Banken, die meist Tycoons gehörten oder in oligarchische Unternehmenskomplexe eingegliedert waren, kauften oft Marktanteile anderer ausländischer Banken, die sich zurückzogen, auf.[419] Da die Russische Föderation im Jahr 2014 die Krim in ihr Staatsgebiet eingliederte, zogen sich auf Anweisung der Nationalbank viele Banken von der Krim zurück.[420] Dort rückten russische Banken nach und der Rubel wurde offizielles Zahlungsmittel.[420] Im Falle des Donbass, wo 2014 ein Bürgerkrieg ausgebrochen war, wies die Nationalbank die Geschäftsbanken an, ihren Betrieb einzustellen.[420]
In dem Teil der Ukraine, der von Kiew kontrolliert wurde, versuchten die Nationalbank der Ukraine und der Internationale Währungsfonds, den Bankensektor grundlegend zu reformieren.[286] Es galt die Rolle der Zentralbank zu stärken und strengere Regeln durchzusetzen. Dadurch wurde die Anzahl operativer Banken in der Ukraine von 2014 bis 2017 auf 93 fast halbiert.[287] Viele Oligarchenbanken verschwanden. PrivatBank, die größte Bank der Ukraine, wurde im Jahr 2016 verstaatlicht. Sie war eines der größten oligarchischen Konglomerate im gesamten GUS-Raum gewesen.[289] Sie hatte den Großteil ihrer Mittel für Kredite an mit ihr verbundene Unternehmen genutzt (related party lending), was ihr viele notleidende Kredite beschert hatte.[291] Der Staat schätzte sie als systemrelevante Bank ein und stabilisierte sie aus Steuermitteln mit mehreren Milliarden US-Dollar. Im Aufsichtsrat setzten sich Vertreter der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und des ukrainischen Finanzministeriums sowie unabhängige Ökonomen an die Stelle der Oligarchen.[292]
Die Konzentration stieg an. Hielten Ende 2013 die 20 größten Banken ca. 73 % aller Assets des Sektors, so waren es Anfang 2017 ca. 90 %.[421] Dabei besaß der Staat im Jahr 2017 sieben Banken, die insgesamt ca. 51 % aller Assets des Sektors hatten, während es 2013 rund 18 % gewesen waren. Dem Staat gehörten die vier größten Banken, nämlich PrivatBank, Oschadbank, Ukreximbank und Ukrgasbank.[421] Unter Präsident Wolodymyr Selenskyj gab es Pläne, die Staatsquote im Bankensektor wieder deutlich zu senken.[422] Insbesondere die Reprivatisierung von PrivatBank war dabei ein Politikum. Dabei entschied sich Selenskyj Anfang 2020 dazu, PrivatBank nicht dem ehemaligen Besitzer Ihor Kolomojskyj zurückzugeben. Diese Entscheidung war im Sinne des Internationalen Währungsfonds, der eine solche Entscheidung zu einer Bedingung für weitere Kredite an den ukrainischen Staat gemacht hatte.[423]
Kapitalmärkte
Zwar entwickelten sich in der Ukraine Märkte für Wertpapiere, die in den 2000er Jahren stärker wuchsen, aber noch im Jahr 2021 schätzte die OECD die Kapitalmärkte als relativ unterentwickelt ein.[424][425] So betrug beispielsweise die Marktkapitalisierung in der Ukraine im Jahr 2018 ca. 4,4 Mrd. US-Dollar und rund 3,4 % des Bruttoinlandsproduktes, wohingegen sie in Polen bei 160,5 Mrd. US-Dollar bzw. bei rund 27,3 % des Bruttoinlandsproduktes lag.[425]
In den 2010er Jahren konzentrierte sich der organisierte Handel mit Wertpapieren vor allem auf die Plattformen Perspektiva und Persha Fondova Torgova Systema (PFTS).[426] Dort wurden überwiegend ukrainische Staatsanleihen gehandelt.[426][427]
Im Dezember 2013 sicherte die Russische Föderation der ukrainischen Regierung zu, ukrainische Staatsanleihen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar zu kaufen und die Gaspreise vorübergehend um ein Drittel zu senken, um die ukrainische Wirtschaft zu stützen. Der Premierminister Mykola Asarow präferierte diese Option gegenüber einem EU-Assoziierungsabkommen, das an zu ungünstige Bedingungen des Internationalen Währungsfonds gekoppelt sei. Er äußerte, ohne den Vertrag mit Russland drohe der Staatsbankrott und der Zusammenbruch der Gesellschaft. Laut BBC benötigte die Ukraine für 2014 eine Außenfinanzierung in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar, um weiterhin ihre Schulden bedienen zu können.[428] Auf der anderen Seite investierte das US-amerikanische Investmenthaus Franklin Templeton Investments in ukrainische Staatsanleihen im Wert von 7,6 Milliarden US-Dollar und gehörte somit im Jahr 2014 zu den größten Gläubigern der Ukraine.[429]
Medien
In ihrem 2017 veröffentlichten Bericht äußerte die internationale Nichtregierungsorganisation Freedom House große Besorgnis über die Sicherheitslage der Journalisten in der Ukraine. Sowohl im ukrainischen Kernland als auch in den von russischen Separatisten kontrollierten Gebieten im Osten des Landes seien die Medienvertreter der Gewalt, Einschüchterungen und Belästigungen ausgesetzt.[430] Im Jahr 2016 wurde der regierungskritische Journalist Oles Busyna in Kiew ermordet.[431] Im Juli 2017 wurde der prominente Journalist Pawel Scheremet bei einem Autobombenanschlag in Kiew getötet. Die OSZE äußerte mehrfach Bedenken zur Pressefreiheit in der Ukraine.[432][433] Der Slawist und Journalist Herwig G. Höller behauptete im Jahr 2016, dass es im Gegensatz zur Russischen Föderation in der Ukraine Medienkritik gebe.[434]
Nachrichten- und Presseagenturen
Die staatliche Nachrichtenagentur ist die 1918 gegründete UKRINFORM und setzt täglich rund 300 Meldungen ab.[435] Generaldirektor seit 2011 Oleksandr Detsyk (* 1979).[436] Weitere einflussreiche Unternehmen sind die nichtstaatliche russische Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine und die private Ukrainische Unabhängige Informationsagentur (UNIAN), die von dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj kontrolliert wird.[437] Insgesamt sind rund 35 Nachrichtenagenturen in der Ukraine aktiv, jedoch sind die meisten sehr klein und übernehmen die Informationen der führenden Nachrichtenagenturen. Seit März 2014 spielt das am Majdan Nesaleschnosti im Hotel Ukrajina gelegene Ukrainian Crisis Media Center (UCMC) eine wichtige Rolle. Es wird von George Soros (Open Society Foundations), dem US-Public-Relation-Unternehmen Weber Shandwick und der ukrainischen Regierung finanziert und verbreitet Nachrichtenmeldungen und Bildmaterial zur Krise.[438][439]
Fernsehsender
Beim Fernsehen, das 1951 in der Ukraine eingeführt wurde, gibt es neben dem staatlichen Fernsehen seit 1993 auch sehr viele private Fernsehanbieter, unter anderem:
Nazionalna Telekompanija Ukrajiny, (ukrainisch: Національна Телекомпанія України) ist die staatliche Fernsehanstalt der Ukraine. Sie wurde am 20. Januar 1965 gegründet und unterhält das einzige staatliche Fernsehprogramm UA:Perschyj (UA:Erster).
1+1 ist ein ukrainischer Fernsehsender, an dem seit 3. Juli 2012 maßgeblich Time Warner über die Central European Media Enterprises (CME) beteiligt ist. Der Sender befindet sich im Besitz des Oligarchen Ihor Kolomojskyj. 1+1 zählt zu den Sendern mit dem höchsten Marktanteil in der Ukraine und kann von 95 % der ukrainischen Bevölkerung empfangen werden.
STB ist ein 1997 gegründeter privater Sender, der neben den weiteren fünf TV-Stationen ICTV, Novy Kanal, M1, M2, QTV aktuell dem Oligarchen Wiktor Pintschuk und Gründer der StarLightMedia Group gehört.[440]
Ukraine, ursprünglich 1993 als Regionalsender im Ballungsraum Donezk gegründet, gehörte zur Media Group Ukraine, die über die Holding System Capital Management (SCM) von dem Oligarchen Rinat Achmetow kontrolliert wurde und sehr hohe Einschaltquoten durch seine Fußball-TV-Spartenkanäle erreichte.[440][441]
Inter ist ein weiterer populärer TV-Sender mit sehr hoher Reichweite in der Ukraine, der im Februar 2013 zu 100 % von der Inter Media Group Limited übernommen wurde, die von dem Oligarchen Dmytro Firtasch kontrolliert wird.[440]
24 Kanal ist der erste 24-Stunden-Nachrichtenkanal der Ukraine.
5 Kanal ist ein weiterer Nachrichtenkanal, der 2003 gegründet wurde und bis zum Verkauf vom Gründer und Ex-Präsident Petro Poroschenko kontrolliert wurde.[442]
Espreso TV wurde im Oktober 2013 von Mykola Knjaschyzkyj und anderen gegründet und galt als Sprachrohr der beginnenden Euromaidan-Proteste, nach denen er ursprünglich auch benannt war.[443][444][445]
Hromadske.tv (Bürger-TV) ist ein Internetsender, der mit Hilfe amerikanischer und britischer Stiftungsgelder im November 2013 online ging.[446]
Im Februar 2021 verbot Präsident Selenskyj mit einem Erlass drei oppositionelle Nachrichtensender wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit und Verbreitung von russischer Propaganda, nämlich ZIK, NewsOne und 112 Ukraine. Der Vorsitzende des ukrainischen Journalistenverbandes, Nikolaj Tomilenko, kritisierte es als einen Angriff auf die Meinungsfreiheit.[447] Im Dezember 2021 verbot Selenskyj durch einen Erlass zwei weitere prorussische Nachrichtensender, die die Nachfolger der zuvor gesperrten Kanäle waren, nämlich UkrLive und Pershij Nesaleshnij.
Radiosender
Ukrajinske Radio (Українське Радіо; deutsch: Ukrainischer Rundfunk; englisch: Ukrainian Radio) ist die staatliche Hörfunkanstalt der Ukraine mit dem dazugehörigen Auslandsdienst Radio Ukraine International. Daneben gibt es weitere private Radiosender.
Informationstechnik
Der IT-Sektor hatte im Jahr 2021 einen Anteil von 4 % am Bruttoinlandsprodukt.[448] Die Ukraine wurde bis 2022 ein beliebter Standort für das Outsourcing von IT-Dienstleistungen. Der IT-Sektor exportiert vor allem Dienstleistungen in die USA und in Staaten der Europäischen Union.[449] Der Anteil der Dienstleistungsexporte im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie an den gesamten Dienstleistungsexporten lag 2010 bei 3,9 % und stieg bis 2021 auf 38,1 %.[450] Die betreffenden Exporte erreichten im Jahr 2021 einen Wert von 7,11 Mrd. US-Dollar und lagen damit hinter Polen (11,58 Mrd. US-Dollar) bzw. Rumänien (8,25 Mrd. US-Dollar) und vor der Tschechischen Republik (6,18 Mrd. US-Dollar).[451]
Eine große Zahl ukrainischer Softwareentwicklungsunternehmen befindet sich vor allem in Kiew, Charkiw, Lwiw, Dnipro, Donezk und Simferopol (Krim). Die IT-Industrie beschäftigte im Dezember 2021 etwa 250.000 Ingenieure und Programmierer.[452][453]
Im Bereich der Offshore oder Nearshore-Programmierung sind dabei vor allem EPAM Systems, SoftServe, GlobalLogic und Ciklum nennenswert. EPAM beschäftigte Ende 2021 12.389 Spezialisten, womit die Ukraine für das Unternehmen den bedeutendsten Entwicklungsstandort darstellt.[454] SoftServe als größtes einheimisches IT-Outsourcing Unternehmen beschäftigte Ende 2021 9.462 Spezialisten in der Ukraine.[452] Im Fall von GlobalLogic und Ciklum sind es über 7.370 bzw. über 3.000.[455][456]
Zu den größten Softwareproduzenten und IT-Serviceunternehmen gehören die schweizerische Luxoft mit 3.900 Spezialisten in der Ukraine.[457] Weitere Unternehmen sind der Computerspielhersteller GSC Game World und MacPaw mit seinen 300 Mitarbeitern.[458]
Trotz seines Wachstums stand der ukrainische IT-Sektor in den 2010er Jahren vor einigen Problemen. Zwar exportierte der Sektor viele Dienstleistungen, aber die entsprechende Binnennachfrage war relativ niedrig.[459] Zudem bedeutete die Orientierung zum Outsourcing, dass ein Großteil der Wertschöpfung außerhalb der Ukraine blieb. Niedrig blieben auch die ausländischen Direktinvestitionen.[459] Des Weiteren gingen viele Fachkräfte ins Ausland und ukrainische IT-Unternehmen waren davon abhängig, Technologien zu importieren.[459] Schließlich mangelte es auch an staatlicher Förderung.[459]
Als Präsident setzte Wiktor Janukowytsch die Mehrwertsteuer für IT-Unternehmen ab 2013 für zehn Jahre aus und senkte die entsprechende Körperschaftssteuer.[460] Unter Ministerpräsident Oleksjj Hontscharuk beschloss die Regierung, einen IT-Fonds zu bilden, um in dem Bereich mehr Fachkräfte auszubilden und Wissenschaftler zu fördern.[461] Ebenso bot das Finanzministerium einen Fonds für Start-up-Unternehmen an.[462] Ferner wirkten Präsident Wolodymyr Selenskyj und Hontscharuk mittels der mobilen Anwendung Diia darauf hin, immer mehr öffentliche Dienste des Staates zu digitalisieren.[463] Im Rahmen der Online-Plattform Diia Digital Education sollten mehr und mehr Menschen in der Ukraine digitale Kompetenzen erwerben, um konkurrenzfähiger zu werden.[464] Mit dem Projekt Diia City arbeitete Selenskyj darauf hin, neue Regeln und Besteuerungen für IT-Unternehmen zu schaffen.[465] Dadurch sollte der IT-Sektor weiter wachsen.[466]
Der Anteil der Bevölkerung, der das Internet nutzt, lag im Jahr 2006 bei fünf Prozent. Er stieg von 23 Prozent in 2010 über 49 Prozent in 2015 auf 75 Prozent in 2020.[467] Damit ging der Trend einher, dass immer mehr Menschen in der Ukraine Online-Plattformen nutzten, die Arbeit anboten, wobei die Ukraine zwischen 2013 und 2017 im internationalen Vergleich hervorstach.[468] So waren beispielsweise von 2012 bis 2017 allein auf der Plattform Upwork.com rund 180.000 ukrainische Personen registriert und verdienten insgesamt etwa 262 Millionen US-Dollar.[469] Der IT-Sektor ist einer der größten Bereiche für digitales Freelancing.[469]
Tourismus