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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
81691c55-9bd5-4c8a-92b0-c6ea890a419c | Urteilskopf
116 II 385
71. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1990 i.S. L. X.-C. gegen B. X. (Berufung) | Regeste
Ehescheidung: Urteilsunfähigkeit des Klägers.
Tritt die Urteilsunfähigkeit erst nach Einreichung der Scheidungsklage ein, ist das Verfahren fortzuführen, solange keine Anzeichen vorliegen, die auf eine ernst zu nehmende Änderung des Scheidungswillens schliessen lassen. Offengelassen, ob der gesetzliche Vertreter die Scheidungsklage zurückziehen könnte. | Sachverhalt
ab Seite 385
BGE 116 II 385 S. 385
Bernhard X. klagte am 30. Dezember 1987 beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt gegen Luise X.-C. auf Scheidung der Ehe. Am 16. Mai 1989 wurde die Klage gutgeheissen und die Ehe der
BGE 116 II 385 S. 386
Parteien gestützt auf
Art. 142 ZGB
geschieden. Dieser Urteilsspruch wurde vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 15. Dezember 1989 bestätigt. Dagegen erhebt Luise X.-C. Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und auf die Klage nicht einzutreten. Eventuell sei die Prozessfähigkeit des Klägers von Sachverständigen abzuklären und anschliessend über die Klage zu entscheiden. Mit einem weiteren Eventualantrag verlangt sie die Abweisung der Klage.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Die Beklagte verlangt erstmals vor Bundesgericht, dass auf die Scheidungsklage nicht einzutreten sei. Obwohl es sich dabei um ein neues Begehren handelt, kann trotz
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
ohne Bedenken darauf eingetreten werden. Das Bundesgericht hat schon wiederholt festgehalten, dass die fehlende Prozessfähigkeit von Amtes wegen berücksichtigt werden muss und auch noch im Berufungsverfahren geltend gemacht werden darf, selbst wenn im kantonalen Verfahren nichts dergleichen vorgebracht worden ist (
BGE 48 II 29
E. 3; vgl. auch
BGE 79 II 115
f. E. 3). Im vorliegenden Fall ist diese Einrede indessen bereits im Verlaufe des zweitinstanzlichen Verfahrens erhoben worden. Da die Beklagte diese Möglichkeit selbst noch im Berufungsverfahren gehabt hätte, soll es ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sich vor Appellationsgericht damit begnügt hat, die Abschreibung des Verfahrens oder die Klageabweisung zu verlangen und nun erstmals vor Bundesgericht ein förmliches Nichteintretensbegehren stellt.
3.
Im folgenden ist darüber zu befinden, welche Auswirkungen die auf seiten des Klägers nach Einreichung der Scheidungsklage möglicherweise eingetretene Urteilsunfähigkeit auf den Fortgang des Scheidungsverfahrens nach sich zieht.
Das baselstädtische Appellationsgericht hat einleitend festgestellt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Klageanhebung unbestrittenermassen urteilsfähig gewesen ist. Bei dieser Sachlage - so hat es gefolgert - müsse eine tatsächlich eingetretene Urteilsunfähigkeit ohne Einfluss auf den weiteren Verfahrensverlauf bleiben, denn es genüge, wenn der Wille zum Scheidungsbegehren im Zustand der Urteilsfähigkeit gefasst worden sei.
Die Beklagte wendet dagegen ein, die Urteilsfähigkeit des Klägers müsse als Voraussetzung seiner Prozessfähigkeit kraft
BGE 116 II 385 S. 387
Bundesrechts im Zeitpunkt des Urteils vorliegen und von Amtes wegen abgeklärt werden.
4.
Der Beklagten ist darin beizupflichten, dass die Prozessfähigkeit als prozessuale Seite der Handlungsfähigkeit (vgl.
Art. 14 BZP
) abschliessend durch das Bundesrecht geregelt wird (
BGE 98 Ia 324
E. 3;
BGE 82 II 173
;
BGE 81 I 143
E. 3;
BGE 77 II 9
E. 1;
BGE 44 II 29
E. 3;
BGE 42 II 555
; vgl. die bundesrätliche Botschaft zum Entwurf des BZP vom 14. März 1947, BBl 1947 I S. 1003). Desgleichen ist ihr darin zu folgen, dass sich der Richter von Amtes wegen mit der Prozessfähigkeit der Parteien zu befassen hat und er ein Sachurteil dann nicht fällen darf, wenn es im Zeitpunkt der Urteilsfällung daran gebrechen sollte (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A. Zürich, 1979, S. 220 ff., 229; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. A. Bern, 1988, Kap. 5 Rz. 32, S. 96, Kap. 7 Rz. 78, S. 147).
Für die vorliegend zu beurteilende Frage ist damit allerdings noch nichts gewonnen. Auch den handlungsunfähigen Personen (
Art. 13, 17 ZGB
) kann die prozessuale Durchsetzung ihrer Rechte nicht verwehrt werden, doch muss dies immer dann durch den gesetzlichen Vertreter geschehen, wenn ihnen die Fähigkeit vernunftgemässen Handelns abgeht (
Art. 18 ZGB
). Davon ausgenommen bleiben indessen diejenigen Rechte, die von Lehre und Rechtsprechung gemeinhin als absolut höchstpersönliche Rechte bezeichnet werden (vgl. etwa EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, Bd. I/2, 1976, N. 206 zu
Art. 19 ZGB
; GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, Basel 1967, S. 328; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. A., Zürich 1986, S. 74). Für diese Rechte, deren Geltendmachung durch den Vertreter gemäss schweizerischer Rechtsauffassung wesensgemäss nicht in Frage kommt, wird den urteilsfähigen Unmündigen oder Entmündigten von Gesetzes wegen (
Art. 19 Abs. 2 ZGB
) beschränkte Handlungs- und Prozessfähigkeit zugestanden, womit sie Prozesse über solche Rechte selbst oder durch selbsternannte Vertreter führen dürfen (
BGE 112 IV 10
E. 1). Diese Möglichkeit entfällt indessen bei den urteilsunfähigen Personen, weshalb diesen die gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte im Bereich der vertretungsfeindlichen absolut höchstpersönlichen Rechte schlechthin verschlossen bleibt (
BGE 114 Ia 362
E. 7b/bb).
5.
a) Ein urteilsunfähiger Ehegatte kann gemäss
Art. 18 ZGB
die Scheidung nicht wirksam verlangen. Angesichts der höchstpersönlichen Natur des in Frage stehenden Anspruchs hat
BGE 116 II 385 S. 388
die bisherige Rechtsprechung dem Vormund die Befugnis stets abgesprochen, anstelle seines Mündels die Scheidung zu betreiben (
BGE 114 Ia 362
E. 7b/bb;
85 II 221
;
BGE 78 II 101
;
BGE 77 II 7
;
BGE 68 II 144
; vgl. sodann
BGE 51 II 541
ff., sowie 41 II 556). Wie es sich damit verhält, wenn sich die Urteilsunfähigkeit erst im Verlaufe des Scheidungsverfahrens einstellt, ist dem Bundesgericht - soweit ersehbar - noch nie zur Entscheidung unterbreitet worden. Hingegen hat es im Hinblick auf
Art. 141 ZGB
schon vor geraumer Zeit anerkannt, dass sich der urteilsunfähige Ehegatte einer Scheidungsklage durch seinen gesetzlichen Vertreter widersetzen lassen kann und letzterem hinsichtlich der Nebenfolgen auch ein selbständiges Antragsrecht zusteht (
BGE 85 II 224
;
BGE 68 II 144
). Im übrigen hat das Bundesgericht beim Scheidungskläger immer auch höhere Anforderungen an die Urteilsfähigkeit gestellt als auf seiten der beklagten Partei, wo es bereits als genügend erachtet worden ist, wenn sie sich über den Inhalt des Rechtsstreits einigermassen Rechenschaft geben sowie den Entschluss fassen könne, sich der Klage zu widersetzen und an der Ehe festzuhalten (
BGE 85 II 223
;
BGE 78 II 101
;
BGE 77 II 12
).
Die bisherige Rechtsprechung gründet im wesentlichen in der Überlegung, dass die Klage auf Trennung oder Scheidung der Ehe auf dem persönlichen Willensentschluss des Ehegatten beruhen müsse. Wo ein solcher Entschluss zufolge fehlender Urteilsfähigkeit nicht möglich sei, könne niemals mit Sicherheit angenommen werden, wie sich der betroffene Ehegatte im Besitze seiner geistigen Kräfte entschieden hätte, abgesehen davon, dass eine solche Vermutung den allein massgebenden persönlichen Entschluss nicht zu ersetzen vermöchte (
BGE 68 II 146
/147). Das Bundesgericht hat indessen gleichermassen die praktischen Gründe in seine Erwägungen miteinbezogen und mit Blick auf die im Bereich des Eheschutzes und des Kindschaftsrechts - insbesondere die Möglichkeit zur Anfechtung der Ehelichkeitsvermutung gemäss altArt. 256 ZGB - vorhandenen Vorkehren erkannt, dass die Interessen des urteilsunfähigen Ehegatten auch ohne die Auflösung der Ehe hinreichenden Schutz erführen (
BGE 68 II 148
; zur Befugnis des Vormundes im Bereich des Güterrechts, vgl.
BGE 50 II 439
f.).
b) Eine andere Auffassung als das Bundesgericht hat sich die I. Zivilkammer des Berner Appellationshofes zu eigen gemacht; mit rechtskräftigem Urteil vom 5. Oktober 1929 hat sie die in Vertretung des Urteilsunfähigen erhobene Scheidungsklage geschützt (ZBJV 66/1930, S. 514 ff., sowie SJZ 26/1929/30, S. 286).
BGE 116 II 385 S. 389
Dieses Urteil mag insofern nicht erstaunen, als der Gesetzgeber die darin entschiedene Frage nicht ausdrücklich geregelt hat und mit Bezug darauf seit jeher verschiedene Auffassungen vertreten werden (vgl. bereits die kritischen Ausführungen von CURTI, in SJZ 1/1905, S. 5 f.).
aa) Verschiedene Autoren haben dafür gehalten, dass der Vormund mit behördlicher Zustimmung gemäss
Art. 421 Ziff. 8 ZGB
das Klagerecht für den Urteilsunfähigen soll ausüben können (ROSSEL/MENTHA, Manuel du droit civil suisse, Bd. I, 2. A. Lausanne/Genf 1922, N. 386, S. 251 oben; KAUFMANN, Berner Kommentar, 2. A. 1924, N. 17 zu
Art. 407 ZGB
, hat die Vertretung ausnahmsweise für denkbar gehalten; noch offengelassen in SJZ 12/1915, S. 12 f.; FRANZ GALLIKER, Die Ausübung der höchstpersönlichen Rechte durch den urteilsfähigen und den urteilsunfähigen Bevormundeten, Basler Diss. 1950, MaschSchr, S. 120 ff.; WERNER STOCKER, Fragen der prozessualen Handlungsfähigkeit des Nichtmündigen, in: Probleme und Ziele der vormundschaftlichen Fürsorge, Festschrift zum 50jährigen Bestehen der Vereinigung schweizerischer Amtsvormünder, Zürich 1963, S. 197). Zuweilen ist die vertretungsweise Geltendmachung des Scheidungsanspruchs immerhin dann als zulässig erachtet worden, wenn ein absoluter Scheidungsgrund vorliegt (MARC JACCARD, La représentation des incapables privés de discernement dans l'exercice de leurs droits strictement personnels, Diss. Lausanne 1955, S. 61 ff.; kritisch dazu STOCKER, a.a.O., S. 198, Fn. 4), während andere einschränkend verlangt haben, dass die der Urteilsunfähigkeit zugrundeliegende Krankheit drei Jahre gedauert und mittels Gutachtens als unheilbar erkannt worden oder aber erst nach Anhebung des Scheidungsprozesses eingetreten sein müsse (JACQUES LADOR, Des droits strictement personnels, Diss. Lausanne (Besançon) 1933, S. 85/86).
bb) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung entspricht der von den älteren Autoren mehrheitlich geäusserten Meinung. Nach CURTI-FORRER (Schweizerisches Zivilgesetzbuch mit Erläuterungen, Zürich 1911, N. 2 zu Art. 407, sowie SJZ 1/1905, S. 5/6) haben sich namentlich EGGER (Zürcher Kommentar, 2. A. 1930 bzw. 1936, N. 10 zu
Art. 19 ZGB
und N. 5 zum
Art. 143 ZGB
, mit weiteren Hinweisen), GMÜR (Berner Kommentar, 2. A. 1923, N. 15 f. zu Vorbemerkungen zum 4. Titel und N. 8 zu
Art. 144 ZGB
) und seither auch andere gegen die Zulässigkeit einer vertretungsweisen Geltendmachung des dem Urteilsunfähigen zustehenden
BGE 116 II 385 S. 390
Scheidungsanspruchs gewendet (vgl. auch WERNER BAUMANN, Die höchstpersönlichen Rechte des Bevormundeten, in ZVW 11/1956 S. 5; URSULA GONTERSWEILER-LÜCHINGER, Die Wahrung höchstpersönlicher Rechte handlungsunfähiger und beschränkt handlungsfähiger Personen, Zürcher Diss. 1955, S. 48; GROSSEN, a.a.O., S. 334, bei Fn. 22; sinngemäss auch GEORGES SAUSER-HALL, SJK Nr. 576, S. 7 oben).
cc) Demgegenüber scheint sich im jüngeren Schrifttum tatsächlich die Auffassung durchzusetzen, dass eine Änderung der Rechtsprechung angezeigt wäre und dem Vormund die Befugnis zuzuerkennen sei, im Namen des urteilsunfähigen Mündels die Scheidungsklage einzureichen (vgl. BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 3. A. 1980, N. 46 und 53 zu
Art. 143 ZGB
, mit weiteren Hinweisen; offen bei EUGEN BUCHER, a.a.O., N. 249 f. zu
Art. 19 ZGB
; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 2. A. Bern 1986, Rz. 971, S. 261; weniger deutlich DESCHENAUX/TERCIER, Le mariage et le divorce, 3. A. Bern 1985, Rz. 777, S. 147; ohne Begründung auch HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, 2. A. Bern 1987, Rz. 12.15, S. 113; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. A. Zürich 1967, S. 204 in fine; demgegenüber noch die Vorauflage, S. 155 ff.; sinngemäss STETTLER, Droit civil, Représentation et protection de l'adulte, Freiburg 1989, Rz. 47 in fine, S. 29; anderer Meinung indessen RICHARD FRANK, Persönlichkeitsschutz heute, Zürich 1983, Rz. 369, S. 153). Anstoss zur Kritik an der Rechtsprechung gibt mitunter deren ungleiche Betrachtungsweise, indem sich der urteilsunfähige Ehegatte im Scheidungsprozess zwar in der Rolle des Beklagten durch einen Vormund vertreten lassen darf, nicht aber in derjenigen des Klägers (ANDREAS BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, Basel 1986, Rz. 175, S. 61). Aber auch ein Blick auf ausländische Gesetzgebungen macht klar, dass die vertretungsweise Geltendmachung des Scheidungsanspruchs nicht schlechterdings unmöglich sein muss (vgl. etwa für Frankreich: COLOMBET/FOYER/HUET-WEILLER/LABRUSSE-RIOU, Divorce, dictionnaire juridique, Paris 1984, S. 261 f.; LINDON/BERTIN/GUINCHARD, in Jur.-Clas., Stand 1989, Art. 247 bis 252-3, Fasc. 1/30, N. 53 ff.; für Deutschland: JOHANNSEN/HENRICH, Eherecht: Scheidung, Trennung, Folgen, Kommentar, München 1987, N. 33 zu § 1564 BGB und N. 7 zu
§ 607 ZPO
).
6.
Es fällt auf, dass die in der Lehre geäusserte Kritik an der hergebrachten Rechtsprechung zur Problemlösung kaum beizutragen
BGE 116 II 385 S. 391
vermag, zumal die abweichenden Meinungen mehrheitlich gar nicht begründet werden oder vereinzelt bereits als überholt gelten müssen (letzteres gilt namentlich für die von JACCARD vorgeschlagene Beschränkung der Vertretung auf die absoluten Scheidungsgründe, a.a.O., S. 61 ff.). Dass eine besondere Kategorie von Rechten anerkannt wird, die sich durch ihren hohen persönlichkeitsbezogenen Gehalt von allen andern Rechten unterscheidet, deren Ausübung indessen im Falle der Urteilsunfähigkeit des Rechtssubjekts nicht gewährleistet wird, bereitet in der Tat Unbehagen. Ebenso unbestreitbar bleibt freilich, dass sich auch das Verbot der vertretungsweisen Rechtsausübung unmittelbar aus der Persönlichkeit des Rechtsinhabers herleiten und rechtfertigen lässt. Gleichzeitig darf beigefügt werden, dass in Anbetracht der herrschenden relativen Betrachtungsweise, wonach die Urteilsfähigkeit einer bestimmten Person stets nur im Hinblick auf die in Frage stehende Handlung zu ermitteln ist, die Fälle eher selten bleiben dürften, in denen ihr Vorhandensein mit Bezug auf die Ausübung des Scheidungsanspruchs zu verneinen wäre (vgl. bezüglich
Art. 97 ZGB
:
BGE 109 II 276
ff.; bezüglich des Scheidungsanspruchs: ZR 48/1949 Nr. 55, S. 96 ff.; ZBJV 92/1956 S. 233 f., kritisch HINDERLING, a.a.O., S. 204, zustimmend dagegen MERZ, ZBJV 96/1960, S. 399 anlässlich seiner Kritik an
BGE 78 II 101
und
BGE 77 II 12
). Abgesehen davon, fehlt es nach wie vor an praktischen Gründen, die in diesem Bereich die Zulassung der gesetzlichen Vertretung gebieten würden. So kann etwa die Ehelichkeitsvermutung (
Art. 255 ZGB
) nach überwiegender Lehrmeinung durchaus vom gesetzlichen Vertreter angefochten werden (vgl. EUGEN BUCHER, a.a.O., N. 252 zu
Art. 19 ZGB
; HEGNAUER, Berner Kommentar, Bd. II/2/1, 4. A. 1984, N. 37 zu
Art. 256 ZGB
, mit weiteren Hinweisen; STETTLER, Le droit suisse de la filiation, in Traité de droit privé suisse, Bd. III/II, 1, Freiburg, 1987, S. 188), und an den von der Rechtsprechung bereits früh aufgezeigten Möglichkeiten des Vormunds (vgl. bereits
BGE 68 II 148
;
BGE 50 II 439
), anstelle des urteilsunfähigen Mündels um Schutz der ehelichen Gemeinschaft nachzusuchen, hat sich auch nach Inkrafttreten des revidierten Eherechts nichts geändert (vgl. insbesondere
Art. 185 Abs. 3 ZGB
; im übrigen DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, Bern 1987, § 13 B, S. 155). Ob sich vor diesem Hintergrund eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung geradezu aufdrängt, mag bezweifelt werden. Diese Frage braucht indessen im vorliegenden Fall, wo
BGE 116 II 385 S. 392
sich das Problem in ganz anderer Form stellt, ohnehin nicht entschieden zu werden.
7.
Nach Ansicht des Appellationsgerichts soll der Kläger seinen Entschluss, sich scheiden zu lassen, tatsächlich im Zustand der Urteilsfähigkeit gefasst haben. Die Beklagte hat dies nie angezweifelt und insbesondere auch nicht beanstandet, dass die Vorinstanz von der Einholung eines besonderen ärztlichen Berichts hiezu abgesehen hat.
a) Fehlte es in den vom Bundesgericht bislang beurteilten Fällen an jeglichen Hinweisen dafür, wie sich der betroffene Ehegatte zur Fortführung der Ehe stellen könnte, liegt hier eine klare Willensbekundung vor. Damit ist wenigstens eine Schwierigkeit beseitigt, denn es darf dem Kläger - anders als dem seit je Urteilsunfähigen - mit Sicherheit zugebilligt werden, dass er wenigstens im Zeitpunkt der Klage den eigenen Willen zur Scheidung gehabt hat (vgl. dazu
BGE 68 II 147
). Wohl ist einzuräumen, dass ein solcher Wille während des Prozesses, unter Umständen gar noch im Rechtsmittelverfahren, geändert werden und sich der Kläger zum Klagerückzug entschliessen könnte. Sofern sich sein Gesundheitszustand tatsächlich derart verschlechtert haben sollte, dass ihm mit Bezug auf das Scheidungsverfahren die Urteilsfähigkeit abgesprochen werden müsste, bleibt ihm freilich auch die Wahrnehmung dieses Rechts verschlossen.
Bei dieser Sachlage drängt sich unweigerlich die Frage auf, ob der Prozess - wie dies mitunter im Schrifttum befürwortet wird - einzustellen sei (so offenbar BÜHLER/SPÜHLER, a.a.O., N. 52 zu Art. 143). Diese Verfahrensweise ist indessen in Übereinstimmung mit der Vorinstanz zu verwerfen. Die Einstellung des Verfahrens entspräche dem prozessualen Vorgehen im Falle des Todes eines Ehegatten (vgl.
BGE 51 II 541
f. E. 1; GULDENER, a.a.O., S. 144, Fn. 3). Der Tragweite des betroffenen Rechts und damit der nach wie vor existierenden Persönlichkeit des Rechtsträgers würde sie mitnichten gerecht; sie liesse sich insbesondere auch nicht mit einem allfälligen Sinneswandel der klagenden Partei begründen, dem zwangsläufig jede prozessrechtliche Erheblichkeit abgesprochen werden müsste. Gerade aus der hohen Persönlichkeitsbezogenheit des in Frage stehenden Anspruchs muss sich vielmehr ergeben, dass dem Scheidungswillen, wie ihn der Kläger im Besitze seiner geistigen Kräfte hinlänglich bekundet hat, nicht mit der Einstellung des Verfahrens begegnet werden darf, solange keine Anzeichen dafür vorliegen, die auf eine ernst zu nehmende
BGE 116 II 385 S. 393
Änderung dieses Willens schliessen liessen. Diese Auffassung steht zur bisherigen Rechtsprechung nicht in Widerspruch, sondern sie bleibt wie diese ganz dem Willen der betroffenen Persönlichkeit verpflichtet.
b) Vorliegend deutet nichts darauf hin, dass der Kläger von seiner klar geäusserten Scheidungsabsicht Abstand genommen haben könnte. Er hat an diesem Willen bewusstermassen bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens festgehalten und in der Folge auch von der Anfechtung des zivilgerichtlichen Urteils abgesehen. Seine Urteilsfähigkeit ist erst im späteren Verlaufe des zweitinstanzlichen Verfahrens angezweifelt und damit die Scheidungsfrage neu aufgeworfen worden. Im übrigen gebricht es vorliegend aber auch an Anhaltspunkten dafür, dass sich der gesetzliche Vertreter dem klar geäusserten Scheidungswillen des Klägers entgegengestellt hätte. Man kann daher die Frage ohne weiteres auf sich beruhen lassen, ob und inwieweit jener hinsichtlich des Scheidungspunktes ein selbständiges Antragsrecht ausüben könnte oder ob er lediglich über die Nebenfolgen der Ehescheidung verfügen dürfte.
Nach dem Gesagten hat somit das baselstädtische Appellationsgericht Bundesrecht nicht verletzt, wenn es die bei Klageeinreichung vorhandene Urteilsfähigkeit und den in diesem Zustand unmissverständlich manifestierten Scheidungswillen des Klägers hat genügen lassen. Soweit es dem Antrag um Begutachtung keine Folge geleistet hat, liegt auch keine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften vor, weshalb auf das vor Bundesgericht wiederholte Begehren um Abklärung der Urteilsfähigkeit nicht einzutreten ist. Schliesslich ist der Beklagten entgegenzuhalten, dass von einer Bundesrechtsverletzung auch deshalb nicht die Rede sein kann, weil bei der Beurteilung der Zerrüttung nicht auf die Verhältnisse zur Zeit des Urteils abgestellt worden ist. Für diese Frage ist das kantonale Recht massgebend (BÜHLER/SPÜHLER, a.a.O., N. 18 zu
Art. 142 ZGB
), dessen Anwendung der Überprüfung des Bundesgerichts jedenfalls im vorliegenden Verfahren entzogen bleibt (
BGE 116 II 90
E. 4b).
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Berufung, soweit darauf eingetreten werden kann, unbegründet ist und das angefochtene Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt zu bestätigen ist. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
816b1600-ef92-4da2-97d7-1b7d2b7c237b | Urteilskopf
95 IV 84
22. Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1969 i.S Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Huber. | Regeste
Überholen.
1.
Art. 35 Abs. 1 und 2 SVG
. Im Sinne des Gesetzes überholt ein Fahrer, wenn er einem andern Fahrzeug, das sich vor ihm in gleicher Richtung, aber langsamer bewegt, links oder rechts vorfährt (Erw. 1).
2. Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VR V. Auf der Autobahn ist das Rechtsüberholen auch dann verboten, wenn der Vorausfahrende den linken Fahrstreifen nicht freigibt (Erw. 2).
3. Art. 90Ziff. 2 SVG. Fall einer groben Missachtung des Verbotes, rechts zu überholen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 84
BGE 95 IV 84 S. 84
A.-
Der 30jährige Peter Huber fuhr am 13. Februar 1968 bei einbrechender Dämmerung mit seinem Personenwagen "Volvo" auf der Autobahn N 3 von Horgen Richtung Zürich. Er schloss rasch zu einem "Peugeot"- Personenwagen auf, der,
BGE 95 IV 84 S. 85
vom 64jährigen Jakob Siegwart geführt, zum Überholen eines Lastzuges ansetzte. Huber folgte ihm in der Absicht, beide Fahrzeuge in einem Zuge zu überholen. Auf der Höhe des Lastzuges gab er Siegwart mit den Scheinwerfern Lichtsignale, um ihn zur Freigabe des linken Fahrstreifens zu veranlassen; er will die Signale noch zwei- oder dreimal wiederholt haben, ohne dass Siegwart die linke Spur verliess. Huber bog daraufhin vor dem Lastzug auf die rechte Spur ein und fuhr dem "Peugeot"-Wagen im Augenblick, als Siegwart wieder einschwenken wollte, rechts vor.
Siegwart erstattete gegen Huber Strafanzeige. Er erklärte, er sei schon vor Horgen mit der dort signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/Std gefahren und habe diese auch beim Überholen des Lastzuges beibehalten. Huber bestritt, vor oder während des Überholmanövers eine höhere Geschwindigkeit gehabt zu haben; er hielt der Anzeige zudem entgegen, Siegwart sei hartnäckig links gefahren und habe ihm die linke Spur nicht freigegeben. Laut seinen ersten Aussagen war Huber zwischen 100 und 150, nach den spätern Angaben zwischen 100 und 250 m vom Lastwagen entfernt, als er dem "Peugeot"-Wagen rechts vorfuhr.
B.-
Beide Personenwagenführer wurden der groben Verletzung von Verkehrsregeln angeklagt, Huber weil er den "Peugeot" rechts überholt, Siegwart weil er die Fahrt trotz dem unmittelbar folgenden "Volvo" mit links gestelltem Blinker auf der linken Spur fortgesetzt habe.
Das Bezirksgericht Horgen erklärte Huber am 18. September 1968 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von
Art. 90 Ziff. 2 SVG
zu 600 Franken Busse. Siegwart sprach es frei. Das Bezirksgericht nahm an, Siegwart habe beim Überholen des Lastzuges wohl übervorsichtig gehandelt; es sei aber in keiner Weise erwiesen, dass er den Angeklagten Huber vor dem Wiedereinbiegen habe behindern wollen.
C.-
Auf Berufung des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Zürich Huber am 27. März 1969 ebenfalls frei.
Das Obergericht begründet den Freispruch vor allem damit, Überholen im Sinne des SVG bedeute stets ein Ausschwenken und Wiedereinbiegen in der Absicht, ein auf gleicher Fahrbahn langsamer fahrendes Fahrzeug hinter sich zu lassen; dadurch unterscheide sich das Überholen vom blossen Vorbeifahren.
BGE 95 IV 84 S. 86
Der Angeklagte Huber sei vor dem "Peugeot" nicht wieder auf die linke Spur eingeschwenkt; er habe somit nicht überholt, sondern sei bloss im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 VRV
, der auch für den Verkehr auf der Autobahn gelte, an einem andern Fahrzeug vorbeigefahren. Die Anwendung dieser Bestimmung auf den Autobahnverkehr habe keine besonderen Gefahren zur Folge, da der Führer gemäss
Art. 44 Abs. 1 SVG
den Fahrstreifen nur wechseln dürfe, wenn er dadurch den übrigen Verkehr nicht gefährde. Das Vorbeifahren rechts an einem andern Fahrzeuge müsse daher auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen immer dann gestattet sein, wenn es zu keiner Störung des Verkehrs Anlass gebe. Einzig diese Auslegung werde dem
Art. 8 Abs. 3 VRV
für den Verkehr auf Autobahnen gerecht.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten Huber nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
an die Vorinstanz zurückzuweisen.
E.-
Huber beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Das Überholen im Sinne des Strassenverkehrsrechtes setzt entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht voraus, dass der Führer vor dem Vorfahren ausbiege und nachher wieder einschwenke. Gewiss beginnt der Überholvorgang in der Regel mit dem Ausbiegen und endet mit dem Wiedereinschwenken; diese Bewegungen gehören jedoch nicht notwendig zum Begriff des Überholens. Das Überholen besteht darin, dass ein Fahrzeug einem andern, das sich vor ihm in gleicher Richtung, aber langsamer bewegt, links oder rechts vorfährt. Ein Überholen liegt daher z.B. schon vor, wenn ein Fahrzeug einem andern, das nach links eingespurt hat, rechts vorfährt, also weder auszubiegen noch wieder einzuschwenken braucht. Das Gesetz spricht diesfalls denn auch selber von Überholen (
Art. 35 Abs. 6 SVG
). Ebenso überholt, wer von links her auf eine Strasse einbiegt und dort einem andern vorfährt, ohne vorher hinter ihm angeschlossen zu haben, oder wer nach dem Vorfahren vorschriftswidrig links bleibt.
Dieser Begriff des Überholens lag schon dem alten Recht zugrunde, und das neue hat daran nichts geändert (s. Komm. STREBEL, N. 21 zu Art. 26 MFG; Komm. BADERTSCHER/SCHLEGEL
BGE 95 IV 84 S. 87
zum SVG, 2. Auflage, S. 103). Eine Änderung ist insbesondere nicht darin zu erblicken, dass in
Art. 8 Abs. 3 VRV
bloss von Vorbeifahren die Rede ist. Diesem Ausdruck, den das neue Recht sonst vor allem für das Umfahren von Hindernissen verwendet (
Art. 35 Abs. 2 SVG
, Art. 7 Abs. 3, 19 Abs. 3 und 37 Abs. 2 VRV), kommt neben dem Begriff Überholen keine selbständige Bedeutung zu; das erhellt am besten aus den romanischen Texten, wo er sehr verschieden wiedergegeben wird. Übrigens galten die Regeln über das Überholen unter der Herrschaft des MFG sinngemäss auch für das Vorbeifahren an Hindernissen (
BGE 76 IV 132
Erw. 2), und das neue Recht macht in
Art. 35 Abs. 2 SVG
die Zulässigkeit dieser beiden Verkehrsvorgänge von den gleichen Voraussetzungen abhängig.
Indem Huber dem "Peugeot"-Wagen rechts vorfuhr, hat er daher ein anderes Fahrzeug im Sinne des Gesetzes überholt.
2.
Die Verkehrsordnung beruht insbesondere auf den Geboten, dass rechts zu fahren und links zu überholen ist (Art. 34 Abs. 1 und 35 Abs. 1 SVG). Diesen beiden Grundregeln entspricht, dass der Führer auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen, ausser beim Überholen, Einspuren und beim Fahren in parallelen Kolonnen, den äussersten Streifen rechts benützen muss (
Art. 8 Abs. 1 VRV
) und dass er nach dem Überholen wieder einzubiegen hat, sobald für den überholten Strassenbenützer keine Gefahr mehr besteht (
Art. 10 Abs. 2 VRV
). Diese Ordnung gilt auch auf Autobahnen und Autostrassen, soweit der Bundesrat für sie nicht gestützt auf
Art. 43 Abs. 3 SVG
besondere Regeln erlassen hat. Die Vorinstanz ist nicht der Meinung, der Bundesrat habe für das Überholen auf Autobahnen besondere Bestimmungen aufgestellt; sie glaubt den Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VRV aber gleichwohl entnehmen zu können, dass das Rechtsüberholen (ohne Ausschwenken und Wiedereinbiegen) auf Autobahnen grundsätzlich gestattet sei.
a) Nach
Art. 36 Abs. 5 Satz 2 VRV
ist auf Autobahnen und Autostrassen das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen verboten. Der Umkehrschluss aus dieser Bestimmung würde in der Tat ergeben, dass auf Autobahnen und Autostrassen das ohne Spurwechsel vollzogene Rechtsüberholen erlaubt sei. Eine derart verkappte Regelung einer so wichtigen Frage widerspräche indes schon den Anforderungen, die an eine klare Verkehrsordnung gestellt werden müssen. Wie in
BGE 93 IV 121
ausgeführt worden ist, war nach der Entstehungsgeschichte
BGE 95 IV 84 S. 88
der Verordnung eine so einschneidende Abweichung von der gesetzlichen Regelung zudem gar nicht beabsichtigt, da man in
Art. 36 Abs. 5 VRV
bloss allgemeine Regeln wiederholen wollte. Diesfalls hätte man auf die Wiederholung freilich besser verzichtet, erwecken Satz 2 und 3 der Bestimmung doch eher den Eindruck einer Sonderregelung. Entscheidend ist indes, dass sie in Wirklichkeit nicht als solche erlassen wurden, sondern nur allgemein geltende Vorschriften noch besonders hervorheben sollten.
Art. 8 Abs. 3 VRV
sodann hat keineswegs den allgemeinen Sinn, auf den sein Wortlaut schliessen liesse (
BGE 94 IV 126
). Gewiss sind Autobahnen "Strassen mit mehreren Fahrstreifen". Sie weisen für jede der beiden Richtungen getrennte Fahrbahnen auf, die in der Regel, wie das bei der Autobahn N 3 der Fall ist, in zwei Fahrstreifen unterteilt sind. Auch sind unter Fahrstreifen entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft markierte Fahrspuren überhaupt, nicht nur Einspurstrecken zu verstehen, die als solche gekennzeichnet sind. Der Begriff der Fahrspur ist lediglich weiter als derjenige des Fahrstreifens, was in den Verordnungen freilich nicht klar zum Ausdruck kommt (vgl. insbes. Art. 1 Abs 5, 11 Abs. 1 und 13 Abs. 2 VRV, Art. 52 Abs. 2 und 3 sowie
Art. 53 Abs. 1 SSV
).
Das blosse Vorhandensein mehrerer Fahrstreifen berechtigt einen Fahrer jedoch nicht, ein auf dem linken Streifen in gleicher Richtung verkehrendes Fahrzeug rechtsseits zu überholen. Wollte man der gegenteiligen Auffassung des Obergerichts folgen, so müsste auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen das Linksfahren ebenso allgemein erlaubt sein. Damit aber würde die gesetzliche Ordnung, wonach Fahrzeuge grundsätzlich rechts fahren müssen und nur links überholen dürfen, in ihr Gegenteil verkehrt. Das widerspräche zudem dem Sinn und Zweck der in
Art. 8 Abs. 1 und 3 VRV
enthaltenen Ausführungsvorschriften. Aus dem Vergleich dieser Vorschriften erhellt, dass das Rechtsüberholen nur erlaubt sein kann, wo gleichzeitig dem zu Überholenden das Linksfahren gestattet oder vorgeschrieben ist, der Rechtsüberholende also annehmen kann, der Linksfahrende werde seine Fahrtrichtung beibehalten. Das ist insbesondere der Fall beim Fahren in parallelen Kolonnen. Doppelkolonnen können und dürfen sich bei dichtem Verkehr und genügendem Raum (
Art. 8 Abs. 2 VRV
) vor allem in Städten bilden. Diesfalls darf die rechte Kolonne an
BGE 95 IV 84 S. 89
der linken vorbeifahren, wenn diese vorübergehend langsamer fährt oder ins Stocken gerät. Das liegt im Interesse des Verkehrsabflusses und bedeutet bei dem naturgemäss eher langsamen Kolonnenverkehr keine besondere Gefahr. Zulässig ist das Rechtsüberholen ferner, wenn das langsamere Fahrzeug oder die langsamere Kolonne zum Abbiegen nach links eingespurt hat (
Art. 35 Abs. 6 SVG
). Andere Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung können den Abs. 1 und 3 von
Art. 8 VRV
vernünftigerweise nicht entnommen werden.
b) Auf Autobahnen das Gebot des Linksüberholens zu lockern, wäre entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht zu verantworten. Mit Rücksicht auf die hohen Geschwindigkeiten, mit denen Autobahnen befahren werden, ist auf solchen Strassen schon das Wechseln des Fahrstreifens zum Linksüberholen mit erheblichen Gefahren verbunden, zumal oft unvorsichtig ausgeschwenkt und unnütz überholt wird. Diese Gefahren würden aber in nicht zu rechtfertigender Weise erhöht, wenn ein Fahrer ein langsameres Fahrzeug auf dem rechten Streifen links und ein solches auf dem linken Streifen rechts überholen dürfte, wie das hier geschehen ist. Wieso solche Schlängelfahrten dem Verkehr auf Autobahnen gerecht werden sollen, ist nicht zu verstehen, sind sie doch sehr geeignet, Unsicherheit und Verwirrung zu schaffen. Der Linksüberholende müsste jederzeit damit rechnen, beim Wiedereinschwenken gestört zu werden, und der Rechtsüberholende hätte keine Gewähr dafür, dass der Linksfahrende nicht plötzlich wieder vor ihm nach rechts einbiegen werde.
Die Vorinstanz meint freilich, die besondere Vorsichtspflicht treffe in solchen Fällen den Führer, der den Streifen wechseln wolle, also den Vordermann. Gewiss muss auch der Fahrer, der nach dem Überholen wieder nach rechts einschwenken will, auf nachfolgende Fahrzeuge Rücksicht nehmen. Die Beobachtung nach hinten ist ihm aber nur beschränkt möglich. Um ihm das Wiedereinbiegen zu erleichtern, darf der Überholte die Geschwindigkeit denn auch nicht erhöhen (
Art. 35 Abs. 7 Satz 2 SVG
). Umso unverständlicher wäre es, wenn einem andern Fahrer gestattet würde, sich vor den Überholten zu setzen, um das zu tun, was diesem ausdrücklich verboten ist.
Zu bedenken ist ferner, dass der Verkehr in hohem Masse an klaren und einfachen Regeln interessiert ist, die Beachtung wichtiger Grundregeln aber ins freie Ermessen des einzelnen
BGE 95 IV 84 S. 90
Fahrers gestellt würde, wenn auf Autobahnen nicht nur links, sondern auch rechts überholt werden dürfte. Auch liegt auf der Hand, dass von dieser Möglichkeit vor allem verwegene Fahrer Gebrauch machen würden. Ein pflichtbewusster Fahrer sieht davon schon aus eigenem Interesse ab. Die allgemeinen Gebote, rechts zu fahren und nur links zu überholen, müssen auf Autobahnen umso strenger gelten, als hier Umstände, die auf andern Strassen Ausnahmen rechtfertigen, weitgehend entfallen. Wenn ein Fahrer, wie das Obergericht einwendet, mit seinem Wagen auf der Überholspur stecken bleibt und ein anderer, der sich plötzlich in eine gefährliche Lage versetzt sieht, zur Vermeidung eines Unfalles auf die rechte Spur ausweicht, so kann sich dieser zu seiner Rechtfertigung auf Notstand (
Art. 34 StGB
) berufen. Es verhält sich hier nicht anders als bei Übertretung anderer Verkehrsregeln (vgl.
BGE 61 I 432
,
BGE 63 I 59
,
BGE 83 IV 84
; ferner NOLL, ZStR 1964 S. 179/180). Dagegen berechtigt der Umstand, dass ein Fahrer mit dem Wiedereinschwenken zögert oder übermässig lange auf der Überholspur verbleibt, einen andern Führer nicht, sich seinerseits über die Verkehrsordnung hinwegzusetzen. Das Rechtsüberholen ist auch dann verboten, wenn der Vordermann nicht ausweicht, sondern im gleichen Zuge noch weitere Fahrzeuge überholen will (vgl. das vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement herausgegebene Handbuch der Verkehrsregeln, R. 106 am Ende sowie die Abbildung zu R. 105). Schlängelfahrten unter solchen Umständen wären besonders gefährlich.
c) Die Schweiz stünde übrigens mit der vom Obergericht befürworteten Regelung offensichtlich allein da, was für den internationalen Verkehr höchst unerwünscht wäre. In der Deutschen Bundesrepublik, die auf diesem Gebiet viel Erfahrung hat, ist das Rechtsüberholen auf der Autobahn grundsätzlich verboten. Das gilt auch für den Fall, dass auf der Überholspur eine Kolonne und rechts nur einzelne Fahrzeuge verkehren. Ausnahmen sind nur zugelassen, wenn auf beiden Fahrstreifen Kolonnenverkehr herrscht und selbst dann ist das Rechtsüberholen nur innerhalb eng gezogener Grenzen gestattet (Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, Bd. 12 S. 258, sowie dessen Beschluss vom 3. Mai 1968, abgedruckt in der Zeitschrift "Deutsches Autorecht" 1968 S. 248).
Die belgische, französische und italienische Strassenverkehrsordnung nehmen Autobahnen und Autostrassen vom Gebot
BGE 95 IV 84 S. 91
des Linksüberholens ebenfalls nicht aus (Belgien: VAN ROYE, Le code de la circulation, Nr. 906, 917, 920 und 921; Frankreich: BEDOUR, Précis des accidents d'automobile, S. 21, 22 und 90; Italien: CIGOLINI, La responsabilità dalla circolazione stradale, S. 466, 467, 468 und 490). Auch der Entwurf einer europäischen Strassenverkehrsordnung enthält unter den Sonderregeln, die für den Verkehr auf Autobahnen gelten (Art. 42 ff.) keine vom Gebot des Linksüberholens (Art. 21) abweichende Sonderbestimmung.
3.
Auf welche Entfernung vom überholten Fahrzeug ein Fahrer wieder nach rechts einzubiegen hat, ist eine Rechtsfrage, deren Beurteilung vor allem von den Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge abhängt. Je grösser der Unterschied dieser Geschwindigkeiten ist, desto kleiner der Überholweg, und umgekehrt. Das angefochtene Urteil enthält keine Angaben über die Geschwindigkeit des Lastzuges und des "Peugeot". Siegwart, der angeblich mit 100 km/Std überholte, erklärte seine Fahrweise damit, dass er bloss solange auf dem linken Streifen habe bleiben wollen, bis die beiden Lichter des Lastzuges im Rückspiegel seines Wagens auftauchten; als er dann zum Wiedereinbiegen angesetzt habe, sei plötzlich der "Volvo" rechts an ihm vorbeigefahren. Die Vorinstanz hält gleichwohl dafür, dass Siegwart viel zu lange auf der Überholspur geblieben sei.
Wie es sich damit genau verhält, kann indes offen bleiben, da dem Angeklagten Huber der Vorwurf der groben Verletzung einer wichtigen Verkehrsregel selbst dann nicht erspart bleibt, wenn Siegwart die Überholspur zu lange für sich beansprucht haben sollte. Huber hat spätestens auf der Höhe des Lastzuges damit begonnen, Siegwart mit den Scheinwerfern zur Freigabe der linken Spur zu veranlassen. Schon das zeigt, wie sehr er nach vorne drängte. In 100 m Entfernung vom Lastwagen wechselte er sodann die Spur, aber nicht, wie das Obergericht ihm zugute hält, weil er pflichtgemäss einbiegen wollte, sondern um die Geschwindigkeit weiter zu erhöhen und den "Peugeot" rechts zu überholen. Solches Gebaren verdient keine Nachsicht. Huber hatte keinerlei Gewähr dafür, dass Siegwart ihn durchlassen werde; er musste im Gegenteil jederzeit mit dessen Wiedereinbiegen rechnen. Dies gilt umsomehr, als er ihn dazu aufforderte und ihm durch das wiederholte Blinken die Beobachtung nach hinten erschwerte. Dass der "Peugeot" immer
BGE 95 IV 84 S. 92
noch mit links gestelltem Blinker fuhr, änderte an der Gefahr, die Huber heraufbeschwor, nichts. Das konnte nur heissen, Siegwart betrachte das Überholen noch nicht als abgeschlossen, nicht aber, er werde Huber die rechte Spur zur Durchfahrt freihalten. Durch seine verwegene Fahrweise hat er Siegwart in hohem Masse gefährdet und die Gefährdung zumindest eventualvorsätzlich herbeigeführt.
Sein Verschulden lässt sich ebenfalls nicht verharmlosen. Huber hat nach eigenen Aussagen in der Untersuchung genau gewusst, dass das Rechtsüberholen auf Autobahnen verboten ist. Er hat somit nicht bloss rücksichtslos und verwegen vorwärtsgedrängt, sondern sich über die wichtige Verkehrsverpflichtung, nur links zu überholen, auch bewusst hinweggesetzt. Für solches Verhalten ist eine Bestrafung nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
die einzig richtige Sühne.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 27. März 1969 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung Hubers nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
817505cd-370e-452d-8a19-445b85e530d2 | Urteilskopf
88 IV 10
4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Februar 1962 i.S. Schwendimann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 10 und 42 StGB
.
Völlige Unzurechnungsfähigkeit des Täters schliesst dessen Verwahrung nach
Art. 42 StGB
aus. | Erwägungen
ab Seite 10
BGE 88 IV 10 S. 10
Aus den Erwägungen:
Vorab stellt sich sowohl im Hinblick auf die Strafe wie auf die Verwahrung die Frage einer neuen psychiatrischen Begutachtung (
Art. 13 StGB
). Bei völliger Unzurechnungsfähigkeit, die allerdings wenig wahrscheinlich ist, wäre der Beschwerdeführer nicht strafbar (
Art. 10 StGB
), und das würde auch seine Verwahrung nach
Art. 42 StGB
ausschliessen. In Betracht käme diesfalls nur eine
BGE 88 IV 10 S. 11
Massnahme nach
Art. 14 oder 15 StGB
. Die anderslautende Fassung des Urteils des Kassationshofes vom 23. Dezember 1960 i.S. Trachsler, veröffentlicht in
BGE 86 IV 204
, beruht auf einem Versehen und ist zu berichtigen. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81777190-57e7-44cb-a8c6-289d2032e00d | Urteilskopf
105 II 166
27. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. September 1979 i.S. Z. gegen Z. (Berufung) | Regeste
Abänderung des Scheidungsurteils; nachträgliche Indexierung einer Scheidungsrente.
1. Der Abänderungsklage im Sinne von
Art. 153 ZGB
unterliegen auch Scheidungsrenten, die auf einer gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention beruhen (E. 1).
2. Die nachträgliche Indexierung einer Rente im Sinne von
Art. 151 Abs. 1 und 152 ZGB
im Abänderungsverfahren ist zulässig, soweit die Rente Ersatz für den ehelichen Unterhaltsanspruch darstellt (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 166
BGE 105 II 166 S. 166
A.-
Oscar Z. und Ursula M. gingen am 28. April 1945 die Ehe ein, der zwei heute volljährige Töchter entsprossen. Am 15. Januar 1958 wurde die Ehe vom Bezirksgericht Winterthur auf Klage der Ehefrau gestützt auf
Art. 142 ZGB
geschieden. Über die güter- und scheidungsrechtliche Auseinandersetzung hatten die Parteien eine Vereinbarung geschlossen, die vom Gericht genehmigt wurde. Sie bestimmte unter anderem:
"Der Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin eine lebenslängliche monatliche Rente im Sinne von
Art. 151 ZGB
im Betrage von
BGE 105 II 166 S. 167
Fr. 470.-, welche sich bei seiner Pensionierung auf Fr. 300.- reduziert und jedenfalls die Hälfte des Ruhegehalts nicht übersteigen darf, zu entrichten. Mit seinem Tod erlischt diese Verpflichtung. Diese Rente ist während 5 Jahren unabänderlich und kann nachher nur im Fall einer wesentlichen Verminderung des Einkommens des Beklagten gerichtlich in angemessener Weise herabgesetzt werden.
Im Zeitpunkt der Wiederverheiratung der Klägerin fällt diese Rente dahin."
Oscar Z. arbeitete bei einer Versicherungsgesellschaft, bei der er bis zum Prokuristen aufstieg und deren Personalfürsorgereglement die gleitende Pensionierung vorsah, welche den Arbeitnehmern ermöglicht, ihre Pensionierung schon nach Vollendung des 60. Altersjahrs zu verlangen. Z. machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und liess sich nach der Erreichung des 60. Altersjahrs vom 1. Januar 1974 an pensionieren. Von diesem Zeitpunkt an zahlte er seiner geschiedenen Ehefrau monatlich nur noch Fr. 300.-. Diese stellte sich jedoch auf den Standpunkt, bei Abschluss der Scheidungsvereinbarung seien beide Parteien davon ausgegangen, dass die Pensionierung des Ehemannes erst mit dessen 65. Altersjahr erfolge. Sie habe deshalb weiterhin die volle Rente zugut, welche im übrigen wertmässig der ursprünglich vereinbarten Rente nicht mehr entspreche und deshalb der Geldentwertung anzupassen sei. Eine Einigung kam zwischen den geschiedenen Gatten nicht zustande.
B.-
Am 22. Januar 1975 meldete die geschiedene Ehefrau die vorliegende Streitsache zur Vermittlung an. Sie beantragte, das Scheidungsurteil sei in dem Sinne abzuändern, dass der Beklagte ab sofort verpflichtet werde, ihr im Sinne von
Art. 151 ZGB
lebenslänglich monatlich Fr. 1'000.- zu zahlen, welcher Betrag bei einer Erhöhung des schweizerischen Landesindexes der Konsumentenpreise um 10% automatisch jeweils um 10% zu erhöhen sei.
Das Bezirksgericht Hinterrhein hiess die Klage mit Urteil vom 17. Mai 1978 teilweise gut und verpflichtete den Beklagten,
"a) Der Klägerin vom 22. Januar 1975 bis zum 1. August 1978 eine monatliche Rente von Fr. 932.50 im Sinne von
Art. 151 ZGB
zu bezahlen. Dieser Betrag gründet auf einem Indexstand von 160,4 Punkten und ist bei einer Veränderung des Indexstandes um 10 Punkte verhältnismässig anzupassen.
b) Der Klägerin ab 1. August 1978 eine lebenslängliche Rente im Sinne von
Art. 151 ZGB
im Betrage von Fr. 630.90 zu bezahlen.
BGE 105 II 166 S. 168
Dieser Betrag gründet auf einem Indexstand von 170 Punkten und ist bei einer Veränderung des Indexstandes um 10 Punkte verhältnismässig anzupassen."
Das Kantonsgericht von Graubünden bestätigte dieses Urteil am 30. Januar 1979, abgesehen von einer hier nicht interessierenden Korrektur des Kostendispositivs.
C.-
Gegen diesen Entscheid erhob der Beklagte sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde. Die staatsrechtliche Beschwerde wurde mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen. Mit der Berufung beantragt der Beklagte die Abweisung der Abänderungsklage.
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beklagte macht zunächst geltend, die Vorinstanz habe die Rechtsnatur der Scheidungsvereinbarung missachtet, das eingeleitete Verfahren in prozessual unzulässiger Weise durchgeführt und dadurch Bundesrecht verletzt. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, die von ihm geschuldete Rente beruhe nicht auf einem Urteil, sondern auf einer Konvention. Diese beziehe sich bezüglich der heutigen Streitsache auf den disponiblen Teil der scheidungsrechtlichen Auseinandersetzung und habe demnach das richterliche Urteil ersetzt. Gegenstand des Scheidungsurteils sei nicht die in der Vereinbarung getroffene Regelung der Ansprüche im Sinne von
Art. 151 ZGB
, sondern die richterliche Genehmigung der Konvention gewesen. Diese habe durch die richterliche Mitwirkung ihren rechtsgeschäftlichen, d.h. vertraglichen Charakter nicht verloren. Wenn sie angefochten werden wollte, hätte zuerst beim Wohnsitzrichter die Ungültigkeit der Konvention hinsichtlich des disponiblen Teils eingeklagt und daraufhin, nach Gutheissung dieser Klage, beim Scheidungsrichter in einem Nachverfahren die Neuregelung der Nebenfolgen in die Wege geleitet werden müssen.
Mit dieser Betrachtungsweise verkennt der Beklagte indessen den rechtlichen Charakter einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung. Durch die richterliche Genehmigung, die nach
Art. 158 Ziff. 5 ZGB
Voraussetzung der Rechtsgültigkeit ist, wird die vereinbarte Regelung zum vollwertigen Bestandteil des Urteils, und zwar
BGE 105 II 166 S. 169
unabhängig davon, ob sie den disponiblen oder den nichtdisponiblen Teil der scheidungsrechtlichen Auseinandersetzung betreffe. Sie verliert somit ihren privatrechtlichen Charakter und nimmt als Bestandteil des Urteils an dessen Rechtskraft teil. Es besteht rechtlich kein Unterschied zwischen einer vom Richter getroffenen Entscheidung über streitige Nebenfolgen der Scheidung und einer von den Parteien hierüber abgeschlossenen Vereinbarung, die richterlich genehmigt worden ist (
BGE 95 II 387
E. 2,
BGE 60 II 82
und 170; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 187). Abgesehen davon geht es im vorliegenden Fall gerade nicht darum, die abgeschlossene Vereinbarung mit Wirkung ex tunc anzufechten oder ungültig zu erklären, sondern vielmehr um die Fragen, welche Leistungen der Beklagte gemäss der Scheidungskonvention bis zu seinem 65. Altersjahr zu erbringen habe und ob die Rente nachträglich (ex nunc) den veränderten Verhältnissen angepasst und indexiert werden dürfe.
Eine Rente im Sinne von
Art. 151 oder 152 ZGB
kann nun aber, und zwar unabhängig davon, ob sie gerichtlich festgesetzt worden sei oder auf einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung beruhe, nachträglich im Verfahren gemäss
Art. 153 ZGB
herabgesetzt werden (
BGE 104 II 239
und 243 E. 5,
BGE 96 II 302
E. 3; HINDERLING, a.a.O.; vgl. auch
BGE 95 II 387
betreffend
Art. 157 ZGB
). Einer Ungültigkeitsklage bedarf es hiefür nicht. Soweit es sodann um die Auslegung der Konvention geht, ist zum vornherein nicht ersichtlich, weshalb vorerst auf Ungültigkeit geklagt werden müsste.
2.
Beide Vorinstanzen nahmen im Rahmen ihrer Beweiswürdigung an, die Parteien seien beim Abschluss der Scheidungsvereinbarung davon ausgegangen, dass der Beklagte erst mit 65 Jahren pensioniert und die der Klägerin zugesprochene Rente deshalb erst in diesem Zeitpunkt herabgesetzt werde. Sie verpflichteten deshalb den Beklagten, der Klägerin vom Zeitpunkt der Klageeinleitung bis zum 1. August 1978 (Erreichen des 65. Altersjahrs) grundsätzlich die nicht herabgesetzte Rente zu zahlen.
Von welchen Vorstellungen die Parteien beim Abschluss der Vereinbarung ausgegangen sind, ist eine Tatfrage. Feststellungen über solche Fragen können mit der Berufung nicht angefochten werden. Muss aber angenommen werden, die Parteien hätten ein Pensionierungsalter von 65 Jahren im Auge gehabt, so ist der Schluss der Vorinstanz, der Beklagte habe bis zum Erreichen
BGE 105 II 166 S. 170
seines 65. Altersjahrs grundsätzlich die nicht herabgesetzte Rente zu zahlen, offensichtlich nicht zu beanstanden. Welche Regelung gegolten hätte, wenn der Beklagte wegen Krankheit oder Unfall vorzeitig hätte pensioniert werden müssen, kann dahingestellt bleiben, da dieser Fall nicht eingetreten ist.
Dem Beklagten kann geglaubt werden, dass er mit seiner Pensionierung eine Einkommenseinbusse erlitt. Wenn er jedoch freiwillig früher in Pension ging, als bei Abschluss der Scheidungsvereinbarung in Aussicht genommen worden war, hat er die finanziellen Folgen selbst zu tragen und kann sie nicht auf die Klägerin überwälzen. Nach seinen eigenen Ausführungen in der Berufungsschrift bezog er nach der Pensionierung jährlich ca. Fr. 33'000.-. Durch die Vorinstanz wurde er verpflichtet, der Klägerin vom 22.1.1975 bis 1.8.1978 monatlich Fr. 932.50, also jährlich Fr. 11'190.- zu zahlen. Dieser Betrag erreicht die in der Scheidungsvereinbarung als oberste Grenze angesehene Hälfte des Ruhegehalts bei weitem nicht. Es kann deshalb nicht gesagt werden, die von der Vorinstanz getroffene Regelung sei angesichts der finanziellen Verhältnisse des Beklagten unbillig.
3.
a) Die Vorinstanz indexierte die vom Beklagten zu zahlenden Renten vom Zeitpunkt der Klageeinleitung an. Der Beklagte vertritt demgegenüber die Meinung, die Vorinstanz habe
BGE 100 II 245
ff. falsch ausgelegt und Bundesrecht verletzt, weil eine nachträgliche Indexierung eine Erhöhung der Rente darstelle und demzufolge
Art. 153 ZGB
widerspreche.
b) Nach der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung durfte eine der geschiedenen Ehefrau zugesprochene Rente auch im Rahmen der Neubeurteilung ihrer Kaufkraft nachträglich nicht erhöht werden (
BGE 51 II 15
ff.) und war es nicht zulässig, derartige Renten im Scheidungsurteil zu indexieren. In
BGE 100 II 245
ff. änderte das Bundesgericht jedoch seine frühere Rechtsprechung. Es führte unter anderm aus, soweit eine Rente im Sinne von
Art. 151 ZGB
der geschiedenen Ehefrau Ersatz für den verlorenen Unterhaltsanspruch gegen den Mann gewähre, komme ihr Sachleistungscharakter zu. Die Sachleistung, d.h. der teilweise Ersatz für den entgangenen Unterhalt, werde jedoch durch eine starke Geldentwertung innerlich ausgehöhlt. Das könne durch eine Indexierung vermieden werden. Eine solche bewirke materiell lediglich, dass die Rente wertbeständig gestaltet und damit in ihrer Substanz erhalten
BGE 105 II 166 S. 171
werde. So betrachtet liege in der Indexierung kein Verstoss gegen
Art. 153 Abs. 2 ZGB
(S. 252/253). An dieser ausführlich begründeten und auch die Lehrmeinung berücksichtigenden Rechtsprechung ist festzuhalten.
Was das Bundesgericht im genannten Entscheid mit Bezug auf die ursprüngliche, im Scheidungsurteil selbst angeordnete Indexierung ausführte, muss sinngemäss auch für die nachträglich angeordnete Indexierung gelten. In beiden Fällen bewirkt die Indexierung nur nominal eine Veränderung der Rente, während sie materiell lediglich dazu dient, die Rente wertmässig, im Vergleich zur Kaufkraft, auf derselben Höhe zu halten. Die von der Vorinstanz angeordnete Indexierung stellt demnach weder einen Verstoss gegen
Art. 153 Abs. 2 ZGB
dar noch steht sie in Widerspruch zu den Erwägungen, die das Bundesgericht im genannten Urteil angestellt hatte.
c) Nach der Rechtsprechung ist die Indexierung einer Rente gegen den Willen des Verpflichteten nur zulässig, wenn die bestimmte Aussicht besteht, dass auch das Einkommen des Pflichtigen laufend der Teuerung angeglichen wird (
BGE 100 II 253
). Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt, was vom Beklagten nicht bestritten wird.
Die von der Vorinstanz angeordnete Indexierung der Rente hält demnach vor dem Bundesrecht stand. Sie entspricht im übrigen auch einem Gebot der Billigkeit. Nach den Ausführungen des erstinstanzlichen Entscheids, auf den die Vorinstanz verwies, hat sich der Lebenskostenindex von der Ausfällung des Scheidungsurteils im Jahre 1958 (182,6 Punkte) bis zur Klageeinleitung (362,3 Punkte) praktisch verdoppelt und ist der Lohn- bzw. Pensionsanspruch des Beklagten jährlich mindestens im Ausmass der Teuerung erhöht worden. Das bedeutet mit anderen Worten, dass die Kaufkraft der der Klägerin 1958 zugesprochenen Rente in der Zwischenzeit wertmässig auf ungefähr die Hälfte sank, während das Einkommen des Klägers sich beinahe verdoppelte. Bei dieser Sachlage grenzt der Widerstand des Beklagten gegen die Indexierung an Rechtsmissbrauch.
d) Gegen die Berechnung der indexierten Renten erhebt der Beklagte keine Einwendungen. Die Berufung ist deshalb abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8177d6a0-4757-4279-a7bc-319149470867 | Urteilskopf
85 IV 11
4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Januar 1959 i.S. Scherer gegen Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. | Regeste
Art. 69 StGB
.
Soweit Untersuchungshaft ausschliesslich wegen einer Handlung ausgestanden worden ist, für die der Beschuldigte nicht bestraft wird, kann sie auch nicht auf die Strafe angerechnet werden, die im gleichen Verfahren für eine andere Tat ausgefällt wird. | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 85 IV 11 S. 11
A.-
Maria Scherer und ihr Ehemann wurden am 9. August 1955 wegen Verdachts, in der Nacht zuvor Feuer an das von ihnen bewohnte Haus gelegt zu haben, in Untersuchungshaft
BGE 85 IV 11 S. 12
gesetzt. Am 5. Dezember beschlossen die Untersuchungsbehörden, die Angeschuldigte nach nochmaliger Konfrontation mit deren Ehemann aus der Haft zu entlassen. Am folgenden Tag verzeigte sie ihr Ehemann wegen eines 1946 begangenen Versicherungsbetruges, den sie sofort gestand. Am 24. Dezember 1955 wurde sie aus der Untersuchungshaft entlassen.
B.-
Das Obergericht von Appenzell A.Rh. sprach am 25. August 1958 Maria Scherer von der Anklage der Brandstiftung frei, verurteilte sie dagegen wegen Betruges zum Nachteil der Versicherungsgesellschaft zu einer Busse von Fr. 100.--. Die Untersuchungshaft rechnete es nicht an, mit der Begründung, sie sei zur Hauptsache wegen des Verdachts der Brandstiftung erlitten worden.
C.-
Die Verurteilte erhebt gegen diesen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Busse sei als durch die Untersuchungshaft getilgt zu erklären, eventuell sei die Haft bei der Festsetzung der Busse angemessen zu berücksichtigen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, die Untersuchungshaft sei wegen des Betruges, der am 6. Dezember 1955 angezeigt wurde, über diesen Tag hinaus verlängert worden, doch hätte deren Anrechnung selbst dann geprüft werden müssen, wenn die gesamte bis 24. Dezember 1955 dauernde Haft ausschliesslich durch den Brandstiftungsverdacht begründet gewesen wäre.
Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten. Nach der Rechtsprechung des Kassationshofes kann die Untersuchungshaft nur insoweit angerechnet werden, als sie wegen einer Handlung ausgestanden worden ist, für die der Beschuldigte bestraft wird (
BGE 77 IV 6
). Auf die ausgefällte Strafe kann demnach nicht Untersuchungshaft angerechnet werden, die der Beschuldigte ausschliesslich wegen Handlungen erlitten hat, deretwegen keine Strafe ausgesprochen wird. Aus welchem Grunde die Bestrafung
BGE 85 IV 11 S. 13
unterbleibt, ob wegen Einstellung des Straffverfahrens oder infolge Freisprechung des Angeklagten, ist unerheblich. Müsste angenommen werden, die Brandstiftung habe auch nach dem 6. Dezember 1955 allein zur Untersuchungshaft Anlass gegeben, so fehlte eine Strafe, auf welche die Haft angerechnet werden könnte, weil die Beschwerdeführerin von der Anklage der Brandstiftung freigesprochen wurde, und der Betrug, dessetwegen die Bestrafung erfolgte, in keiner Beziehung zur ausgestandenen Haft stünde. Der Umstand, dass beide Handlungen in einem einheitlichen Verfahren untersucht und beurteilt wurden, vermöchte den fehlenden Zusammenhang zwischen der Haft und der Tat, die zur Bestrafung führte, nicht zu ersetzen. Es wäre auch kein sachlicher Grund zu ersehen, der es rechtfertigen könnte, die Beschwerdeführerin bei gleichzeitiger Beurteilung beider Handlungen besser zu stellen, als wenn für jede dieser Handlungen ein getrenntes Verfahren durchgeführt worden wäre.
Ob ein Beschuldigter wegen anderer Handlungen verurteilt wird als derjenigen, welche die Untersuchungshaft begründeten, kann im allgemeinen leicht festgestellt werden, wenn in der Haftverfügung angegeben wird, wegen welcher Tat die Untersuchungshafft verhängt oder verlängert wurde, ferner wenn Delikte in Frage stehen, die erst nach der Haftentlassung begangen worden sind, oder wenn sie aus anderen Gründen (sofortiges Geständnis des Beschuldigten, blosse Übertretungen) die Haft offensichtlich nicht veranlasst haben können. Dass gewisse Schwierigkeiten möglich sind, wenn bei einer Mehrzahl von strafbaren Handlungen der Grund der Verhaftung nicht festgelegt wird (WAIBLINGER, ZbJV 1954 S. 448), mag zutreffen. Davon wird jedoch die Grosszahl der Fälle nicht betroffen, in denen zum vorneherein anzunehmen ist, der Beschuldigte sei im Hinblick auf die Gesamtheit der ihm vorgeworfenen Handlungen in Haft gestanden, oder in denen der Angeklagte zumindest wegen einer der Handlungen bestraft wird, deretwegen die Haft angeordnet
BGE 85 IV 11 S. 14
worden ist; denn dann hindert die teilweise Einstellung oder Freisprechung die Anrechnung der Haft überhaupt nicht. Wo die Gründe der Haft dennoch zweifelhaft sind, bleibt dem Richter immer noch die Möglichkeit, durch Rückfragen bei den Untersuchungsbehörden oder auf Grund eigener Beurteilung wenigstens annähernd festzustellen, wie sich die Haftzeit auf die einzelnen Tatbestände verteilt. Diese Ausnahmefälle geben nicht Anlass, den materiellrechtlich richtigen Grundsatz, wie er in der bisherigen Rechtsprechung vertreten wurde, aus prozessualen Gründen fallen zu lassen. Dazu führt auch nicht die Folge, dass der Beschuldigte, dem die ausgestandene Haft auf die Freiheitsstrafe nicht angerechnet werden kann, den Ausgleich nur auf dem Wege des Entschädigungsbegehrens erlangen kann. Sinn und Zweck der in den kantonalen Strafprozessgesetzen vorgesehenen Haftentchädigung ist es gerade, für den Schaden, der einem zu Unrecht Beschuldigten durch Freiheitsentzug zugefügt wird, Ersatz zu leisten. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8181cb74-4333-4e8f-adf0-cca71fe4e5a7 | Urteilskopf
118 IV 366
64. Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1992 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 260bis Abs. 2 StGB
; Rücktritt von strafbaren Vorbereitungshandlungen.
1. Gemäss
Art. 260bis Abs. 2 StGB
bleibt straflos, wer, nachdem er alle geplanten Vorbereitungshandlungen ausgeführt hat, aus eigenem Antrieb und in besonderer Weise bekundet, dass er nicht mehr bereit ist, das Hauptdelikt zu begehen. Hat der Täter noch nicht alle geplanten Vorbereitungshandlungen zu Ende geführt, so genügt für die Bejahung des Rücktritts, dass er aus eigenem Antrieb auf die Ausführung eines wesentlichen Teils der Vorbereitungshandlungen verzichtet.
2. Aus eigenem Antrieb tritt zurück, wer aus inneren Motiven, unabhängig von äusseren Gegebenheiten seinen Plan nicht mehr weiter verfolgt, wobei es auf die sittliche Qualität seiner Beweggründe nicht ankommt. | Sachverhalt
ab Seite 367
BGE 118 IV 366 S. 367
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 7. Oktober 1991 der Gehilfenschaft zu Raubversuch, der strafbaren Vorbereitungshandlungen zu Raub und der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und bestrafte ihn mit 33 Monaten Gefängnis.
Dagegen führt X. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei in bezug auf den Schuldspruch wegen Vorbereitungshandlungen und die Strafzumessung aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Dem Schuldspruch wegen Vorbereitungshandlungen zu Raub liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am Abend des 7. März 1989 sprachen der Beschwerdeführer, A., B. und C. im Restaurant "Y." in Wil über einen bewaffneten Raubüberfall, und der Beschwerdeführer wies auf die dafür geeignete Raiffeisenbank Z. hin. Die Gesprächsteilnehmer vereinbarten, sich am 14. März 1989 im gleichen Restaurant "zur Besprechung des genauen Vorgehens, der erforderlichen Ausrüstung, der Rollenverteilung etc." erneut zu treffen.
Diese Begegnung fand abmachungsgemäss statt. Beim Gespräch im vor dem Restaurant abgestellten Auto des Beschwerdeführers wurde eingehend über das Vorgehen und die Beschaffung der erforderlichen Ausrüstung diskutiert. Der Beschwerdeführer orientierte "über Einzelheiten der Raiffeisenbank in Z. bezüglich örtlicher Verhältnisse, Zahl der Angestellten, Öffnungszeiten etc." Zudem zeigte er den Komplizen die bereits vorhandenen und als Fesselungsmaterial geeigneten Kabelbinder. Die Verübung der Tat wurde auf den 17. März 1989 festgesetzt, da die Schalter an diesem Tag wegen des Abendverkaufs erst um 21.00 Uhr geschlossen wurden. Es war geplant, dass A. und B. die beiden in der Bank tätigen Frauen nach Schalterschluss beim Verlassen des Gebäudes unter Waffendrohung zu einem Auto bringen sollten, wo der Beschwerdeführer
BGE 118 IV 366 S. 368
eine der Angestellten zu bewachen habe, während die beiden anderen mit der zweiten Frau die Bank aufsuchen sollten, um in den Besitz von Geld zu kommen. Während des Überfalls sollte C. in einem zweiten Fahrzeug, welches noch hätte beschafft werden müssen, "Schmiere stehen" und mittels eines Funkgerätes seine Komplizen bei einer allfälligen Gefahr warnen. Ein Revolver und eine Pistole waren bereits vorhanden, und ein Gewehr, Gesichts- bzw. Strumpfmasken, alte Kleider für die Beteiligten, Fesselungsmaterial (Kabelbinder und Klebeband), Gummihandschuhe und zwei Funkgeräte sollten noch beschafft werden. Bei dieser Besprechung wurde schliesslich vereinbart, den Tatort am 16. März 1989 zu besichtigen.
An diesem Tag fuhren die vier Komplizen nach Widnau, wo der Beschwerdeführer und C. im Auto warteten, während die beiden anderen die Bank aufsuchten und sich umschauten. Danach wurde für die Tat ein Treffen am 17. März 1989, gegen 18.00 Uhr, im Restaurant "Y." in Wil vereinbart. Dort wäre nochmals die Rollenverteilung repetiert worden, und B. hätte die alten Kleider mitbringen sollen.
Da A. zu diesem Treffen mit erheblicher Verspätung und der Beschwerdeführer sowie B. überhaupt nicht erschienen, wurde der Raubüberfall nicht ausgeführt.
b) Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe bei der Vorbereitung des Raubes insoweit mitgewirkt, als er an der Auswahl des Tatobjektes, der Planung des Vorgehens, der Rollenverteilung und der Besichtigung der Bank teilgehabt habe. Zudem hätten sich gewisse für die Tatausführung notwendige Utensilien (Kabelbinder, Klebestreifen) bereits in seinem Wagen befunden, und er selber habe keinerlei Beschaffungsaufgaben mehr zu erfüllen gehabt. Die von B. "allenfalls" noch mitzubringenden alten Kleider hätte er lediglich noch anziehen müssen. Der Tatplan habe schon vor dem Treffen vom 17. März 1989 festgestanden, und vom Restaurant "Y." habe man nach Z. fahren wollen, um die Tat auszuführen. Der Beschwerdeführer habe sich dann nicht zum vereinbarten Treffen eingefunden, weil es ihm "leichtsinnig" erschienen sei, eine Bank überfallen zu wollen, und er nicht an den möglichen Erfolg des Unternehmens geglaubt habe.
2.
a) Die Vorinstanz ging in Übereinstimmung mit den Parteien davon aus, der Beschwerdeführer habe strafbare Vorbereitungshandlungen zu einem Raub im Sinne von
Art. 260bis Abs. 1 StGB
begangen. Sie stellte weiter fest, er habe "schlicht" von der Begehung der Haupttat abgesehen, weshalb Abs. 2 der genannten
BGE 118 IV 366 S. 369
Bestimmung, wonach straflos bleibt, wer die Vorbereitungshandlung aus eigenem Antrieb nicht zu Ende führt, keine Anwendung finde.
b) Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe Abs. 2 von
Art. 260bis StGB
zu Unrecht nicht angewendet.
3.
a) Gemäss
Art. 260bis StGB
("Strafbare Vorbereitungshandlungen") wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine vorsätzliche Tötung, einen Mord, eine schwere Körperverletzung, einen Raub, eine Freiheitsberaubung und Entführung, eine Geiselnahme oder eine Brandstiftung auszuführen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bleibt straflos, wer die Vorbereitungshandlung ("son activité préparatoire", "un atto preparatorio") aus eigenem Antrieb nicht zu Ende führt.
Wie in
BGE 115 IV 121
ff. festgehalten wurde, bezieht sich der Rücktritt aus eigenem Antrieb gemäss
Art. 260bis Abs. 2 StGB
auf die strafbare Vorbereitungshandlung und nicht auf die Ausführung der geplanten Haupttat. Die Bestimmung wurde zwar in Anlehnung an
Art. 21 Abs. 2 StGB
formuliert, aber bei der Frage, inwieweit der Täter die "Vorbereitungshandlung nicht zu Ende" geführt hat, darf der besondere Charakter des Tatbestandes strafbarer Vorbereitungshandlungen nicht ausser acht gelassen werden. Diese schaffen die abstrakte Gefahr der Ausführung der Haupttat, und der Rücktritt muss daher dieser Gefahr ein Ende setzen oder sie zumindest erheblich vermindern. Gemäss dem genannten Präjudiz soll derjenige straflos bleiben, der, nachdem er alle geplanten Vorbereitungshandlungen ausgeführt hat, aus eigenem Antrieb und in besonderer Weise bekundet, dass er nicht mehr bereit ist, das Hauptdelikt zu begehen, indem er beispielsweise bereits getroffene Vorbereitungen rückgängig macht (z.B. beschaffte Tatwerkzeuge wegwirft) oder in anderer Weise die Ausführung der Haupttat verunmöglicht oder zumindest wesentlich erschwert; hat der Täter demgegenüber zwar
Art. 260 Abs. 1 StGB
erfüllt, aber noch nicht alle geplanten Vorbereitungshandlungen zu Ende geführt, so genügt für die Bejahung des Rücktritts, dass er aus eigenem Antrieb auf die Ausführung eines wesentlichen Teils der Vorbereitungshandlungen verzichtet (
BGE 115 IV 127
/128 E. f und g; vgl. dazu Schultz, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts 1989, ZBJV 127/1991 S. 69/70).
"Aus eigenem Antrieb" tritt derjenige zurück, der aus inneren Motiven, unabhängig von äusseren Gegebenheiten seinen Plan nicht
BGE 118 IV 366 S. 370
mehr weiter verfolgt (vgl. dazu
BGE 115 IV 128
/129 E. h mit Hinweisen). Dabei kommt es auf die sittliche Qualität der Beweggründe, aus denen der Täter zurücktritt, prinzipiell nicht an; auch die Furcht vor Strafe kann genügen (Stratenwerth, AT I, S. 300 zum Rücktritt vom unvollendeten Versuch).
b) Im Lichte dieser Rechtsprechung erweist sich der angefochtene Entscheid als bundesrechtswidrig.
Es stellt sich zunächst die Frage, ob bereits alle geplanten Vorbereitungshandlungen ausgeführt worden waren, bevor der Beschwerdeführer zum geplanten Treffen am 17. März 1989 nicht erschien. Dies ist zu verneinen. Die Täter hatten vereinbart, sich vor der Fahrt an den Tatort im Restaurant "Y." in Wil zu treffen, wo nach den Feststellungen der Vorinstanz nochmals die Rollenverteilung repetiert worden wäre; zudem hätte der Beschwerdeführer gewisse für die Tatausführung notwendige Utensilien (Kabelbinder, Klebestreifen), die sich in seinem Wagen befanden, mitbringen sollen. Dieses Treffen, die letzte Repetition der Rollenverteilung und das Mitbringen der Fesselungsutensilien stellen weitere wesentliche Vorbereitungshandlungen dar, auf die der Beschwerdeführer durch sein Nichterscheinen verzichtet hat.
Unter diesen Umständen genügt es für die Bejahung des Rücktritts, dass der Beschwerdeführer aus eigenem Antrieb auf die Ausführung der genannten Vorbereitungshandlungen verzichtet hat. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat sich der Beschwerdeführer nicht zum vereinbarten Treffen eingefunden, weil es ihm "leichtsinnig" erschien, eine Bank überfallen zu wollen, und er nicht an den möglichen Erfolg des Unternehmens glaubte. Er gelangte also von sich aus zu einer besseren Einsicht. Dass diese nicht sittlich begründet war, ändert nichts daran, dass er aus eigenem Antrieb von den (nach dem Plan der Täter noch nicht zu Ende geführten) Vorbereitungshandlungen zurückgetreten ist.
Die Vorinstanz hat dadurch, dass sie
Art. 260bis Abs. 2 StGB
nicht angewendet hat, Bundesrecht verletzt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Oktober 1991 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81831937-4028-419d-bbbf-e83402e529b1 | Urteilskopf
93 III 33
7. Entscheid vom 25. April 1967 i.S. Robert Walther AG | Regeste
Die Pfändung und Arrestierung von Erwerbseinkommen (
Art. 93, 275 SchKG
) bleibt nicht nur bei einem Stellenwechsel des Schuldners, sondern auch dann wirksam, wenn dieser die selbständige mit einer unselbständigen Erwerbstätigkeit vertauscht oder umgekehrt.
Sie erfasst im Falle, dass der Schuldner beim Pfändungs- oder Arrestvollzug über die Art seiner Tätigkeit falsche Angaben gemacht hat, das Einkommen aus der von ihm wirklich ausgeübten Tätigkeit (Erw. 1).
Eine revisionsweise verfügte Erhöhung des gepfändeten oder arrestierten Einkommensbetrages kommt den Gläubigern nachgehender Gruppen erst nach Ablauf der für die vorgehenden Gruppen erfolgten Lohnpfändungen oder nach vollständiger Befriedigung der betreffenden Gläubiger zugut (
Art. 110 Abs. 3 SchKG
).
Das gilt auch dann, wenn dieVerhältnisse, welche die Erhöhung rechtfertigen, beim Vollzug eines Arrestes entdeckt werden.
Der Arrestgläubiger kann in einem solchen Falle nicht die entsprechende Anwendung von
Art. 281 Abs. 1 SchKG
verlangen (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 34
BGE 93 III 33 S. 34
A.-
Am 25. Juni 1966 pfändete das Betreibungsamt Bern 2 zugunsten der Gläubiger der Gruppe Nr. 1793 vom Verdienst des Schuldners Nyffeler, der nach seinen Angaben als Graphiker auf eigene Rechnung arbeitete, monatlich Fr. 70.-. Am 31. August 1966 vollzog es zugunsten der Gläubiger der Gruppe Nr. 2039 eine Verdienstpfändung von monatlich Fr. 60.-, die nach Ablauf der Pfändung für die Gruppe Nr. 1793 wirksam werden sollte.
Vom Betreibungsamt offenbar wegen Nichtablieferung des gepfändeten Betrages vorgeladen, erklärte der Schuldner am 20. Oktober 1966, er habe diesen Betrag wegen Erhöhung seiner Mietauslagen nicht mehr abliefern können.
Am 21. Dezember 1966 erhielt die Robert Walther AG, die am 1. November 1966 das Pfändungsbegehren gestellt hatte, für ihre Forderung von insgesamt Fr. 619.75 einen Verlustschein, weil kein pfändbares Vermögen vorhanden sei und auch kein künftiger Lohn gepfändet werden könne (
Art. 115 Abs. 1 SchKG
; Formular Nr. 7 g).
BGE 93 III 33 S. 35
B.-
Am 19. Januar 1967 erwirkte die Walther AG für ihre Verlustscheinsforderung einen Arrestbefehl, der sämtliche Guthaben des Schuldners gegenüber der Verbandsdruckerei AG Bern als Arrestgegenstand bezeichnete. Eine Erkundigung des Betreibungsamtes bei dieser Firma ergab, dass der Schuldner dort als Schriftsetzer arbeitet (und auch schon im Jahre 1966 gearbeitet hat) und berechtigt ist, nebenbei als selbständiger Graphiker zu arbeiten. Der Schuldner bestätigte bei seiner Einvernahme diesen Sachverhalt. Daraufhin änderte das Betreibungsamt seine Pfändungsverfügungen für die Gruppen Nr. 1793 und 2039 am 2. Februar 1967 dahin ab, dass es vom Lohn des Schuldners bei der Verbandsdruckerei AG vierzehntäglich den Betrag von Fr. 60.- pfändete, für die erste Gruppe mit sofortiger Wirkung, für die zweite mit Wirkung vom Ablauf der vorgehenden Pfändung an. Gleichzeitig arrestierte es vom Lohn des Schuldners zugunsten der Walther AG vierzehntäglich Fr. 60.-, beginnend nach Ablauf der Lohnpfändung für die Gruppe Nr. 2039 (Arrest Nr. 277).
C.-
Die Walther AG führte gegen den Arrestvollzug Beschwerde mit den Begehren, der arrestierte Lohnbetrag sei angemessen zu erhöhen und es sei zu verfügen, dass sie mit sofortiger Wirkung an der Lohnpfändung teilnehme.
Die untere Aufsichtsbehörde entschied am 3. März 1967, vom Einkommen des Schuldners sei vierzehntäglich ein Betrag von Fr. 105.-- zu arrestieren bezw. zu pfänden. Das Betreibungsamt änderte am 13. März 1967 die Pfändungsverfügungen vom 2. Februar 1967 für die Gruppen Nr. 1793 und 2039 sowie die Lohnpfändung, die es am 10. März.1967 für die Arrestforderung der Beschwerdeführerin in der Betreibung Nr. 39497 vollzogen hatte, in diesem Sinne ab.
Die kantonale Aufsichtsbehörde, an welche die Sache zur Beurteilung des zweiten Beschwerdebegehrens weitergeleitet wurde, erkannte am 4. April 1967, die Beschwerde werde abgewiesen, soweit damit eine Gesetzesverletzung geltend gemacht werde. Damit wies sie das zweite Beschwerdebegehren ab.
D.-
Den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht weitergezogen. Die Rekursschrift enthält keinen Antrag. Der Begründung lässt sich indes entnehmen, dass die Rekurrentin am Begehren festhält, es sei anzuordnen, dass sie mit sofortiger Wirkung an der Lohnpfändung teilnehme. Sie macht im wesentlichen geltend,
BGE 93 III 33 S. 36
Verdienst- und Lohnpfändung seien nicht dasselbe; die zunächst verfügte Verdienstpfändung sei infolge Pflichtverletzung des Schuldners ertraglos geblieben; ein Lohnguthaben sei erst mit dem Arrestvollzug aufgedeckt worden; die vorherige Verdienstpfändung habe dieses neue Aktivum, von dem niemand Kenntnis gehabt habe, nicht erfasst; der Arrestgläubiger, der ein VOIlstreckungssubstrat aufdecke, dürfe nach dem Grundgedanken von
Art. 281 SchKG
nicht um die Früchte seiner Bemühungen gebracht werden; vielmehr müsse man ihn in gleicher Weise wie die andern Gläubiger am Arrestgegenstand teilhaben lassen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Unter den Begriff des Lohnes im Sinne von
Art. 93 SchKG
fällt jedes Einkommen, das im wesentlichen das Entgelt für persönliche Arbeit des Schuldners darstellt, gleichgültig, ob es sich dabei um eine selbständige oder um eine unselbständige Erwerbstätigkeit handle (
BGE 85 III 39
mit Hinweisen,
BGE 86 III 16
und 55,
BGE 91 IV 69
). Zwischen der Pfändung eines aus selbständiger Erwerbstätigkeit herrührenden "Verdienstes" und der Pfändung eines durch eine unselbständige Erwerbstätigkeit verdienten "Lohnes" besteht also hinsichtlich der rechtlichen Natur des gepfändeten Gegenstandes kein Unterschied. Aber auch im Vollzug unterscheiden sich diese Massnahmen nicht grundsätzlich. Entscheidend ist in beiden Fällen die Erklärung des Betreibungsbeamten gegenüber dem Schuldner, dass ein bestimmter Betrag des Erwerbseinkommens gepfändet sei, verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass sich der Schuldner bei Straffolge (vgl.
Art. 169 StGB
) jeder vom Betreibungsbeamten nicht bewilligten Verfügung über diesen Betrag zu enthalten habe (
Art. 96 Abs. 1 SchKG
). Die Anzeige an den Arbeitgeber, die gemäss
Art. 99 SchKG
womöglich zu erlassen ist, wenn der Schuldner eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt (obligatorisches Formular Nr. 10), ist kein wesentlicher Bestandteil des Pfändungsvollzugs, sondern eine zu diesem hinzutretende Sicherungsmassnahme (
BGE 78 III 128
mit Hinweisen,
BGE 83 III 5
). Die einmal vollzogene Lohnpfändung erfasst daher bei einem Stellenwechsel des Schuldners während des Jahres, für das sie verfügt wurde, ohne weiteres den Lohn aus dem neuen Dienstverhältnis, was
BGE 93 III 33 S. 37
sich darin zeigt, dass sie dem neuen Arbeitgeber so bald als möglich anzuzeigen ist und dass sich der Schuldner gemäss
Art. 169 StGB
strafbar macht, wenn er zum Nachteil der Gläubiger eigenmächtig über einen Lohnbetrag verfügt, den der neue Arbeitgeber an ihn statt an das Betreibungsamt ausbezahlt hat, weil ihm die Lohnpfändung mangels Meldung des Stellenwechsels noch nicht hatte angezeigt werden können (
BGE 78 III 128
/129,
BGE 83 III 5
, 6). In entsprechender Weise bleibt die Pfändung von Lohn im Sinne des
Art. 93 SchKG
bestehen, wenn der Schuldner die im Zeitpunkt des Pfändungsvollzugs ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit mit einer unselbständigen vertauscht oder umgekehrt. Aus den gleichen Gründen ist eine Pfändungsverfügung, die einen nach seinen Angaben selbständig erwerbstätigen Schuldner zur Ablieferung eines bestimmten Einkommensbetrages verpflichtet, nicht gegenstandslos, wenn der Schuldner schon zur Zeit des Pfändungsvollzugs in Wahrheit eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübte, sondern hat der Schuldner die ihm auferlegten Zahlungen an das Betreibungsamt aus dem durch diese Tätigkeit erzielten Lohne zu leisten.
Das Begehren der Rekurrentin, sie sei mit sofortiger Wirkung am Ertrag der Pfändung des Lohnes zu beteiligen, den der Schuldner als Angestellter der Verbandsdruckerei AG verdient, lässt sich demnach entgegen ihrer Ansicht nicht damit begründen, dieser Lohn werde von der im Jahre 1966 zugunsten der Gruppen Nr. 1793 und 2039 verfügten Verdienstpfändung nicht erfasst, sondern stelle ein neues Aktivum dar.
2.
Ändern sich während der Dauer einer Lohnpfändung die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse, so ist die Lohnpfändung durch Erhöhung oder Ermässigung dieses Betrages den neuen Verhältnissen anzupassen (
BGE 78 III 129
,
BGE 83 III 4
). Gläubiger und Schuldner können das erreichen, indem sie ein Revisionsbegehren stellen (
BGE 83 III 4
mit Hinweisen). Das Betreibungsamt hat die Lohnpfändung aber auch ohne Begehren eines Beteiligten von Amtes wegen zu revidieren, sobald es auf irgendeine Weise erfährt, dass seine Anordnungen den Verhältnissen nicht mehr entsprechen (
BGE 78 III 129
/130,
BGE 83 III 4
). Sind Lohnpfändungen für Gläubiger verschiedener Gruppen erfolgt, so kommt eine auf dem Wege der Revision verfügte Erhöhung des pfändbaren Betrages den Gläubigern nachgehender Betreibungen erst
BGE 93 III 33 S. 38
nach Ablauf der vorgehenden Pfändungen oder nach vollständiger Befriedigung der betreffenden Gläubiger zugut (
BGE 78 III 130
), da weder die Revision noch die sie veranlassende Änderung der Verhältnisse die vom Zeitpunkt der Pfändungsbegehren abhängige Gruppeneinteilung der Gläubiger und die daraus sich ergebende rechtliche Stellung der verschiedenen Gläubiger beeinflusst. Die gleichen Grundsätze müssen auch gelten, wenn sich während der Dauer einer Lohnpfändung ergibt, dass der pfändbare Betrag auf Grund falscher oder unvollständiger Angaben des Schuldners zu niedrig bemessen wurde.
Der Vorinstanz ist demnach darin beizustimmen, dass das Betreibungsamt richtig vorging, indem es auf Grund der Ergebnisse des Arrestvollzuges die zugunsten der Gruppen Nr. 1793 und 2039 erfolgten Verdienstpfändungen revidierte und verfügte, der Arrest (und die nachherige Pfändung) von Lohn zugunsten der Rekurrentin werde erst nach Ablauf der Pfändungen für die vorgehenden Betreibungen wirksam. Beizufügen ist nur, dass die Rekurrentin schon früher zum Zuge kommt, wenn die Gläubiger der vorgehenden Betreibungen vor Ablauf der für sie vollzogenen Lohnpfändungen vollständig befriedigt werden (was das Betreibungsamt als selbstverständlich nicht besonders zu sagen brauchte).
Die Tatsache, dass das Anstellungsverhältnis des Schuldners und der daraus fliessende Lohnanspruch erst beim Vollzug des von der Rekurrentin erwirkten Arrestes entdeckt wurden, vermag an diesem Ergebnis entgegen der Auffassung der Rekurrentin nichts zu ändern. Es kommt nach den angeführten Grundsätzen nicht darauf an, auf welche Weise das Betreibungsamt erfährt, dass die Lohnpfändung den Verhältnissen nicht entspricht.
Art. 281 Abs. 1 SchKG
, den die Rekurrentin entsprechend angewendet wissen möchte, betrifft einen ganz andern Sachverhalt, nämlich den Fall, dass die Arrestgegenstände nach der Ausstellung des Arrestbefehls von einem andern Gläubiger gepfändet werden, bevor der Arrestgläubiger das Pfändungsbegehren stellen kann. Wenn in diesem Falle das Gesetz den Arrestgläubiger provisorisch an der Pfändung teilnehmen lässt, so darf daraus nicht geschlossen werden, der Arrestgläubiger nehme, wenn beim Arrestvollzug die wahren Verdienstverhältnisse des Schuldners entdeckt werden, an einer lange vor Ausstellung des Arrestbefehls vollzogenen und auf Grund dieser
BGE 93 III 33 S. 39
Entdeckung revidierten Lohnpfändung teil.
Art. 281 Abs. 1 SchKG
in dieser Weise auf einen darin nicht vorgesehenen Fall entsprechend anzuwenden und damit den Arrestgläubiger gegenüber andern Gläubigern zu bevorrechten, widerspräche
Art. 281 Abs. 3 SchKG
, wonach der Arrest "im übrigen", d.h. unter Vorbehalt der in Art. 281 Abs. 1 und 2 genau umschreibenen Ausnahmen, kein Vorzugsrecht begründet.
Die Rekurrentin wird durch diese Entscheidung nicht um die Früchte ihrer Bemühungen gebracht. Abgesehen davon, dass sie nur in allgemeiner Form die Arrestierung sämtlicher Guthaben des Schuldners gegenüber der Verbandsdruckerei AG verlangt hat und dass das Bestehen eines Anstellungsverhältnisses erst durch die Erkundigungen des Betreibungsamtes festgestellt worden ist, kommt ihr die Ermittlung der wahren Verdienstverhältnisse des Schuldners spätestens vom Ablauf der vorgehenden Lohnpfändungen an zugut.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
818998a9-0b94-429d-8d7d-477e6692eccd | Urteilskopf
84 IV 8
4. Urteil des Kassationshofes vom 14. Februar 1958 i.S. Bächtiger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 67 StGB
.
Rückfall liegt auch vor, wenn die frühere Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe nicht vollstreckt, jedoch durch Anrechnung der Untersuchungshaft ganz oder teilweise als getilgt erklärt worden ist. | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 84 IV 8 S. 8
A.-
Am 18. Juni 1951 wurde Bächtiger vom Obergericht des Kantons Zürich wegen wiederholten und fortgesetzten Betruges zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Auf die Freiheitsstrafe wurden 379 Tage Sicherheitshaft angerechnet. Den Rest der Strafe verbüsste Bächtiger aus Gesundheitsgründen erst im Jahre 1956.
B.-
Von 1952 bis 1954 beging Bächtiger eine Reihe von Betrugshandlungen, Urkundenfälschungen und zahlreiche Sittlichkeitsdelikte. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte ihn deswegen am 16. Oktober 1957 zu zehn Jahren Zuchthaus und zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Dabei
BGE 84 IV 8 S. 9
wendete es mit Rücksicht auf die Anrechnung der Untersuchungshaft im früheren Urteil die Rückfallsbestimmung des
Art. 67 Ziff. 1 StGB
an.
C.-
Bächtiger macht mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend, das angefochtene Urteil verletze die Bestimmung über den Rückfall, welche eine Strafverbüssung voraussetze; dieser könne die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht gleichgestellt werden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach
Art. 67 StGB
liegt Rückfall vor, wenn der Täter zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt wird und zur Zeit der Tat noch nicht fünf Jahre vergangen sind, seit er eine Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe ganz oder teilweise verbüsst hat.
Die Anrechnung der Untersuchungshaft gemäss
Art. 69 StGB
bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Strafe in dem Umfang, in dem die angerechnete Untersuchungshaft gedauert hat, als getilgt gilt und nur noch für den allenfalls nicht erstandenen Teil zu vollstrecken ist (
BGE 68 IV 103
;
BGE 69 IV 52
/53, 152;
BGE 73 IV 10
;
BGE 81 IV 211
). Der angerechneten Untersuchungshaft wird mit anderen Worten die rechtliche Wirkung der Strafvollstreckung beigelegt. Insoweit ist die Untersuchungshaft einer verbüssten Strafe rechtlich gleichgestellt. In der Tat wird niemand im Ernst behaupten, dass derjenige, dem die Untersuchungshaft so angerechnet worden ist, dass nichts mehr zu vollstrecken ist, die Strafe nicht verbüsst habe. Vernünftigerweise kann nicht das Gegenteil gelten, wenn nach Anrechnung der Untersuchungshaft ein Teil der Strafe noch zu verbüssen bleibt. Die gesetzliche Bedeutung der Anrechnung der Untersuchungshaft bleibt die gleiche, auch wenn sie sich zum Nachteil des Verurteilten auswirkt. Daher muss notwendig Rückfall angenommen werden, falls er vor der Vollstreckung des durch die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht getilgten Strafteils die Voraussetzungen
BGE 84 IV 8 S. 10
des
Art. 67 StGB
erfüllt (HAFTER, Allg. Teil S. 370; LOGOZ N. 3 A lit. b zu
Art. 67 StGB
).
Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass im Falle der Verurteilung mit bedingtem Strafvollzug die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht als Strafverbüssung gilt, auch nicht, wenn die Dauer der Untersuchungshaft der verhängten Strafe gleichkommt. Wird einem Verurteilten, dem die Untersuchungshaft angerechnet wird, der bedingte Strafaufschub zugebilligt, so bezieht sich die Massnahme auf die ganze ausgesprochene Strafe und nicht bloss auf den allenfalls noch zu verbüssenden Strafrest. Die Wirkung der Anrechnung tritt somit nicht schon mit der Rechtskraft des Urteils ein, sondern erst, wenn der bedingte Strafvollzug wegen Nichtbewährung widerrufen wird (
BGE 81 IV 211
).
Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, wie es sich verhalte, wenn die Untersuchungshaft nicht angerechnet werde, stellt sich nur soweit, als sie für den vorliegenden Fall Bedeutung hat. Gewiss kann der Eindruck, den die Untersuchungshaft beim Verurteilten hinterlässt, der gleiche sein, ob sie angerechnet wird oder nicht, und es kann als störend empfunden werden, dass derjenige, der die Nichtanrechnung selber verschuldet, besser gestellt sein soll als der andere, dem die Untersuchungshaft als Strafverbüssung angerechnet wird. Diese Überlegung führt aber nicht zwingend dazu, die Fälle der Anrechnung und der Nichtanrechnung einander gleichzusetzen, und vor allem folgt daraus nichts Entscheidendes gegen den Grundsatz, dass die Strafe, soweit die Untersuchungshaft angerechnet wird, als verbüsst zu gelten hat. Es kann nicht übersehen werden, dass der Grund dieser Wirkung nicht in der Untersuchungshaft als solcher liegt, sondern im Urteil des Richters, der aus Billigkeitserwägungen die ausgefällte Strafe als durch die erlittene Untersuchungshaft getilgt erklärt. Insofern besteht zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung ein wesentlicher Unterschied, der sich auch beim Verurteilten dahin auswirkt, dass ihm im Falle
BGE 84 IV 8 S. 11
der Anrechnung durch den Urteilsspruch eindrücklich zum Bewusstsein gebracht wird, dass die ausgestandene Untersuchungshaft Strafe war und dass er fortan als vorbestraft gilt, gleichgültig, wann der Rest der Strafe vollzogen wird. Begeht er trotz dieser Mahnung ein Verbrechen oder Vergehen, ehe der Strafrest verbüsst wird, so hat er die dann für ihn nachteilige Wirkung der Anrechnung sich selber zuzuschreiben. In gleicher Weise kann auch der Erlass durch Begnadigung, welcher der Verbüssung gleichgestellt ist (
Art. 67 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
), dem Verurteilten nachträglich zum Nachteil werden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
818b482e-d6a3-4ea2-9517-c970111c3609 | Urteilskopf
113 V 54
9. Urteil vom 20. Januar 1987 i.S. S. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 36 Abs. 2 UVG
und
Art. 36 Abs. 3 Satz 1 UVV
: Integritätsentschädigung: Zusammentreffen verschiedener Schadensursachen.
-
Art. 36 Abs. 3 Satz 1 UVV
regelt grundsätzlich nur das Zusammentreffen von Integritätsschäden, die nach dem UVG als solche versichert sind (Erw. 2).
-
Art. 36 Abs. 2 UVG
setzt voraus, dass der Unfall und das nicht versicherte Ereignis eine bestimmte Schädigung gemeinsam verursacht haben; die diesbezügliche Praxis zu
Art. 91 KUVG
gilt auch im Rahmen von
Art. 36 Abs. 2 UVG
(Erw. 2).
-
Art. 36 Abs. 2 Satz 2 UVG
ist im Bereich der Integritätsentschädigungen nicht anwendbar (Erw. 2).
Art. 145 UVV
: Übergangsrecht bei Berufskrankheiten.
Art. 145 UVV
bezweckt einzig, für die Zeit ab 1. Januar 1984 die neue (erweiterte) Liste gemäss Anhang I zur UVV auch für diejenigen Versicherten als anwendbar zu erklären, deren Leiden vorher nicht als Berufskrankheit anerkannt war. Ob diese Versicherten einen Leistungsanspruch besitzen, beurteilt sich dagegen nach den hiefür massgebenden gesetzlichen Bestimmungen, zu welchen insbesondere auch die Übergangsnorm des
Art. 118 UVG
gehört (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 55
BGE 113 V 54 S. 55
A.-
Der Versicherte erlitt am 27. Oktober 1979 einen Motorradunfall. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) kam für die Behandlung auf, die am 28. Januar 1984 abgeschlossen wurde. Als Restfolge blieb eine Trigeminusneuropathie links zurück. Im März 1981 meldete er der SUVA einen Gehörschaden,
BGE 113 V 54 S. 56
welchen diese als Berufskrankheit anerkannte. Die SUVA schloss diesen Fall im September 1983 ab.
Mit Verfügung vom 7. Februar 1984 lehnte die SUVA die Zusprechung einer Integritätsentschädigung ab. Die Begründung lautete im wesentlichen dahin, dass die Behandlung des Gehörschadens vor dem 1. Januar 1984 abgeschlossen worden sei, mithin noch unter der Herrschaft des alten Rechts (KUVG), welches das Institut der Integritätsentschädigung nicht kannte;
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
gelange daher nicht zur Anwendung. Was die Folgen des Unfalls vom 27. Oktober 1979 angehe, so sei deren Behandlung zwar erst nach dem 1. Januar 1984 abgeschlossen worden; doch seien die wegen dieses Unfalls zurückgebliebenen Gesundheitsschäden allein zuwenig erheblich, als dass sie einen Anspruch auf eine Integritätsentschädigung auszulösen vermöchten. Auf Einsprache des Versicherten hin anerkannte die SUVA dann aber, dass die Unfallfolgen eine starke und dauernde Beeinträchtigung der Integrität bedeuteten, und sprach dem Versicherten eine Integritätsentschädigung nach Massgabe einer Integritätseinbusse von 20% zu. Hinsichtlich der für den Gehörschaden verlangten Integritätsentschädigung beharrte sie jedoch auf ihrem Standpunkt (Einspracheentscheid vom 22. März 1984).
B.-
Der Versicherte erhob Beschwerde und beantragte, es sei ihm unter Einbezug des Gehörschadens eine Integritätsentschädigung auf der Grundlage einer Integritätseinbusse von 30% zuzusprechen. Dabei anerkannte er, dass die unfallbedingte Integritätseinbusse allein mit 20% richtig bemessen worden sei. Mit Entscheid vom 18. Januar 1985 wies das Versicherungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde ab.
C.-
Der Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und seinen im kantonalen Verfahren gestellten Antrag erneuern. Auf die Begründung wird in den Erwägungen einzugehen sein.
Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Gemäss
Art. 118 Abs. 1 UVG
werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Januar 1984) ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die
BGE 113 V 54 S. 57
vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, nach dem bisherigen Recht (KUVG) gewährt. Gemäss
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
gelten jedoch für Versicherte der SUVA in den in Abs. 1 erwähnten Fällen vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an dessen Bestimmungen unter anderem über die Invalidenrenten und Integritätsentschädigungen, sofern der Anspruch erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht.
b) Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität, so hat er gemäss
Art. 24 Abs. 1 UVG
Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung. Nach
Art. 24 Abs. 2 UVG
wird die Entschädigung mit der Invalidenrente festgesetzt oder, falls kein Rentenanspruch besteht, bei der Beendigung der ärztlichen Behandlung gewährt.
c) Strittig ist, ob der Beschwerdeführer wegen des seinerzeit als Berufskrankheit anerkannten Gehörschadens grundsätzlich Anspruch auf eine Integritätsentschädigung gemäss
Art. 24 UVG
hat. Es ist unbestritten, dass die Behandlung dieses Gehörschadens vor dem 1. Januar 1984 abgeschlossen wurde, nämlich im September 1983. Gemäss
Art. 24 Abs. 2 UVG
wäre somit der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung im September 1983 entstanden, wenn das KUVG diese Leistung vorgesehen hätte. Ein Leistungsanspruch gemäss
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
ist daher nicht gegeben.
2.
Der Beschwerdeführer wendet hiegegen ein, die Aufspaltung eines Integritätsschadens in einen altrechtlichen und einen neurechtlichen Teil sei unzulässig, und beruft sich hiefür auf
Art. 36 Abs. 3 UVV
in Verbindung mit
Art. 36 Abs. 2 UVG
. Gemäss
Art. 36 Abs. 3 Satz 1 UVV
ist die Integritätsentschädigung nach der gesamten Beeinträchtigung festzusetzen, wenn mehrere körperliche oder geistige Integritätsschäden aus einem oder mehreren Unfällen zusammenfallen. Nach
Art. 36 Abs. 2 UVG
werden Invalidenrenten, Integritätsentschädigungen und Hinterlassenenrenten angemessen gekürzt, wenn die Gesundheitsschädigung oder der Tod nur teilweise die Folge eines Unfalles ist (Satz 1); Gesundheitsschädigungen vor dem Unfall, die zu keiner Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, werden dabei nicht berücksichtigt (Satz 2). Aus diesen Bestimmungen schliesst der Beschwerdeführer, bei der Festlegung des Umfangs des Integritätsschadens seien Beeinträchtigungen aus früheren Unfällen oder Berufskrankheiten ebenfalls zu berücksichtigen. Wegen unfallfremder bzw.
BGE 113 V 54 S. 58
berufskrankheitsfremder Faktoren dürfte die Integritätsentschädigung nur dann gekürzt werden, wenn diese vor dem Unfall zu einer Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt hätten. Umsomehr müsse das gelten, wenn die Schädigung auf eine anerkannte Berufskrankheit zurückzuführen sei.
Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Nach dem oben Gesagten hat der Beschwerdeführer nach Massgabe von
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
für die mit dem Gehörschaden gegebene Integritätseinbusse keinen Entschädigungsanspruch. Dem ist auch im Rahmen von
Art. 36 Abs. 3 Satz 1 UVV
Rechnung zu tragen. Diese Verordnungsbestimmung regelt grundsätzlich nur das Zusammentreffen von Integritätsschäden, die nach dem Gesetz als solche versichert sind.
Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf
Art. 36 Abs. 2 UVG
. Diese Kürzungsbestimmung setzt voraus, dass der Unfall und das nicht versicherte Ereignis eine bestimmte Gesundheitsschädigung gemeinsam verursacht haben. Dagegen ist diese Bestimmung nicht anwendbar, wenn die beiden Einwirkungen einander nicht beeinflussende Schäden verursacht haben, so etwa wenn der Unfall und das nicht versicherte Ereignis verschiedene Körperteile betreffen und sich damit die Krankheitsbilder nicht überschneiden. Diesfalls sind die Folgen des versicherten Unfalles für sich allein zu bewerten (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 470 f.; zur gleichlautenden altrechtlichen Praxis zu
Art. 91 KUVG
siehe
BGE 107 V 238
Erw. 3,
BGE 105 V 207
Erw. 2,
BGE 104 V 161
f. sowie MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, S. 302). Im vorliegenden Fall können die Krankheitsbilder der Trigeminusneuropathie und des Gehörschadens klar auseinandergehalten werden, und ebenso lassen sich die hieraus resultierenden Integritätseinbussen isoliert würdigen und festlegen. Dementsprechend geht der Beschwerdeführer in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde selber von zwei getrennt messbaren Integritätsschäden aus, nämlich der Einbusse von 20% wegen der Trigeminusneuropathie und 10% wegen des Gehörschadens. Ist
Art. 36 Abs. 2 UVG
hier nicht anwendbar und lässt sich der nicht versicherte Schaden ausscheiden, so ist nicht ersichtlich, weshalb von
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
abgewichen werden könnte bzw. ein Schaden mit zu berücksichtigen wäre, der nach Massgabe von
Art. 24 Abs. 2 UVG
bereits unter der Herrschaft des alten Rechts einen Anspruch auf eine Integritätsentschädigung begründet hätte,
BGE 113 V 54 S. 59
wenn das Gesetz diese Leistungskategorie damals schon gekannt hätte.
Der vom Beschwerdeführer angerufene Satz 2 des
Art. 36 Abs. 2 UVG
sodann ist schon deshalb nicht anwendbar, weil dieser gemäss klarem Wortlaut nur die Renten beschlägt, kann sich doch das dort verwendete Kriterium der "Erwerbsfähigkeit" lediglich auf die Invalidenrenten beziehen. Dass das der Wille des Gesetzgebers ist, ergibt sich (entgegen der Auffassung von MAURER in Unfallversicherungsrecht, S. 470 N. 1228a) klar aus dem französischen und italienischen Text von Satz 2 des
Art. 36 Abs. 2 UVG
, in welchem ausdrücklich von den Renten die Rede ist (Toutefois, en réduisant les rentes, on ne tiendra pas compte des états antérieurs qui ne portaient pas atteinte à la capacité de gain / Per la riduzione delle rendite non si terrà tuttavia conto delle affezioni anteriori non pregiudizievoli alla capacità di guadagno).
3.
Der auf
Art. 118 Abs. 1 und
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
gestützten vorinstanzlichen Feststellung, dass keine Integritätsentschädigung gewährt werden kann, wenn der Anspruch darauf gemäss
Art. 24 Abs. 2 UVG
nicht nach dem 1. Januar 1984 entstanden ist, hält der Beschwerdeführer ferner
Art. 145 UVV
entgegen. Danach werden für die im Anhang I zur UVV aufgeführten Krankheiten, die nach der Verordnung vom 17. Dezember 1973 über Berufskrankheiten (AS 1974 47) keinen Anspruch begründeten, Versicherungsleistungen ab dem Inkrafttreten der UVV ausgerichtet.
Es ist unbestritten, dass der in
Art. 145 UVV
normierte Tatbestand auf den Beschwerdeführer nicht zutrifft, da dieser an einer Berufskrankheit leidet, die schon unter dem alten Recht versichert war. Der Beschwerdeführer vertritt jedoch die Auffassung, dass diese Bestimmung in seinem Fall gleichwohl anwendbar sei, denn wenn nach
Art. 145 UVV
für nicht versichert gewesene Berufskrankheiten Leistungen gewährt würden, so müsse das umsomehr für bereits früher versicherte Berufskrankheiten gelten; "es wäre doch wohl nicht richtig, diejenigen Versicherten schlechterzustellen, deren Leiden schon nach altem Recht als Berufskrankheit anerkannt war".
Art. 145 UVV
zielt indessen nicht auf eine Schlechterstellung der Versicherten mit bisher anerkannter Berufskrankheit ab, sondern bezweckt einzig, für die Zeit ab 1. Januar 1984 die neue (erweiterte) Liste gemäss Anhang I zur UVV auch für diejenigen Versicherten als anwendbar zu erklären, deren Leiden vorher nicht als Berufskrankheit anerkannt war. Mehr als
BGE 113 V 54 S. 60
diese Gleichstellung hinsichtlich der Anerkennung als Berufskrankheit ist nicht gewollt. Ob ein Versicherter, der in den Genuss der besagten Gleichstellung kommt, infolge seiner Berufskrankheit Leistungsansprüche besitzt, beurteilt sich dagegen nach den massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen. Dazu gehört vorab die grundlegende Übergangsnorm des
Art. 118 UVG
(über den im Rahmen von
Art. 145 UVV
hinauszugehen der Bundesrat ohnehin nicht ermächtigt wäre). Demnach kann der in
Art. 145 UVV
erfasste Versicherte eine Integritätsentschädigung nur erhalten, wenn der Anspruch darauf nach dem 1. Januar 1984 entstanden ist. Der Beschwerdeführer beruft sich daher zu Unrecht auf
Art. 145 UVV
.
4.
Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er für seinen Gehörschaden nie eine Integritätsentschädigung erhalten würde, wenn nicht ein anderes Ereignis, das zu einer Integritätsentschädigung führt, diesen Anspruch auslösen würde. Solche Besserstellungen durch ein späteres Ereignis kämen aber nach dem Gesetz auch sonst immer wieder vor, wie sich das am Beispiel des Verlusts paariger Organe (
Art. 29 Abs. 3 UVV
) zeige.
Auch dieses Argument vermag dem Beschwerdeführer nicht zu helfen. Zwar ist es richtig, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber verschiedenenorts für die Versicherten grosszügigere Lösungen getroffen hat, was in der Hauptsache mit dem Ziele geschah, altrechtliche Mängel oder Unzulänglichkeiten zu beheben (wie etwa auch mit dem oben bereits erwähnten, die Invalidenrenten betreffenden Satz 2 des
Art. 36 Abs. 2 UVG
). Wo indessen solche Neuerungen als notwendig erachtet wurden, fanden sie ausdrücklichen Eingang in Gesetz oder Verordnung. Es ist nicht angängig, aus einer allgemeinen Tendenz des Gesetzgebers zur Besserstellung der Versicherten gegenüber der altrechtlichen Ordnung oder aus spezifischen Lösungen zu hier nicht in Frage stehenden Problemen für den vorliegenden Fall eine Regelung abzuleiten, die
Art. 118 Abs. 2 lit. c UVG
widerspricht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8197f6bc-062b-4fa6-8cde-f1bc5ddd0024 | Urteilskopf
99 IV 73
16. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 16 mars 1973 dans la cause Zufferey contre Ministère public du canton du Valais. | Regeste
Art. 68 Ziff. 1, 187 und 188 StGB
.
Zwischen Notzucht und Nötigung zu andern unzüchtigen Handlungen, die auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhen, besteht nur dann ein Fortsetzungszusammenhang, wenn die Handlungen in ihrer Art ähnlich sind. | Erwägungen
ab Seite 74
BGE 99 IV 73 S. 74
2.
a) Se référant à l'arrêt publié au RO 91 IV 64, le recourant estime que les actes retenus contre lui comme constitutifs des crimes de viol et d'attentat à la pudeur avec violence en concours réel ne forment en réalité qu'un délit successif ou continué.
L'autorité cantonale a contesté l'existence d'un délit successif, parce que "les prévenus n'ont pas pris une fois pour toutes la décision de s'adonner à plusieurs coïts et à des immissiones in os et in anum" et parce que "sur le plan psychologique, le seul fait de l'orgasme provoque une rupture de sorte que la décision d'avoir un nouveau rapport doit être considérée indépendante". Cette conclusion n'est fondée toutefois sur aucun fait précis ni sur l'appréciation des preuves, mais sur la nature des choses. Aussi la cour de céans peut-elle la revoir librement (RO 88 II 469). En effet, rien ne permet de penser en l'occurrence que les deux hommes n'ont a priori décidé de commettre qu'un seul viol ou qu'un seul attentat à la pudeur. L'expérience de la vie enseigne au contraire que, dans de telles circonstances, les agresseurs entendent tirer de leur victime tout le plaisir qu'il leur sera possible (cf. RO 98 IV 106 no 20). Dans ce cas on doit admettre, contrairement à l'autorité cantonale, qu'il y a unité d'intention.
b) Le délit successif ne constitue cependant une seule infraction que si la répétition d'actes identiques ou analogues lèse le même genre d'intérêts juridiquement protégés (RO 83 IV 159 et 90 IV 132). Les infractions réprimées aux art. 187 et 188 CP portent toutes deux atteinte aux moeurs, mais il faut encore décider si, n'étant pas identiques, elles sont analogues.
On peut hésiter. Certes, à chaque fois l'auteur cherche à satisfaire les mêmes appétits, au mépris de la liberté sexuelle d'autrui; mais, d'un autre côté, si le viol constitue toujours un
BGE 99 IV 73 S. 75
acte grave, susceptible d'entraîner une grossesse, il existe des actes contraires à la pudeur relativement bénins; la loi en a d'ailleurs tenu compte en fixant les peines applicables. De plus, certains attentats à la pudeur impliquent des actes contre nature, objets d'une répulsion particulière, alors que d'autres peuvent être considérés comme le prélude ou la suite d'une relation sexuelle qui aurait été qualifiée de normale si elle n'avait été accompagnée de violence. Dans cette dernière hypothèse se poserait la question du concours réel ou du concours idéal selon le cas (SCHÖNKE/SCHRÖDER, n. 42 a ad § 176).
Il reste que les attentats à la pudeur se manifestent, dans leur ensemble, sous des formes trop différentes pour que l'on puisse poser une règle absolue et que, de toute manière, on ne saurait tenir le viol, d'une part, et les immissiones in os et in anum, d'autre part, comme des actes analogues. Il n'y a donc en l'occurrence pas de délit successif. | null | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
819f0096-9e13-43fa-8d62-58c926645ded | Urteilskopf
87 III 54
11. Entscheid vom 15. September 1961 i.S. Aerni. | Regeste
Der Wohnort des Gläubigers muss auch dann im Betreibungsbegehren angegeben werden (gemäss
Art. 67 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG
), wenn über seine Person Gewissheit besteht und er in der Betreibung durch einen Bevollmächtigten vertreten wird.
Hat der Gläubiger keinen wirklichen Wohnort, so ist seine Aufenthaltsadresse anzugeben.
Wegen Fehlens der Angabe im Zahlungsbefehl (
Art. 69 Ziff. 1 SchKG
) kann sich der Schuldner beschweren, ohne dass ihm Rechtsmissbrauch vorgehalten werden könnte.
Einräumung einer Verwirkungsfrist zum Nachholen der Angabe, gemäss
BGE 47 III 121
. | Sachverhalt
ab Seite 55
BGE 87 III 54 S. 55
A.-
Namens der "Aerni Catharina, Frau, Domizil bei den Bevollmächtigten" stellten deren Anwälte gegen deren Ehemann ein Betreibungsbegehren für Unterhaltsbeiträge. Das Betreibungsamt Bern 1 stellte dem Schuldner W. Aerni einen entsprechenden Zahlungsbefehl zu. Darüber beschwerte sich der Schuldner, weil die in
Art. 67 Ziff. 1 SchKG
verlangte Angabe des Wohnortes der Gläubigerin fehle. Es handle sich um Unterhaltsbeiträge an seine geschiedene Ehefrau. Die Unterhaltspflicht würde mit der Wiederverheiratung der Gläubigerin aufhören. Er müsse deren derzeitige Adresse kennen, um sich über ihren gegenwärtigen Familienstand erkundigen zu können. Auf die Beteuerungen ihrer Vertreter könne er sich nicht verlassen, und es gehe auch nicht an, ihn an das Zivilstandsamt der Heimat (Zollikofen) zu weisen, das unter Umständen über eine im Ausland erfolgte Heirat nicht unterrichtet sei. Die Gläubigerin habe schon vor Jahren die Absicht geäussert, sich in einem fernen Land, etwa in Venezuela, neu zu verehelichen.
B.-
Gemäss dem Antrag des Betreibungsamtes forderte der Präsident der Aufsichtsbehörde die Vertreter der Gläubigerin, unter Mitteilung der Beschwerde, auf, innert acht Tagen den Wohnort der Gläubigerin bekannt zu geben, "unter Androhung, dass sonst der Zahlungsbefehl aufgehoben wird (
BGE 47 III 121
)". Die Vertreter der Gläubigerin erteilten die verlangte Auskunft nicht und begründeten ihren ablehnenden Standpunkt in einer während der ihnen angesetzten Frist eingereichten Eingabe
BGE 87 III 54 S. 56
wie folgt: Das angerufene Präjudiz stamme aus dem Jahre 1910 und sei seither nie bestätigt worden. Es sei als hinfällig zu betrachten und durch neuere Entscheide (
BGE 62 III 134
undBGE 65 III 97) überholt, wonach es bloss der eindeutigen, jeden Zweifel an der Identität ausschliessenden Bezeichnung des Gläubigers bedürfe. Mehr zu verlangen, sei Schikane, zumal seitens des hier betriebenen Schuldners, der der Gläubigerin seit Jahren Schwierigkeiten bereite. Unter diesen Umständen brauche sie ihm ihre - wechselnde - Wohnadresse nicht bekannt zu geben. Sie befinde sich seit Mai 1960, wie der Schuldner wisse, im Ausland, sei zuerst in Frankreich gewesen und weile jetzt in Westdeutschland. Sie sei bereit, der Aufsichtsbehörde bloss für deren Gebrauch, nicht auch dem Schuldner, ihre gegenwärtige Adresse auf Verlangen mitzuteilen. Um eine neue Ehe einzugehen, müsste sie sich beim Zivilstandsamt von Zollikofen ein "Ledigkeitszeugnis" ausstellen lassen. Das sei bisher nie geschehen; es möge darüber ein Bericht des erwähnten Amtes eingeholt werden.
C.-
Die Aufsichtsbehörde hielt indessen dafür, der Schuldner sei befugt, die Angabe des Wohnortes der Gläubigerin zu verlangen, und zwar, um selber davon Kenntnis zu nehmen, so dass das Angebot der Vertreter der Gläubigerin, eine dem Schuldner vorzuenthaltende Angabe zu machen, nicht genüge. Demgemäss ist der Zahlungsbefehl mit Entscheid vom 24. August 1961 aufgehoben worden.
D.-
Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende von einem der bevollmächtigten Anwälte der Gläubigerin in deren Namen, wiederum ohne Wohnortsangabe, eingereichte Rekurs an das Bundesgericht. Der Antrag geht auf Aufhebung des kantonalen Entscheides und auf Anweisung an das Betreibungsamt, die Betreibung laut dem Zahlungsbefehl Nr. 70524 wieder an Hand zu nehmen. Der Rekursschrift sind sechs Seiten des Passes der Gläubigerin in Lichtpausen beigelegt, und in der
BGE 87 III 54 S. 57
Rekursbegründung wird hervorgehoben, dass ihr Zivilstand in diesem am 21. Dezember 1960 von der schweizerischen Gesandtschaft in Paris ausgestellten Pass mit "divorcée" angegeben ist.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Das Gesetz verlangt die Angabe des Namens und Wohnortes des Gläubigers (und seines allfälligen Bevollmächtigten, sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, des von ihm in der Schweiz gewählten Domizils) im Betreibungsbegehren (Art. 67 Abs. 1 Ziff. 1) und ebenso im Zahlungsbefehl (Art. 69 Ziff. 1). Dieses Gebot wird offensichtlich nicht erfüllt durch eine der Aufsichtsbehörde bloss zu internem Amtsgebrauch gemachte Angabe. Nach den erwähnten Vorschriften muss der Name und der Wohnort des Gläubigers vielmehr in den grundlegenden Betreibungsurkunden enthalten sein und nicht bloss dem Betreibungsamt - sowie im Fall einer Beschwerde den Aufsichtsbehörden -, sondern auch dem Betriebenen kundgetan werden. Die Vorinstanz hat es daher mit Recht abgelehnt, eine Wohnortsangabe entgegenzunehmen, die dem Schuldner hätte vorenthalten werden müssen und nach wie vor in den Betreibungsurkunden gefehlt hätte.
2.
Der Hauptstandpunkt der Rekurrentin geht indessen dahin, es bedürfe der vorgeschriebenen Wohnortsangabe nicht in allen Fällen. Sie könne füglich unterbleiben, wenn über die Identität des Gläubigers weder beim Schuldner noch beim Betreibungsamt irgendein Zweifel bestehe und namens des Gläubigers ein in der Schweiz wohnender Bevollmächtigter handle, an den sich sowohl der Schuldner wie auch das Betreibungsamt in allen diese Betreibung betreffenden Fragen wenden könne. Dem ist nicht beizustimmen. Wie in dem vom Betreibungsamt und von der Vorinstanz angerufenen Entscheid ausgeführt wurde (
BGE 47 III 121
ff.), gilt die erwähnte Vorschrift auch in dem Falle, den die Rekurrentin davon ausnehmen
BGE 87 III 54 S. 58
möchte. Das ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes, das die Angabe des Namens und Wohnortes des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten verlangt, jene doppelte Angabe also auch dann nicht als überflüssig erachtet, wenn der Gläubiger die Betreibung nicht selbst einleitet und durchführt, sondern einen Bevollmächtigten für sich handeln lässt. Gewiss hat die Wohnortsangabe in manchen Fällen den besondern Zweck, die von vornherein unerlässliche Identifizierung zu ermöglichen. Das Gesetz schreibt sie aber allgemein vor, und die Rechtsprechung hat dementsprechend auch in neuerer Zeit an den Grundsätzen jenes Präjudizes festgehalten (
BGE 82 III 127
ff., Erw. 2). Keinen abweichenden Standpunkt nahmen die von der Rekurrentin angeführten Entscheidungen (
BGE 62 III 134
undBGE 65 III 97) ein. Sie befassten sich gar nicht mit dem (in den betreffenden Fällen erfüllten) Erfordernis der Wohnortsangabe, sondern mit dem Gebot, den (richtigen) Namen bezw. die Firma des Gläubigers anzugeben (vgl. dazu P. SCHWARTZ, Die Bezeichnung der Parteien in den Betreibungsurkunden, BlSchK 1955, 13/14).
3.
Mit der Vorinstanz ist endlich die Einrede der Rekurrentin, das Begehren des Schuldners sei rechtsmissbräuchlich, zu verwerfen. Der Schuldner hat nichts anderes verlangt als die Einhaltung einer gesetzlichen Vorschrift, auf die ihn in einer frühern auf dasselbe Scheidungsurteil gestützten Alimentenbetreibung der Rechtsöffnungsrichter hingewiesen hatte. Dass dieser Vorschrift nachgelebt werde, darf der Schuldner verlangen, "ohne dass er nachzuweisen hätte, inwiefern seine Interessen durch Unterlassung der Angabe des Wohnortes des Gläubigers verletzt werden" (
BGE 47 III 121
ff., Erw. 1 am Ende). Der Nachweis, dass der Schuldner im Einzelfall jene Angabe ohne jedes Interesse, aus reiner Schikane verlange, würde dem Gläubiger obliegen. Vermutungsweise -und in den meisten Fällen auch wirklich - ist es aber für den Schuldner von Belang, zu wissen, wo der betreibende
BGE 87 III 54 S. 59
Gläubiger wohnt, sei es, um Zahlungen an ihn persönlich statt an das Betreibungsamt oder an den Bevollmächtigten leisten oder auch einfach mit ihm persönlich (mündlich, allenfalls telefonisch, oder schriftlich) wegen der Betreibungssache oder einer damit zusammenhängenden Angelegenheit in Verbindung treten zu können (vgl. auch hiezu das Präjudiz; ferner E. SCHMID, Der Zahlungsbefehl, Diss. 1930, S. 15). Dass ein solches Interesse im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei, ist nicht dargetan. Die Schwierigkeiten, die der Schuldner der Rekurrentin im Scheidungsprozess und seither bereitet haben soll, machen die Wohnortsangabe nicht überflüssig.
4.
Vor Bundesgericht macht die Rekurrentin auch noch geltend, sie habe im Ausland keinen neuen Wohnsitz begründet, somit den frühern Wohnsitz in Zürich nach
Art. 24 ZGB
behalten; übrigens sei niemand in ihre dortige Wohnung gezogen und diese immer noch auf ihren Namen angeschrieben. Wollte sie demgemäss diesen (dem Schuldner bekannten) frühern, jetzt nur noch fiktiven Wohnort angeben, so würde der Schuldner sich aber mit Recht über diese unnütze Angabe beschweren. Ihre wechelnden Aufenthaltsorte brauche sie jedoch im Betreibungsbegehren nicht anzugeben, und der Schuldner brauche diese Orte um des von ihm hervorgehobenen Interesses willen auch nicht zu kennen, da er beim heimatlichen Zivilstandsamt jederzeit Auskunft über ihren Zivilstand erhalten könne.
Dazu ist zu bemerken, dass das Gesetz allerdings die Angabe des wirklichen, nicht eines bloss fiktiven Wohnortes im Auge hat. Ist der bisherige Wohnsitz gänzlich aufgegeben, befindet sich die betreffende Person also nicht nur zu einem vorübergehenden Zwecke, sei es auch für längere Zeit, an einem andern Orte (vgl.
BGE 82 III 12
), so liegt es im Sinne der
Art. 67 und 69 SchKG
, dass nun die neue Wohnadresse angegeben werde, wo der Gläubiger tatsächlich erreichbar ist, selbst wenn er eines eigentlichen Wohnsitzes entbehrt. In diesem Sinne war die
BGE 87 III 54 S. 60
Aufforderung des Präsidenten der kantonalen Aufsichtsbehörde, das im Betreibungsbegehren Versäumte binnen bestimmter Frist (gemäss dem erwähnten Präjudiz) nachzuholen, vernünftigerweise zu verstehen. Die Anwälte der Rekurrentin haben sie denn auch so aufgefasst, und es war auch unbestritten, dass die Rekurrentin eine solche Wohnadresse besitze. Ihre Vertreter weigerten sich bloss (wie dargetan, zu Unrecht), sie dem Schuldner kundzutun. Wenn diesem vor allem daran liegt, sich jederzeit nach einer allfälligen Wiederverheiratung der Gläubigerin (wodurch seine Alimentationspflicht beendigt wäre) erkundigen zu können, so ist es übrigens für ihn zweifellos leichter, sich bei der Einwohnerkontrolle ihres mehr oder weniger ständigen Wohnortes danach zu erkundigen als eine Bescheinigung des Zivilstandsamtes des Heimatortes einzuholen. Seine Beschwerde entbehrte also nicht des realen Interesses.
Die im Rekurs an das Bundesgericht enthaltenen neuen tatbeständlichen Vorbringen können nicht berücksichtigt werden (
Art. 79 Abs. 1 OG
). Den ihr vorgelegten Tatbestand mit Einschluss der Vernehmlassung der Gläubigerin hat die Vorinstanz richtig beurteilt. Sollte die Rekurrentin bei Einleitung einer neuen Betreibung, wie es derzeit nach den Ausführungen der Rekursschrift der Fall ist, nur eine beinahe täglich wechselnde Hoteladresse ohne festen Wohnsitz im Sinne des
Art. 23 ZGB
besitzen, so wird sie sich freilich auf die Angabe der gerade "zur Zeit" geltenden Aufenthaltsadresse beschränken können, da sie lediglich zu wahrheitsgemässer "Wohnortsangabe" verpflichtet ist.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
81a042ae-8ba5-4a8f-8295-cbd989bd7a28 | Urteilskopf
94 II 313
47. Arrêt de la Ire Cour civile du 3 décembre 1968 dans la cause Y. contre Union de Banques Suisses S. A. | Regeste
Gemeinschaftskonto
1. Auf das Gemeinschaftskonto sind zur Hauptsache die Bestimmungen über den Auftrag anwendbar (Erw.2).
2. Der Vertrag kann die Vererblichkeit der Rechte der Auftraggeber vorsehen (Erw. 3).
3. Die Inhaber des Gemeinschaftskontos sind Solidargläubiger; jeder von ihnen ist auf die ganze Forderung berechtigt; durch Befriedigung eines Gläubigers geht auch die Forderung der andern Gläubiger unter (Erw. 4 und 5).
4. Stirbt ein Kontoinhaber, so kann einer seiner Erben die Recht der andern Kontoinhaber durch Belangung des Schuldners im Sinne von
Art. 150 Abs. 3 OR
beeinträchtigen; er kann aber den Auftrag nur mit Zustimmung der andern Kontoinhaber widerrufen (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 94 II 313 S. 314
A.-
Le 12 juillet 1963, à Genève, les époux X. et Y. étrangers domiciliés à l'étranger, ont signé, sur une formule imprimée de l'Union de Banques Suisses, un acte intitulé Convention. Cet acte prévoit qu'"agissant en qualité de déposants solidaires", ils font constituer à l'Union de Banques Suisses un dossier à leurs noms pour le dépôt des titres, valeurs et autres documents dont ils confient la garde à ladite banque, laquelle leur ouvrira, en outre, "un compte courant/carnet de dépôts, dont ils seront solidairement titulaires".
Sous son ch. 4, la convention porte la clause suivante:
"Chacun des déposants aura séparément qualité pour disposer valablement des titres, valeurs et autres documents qui se trouvent actuellement ou se trouveront déposés ultérieurement sous leur dossier à l'Union de Banques Suisses, de même que l'avoir en compte courant/sur carnet de dépôts. Chacun des déposants pourra en conséquence, par sa signature individuelle, donner valablement quittance et décharge à l'Union de Banques Suisses. De même, après la mort de l'un des déposants, le survivant pourra valablement disposer seul des titres et valeurs déposés et de l'avoir en compte courant/sur carnet de dépôts."
Dans la mesure où elle ne les règle pas par ses clauses, la convention soumet les rapports entre parties - banque et déposants - au règlement de la banque sur le dépôt et la gestion de valeurs et, pour le reste, au droit suisse.
X. décédé à l'étranger, le 14 septembre 1967, laissant comme héritiers, outre sa veuve Y. cinq enfants nés de son mariage avec celle-ci.
L'Union de Banques Suisses, à Genève, avait ouvert aux époux X. et Y. quatre comptes courants qui, le 27 mai 1968, présentaient tous des soldes actifs.
Le 30 janvier 1968, une des filles, Z. s'est présentée à l'Union de Banques Suisses, à Genève, et a donné l'ordre de bloquer les quatre comptes mentionnés ci-dessus jusqu'à ce que l'ensemble des héritiers donne des ordres à leur sujet. Elle a produit diverses pièces, soit un acte de décès, un certificat d'héritiers et une procuration en sa faveur, signée par deux de ses cohéritières.
Le 28 février 1968, l'Union de Banques Suisses a avisé Y. de cette démarche ajoutant qu'elle se tenait pour obligée d'y donner suite. Y. a alors mis la banque en demeure, le 3 avril 1968, de mettre à sa disposition la totalité des fonds portés sur les comptes prémentionnés. Elle a vainement réitéré cette
BGE 94 II 313 S. 315
démarche, sur quoi elle a fait notifier à la banque, à son siège central, à Zurich, le 13 juin 1968, un commandement de payer portant sur des sommes correspondant aux soldes des quatre comptes courants, ainsi que sur des intérêts à 5% l'an à compter du 3 avril 1968.
Le 17 juin 1968, l'Union de Banques Suisses a fait opposition totale.
Les parties ont signé, le 5 juin 1968 pour Y. et le 20juin suivant pour l'Union de Banques Suisses, une convention par laquelle elles déclaraient d'un commun accord qu'elles soumettaient leur litige au Tribunal fédéral statuant en instance unique.
B. - Le 24 juin 1968, Y. a déposé une demande concluant à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral condamner l'Union de Banques Suisses, à Zurich:
Premièrement à lui payer toutes sommes qu'elle détient à raison de la convention de compte-joint du 12 juillet 1963, le tout avec intérêts à 5% l'an à compter du 3 avril 1968.
Secondement à lui remettre tous objets, valeurs quelconques, qu'elle peut détenir en raison de la même convention de comptejoint.
C.-
Le 2 octobre 1968, la défenderesse a déposé sa réponse. Elle demande au Tribunal fédéral de lui donner acte de ce qu'elle tient à la disposition de la demanderesse conjointement et solidairement avec les autres héritiers de X. la totalité des avoirs qu'elle détient sur les comptes, soit les sommes indiquées par la demanderesse dans ses conclusions, le tout sans intérêts, sauf ceux qui auraient été antérieurement convenus. Elle requiert en outre que la demanderesse soit déboutée de toutes autres conclusions.
Le Tribunal fédéral a alloué ses conclusions à la demanderesse.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La valeur litigieuse dépassant 20'000 fr., les parties pouvaient saisir le Tribunal fédéral à la place des juridictions cantonales de par l'art. 41 lit. c OJ.
2.
La convention du 12 juillet 1963 qualifie les époux X. et Y. de "déposants" et concerne les dépôts aussi bien de monnaies que de titres, papiers-valeurs ou tous autres documents. Effectivement, des dépôts ont été faits sur quatre comptes courants distincts. De plus, selon une lettre de la défenderesse à Y., du 28 février 1968, la première, sur l'ordre de la seconde,
BGE 94 II 313 S. 316
payait les frais de séjour de la fille cadette des époux X. et Y. en Suisse.
Ainsi, non seulement la défenderesse acceptait des dépôts de ses clients, mais encore elle faisait, au besoin à des tiers, des paiements, selon des ordres qui lui étaient donnés, et tenait les comptes relatifs à ces mouvements de fonds. Si donc le contrat présentait certaines particularités du dépôt, notamment du dépôt irrégulier, il n'avait pas moins pour objet, au premier chef, une gestion au sens de l'art. 394 CO, de sorte qu'il s'agissait essentiellement d'un mandat (arrêt du 25 octobre 1960 en la cause Okcuoglu c. Schweizerische Bankgesellschaft, non publié; GAUTSCHI, Commentaire ad art. 400 CO, n. 37), comme dans le cas du dépôt ouvert avec obligation de gestion assumée par la banque (RO 94 II 169). Au demeurant, dans la mesure où elles seraient applicables, les règles relatives au dépôt n'imposeraient pas une solution différente. Notamment, si le mandat est révocable en tout temps (art. 404 CO), le déposant peut, de même, réclamer la chose déposée (art. 475 CO) et ainsi mettre fin au contrat.
3.
On admet en général que, vu la nature de l'affaire (art. 405 al. 1 CO), dans les relations entre une banque et son mandant, le décès de celui-ci ne met pas fin au contrat (OSER/SCHÖNENBERGER, Comm. ad art. 405, n. 3). De plus, la convention conclue entre les époux X. et Y. et la défenderesse prévoit qu'au décès de l'un d'eux, l'autre pourra disposer seul du compte. Elle implique donc clairement que le décès ne met pas fin au mandat, ce que l'art. 405 al. 1 CO autorise expressément.
4.
Le ch. 4 de la convention du 12 juillet 1963 confère sans équivoque à chacun des époux X. et Y. séparément le pouvoir de disposer des titres déposés et des sommes portées en compte courant et de donner valablement quittance et décharge à la banque par sa signature individuelle. La clause les désigne comme "déposants solidaires", "solidairement titulaires" des comptes courants.
Les époux X. et Y. étaient donc solidairement créanciers de la banque selon l'art. 150 CO (solidarité active; RO 94 II 170; OSER/SCHÖNENBERGER, Comm. ad art. 150 CO, n. 3). Dans un tel cas, selon le droit suisse, chacun des codéposants est titulaire d'une créance; ces créances ont le même objet, de sorte que le paiement de l'une éteint l'autre. Symétriquement,
BGE 94 II 313 S. 317
l'obligation solidaire, qui est une par l'objet de la prestation, se décompose en autant de dettes qu'il y a de coobligés, obligations qui sont distinctes (RO 28 I 408;
50 III 85
; OSER/SCHÖNENBERGER, Remarques préliminaires sur les
art. 143 à 150
, n. 10; v. TUHR, Allg. Teil des schweizerischen Obligationenrechts, p. 678; BECKER, Remarques préliminaires sur les
art. 143 à 150
, n. 5).
On ne saurait soutenir - la défenderesse elle-même ne le tente pas du reste - que les titulaires d'un compte-joint ne seraient pas créanciers solidaires, mais n'auraient qu'un simple pouvoir de disposition; il y aurait ainsi une créance unique, mais dont pourraient disposer plusieurs personnes (opinion soutenue par A. MATTER, Zur rechtlichen Konstruktion des compte-joint, RSJ 1947, p. 319). Rien, dans la loi, n'autorise une telle analyse. La notion même de créance s'y oppose; on ne voit pas que l'on puisse distinguer de la créance le pouvoir de disposer, lequel est l'attribut même de la propriété (art. 641 CC); de plus, il faudrait, selon cette théorie, ou bien admettre qu'il existe une dette sans créancier ou bien considérer comme tel l'un des titulaires du pouvoir de disposer, ce qui obligerait à prendre en considération les rapports internes entre ces personnes, rapports dont le mandataire dépositaire n'a pas à connaître; enfin, on se heurterait à des difficultés extrêmes en cas de poursuites exercées contre l'un des titulaires du compte.
En droit allemand aussi, du reste, qui procède des mêmes sources que le droit suisse (droit commun), la doctrine cite comme exemple typique de la créance solidaire celle que confère à des époux ne vivant pas sous le régime de la communauté le contrat par lequel ils se font ouvrir en banque un compte-joint dont chacun peut disposer individuellement (LLEHMANN, dans Enneccerus-Kipp-Wolff, 15e éd., Tübingen 1958 II p. 365; LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts, 5e éd., München und Berlin 1962, p. 353; BGB, Kommentar herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern, n. 4 ad § 428). La jurisprudence consacre la même solution (Bank-Archiv 37-38, p. 434; NJW 1961 I p. 510). Le droit français suit des principes identiques (HAMEL, Banques et opérations de banque, Paris 1933, t. I, p. 513).
5.
Il suit de là que la demanderesse, en sa qualité de créancière, pouvait disposer des valeurs confiées à la défenderesse et cela même après le décès de son mari. Celui-ci disposait,
BGE 94 II 313 S. 318
de son vivant, du même droit, qui passait en principe à ses héritiers, puisque, comme on l'a montré, le décès des créanciers solidaires ne mettait pas fin au mandat conféré à la défenderesse.
Point n'est besoin de décider si la lettre de la clause selon laquelle "le survivant pourra valablement disposer seul" exclut ou non les droits des héritiers du prémourant; dans l'affirmative, l'action devrait manifestement être admise. Mais il n'en irait pas autrement dans la négative.
6.
Dans ce cas, en effet, Z. aurait pu infirmer les droits de ses cohéritiers, de par l'art. 150 al. 3 CO, en ouvrant une poursuite contre le débiteur. Elle ne l'a pas fait et une simple sommation verbale ou sous seing privé ne suffit pas, du point de vue de cette disposition légale (OSER/SCHÖNENBERGER, Comm. ad art. 150 CO, n. 5; pour le droit français: HAMEL, op.cit., t. I, p. 515).
L'art. 150 al. 3, cependant, qui s'applique à toute créance solidaire, quelle que soit sa cause, ne concerne en rien les conséquences qui peuvent découler des rapports juridiques particuliers dont cette créance est issue. Ces rapports, constitutifs de mandats, de dépôts ou de prêts, peuvent prendre fin selon les règles qui leur sont propres et à l'application desquelles l'art. 150 al. 3 CO ne fait pas obstacle. Il n'exclut nullement, par exemple, que le déposant, le mandant ou le prêteur demande la restitution du dépôt ou du prêt ou révoque le mandat.
On a montré que la créance solidaire créait une relation juridique unique avec une pluralité de créances et, corrélativement, de dettes. Cette relation, régie par les règles du mandat, respectivement du dépôt, est issue d'une manifestation de volonté conjointe, en l'espèce celle des époux X. et Y. De leur vivant, aucun d'eux n'aurait pu, unilatéralement, révoquer le mandat de la banque; seule une révocation conjointe eût été opérante (cf., pour le droit allemand, § 356 BGB; § 425 auquel renvoie le § 429 BGB; STAUDINGER, 9e éd., comm. ad § 429 BGB, n. II, 1; PLANCK-SIBER, ibidem, n. 5; OERTMANN, 5e éd., comm. ad § 428, n. 2 et ad § 429, n. 2 b; contra, cependant: HELLWIG, Anspruch und Klagerecht, Jena 1900, p. 197, n. 24). C'est ainsi du reste que, dans le cas de la solidarité passive, l'un des débiteurs solidaires ne peut, par son fait personnel, aggraver la situation des autres (art. 146 CO).
Z.
n'aurait donc pu mettre fin au mandat conféré à la défenderesse
BGE 94 II 313 S. 319
par ses parents que si elle avait eu qualité pour agir au nom des ayants droit de son père prédécédé et d'accord avec sa mère. Or aucune de ces deux conditions n'est réalisée.
7.
La demande n'est pas litigieuse sur les montants, ni sur les taux de conversion des monnaies. L'intérêt moratoire est dû dès la communication de la mise en demeure, soit le 4 avril 1968 pour les avoirs en compte à vue et dès l'échéance pour les comptes à trois mois de terme. Par lettre du 10 septembre 1968, communiquée avant le dépôt de la réponse, la demanderesse a complété ses conclusions par une demande de mainlevée définitive. Cela était admissible de par l'art. 26 al. 1 PCF. | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
81ae4721-09e4-45e8-9229-c972e53599a7 | Urteilskopf
133 I 234
25. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich sowie Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
1B_87/2007 vom 22. Juni 2007 | Regeste a
Art. 5 Ziff. 1 Satz 2 EMRK
; Untersuchungshaft, völkerrechtswidrige Entführung.
Fall, in dem ein wegen gewerbsmässigen Betrugs Angeschuldigter in die Dominikanische Republik geflüchtet, von den dortigen Behörden ausgewiesen und dabei den schweizerischen Behörden übergeben worden war. Völkerrechtswidrige Entführung und damit Hafthinderungsgrund verneint, da die schweizerischen Behörden die Souveränität der Dominikanischen Republik beachtet und weder Zwang, Drohung noch List angewandt haben, um des Angeschuldigten habhaft zu werden (E. 2).
Regeste b
Art. 68 Abs. 4 i.V.m.
Art. 66 Abs. 1 und 3 BGG
; Parteientschädigung.
Verpflichtung des obsiegenden Kantons, den unterliegenden Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen, da sich der kantonale Haftrichter mit den im vorliegenden Fall zu erörternden Fragen nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise auseinandergesetzt hat und sich der Beschwerdeführer daher zur Beschwerde veranlasst sehen konnte (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 235
BGE 133 I 234 S. 235
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) führt ein Strafverfahren gegen den deutschen Staatsangehörigen X. Er steht unter dem dringenden Verdacht, im Jahr 2002 zusammen mit weiteren Tätern in der Schweiz und im Ausland gewerbsmässig Anlagebetrüge begangen zu haben. Der Deliktsbetrag soll sich auf mindestens 18,5 Millionen Euro belaufen. Das Bezirksgericht Uster hat Mitangeschuldigte bereits rechtskräftig zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
Im August 2002 konnte sich X. seiner Verhaftung durch Flucht entziehen. Trotz nationaler und internationaler Haftbefehle konnte er vorerst nicht gefasst werden.
Am 9. August 2006 wurde X. in Santo Domingo (Dominikanische Republik) festgenommen. Am 18. August 2006 reisten drei Beamte der Kantonspolizei Zürich nach Santo Domingo. Sie übernahmen dort in der Folge X. und verbrachten ihn mit dem Flugzeug nach Zürich.
Mit Verfügung vom 23. August 2006 versetzte der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich X. in Untersuchungshaft.
Am 27. November 2006 ordnete der Haftrichter die Fortsetzung der Untersuchungshaft an; ebenso am 22. Februar 2007.
Auf Antrag des Verteidigers von X. ersuchte die Staatsanwaltschaft Prof. Wolfgang Wohlers (Universität Zürich), dazu Stellung zu nehmen, ob die Inhaftierung von X. in der Dominikanischen Republik
BGE 133 I 234 S. 236
und seine Überstellung an die schweizerischen Behörden rechtmässig war. Am 24. April 2007 erstattete Prof. Wohlers sein Gutachten.
Am 2. Mai 2007 ersuchte X. "nach Durchsicht des Gutachtens von Prof. Wohlers" um Haftentlassung.
Mit Verfügung vom 4. Mai 2007 wies der Haftrichter das Gesuch ab.
Am 13. Mai 2007 ersuchte X. erneut um Haftentlassung.
Mit Verfügung vom 15. Mai 2007 wies der Haftrichter das Gesuch wiederum ab.
X. führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des Haftrichters vom 15. Mai 2007 aufzuheben; er sei aus der Haft zu entlassen unter Einräumung einer Schonfrist von 45 Tagen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, bei seiner Überstellung von der Dominikanischen Republik in die Schweiz handle es sich um eine völkerrechtswidrige Entführung. Damit bestehe in der Schweiz ein Verfahrenshindernis und sei die Untersuchungshaft unzulässig. In Anwendung von Art. 38 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) sei ihm eine Schonfrist von 45 Tagen zu gewähren.
2.2
Gemäss
Art. 95 lit. b des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110)
kann mit der Beschwerde die Verletzung von Völkerrecht gerügt werden. Das Vorbringen ist somit zulässig.
2.3
Der Beschwerdeführer stützt sich weitgehend auf das Gutachten von Prof. Wohlers.
Dieser beantwortet unter der Überschrift "Zusammenfassung der Ergebnisse" die ihm gestellten Fragen wie folgt:
Ob die Überstellung des Beschwerdeführers rechtmässig oder unrechtmässig erfolgt sei, lasse sich auf der Basis der derzeitigen Erkenntnislage nicht abschliessend beurteilen. Es spreche allerdings einiges dafür, dass die Überstellung als eine völkerrechtswidrige Entführung und die Inhaftierung damit als gegen
Art. 5 Ziff. 1 Satz 2 EMRK
verstossend einzustufen sei.
BGE 133 I 234 S. 237
Unrechtmässig sei die Überstellung dann, wenn die Polizeibehörden der Dominikanischen Republik gehandelt hätten, um die Regelung des Auslieferungs- und Ausweisungsrechts durch faktisches Verhalten zu unterlaufen.
Soweit das Verhalten der Polizeibehörden der Dominikanischen Republik die Voraussetzungen für ein völkerrechtliches Delikt begründe und dies für die Strafverfolgungsbehörden der Schweiz erkennbar gewesen sei, führe das Ausnutzen dieser Situation dazu, dass auch das Handeln der schweizerischen Behörden als völkerrechtswidrig und damit unrechtmässig im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 Satz 2 EMRK
einzustufen wäre.
Erweise sich die Überstellung als völkerrechtswidrige Entführung, bestehe nach Auffassung des Gutachters zwar kein Prozesshindernis, wohl aber ein Hafthinderungsgrund. Damit sei der Beschwerdeführer aus der Haft zu entlassen und sei ihm die Möglichkeit zu geben, die Schweiz zu verlassen. Soweit ihm dies mangels eigener finanzieller Ressourcen nicht möglich sein sollte, wäre er diesbezüglich zu unterstützen, da die Schweiz verpflichtet sei, einen von ihr mitverursachten rechtswidrigen Zustand zu beseitigen.
2.4
Aufgrund der Akten ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Nachdem sich der Beschwerdeführer im Jahre 2002 seiner Verhaftung durch Flucht entziehen konnte, wurde er mit internationalen Haftbefehlen der Staatsanwaltschaft vom 21. August 2002 und 16. Dezember 2005 zur Festnahme ausgeschrieben.
Am 1. März 2006 sandte das Bundesamt für Justiz, Sektion Auslieferung, unter Vermittlung des schweizerischen Generalkonsulats Interpol Santo Domingo ein Schreiben. Darin führte das Bundesamt aus, es übermittle in der Beilage den Haftbefehl vom 16. Dezember 2005. Nach Mitteilung der Kantonspolizei Zürich wohne der Beschwerdeführer in Santo Domingo. Im Falle seiner Festnahme werde seine Auslieferung auf diplomatischem Weg verlangt werden. Beamte der Zürcher Kantonspolizei würden sich dann in die Dominikanische Republik begeben, um ihn zu übernehmen und mit dem Flugzeug in die Schweiz zurückzubegleiten. Das Bundesamt bat um umgehende Unterrichtung über die erzielten Ergebnisse.
Mit Fax vom 9. August 2006 teilte Interpol Santo Domingo Interpol Bern Folgendes mit:
Dear colleagues,
please be advised that today at 08.25 local time Mr. X., born on (...), and wanted by the economic fraud section of the Zurich cantonal district
BGE 133 I 234 S. 238
attorney, was apprehended while coming out of his residence. He ist actually under custody at Interpol's office. Since he doesn't have documents that can prove his legal status in our territory and there's no extradition treaty between our nations a deportation is imminent. We were told that Swiss officers are to escort Mr. X. back to Switzerland. Bear in mind that if a deportation procedure is made dominican officers have to escort him back to Switzerland otherwise Mr. X. could say it was a kidnapping. Let us know your comments on this matter. We can hold him under custody for 48 hours after which we have to send him to the immigration facility so that he can wait there for the deportation procedure to be completed."
Am 10. August 2006 ersuchte Interpol Bern Interpol Santo Domingo um möglichst schnelle Überstellung des Beschwerdeführers auf dem Luftweg an die schweizerischen Behörden; ebenso um Mitteilung, wann mit seiner Deportation in die Schweiz gerechnet werden könne.
Am 14. August 2006 erkundigte sich Interpol Bern über den Stand der Sache und teilte mit, der Beschwerdeführer könne auch von schweizerischen Beamten jederzeit in Santo Domingo abgeholt werden.
Am 15. August 2006 teilte Interpol Santo Domingo Interpol Bern Folgendes mit:
Dear colleagues,
in ref. to your message dated Aug. 14/2006 please be advised that X. was taken to court today because his lawyers filed for a "Habeas Corpus" procedure for the judge to determine if the a/m person's imprisonment was legal or not. The judge ruled in our favor and Mr. X. imprisonment was declared legal as of today. You have to send an escort team to pick up the fugitive as soon as possible because his lawyers are preparing an appeal to rule out the judge's decision. We can only guarantee detainment of Mr. X. for 4 to 5 more days. After that we can't guarantee that Mr. X. remains under custody because if his lawyers file for an appeal, he might be set free. Please advise your opinion on this matter."
Am 16. August 2006 wurde eine aus drei Beamten der Kantonspolizei Zürich bestehende Gruppe bestimmt, die am 18. August 2006 nach Santo Domingo fliegen, dort den Beschwerdeführer übernehmen und diesen der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich zuführen sollte.
Am Morgen des 19. August 2006 holten Beamte von Interpol Santo Domingo den Beschwerdeführer aus dem dortigen Gefängnis ab. Sie brachten ihn zunächst in die Büros von Interpol Santo Domingo und dann mit einem Polizeifahrzeug zum Flughafen. Während eines Zwischenhalts bei einem Hotel in der Nähe des Flughafens stiessen
BGE 133 I 234 S. 239
die drei Beamten der Kantonspolizei Zürich mit einem weiteren Wagen hinzu. Die Fahrt zum Flughafen wurde mit zwei Fahrzeugen fortgesetzt. Am Flughafen angekommen, klärte der Einsatzleiter der Gruppe der Kantonspolizei Zürich den Beschwerdeführer über die Identität und Funktion der Gruppe auf. Er teilte dem Beschwerdeführer mit, er sei wegen gewerbsmässigen Betrugs ausgeschrieben, werde nun den schweizerischen Behörden übergeben und in die Schweiz zurückbegleitet. Die schweizerischen Beamten legten keinen Haftbefehl vor, brachten aber zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer sich mit der Übergabe im Gewahrsam der schweizerischen Polizei befinde. Der Beschwerdeführer wurde dann in Anwesenheit von Beamten der Polizei der Dominikanischen Republik zum Flugzeug geführt und über Madrid nach Zürich gebracht. Dabei war der sich kooperativ verhaltende Beschwerdeführer nicht gefesselt. Nach der Ankunft in Zürich am 21. August 2006 übergaben ihn die begleitenden Beamten am Flughafen an die Kantonspolizei Zürich, die ihm mitteilte, er sei nun verhaftet.
2.5
2.5.1
Nach den Grundsätzen des Völkerrechts ist jeder Staat verpflichtet, die Souveränität anderer Staaten zu beachten. Handlungen eines Staates auf fremdem Staatsgebiet sind daher unzulässig. Soweit eine verfolgte Person sich im Ausland befindet, kann sie dem verfolgenden Staat nur mittels eines hoheitlichen Aktes des Staates, auf dessen Gebiet sie sich befindet, überstellt werden. Werden Organe des verfolgenden Staates ohne Bewilligung auf dem Gebiet eines anderen Staates tätig, bemächtigen sie sich insbesondere des Verfolgten mittels Gewalt, List oder Drohung, verletzen sie die Souveränität (Urteile 6P.64/2000 vom 5. Dezember 2000, E. 3a; P.1201/ 1981 vom 15. Juli 1982, publ. in: EuGRZ 1983 S. 435 ff., E. 3a, mit Hinweisen). Das Verbot, fremde Staatsangehörige mit List in den eigenen Machtbereich zu locken, ergibt sich auch aus dem innerstaatlichen wie völkerrechtlichen Gebot von Treu und Glauben. Verboten ist jede missbräuchliche Machenschaft ("toute machination abusive";
BGE 121 I 181
E. 2c/aa S. 184 f.;
BGE 117 Ib 337
E. 2a S. 340; Urteile 1A.199/2001 vom 21. Januar 2002, E. 3.2; 6P.64/2000 vom 5. Dezember 2000, E. 3a; 1A.79/1998 vom 10. Juni 1998, E. 3b, mit Hinweisen). Dass die Verletzung der Souveränität im beschriebenen Sinne rechtswidrig ist, ergibt sich auch aus
Art. 271 Ziff. 2 StGB
. Danach ist strafbar, wer jemanden durch Gewalt, List oder Drohung ins Ausland entführt, um ihn einer fremden Behörde,
BGE 133 I 234 S. 240
Partei oder anderen Organisation zu überliefern (Urteil P.1201/1981 vom 15. Juli 1982, a.a.O.).
Im Fall, der dem Urteil 1P.574/2000 vom 11. Januar 2001 zugrunde lag, ging es um einen Mann, der in Deutschland eine Freiheitsstrafe verbüsst hatte. In der Folge verfügten die deutschen Behörden seine unverzügliche Ausweisung aus Deutschland. Diese Massnahme wurde trotz eines Einspruchs beim zuständigen deutschen Gericht vollzogen. Der Betroffene wurde nach der Ausschaffung aus Deutschland den schweizerischen Behörden in Kreuzlingen übergeben und verhaftet. Darauf wurde das gegen ihn in der Schweiz geführte Strafverfahren wieder aufgenommen. Das Kantonsgericht verurteilte ihn wegen verschiedener Delikte zu 12 Monaten Gefängnis. Die vom Verurteilten dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat. Es beurteilte insbesondere die Rüge als unbegründet, die schweizerischen Behörden hätten durch ihre Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. Das Bundesgericht erwog, aus den Akten sei ersichtlich, dass eine gewisse Zusammenarbeit zwischen schweizerischen und deutschen Behörden stattgefunden habe. Es sei insbesondere davon auszugehen, dass die schweizerischen Behörden über die Verbüssung der Freiheitsstrafe in Deutschland unterrichtet worden seien. In der Zusammenarbeit könne kein Verstoss gegen Treu und Glauben erblickt werden. Auch die zumindest faktische Überstellung des Beschwerdeführers von den deutschen an die schweizerischen Behörden könne den schweizerischen Behörden nicht als treuwidriges Verhalten vorgeworfen werden. Letztere hätten den Beschwerdeführer in keiner Weise getäuscht oder mit unrechtmässigem Vorgehen oder Tricks zu einem bestimmten Verhalten angehalten. Es spreche auch nichts dafür, dass die schweizerischen Behörden die deutschen getäuscht hätten (E. 4).
2.5.2
Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist hier insbesondere das Urteil der Grossen Kammer vom 12. Mai 2005 in Sachen
Abdullah Öcalan gegen die Türkei
(EuGRZ 2005 S. 463 ff.) massgebend.
Abdullah Öcalan war Anführer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Im Oktober 1998 war er von Syrien, wo er mehrere Jahre lang untergetaucht war, ausgewiesen worden und gelangte über verschiedene Stationen am 2. Februar 1999 in die griechische Botschaft in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Als die kenianischen Behörden
BGE 133 I 234 S. 241
vom Aufenthalt Abdullah Öcalans Kenntnis erlangten, forderten sie den griechischen Botschafter auf, dafür zu sorgen, dass Abdullah Öcalan ausser Landes gebracht werde. Am 15. Februar 1999 wurde Abdullah Öcalan von der griechischen Botschaft zu einem Flugzeug gebracht, in dem er von türkischen Behörden verhaftet wurde. Zu diesem Zeitpunkt lagen gegen ihn sieben Haftbefehle türkischer Gerichte vor. Zudem war von Interpol ein internationaler Haftbefehl gegen ihn verbreitet worden. In der Folge wurde er in die Türkei geflogen und dort inhaftiert.
Abdullah Öcalan machte insbesondere eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
geltend. Er brachte vor, seine Freiheit sei ihm nicht auf rechtmässige Weise entzogen worden; die Formvorschriften der Auslieferung seien nicht beachtet worden.
Der Europäische Gerichtshof erwog dazu, im Bereich der Rechtmässigkeit der Haft, einschliesslich die Beachtung der "gesetzlich vorgeschriebenen Weise" nach Art. 5 Ziff. 1 Satz 2, verweise die Konvention im Wesentlichen auf die nationale Gesetzgebung und enthalte die Verpflichtung, insoweit die materiellen wie prozessualen Rechte zu beachten. Die Konvention verlange aber überdies die Übereinstimmung jeder Freiheitsentziehung mit dem Ziel von Art. 5, den Einzelnen vor Willkür zu schützen. Es gehe insoweit um die Achtung nicht nur des Rechts auf Freiheit, sondern auch auf Sicherheit (Ziff. 83). Die von den Behörden eines Staates auf dem Gebiet eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung vorgenommene Verhaftung verletze das Recht auf Sicherheit nach
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
(Ziff. 85). Die Konvention stehe der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten im Rahmen von Auslieferungsverträgen oder im Bereich der Ausweisungen, welche darauf abzielten, flüchtige Straftäter der Justiz zuzuführen, nicht entgegen, soweit diese Zusammenarbeit kein besonderes durch die Konvention geschütztes Recht verletze (Ziff. 86). Was die Beziehungen im Bereich der Auslieferung zwischen einem Vertragsstaat der Konvention und einem Nicht-Vertragsstaat betreffe, so gehörten die Bestimmungen eines Auslieferungsvertrages oder - in Ermangelung eines solchen - die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Staaten ebenso zu den massgeblichen Gesichtspunkten, um die Rechtmässigkeit der fraglichen Verhaftung zu beurteilen. Die Übergabe eines Flüchtigen aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Staaten beeinträchtige für sich die Rechtmässigkeit der Verhaftung nicht, stelle also unter dem Gesichtswinkel von
Art. 5 EMRK
kein Problem dar (Ziff. 87). Die Sorge, ein
BGE 133 I 234 S. 242
ausgewogenes Verhältnis zwischen den Anforderungen des allgemeinen Interesses der Gesellschaft und der Wahrung der Grundrechte des Einzelnen zu gewährleisten, liege der gesamten Konvention zugrunde. Da Reisen durch die ganze Welt einfacher geworden seien und die internationale Tragweite der Kriminalität zugenommen habe, hätten alle Staaten ein wachsendes Interesse, mutmassliche Straftäter, die ins Ausland geflüchtet seien, ihrer Justiz zuzuführen. Auf der andern Seite brächte die Schaffung von sicheren Zufluchtstätten für Flüchtige nicht nur Gefahren für den Staat mit sich, der die geschützte Person beherbergen soll; sie höhlte ebenso die Grundlagen der Auslieferung aus (Ziff. 88). Die Konvention enthalte keine Bestimmungen über die Voraussetzungen, unter denen eine Auslieferung gewährt werden könne; ebenso wenig über das der Auslieferung vorangehende Verfahren. Selbst eine atypische Auslieferung ("extradition atypique") widerspreche für sich der Konvention nicht, sofern sie das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Staaten sei und der Haftbefehl seine gesetzliche Grundlage in einem Zuführungsbefehl finde, der von den Behörden des Heimatstaates des Betroffenen ausgestellt worden sei (Ziff. 89). Unabhängig davon, ob die Verhaftung das Recht des Staates verletze, in welchem der Betroffene Zuflucht gefunden habe - Frage, die der Beurteilung des Gerichtshofes nur unterliege, wenn der Aufenthaltsstaat Vertragsstaat der Konvention sei -, verlange der Gerichtshof, dass vor ihm mit übereinstimmenden Indizien ("indices concordants") dargetan werde, dass die Behörden des Staates, an den der Verhaftete überstellt worden sei, im Ausland Handlungen vorgenommen haben, welche der Souveränität des Aufenthaltsstaates und damit dem internationalen Recht widersprechen. Nur in diesem Fall obliege die Beweislast, dass die Souveränität des Aufenthaltsstaates und das internationale Recht beachtet worden seien, der beklagten Regierung. Es sei nicht erforderlich, dass der Beschwerdeführer insoweit Beweiselemente vorlege, die über jeden vernünftigen Zweifel hinausgingen ("au-delà de tout doute raisonnable"; Ziff. 90).
In der Folge prüfte der Gerichtshof im Lichte dieser Grundsätze, ob türkische Beamte Handlungen begangen haben, welche die Souveränität Kenias und das internationale Recht verletzten. Er erwog, der Beschwerdeführer sei in Kenia eingereist, ohne seine Identität der Grenzpolizei bekannt zu geben. Nachdem die kenianischen Behörden über die Anwesenheit des Beschwerdeführers in der
BGE 133 I 234 S. 243
griechischen Botschaft ins Bild gesetzt worden seien, hätten sie den griechischen Botschafter aufgefordert, den Beschwerdeführer aus Kenia wegzuschaffen. Als der Beschwerdeführer auf dem Weg von der griechischen Botschaft zum Flughafen gewesen sei, hätten kenianische Beamte eingegriffen und den Beschwerdeführer vom griechischen Botschafter getrennt. Das Fahrzeug, in dem sich der Beschwerdeführer befunden habe, sei von einem kenianischen Beamten gesteuert worden, der ihn zum Flugzeug gebracht habe, wo türkische Beamte gewartet hätten, um den Beschwerdeführer zu verhaften (Ziff. 94). Nichts bei der Verhaftung des Beschwerdeführers durch die türkischen Beamten in einem Flugzeug in Nairobi sei von den kenianischen Behörden als Eingriff in die Souveränität ihres Landes wahrgenommen worden. Die Inhaftierung des Beschwerdeführers unter diesen beiden Gesichtspunkten - d.h. seine Anhaltung durch die kenianischen Beamten vor der Verbringung zum Flughafen und seine Verhaftung durch die türkischen Beamten im Flugzeug - habe zu keinerlei internationalen Streitigkeit zwischen Kenia und der Türkei und zu keiner Verschlechterung ihrer diplomatischen Beziehungen geführt. Die kenianischen Behörden hätten bei der türkischen Regierung zu diesen Punkten keinerlei Protest erhoben. Ebenso hätten sie von der Türkei keinerlei Wiedergutmachung verlangt wie etwa die Rücküberführung des Beschwerdeführers oder eine Entschädigung (Ziff. 95). Demgegenüber hätten die kenianischen Behörden bei der griechischen Regierung formell Protest erhoben und diese aufgefordert, den griechischen Botschafter unverzüglich zurückzurufen; dies mit Hinweis darauf, dass sich der Beschwerdeführer unter Hilfe griechischer Beamter rechtswidrig nach Kenia begeben und sich dort irregulär aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer sei in Kenia nicht willkommen gewesen und die Behörden dieses Landes hätten seine Abreise gewünscht (Ziff. 96). Der Gerichtshof bemerkt, aufgrund dieser Umstände gehe er davon aus, dass zur Zeit des Vorfalles die kenianischen Behörden beschlossen hätten, entweder den Beschwerdeführer den türkischen Behörden zu übergeben oder diese Übergabe zu erleichtern (Ziff. 97). Der Beschwerdeführer habe keine übereinstimmenden Indizien ("indices concordants") vorgelegt, die zeigten, dass im vorliegenden Fall die Türkei die Souveränität Kenias und das internationale Recht missachtet hätte (Ziff. 98). Folglich seien die Festnahme des Beschwerdeführers vom 15. Februar 1999 und seine Inhaftierung mit der "gesetzlich vorgeschriebenen Weise" im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
BGE 133 I 234 S. 244
in Einklang gestanden. Diese Bestimmung sei somit nicht verletzt worden (Ziff. 99).
2.5.3
Die kantonale Rechtsprechung hat sich ebenso mit einem vergleichbaren Fall befasst. Im Beschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2005 (AC040095) ging es um Folgendes:
Ein Mann wurde aufgrund der Ausschreibung durch die Zürcher Behörden im Fürstentum Liechtenstein festgenommen. In der Folge wurde er von der liechtensteinischen Landespolizei der Stadtpolizei Zürich zugeführt. Das Kassationsgericht erwog, der Ablauf der Geschehnisse belege, dass die Zuführung des Betroffenen durch die liechtensteinischen Behörden an die zürcherischen Strafverfolgungsbehörden zum Zweck der Durchführung des in Zürich hängigen Strafverfahrens erfolgt sei. Damit habe es sich insoweit der Sache nach um eine Auslieferung und nicht eine fremdenpolizeiliche Massnahme gehandelt. Die Voraussetzungen weder der ordentlichen noch der vereinfachten Auslieferung nach liechtensteinischem Rechtshilfegesetz seien jedoch erfüllt gewesen. Der Betroffene habe sich somit als Folge einer Verletzung liechtensteinischen Rechts durch die liechtensteinischen Behörden in der Strafgewalt der zürcherischen Strafverfolgungsbehörden befunden.
Nach Ansicht des Kassationsgerichtes ergab sich daraus kein Verfahrenshindernis. Es erwog, im Lichte des Anspruchs auf ein faires Verfahren (
Art. 9 und 29 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
) könne die Verletzung bzw. Umgehung auslieferungsrechtlicher Bestimmungen im Hinblick auf das inländische Strafverfahren ein Verfahrenshindernis darstellen. Allgemein gehe es dabei um das Verbot der verdeckten Auslieferung, insbesondere der Anlockung einer Person unter einem sachfremden Vorwand mit dem Ziel der Umgehung der auslieferungsrechtlichen Bestimmungen. Sei etwa ein Angeschuldigter mit Wissen der Behörden durch eine List in den Glauben versetzt oder darin belassen worden, er begebe sich zu Vergleichsverhandlungen in die Schweiz, wobei jedoch in Wahrheit seine Verhaftung beabsichtigt gewesen sei, so dürfe hier keine Strafuntersuchung gegen ihn geführt werden (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 11. April 1967, publ. in: ZR 66/1967 Nr. 119 S. 248 ff.). Davon könne im zu beurteilenden Fall keine Rede sein. Anders als im erwähnten Präjudiz (ZR 66/1967 Nr. 119) verhalte es sich beim Beschwerdeführer nicht so, dass er mit Wissen der hiesigen
BGE 133 I 234 S. 245
Behörden und im Sinne eines "komplottmässigen Handelns" gewissermassen in eine Falle gelockt worden sei. Vielmehr hätten ihn die Zürcher Behörden korrekt zur Fahndung ausgeschrieben, was ihnen nicht zum Vorwurf gereichen könne. Unter diesen Umständen könne aber darin, dass die liechtensteinischen Behörden nicht entsprechend den anwendbaren liechtensteinischen Bestimmungen vorgingen, kein Verfahrenshindernis erblickt werden (E. 2).
2.6
Wie sich aus dem (E. 2.4) dargelegten Sachverhalt ergibt, haben die schweizerischen Behörden den Beschwerdeführer nicht in Missachtung der Souveränität der Dominikanischen Republik unter Anwendung von Gewalt oder Zwang aus jenem Staat verschleppt. Ebenso wenig haben sie den Beschwerdeführer mit List aus der Dominikanischen Republik herausgelockt, um ihn dann verhaften zu können. Die schweizerischen Behörden haben vielmehr korrekt um die Verhaftung des Beschwerdeführers ersucht und stets in Absprache mit den dominikanischen Behörden gehandelt, ohne diese je getäuscht zu haben. Entsprechend legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist nicht ersichtlich, dass die dominikanischen Behörden bei den schweizerischen gegen deren Verhalten protestiert und die Rücküberführung des Beschwerdeführers oder eine sonstige Wiedergutmachung verlangt hätten. Ebenso ist weder dargetan noch ersichtlich, dass wegen der Überstellung des Beschwerdeführers an die Schweiz die diplomatischen Beziehungen zwischen dieser und der Dominikanischen Republik in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Die Schweiz hat die Souveränität der Dominikanischen Republik stets beachtet.
Den schweizerischen Behörden kann auch kein Verhalten gegen Treu und Glauben vorgeworfen werden. Wie dargelegt, hat das Bundesamt für Justiz den dominikanischen Behörden mit Schreiben vom 1. März 2006 mitgeteilt, nach der Festnahme des Beschwerdeführers werde um dessen Auslieferung ersucht werden. Die schweizerischen Behörden haben somit nicht beabsichtigt, ein Auslieferungsverfahren zu umgehen. Dazu hatten sie gar keinen Grund, da nicht ersichtlich ist, weshalb die Auslieferung des Beschwerdeführers nicht hätte erfolgen können sollen; dieser ist deutscher, nicht dominikanischer Staatsangehöriger und es werden ihm schwer wiegende gemeinrechtliche Straftaten vorgeworfen. Die dominikanischen Behörden haben den schweizerischen am 9. August 2006 mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei festgenommen worden; da er über keine Papiere verfüge, die seinen rechtmässigen Aufenthalt in der
BGE 133 I 234 S. 246
Dominikanischen Republik beweisen könnten und kein Auslieferungsvertrag zwischen der Dominikanischen Republik und der Schweiz bestehe, stehe seine Ausweisung unmittelbar bevor ("a deportation is imminent"). In Anbetracht dieser Mitteilung hatten die schweizerischen Behörden keinen Anlass, die Auslieferung des Beschwerdeführers zu verlangen. Ein Auslieferungsersuchen wäre sinnlos gewesen, da die dominikanischen Behörden den Beschwerdeführer ohnehin ausweisen und ihn dabei den schweizerischen Behörden übergeben wollten. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er bei der Ausweisung nach dominikanischem Recht Anspruch darauf gehabt hätte, in das Land seiner Wahl auszureisen. Der Fall läge anders, wenn die schweizerischen Behörden in der Absicht, ein Auslieferungsverfahren zu umgehen, von den dominikanischen Behörden die fremdenpolizeiliche Ausweisung des Beschwerdeführers verlangt hätten. So verhält es sich aber nicht. Vielmehr haben die dominikanischen Behörden von sich aus mitgeteilt, der Beschwerdeführer werde ausgewiesen. Fragen kann man sich, wie zu entscheiden wäre, wenn das Verhalten der dominikanischen Behörden nach dortigem Recht für die schweizerischen Behörden erkennbar offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre. Dafür bestanden für die schweizerischen Behörden jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dass ein Staat das Recht hat, Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere auszuweisen, liegt auf der Hand und brauchte bei den schweizerischen Behörden keinen Argwohn zu erwecken. Wie der Mitteilung der dominikanischen Behörden vom 15. August 2006 zu entnehmen war, stand dem Beschwerdeführer in der Dominikanischen Republik im Übrigen ein Verfahren zur Verfügung, in dem über die Rechtmässigkeit des dortigen Freiheitsentzuges befunden wurde ("Habeas Corpus").
Entscheidend ist, dass die Schweiz die Souveränität der Dominikanischen Republik beachtet und weder Zwang, List, Drohung noch sonst wie einen "üblen Polizeitrick" (MARTIN SCHUBARTH, Faustrecht statt Auslieferungsrecht?, Strafverteidiger 7/1987 S. 175) angewandt hat, um des Beschwerdeführers habhaft zu werden. Bei dieser Sachlage ist ein Hafthinderungsgrund zu verneinen.
Wie HANS SCHULTZ ausführt, muss der Staat, gerade wenn er Recht sprechen und demjenigen Strafe auferlegen will, der gegen das Recht verstiess, sich davor hüten, dass seinem Verfahren Unrecht anhafte. Nicht der Grundsatz, dass auf welche Weise auch immer jeder möglicherweise Schuldige zur Rechenschaft gezogen werden kann,
BGE 133 I 234 S. 247
ist die oberste Maxime wirklicher Strafrechtspflege, sondern der richtige Leitsatz lautet, dass die strafrechtliche Verantwortung nur den Grundsätzen des Rechts folgend geltend gemacht werden soll. Es gilt der Satz: Ex iniuria ius non oritur (Male captus bene iudicatus?, Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht [SJIR] 24/ 1967 S. 83).
Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Nach dem Gesagten haben die schweizerischen Behörden jedoch kein Unrecht begangen, um den Beschwerdeführer verhaften und ihn - wie die Mitangeschuldigten - dem hiesigen Strafverfahren zuführen zu können. Wesentlich ist der gute Glaube der schweizerischen Behörden (SCHULTZ, a.a.O., S. 73). Dafür, dass ihnen dieser gefehlt hätte, enthalten die Akten keine Anhaltspunkte.
2.7
Ein Hafthinderungsgrund ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht daraus, dass schweizerische Beamte im Ausland tätig geworden sind. Handlungen schweizerischer Polizeibeamter im Ausland sind nicht per se rechtswidrig. Wie Prof. Wohlers dazu in seinem Gutachten überzeugend darlegt, berechtigen die Normen des schweizerischen Strafprozessrechts die Strafverfolgungsbehörden der Schweiz nicht ausschliesslich dazu, Verfahrens- und Untersuchungshandlungen auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz vorzunehmen. Andernfalls wäre es den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden beispielsweise verwehrt, Vernehmungen im Ausland durchzuführen oder einen Angeschuldigten im Ausland in Gewahrsam zu nehmen und in die Schweiz zu überführen. Dass dies nicht richtig sein kann, ergibt sich daraus, dass dann beispielsweise die Besichtigung eines ausländischen Tatorts unmöglich und auch eine Verhaftung auf hoher See ausgeschlossen wäre; dies mit der Folge, dass sich ein Angeschuldigter dauerhaft jeglicher Festnahme entziehen könnte, sofern es ihm gelänge, sich ständig auf hoher See und damit ausserhalb des Hoheitsgebiets eines Staates aufzuhalten. Verfahrens- und Untersuchungshandlungen durch schweizerische Beamte im Ausland sind an die Voraussetzung gebunden, dass die zuständigen Stellen des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet die Handlung vorgenommen werden soll, dem zustimmen. Es geht mit anderen Worten darum, dass die Gebietshoheit anderer Staaten geachtet werden muss.
Wie sich aus dem Gesagten ergibt, haben im vorliegenden Fall die schweizerischen Behörden in Absprache mit den dominikanischen
BGE 133 I 234 S. 248
Behörden gehandelt und lag deren Zustimmung zur Übernahme des Beschwerdeführers durch schweizerische Beamte auf dominikanischem Staatsgebiet vor.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen.
Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, wirft der vorliegende Fall verschiedene schwierige Fragen auf. Diesen wird der angefochtene Entscheid nicht gerecht. In der Begründung seiner Verfügung setzt sich der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich damit nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise auseinander. Der Beschwerdeführer konnte sich deshalb zur Beschwerde veranlasst sehen, handelt es sich doch bei der Untersuchungshaft um einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit. Aus diesem Grund hat der Kanton Zürich den Beschwerdeführer für seine Prozessführung vor Bundesgericht zu entschädigen (
Art. 68 Abs. 4 BGG
i.V.m.
Art. 66 Abs. 1 und 3 BGG
). Der vom Vertreter des Beschwerdeführers geltend gemachte Aufwand von 43,5 Stunden ist überhöht, da er sich bei der Abfassung der Beschwerde weitgehend auf das Gutachten von Prof. Wohlers stützen konnte. Angemessen ist eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-. Gerichtskosten werden keine erhoben (
Art. 66 Abs. 4 BGG
). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist damit gegenstandslos. | public_law | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
81aeee39-336b-4ea5-9703-caa200122a5e | Urteilskopf
110 II 505
95. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1984 i.S. W.-AG gegen L. und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Berufung gegen einen Zwischenentscheid (
Art. 50 Abs. 1 OG
).
Schadenersatzklage; Zwischenentscheid über die grundsätzliche Haftung und ein allfälliges Selbstverschulden des Klägers. Unzulässigkeit der Berufung, soweit der Berufungsantrag die weiteren quantitativen Abklärungen voraussetzt (E. 1b) oder nur zu einem Teilurteil führen würde (E. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 505
BGE 110 II 505 S. 505
Der 17jährige Skifahrer L. stürzte bei der Mittelstation einer Luftseilbahn in eine Vertiefung und zog sich dabei schwere Verletzungen zu. Er (Kläger 1) erhob zusammen mit seinem Vater (Kläger 2) und der Krankenkasse (Klägerin 3) beim Appellationshof des Kantons Bern Schadenersatzklage gegen die Luftseilbahn-Gesellschaft. Der Appellationshof beschränkte das Verfahren vorerst auf die grundsätzliche Haftung der Beklagten und auf ein allfälliges Selbstverschulden des Klägers 1. In einem Zwischenentscheid bejahte er die Haftung (Dispositiv 1), stellte sodann fest, den Verunfallten treffe ein Selbstverschulden, das indes den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und dem Schaden nicht unterbreche (Dispositiv 2), und bejahte ausserdem "zur Zeit" die Aktivlegitimation der Kläger 2 und 3 (Dispositiv 3).
BGE 110 II 505 S. 506
Die Beklagte hat gegen den Zwischenentscheid Berufung erhoben mit dem Antrag, die Klage abzuweisen. Die Kläger haben sich der Berufung mit dem Antrag angeschlossen, es sei festzustellen, dass den Verunfallten kein Selbstverschulden treffe, welches die Haftung der Beklagten herabsetze. Das Bundesgericht tritt auf die Anschlussberufung nicht ein, ebensowenig auf die Berufung, soweit diese sich gegen die Bejahung der Aktivlegitimation der Kläger 2 und 3 wendet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der vorliegende Zwischenentscheid kann nur soweit mit Berufung angefochten werden, als dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichts gerechtfertigt erscheint (
Art. 50 Abs. 1 OG
).
a) Falls die Berufung der Beklagten gegen die Bejahung ihrer Haftung (Dispositiv 1) begründet ist, wird die Klage abzuweisen und ein Beweisverfahren über die finanziellen Unfallfolgen unnötig sein. Diesbezüglich sind die genannten Voraussetzungen daher ohne weiteres gegeben.
b) Gleich verhält es sich mit der Berufung der Beklagten gegen die Verneinung eines den Kausalzusammenhang unterbrechenden Selbstverschuldens des Klägers 1 (Dispositiv 2). Dringt sie damit durch, führt das ebenfalls zur Abweisung der Klage. Demgegenüber wollen die Kläger mit ihrer Anschlussberufung feststellen lassen, dass den Kläger 1 kein haftungsreduzierendes Selbstverschulden trifft. Ein Erfolg dieses Berufungsantrags würde aber nicht zu einem Endentscheid führen, sondern die weiteren quantitativen Abklärungen voraussetzen. Auf die Anschlussberufung ist daher nicht einzutreten (
BGE 101 II 175
). Den Klägern ist demnach unbenommen, mit einer Berufung gegen den Endentscheid des Appellationshofes die Herabsetzung wegen Selbstverschuldens zu bestreiten; eine solche wird zudem - wie die Kläger anerkennen - im angefochtenen Urteil erst unverbindlich in Aussicht gestellt.
c) Schliesslich wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung auch gegen die Bejahung der Aktivlegitimation der Kläger 2 und 3 (Dispositiv 3). Diesem Antrag kommt nur Bedeutung zu, wenn die übrigen Berufungsbegehren der Beklagten nicht durchdringen. Ist dagegen mit der Vorinstanz grundsätzlich die Ersatzpflicht der
BGE 110 II 505 S. 507
Beklagten zu bejahen, so könnte eine Verneinung der Aktivlegitimation der Kläger 2 und 3 nur zu einem Teilurteil ihnen gegenüber führen. Teilurteile, die sich nur auf eines von mehreren Klagebegehren oder auf einen von mehreren Streitgenossen beziehen, unterliegen aber in der Regel nicht der Berufung; das muss erst recht gelten, wo es sich nur um einen Zwischenentscheid handelt (
BGE 107 II 352
E. 2 mit Hinweisen). Dass prozessökonomische Gründe vorliegend im Sinn dieser Rechtsprechung eine Ausnahme rechtfertigen könnten, macht die Beklagte zu Recht nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich, zumal der Appellationshof die Aktivlegitimation der beiden Kläger ausdrücklich nur "zur Zeit" bejaht und nähere Prüfung in Verbindung mit den geltend gemachten Schadenspositionen vorbehält. Insoweit ist daher auf die Berufung nicht einzutreten. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
81aef79e-7d98-4d85-adbe-550fd5ace654 | Urteilskopf
83 IV 9
4. Urteil des Kassationshofes vom 1. März 1957 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Glarus. | Regeste
Art.18 Abs. 3, 117 StGB
.Fahrlässige Tötung.
1. Wer gilt auf Berg- und Skifahrten, die von mehreren Personen ohne berufsmässigen Tourenleiter gemeinsam unternommen werden, als Führer der Partie? (Erw. 1).
2. Pflichten des Führers (Erw. 1 lit. a und b).
3. Fahrlässige Verletzung der Führerpflichten auf einer ins Hochgebirge und in Gletschergebiet unternommenen Tour (Erw. 2).
4. Rechtserheblicher Kausalzusammenhang zwischen Tat und Erfolg (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 10
BGE 83 IV 9 S. 10
A.-
An Pfingsten 1954 unternahm B., der als erfahrener Alpinist galt und einen hochalpinen Skikurs der Armee sowie einen Skilehrerkurs absolviert hatte, mit seiner wenig berggewohnten und im Skifahren ungeübten Ehefrau eine Skitour ins Claridengebiet, das er früher im Sommer und im Winter wiederholt begangen hatte.
Beide waren für die Hochgebirgstour mangelhaft ausgerüstet. Frau B. hatte keine wollene Unterwäsche mit, und die vorhandene Reserve an Unterkleidern befand sich in wasserdurchlässigen Rucksäcken. Die Ski waren lediglich mit Gurten versehen. B. führte weder einen Eispickel noch eine Schneeschaufel mit. Den Bézard-Kompass hatte er zuhause gelassen und sich unterwegs in Altdorf einen billigen Kompass gekauft, der zwar einigermassen die Nordrichtung anzeigte, indessen keine Visiervorrichtung besass, was ein Gehen nach dem Azimuth verunmöglichte.
Am Pfingstsonntag, den 6. Juni, ca. um 05.00 Uhr brach B. mit seiner Frau vom Hotel Klausenpasshöhe mit Ziel Planurahütte auf, obschon es regnete und ihm abgeraten wurde, die geplante Tour zu unternehmen. Statt die Route über das Kammlijoch einzuschlagen, auf der er vom Klausenpass an einer gleichzeitig von der Glarner Seite aufgestiegenen Jugendorganisations-Gruppe der Sektion Uto des Schweizer Alpenclubs hätte folgen können, wählte er für den Aufstieg die ihm angeblich besser bekannte, jedoch schwierigere, längere und gefährrlichere Route Klausenpass-Kammlialp-Griesgletscher-Kammlilücke. Während die JO-Gruppe die Planurahütte um 13.00 Uhr erreicht hatte,
BGE 83 IV 9 S. 11
befand sich B. mit seiner Frau zu dieser Zeit erst bei der Kammlilücke. Er will zur Überwindung der Höhendifferenz zwischen Klausenpasshöhe (1948 m) und Kammlilücke (2852 m) ungewöhnlich viel Zeit benötigt haben, weil er den Weg verfehlt habe. Auch habe auf dem Griesgletscher Schneetreiben eingesetzt.
Trotzdem sich das Wetter verschlechterte, kehrte B. nicht um. Von der Kammlilücke weg befand er sich mit seiner Frau im Nebel, weswegen er sich erneut verirrte. Zwischen 15.00 und 15.30 Uhr gab B. auf dem oberen Hüfifirn die alpinen Notsignale, sechs Rufe in der Minute, ab, die vom Hüttenwart der Planurahütte vernommen und durch Hornstösse erwidert wurden. Diese Signale wurden von B. gehört. Hüttenwart Heinrich Zweifel wiederholte in der Folge die Hornstösse, um den Verirrten den Weg zur Hütte zu weisen. Da keine Antwort mehr kam und sich niemand der Hütte näherte, begab er sich ca. um 17.00 Uhr mit zwei Mitgliedern der JO-Gruppe auf die Suche. Auf halber Strecke zum Claridenhorn sahen sie, als sich der Nebel etwas lichtete, das Ehepaar B. zunächst auf eine Entfernung von 500 m, dann auf 300 und 200 m unterhalb des Claridenhorns über dem Claridenpass. Auf die Rufe der Suchmannschaft entgegnete B. in schriftdeutscher Sprache mit "Wer sind Sie?" und "Wo sind Sie?", worauf Zweifel antwortete: "Hüttenwart Planura". B. setzte indessen mit seiner Frau den Weg fort und geriet bald wieder in den Nebel, ohne weitere Notsignale abzugeben. Die Suchmannschaft verfolgte noch ein Stück weit deren Spur, die oberhalb des Claridenpasses über den Grat hinweg auf den Claridenfirn gegen den vorderen Spitzalpelistock führte. Da Zweifel und seine Begleiter auf ihre Rufe keine Antwort mehr erhielten, kehrten sie um in der Annahme, die beiden Touristen hätten sich wieder orientiert und würden sich in die Claridenhütte begeben.
Vom Claridenpass aus hätte B. die Planurahütte in einer halben Stunde erreichen können, während die Route nach der Claridenhütte von der Passhöhe aus mehr als 5 km
BGE 83 IV 9 S. 12
weit über Gletscher führt. Ohne dieses Weges sicher zu sein und sich über den Standort und die einzuschlagende Richtung zu orientieren, was bei der typischen Bänderung des aus dem Nebel auftauchenden Claridenhorns möglich gewesen wäre, ging B. mit seiner Frau über den Pass auf den Claridengletscher. Er geriet dabei in die Steilhänge des Spitzalpelifirns, wo er nur knapp einem Sturz in die Tiefe entging. Dessen wurde er sich erst gewahr, als vor und hinter ihm ein Schneebrett abrutschte und der Widerhall der stürzenden Schneemassen ihn erkennen liess, dass er sich unmittelbar über dem Abgrund befand. Er will darob einen Schock erlitten haben.
Inzwischen war es Abend geworden und die Nacht begann hereinzubrechen. B. wagte nicht mehr weiterzugehen und entschloss sich, an einer flachen Stelle südlich des vorderen Spitzalpelistockes zu biwakieren. Ohne die einfachsten und im Bereiche des Möglichen gelegenen Schutzmassnahmen gegen ein Erfrieren seiner Frau zu treffen, liess er diese allein ein kleines Schneeloch ausheben, das lediglich zum Schutz des Kopfes ausreichte und ein völlig ungenügendes Biwak darstellte. Während B. den Mut verlor, soll seine Frau während der Nacht immer wieder aufgestanden sein, um sich vom Schnee zu befreien.
Nach Tagesanbruch wurde sie jedoch von Schwindel befallen und erwies sich als marschunfähig. Trotz dieses bedenklichen Zustandes verliess B. seine Frau. Er machte sich um 05.00 Uhr auf den Weg zur Claridenhütte, wobei er den vollen Rucksack mitnahm. Da er es unterliess, sich bei dem nun herrschenden klaren und sonnigen Wetter über seinen Standort und die einzuschlagende Richtung zu orientieren, erreichte er im Zickzack über den Gletscher schreitend erst um 07.50 Uhr die Claridenhütte. Dem Hüttenwart Balz Marti gab er an, seine Frau beim Geissbützistock zurückgelassen zu haben. Unverzüglich brach eine Rettungskolonne auf. Durch die falsche Standortsbezeichnung irregefürt, begab sich die Rettungsmannschaft vergeblich zum Geissbützistock. Sie sah sich gezwungen,
BGE 83 IV 9 S. 13
die Spur Bs. zu suchen und ihr zu folgen. Um 09.30 Uhr gelangte die Rettungskolonne zum Biwak am vorderen Spitzalpelistock, wo sie Frau B. tot auffand. Hüttenwart Marti stellte fest, dass der Tod ungefähr eine halbe Stunde zuvor eingetreten war. Die Sektion der Leiche durch das gerichtlich-medizinische Institut der Universität Zürich führte zum Ergebnis, dass Frau B. infolge Unterkühlung des Körpers und Erschöpfung gestorben ist.
B.-
Am 18. April 1956 sprach das Obergericht des Kantons Glarus B. der fahrlässigen Tötung (
Art. 117 StGB
) schuldig und verurteilte ihn unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft zu einem Jahr Gefängnis.
C.-
B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, die Vorinstanz habe den durch
Art. 18 Abs. 3 StGB
umschriebenen Begriff der Fahrlässigkeit unrichtig angewendet. Er bestreitet zudem den adäquaten Kausalzusammenhang.
D.-
Das Obergericht des Kantons Glarus beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Wer, wie der Beschwerdeführer, als erfahrener Alpinist eine Skitour ins Hochgebirge und über Gletschergebiet unternimmt und eine wenig berggewohnte und im Skifahren ungeübte Person, wie das unbestrittenermassen bei Frau B. der Fall war, zum Mitgehen veranlasst, gilt als Führer der Partie und ist für den schwächeren Partner verantwortlich. Er ist gleich demjenigen, der eine Gefahrenlage schafft (vgl.
BGE 79 II 69
E. 2 und dort zitierte Urteile) verpflichtet, an Vorsichts- und Schutzmassnahmen alles Zumutbare vorzukehren, um einen Unfall zu verhüten. Seine Verantwortung steht unter solchen Verhältnissen derjenigen nicht nach, die dem berufsmässigen Tourenleiter auf Berg- und Skifahrten für die Sicherheit der ihm anvertrauten Person obliegt und allgemein den
BGE 83 IV 9 S. 14
Führer nicht bloss moralisch, sondern rechtlich verpflichtet. Dazu kam für den Beschwerdeführer die eheliche Beistandspflicht (
Art. 159 Abs. 3 ZGB
), die grundsätzlich der Sorge um das eigene Wohlbefinden vorgeht (
BGE 79 II 127
).
a) Pflicht des Führers ist es, vor Antritt der Tour sorgfältig zu prüfen, ob bei den gegebenen Witterungs- und Routenverhältnissen, der körperlichen Eignung und dem technischen Können der zu führenden Person die geplante Berg- oder Skifahrt überhaupt durchgeführt werden soll. Er wird sich dabei auch vergewissern, ob der Partner und er selbst genügend ausgerüstet seien. Wer eine Tour ins Hochgebirge und in Gletschergebiet unternimmt, muss als Führer darauf bedacht sein, dass die Bekleidung den Rauheiten der Natur und der Unbill des Wetters, das sich rasch ändern kann, angepasst sei. Darauf hat er vor allem zu achten, wenn die Tour bei schlechtem Wetter angetreten wird. Das gilt nicht bloss für die Bekleidung, sondern ebensosehr für die übrige Ausrüstung des Bergsteigers oder Skifahrers (Seil, Pickel, Schaufel, Felle, Kompass usw.). Sie muss so beschaffen sein, dass die richtige Durchführung der Tour selbst bei Eintritt ungünstiger Umstände ordentlicherweise gewährleistet ist und Gefahren, mit denen gerechnet werden muss, wirksam begegnet werden kann. Hangen doch Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Führer und Geführtem erfahrungsgemäss zu einem nicht unwesentlichen Teil von der Ausrüstung ab. Der verantwortungsbewusste Führer unternimmt daher keine schwierige und gefahrvolle Hochgebirgstour, ohne die hiefür notwendige Ausrüstung zu besitzen.
b) Ferner versteht sich von selbst, dass er für die Sicherheit der ihm anvertrauten Person von Anfang bis Ende der Tour besorgt sein muss, zumal wenn diese, wie im vorliegenden Fall, wenig berggewohnt ist. Er hat auf ihre Unerfahrenheit und fehlende Übung im Bergsteigen und Skifahren angemessen Rücksicht zu nehmen, ihrem entsprechend grösseren Kräfteverbrauch und der erhöhten Ermüdbarkeit Rechnung zu tragen und sie sowohl im Auf-
BGE 83 IV 9 S. 15
wie im Abstieg nicht zu überanstrengen. Treten im Verlaufe der Tour Schwierigkeiten auf, ist in jedem Fall besondere Sorgfalt geboten.
2.
Fahrlässigkeit fällt dem Täter zur Last, wenn er die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen, d.h. die nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen gebotene Vorsicht nicht beachtet hat (
Art. 18 Abs. 3 StGB
). Solche Unvorsichtigkeit hat sich der Beschwerdeführer in vielfacher Weise zuschulden kommen lassen.
a) Pflichtgemässe Vorsicht und Überlegung hätten ihn schon vom Antritt der Tour abhalten sollen. Steht doch nach dem angefochtenen Urteil fest, dass es beim Abmarsch von der Klausenpasshöhe regnete und B. von der Tour abgeraten worden war. Dass er sich dennoch auf den Weg machte, könnte ihm nicht zum Vorwurf gereichen, wenn er einen bergtüchtigen Mann als Partner bei sich gehabt hätte. Indessen musste er mit der Frau rechnen, die nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz eine eher zarte, wenn nicht gar schwächliche Natur war und der die Eignung für die geplante Bergfahrt fehlte. Dass Frau B. ihren Mann in seinem Vorhaben bestärkte und sich ebenfalls nicht bewegen liess, auf die Tour zu verzichten, vermag diesen als verantwortlichen Führer sowenig zu entlasten, wie der Umstand, dass der Regen bei Abmarsch "etwas nachliess". Das wäre nur von Bedeutung, wenn zugleich Aussicht auf Wetterbesserung bestanden hätte. Damit konnte B. jedoch nicht in guten Treuen rechnen. Vor allem aber fällt ihm zur Last, dass er ein solches Wagnis ohne entsprechende Ausrüstung in Kauf nahm. Jeder Alpinist von einiger Erfahrung weiss, dass im Frühjahr Temperaturstürze im Hochgebirge häufig sind, weswegen warme Wäsche zum notwendigen Ausrüstungsbestand gehört. Daran fehlte es besonders Frau B. Was an Reserveunterkleidern vorhanden war, wurde zudem in wasserdurchlässigen Rucksäcken mitgetragen und
BGE 83 IV 9 S. 16
war damit dem Regen ausgesetzt. Der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft den Beschwerdeführer weiter deswegen, weil er sich trotz der schlechten Witterungsverhältnisse mit einem völlig ungenügenden Kompass begnügte und weder einen Eispickel noch eine Schneeschaufel mitführte. Auch hätte er bedenken müssen, dass die Ski mit Gurten statt mit Fellen versehen waren, was die Gefahr einer vorzeitigen Übermüdung erheblich erhöhte. Unter solchen Umständen diese Hochgebirgstour zu unternehmen, war unverantwortlich und mit der Sorgfaltspflicht des gewissenhaften Führers unvereinbar.
b) Wollte der Beschwerdeführer schon nicht auf die Tour verzichten, gebot die elementarste Vorsicht, bei dem schlechten Wetter die kürzeste und leichteste Route zu wählen. Auch das hat B. nicht getan. Dabei vermag ihn nicht zu entlasten, dass er den Weg über Kammlialp-Griesgletscher-Kammlilücke angeblich besser kannte als die Route über das Kammlijoch. Hierauf brauchte er nicht Rücksicht zu nehmen, weil er, wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, einer JO-Gruppe des SAC hätte folgen können. Ein Verirren wäre in diesem Fall kaum möglich gewesen.
c) Weiter fällt dem Beschwerdeführer zur Last, dass er nicht rechtzeitig umkehrte. Nachdem er sich schon im Anstieg zur Kammlilücke verirrte und sich das Wetter verschlechterte, hätte er vernünftigerweise erkennen müssen, dass er sich in dieser Gegend nicht mehr sicher orientieren könne und die Schwierigkeiten noch anwachsen würden. Zudem musste er sich sagen, dass eine Fortsetzung der Tour unter solchen Umständen unweigerlich zu einer Überanstrengung und damit zu einer erheblichen Gefährdung seiner bergungewohnten Frau führen werde. Eine Umkehr drängte sich auf und wäre auf dem Griesgletscher umso leichter gewesen, als B. noch seiner eigenen Spur hätte folgen können. Dass er, einmal auf der Kammlilücke angelangt, nicht mehr umkehrte, mag begreiflich erscheinen. Indessen musste sich in der Folge das Fehlen eines zuverlässigen
BGE 83 IV 9 S. 17
Kompasses besonders nachteilig auswirken, weil die Planurahütte nicht in gerader Linie, sondern nur in einem Bogen über den Hüfifirn erreicht werden kann. Bei dem schlechten Wetter war daher eine sichere Orientierung ohne guten Kompass unmöglich. Darin lag auch der Grund, warum sich B. beim Abstieg vom Claridenpass erneut verirrte, in bedrohliche Nähe eines Absturzes geriet und den Weg zur Claridenhütte nicht mehr fand.
d) Eine grob pflichtwidrige Unvorsichtigkeit liess er sich ferner zuschulden kommen, als er nach den vielfachen Schwierigkeiten und dem langen March die Verbindung, welche auf seine Notrufe durch Hornstösse des Hüttenwarts von Planura und die später sich stets wiederholenden Signale der Suchmannschaft hergestellt war, in unverständlicher Weise abbrach. Statt die Rufe der sich auf ca. 200 m genäherten Rettungsmannschaft zu erwidern, in der Schallrichtung zu laufen oder zumindest anzuhalten, zog B. seines Weges weiter. Dass er damit das Leben seiner durch die grosse Anstrengung übermüdeten Ehefrau leichtfertig aufs Spiel setzte, steht ausser jedem Zweifel.
e) An der erforderlichen Vorsicht liess es der Beschwerdeführer auch fehlen, als er, gezwungen die Nacht in Schnee und Eis zu verbringen, keinerlei Massnahmen traf, um seine Frau gegen die Kälte zu schützen. Musste er sich doch der drohenden Erfrierungsgefahr bewusst sein und als verantwortlicher Führer alles Zumutbare zu deren Abwendung vorkehren. Zwar kam die Erstellung eines den Umständen genügenden Biwaks mangels Schneeschaufel, womit sich der Beschwerdeführer hätte ausrüsten müssen, nicht in Betracht. Indessen hätte er seiner Frau zumindest behilflich sein können, das von ihr ausgehobene Schneeloch so zu vertiefen, dass es dem ganzen Körper einigermassen Schutz bot. Das wäre mit den zur Verfügung stehenden Mitteln durchaus möglich gewesen. B. hätte mit dem Hinterteil eines Skis Schneewürfel ausheben oder aus dem gefallenen Neuschnee ein Schutzmäuerchen errichten können. Dass er dies unterliess, fällt
BGE 83 IV 9 S. 18
ihm zur Last. Daran ändert nichts, dass er zuvor infolge des Absturzes eines Schneebretts angeblich einen Schock erlitt. Wie die Vorinstanz in für den Kassationshof verbindlicher Weise feststellt, war dessen Wirkung nur vorübergehender Natur.
f) Für einen erfahrenen Alpinisten völlig unverständlich war es schliesslich, die erschöpfte Frau in den kältesten Morgenstunden zu verlassen. Dass B. auf seinen Marsch in die Claridenhütte auch noch den vollen Rucksack mitnahm, statt alles Entbehrliche an Kleidern an seine Frau abzugeben, stellt weiter eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit dar.
g) Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Unrecht der Fahrlässigkeit im Sinne von
Art. 18 Abs. 3 StGB
bezichtigt haben soll. Nach ihrer für den Kassationshof verbindlichen Tatsachenfeststellung, von welcher die Beschwerde unzulässigerweise abweicht (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
), liegt es auf der Hand, dass B. nicht die Vorsicht beachtete, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet war.
3.
Er bestreitet vergeblich den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem ihm zur Last fallenden Verhalten und dem Tod seiner Frau. In vielfacher Weise hat er auf der Hochgebirgstour seine Pflichten als verantwortlicher Führer schuldhaft verletzt und damit Fahrlässigkeit an Fahrlässigkeit gereiht, von denen jede für sich allein nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu einem tödlichen Unfall hätte führen können. Dass die einzelne Pflichtwidrigkeit die alleinige und unmittelbare Ursache des Erfolges sei, ist zur Annahme des rechtserheblichen Kausalzusammenhanges nicht erforderlich (
BGE 68 IV 19
,
BGE 73 IV 232
,
BGE 81 IV 138
). Vorliegend kann übrigens hinsichtlich der Unmittelbarkeit der Ursachenfolge kein Zweifel bestehen. Die verschiedenen Fahrlässigkeiten, deren Kette nie abriss, führten zunächst zur Überanstrengung und in der Folge zur Übermüdung und Erschöpfung der Frau, die
BGE 83 IV 9 S. 19
schliesslich, was der Beschwerdeführer hätte voraussehen und verhindern können, schutzlos dem Erfrierungstod preisgegeben war.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81b13ab0-77de-489a-af3b-327246581f93 | Urteilskopf
122 V 185
27. Auszug aus dem Urteil vom 15. Mai 1996 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen G. und P. E. und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 52 AHVG
.
Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers kann in sinngemässer Anwendung von
Art. 4 VG
bzw.
Art. 44 Abs. 1 OR
herabgesetzt werden, wenn und soweit eine grobe Pflichtverletzung der Verwaltung für die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens adäquat kausal gewesen ist (Änderung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 186
BGE 122 V 185 S. 186
Aus den Erwägungen:
3.
a) In der nicht veröffentlichten Erw. II/6 des in ZANK 1991 S. 125 ff. publizierten Urteils H. vom 23. November 1990 sowie im nicht veröffentlichten Urteil gleichen Datums in Sachen W.+S. hat das Eidg. Versicherungsgericht festgestellt, dass im Rahmen von
Art. 52 AHVG
eine gesetzliche Grundlage für die Anerkennung von Herabsetzungsgründen fehlt und dass, selbst wenn solche Gründe in Anlehnung an
Art. 44 OR
oder
Art. 4 VG
zugelassen würden, die Voraussetzungen für eine Herabsetzung im konkreten Fall nicht gegeben seien. Im gleichen Sinn hat das Gericht in den nicht veröffentlichten Urteilen G.+D. vom 22. April 1991 und L. vom 29. September 1992 entschieden. Es hat damit die in der Literatur (MAURER, Schweiz. Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 70 f.; KNUS, Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers in der AHV, Diss. Zürich 1989, S. 56) wiederholt bejahte Frage nach der Zulassung von Herabsetzungsgründen bei der Arbeitgeberhaftung nach
Art. 52 AHVG
offen gelassen.
In dem in AHI-Praxis 1994 S. 102 ff. veröffentlichten Urteil F.+T. vom 1. Oktober 1993 hat das Eidg. Versicherungsgericht ausgeführt, dass bei der Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers eine Verschuldenskompensation nicht in Betracht fällt und allfällige Unterlassungen der Ausgleichskasse zu keiner Herabsetzung des Schadenersatzes führen. Das Gericht hat diesen in der Folge wiederholt bestätigten Entscheid (nicht veröffentlichte Urteile L. vom 22. November 1993 und T. vom 5. Oktober 1994 sowie das in SVR 1996 AHV Nr. 74 S. 223 auszugsweise publizierte Urteil S. vom 31. August 1995) nicht näher begründet und sich auf die Urteile W.+S. und H. vom
BGE 122 V 185 S. 187
23. November 1990 sowie auf die Meinungsäusserung von KNUS gestützt, wo die Frage jedoch offen gelassen bzw. im gegenteiligen Sinn beantwortet worden ist. Es fragt sich, ob an dieser Praxis festgehalten werden kann.
b) Das AHV-Recht enthält keine Bestimmung hinsichtlich der Zulassung von Herabsetzungsgründen im Rahmen der Arbeitgeberhaftung nach
Art. 52 AHVG
. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers im Sinne eines Ausschlusses von Herabsetzungsgründen vorliegt. Gesetz und Verordnung regeln die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers lediglich in allgemeiner Form, und es lässt sich den Materialien nichts entnehmen, was auf eine negative Stellungnahme des Gesetzgebers schliessen liesse. Weder äussert sich die Botschaft des Bundesrates zum AHVG vom 24. Mai 1946 zur Herabsetzungsfrage (BBl 1946 II 540), noch bildete die Frage Gegenstand der parlamentarischen Beratungen (Sten.Bull. 1946 N 636, S 411). Es ist daher davon auszugehen, dass das Gesetz in diesem Punkt lückenhaft ist (MAURER, a.a.O., S. 70; KNUS, a.a.O., S. 56).
Bezüglich der zivilrechtlichen Haftung aus unerlaubter Handlung bestimmt
Art. 44 Abs. 1 OR
, dass der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden kann, wenn der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt hat oder wenn Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert haben. Die Zulassung von Herabsetzungsgründen, wie sie
Art. 44 Abs. 1 OR
vorsieht, entspricht einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Haftungsrechts (vgl. OFTINGER/STARK, Schweiz. Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Bd. I § 7 N. 9), welcher auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Staatshaftungsrecht, Anwendung findet (SCHWARZENBACH-HANHART, Die Staats- und Beamtenhaftung in der Schweiz, 2. Aufl., S. 40). Das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958 (VG; SR 170.32) sieht in Art. 4 denn auch eine
Art. 44 Abs. 1 OR
analoge Regelung bezüglich der Haftung des Bundes für den Schaden vor, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit einem Dritten widerrechtlich zugefügt hat. Danach kann die zuständige Behörde die Ersatzpflicht u.a. dann ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, wenn der Geschädigte auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt hat.
Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt ausgeführt hat, stellt
Art. 52 AHVG
eine Spezialbestimmung innerhalb des Verantwortlichkeitsrechts des
BGE 122 V 185 S. 188
Bundes dar, weshalb die dem VG zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsnormen auch bei der Auslegung von
Art. 52 AHVG
heranzuziehen sind (
BGE 114 V 220
Erw. 3b,
BGE 96 V 125
). Dies hat auch dann zu gelten, wenn das Haftungsrecht der AHV für eine bestimmte Rechtsfrage keine Regelung enthält (vgl.
BGE 112 Ia 262
Erw. 5).
Art. 4 VG
, welcher Ausdruck eines allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsatzes bildet, ist daher auch im Rahmen von
Art. 52 AHVG
als sinngemäss anwendbar zu erachten. Zwar betrifft die Bestimmung die Haftung des Bundes gegenüber geschädigten Dritten, wogegen
Art. 52 AHVG
die Innenhaftung zwischen Bund und dem aus öffentlichrechtlicher Organstellung haftenden Arbeitgeber beschlägt. Mit KNUS (a.a.O., S. 56) ist jedoch darauf hinzuweisen, dass allfällige Herabsetzungsgründe nach
Art. 4 VG
auch den vom Beamten gegenüber dem Bund zu leistenden Schadenersatz beeinflussen (
Art. 7 und 8 VG
). Zudem sind die Bestimmungen des OR über die Entstehung von Obligationen aus unerlaubter Handlung und damit die Herabsetzungsgründe nach
Art. 44 OR
auch im Rahmen der auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkten Innenhaftung des Beamten gegenüber dem Bund sinngemäss anwendbar (
Art. 8 und 9 Abs. 1 VG
). Stichhaltige Gründe gegen eine analoge Anwendbarkeit im Rahmen von
Art. 52 AHVG
und der - der Beamtenhaftung weitgehend nachgebildeten - Haftung der Gründerverbände für Schäden, die infolge absichtlicher oder grobfahrlässiger Missachtung der Vorschriften durch Kassenorgane oder Kassenfunktionäre entstanden sind (
Art. 70 AHVG
), sind nicht ersichtlich (vgl. zu
Art 70 AHVG
:
BGE 105 V 119
ff., 106 V 204 ff. und
BGE 112 V 265
ff., wo das Eidg. Versicherungsgericht die Möglichkeit einer Herabsetzung des Schadenersatzes im Hinblick auf eine allfällige Verletzung der Aufsichtspflichten des Bundesamtes für Sozialversicherung zumindest in Erwägung gezogen hat). Für die Zulassung von Herabsetzungsgründen sprechen vielmehr auch verfassungsrechtliche Gründe. Denn wenn eine Haftung der Kassenträger wegen grobfahrlässiger Missachtung von Vorschriften (insbesondere Kontroll- und Aufsichtsvorschriften) durch Kassenorgane oder Kassenfunktionäre anerkannt wird (
Art. 70 AHVG
), muss schon aus Gründen der Rechtsgleichheit auch ein allfälliges Mitverschulden der Aufsichtsbehörde berücksichtigt werden. Desgleichen verlangen die Rechtsgleichheit und das Legalitätsprinzip, dass der Staat nicht nur bei seiner Aussenhaftung gegenüber einer Privatperson (
Art. 3 VG
) ein schadenerhöhendes Mitverschulden des Geschädigten, sondern als Geschädigter auch das Mitverschulden eines seiner Organe berücksichtigt
BGE 122 V 185 S. 189
(
Art. 8 VG
,
Art. 52 AHVG
).
c) Nach dem Gesagten ist in Änderung der bisherigen Praxis festzustellen, dass die Schadenersatzpflicht nach
Art. 52 AHVG
einer Herabsetzung wegen Mitverschuldens der Verwaltung zugänglich ist. Voraussetzung ist, dass sich die Verwaltung einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, was namentlich dann der Fall ist, wenn sie elementare Vorschriften der Beitragsveranlagung und des Beitragsbezugs missachtet hat.
Wie im übrigen öffentlichen Verantwortlichkeitsrecht setzt die Herabsetzung des Schadenersatzes im Rahmen von
Art. 52 AHVG
des weitern voraus, dass zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem Schaden ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (SCHWARZENBACH-HANHART, a.a.O., S. 73 f.; GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, S. 180 f. mit weiteren Hinweisen; vgl. auch OFTINGER/STARK, a.a.O., § 7 N. 14). Eine Herabsetzung kann daher nur erfolgen, wenn und soweit das pflichtwidrige Verhalten der Verwaltung für die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens adäquat kausal gewesen ist (vgl. zur Haftung des Arbeitgebers nach
Art. 52 AHVG
:
BGE 119 V 406
Erw. 4a). | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
81b1a6eb-3ce4-4886-a1aa-5b80e9b07373 | Urteilskopf
102 IV 196
44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juni 1976 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 19. 19a Ziff. 1, 19b des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 20. März 1975.
Ausser dem Drogenhandel erfasst das BetmG auch strafbare Handlungen, die sich auf den Drogenkonsum beziehen.
Es sind selbständige Tatbestände, die unter dem Gesichtspunkt des
Art. 2 Abs. 2 StGB
ein eigenes, rechtliches Schicksal haben können.
Die Konsumhandlungen im weiteren Sinne (Vorbereitungs-, Beschaffungshandlungen und unbefugter, vorsätzlicher Genuss von Drogen) stellen unter sich verschiedene rechtliche Einheiten dar. | Erwägungen
ab Seite 196
BGE 102 IV 196 S. 196
Aus den Erwägungen:
Die Auffassung des Beschwerdeführers, dass das neue BetmG von 1975 gegenüber demjenigen von 1951 bezüglich des Drogenkonsums milder sei, trifft nicht zu. Art. 19 des letztgenannten Gesetzes bestrafte den Konsum von Betäubungsmitteln selber nicht (
BGE 95 IV 182
), weshalb es insoweit
BGE 102 IV 196 S. 197
gegenüber der neuen Ordnung, die in Art. 19a Ziff. 1 den unbefugten vorsätzlichen Genuss von Drogen als Übertretung unter Strafe stellt, jedenfalls das mildere ist. Soweit die Vorinstanz die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Konsumhandlungen im engeren Sinne der alten Ordnung unterstellt haben sollte, wäre sie richtig verfahren.
Anders verhält es sich jedoch bezüglich der Vorbereitungs- oder Beschaffungshandlungen, die dem Konsum vorausgehen (vgl. SJZ 1976, S. 92). Diese stehen im alten Gesetz unter schwererer Strafdrohung als im neuen (
BGE 95 IV 182
/3).
Art. 19a Ziff. 1 BetmG
ahndet sie nicht mehr als Vergehen, sondern bloss als Übertretungen, soweit sie dem Eigenkonsum dienen, und wo es sich um geringfügige Mengen handelt, kann die Vorbereitung zum Selbstkonsum gemäss
Art. 19b BetmG
sogar straflos bleiben. Gleicherweise bleibt das unentgeltliche Abgeben geringer Mengen zur Ermöglichung des gleichzeitigen und gemeinsamen Konsums nunmehr ohne Strafe. Die Vorinstanz hat jedoch alle eingeklagten Widerhandlungen gegen die Betäubungsmittelgesetzgebung dem Gesetz von 1951 unterstellt, mit der Begründung, dass gegenüber dem Drogenhandel die "Konsumhandlungen" in den Hintergrund träten und gesamthaft betrachtet der Beschwerdeführer nach dem alten Recht besser fahre. Dieses Vorgehen ist nicht richtig. Die Konsumhandlungen stellen neben dem Drogenhandel selbständige Tatbestände dar, die unter dem Gesichtspunkt des
Art. 2 Abs. 2 StGB
auch ein durchaus eigenes Schicksal haben können (nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 26. März 1976 i.S. R.) Dem stehen
BGE 68 IV 130
und 78 IV 129 keineswegs entgegen. Das darin ausgesprochene Verbot der kombinierten Anwendung des alten und des neuen Rechts hat Bezug auf ein und dieselbe Tat. Es soll damit vermieden werden, dass hinsichtlich eines Deliktes z.B. dessen Qualifikation nach altem, die Sanktion sich aber nach neuem Recht richte. Hier geht es jedoch nicht bloss bezüglich Drogenhandel einerseits und Konsumhandlungen anderseits um im Gesetz selber unterschiedene Tatbestände, sondern es stellen auch die Konsumhandlungen im weiteren Sinne unter sich verschiedene rechtliche Einheiten dar (z.B. Vorbereitungs-, Beschaffungshandlungen und eigentlicher Drogenkonsum). | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81bac497-be89-491c-aa7d-cc3b53434230 | Urteilskopf
108 III 6
3. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 3 mars 1982 dans la cause Bopp contre Autorité de surveillance des Offices pour dettes et faillites du canton de Genève (recours LP) | Regeste
Rechtsvorschlag;
Art. 74 und 265 Abs. 2 und 3 SchKG
.
1. Der Rechtsvorschlag gemäss
Art. 74 SchKG
unterliegt keinen formellen Anforderungen. Die blosse Unterschrift des Betriebenen in der Rubrik "Rechtsvorschlag" auf dem Zahlungsbefehl genügt.
Aufzählung der Fälle, in denen der Rechtsvorschlag notwendigerweise zu begründen ist (E. 1).
2. Das Betreibungsamt ist nicht zuständig, die Einrede des mangelnden neuen Vermögens zu prüfen.
Der Umstand, dass diese Einrede gegenstandslos ist, hat nicht die Nichtigkeit des Rechtsvorschlages zur Folge (E. 2).
3. Anwendung des Grundsatzes "im Zweifel für den Schuldner" (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 7
BGE 108 III 6 S. 7
Le recourant était associé de la société en nom collectif Bopp et Rochat, tombée en faillite le 13 janvier 1976.
Le 5 novembre 1981, il s'est vu notifier un commandement de payer à l'instance de Overseas Development Bank en liquidation pour un montant de 38'713 fr. 80, le titre de la créance invoqué étant l'acte de défaut de biens remis à la poursuivante dans la faillite de la société en nom collectif.
Sous la rubrique "opposition", Jean-Louis Bopp a écrit "ne suis pas revenu à meilleure fortune"; il a de plus apposé sa signature. L'Office des poursuites a retourné le commandement de payer à la créancière en y indiquant qu'il était frappé d'opposition.
La créancière a contesté auprès de l'Office que les mots écrits par Bopp sur le commandement de payer constituent une opposition au sens de l'
art. 74 LP
. Admettant ce point de vue, l'Office décida de rejeter l'exception de non-retour à meilleure fortune et d'annuler l'opposition enregistrée à tort.
Jean-Louis Bopp a déposé une plainte en temps utile à l'autorité de surveillance en matière de poursuite en faisant valoir que les termes dont il s'est servi étaient erronés mais qu'ils devaient être néanmoins interprétés comme une opposition au sens de l'
art. 74 LP
.
L'autorité de surveillance a rejeté sa plainte.
Jean-Louis Bopp recourt contre cette décision au Tribunal fédéral et reprend les conclusions qu'il a formulées devant l'autorité de surveillance.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Si le débiteur poursuivi sur la base d'un acte de défaut de biens après faillite fait opposition et justifie celle-ci en déclarant qu'il n'est pas revenu à meilleure fortune (
art. 265 al. 2 LP
), la jurisprudence considère que l'opposition est valable sans restriction et que la créance elle-même se trouve être ainsi contestée (FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, II p. 186;
ATF 103 III 34
consid. 2,
ATF 100 III 44
,
ATF 82 III 9
ss,
ATF 59 III 125
ss,
ATF 45 III 232
consid. 3). L'opposition de l'
art. 74 LP
n'est soumise à aucune exigence de forme.
BGE 108 III 6 S. 8
En effet, une conversation téléphonique, un entretien oral ou la simple signature du poursuivi dans la rubrique du commandement de payer prévue pour l'opposition sont suffisants (K. AMONN, Schuldbetreibung und Konkurs, p. 113). Le texte de l'
art. 75 LP
démontre clairement que la motivation de l'opposition par le débiteur ne l'empêche pas, en principe, d'invoquer ultérieurement d'autres motifs. Ainsi, il n'y a aucune obligation de motiver une opposition.
Toutefois, si la poursuite se fonde sur un acte de défaut de biens, le débiteur qui a fait l'objet de la faillite doit motiver son opposition dans la mesure où il désire faire valoir qu'il n'est pas revenu à meilleure fortune. La jurisprudence estime que la motivation est nécessaire dans ce cas, dès lors que l'
art. 265 al. 3 LP
prévoit la procédure accélérée, contrairement aux oppositions ordinaires qui sont soumises à la procédure sommaire. Il existe d'autres cas où la motivation de l'opposition est nécessaire (
ATF 82 III 11
). Ainsi, lors d'une poursuite en réalisation de gage, le débiteur qui désire contester le gage doit le déclarer expressément; de même lorsqu'une poursuite est dirigée en même temps contre l'épouse et le mari, ce dernier est tenu de motiver son opposition dans la mesure où il veut faire valoir qu'il y a séparation de biens ou que son épouse répond uniquement sur ses biens réservés (art. 68 bis al. 2). Enfin, l'opposition dans la poursuite pour effets de change doit être aussi motivée conformément à l'
art. 182 LP
.
2.
En l'espèce, la mention de non-retour à meilleure fortune n'a pas d'objet; en effet, Bopp était l'associé de la société en nom collectif faillie et n'a pas été déclaré personnellement en faillite.
Il convient de relever que l'Office des poursuites n'était pas compétent pour examiner la question de l'exception de non-retour à meilleure fortune. Il ne lui appartenait donc nullement de déclarer que le débiteur ne pouvait invoquer un tel moyen.
De surcroît, le fait que l'exception de l'
art. 265 al. 2 LP
est sans objet n'a pas nécessairement pour effet de rendre nulle l'opposition (
ATF 59 III 126
).
3.
La jurisprudence portant sur l'
art. 74 LP
est tolérante à l'égard du débiteur. Certes, contrairement au cas d'espèce, on constate que les formules examinées par le Tribunal fédéral contiennent généralement le terme "opposition" lors même qu'il se trouve juxtaposé à d'autres expressions telle celle dont Jean-Louis Bopp a fait usage (
ATF 103 III 35
,
ATF 82 III 10
). Toutefois l'arrêt reproduit aux
ATF 100 III 45
admet que la seule signature
BGE 108 III 6 S. 9
du poursuivi sous la rubrique "opposition" du commandement de payer constitue une opposition valable. Or, en l'espèce, Jean-Louis Bopp a apposé sa signature et cette dernière subsiste quand bien même la mention de non-retour à meilleure fortune est sans objet. Pour qu'il n'y ait pas opposition, il faudrait qu'il soit clairement démontré que le recourant a reconnu la dette mais a déclaré n'avoir pas les moyens de l'acquitter. Une telle preuve n'a pas été rapportée par la créancière. En outre, dans la mesure où il y a un doute à propos de la déclaration d'opposition, il convient d'appliquer le principe "in dubio pro debitore", dès lors qu'en comparant les intérêts respectifs, on constate que les conséquences de l'annulation de l'opposition seraient graves pour le débiteur et légères pour le créancier. Alors que le premier serait soumis à la continuation de la poursuite sans autre moyen que celui d'une action en répétition de l'indu (
art. 86 LP
), le second aurait simplement à requérir la mainlevée de l'opposition et pourrait agir éventuellement aussi par la voie ordinaire, conformément à l'
art. 79 LP
.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites:
Admet le recours, annule la décision attaquée et déclare valable l'opposition de Jean-Louis Bopp dans la poursuite No 1 584 296 qui reste en suspens. | null | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
81bc126a-74ed-440c-b120-446b596a8f22 | Urteilskopf
120 Ib 332
47. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 27 juin 1994 dans la cause Union du commerce local, à Porrentruy, contre Tribunal cantonal du canton du Jura et Service des arts et métiers et du travail du canton du Jura (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 18 und 19 ArG
; Ladenöffnungszeiten am Sonntag.
Ratio legis des Sonntagsarbeitsverbots (E. 3).
Bewilligung von vorübergehender Sonntagsarbeit; Begriff des dringenden Bedürfnisses (E. 4).
Bewilligung von dauernder oder regelmässig wiederkehrender Sonntagsarbeit; Begriff der technischen oder wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit (E. 5).
Es liegt nicht rechtsungleiche Behandlung vor, wenn in anderen Kantonen Sonntagsarbeit bewilligt wird (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 333
BGE 120 Ib 332 S. 333
Le 8 mars 1993, l'Union du commerce local, à Porrentruy, a présenté au Service des arts et métiers et du travail du canton du Jura une demande d'autorisation valable pour tous les commerçants de la ville d'occuper leur personnel le dimanche 19 décembre 1993 de 14h00 à 18h30.
Le Service des arts et métiers et du travail du canton du Jura a refusé l'autorisation sollicitée par décision du 30 juillet 1993. Il a considéré en particulier qu'aucune des exceptions prévues, par la législation fédérale sur le travail, à l'interdiction de travailler le dimanche n'était réalisée.
Par arrêt du 11 novembre 1993, le Tribunal cantonal, Chambre administrative, du canton du Jura a rejeté le recours déposé par l'Union du commerce local contre la décision prise le 30 juillet 1993 par le Service des arts et métiers et du travail.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, l'Union du commerce local demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt rendu le 11 novembre 1993 par le Tribunal cantonal, Chambre administrative, du canton du Jura et de constater que les conditions légales permettant de la faire bénéficier d'une dérogation à l'interdiction du travail dominical le 19 décembre 1993 de 14h00 à 18h30 sont remplies.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) Selon l'art. 18 al. 1 de la loi fédérale sur le travail dans l'industrie, l'artisanat et le commerce du 13 mars 1964 (LTr; RS 822.11), il est interdit d'occuper des travailleurs le dimanche.
Il est vrai que le travail du dimanche n'a pas d'effet direct sur la santé, mais son incidence sur le plan social et culturel est des plus importantes. Non seulement le dimanche est un jour sacré selon la tradition chrétienne et il garde encore cette signification pour une partie de la population, mais surtout l'institution d'un même jour libre pour tous permet aux personnes sous pression dans leur travail de bénéficier de repos et de loisirs en dehors de la vie de tous les jours. Il permet le calme intérieur, qui ne serait pas pensable sans calme extérieur. Un temps libre commun rend possibles, dans une grande mesure, la communication et les contacts à l'intérieur et à l'extérieur de la famille, ce qui n'est pas
BGE 120 Ib 332 S. 334
réalisable par du temps libre individuel durant la semaine (
ATF 116 Ib 284
consid. 4a p. 288). Cela ressort aussi du message du Conseil fédéral concernant un projet de loi sur le travail du 30 septembre 1960 (FF 1960 II 885 p. 956). Le législateur fédéral a restreint le travail dominical plus rigoureusement encore que le travail nocturne, d'abord en considération de la sanctification du dimanche, mais aussi par égard pour la vie familiale.
b) La loi sur le travail prévoit toutefois plusieurs exceptions à l'interdiction du travail dominical. A bon droit, la recourante n'invoque pas celle qui est consentie en faveur des régions touristiques et des localités frontières, la ville de Porrentruy ne tombant pas sous le coup de ces définitions (cf. l'
art. 27 LTr
, l'art. 41 de l'ordonnance II concernant l'exécution de la LTr du 14 janvier 1966 - RS 822.112 - et l'art. 4 du règlement d'exécution de la loi fédérale sur l'encouragement du crédit à l'hôtellerie et aux stations de villégiature du 23 décembre 1966 - RS 935.121).
Il reste à examiner si l'une des exceptions de l'
art. 19 LTr
est réalisée.
4.
a) Aux termes de l'
art. 19 al. 1 LTr
, l'autorité cantonale peut autoriser temporairement le travail du dimanche à trois conditions; il faut (a) qu'il existe un besoin urgent dûment établi, (b) que les travailleurs affectés à ce travail y consentent et (c) que l'employeur leur verse, en contrepartie, un supplément de salaire d'au moins 50 pour cent (REHBINDER, Arbeitsgesetz, Zurich 1987, 4e éd., n. 1 ad art. 19, p. 76).
D'après la doctrine, pour que soit autorisé le travail dominical, il ne suffit pas que soit établi n'importe quel besoin; il faut encore que le besoin soit urgent, c'est-à-dire que des raisons impérieuses le justifient (HUG, Commentaire de la loi fédérale sur le travail, Berne 1971, n. 5 ad art. 19, p. 193).
b) Comme le relève la recourante, la demande en biens de consommation augmente pendant la période précédant Noël et le besoin accru des consommateurs doit être satisfait durant une période très limitée dans le temps. Toutefois, ces considérations ne permettent pas encore d'établir l'urgence à satisfaire ces besoins par une ouverture des commerces le dimanche. Les consommateurs peuvent acquérir des biens de consommation pendant les jours ouvrables. En outre, la commune de Porrentruy autorise deux ouvertures nocturnes des commerces durant la période précédant Noël. Une ouverture dominicale des commerces ne correspond pas non plus à un besoin urgent de ces derniers, quand bien même cette ouverture, accompagnée
BGE 120 Ib 332 S. 335
d'animations diverses, aurait un effet publicitaire bienvenu.
Dès lors, compte tenu de la volonté manifeste du législateur de régler plus rigoureusement le travail dominical que le travail de nuit (FF 1960 II 956;
ATF 116 Ib 284
consid. 4d p. 289/290), il faut constater que la recourante n'a pas dûment établi l'existence d'un besoin urgent en la matière.
c) La première condition de l'
art. 19 al. 1 LTr
n'étant pas remplie, la recourante ne peut demander d'être mise au bénéfice de l'exception que prévoit cette disposition. Il n'est donc pas nécessaire d'examiner si les autres conditions de la disposition précitée sont remplies. On peut douter toutefois que la recourante ait valablement recueilli le consentement des travailleurs concernés puisque celui-ci doit être indiqué dans la demande du permis (art. 52 al. 2 de l'ordonnance 1 concernant la LTr du 14 janvier 1966 - ordonnance générale; RS 822.111; HUG, op.cit., n. 6 ad art. 19, p. 193).
5.
a) L'
art. 19 al. 2 LTr
prévoit que l'autorité cantonale peut autoriser des entreprises qui ne sont pas industrielles à travailler régulièrement ou périodiquement le dimanche lorsque des raisons techniques ou économiques le rendent indispensable.
En tant que dérogations à l'un des principes majeurs du droit des travailleurs, les exceptions à l'interdiction du travail dominical ne doivent être accordées, selon le principe de la proportionnalité, que là où le caractère indispensable est établi (
ATF 116 Ib 284
consid. 4d p. 290). De plus, les exceptions à l'interdiction du travail dominical doivent se conformer au principe de l'égalité de traitement, issu de la liberté du commerce et de l'industrie, et ne doivent pas avoir un effet de distorsion de la concurrence (
ATF 116 Ib 284
consid. 4c p. 289).
b) L'appendice de l'ordonnance générale définit l'indispensabilité technique ou économique du travail régulier ou périodique du dimanche; à son chiffre I.2 lettre c - qui seul entre en considération en l'espèce -, il précise que le travail régulier ou périodique du dimanche est indispensable pour des raisons économiques, notamment lorsque "la capacité de concurrence à l'égard de l'étranger est réduite considérablement du fait que la durée du travail est plus longue à l'étranger ou que les conditions de travail y sont différentes".
Des différences dans les dispositions légales sur le travail, liées au démantèlement des barrières douanières et aux écarts de change, peuvent porter préjudice à la capacité concurrentielle des entreprises suisses,
BGE 120 Ib 332 S. 336
lorsqu'il existe des prescriptions moins sévères dans les pays concurrents. Il y a cependant beaucoup d'autres avantages et désavantages selon les pays concernés pour la production et la distribution de biens. Les avantages de lieu de certains pays étrangers, dus par exemple à des niveaux de salaire inférieurs, ne doivent pas être compensés par des exceptions à l'interdiction du travail dominical. Il ne faut prendre en considération une diminution de la capacité concurrentielle que si elle est causée par des prescriptions de protection des travailleurs moins sévères à l'étranger. Une comparaison avec les conditions de travail dans les pays concurrents ne doit pas non plus faire perdre de vue la volonté du législateur de limiter autant que possible le travail dominical. En effet, si la portée de la protection des travailleurs était uniquement déterminée par celle prévalant au niveau le plus bas à l'étranger, l'interdiction du travail dominical serait aisée à contourner. Dès lors, ce n'est que lorsque des pays, ayant une réglementation sociale en principe équivalente, connaissent des prescriptions moins sévères dans des branches déterminées, que la protection du travailleur vient au second plan. Encore faut-il que des effets considérables sur la capacité concurrentielle des entreprises suisses soient démontrés (
ATF 116 Ib 284
consid. 5d p. 293/294).
c) L'autorité intimée a admis que les commerces de Porrentruy subissaient la concurrence de ceux qui se trouvent sur territoire français, à proximité de la frontière et dans les grandes agglomérations de la région, et que cette concurrence était due essentiellement aux prix plus bas qui y sont pratiqués en raison du taux de change et de la réglementation différente en matière agricole. Quant aux conditions de travail, elles ne seraient en tout cas pas moins favorables aux travailleurs français qu'aux travailleurs suisses. En particulier, la durée du travail n'est pas plus longue en France qu'en Suisse; elle aurait même tendance à y être plus courte.
Rien ne permet de mettre en doute ces faits - que la recourante ne conteste d'ailleurs pas - de sorte qu'ils lient le Tribunal fédéral.
Ainsi, il est vrai que les commerces français sont plus souvent autorisés à travailler en soirée et le dimanche, en particulier en décembre, que les entreprises suisses qui sont soumises à des prescriptions plus sévères et que la réglementation sociale dans les deux pays est sensiblement équivalente; il est toutefois manifeste que ces éléments ne jouent pas un rôle déterminant sur la capacité concurrentielle des commerces suisses au regard de l'influence des changes et des prix. Contrairement à ce qu'affirme la recourante, la protection des travailleurs ne saurait dès
BGE 120 Ib 332 S. 337
lors être affaiblie pour compenser le handicap que représente le niveau plus élevé du franc et des prix suisses. Ainsi, le travail dominical ne semble pas indispensable pour des raisons économiques, soit afin de restaurer la capacité concurrentielle des membres de la recourante.
d) En conséquence, c'est à bon droit que l'autorité intimée a considéré qu'une dérogation à l'interdiction du travail dominical ne se justifiait pas au regard de l'
art. 19 al. 2 LTr
. Il est par conséquent superflu d'examiner si l'ouverture de commerces un dimanche après-midi par an a un caractère régulier ou périodique au sens de cette disposition.
6.
a) La recourante se plaint encore d'inégalité de traitement.
A titre préliminaire, il convient d'observer que les consultations opérées par l'autorité inférieure et son soin à assurer un traitement uniforme des entreprises dans le Jura évitent toute inégalité de traitement au niveau régional. Aussi la recourante ne compare-t-elle pas sa situation à celle de commerces de la région, mais bien à celle d'entreprises d'autres cantons. Il convient de relever d'emblée que l'intéressée ne peut pas se prévaloir de ce que, dans des cas semblables, le travail dominical est autorisé dans d'autres cantons. En effet, cette situation ne lie ni les autorités jurassiennes, ni le Tribunal fédéral. Ce grief est donc mal fondé. Au surplus, les localités de Morat - comme l'a déjà relevé l'autorité intimée - et de Pully sont situées dans des régions touristiques, au sens du règlement d'exécution de la loi fédérale sur l'encouragement du crédit à l'hôtellerie et aux stations de villégiatures, et sont par conséquent soumises à une réglementation particulière. Quant à celle de Wil, elle serait au bénéfice de la législation saint-galloise - dont la conformité du droit fédéral n'a pas à être examinée ici - qui autoriserait les magasins à tenir boutique quatre jours fériés par an. Il n'existe pas de disposition semblable en droit jurassien, de sorte que la recourante ne se trouve pas dans une situation comparable.
b) Se référant à la doctrine (KNAPP, Précis de droit administratif, Bâle 1991, 4e éd., p. 292/293, nos 1386 ss; GRISEL, Traité de droit administratif, Neuchâtel 1984, vol. I, p. 410), la recourante soutient enfin qu'elle devrait être mise au bénéfice d'une autorisation exceptionnelle, destinée à éviter les cas de rigueur; elle reproche à l'autorité intimée de n'avoir pas mis en balance l'intérêt général auquel correspondrait cette dérogation et l'intérêt public visé par le législateur.
BGE 120 Ib 332 S. 338
En réalité, le législateur fédéral a précisément procédé à cette pesée d'intérêts en adoptant les
art. 18 et 19 LTr
. Il a pris en considération les intérêts des employeurs et entreprises ainsi que des consommateurs et des travailleurs, puis il a défini de manière claire quand et à quelles conditions les intérêts des uns prévalaient sur ceux des autres. Il n'appartient pas aux autorités d'application de la loi sur le travail, ni aux autorités judiciaires de remettre en cause cette appréciation. Au demeurant, la recourante n'a pas établi en quoi sa situation serait exceptionnelle et constituerait un cas de rigueur par rapport à la réglementation voulue par le législateur fédéral.
Au surplus, dans la mesure où la recourante mettrait ainsi en cause l'opportunité de la décision attaquée, il convient de rappeler que le Tribunal fédéral ne revoit pas le grief d'inopportunité dans le cas particulier. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
81c1d1c1-bbd2-405a-887a-9d65a47175d3 | Urteilskopf
124 V 246
40. Arrêt du 7 avril 1998 dans la cause S. contre Office cantonal de l'assurance-chômage et Tribunal administratif du canton de Vaud | Regeste
Art. 65 AVIG
;
Art. 335b OR
: Einarbeitungszuschüsse.
Während der Probezeit kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag grundsätzlich künden, ohne damit eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Versicherungsleistungen oder eine Ablehnung der Vergütung von dem Arbeitnehmer vorausbezahlten Einarbeitungszuschüssen zu riskieren. | Sachverhalt
ab Seite 246
BGE 124 V 246 S. 246
A.-
R., née en 1948, a une double formation d'employée de commerce et d'institutrice. Le 2 septembre 1996, elle a conclu un contrat de travail avec S., qui exploite l'entreprise C., à L. Le contrat était conclu pour une durée indéterminée. Le temps d'essai était fixé à trois mois, moyennant un délai de congé de sept jours. Les rapports de travail ont débuté le 17 septembre 1996.
Parallèlement, le 4 septembre 1996, R. a déposé une demande d'allocations en vue d'une initiation au travail auprès de ce même employeur. Par décision du 24 septembre 1996, l'Office cantonal vaudois de l'assurance-chômage a alloué à l'assurée les allocations demandées pour la période du 17 septembre 1996 au 16 mars 1997. Cette décision comportait le passage suivant:
"1. Les dispositions et les engagements souscrits par l'employeur par sa confirmation relative à l'initiation au travail priment tout accord contenant des clauses contraires, en tant qu'ils lient l'assurance-chômage au versement d'une prestation.
2. Après le temps d'essai d'un mois, le contrat de travail ne pourra pas être résilié avant la fin de l'initiation pour la fin du mois suivant, sous réserve de justes motifs (337 CO). Dans cette hypothèse improbable, l'office ayant émis la présente décision devra en être informé sans délai.
A défaut, la restitution des prestations pourra être exigée."
Le salaire déterminant s'élevait à 3'500 francs, comprenant une part d'allocations d'initiation au travail et une part de "salaire résiduel" à la charge de l'employeur. Pour le mois de septembre 1996 (période du 17 au 30 septembre), ces parts étaient respectivement de 978 fr. 60 et 652 fr. 40, soit 1'631 francs au total.
BGE 124 V 246 S. 247
B.-
Par lettre du 11 octobre 1996, l'employeur a résilié les rapports de travail. Ceux-ci ont pris fin, effectivement, le 17 octobre suivant. L'employeur a motivé sa décision par le fait qu'il avait été obligé de passer trop de temps à la formation de l'assurée, notamment parce que celle-ci n'arrivait pas à travailler seule avec un ordinateur et qu'il n'existait aucun «potentiel d'adaptation» au travail proposé.
Pour le mois de septembre 1996, l'employeur a versé à l'assurée l'intégralité du salaire déterminant de 1'631 francs.
Le 15 octobre 1996, l'office cantonal de l'assurance-chômage, invoquant la résiliation prématurée du contrat de travail, a rendu une nouvelle décision par laquelle il annulait sa décision précédente du 24 septembre 1996.
C.-
S. a recouru contre cette décision en concluant au remboursement par l'assurance-chômage du montant prévu de l'allocation d'initiation au travail pour le mois de septembre 1996 (978 fr. 60).
Par jugement du 3 février 1997, le Tribunal administratif du canton de Vaud a rejeté le recours. En bref, il a retenu que l'employeur ne pouvait pas se prévaloir de justes motifs de résiliation du contrat. Il ne s'était donc pas conformé aux conditions fixées par l'office cantonal de l'assurance-chômage dans sa décision du 24 septembre 1996.
D.-
S. interjette un recours de droit administratif en concluant à l'annulation de ce jugement et au versement des allocations litigieuses.
L'office cantonal de l'assurance-chômage conclut au rejet du recours. R. a présenté des observations, sans toutefois prendre de conclusions formelles.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon le texte de l'
art. 65 LACI
, ce sont les assurés qui peuvent bénéficier des allocations d'initiation au travail. En l'espèce, le recourant a toutefois versé la totalité du salaire de l'assurée pour le mois de septembre 1996. Il a donc un intérêt digne de protection (
art. 103 let. a OJ
) à recourir contre le jugement attaqué.
2.
En matière d'assurances sociales, la jurisprudence tient pour valable la révocation de décisions, sur lesquelles une autorité judiciaire ne s'est pas prononcée, en cas de découverte de faits ou de moyens de preuve nouveaux ou en cas d'inexactitude manifeste (
ATF 122 V 21
consid. 3a, 173 consid. 4a). Il n'est cependant pas nécessaire que ces conditions soient
BGE 124 V 246 S. 248
remplies lorsque la décision n'est pas entrée en force formelle, c'est-à-dire lorsque le délai de recours n'est pas encore échu au moment où l'administration révoque sa décision (
ATF 122 V 369
consid. 3 in fine,
ATF 121 II 276
consid. 1a/aa,
ATF 107 V 191
).
En l'espèce, le délai de recours de 30 jours (
art. 103 al. 3 LACI
) n'avait pas expiré quand l'office cantonal de l'assurance-chômage a annulé sa décision du 24 septembre 1996. Il faut donc se prononcer sur le droit aux allocations litigieuses sans égard aux conditions, précitées, sur la révocation des actes administratifs.
3.
a) Selon l'
art. 65 LACI
, les assurés dont le placement est difficile et qui, accomplissant une initiation au travail dans une entreprise, reçoivent de ce fait un salaire réduit, peuvent bénéficier d'allocations d'initiation au travail lorsque:
a. Ils remplissent la condition fixée à l'article 60, premier alinéa, lettre b;
b. Le salaire réduit durant la mise au courant correspond au moins au travail fourni et
c. Qu'au terme de cette période, l'assuré peut escompter un engagement aux conditions usuelles dans la branche et la région, compte tenu, le cas échéant, d'une capacité de travail durablement restreinte.
Selon l'
art. 66 LACI
, les allocations d'initiation au travail couvrent la différence entre le salaire effectif et le salaire normal que l'assuré peut prétendre au terme de sa mise au courant, compte tenu de sa capacité de travail, mais tout au plus 60 pour cent du salaire normal (al. 1). Pendant le délai-cadre, elles sont versées pour six mois au plus, dans des cas exceptionnels, notamment pour des chômeurs âgés, pour douze mois au plus (al. 2).
b) Bien que les assurés soient eux-mêmes titulaires du droit aux allocations d'initiation au travail (voir consid. 1 ci-dessus), celles-ci sont versées par la caisse à l'employeur; ce dernier les verse à son tour à l'assuré avec le salaire convenu (
art. 90 al. 4 OACI
). Si l'employeur résilie les rapports de travail, le droit à l'indemnité prend fin immédiatement. La pratique administrative envisage la restitution des prestations par l'employeur lorsque celui-ci résilie le contrat pendant la durée de l'initiation au travail sans pouvoir se prévaloir de "motifs graves", c'est-à-dire, en principe, de justes motifs au sens de l'
art. 337 CO
(circulaire de l'Office fédéral du développement économique et de l'emploi, anciennement Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail, relative aux mesures de marché du travail [MMT], valable
BGE 124 V 246 S. 249
depuis le 1er juin 1997, partie J no 27; voir aussi DIETER FREIBURGHAUS, Präventivmassnahmen gegen die Arbeitslosigkeit in der Schweiz, Berne 1987, p. 51).
Le problème se pose de manière différente en cas de résiliation pendant le temps d'essai. Dans cette éventualité, la suppression des prestations n'aura en principe pas d'effet rétroactif. Le temps d'essai doit en effet fournir aux parties l'occasion de préparer l'établissement de rapports de travail destinés à durer, en leur permettant d'éprouver leurs relations de confiance, de déterminer si elles se conviennent mutuellement et de réfléchir avant de s'engager pour une plus longue période (BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2ème édition, note 1 ad
art. 335b CO
; BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2ème édition, note 1 ad
art. 335b CO
). Quant au but des allocations d'initiation au travail, il est de favoriser l'engagement durable de personnes au chômage dont le placement est fortement entravé (
ATF 112 V 251
sv. consid. 3b; CATTANEO, Les mesures préventives et de réadaptation de l'assurance-chômage, thèse Genève 1992, no 780 ss, p. 467). Le droit est subordonné, on l'a vu, à la condition qu'au terme de la période d'initiation, l'assuré puisse escompter un engagement aux conditions usuelles dans la branche et la région, compte tenu, le cas échéant, d'une capacité de travail durablement restreinte (
art. 65 let
. c LACI). L'autorité cantonale peut exiger que cette condition fasse l'objet d'un contrat écrit (
art. 90 al. 3 OACI
).
Au regard des engagements que l'employeur est ainsi amené à prendre, celui-ci doit pouvoir, sans encourir le remboursement de prestations d'assurance, s'en libérer pendant le temps d'essai, si les rapports contractuels noués entre les parties ne répondent pas à son attente (dans ce sens: FREIBURGHAUS, ibidem). Dans le même ordre d'idées, on peut relever que la jurisprudence tient aussi compte du but du temps d'essai, dans le sens d'une atténuation de la faute, quand il s'agit de décider si le droit d'un assuré à l'indemnité de chômage doit être suspendu, lorsque ce dernier a lui-même résilié le contrat de travail pendant le temps d'essai, sans avoir été préalablement assuré d'obtenir un autre emploi (arrêt non publié C. du 5 décembre 1995). Tout au plus faut-il réserver, en l'espèce, le cas où l'employeur a agi avec légèreté ou de manière abusive, notamment en concluant le contrat avec l'intention dissimulée de mettre fin rapidement aux rapports de travail (cf. GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], vol. II, note 30 ad
art. 65-67 LACI
).
BGE 124 V 246 S. 250
c) La première décision de l'office intimé s'inscrit du reste tout à fait dans ce cadre. En effet, il en ressort clairement qu'une restitution de prestations (ou un effet rétroactif à une décision de suppression de prestations) n'entre en tout cas pas en ligne de compte pendant le temps d'essai. Par ailleurs, dans cette même décision, l'office a subordonné le versement des allocations à la condition que le temps d'essai ne dépasse pas la durée légale d'un mois (
art. 335b al. 1 CO
), au lieu de la durée de trois mois prévue initialement par les parties. Par ce moyen, l'administration voulait sans aucun doute se prémunir contre le risque que l'employeur utilise abusivement le temps d'essai prolongé contractuellement, afin d'obtenir des prestations sans rapport avec l'objectif d'insertion visé par l'assurance-chômage. Il faut donc y voir la reconnaissance - au moins implicite - par l'administration de la faculté de l'employeur de résilier les rapports de travail pendant la durée du temps d'essai légal, sans donner de motifs particuliers et sans s'exposer au risque d'une restitution de prestations ou à un refus de remboursement d'allocations dont il aurait fait l'avance au salarié.
4.
En l'espèce, il n'est pas contesté que l'assurée avait en principe droit à des allocations d'initiation au travail, en raison notamment de ses difficultés à trouver un emploi. L'administration n'a en effet jamais remis en cause ce droit comme tel, en particulier la nécessité pour l'intéressée de bénéficier d'une formation dépassant les limites d'une mise au courant usuelle qui incombe normalement à tout employeur.
D'autre part, contrairement d'ailleurs à l'opinion des premiers juges, le congé a été valablement donné pendant le temps d'essai légal. Selon l'
art. 335b al. 1 CO
, chacune des parties peut résilier le contrat de travail à tout moment moyennant un délai de congé de sept jours; est considéré comme temps d'essai le premier mois de travail. D'après les faits, non contestés, retenus par la juridiction cantonale, la lettre de résiliation de l'employeur a été reçue par l'employée le 12 octobre 1996, soit avant l'expiration de la période d'un mois. Les premiers juges soutiennent à tort que le congé devait être donné, au plus tard, pour la fin de cette période (en l'occurrence, pour le 17 octobre 1996), moyennant observation du délai de sept jours. En effet, il suffit, aux termes de la loi, que la déclaration de congé parvienne à son destinataire avant l'expiration du temps d'essai; peu importe donc que le délai de congé arrive à échéance après la période d'essai (STAEHELIN/VISCHER, Commentaire zurichois, note 7 ad
art. 335b CO
; REHBINDER, Commentaire bernois, note 6 ad
art. 335b CO
;
BGE 124 V 246 S. 251
BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, op.cit., note 4 ad
art. 335b CO
; BRÜHWILER, op.cit., note 4 ad
art. 335b CO
; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5e éd., Zurich 1992, note 9 ad
art. 335b CO
). Une proposition contraire du Conseil fédéral (FF 1984 II 658) n'a pas été retenue lors des débats parlementaires (BO 1985 CN 1119 et BO 1987 CE 340).
Dans ces conditions, et en l'absence d'indices d'un comportement abusif de l'employeur, le droit aux allocations ne pouvait pas être nié du fait de la résiliation prématurée du contrat de travail. La décision du 15 octobre 1996 doit dès lors être annulée et il appartiendra à l'office cantonal de l'assurance-chômage, à qui la cause sera renvoyée, de statuer sur le versement des allocations en cause pendant la période durant laquelle l'assurée a été au service du recourant. | null | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
81c844a4-41cc-47e5-bd8d-48df8e9baf24 | Urteilskopf
91 II 356
52. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. November 1965 i.S. Texta, Textilabfall-Handels- und Sortier AG gegen W. Schönfeld K.G. | Regeste
1. Bestimmung des anwendbaren Rechts beim Kauf (Erw. 1).
2. Handelsbräuche, auf die das Gesetz verweist, sind objektives Recht. Trifft dies nicht zu, so haben Handelsbräuche nur Geltung, wenn und soweit die Vertragschliessenden sie durch übereinstimmende Willensäusserung zum Vertragsinhalt machen (Erw. 2-4).
3. Wann sind die Voraussetzungen der Teilwandlung gemäss
Art. 209 Abs. 1 und 2 OR
gegeben? Erw. 5 u. 6. | Sachverhalt
ab Seite 356
BGE 91 II 356 S. 356
A.-
Die Firma W. Schönfeld K.G. in Regensburg, die mit Textilrohstoffen Handel treibt, kaufte der Texta, Textilabfall-Handels- und Sortier AG in St. Gallen wiederholt Kunstseidenfutterabschnitte ab. Nach einem Besuche Schönfelds bei der Texta umschrieb die Käuferin mit Schreiben vom 30. Juni 1962 an die Verkäuferin eine neue Bestellung wie folgt:
"1 Ladung von mind. 9-10 000 kg Ihr Los NL 812 neue orig. bunte Futterseidenabschnitte, im Prinzip ohne weissgestreift, kariert und gemustert, wiederholt gehabte Qualität sfr. 64.- ... franko Chiasso, Pressballen bfn. Die Ballen sollen mit dem Zeichen WS und laufender Nummer versehen sein und dürfen keinerlei Herkunftszeichen tragen. Wir bitten Sie, uns noch am Tage der Verladung telegraphisch Waggon-Nr., Ballenzahl und das Gesamtgewicht bekannt zu geben und uns per Express ein auf Deutschland ausgestelltes Ursprungszeugnis zu übersenden. .."
BGE 91 II 356 S. 357
Die Verkäuferin ihrerseits schrieb der Käuferin am gleichen Tage:
"Wir bestätigen den Besuch Ihres sehr geehrten Herrn Schönfeld und Ihnen verkauft zu haben: ca. 9-10 000 kg NL 810 neue Kunstseidenfutter-Abschnitte original, Preis 100 kg Fr. 64.-, frachtfrei Chiasso, Verpackung b. f. n., Qualität bekannt, zu liefern spätestens Dezember je nach Anfall, wenn möglich früher, Spediteur Andrea Merzario Int. Spedition, Chiasso, Zahlung gegen Dokumente. Gerichtsstand St. Gallen. Ohne Ihren gegenteiligen Bericht nehmen wir Ihr Einverständnis mit obiger Bestätigung an."
Am 3. Januar 1963 versandte die Texta in Erfüllung dieses Kaufvertrages 34 Ballen Futterseidenabschnitte von zusammen 12'149 t an Merzario nach Chiasso. Die Käuferin zahlte den Kaufpreis von Fr. 7775.35. Am 18. Januar 1963 verlangte sie indessen die Wandelung des Kaufes mit der Begründung, die Ware hätte nicht weissgestreifte Ärmelfutterseide sowie gemusterte und karierte Abschnitte enthalten dürfen. Die Texta stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, sie habe vertragsgemäss geliefert, nämlich gleiche Qualität wie früher. Nachdem ein Mitglied ihres Verwaltungsrates den grössten Teil der Ware in Italien besichtigt hatte, nahm sie 6 Ballen zurück und erstattete der Käuferin Fr. 1334.80. Sie erklärte sich am 11. März 1963 auch bereit, einen siebenten Ballen zurückzunehmen, falls er ausschliesslich Ärmelfutter enthalte. In der Folge zeigte sich, dass das zutraf.
B.-
Die Firma W. Schönfeld K.G. klagte gegen die Texta beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf Zahlung von Fr. 11'818.55 nebst Zins, sowie auf Tragung der seit 1. März 1964 entstandenen Kosten der Lagerung und Auslagerung der Ware.
Das Handelsgericht schützte am 16. Februar 1965 die Klage im Umfange von Fr. 10'132.35 nebst Zins.
Das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen wies eine Nichtigkeitsbeschwerde, welche die Beklagte gegen dieses Urteil führte, am 7. Juli 1965 ab.
C.-
Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts rechtzeitig auch mit der Berufung an das Bundesgericht angefochten. Sie beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin stellt den Antrag, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
BGE 91 II 356 S. 358
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mangels einer von den Vertragschliessenden getroffenen Rechtswahl ist auf Schuldverträge das Recht jenes Staates anzuwenden, mit dem das Rechtsverhältnis räumlich am engsten zusammenhängt. Den engsten Zusammenhang schafft die für das Rechtsverhältnis charakteristische Leistung. Das ist beim Kaufe die Leistung des Verkäufers (
BGE 77 II 84
Erw. 2, 191, 278;
BGE 78 II 80
;
BGE 79 II 165
f.;
BGE 88 II 199
Erw. 1;
BGE 89 II 267
Erw. 1 am Anfang).
Diese war im vorliegenden Falle in der Schweiz zu erbringen, gleichgültig ob man den Sitz der Beklagten als Erfüllungsort ansieht (
Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR
) oder ob man annimmt, die Vereinbarung, wonach die Ware an den von der Klägerin bezeichneten Spediteur Merzario in Chiasso zu senden sei, habe Chiasso zum Erfüllungsort gemacht. Daher untersteht das Rechtsverhältnis der Parteien, wie auch das Handelsgericht angenommen hat, dem schweizerischen Recht. Auf die Berufung ist einzutreten.
Ob schweizerisches Recht schon deshalb anwendbar wäre, weil sich beide Parteien im Prozess auf Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts berufen haben, braucht nicht entschieden zu werden. Auch die Vorinstanz hat diese Frage offen gelassen.
2.
Die Beklagte nimmt ihre im kantonalen Verfahren erhobene Einwendung, die Mängelrüge der Klägerin vom 18. Januar 1963 sei verspätet, in der Berufungsschrift nicht mehr auf. Sie macht nur noch geltend, das Handelsgericht habe der Klägerin zu Unrecht unter Hinweis auf eine im Handel mit Textilien bestehende Übung gestattet, den ganzen Kauf zu wandeln. Die Begründung des Handelsgerichtes, es seien rund 20% der ganzen Lieferung nicht vertragsgemäss gewesen, weil 7 Ballen ausschliesslich vertragswidrige Ware enthielten, sei unzutreffend. Die Beklagte beruft sich auf
Art. 209 Abs. 1 OR
, wonach der Käufer die Wandelung nur rücksichtlich der fehlerhaften Stücke verlangen kann, wenn von mehreren zusammen verkauften Sachen oder von einer verkauften Gesamtsache bloss einzelne Stücke fehlerhaft sind.
Diese Bestimmung ist nicht zwingend. Sie wird aber nicht schon kraft eines abweichenden Handelsbrauches unanwendbar, sondern nur durch Vereinbarung der Parteien. Handelsbräuche
BGE 91 II 356 S. 359
sind nicht objektives Recht, es sei denn, dass das Gesetz auf sie verweist, was hinsichtlich der in
Art. 209 Abs. 1 OR
geregelten Frage nicht zutrifft. Handelsbräuche gelten auch nicht ohne weiteres als Vertragsinhalt. Sie verpflichten die Parteien nur dann, wenn diese sich ihnen durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung, sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, unterwerfen (
BGE 34 II 640
Erw. 2;
BGE 37 II 410
;
BGE 47 II 163
Erw. 1;
BGE 53 II 310
Erw. 1;
BGE 83 II 523
;
BGE 86 II 257
).
3.
Das Handelsgericht stellt keine Willensäusserung der Parteien fest, wonach die Frage, ob der Käufer die Wandelung nur hinsichtlich der fehlerhaften Ballen verlangen könne, den im Textilhandel geltenden Bräuchen unterstehen solle. Den Akten können solche Willensäusserungen nicht entnommen werden. Die Briefe vom 30. Juni 1962, in denen die Parteien gegenseitig den Vertragswillen kundgaben, nehmen mit keinem Worte auf Handelsbräuche Bezug. Ferner hat die Klägerin im kantonalen Verfahren nicht behauptet, die Parteien hätten in diesen Schreiben oder in der vorausgegangenen Besprechung die Bräuche anwendbar erklärt. Sie stellt sich auch in der Berufungsantwort nicht auf diesen Standpunkt. Sie bringt nur vor, die Beklagte selber habe den Bestand von Handelsbräuchen vorausgesetzt, nämlich in einer Vereinbarung mit der Klägerin vom 12. November 1963 über die Beiziehung von Sachverständigen zur Begutachtung der bemängelten Ware und in der Klageantwort vom 5. März 1964. Wer den Bestand von Handelsbräuchen voraussetzt, anerkennt jedoch nicht notwendigerweise, dass sie durch gegenseitige Willensäusserung Inhalt des Vertrages geworden seien. Zudem betreffen die beiden von der Klägerin angerufenen Aktenstellen nicht die Frage, ob der Käufer die Wandelung nur hinsichtlich der fehlerhaften Ballen oder kraft Handelsbrauches hinsichtlich der ganzen Kaufsache verlangen könne. Laut der Vereinbarung vom 12. November 1963 sollten die Sachverständigen gefragt werden, welche prozentuale Toleranzgrenze handelsüblich sei, wenn Sortiergut als "im Prinzip" frei von anderer Ware zu liefern sei, und in der Klageantwort machte die Beklagte geltend, nach den Usanzen in der Branche sei die Mängelrüge verspätet erfolgt. Das sind die einzigen Äusserungen über Handelsbräuche, welche die Klägerin der Beklagten vorzuhalten vermag. Es kann ihnen nicht entnommen werden, die Beklagte habe anerkannt, in der Frage des Umfanges des Wandelungsrechtes sei ein Handelsbrauch
BGE 91 II 356 S. 360
zum Vertragsinhalt erhoben und damit die Anwendung des
Art. 209 Abs. 1 OR
ausgeschaltet worden.
4.
Das Handelsgericht leitet das Recht der Klägerin, wegen der Mangelhaftigkeit von 7 Ballen den Kauf im ganzen zu wandeln, auch aus Ziffer IX Abs. 1 der vom Bureau international de la récupération (BIR), Sektion Textil, zusammengestellten Handelsbräuche betreffend den Abschluss und die Erfüllung von Kontrakten ab, wonach der Käufer berechtigt sei, höchstens 10% der gelieferten Partie, aber mindestens einen Ballen zu sortieren, um das Qualitätsrendement festzustellen. Dem Einwand der Beklagten, die BIR-Bestimmungen seien für das streitige Geschäft nicht massgebend, hält das Handelsgericht entgegen, die Beklagte hätte nachweisen müssen, dass im vorliegenden Falle etwas Abweichendes vereinbart worden sei oder dass sonst besondere Verhältnisse vorlägen, deretwegen die genannte Usanz nicht gelte. Die Beklagte behaupte aber nicht, es sei in dieser Hinsicht eine besondere Vereinbarung getroffen worden, auch die Akten böten keine Anhaltspunkte für eine dahin gehende Annahme.
Damit verkennt die Vorinstanz, dass Handelsbräuche auch dann nicht schon kraft ihres Bestehens verbindlich sind, wenn Fachkreise sie "kodifiziert" haben. Solche Bestimmungen gelten nur, wenn und soweit die Vertragschliessenden sie durch übereinstimmende Willensäusserung zum Vertragsinhalt machten (vgl. z.B.
BGE 87 II 237
). Dass das im vorliegenden Falle geschehen sei, hatte gemäss
Art. 8 ZGB
die Klägerin zu behaupten und zu beweisen, wenn sie aus den BIR-Bestimmungen etwas ableiten wollte. Es oblag nicht der Beklagten, darzutun, dass die Parteien eine von diesen Bestimmungen abweichende Vereinbarung getroffen haben. Die Klägerin hat aber im kantonalen Verfahren nicht behauptet, sie hätten beim Vertragsabschluss oder später die Anwendung der BIR-Bestimmungen vereinbart. Sie behauptet das auch in der Berufungsantwort nicht.
Ob die Mangelhaftigkeit der 7 Ballen die Klägerin berechtigte, den ganzen Kauf zu wandeln, beurteilt sich daher nach
Art. 209 OR
.
5.
Die Klägerin hält die Voraussetzungen bloss teilweiser Wandelung nicht für erfüllt, weil sie einen unförmigen und unsortierten Haufen Stoffabfälle gekauft habe und ihr nicht zugemutet werden könne, die mangelhaften Einheiten, nämlich
BGE 91 II 356 S. 361
die vertragswidrigen einzelnen Stoffabschnitte auszusortieren.
Darauf kommt indessen nichts an. Die Beklagte mutet der Klägerin nicht die Ausscheidung des einzelnen vertragswidrigen Stofflappens zu, sondern nur die Ausscheidung ganzer Ballen, nämlich jener sieben Stück, von denen feststeht, dass sie ausschliesslich Stoffabschnitte enthielten, die nicht den vertraglichen Bedingungen entsprachen. Der Einwand der Klägerin, die Pressballen seien, was Grösse und Form betrifft, willkürlich gebildet worden, hilft nicht. Die Klägerin hat sich im Bestellschreiben ausdrücklich die Lieferung in Pressballen ausbedungen. Sie überliess es der Beklagten, Grösse und Form derselben zu bestimmen, und sie beanstandete sie denn auch nie. Die Klägerin verkennt also den Sachverhalt, wenn sie sich als Käuferin eines unförmigen und unsortierten Haufens von Stoffabfällen ausgibt. Nicht die Lappen, sondern die Ballen sind die "einzelnen Stücke" im Sinne des
Art. 209 Abs. 1 OR
, auf die allenfalls die Wandelung zu beschränken ist.
6.
Aus den vorstehend erörterten Gründen ist die Teilwandelung gemäss
Art. 209 Abs. 1 OR
- entgegen den Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil - nicht unzulässig. Die Sache ist deshalb zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Dieses wird in erster Linie feststellen müssen, ob wirklich nur sieben Ballen mangelhaft waren. Auf welche Weise es den Zustand der anderen 27 Ballen zu prüfen habe, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechtes. Das Bundesgericht kann das Handelsgericht nicht anweisen, eine Begutachtung durchzuführen oder bestimmte Zeugen einzuvernehmen, wie die Beklagte beantragt.
Falls nur 7 Ballen mangelhaft waren, wird sich fragen, ob sie sich ohne erheblichen Nachteil für die Klägerin von den andern trennen lassen; denn das ist gemäss
Art. 209 Abs. 2 OR
eine weitere Voraussetzung der Teilwandlung. Die getroffenen Feststellungen erlauben dem Bundesgericht nicht, diese Frage abschliessend zu beurteilen. Bemerkt sei immerhin, dass nicht entscheidend ist, welcher Arbeitsaufwand nötig war, um zur Zeit der Lieferung die Mangelhaftigkeit der 7 Ballen festzustellen. Es kommt darauf an, ob die Beschränkung der Wandelung auf die nunmehr als mangelhaft erkannten 7 Ballen die Klägerin erheblich benachteiligen würde. Diese Ballen sind ausgeschieden, und sechs von ihnen sind sogar schon zurückgenommen. Unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeit der Ausscheidung steht also
BGE 91 II 356 S. 362
der Teilwandelung nichts im Wege. Diese darf auch nicht mit der Begründung verweigert werden, die ursprünglich versprochene Menge von mindestens 9 t Ware sei durch tatsächliche Lieferung und Bezahlung von 12'149 t auf dieses Quantum erhöht worden.
Art. 209 OR
mutet dem Käufer zu, weniger als die vertragliche Menge zu behalten, wenn ihn das nicht erheblich benachteiligt. Aus dem Umstande, dass die Beklagte sich nur zur Lieferung von mindestens 9 t verpflichtet hatte, darf geschlossen werden, diese Menge sei für die Klägerin brauchbar gewesen und sie habe daher im Zeitpunkt der Wandelung auch die angeblich mängelfreien 27 Ballen gebrauchen können, falls sie zusammen mindestens 9 t wogen. Dieses Mindestgewicht wiesen sie wahrscheinlich auf, denn die zurückgenommenen 6 Ballen wogen nach den Angaben, welche die Beklagte im Schreiben vom 11. März 1963 machte, nur 1'817 t, so dass der siebente mangelhafte Ballen allein 1'333 t wiegen müsste, damit das Gewicht der 27 angeblich mängelfreien unter 9 t bliebe.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin teilweise gutgeheissen, dass das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 16. Februar 1965 aufgehoben und die Sache zur Tatbestandsergänzung im Sinne der Erwägungen sowie zu neuem Entscheid zurückgewiesen wird. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
81c86382-404a-4696-aefd-1e960364412a | Urteilskopf
92 IV 38
11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1966 i.S. Parolini gegen Schmid. | Regeste
Art. 13 UWG
.
Nichtmitbewerber sind nur strafbar, soweit die Täterschaft Dritter in einzelnen Tatbeständen ausdrücklich oder sinngemäss vorgesehen wird. | Sachverhalt
ab Seite 38
BGE 92 IV 38 S. 38
Aus dem Tatbestand:
A.-
Schmid verfügt teils als Eigentümer, teils als Organ juristischer Personen über verschiedene Liegenschaften in Luzern, in denen Cafés betrieben werden. Zu diesen gehört auch das Haus mit dem Tea Room Mascotte, dessen Betrieb an Parolini verpachtet war. Dieser Pachtvertrag wurde wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen Schmid und Parolini im Januar 1964 vorzeitig aufgelöst. Seit September 1964 ist Parolini Pächter eines Cafés, mit dem Schmid nicht durch geschäftliche Interessen verbunden ist.
Im Oktober 1964 reichte Parolini gegen Schmid Strafklage wegen unlauteren Wettbewerbs ein. Darin wurde Schmid beschuldigt, er habe, um das geschäftliche Ansehen des Klägers zu untergraben, diesen vor und nach Auflösung der Pacht bei dessen Lieferanten der beruflichen Unfähigkeit und der Kreditunwürdigkeit bezichtigt.
B.-
Der Amtsstatthalter von Luzern-Stadt verfällte Schmid wegen unlauteren Wettbewerbs (
Art. 13 lit. a UWG
) in eine Busse. Das Obergericht des Kantons Luzern sprach dagegen den Beschuldigten durch Urteil vom 5. Oktober 1965 frei.
BGE 92 IV 38 S. 39
Es verneinte den Straftatbestand des unlauteren Wettbewerbs mit der Begründung, dass Schmid, der selber keinen Wirtschaftsbetrieb geführt habe, die Äusserungen gegenüber Süess, Sonderegger und Koller während des Pachtverhältnisses getan und daher mit Parolini nicht im Wettbewerb gestanden habe und dass im Falle Wüthrich, der sich später zutrug, der Beschuldigte nicht in der Absicht gehandelt habe, Parolini an der normalen Eindeckung mit Waren durch Lieferanten zu hindern.
C.-
Parolini führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Beschuldigten wegen wiederholten unlauteren Wettbewerbs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Wie der Kassationshof wiederholt entschieden hat, setzt die Bestrafung wegen unlauteren Wettbewerbs nach
Art. 13 UWG
grundsätzlich voraus, dass zwischen dem Täter und dem Verletzten zur Zeit der Tat ein wirtschaftliches Wettbewerbsverhältnis bestand (
BGE 80 IV 33
und nicht veröffentlichte Entscheidungen). Unlauterer Wettbewerb ist nur strafbar, wenn ein Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs vorliegt (
Art. 1 Abs. 1 UWG
). Wirtschaftlicher Wettbewerb erfordert, dass zwei oder mehrere Personen, die eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit ausüben, innerhalb dieser wirtschaftlichen Betätigung zueinander in Wettbewerb treten, was zutrifft, wenn sich ihr Angebot von Waren oder Leistungen direkt oder mittelbar an den gleichen Abnehmerkreis wendet (
BGE 74 IV 113
,
BGE 75 IV 23
,
BGE 90 II 322
Erw. 4 lit. a und b). Das gegen Treu und Glauben verstossende Verhalten muss denn auch nach der Rechtsprechung eine Wettbewerbshandlung darstellen, nämlich ein Verhalten, das dem Handelnden im Verhältnis zu einem Wettbewerber einen Vorteil verschaffen soll (
BGE 86 II 110
Erw. 2 lit. a). Ist somit das Wettbewerbsrecht auf die Konkurrenz in Industrie, Handel und Gewerbe ausgerichtet, so sind Dritte, die nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb beteiligt sind, den Bestimmungen des UWG grundsätzlich nicht unterstellt. Gegen Angriffe Dritter, die nicht Mitbewerber des Verletzten sind, bieten zivilrechtlich
Art. 28 ZGB
und
Art. 41 ff. OR
. strafrechtlich die Bestimmungen über Kreditschädigung (
Art. 160 StGB
), Verletzung von Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnissen
BGE 92 IV 38 S. 40
(Art. 162) und Ehrverletzung (Art. 173 ff.) Schutz.
Art. 13 UWG
allgemein auf Nichtmitbewerber anzuwenden, besteht umso weniger Anlass, als das Gesetz die weitaus häufigsten und wichtigsten Fälle, in denen sich die Frage der Täterschaft Dritter stellen kann, bereits erfasst, indem es Angestellte, Arbeiter und Beauftragte des Geschäftsherrn, die Mitglieder der Organe juristischer Personen und die Gesellschafter von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie unter den Voraussetzungen des
Art. 2 Abs. 3 UWG
auch Berufs- und Wirtschaftsverbände und deren Organe für ihre Handlungen wettbewerbsrechtlich als Täter verantwortlich erklärt (
Art. 14, 15 UWG
).
Die gegenteilige Auffassung, dass auch Dritte, die sich in den Wettbewerb einmischen, allgemein nach UWG verantwortlich seien, stützt sich vor allem auf
Art. 1 UWG
, und TROLLER (Immaterialgüterrecht, S. 895) beruft sich im besondern auch darauf, dass diese Bestimmung die Person des Täters nicht erwähne. Das erklärt sich indessen schon daraus, dass das Gesetz auch gewisse Personen, die nicht unmittelbar am Wettbewerb beteiligt sind, z.B. Verbände, Angestellte, miterfasst und dass bei einigen Tatbeständen der unlautere Wettbewerb nach ihrer ausdrücklichen Umschreibung auch von Dritten begangen werden kann. Der allgemeine Hinweis auf
Art. 1 UWG
aber ist schon deshalb nicht schlüssig, weil diese Bestimmung, obschon sie im einleitenden ersten Abschnitt des Gesetzes steht, für den strafrechtlichen Teil des dritten Abschnittes nur eine beschränkte Tragweite hat. Das Wettbewerbsgesetz legt das Hauptgewicht auf den zivilrechtlichen Schutz, worauf zurückzuführen ist, dass es in Art. 1 Abs. 1 für den zivilrechtlichen Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs eine umfassende Generalklausel aufstellt, neben der die in Abs. 2 aufgezählten Handlungen keine abschliessende, sondern nur die Bedeutung von Beispielen haben. Der strafrechtliche Schutz dagegen ist im Verhältnis zum zivilrechtlichen bewusst begrenzt worden. Er beschränkt sich unter Verzicht auf eine Generalklausel auf bestimmte, in Art. 13 abschliessend aufgeführte Strafhandlungen, die im allgemeinen den in Art. 1 Abs. 2 genannten Beispielen (ohne lit. h) entsprechen, zum Teil aber (lit. b, c, d'e) enger gefasst sind als jene. Wie in der Botschaft des Bundesrates dargelegt wird, wollte mit der Beschränkung des strafrechtlichen Schutzes missbräuchlichen Strafanträgen
BGE 92 IV 38 S. 41
entgegengetreten und auf strafrechtlichem Gebiet eine klare Abgrenzung zwischen zulässigem und unzulässigem Wettbewerb erreicht werden, und zwar im Hinblick auf den sehr weitgehenden und im Vordergrund stehenden zivilrechtlichen Schutz auch auf die Gefahr hin, dass im einen oder andern Falle eine an sich wünschbare strafrechtliche Sanktion unterbleiben muss (BBl 1942, 679). Das lässt nicht darauf schliessen dass
Art. 13 UWG
generell auch auf Dritte anwendbar erklärt werden wollte, und dies umso weniger, als die Bestimmung selber keine Anhaltspunkte dafür bietet. Art. 13 führt nach seiner Zweckbestimmung und seinem Aufbau vielmehr zum Schluss, dass die strafrechtlichen Sanktionen als Regel auf die am Wettbewerb Beteiligten beschränkt bleiben und Dritte davon nur erfasst werden sollen, soweit das Gesetz in den einzelnen Tatbeständen ausdrücklich oder sinngemäss Ausnahmen vorsieht.
Diese Auslegung wird durch die Botschaft des Bundesrates (BBl 1942, 709), auf die sich GERMANN (Unlauterer Wettbewerb, S. 348) beruft, nicht widerlegt. Es wird dort zu Art. 14 des Entwurfs (heute Art. 13) bemerkt: "Drittpersonen, die in den Wettbewerb eingreifen, ohne Mitbewerber zu sein, können sich ebenfalls strafbar machen, ähnlich wie sie unter Umständen auch eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit trifft. So können Verbände bzw. die für sie handelnden Personen beispielsweise bestraft werden, wenn sie Aussenseiter anschwärzen (lit. a)". Im ersten Satz der Bemerkung wird im Unterschied zu den entsprechenden Ausführungen, die zur Zivilklage gemacht wurden (BBl 1942, 688 und 690), nicht eindeutig erklärt, dass allgemein auch Dritte strafbar seien; der Sinn des Satzes kann auch als blosser Hinweis darauf verstanden werden, dass Drittäterschaft bei einzelnen Tatbeständen möglich ist. Wäre der Bemerkung allgemeine Tragweite zugemessen worden, würde ihre Bedeutung jedenfalls durch das im zweiten Satz erwähnte Beispiel wieder in Frage gestellt. Denn Verbände, in denen Mitbewerber zur Wahrung ihrer wettbewerblichen Interessen zusammengeschlossen sind, sind wettbewerbsrechtlich nicht Dritte. Wenn die strafrechtliche Verantwortlichkeit Dritter bejaht wurde, um damit, wie aus dem angeführten Beispiel geschlossen werden kann, in erster Linie jene der Verbände zu begründen, so verliert die Bemerkung des Bundesrates, die von einer unzutreffenden Voraussetzung ausgeht,
BGE 92 IV 38 S. 42
wesentlich an Wert, und sie kann daher für die Auslegung nicht massgeblich sein.
Ist demnach an der eingangs erwähnten Rechtsprechung festzuhalten, so kann sich nur noch fragen, in welchen der Tatbestände des
Art. 13 UWG
unlauterer Wettbewerb auch von Dritten begangen werden kann. Eine solche Ausnahme macht jedenfalls lit. e, wo ausdrücklich vorgesehen ist, dass der Täter die Vorteile, die er durch Bestechung eines Dienstpflichtigen usw. zu erreichen sucht, sowohl für sich wie für einen andern, also auch als Dritter zugunsten eines am Wettbewerb Beteiligten verschaffen kann. Dasselbe trifft beim Tatbestand der lit. g insoweit zu, als die Bestimmung neben der Verwertung auch die Mitteilung des fremden Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses an andere unter Strafe stellt und damit auch den Fall erfasst, in dem eine Drittperson das Geheimnis einem Konkurrenten des Geschädigten zur Kenntnis bringt. Zu diesen Fällen ist auch die Verleitung zum Geheimnisverrat nach lit. f zu zählen, eine Handlung, die ebenso wie die Bestechung nach lit. e zum Vorteil eines andern begangen werden kann. Bei den übrigen Tatbeständen scheiden dagegen Dritte als Täter aus. Lit. h und i, die sich auf unlauteres Geschäftsgebaren auf dem Gebiete der Abzahlungs- und Vorauszahlungsverträge beziehen (AS 1962, 1055), setzen nach ihrem Wortlaut notwendig ein Wettbewerbsverhältnis voraus. Beim Tatbestand der lit. d ist es praktisch ausgeschlossen, dass aussenstehende Dritte Massnahmen treffen, um Verwechslungen zwischen den Geschäftsbetrieben anderer herbeizuführen, noch werden Dritte durch den Wortlaut der Bestimmung miteinbezogen. Lit. b bedroht mit Strafe ausdrücklich nur die eigene Begünstigung des Täters als Mitbewerber, schliesst daher im Unterschied zu
Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG
Dritte als Täter zwingend aus. Die gleiche Auslegung drängt sich beim Tatbestand der lit. c auf, die nur ein Unterfall der lit. b ist. Der Umstand, dass nach lit. b die missbräuchliche Anpreisung von Waren, Leistungen usw. durch Drittpersonen nicht strafbar ist, legt den Schluss nahe, dass auch lit. a die missbräuchliche Herabsetzung von Waren, Leistungen usw. durch Dritte nicht erfassen soll. Es ginge in der Tat zu weit und wäre nicht zu rechtfertigen, z.B. auch Hausfrauen, die bei andern eine Ware über Gebühr herabmachen, wegen unlauteren Wettbewerbs zu bestrafen, und zwar auch dann, wenn sie in der Absicht gehandelt haben
BGE 92 IV 38 S. 43
müssten, dem einen Geschäft zu schaden oder das andere zu fördern, wäre dieses Erfordernis doch schon bei blosser Eventualabsicht erfüllt (
BGE 72 IV 125
).
3.
Parolini wirft Schmid unlauteren Wettbewerb im Sinne des
Art. 13 lit. a UWG
vor. Ein wirtschaftlicher Wettbewerb bestand jedoch zwischen den Parteien nicht. Schmid war als rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer von Liegenschaften, in denen Cafés oder Tea Rooms betrieben wurden, wohl am Geschäftsgang dieser Betriebe interessiert, einmal wegen der Pachtzinsforderungen, dann für die Wiederverpachtung und gegebenenfalls für die Veräusserung der Liegenschaften. Er selber betrieb aber keine dieser Gaststätten und trat somit im Gastwirtschaftsgewerbe nicht als Mitbewerber auf. Das gilt nicht nur in den Fällen Süess, Sonderegger und Koller, die sich vor Auflösung des Pachtverhältnisses ereigneten, sondern auch für den Zeitpunkt, in dem sich Schmid mit Schreiben vom 3. September 1964 gegenüber Wüthrich äusserte. Das bloss indirekte Interesse Schmids an den Geschäftsbetrieben, die in seinen Liegenschaften betrieben wurden, genügt auch dann nicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses, wenn dieses im Sinne der Rechtsprechung (
BGE 90 II 323
) weit umschrieben wird; sonst könnte jeder Gläubiger als Kläger gegen Mitbewerber seines Schuldners auftreten. | null | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81ccb518-6ebf-4ba2-9508-7ed47a654a09 | Urteilskopf
126 II 106
12. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 28 février 2000 dans la cause X. et Département de l'agriculture, de l'industrie et du commerce du canton de Vaud contre Tribunal administratif du canton de Vaud ainsi qu'association UNIA, syndicat du secteur tertiaire, et consorts (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 27 Abs. 2 lit. c ArG
und
Art. 41 Abs. 1 ArGV 2
; sonntägliche Öffnungszeiten von Geschäften.
Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot für Betriebe, die den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs dienen (E. 3).
Definition des Fremdenverkehrs und Bedeutung des Begriffs "den Bedürfnissen des Fremdenverkehrs dienen" (E. 4).
Das "Shopping" stellt für sich allein nicht eine Form des Fremdenverkehrs dar (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 126 II 106 S. 106
X. est le promoteur à Mendrisio d'un centre commercial qui regroupe, sous l'enseigne "Foxtown", une quarantaine de boutiques répondant à la définition de "magasins d'usine". Le centre "Foxtown" de Mendrisio, qui est ouvert sept jours sur sept, réalise 50% de son chiffre d'affaires en fin de semaine, soit 20% le samedi et 30% le dimanche.
BGE 126 II 106 S. 107
La Caisse Cantonale Vaudoise des Retraites Populaires, propriétaire d'une parcelle dans la zone industrielle D de la commune de Villeneuve, a reçu le 18 avril 1997 l'autorisation de transformer et d'agrandir le centre multifonctionnel qu'elle y avait construit afin d'y installer un centre "Foxtown". Le 28 avril 1997, elle a adressé au nom de X. une requête pour un programme d'ouverture particulier du futur centre "Foxtown" de Villeneuve au Département de l'agriculture, de l'industrie et du commerce (actuellement: le Département de l'économie) du canton de Vaud (ci-après: le Département cantonal), ladite requête tendant à faire confirmer que le centre "Foxtown" était une entreprise d'une région touristique qui satisfaisait aux besoins du tourisme et pouvait de ce fait employer du personnel le dimanche, sans autorisation officielle. X. a présenté la même demande directement au Service de l'emploi du canton de Vaud (ci-après: le Service cantonal) le 11 juin 1997. Par décision du 22 juillet 1997, le Service cantonal a rejeté la requête, en considérant que le centre "Foxtown" ne satisfaisait pas aux besoins du tourisme au sens de l'art. 41 al. 1 de l'ordonnance II du 14 janvier 1966 concernant l'exécution de la loi fédérale sur le travail dans l'industrie, l'artisanat et le commerce (ci-après: l'ordonnance ou OLT2; RS 822.112).
Le 7 octobre 1997, le Département cantonal a admis le recours de X. contre la décision du Service cantonal du 22 juillet 1997 et reconnu le caractère d'entreprise satisfaisant aux besoins du tourisme au sens de l'art. 27 al. 2 lettre c de la loi fédérale du 13 mars 1964 sur le travail dans l'industrie, l'artisanat et le commerce (ci-après: la loi sur le travail ou LTr; RS 822.11) au centre "Foxtown" que X. exploiterait à Villeneuve.
L'association UNIA, syndicat du secteur tertiaire, et quatre consorts (ci-après: les Associations) ont recouru contre la décision du Département cantonal du 7 octobre 1997. Par arrêt du 17 février 1999, le Tribunal administratif du canton de Vaud (ci-après: le Tribunal administratif) a admis le recours et annulé la décision querellée.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, X. demande au Tribunal fédéral de réformer l'arrêt du Tribunal administratif du 17 février 1999 en ce sens que le centre "Foxtown" de Villeneuve soit considéré comme satisfaisant aux besoins du tourisme et puisse être ouvert le dimanche. Il se plaint de violation du droit fédéral, en particulier des art. 27 al. 2 lettre c LTr et 41 al. 1 OLT2, ainsi que d'excès et d'abus du pouvoir d'appréciation dans l'application de
BGE 126 II 106 S. 108
ces dispositions. Il invoque aussi la constatation manifestement incomplète des faits pertinents.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
La loi sur le travail consacre le principe de l'interdiction de travailler le dimanche à son
art. 18 al. 1 1
ère phrase (cf., au sujet de la justification de ce principe, l'
ATF 120 Ib 332
consid. 3a p. 333/334). Ce principe souffre cependant différentes exceptions. C'est ainsi que l'
art. 27 al. 1 LTr
dispose qu'"en tant que leur situation particulière le rend nécessaire, certaines catégories d'entreprises ou de travailleurs peuvent être soumises par ordonnance à des dispositions spéciales remplaçant en tout ou partie les articles 9 à 21, 23 à 25, 31, 34 et 36". Quant à l'art. 27 al. 2 lettre c LTr, il prévoit que de telles dispositions peuvent être édictées notamment pour les entreprises qui satisfont aux besoins du tourisme ou de la population agricole.
C'est sur la base de l'
art. 27 LTr
que le Conseil fédéral a édicté l'ordonnance, dont les art. 41 à 44 sont consacrés aux entreprises des régions touristiques et des localités frontières. L'art. 41 OLT2 a la teneur suivante:
"1 Les entreprises des régions touristiques et des localités frontières qui satisfont aux besoins du tourisme, ainsi que leur personnel, sont soustraits à l'application des prescriptions suivantes de la loi:
a. Les magasins, à l'article 10, 2e alinéa, et à l'article 19, 1er et 2e alinéas;
b. Les ateliers qui font et réparent des skis, les ateliers de réparation d'articles de sport ainsi que les laboratoires photographiques, à l'article 17, 1er alinéa.
2 Sont réputées régions touristiques celles que mentionne la législation fédérale sur l'encouragement du crédit à l'hôtellerie et aux stations de villégiature.
3 Les articles 42 à 44 de la présente ordonnance s'appliquent en lieu et place des prescriptions de la loi mentionnées au 1er alinéa."
Par ailleurs, l'art. 44 OLT2, qui traite du travail du dimanche, dispose que, dans les magasins, l'employeur peut, sans autorisation officielle, ordonner de travailler le dimanche en tant que les prescriptions sur la fermeture des magasins permettent d'exploiter ces entreprises.
Le présent litige se résume à savoir ce qu'il faut entendre par entreprises "qui satisfont aux besoins du tourisme" et si le centre "Foxtown" de Villeneuve correspond à cette définition, les deux
BGE 126 II 106 S. 109
autres conditions soit le caractère touristique de la région et le respect des prescriptions sur la fermeture des magasins étant incontestablement remplies.
4.
La législation applicable en l'espèce ne donne pas de définition du "tourisme" ou du "touriste".
Le dictionnaire Robert définit le tourisme d'abord comme le fait de voyager, de parcourir pour son plaisir (pour se distraire, se cultiver, etc.) un lieu autre que celui où l'on vit habituellement (même s'il s'agit d'un petit déplacement ou si le but principal du voyage est autre). Il le définit ensuite comme l'ensemble des activités liées aux déplacements des touristes et, par extension, aux séjours des étrangers. En l'espèce, la première des définitions précitées paraît déterminante, car elle permet de cerner la notion de "satisfaction des besoins du tourisme". Elle comprend les besoins qui sont inhérents à la nature humaine et que les touristes doivent satisfaire où qu'ils se trouvent, comme les habitants du lieu d'ailleurs, (tels que le besoin de nourriture et de boisson) ainsi que les besoins qui sont propres aux touristes, c'est-à-dire ceux dont la satisfaction leur permet de voyager pour leur plaisir, dans un but de divertissement, de culture, etc. A ce dernier titre, on peut citer comme exemple le besoin d'un guide de voyage ou d'un produit du terroir pouvant faire partie des souvenirs de vacances.
5.
a) Durant la procédure, l'intéressé a précisé que les produits destinés à être vendus au centre "Foxtown" de Villeneuve sont des vêtements (pour femmes et hommes), des chaussures, de la lingerie, des bijoux, des parfums, des articles pour la maison et pour la table, ainsi que des articles cadeaux. Il soutient qu'en offrant à prix réduit une gamme importante de produits de marques renommées, le centre "Foxtown" induit chez son visiteur une démarche de loisir qui répond à un besoin de plus-value personnelle: atteindre des biens inaccessibles. Il considère d'ailleurs que le centre "Foxtown" crée un nouveau tourisme davantage qu'il ne satisfait les besoins d'un tourisme préexistant, le "shopping" ou tourisme d'achat, dont il conviendrait de satisfaire les besoins, ce qui ne serait possible qu'en recourant à la dérogation au principe de l'interdiction du travail dominical.
Il ressort ainsi des propres termes du recourant qu'il fait une démarche inverse de celle du législateur. Ce dernier, qui a édicté des normes pour protéger les travailleurs, est, en effet, parti de l'idée qu'il existe certains besoins spécifiques des touristes qu'il convient de satisfaire même au prix d'une dérogation au principe de l'interdiction du travail dominical. Selon la jurisprudence, une telle dérogation
BGE 126 II 106 S. 110
doit d'ailleurs s'interpréter restrictivement sous peine de vider le principe général de son contenu (cf. SJ 1999 I p. 54 consid. 3c/bb). Or, les activités du centre "Foxtown" nécessiteraient une interprétation extensive de la notion du tourisme et de ses besoins pour justifier une dérogation au principe de l'interdiction du travail dominical et empiéter par conséquent sur la protection des travailleurs.
b) Par ailleurs, on ne voit pas en quoi les produits en vente au centre "Foxtown" de Villeneuve satisferaient des besoins propres aux touristes. L'intéressé n'établit du reste pas que ces articles seraient des produits du terroir ou de l'artisanat local qui, eux, répondraient à ce critère. Il s'agit en fait de produits d'usage courant dont le rapport qualité/prix serait avantageux. De tels articles se trouvent fréquemment sur le marché, lorsqu'un vendeur baisse ses prix pour quelque raison que ce soit. Quant au fait de se déplacer pour voir si l'on peut profiter d'une occasion, même si l'on n'a pas absolument besoin des produits offerts à prix réduit, il ne saurait répondre à la définition du "tourisme" rappelée ci-dessus, car il l'étendrait au point de vider le principe de l'interdiction du travail dominical de sa substance dans toutes les régions reconnues comme touristiques, qui sont déjà nombreuses dans le seul canton de Vaud où se pose le problème à résoudre en l'espèce.
Il est vrai que le recourant critique cette définition, qu'il trouve dépassée en raison de l'évolution des moeurs. Il produit d'ailleurs à l'appui de sa thèse - selon laquelle le "shopping" constitue en soi un genre de tourisme - un catalogue d'hiver d'un "voyagiste" suisse proposant à ses clients de faire du "shopping" en Amérique du Nord (Etats-Unis et Canada). Toutefois, le vocabulaire du marketing touristique convivial et la définition des prestations offertes sur le marché ne sauraient déterminer des critères valables pour la protection des travailleurs. Dès lors, ils ne peuvent pas avoir d'influence sur l'interprétation qu'on fait en Suisse de la législation suisse.
c) Le Tribunal administratif a donc appliqué correctement les art. 27 al. 2 lettre c LTr et 41 al. 1 OLT2. En particulier, il n'a pas commis d'excès ou d'abus de son pouvoir d'appréciation.
Au demeurant, le recourant ne peut pas tirer valablement argument du fait que le centre "Foxtown" de Mendrisio a été autorisé à ouvrir ses boutiques le dimanche. Pour autant qu'une telle autorisation soit due à une mauvaise application de la loi sur le travail, l'intéressé ne saurait s'en prévaloir, car il n'y a pas de droit à l'égalité dans l'illégalité (
ATF 124 IV 44
consid. 2c p. 47). | public_law | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
81da5f20-69fd-46e2-8c43-781bd36bdd54 | Urteilskopf
122 IV 318
49. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Oktober 1996 i.S. S. gegen D. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Ehrverletzung durch die Presse, Wahrheitsbeweis (
Art. 173 Ziff. 2 StGB
).
Die in der Presse geäusserte Behauptung, jemand habe eine bestimmte strafbare Handlung begangen, kann unter Umständen als wahr bewiesen werden durch ein im Zeitpunkt der Äusserung gefälltes Strafurteil, das infolge Anfechtung mit einem zwar unvollkommenen, aber ordentlichen Rechtsmittel nicht rechtskräftig ist (E. 4a). | Sachverhalt
ab Seite 319
BGE 122 IV 318 S. 319
A.-
In der Zeitung "Blick" vom 11. November 1993 erschien unter der Überschrift
"Schon wieder! Verbrechen im Hafturlaub"
ein von D. verfasster Artikel, in dem es unter anderem heisst:
"Der Bankraub-Komplize des -Ausbrecherkönigs- S....."
und:
"Eduard R. (33) hatte im November 1992 wegen mehrerer Banküberfälle, die er mit S.... begangen hatte, neun Jahre Zuchthaus kassiert."
S. reichte gegen D. Strafantrag und Anklage wegen übler Nachrede ein.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach D. am 7. Mai 1996 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 7. Dezember 1995 frei und wies die Begehren von S. betreffend Urteilspublikation und Genugtuung ab. Die inkriminierten Äusserungen im Zeitungsartikel vom 11. November 1993 seien durch das rechtskräftige Urteil der jurassischen Kriminalkammer vom 23. Februar 1995 in Sachen S. als wahr bewiesen.
C.-
S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Zürcher Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Der Freispruch des Beschwerdegegners vom Vorwurf der üblen Nachrede wegen Gelingens des Wahrheitsbeweises verstösst nicht gegen Bundesrecht. Erstens genügt schon das Urteil der Kriminalkammer des Kantons Jura vom 30. November 1992 zum Wahrheitsbeweis. Zweitens kann im hier zu beurteilenden Fall der Wahrheitsbeweis auch durch das erst nach der inkriminierten Äusserung vom 11. November 1993 gefällte und in Rechtskraft erwachsene Urteil der jurassischen Kriminalkammer vom 23. Februar 1995 erbracht werden.
BGE 122 IV 318 S. 320
a/aa) Der Beschwerdeführer wurde durch Entscheid der jurassischen Kriminalkammer vom 30. November 1992 u.a. wegen bandenmässigen Raubes sowie ferner wegen Hinderung einer Amtshandlung zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Gegen diesen Entscheid erhob er kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an den ausserordentlichen Kassationshof des Kantonsgerichts Jura und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht. Mit der letzteren focht er den Schuldspruch wegen Hinderung einer Amtshandlung sowie die Strafzumessung insgesamt an. Mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde an den ausserordentlichen Kassationshof des Kantonsgerichts Jura machte er verschiedene Verfahrensmängel geltend. Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde am 21. Februar 1994 abgewiesen. Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher er zugleich auch das Urteil der Kriminalkammer vom 30. November 1992 u.a. wegen willkürlicher Beweiswürdigung (auch in bezug auf den Schuldspruch wegen bandenmässigen Raubes) anfocht, welche Rüge mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde nicht erhoben werden konnte. Der Kassationshof des Bundesgerichts wies die staatsrechtliche Beschwerde am 10. Mai 1994 ab, soweit er darauf eintrat. Mit Entscheid vom gleichen Tag hob er das Urteil der jurassischen Kriminalkammer vom 30. November 1992 in Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde auf. Nach Auffassung des Bundesgerichts hatte der Beschwerdeführer den Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung nicht erfüllt und reichten die knappen Strafzumessungserwägungen im angefochtenen Urteil zur Begründung der hohen Zuchthausstrafe von 12 Jahren nicht aus.
Das Urteil der jurassischen Kriminalkammer vom 30. November 1992 bestand also im Zeitpunkt der inkriminierten Äusserung vom 11. November 1993 noch. Allerdings waren in diesem Zeitpunkt eine kantonale und eine eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hängig und blieb noch die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer dagegen nach Ausfällung eines die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde abweisenden Urteils staatsrechtliche Beschwerde u.a. wegen willkürlicher Beweiswürdigung erhob, was denn auch nach der inkriminierten Äusserung geschah.
bb) Der Eintritt der Rechtskraft wird durch die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde (und auch durch die staatsrechtliche Beschwerde) nicht gehemmt. Die Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne der Strafprozessordnung des Kantons Jura aber war nach dem alten und ist nach dem am 1. Januar 1993 in Kraft getretenen neuen Recht,
BGE 122 IV 318 S. 321
gleich der Nichtigkeitsklage nach dem bernischen Strafverfahrensrecht, der sie nachgebildet ist, ein ordentliches Rechtsmittel, das sich also gegen nicht rechtskräftige Urteile richtet und welchem von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt. Sie ist allerdings ein unvollkommenes Rechtsmittel, mit dem - insbesondere soweit sie sich gegen Urteile der Kriminalkammer richtet - nur ganz bestimmte Rügen vor allem betreffend das Verfahren (siehe Art. 304 aStPO/JU,
Art. 347 StPO
/JU) erhoben werden können, und sie ist in der Regel kassatorischer Natur (vgl. zum Ganzen GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, tome II, 1984 nos 884 ss, 964 ss; derselbe, Précis de procédure pénale suisse, 1987, nos 2001, 2017 ss; zum bernischen Strafverfahrensrecht PETER STAUB, Kommentar zum Strafverfahren des Kantons Bern, 1992, S. 702; JÜRG AESCHLIMANN, Das bernische Strafverfahren, Bd. 3, 1988, S. 94).
Das Urteil der Kriminalkammer des Kantons Jura vom 30. November 1992 war somit im Zeitpunkt der inkriminierten Äusserung gemäss den zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Entscheid, auf den die Vorinstanz verweist, nicht rechtskräftig. Dennoch reicht es als Beweis für die Wahrheit aus, weil die zur Zeit der inkriminierten Äusserung noch hängige kantonale Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 304 aStPO/JU bzw.
Art. 347 StPO
/JU nur ein sehr unvollkommenes Rechtsmittel ist, mit dem bloss Rügen erhoben werden können, für die nach anderen Prozessordnungen ein den Eintritt der Rechtskraft nicht hemmendes ausserordentliches Rechtsmittel zur Verfügung steht.
b) Gegenstand des inkriminierten Zeitungsartikels ist sodann nicht ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Raubes, sondern etwas ganz anderes, nämlich ein Verbrechen, das ein gewisser Eduard R. im Hafturlaub begangen haben soll. Nach dem Eindruck, den der Leser aus der gross- und fettgedruckten Überschrift - "Schon wieder! Verbrechen im Hafturlaub" - gewinnt, wollte der Beschwerdegegner offenbar zum Ausdruck bringen, dass zu grosszügig und leichtfertig Hafturlaub gewährt werde. Wohl um das Interesse des Lesers an der Lektüre des Artikels zu erhöhen, wurde Eduard R. im kleingedruckten Text als "Bankraub-Komplize des -Ausbrecherkönigs- S...." vorgestellt und erwähnt, dass Eduard R. "im November 1992 wegen mehrerer Banküberfälle, die er mit S.... begangen hatte, neun Jahre Zuchthaus kassiert (hatte)". Die damit geäusserte Behauptung, dass der Beschwerdeführer mehrere Banküberfälle begangen habe, kann in einer solchen Konstellation auch
BGE 122 IV 318 S. 322
durch erst nach der Äusserung eingetretene Umstände, nämlich durch das rechtskräftige Urteil der jurassischen Kriminalkammer vom 23. Februar 1995, als wahr bewiesen werden.
Ob der Beschwerdegegner von den kantonalen Instanzen mit Recht zum Entlastungsbeweis zugelassen worden sei, ist nicht zu prüfen, da dies in der Beschwerde nicht bestritten wird. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81e4862f-b59e-41f3-a892-a47560408d95 | Urteilskopf
97 IV 238
44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Dezember 1971 i.S. Christen gegen Meier. | Regeste
Art. 29 StGB
. Berechnung der Antragsfrist.
Der Tag, an dem die Antragsfrist zu laufen beginnt, ist nicht mitzuzählen (Anderung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 238
BGE 97 IV 238 S. 238
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 29 StGB
beginnt die Frist von drei Monaten, innert der Strafantrag gestellt werden kann, mit dem Tag, an welchem dem Antragsberechtigten der Täter bekannt wird. In
BGE 77 IV 208
erklärte der Kassationshof bei der Auslegung der ähnlich lautenden Fristbestimmung des
Art. 71 StGB
, diese könne nach dem Wortlaut nur den Sinn haben, dass der Tag, an dem die Frist beginnt, mitzuzählen sei, ansonst
BGE 97 IV 238 S. 239
das Gesetz die Frist "mit dem folgenden Tag" hätte beginnen lassen. Eine Bestätigung dieser Auffassung wurde darin gesehen, dass das Strafgesetzbuch im Unterschied zu andern Bundesgesetzen keine Bestimmung über die Berechnung der Fristen enthält, die etwas anderes vorschreibt. Im gleichen Entscheid wurde abschliessend (S. 209) vermerkt, dass dieselben Überlegungen in Zukunft auch für die Berechnung der Antragsfrist des
Art. 29 StGB
Geltung hätten. Dies wurde seither auch befolgt (vgl.
BGE 80 IV 213
,
BGE 83 IV 186
).
An dieser Rechtsprechung ist nicht festzuhalten. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgesetzgeber bei der Schaffung des StGB auf den Erlass einer Bestimmung über die Berechnung der Fristen verzichtet hätte, um eine von den Normen des übrigen Bundesrechts abweichende Ordnung aufzustellen und zum Ausdruck zu bringen, dass im materiellen Strafrecht das Gegenteil von dem gelten soll, was bereits auf den Gebieten des SchKG (Art. 31 Abs. 1), OR (Art. 77 und 132) und ZGB (Art. 7,
BGE 42 II 333
) sowie in der Bundesrechtspflege (
Art. 32 Abs. 1 OG
) gilt, nämlich dass bei den Verjährungs-, Verwirkungs- und prozessualen Fristen der Tag, an dem die Frist beginnt, nicht mitzuzählen ist. Auf eine solche Absicht kann auch nicht aus dem Wortlaut der
Art. 29 und 71 StGB
geschlossen werden. Abgesehen davon, dass sich aus der Festsetzung des Tages, an dem eine Frist zu laufen beginnt, noch nicht schlüssig ergibt, wie der Lauf der Frist zu berechnen ist, bildet die im StGB gebrauchte Formulierung, dass die Frist mit dem Tag beginne, an dem das massgebende Ereignis eintritt, keineswegs eine Besonderheit des Strafgesetzes. Die gleiche Wendung findet sich z.B. auch in
Art. 130 Abs. 2 OR
, wo bestimmt wird, dass die Verjährung einer auf Kündigung gestellten Forderung mit dem Tag beginnt, auf den die Kündigung zulässig ist; trotzdem ist der Tag des Fristbeginns nach
Art. 132 Abs. 1 OR
nicht mitzuzählen. Wirft das Fehlen einer eigenen Vorschrift im StGB einzig die Frage auf, nach welcher Regel die strafrechtlichen Fristen zu berechnen sind, so liegt es nahe, im Interesse einer einheitlichen Fristberechnung die in den entsprechenden Bestimmungen des übrigen Bundesrechts vorgesehene Berechnungsart anzuwenden, die zudem auch von den meisten kantonalen Prozessgesetzen übernommen wurde. Diese Lösung drängt sich umso mehr auf, als der Kassationshof auch in Fragen der Einhaltung der Antragsfrist (Postaufgabe am letzten
BGE 97 IV 238 S. 240
Tag der Frist, Ablauf der Frist an Sonn- und Feiertagen) entschieden hat, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und des praktischen Bedürfnisses auf die übereinstimmende Regelung im OG, OR und SchKG abzustellen sei (
BGE 81 IV 322
,
BGE 83 IV 186
). Im Falle der Antragsfrist kommt hinzu, dass es sich um eine Verwirkungsfrist handelt, die der Wahrung eines Rechts dient. Es wäre daher, wie bereits in
BGE 73 IV 8
ausgeführt wurde, auch unbillig, den allgemein anerkannten Grundsatz, dass Fristen erst von dem auf deren Beginn folgenden Tag an zu rechnen sind, gegenüber dem Antragsberechtigten ausnahmsweise nicht gelten zu lassen und ihm damit die zur Stellung des Strafantrages eingeräumte Frist nicht voll zur Verfügung zu stellen. Wird sie aber nach der in der schweizerischen Rechtsordnung üblichen Art berechnet, so kann auch nicht von einem Entgegenkommen gegenüber dem Antragsberechtigten und ebensowenig von einer entsprechenden Benachteiligung des Beschuldigten die Rede sein, wie in
BGE 77 IV 209
angenommen wurde.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin von den ehrverletzenden Äusserungen, die der Beschwerdeführer gegenüber Paul Bai getan hat, nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz frühestens im Verlaufe des 6. Oktobers 1967 Kenntnis erhalten. Da dieser Tag nicht mitzuzählen ist, lief die Frist von drei Monaten bis zum 6. Januar 1968. Sie wurde daher durch die an diesem Tag eingereichte Strafklage gewahrt, selbst wenn ausser acht gelassen wird, dass der 6. Januar 1968 ein Samstag war und die Antragsfrist demzufolge bis zum folgenden Montag weiterlief (Bundesgesetz vom 21. Juni 1963 über den Fristenlauf an Samstagen). | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81e6817a-4c0e-4827-aae3-17fee9d28ed4 | Urteilskopf
137 IV 180
26. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause A. contre Ministère public du canton de Genève (recours en matière pénale)
1B_222/2011 du 1er juin 2011 | Regeste
Dauer der Sicherheitshaft;
Art. 229 Abs. 3 StPO
.
Auslegung von
Art. 229 Abs. 3 StPO
nach seinem Wortlaut; dieser verweist auf die analoge Anwendung der
Art. 225-227 StPO
. Mit oder ohne vorbestehende Untersuchungshaft darf die Sicherheitshaft für längstens 3 Monate (in Ausnahmefällen für 6 Monate) bewilligt bzw. verlängert werden (E. 3.5). | Sachverhalt
ab Seite 181
BGE 137 IV 180 S. 181
A.
A. se trouve en détention provisoire depuis le 18 octobre 2010, sous l'inculpation d'infractions à l'art. 19 ch. 1 et 2 de la loi fédérale du 3 octobre 1951 sur les stupéfiants et les substances psychotropes (loi sur les stupéfiants, LStup; RS 812.121). Il lui est reproché en substance d'avoir importé de France une quantité nette de 3,172 kg de cocaïne, agissant de concert avec son frère.
La détention provisoire du prénommé a été régulièrement prolongée par la Chambre d'accusation de la Cour de justice du canton de Genève, puis par le Tribunal des mesures de contrainte, en raison notamment des risques de fuite et de réitération.
Le 8 mars 2011, le Ministère public du canton de Genève (ci-après: le Ministère public) a saisi le Tribunal correctionnel du canton de Genève d'un acte d'accusation, afin que le prénommé et son frère soient jugés du chef de violation grave à la LStup. Par ordonnance du 15 mars 2011, le Tribunal des mesures de contrainte a ordonné la mise en détention pour des motifs de sûreté des précités, sans en indiquer la durée. Il a estimé que, contrairement à la détention provisoire, la détention pour des motifs de sûreté n'était pas soumise à un contrôle périodique, précisant à cet égard que le prévenu pouvait en tout temps demander sa mise en liberté. Par arrêt du 5 avril 2011, la Chambre pénale de recours de la Cour de justice du canton de Genève (ci-après: la Chambre pénale de recours) a rejeté le recours formé par A. contre cette ordonnance. Elle a considéré en substance que la détention pour des motifs de sûreté pouvait être prononcée sans limitation de durée.
B.
Agissant par la voie du recours en matière pénale, A. demande principalement au Tribunal fédéral d'annuler cet arrêt et d'ordonner sa mise en détention pour des motifs de sûreté pour une durée déterminée d'un mois au plus. Il conclut subsidiairement au renvoi de la cause à l'instance précédente pour nouvelle décision au sens des considérants. Il requiert en outre l'assistance judiciaire. (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours, annulé l'arrêt attaqué et renvoyé la cause à la Chambre pénale de recours, en particulier afin qu'elle fixe en l'espèce une durée maximale de détention pour des motifs de sûreté.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Le recourant ne remet pas en cause le bien-fondé de sa détention pour des motifs de sûreté et ne requiert pas sa mise en liberté. Il
BGE 137 IV 180 S. 182
demande uniquement que sa détention pour des motifs de sûreté soit ordonnée pour une durée déterminée d'un mois au plus. Il se prévaut à cet égard d'une violation de l'
art. 31 al. 1 Cst.
par la mauvaise application de l'
art. 229 al. 3 let. b CPP
(RS 312.0) en relation avec l'
art. 227 al. 7 CPP
. Il prétend que cette dernière disposition est applicable à la procédure de détention pour des motifs de sûreté lorsqu'il y a eu une détention provisoire préalable (en vertu du renvoi prévu à l'
art. 229 al. 3 let. b CPP
).
3.1
Une mesure de détention provisoire ou pour des motifs de sûreté n'est compatible avec la liberté personnelle (
art. 10 al. 2 Cst.
et
art. 5 CEDH
) que si elle repose sur une base légale (
art. 31 al. 1 et
art. 36 al. 1 Cst.
). Elle doit en outre correspondre à un intérêt public et respecter le principe de la proportionnalité (
art. 36 al. 2 et 3 Cst.
;
ATF 123 I 268
consid. 2c p. 270).
3.2
La détention pour des motifs de sûreté commence lorsque l'acte d'accusation est notifié au tribunal de première instance et s'achève lorsque le jugement devient exécutoire, que le prévenu commence à purger sa sanction privative de liberté ou qu'il soit libéré (
art. 220 al. 2 CPP
). Avec le dépôt de l'acte d'accusation, la maîtrise de la procédure passe du ministère public au tribunal de première instance, plus précisément à la direction de la procédure de ce dernier (
art. 61 et 328 CPP
; Message du 21 décembre 2005 relatif à l'unification du droit de la procédure pénale [FF 2006 1215 s. ch. 2.5.3.6; ci-après: le Message]) et la détention provisoire prend légalement fin (
art. 220 al. 1 CPP
). La distinction entre la détention provisoire et la détention pour des motifs de sûreté permet de discerner le stade de la procédure auquel la détention est ordonnée ou exécutée.
La détention provisoire peut initialement être ordonnée pour une durée non limitée (
art. 226 al. 4 let. a CPP
). Dans ce cas cependant, la demande de prolongation doit être présentée par le ministère public dans les trois mois suivant le début de la détention (
art. 227 al. 1 CPP
). Par la suite, la détention provisoire peut être prolongée à chaque fois de trois mois au plus, exceptionnellement de six mois au plus (
art. 227 al. 7 CPP
). La procédure relative à la détention pour des motifs de sûreté est régie par l'
art. 229 CPP
, dont l'interprétation de l'alinéa 3 fait l'objet du présent litige.
3.3
L'
art. 229 al. 3 CPP
qui traite de la décision ordonnant la détention pour des motifs de sûreté prévoit que:
sont applicables par analogie à la procédure devant le tribunal des mesures de contrainte:
BGE 137 IV 180 S. 183
a. les art. 225 et 226, lorsqu'il n'y a pas eu de détention provisoire préalable;
b. l'art. 227, lorsqu'il y a eu détention provisoire préalable.
L'
art. 225 CPP
régit la procédure de détention devant le tribunal des mesures de contrainte. Il a la teneur suivante:
1
Immédiatement après la réception de la demande du ministère public, le tribunal des mesures de contrainte convoque le ministère public, le prévenu et son défenseur à une audience à huis clos; il peut astreindre le ministère public à y participer.
2
Le tribunal des mesures de contrainte accorde sur demande et avant l'audience au prévenu et à son défenseur le droit de consulter le dossier en sa possession.
3
Celui qui, pour des motifs valables, ne se présente pas à l'audience peut déposer des conclusions écrites ou renvoyer à des écrits précédents.
4
Le tribunal des mesures de contrainte recueille les preuves immédiatement disponibles susceptibles de confirmer ou d'écarter les soupçons et les motifs de détention.
5
Si le prévenu renonce expressément à une audience orale, le tribunal des mesures de contrainte statue par écrit sur la base de la demande du ministère public et des indications du prévenu.
L'art. 226 dispose que:
1
Le tribunal des mesures de contrainte statue immédiatement, mais au plus tard dans les 48 heures suivant la réception de la demande.
2
Il communique immédiatement et verbalement sa décision au ministère public, au prévenu et à son défenseur, ou par écrit si ceux-ci sont absents. La décision leur est en outre notifiée par écrit et brièvement motivée.
3
S'il ordonne la détention provisoire, le tribunal des mesures de contrainte attire l'attention du prévenu sur le fait qu'il peut en tout temps présenter une demande de mise en liberté
4
Dans sa décision, il peut:
a. fixer la durée maximale de la détention provisoire;
b. astreindre le ministère public à procéder à certains actes de procédure;
c. ordonner une mesure de substitution en lieu et place de la détention provisoire.
5
Si le tribunal des mesures de contrainte n'ordonne pas la détention provisoire, le prévenu est immédiatement mis en liberté.
Quant à l'
art. 227 CPP
, il porte sur la prolongation de la détention provisoire et prévoit que:
1
A l'expiration de la durée de la détention provisoire fixée par le tribunal des mesures de contrainte, le ministère public peut demander la
BGE 137 IV 180 S. 184
prolongation de la détention. Si la durée de la détention n'est pas limitée, la demande doit être présentée dans les trois mois suivant le début de la détention.
2
Le ministère public transmet au tribunal des mesures de contrainte la demande de prolongation écrite et motivée, au plus tard quatre jours avant la fin de la période de détention, et y joint les pièces essentielles du dossier.
3
Le tribunal des mesures de contrainte accorde au détenu et à son défenseur le droit de consulter le dossier en sa possession et leur impartit un délai de trois jours pour s'exprimer par écrit sur la demande de prolongation.
4
Il peut ordonner une prolongation de la détention provisoire jusqu'à ce qu'il ait statué.
5
Le tribunal des mesures de contrainte statue au plus tard dans les cinq jours qui suivent la réception de la réplique ou l'expiration du délai fixé à l'al. 3. Il peut astreindre le ministère public à procéder à certains actes de procédure ou ordonner une mesure de substitution.
6
En règle générale, la procédure se déroule par écrit; toutefois, le tribunal des mesures de contrainte peut ordonner une audience; celle-ci se déroule à huis clos.
7
La détention provisoire peut être prolongée plusieurs fois, chaque fois de trois mois au plus et, dans des cas exceptionnels, de six mois au plus.
3.4
La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique;
ATF 136 III 283
consid. 2.3.1 p. 284;
ATF 135 II 416
consid. 2.2 p. 418;
ATF 134 I 184
consid. 5.1 p. 193 et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral ne privilégie aucune méthode d'interprétation, mais s'inspire d'un pluralisme pragmatique pour rechercher le sens véritable de la norme; il ne se fonde sur la compréhension littérale du texte que s'il en découle sans ambiguïté une solution matériellement juste (
ATF 135 II 243
consid. 4.1 p.;
ATF 133 III 175
consid. 3.3.1 p. 178;
ATF 133 V 57
consid. 6.1 p. 61).
3.5
Il résulte d'une interprétation littérale de l'
art. 229 al. 3 let. b CPP
(en lien avec l'
art. 227 al. 7 CPP
) que le tribunal des mesures de contrainte peut ordonner une détention pour des motifs de sûreté
BGE 137 IV 180 S. 185
de trois mois au plus (voire de six mois au plus dans des cas exceptionnels), lorsqu'il y a eu détention provisoire préalable. Lorsqu'il n'y a pas eu de détention provisoire préalable, l'
art. 229 al. 3 let. a CPP
renvoie à la procédure prévue par les
art. 225 et 226 CPP
. La durée maximale à laquelle le tribunal des mesures de contrainte peut fixer la détention provisoire au sens de l'
art. 226 al. 4 let. a CPP
résulte de l'
art. 227 al. 1 CPP
et est également de trois mois (Message p. 1213; MARKUS HUG, in Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [éd.], 2010, n° 10 ad
art. 226 CPP
; NIKLAUS SCHMID, Praxiskommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2009, n° 7 ad
art. 226 CPP
; DANIEL LOGOS, in Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, n° 17 ad
art. 226 CPP
). Ainsi, qu'il y ait eu ou non détention provisoire préalable, la détention pour des motifs de sûreté doit être fixée pour une durée maximale de trois mois (ou exceptionnellement de six mois), à chaque fois renouvelable.
L'argumentation de l'instance précédente qui considère qu'il y a une différence de traitement en matière de détention pour des motifs de sûreté, selon qu'il y a eu ou non détention provisoire préalable, méconnaît le fait que l'
art. 226 al. 4 let. a CPP
est à lire en parallèle avec l'
art. 227 al. 1 CPP
. La Chambre pénale de recours ne peut donc en déduire que le tribunal des mesures de contrainte serait obligé de "contrôler périodiquement, soit chaque trois ou six mois, la détention pour des motifs de sûreté du prévenu qui a déjà subi un tel contrôle dans le cadre de sa détention provisoire préalable et [ne pas contrôler] périodiquement la détention à titre de sûreté du prévenu qui n'a pas été détenu préalablement à titre provisoire".
Certains auteurs estiment que malgré le renvoi de l'
art. 229 al. 3 CPP
aux art. 225 à 227 CPP, la détention pour des motifs de sûreté est prononcée pour une durée qui n'est pas limitée (GOLDSCHMID/MAURER/SOLLBERGER, Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2008, p. 219; SCHMID, op. cit., n° 3 ad
art. 229 CPP
; LOGOS, op. cit., 2011, n° 17 ad
art. 229 CPP
). La raison en est que la détention pour des motifs de sûreté n'est appelée à durer, sous réserve d'une mise en liberté (
art. 230 ou 233 CPP
), que jusqu'aux débats, voire jusqu'au moment de l'exécution du jugement (
art. 440 CPP
).
S'il est vrai qu'a priori les débats devraient avoir lieu à brève échéance, une fois l'acte d'accusation déposé, tel n'est cependant pas toujours le cas dans la pratique. Ce seul argument n'est dès lors pas
BGE 137 IV 180 S. 186
suffisant pour s'écarter de l'interprétation littérale claire de l'
art. 229 al. 3 CP
et de l'application analogique qu'il impose (dans ce sens: MARC FORSTER, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, n° 6 ad
art. 229 CPP
). Ce d'autant moins que le Message ne paraît pas suggérer une autre interprétation. Le législateur ne semble pas avoir voulu traiter différemment sur ce point la détention pour des motifs de sûreté de la détention provisoire. Si la distinction entre ces deux détentions permet de discerner le stade de la procédure auquel la détention est ordonnée ou exécutée, la nature de la détention demeure la même. Dès lors, un contrôle périodique de l'adéquation aux principes de célérité et de proportionnalité de la détention pour des motifs de sûreté, tout comme de la détention provisoire, doit pouvoir être opéré par le tribunal des mesures de contrainte et ce, même si l'inculpé a en principe la possibilité de solliciter en tout temps sa mise en liberté. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81e71888-afc2-41b1-9441-8f8a1362b747 | Urteilskopf
125 III 35
6. Estratto della sentenza 3 settembre 1998 della II Corte civile nella causa B. contro A. (ricorso per riforma) | Regeste
Art. 90 Abs. 2 IPRG
; auf einen Nachlass anwendbares Recht, Form der professio iuris durch letztwillige Verfügung.
Der Testator kann den Nachlass selbst stillschweigend einem seiner Heimatrechte unterstellen, wenn der Wortlaut der Testamentsurkunde genügend Indizien dafür enthält, dass dies sein Wille war. Kommt dieser im Wortlaut der letztwilligen Verfügung unzweideutig, aber unvollständig zum Ausdruck, muss die Testamentsurkunde ausgelegt werden, um die darin enthaltenen Angaben zu klären, unter Beizug auch ausserhalb derselben liegender Elemente, Beweismittel und Umstände. | Sachverhalt
ab Seite 36
BGE 125 III 35 S. 36
A.-
E., cittadina germanica già domiciliata in Ticino, è deceduta in Germania l'otto agosto 1994. Con testamento pubblico del 1o agosto precedente il decesso, la de cuius ha revocato ogni disposizione anteriore, ha istituito sua erede unica A. e ha confermato di essere stata edotta dei diritti sulla legittima della figlia; ha infine precisato che la successione manifestava un valore netto di 4,5 milioni di franchi svizzeri. Con petizione 19 settembre 1994 B., domiciliata in Germania e figlia unica di primo letto della defunta, ha promosso azione di riduzione nei confronti dell'erede istituita A., pure domiciliata in Germania. L'attrice ha rivendicato il diritto alla legittima nella misura prevista dal diritto svizzero, pari ai 3/4 della successione, mentre la convenuta ha riconosciuto tale diritto nella misura di un credito pari al 50% della successione, come previsto dall'ordinamento germanico. Con decisione 11 luglio 1996 il Pretore ha ritenuto che alla successione è applicabile il diritto germanico, che unica erede di E. è A. e che alla figlia spetta la metà del valore della sostanza relitta. Con sentenza 8 aprile 1998, la I Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino ha invece deciso che con il testamento la de cuius non ha espresso una valida professio iuris e che di conseguenza alla successione è applicabile il diritto svizzero e che alla figlia spettano i 3/4 della successione a titolo di porzione legittima.
B.-
Avverso il giudizio cantonale, A. ha presentato, oltre a un ricorso di diritto pubblico, un ricorso per riforma. Con quest'ultimo rimedio essa chiede al Tribunale federale di riformare la sentenza impugnata nel senso che, in applicazione del diritto germanico, alla figlia spetti la metà dell'attivo netto della successione relitta da E. Secondo la convenuta, basta che il testamento preveda, anche implicitamente, la volontà di sottoporre la successione al diritto del paese d'origine. In concreto, il testamento è stato redatto in Germania da un notaio germanico con un contenuto conforme al diritto germanico (diverso da quello svizzero) e dopo che la testatrice era stata edotta del diritto alla legittima della figlia. Da tutti questi elementi interni all'atto emerge in modo sufficientemente chiaro che la testatrice voleva sottoporre la sua successione al diritto germanico. Altri elementi estrinseci (deposizione del notaio germanico, rapporto di avversione nei confronti della figlia confermato da più testi) permettono poi di concludere per una completa conferma di questa volontà. All'accoglimento del rimedio si oppone B.
Il Tribunale federale ha accolto il ricorso.
BGE 125 III 35 S. 37
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
La testatrice, cittadina germanica, aveva il suo ultimo domicilio in Svizzera. La sua successione è quindi per principio disciplinata, in applicazione dell' art. 90 cpv. 1 della legge federale sul diritto internazionale privato (LDIP; RS 291), dal diritto svizzero. Il capoverso due di questa norma prevede però la possibilità per lo straniero, di sottoporre la successione "per testamento o per contratto successorio" ad uno dei suoi diritti nazionali.
a) Una tale disposizione, meglio nota come "professio iuris", era conosciuta dal diritto civile svizzero nell'ambito della legittima di fratelli e sorelle, dove il disponente poteva derogare al diritto federale e sottoporre quel tipo di legittima alle norme del suo cantone di attinenza (cfr.
DTF 109 II 403
e rif.) e si estendeva (combinati disposti degli art. 32 e 22 cpv. 2 della legge del 25 giugno 1891 sui rapporti di diritto civile dei domiciliati e dei dimoranti, in seguito LR) anche agli stranieri con domicilio in Svizzera, che potevano sottoporre la loro successione al diritto del paese di attinenza. In applicazione di quelle disposizioni, la giurisprudenza del Tribunale federale stabilì dapprima che la professio iuris doveva essere espressamente e formalmente contenuta nella disposizione di ultima volontà (
DTF 21 II 991
consid. 1;
DTF 25 I 49
consid. 3;
DTF 30 I 313
consid. 1;
DTF 40 II 15
consid. 4). Con la sentenza
DTF 109 II 403
, il Tribunale federale ha invece modificato questa giurisprudenza, ammettendo che non è necessario pronunciarsi "in termini solenni per il diritto del proprio Cantone di attinenza" nella disposizione di ultima volontà, ma che basta piuttosto "riferirvisi in modo approssimativo o persino implicito, purché il testo della disposizione a causa di morte contenga indizi univoci, gli elementi estrinseci potendo servire semmai a interpretare le indicazioni che emergono dal testo, ma non a supplire o a sostituire il medesimo".
b) Nell'ambito dell'elaborazione della LDIP la Commissione di esperti propose nel suo progetto di legge (art. 91 cpv. 3) che in caso di professio iuris il diritto scelto dovesse risultare inequivocabilmente dalla disposizione di ultima volontà, precisando poi nel commento (Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) - Gesetzesentwurf der Expertenkommission und Begleitbericht, Eidg. Justizabteilung, Berna, pag. 125 (d) e pag. 310 (f)) che la novella introduce un'innovazione quanto alla forma della professio iuris. Mentre la LR esige una dichiarazione espressa nella dichiarazione a causa di morte, la nuova legge si contenta di una professio
BGE 125 III 35 S. 38
implicita, a condizione però che essa risulti senza equivoci dall'atto, ad esempio se risulta dalla lingua utilizzata, dalla forma e dal contenuto del testamento che il disponente si è fondato su un diritto nazionale preciso. Nel rapporto finale (Schlussbericht, in Schweizer Studien zum internationalen Recht, vol. 13, pag. 184) viene poi ulteriormente precisato che la scelta del diritto applicabile può essere dimostrata anche mediante interpretazione della disposizione di ultima volontà; essa è in particolare da ammettere nei casi in cui il testamento corrisponda integralmente per lingua, forma e contenuto al diritto del paese di attinenza.
Nel corso della procedura di consultazione, la proposta degli esperti venne da più parti criticata, siccome troppo vaga (Bundesgesetz über das internationale Privatrecht - Darstellung der Stellungnahmen auf Grund des Gesetzesentwurfs der Expertenkommission und des entsprechenden Begleitberichts, Bundesamt für Justiz, maggio 1980, pag. 304 segg.). Con il messaggio concernente la legge federale sul diritto internazionale privato (FF 1983 I 239, pag. 363 seg.), il Consiglio federale ha quindi proposto il testo dell'art. 90 cpv. 2 nella formulazione vigente, rilevando segnatamente che "l'art. 91 cpv. 3 dell'avamprogetto prevedeva che la legge eletta dovesse risultare univocamente dalla disposizione a causa di morte. La professio iuris non esigeva dunque una clausola formale, ma poteva essere dedotta dalle circostanze. Questa disposizione è stata criticata nella procedura di consultazione. Il presente disegno ha rinunciato a siffatta normativa. Spetterà alla giurisprudenza sviluppare criteri inerenti alla forma della professio iuris" (sulla genesi della norma cfr. pure RÜETSCHI/BONORAND/GUT-BAUHOFER, Die Gültigkeit der professio iuris im internationalen Privatrecht, in: SJZ 1986, pag. 154; HEINI, IPRG Kommentar, n. 10 all'
art. 90 LDIP
; SCHNYDER in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, n. 18 ad
art. 90 LDIP
).
c) La dottrina, specie con riferimento alle ultime sentenze pubblicate (
DTF 111 II 16
;
109 II 403
), sembra orientarsi verso i criteri colà esposti, fondati sulla volontà del defunto. L'esistenza e la validità di una professio iuris dovrebbe quindi essere vagliata secondo le regole generali vigenti in materia di interpretazione degli atti a causa di morte (PIOTET, Droit privé suisse, vol. IV, § 54 III, pag. 364 nota 5, BUCHER, Droit international privé suisse, vol. II, n. 942; HEINI, op.cit., n. 11 segg. all'
art. 90 LDIP
; SCHNYDER, op.cit., n. 18 all'
art. 90 LDIP
; BREITSCHMID, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, n. 52 delle osservazioni preliminari agli
art. 467-536 CC
;
BGE 125 III 35 S. 39
DUTOIT, Droit international privé suisse, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 2a ed, n. 4 all'
art. 90 LDIP
). Il testatore può quindi riferirsi al diritto del paese d'attinenza anche in maniera tacita, purché il testo dell'atto contenga indizi sufficienti per ammettere che tale fosse la sua volontà. Se quest'ultima appare in maniera non equivoca, ma incompleta dal testo della disposizione di ultima volontà, si dovrà procedere all'interpretazione dell'atto (
DTF 116 II 117
consid. 3 e rinvii;
DTF 101 II 31
consid. 2), facendo capo, ai fini del chiarimento delle indicazioni in esso contenute, anche ad elementi, prove e circostanze estrinseci (
DTF 120 II 182
consid. 2a e rinvii).
3.
a) Il Tribunale federale quale giurisdizione per riforma rivede liberamente l'interpretazione di una disposizione di ultima volontà adottata dall'autorità cantonale; esso è, per contro, vincolato agli accertamenti di fatto, dai quali può essere desunta la volontà del disponente (
DTF 120 II 182
consid. 2a;
DTF 115 II 323
consid. 1a).
b) In concreto, la defunta, cittadina germanica domiciliata in Ticino, ha disposto un'ultima volta con un testamento pubblico rogato da un notaio germanico in Germania. In quel testamento, rogato secondo le disposizioni notarili germaniche, la testatrice ha tra l'altro precisato di essere stata sposata due volte e di aver avuto una figlia - l'attrice, ora coniugata in Germania - dal primo matrimonio e di essere stata edotta del diritto alla legittima della figlia. Con il testamento, la de cuius ha poi revocato ogni precedente atto di disposizione a causa di morte ed ha così disposto: "Ich setze Frau A. geb. I., wohnhaft in Augsburg, zu meiner Alleinerbin ein. Ersatzerben bestimme ich nicht." Si tratta ora di stabilire se disponendo in Germania, davanti a un notaio germanico e secondo le forme colà vigenti nei modi di cui si è detto, la testatrice abbia manifestato la volontà di sottoporre la sua successione al diritto germanico.
aa) Anzitutto, anche se da solo non determinante, un indizio in tal senso può già essere intravisto nel fatto di disporre mediante un atto pubblico rogato in Germania da un notaio germanico secondo le forme notarili del diritto germanico e dove tutte le parti interessate sono di nazionalità germanica (testatrice, erede istituita e erede legittimaria). E il fatto che la professio iuris non appaia in modo espresso nel testamento può facilmente essere spiegata dal fatto - negletto in causa dalle parti e dalle precedenti istanze - che il diritto internazionale germanico prevede dal profilo ereditario l'applicazione generalizzata del diritto del paese di attinenza del de cuius (art. 25 EGBGB); inoltre, il diritto internazionale germanico non
BGE 125 III 35 S. 40
conosce una professio iuris generalizzata e illimitata, ma solo una possibilità di derogare al diritto del paese di attinenza e a favore del diritto germanico per i beni immobili situati in Germania (art. 25 cpv. 2 EGBGB; J. VON STAUDINGER, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13a ed., n. 466 ad art. 25 EGBGB). Non deve quindi destare soverchia meraviglia il fatto che il notaio germanico non abbia indicato espressamente l'applicazione del diritto germanico alla successione, perché per lui una tale dichiarazione era del tutto superflua (STAUDINGER, op.cit., n. 520 e 521 ad Anh. zu Art. 25 f EGBGB).
bb) Ma nel testamento pubblico l'erede viene pure istituita quale "meiner Alleinerbin": da codesta formulazione, la convenuta ritiene di poter dedurre una chiara indicazione dell'applicazione del diritto germanico. Secondo quest'ultimo ordinamento, infatti, l'erede riservatario non dispone della qualità di erede se viene escluso (espressamente o tacitamente) dall'eredità, ma beneficia di un semplice credito nei confronti degli eredi istituiti (§ 2303 cpv. 1 BGB; STAUDINGER, op.cit., 12a ed., n. 67 ad § 2303 BGB; D. STAEHELIN, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, n. 4 ad
art. 470 CC
): l'istituzione della convenuta quale "Alleinerbin" fa quindi chiaramente riferimento al diritto germanico, perché solo in quell'ordinamento l'erede istituito è e rimane unico erede, mentre nel diritto svizzero l'erede legittimario ha sempre qualità di erede.
I giudici cantonali, al proposito, hanno rilevato che detta formulazione non permette ancora di concludere per l'applicazione del diritto germanico, perché anche nel diritto svizzero il testatore può designare un terzo erede universale in presenza di eredi legittimari. Questa motivazione è vera solo in parte. Qualora, infatti, il testamento venga fatto nelle forme dell'atto pubblico, il notaio si esprime in termini giuridicamente corretti e propri all'ordinamento giuridico applicabile. Orbene, nel diritto svizzero l'erede legittimario è sempre stato considerato erede ad ogni effetto anche se escluso dalla successione mediante testamento, perdendo tale qualità solo in caso di rinuncia dell'eredità. Questa concezione, criticata da alcuni autori, che attribuiscono all'erede legittimario la qualità di erede solo al momento in cui ha ottenuto la riduzione, restando nel frattempo solo erede potenziale, è stata adottata a lungo dal Tribunale federale, che di recente ha però avuto modo di lasciarla aperta (STAEHELIN, op.cit., n. 4 ad
art. 470 CC
;
DTF 104 II 75
consid. 3b/bb). Ad ogni buon conto, ben si può argomentare che l'istituzione nel testamento pubblico di una terza persona quale unico erede in presenza di eredi legittimari,
BGE 125 III 35 S. 41
ancorché possibile, non è né corretta né tipica del diritto svizzero. Altro conto sarebbe se il testamento fosse redatto direttamente dal testatore nella forma scritta senza l'intervento del notaio. Inoltre, in concreto, il notaio ha espressamente reso attenta la testatrice sul diritto alla legittima della figlia, di guisa che l'istituzione della terza persona quale "Alleinerbin" può senz'altro richiamare l'applicazione del diritto germanico, piuttosto che quello svizzero.
c) L'insieme di tutte le ricordate circostanze, ossia il luogo della rogazione in Germania, la confezione e la pubblicazione dell'atto secondo il diritto notarile germanico da parte di un notaio germanico, la nazionalità germanica di tutte le parti interessate, la formulazione dell'istituzione d'erede tipica del diritto germanico e piuttosto estranea a quello svizzero lasciano trasparire la volontà della testatrice di veder disciplinata la sua successione dal diritto germanico. Ciò basta, per poter procedere all'ulteriore interpretazione della disposizione di ultima volontà facendo capo a ogni altro elemento o circostanza estrinseci.
La sentenza impugnata ricorda al proposito, facendo riferimento ai documenti o alle deposizioni agli atti, diversi elementi estrinseci, che potrebbero avere una rilevanza nell'ambito dell'interpretazione, ma che a torto ha negletto perché dal testamento non emerge la volontà di sottoporre la successione al diritto germanico. Orbene, gli elementi estrinseci sono parecchi e assai importanti. Innanzi tutto la madre aveva pessimi rapporti con la figlia e aveva espresso la volontà di lasciarle il meno possibile; il notaio ha poi reso attenta la testatrice sulla legittima di 1/2 a favore della figlia prevista dal diritto germanico e la testatrice stessa gli aveva detto di già saperlo e di voler applicare quel diritto e non quello svizzero; infine nei precedenti testamenti fatti in Svizzera la testatrice ha sempre optato per il diritto del paese di attinenza in maniera espressa, mentre nella disposizione a causa di morte fatta anni prima in Germania la professio iuris risulta solo da un accenno al BGB. Si tratta di una serie di elementi, estremamente significativi, che non lasciano dubbi di sorta sulla volontà della de cuius di sottoporre la sua successione al diritto del paese di attinenza e che confermano pertanto tutti gli indizi in tal senso emergenti dal testamento stesso e di cui si è detto in precedenza. Ne consegue, quindi, che con il testamento pubblico fatto in Germania il 1o agosto 1994 la testatrice ha validamente optato per l'applicazione del diritto germanico, ossia per l'ordinamento del suo paese di attinenza e la sua successione è pertanto disciplinata da quel diritto. | null | nan | it | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
81e78782-44cc-4592-9b80-2ea89b10a008 | Urteilskopf
117 II 43
11. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 4 juin 1991 dans la cause A. contre Conseil d'Etat du canton du Valais (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 977 ZGB
. Berichtigung unrichtiger Einträge im Grundbuch.
1. Fälle, in welchen das Grundbuch im Verfahren nach
Art. 977 ZGB
berichtigt werden muss (E. 4).
2. Der Grundbuchverwalter muss das Verfahren nach
Art. 977 ZGB
von Amtes wegen in Gang setzen, wenn er die Unrichtigkeit eines Eintrages feststellt, von dem die Beteiligten oder Dritte Kenntnis erhalten haben (E. 5).
3. Bleibt der Grundbuchverwalter untätig, so steht jedem Beteiligten die allgemeine Grundbuchbeschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde gemäss
Art. 104 GBV
offen (E. 6). | Erwägungen
ab Seite 44
BGE 117 II 43 S. 44
Extrait des considérants:
4.
a) Le 19 avril 1989, X. S.A. a acquis par adjudication la parcelle no 761 à l'occasion d'une procédure d'exécution forcée. La propriété de l'immeuble a été transférée à l'adjudicataire avec toutes les charges le grevant d'après l'état des charges, à savoir notamment le droit d'emption annoté en faveur de la recourante. Au cours des opérations de mutation du 28 septembre 1989, ce droit d'emption a néanmoins été radié, sans que l'Office des poursuites ait requis cette opération. X. S.A. s'est par la suite opposée à toute rectification du feuillet concernant l'immeuble No 761. Dans ces conditions, il convient d'examiner si la voie de droit pour redresser l'opération précitée, d'emblée illégitime et effectuée inexactement au registre foncier, est l'action en rectification au sens de l'
art. 975 CC
, comme l'affirme l'autorité de surveillance, ou la procédure des rectifications de l'
art. 977 CC
, comme le soutient la recourante.
b) Le redressement des inscriptions et des annotations (ou de la radiation de l'une de ces opérations) du registre foncier, qui sont inexactes et initialement indues, est régi par les
art. 975 et 977 CC
. Mais, alors que la première de ces dispositions a trait aux opérations faites "sans cause légitime", c'est-à-dire sans que soient réalisées les conditions matérielles de l'opération (invalidité du titre d'acquisition et/ou de la réquisition d'inscription), l'
art. 977 CC
vise les inscriptions opérées "par mégarde" (
art. 98 al. 1 ORF
), soit de simples inexactitudes involontaires: bien que toutes les conditions matérielles d'une inscription légitime soient réunies, l'inscription effectuée ne correspond pas, par suite d'une inadvertance du conservateur, à la situation juridique, révélée
BGE 117 II 43 S. 45
notamment par les pièces justificatives (
ATF 95 II 611
in fine; DESCHENAUX, Traité de droit privé suisse, vol. V, tome II, 2, Le registre foncier, p. 659, 1b; p. 719; p. 722 let. d in fine; STEINAUER, Les droits réels, tome premier, 2e éd., n. 967 ss, not. 969, p. 263). Selon ce dernier auteur (op.cit., n. 970a, p. 264), la preuve de l'inadvertance étant difficile à rapporter, celle-ci peut se présumer si l'écriture du registre foncier ne correspond manifestement pas à la pièce justificative et qu'un examen attentif ne permet pas d'expliquer l'opération autrement que par une erreur du conservateur.
En l'occurrence, l'Office des poursuites n'a pas requis la radiation de l'annotation du droit d'emption dans sa réquisition d'inscription du transfert de propriété. Le conservateur a radié l'annotation du droit personnel en cause à l'occasion des opérations de mutation entraînées par le transfert de la propriété de l'immeuble. Il ne s'est pas expliqué sur cette opération, d'emblée illégitime. L'autorité de surveillance ne prétend pas qu'il l'a effectuée de manière consciente. Dans ces circonstances, il appert que la radiation de l'annotation litigieuse provient d'une transcription erronée des pièces justificatives, due à une inadvertance du conservateur au sens de l'
art. 98 al. 1 ORF
. Il s'ensuit que c'est exclusivement par la voie de l'
art. 977 CC
que le registre foncier doit être redressé in casu, et non par celle de l'action en rectification de l'
art. 975 CC
. C'est dès lors à tort que l'autorité cantonale se fonde sur l'
ATF 65 I 160
. Cette décision réserve précisément l'exception du cas de l'
art. 98 ORF
, lorsque l'inscription a été opérée d'une manière inexacte ou par mégarde.
5.
Lorsque, comme en l'espèce, la rectification du registre foncier affecte la consistance du droit, l'
art. 977 CC
, qu'il faut comprendre en relation avec l'
art. 98 ORF
, distingue deux hypothèses. Ou bien le conservateur constate immédiatement l'inexactitude; il peut alors la rectifier sans autre formalité (
art. 98 al. 2 ORF
). Ou bien l'erreur n'est constatée qu'après que des intéressés ou des tiers ont eu connaissance de l'inscription inexacte; dans ce cas, le conservateur doit aviser les intéressés en leur demandant de consentir par écrit à la rectification qu'il se propose d'opérer (
art. 98 al. 3 ORF
). Si le consentement écrit d'un intéressé fait défaut, le conservateur doit provoquer une décision judiciaire (
art. 977 al. 1 CC
et 98 al. 4 ORF). L'intervention du juge s'inscrit alors dans une procédure administrative portant sur un objet limité: la rectification d'une inexactitude résultant d'une
BGE 117 II 43 S. 46
inadvertance du conservateur (DESCHENAUX, op.cit., p. 733). Le conservateur a le devoir de mettre en mouvement d'office la procédure administrative de redressement s'il constate une inexactitude au sens de l'
art. 98 al. 3 ORF
(
art. 98 al. 1 ORF
; DESCHENAUX, op.cit., p. 732; STEINAUER, op.cit., n. 996, p. 270).
Dans le cas présent, Dame A. a eu connaissance de la radiation du droit d'emption qui était annoté en sa faveur au plus tard le 3 janvier 1990. Conformément à l'
art. 98 al. 3 ORF
, le conservateur était alors tenu d'aviser les intéressés de l'erreur commise en leur demandant de consentir par écrit à la rectification. Comme, par lettre du 12 janvier 1990, l'adjudicataire avait confirmé expressément son opposition à toute rectification du feuillet afférent à la parcelle No 761, le conservateur se devait de porter lui-même l'affaire devant le juge compétent selon le droit cantonal, ce qu'il n'a pas fait, en violation du droit fédéral.
6.
Tout intéressé, qui prend connaissance de l'inscription faite de manière inexacte à son détriment, peut exiger que le conservateur fasse application de l'
art. 98 al. 3 ORF
et cherche à obtenir le consentement des autres intéressés à la rectification. Si le conservateur n'agit pas, l'intéressé peut s'adresser à l'autorité de surveillance par la voie du recours général de l'
art. 104 ORF
(DESCHENAUX, op.cit., p. 466 et 732; STEINAUER, op.cit., n. 996, p. 270). Il suit de là que la recourante s'est adressée à bon droit au Conseil d'Etat valaisan, à qui il incombait, en sa qualité d'Autorité cantonale de surveillance du registre foncier, de sanctionner l'inaction du conservateur. Or, l'autorité de surveillance a renvoyé la recourante à agir par le biais de l'action en rectification de l'
art. 975 CC
, voie de droit qui, comme on l'a vu, est fermée en l'espèce. Partant, l'autorité de surveillance a violé le droit fédéral, et plus particulièrement la procédure des rectifications du registre foncier créée par l'
art. 977 CC
. Le recours de dame A. doit ainsi être admis dans la mesure de sa recevabilité et la décision déférée annulée, le conservateur du registre foncier étant invité à saisir le magistrat compétent selon le droit cantonal de la rectification du registre foncier résultant de la radiation de l'annotation à laquelle il a procédé par inadvertance. | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
81ec6cdf-1911-494b-916d-471dda42699a | Urteilskopf
115 IV 63
13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. April 1989 i.S. C. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 23 Abs. 1 ANAG
; Nulla Osta-Zusicherung.
Die Nulla Osta-Zusicherung einer Aufenthaltsbewilligung ist ein fremdenpolizeiliches Ausweispapier im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 ANAG
. | Erwägungen
ab Seite 63
BGE 115 IV 63 S. 63
Aus den Erwägungen:
2.
Nachdem der Beschwerdeführer für den Portugiesen M. ein Gesuch um Bewilligung eines ausländischen Arbeitnehmers für die Zeit vom 29. Dezember 1987 bis 18. April 1988 eingereicht hatte, wurde ihm am 4. November 1987 eine "Nulla Osta-Zusicherung einer Aufenthaltsbewilligung" für den verlangten Zeitraum ausgestellt.
Auf diesem Formular korrigierte der Beschwerdeführer - wie er selber einräumt - das Einreisedatum von 29.12.1987 auf 29.11.1987. Die so veränderte Zusicherung stellte er dem Arbeitnehmer zu, welcher unter Vorlage derselben am 3. Dezember 1987 in die Schweiz einreiste, wo er am 4. oder 5. Dezember die Arbeit im vom Beschwerdeführer geleiteten Hotel aufnahm.
3.
a) Nach
Art. 23 Abs. 1 ANAG
(SR 142.20) macht sich unter anderem strafbar, wer falsche fremdenpolizeiliche Ausweispapiere herstellt oder echte verfälscht.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die in Frage stehende Nulla Osta-Zusicherung sei kein Ausweispapier im Sinne von
Art. 23 ANAG
. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Ausländische Arbeitskräfte, welche von der Visumspflicht befreit sind (dem visumspflichtigen Ausländer wird diese
BGE 115 IV 63 S. 64
Zusicherung durch das Visum erteilt; BBl 1978 II 200), dürfen zum Stellenantritt nur dann in die Schweiz einreisen, wenn sie eine Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung besitzen; ausländischen Arbeitskräften, die ohne solche Zusicherung einreisen, darf keine Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt erteilt werden (Art. 1 des Bundesratsbeschlusses über die Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt vom 19. Januar 1965; SR 142.261). Die Zusicherung berechtigt den ausländischen Arbeitnehmer - nach bestandener grenzsanitarischer Untersuchung (Art. 2 der VO über grenzsanitarische Massnahmen; SR 818.125.11) - zum Grenzübertritt, d.h. die Organe der Grenzkontrolle lassen ihn in diesem Fall in die Schweiz einreisen. Gemäss den Weisungen des Bundesamtes für Ausländerfragen zur Ausländergesetzgebung (A 133 Ziff. 133.3) haben die kantonalen Fremdenpolizeibehörden bei der Zusicherung für Saisonniers deren Ein- und Ausreisedaten zu fixieren; damit dient die Zusicherung den Grenzkontrollorganen auch zur Überprüfung der Ein- und Ausreisedaten. Hinzu kommt, dass die Zusicherung - wie Pass und Ausländerausweis - zu den für die Anwesenheitsregelung durch die Gemeinde- und Bezirksbehörden des Kantons Graubünden erforderlichen "vorgeschriebenen Unterlagen" (Art. 4b der kantonalen Ausführungsbestimmungen zum ANAG; BR 618.100) gehört.
Fremdenpolizeiliche Ausweispapiere sind entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht nur jene Ausweispapiere, welche Aufschluss geben über Identität und Nationalität des Inhabers, sondern alle Dokumente, die für die fremdenpolizeiliche Behandlung eines Ausländers erforderliche Angaben enthalten. Nach dem Gesagten kommt der Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung somit eine erhebliche Bedeutung zu bei der behördlichen Behandlung des Ausländers, weshalb sie ohne weiteres neben dem Reisepass unter die fremdenpolizeilichen Ausweispapiere fällt. Aus dem Umstand, dass der Ausländer, welcher keine Stelle in der Schweiz antreten will, für die Einreise in die Schweiz keiner Nulla Osta-Zusicherung bedarf, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten; es handelt sich nicht um vergleichbare Sachverhalte.
...
c) Die Auffassung der Vorinstanz, eine Nulla Osta-Zusicherung sei ein fremdenpolizeiliches Ausweispapier im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 ANAG
, verletzt daher kein Bundesrecht. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81ed2dd3-cc31-4bd7-a5c9-1637f368777d | Urteilskopf
91 I 94
16. Auszug aus dem Urteil vom 12. Mai 1965 i.S. Cemin gegen Gemeinderat Wattwil und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. | Regeste
Abänderung von Verwaltungsakten, Abbruch eines nicht bewilligten Bauteiles.
Art. 4 BV
.
Die Baubewilligung ist eine Verwaltungsverfügung und wird als solche zwar formell, aber nicht materiell rechtskräftig. Ob eine materiell rechtswidrige Verfügung zurückgenommen oder abgeändert werden darf, hängt - soweit darüber nicht positive Vorschriften bestehen - von einer Abwägung der Interessen ab, die einerseits an der Verwirklichung des objektiven Rechtes und anderseits an der Vermeidung von Rechtsunsicherheit bestehen. Abwägung dieser Interessen, wenn nicht der Baubewilligung entsprechend gebaut wurde. | Erwägungen
ab Seite 94
BGE 91 I 94 S. 94
Aus den Erwägungen:
3.
Der Regierungrat hat zur Begründung des angefochtenen Entscheides im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich in einer Weise, "die jede geregelte Bauweise verunmöglichen würde", über die Baubewilligung des Gemeinderates hinweggsetzt. Der Einwand, der errichtete Balkon entspreche dem örtlichen Baurecht, hätte mit einem Rekurs gegen die Baubewilligung geltend gemacht werden müssen und sei gegenüber der rechtskräftig gewordenen Baubewilligung
BGE 91 I 94 S. 95
nicht mehr zulässig. - Nach Auffassung des Beschwerdeführers verstösst diese Argumentation gegen
Art. 4 BV
und gegen die Eigentumsgarantie (Art. 31 KV).
Die Verletzung der Eigentumsgarantie erblickt der Beschwerdeführer darin, dass der Regierungsrat einen "Grundsatz des öffentlichen Baurechts" missachtet habe. Dass dieser "Grundsatz" selber dem Verfassungsrecht angehöre, behauptet die Beschwerde nicht. Handelt es sich aber um eine Regel, die dem kantonalen Gesetzesrecht oder dem Gemeinderecht angehört, so prüft das Bundesgericht deren Verletzung auch im Rahmen der Eigentumsgarantie nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel von
Art. 4 BV
. Eine Ausnahme besteht nur, wenn es sich um einen schweren Eingriff in das Privateigentum handelt, der wesentlich über das hinaus geht, was in der Schweiz bisher als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung üblich war: Ein solcher Eingriff ist nach der Praxis nur zulässig, wenn er auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruht (
BGE 89 I 467
mit Verweisungen). Die Vorschriften über die Abstände von Bauten von der Strasse, über die zulässige Ausladung von Vorbauten und dergleichen gehören zum traditionellen Baupolizeirecht (vgl. ZSR 1947 324 a). Beide vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhange erhobenen Rügen sind demnach nur unter dem Gesichtspunkte der Willkür und rechtsungleicher Behandlung zu überprüfen.
a) Die Baubewilligung ist eine Verwaltungsverfügung. Als solche erlangt sie formelle Rechtskraft (Urteil des Bundesgerichtes vom 7. Februar 1962, veröffentlicht in den aargauischen Gerichts-und Verwaltungsentscheiden 1962 S. 300) und kann deshalb mit keinem ordentlichen Rechtsmittel mehr angefochten werden (GULDENER, Zivilprozessrecht, 2. Auflage S. 301); materiell rechtskräftig wird sie dagegen nicht (Urteil des Bundesgerichtes vom 13. Februar 1963, veröffentlicht in ZBl 1963 S. 468). Der Eigenart des öffentlichen Rechtes und der Natur des öffentlichen Interesses entspricht es, dass ein nicht der Rechtsordnung entsprechender Verwaltungsakt nicht unabänderlich sein kann. Anderseits kann es die Rechtssicherheit erheischen, dass eine formell rechtskräftige Verwaltungsverfügung nicht nachträglich in Frage gestellt wird. Ob eme materiell rechtswidrige Verfügung zurückgenommen oder abgeändert werden darf, hängt deshalb, soweit darüber
BGE 91 I 94 S. 96
nicht positive Vorschriften bestehen, von einer Abwägung der Interessen ab, die einerseits an der Verwirklichung des objektiven Rechtes und anderseits an der Vermeidung von Rechtsunsicherheit bestehen (
BGE 78 I 406
mit Verweisungen). Das Postulat der Rechtssicherheit geht unter anderem dann vor, wenn durch den Verwaltungsakt subjektive Rechte begründet wurden, wenn die Verfügung auf Grund eines Einsprache- und Ermittlungsverfahrens erlassen wurde, dessen Aufgabe in der allseitigen Prüfung des öffentlichen Interesses und seiner Abwägung gegenüber dem ihm entgegengesetzten Privatinteresse besteht, und wenn der Private von einem ihm eingeräumten Recht schon Gebrauch gemacht hat (
BGE 78 I 407
).
Der Errichtung der fraglichen Baute des Beschwerdeführers ist ein Einsprache- und Ermittlungsverfahren gemäss Art. 86 ff. der Bauordnung der Gemeinde Wattwil vom 5. Januar 1909 (BOW) vorangegangen. Dabei wurde vor allem auch die Frage geprüft und erörtet, welche Ausladung für den Balkon zulässig sei. Durch die hernach erteilte Baubewilligung ist auf keinen Fall ein subjektives Recht des Beschwerdeführers auf Erstellung eines Balkons von 1,20 m Ausladung begründet worden. Von einem solchen Recht konnte demnach auch kein Gebrauch gemacht werden. An die ihm erteilte Bewilligung hat sich der Beschwerdeführer in der Folge nicht gehalten, obschon er sie nicht angefochten hatte. Der Einwand, die Baubewilligung habe keine Rechtsmittelbelehrung enthalten, wird erstmals vor dem Bundesgericht erhoben und ist daher nicht zu würdigen (
BGE 89 I 244
/245). Abgesehen davon und ohne Rücksicht darauf, ob er schon früher einen Baurekurs erhoben hatte oder nicht, musste es dem Beschwerdeführer auch klar sein, dass es jeder Ordnung widerspricht, zunächst eine Baubewilligung einzuholen und alsdann, ohne sich um eine Änderung dieser Bewilligung zu bemühen, das zu tun, was darin ausdrücklich verboten worden war. In einem solchen Falle anzunehmen, das von der Behörde zu wahrende Rechtssicherheitsinteresse prävaliere gegenüber dem Privatinteresse des Beschwerdeführers an der richtigen Anwendung des Baupolizeirechtes, war mindestens nicht willkürlich. Dabei lässt sich der Begriff der Rechtssicherheit hier in einem doppelten Sinne verstehen: als Sicherheit, dass die formell rechtskräftig zugelassene Ausladung des Balkons nicht überschritten werde,
BGE 91 I 94 S. 97
aber auch als Sicherheit, dass die mutwillige Verletzung der Baubewilligung nicht nachträglich ohne triftigen Grund belohnt werde. Im Vordergrunde steht nicht die Bestrafung des Bauherrn, sondern die Bewährung der baurechtlichen Verfahrensordnung, die einer allgemeinen Unordnung weichen müsste, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers Schule machen sollte: Bei den mit der Durchführung des baupolizeilichen Bewilligungsverfahrens betrauten Behörden würde leicht der Eindruck entstehen, es sei gleichgültig, ob und wie sie ihre Aufgabe erfüllen. Der angefochtene Entscheid lässt sich demnach mit guten Gründen vertreten, sodass er dem Vorwurf der Willkür standhält. In diesem Sinne hat das Bundesgericht auch in einem nicht veröffentlichten Entscheid vom 22. Juni 1960 i.S. Brodard erklärt, der Staatsrat des Kantons Freiburg habe nicht willkürlich entschieden, als er den Abbruch eines nicht bewilligten Bauteiles angeordnet habe. Beigefügt wurde allerdings, der Abbruch hätte nicht verlangt verden können, wenn die Unterschiede gegenüber der Baubewilligung "minimes ou sans importance pour l'intérêt public" gewesen wären. Dass das hier zutreffe, behauptet die Beschwerde nicht.
Die bisherigen Ausführungen sind auch mit dem Text der Bauordnung Wattwil vereinbar. Nach Art. 98 BOW kann der Bauherr zum Abbruch von Bauten, "die plan- und vorschriftswidrig errichtet worden sind", verpflichtet werden. Auf Grund dieser Formulierung lässt sich ohne Willkür annehmen, eine Baute sei planwidrig, wenn sie dem genehmigten Bauplan widerspricht, und sie sei vorschriftswidrig, wenn sie einer in der Baubewilligung enthaltenen Vorschrift nicht entspricht. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber unter Hinweis auf Entscheide kantonaler Regierungen und die Ansicht verschiedener Autoren geltend, auszulegen sei die angeführte Bestimmung in dem Sinne, dass eine Baute nur abgebrochen werden müsse, wenn sie dem Quartierplan und der Gemeindebauordnung widerspreche. Hierzu ist festzuhalten, dass nicht alle der vom Beschwerdeführer angerufenen Autoren und Entscheide die Frage behandeln, was mit einem in der Baubewilligung ausdrücklich verbotenen Bauteil zu geschehen habe; soweit sie sich mit dem Problem überhaupt befassen, tun sie dies unter dem Gesichtswinkel freier Kognition. Nirgends aber wird die Meinung vertreten, es gebe für den Abbruch einer Baute, die der Bauherr mit Vorbedacht
BGE 91 I 94 S. 98
entgegen der unangefochten gebliebenen Baubewilligung erstellt hat, überhaupt keine vertretbaren Gründe. Willkürlich wäre indessen die Anordnung des Abbruches bereits ausgeführter Bauteile nur in diesem Falle. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
81f1022c-4bf5-4649-b96b-aa2c3b393e18 | Urteilskopf
118 IV 227
41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. September 1992 i.S. X., Y. und Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 111,
Art. 133,
Art. 134 StGB
; vorsätzliche Tötung, Raufhandel, Angriff; Mittäterschaft.
Richtet sich der Vorsatz des Teilnehmers an einem Raufhandel oder Angriff auf Tötung oder Körperverletzung, so ist er neben
Art. 133 oder
Art. 134 StGB
auch wegen
Art. 111 ff. oder
Art. 122 ff. StGB
zu verurteilen. War der Verletzte die einzige angegriffene Person, wird Art. 134 durch den Verletzungstatbestand konsumiert (E. 5b).
Für die Mittäterschaft genügt, dass der Beteiligte sich den Vorsatz seines Mittäters zu eigen macht; eine Mitwirkung an der Enstchlussfassung ist nicht erforderlich. Der Mittäter haftet nur bis zur Grenze seines Vorsatzes; der Exzess des Mittäters kann ihm nicht angerechnet werden (E. 5d). | Sachverhalt
ab Seite 228
BGE 118 IV 227 S. 228
Der Pakistani Z. wurde in der Nacht vom 20. Dezember 1988 vor der Kaserne Zürich/Notschlafstelle für Asylbewerber von einer Gruppe Inder verprügelt. In der Absicht, in gleicher Weise Vergeltung zu üben, begab er sich zwei Tage später in Begleitung von X. und Y. sowie ihres Landsmanns B. zur Tramhaltestelle am Central. Dort näherten sie sich einer Gruppe Inder, in der Z. das spätere Opfer S. als einen der Teilnehmer an der Schlägerei erkannte. Als sie auf die Gruppe zugingen, zog S. ein Küchenmesser aus seiner Jacken-Innentasche hervor, mit welchem er Stichbewegungen in Richtung der Pakistani führte und X. an der linken Schulter verletzte. Dieser ergriff daraufhin das Butterfly-Messer des B. Währenddessen schlug Z. dem S. mit seiner Jacke das Küchenmesser aus der Hand.
Nach seiner Entwaffnung ergriff S. sogleich die Flucht. Beim unteren
BGE 118 IV 227 S. 229
Teil der Tramhaltestelleninsel Central kam er zu Fall, worauf die Verfolger über ihn herfielen. Z. versetzte dem wehrlosen Opfer einen Stich mit dem Küchenmesser in die rechte Schulter und trainierte es mit Faustschlägen und Fusstritten. X. fügte S. weitere fünf Stichverletzungen mit dem Butterfly-Messer zu und Y. versetzte ihm Faustschläge und Fusstritte. S. starb an den Folgen einer ihm von X. zugefügten Stichverletzung.
Mit Urteil vom 5. Juli 1991 sprach das Geschworenengericht des Kantons Zürich X., Y. und Z. der vorsätzlichen Tötung schuldig und verurteilte sie zu Strafen von 7 Jahren Zuchthaus für X. und Z. bzw. 6 Jahren Zuchthaus für Y. Von der Anklage des Raufhandels sprach es sie frei.
Gegen dieses Urteil führen X., Y. und Z. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung beantragen.
Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde des X. ab und heisst diejenigen von Y. und Z. gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
b) Die Beschwerdeführer machen geltend, ihr Vorsatz habe sich lediglich auf die Anzettelung einer Schlägerei oder allenfalls die Durchführung eines Angriffs, nicht aber auf eine Tötung erstreckt.
Die
Art. 133 und 134 StGB
stehen in Idealkonkurrenz zum Verletzungsdelikt (TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Kurzkommentar,
Art. 133 N 8
und
Art. 134 N 4
; NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, S. 65; REHBERG, Strafrecht III, 5. Aufl., S. 57). Der Vorsatz richtet sich bei
Art. 133 und 134 StGB
lediglich auf die Beteiligung am Raufhandel bzw. am Angriff, nicht aber auf die Todes- oder Verletzungsfolge. Ist die vorsätzliche oder fahrlässige Tötung oder Körperverletzung eines Teilnehmers durch einen bestimmten anderen Beteiligten an der tätlichen Auseinandersetzung nachgewiesen, ist dieser neben Art. 133 auch nach Art. 111 ff. bzw. Art. 122 ff. zu verurteilen (
BGE 83 IV 192
; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I,
§ 4 N 38
). Dasselbe gilt grundsätzlich auch für
Art. 134 StGB
. War jedoch der Verletzte die einzige angegriffene Person, wird
Art. 134 StGB
durch den Verletzungstatbestand konsumiert (REHBERG, a.a.O., S. 57; vgl. ferner STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I,
§ 18 N 6
).
BGE 118 IV 227 S. 230
c) (Das Bundesgericht bejaht den Tötungsvorsatz beim Beschwerdeführer 1).
d) Im folgenden ist zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht angenommen hat, die Beschwerdeführer 2 und 3 hätten sich den Eventualvorsatz des Beschwerdeführers 1 zu eigen gemacht und bei ihrem Vorgehen gegen S. als dessen Mittäter gehandelt. Dabei ist zu beachten, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz die Messerstiche, Faustschläge und Fusstritte mehr oder weniger gleichzeitig erfolgten und sich der ganze Vorfall sehr schnell abspielte.
aa) Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung, oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht (BGE
BGE 108 IV 92
). In der Literatur wird demgegenüber stärker auf die Tatherrschaft abgestellt. Danach kommt es darauf an, ob der Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falles für die Ausführung des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt (STRATENWERTH, Allg. Teil I,
§ 13 N 55
; vgl. auch NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 3. Aufl., S. 159 f.; BERNHARD PETER, Zur Mittäterschaft nach schweizerischem Strafrecht, Zürich 1984, S. 38 ff., 53 f.). Das Bundesgericht betonte, dass das blosse Wollen der Tat, der subjektive Wille allein, zur Begründung von Mittäterschaft nicht genüge; daraus ergebe sich aber nicht, dass Mittäter nur sei, wer an der eigentlichen Tatausführung selber beteiligt sei, bzw. diese - allenfalls aus Distanz - zu beeinflussen vermöge. Ob darin, wie TRECHSEL (Kurzkommentar, N 11 vor Art. 24) meint, eine Absage an die Tatherrschaftslehre liegt, ist zweifelhaft (vgl. NOLL/TRECHSEL, a.a.O., S. 159). In
BGE 111 IV 53
wurde für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Gehilfenschaft ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Gehilfe keine Herrschaft über den Tatablauf besitze.
Mittäterschaft setzt unter anderem einen gemeinsamen Tatentschluss voraus. Dieser muss indes nicht ausdrücklich bekundet werden; es genügt, wenn er konkludent zum Ausdruck kommt (
BGE 115 IV 161
), wie etwa dann, wenn mehrere in stillschweigendem Einverständnis auf einen anderen einzuschlagen beginnen (STRATENWERTH, Allg. Teil I,
§ 13 N 50
). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Mittäter bei der Entschlussfassung mitwirkte; es genügt, dass er sich später den Vorsatz seines Mittäters zu eigen macht (TRECHSEL, a.a.O., N 12 vor Art. 24 mit Verweis auf
BGE 111 IV 77
).
Wenn die Rechtsprechung angenommen hat, Mittäterschaft könne auch darin liegen, dass einer der Teilnehmer massgeblich bei der
BGE 118 IV 227 S. 231
Entschliessung oder Planung des Deliktes mitgewirkt hat, so darf daraus nicht geschlossen werden, Mittäterschaft sei ausschliesslich möglich, wenn die Tat im voraus geplant und aufgrund eines vorher gefassten gemeinsamen Tatentschlusses ausgeführt werde (so schon
BGE 108 IV 92
). Mittäterschaft ist nämlich jedenfalls dann gegeben, wenn einer der Beteiligten bei der konkreten Ausführung an der Erfüllung des Tatbestandes mitwirkt und zugleich den Vorsatz bezüglich der Tatbegehung hat (vgl. STRATENWERTH, Allg. Teil I,
§ 13 N 50
).
bb) Die Vorinstanz ging davon aus, dass die vier Pakistani zu Beginn der Begebenheit gemeinsam entschlossen waren, den Inder S. zusammenzuschlagen. Aufgrund der Gegenwehr von S. mit einem Messer und der Verletzung des Beschwerdeführers 1 ist das Geschehen in der Folge offensichtlich eskaliert. Die gemeinsame Verfolgung des Inders durch die Beschwerdeführer und B. ist grundsätzlich, wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen, als gemeinsamer Angriff im Sinne von
Art. 134 StGB
zu werten. Indem sich alle vier Pakistani nach der Fluchtergreifung des Inders unverrichteter Dinge an dessen Verfolgung machten, brachten sie konkludent zum Ausdruck, dass sie S. gemeinsam angreifen wollten. In dieser Hinsicht ist Mittäterschaft zu bejahen.
Hinsichtlich der Tötung verletzte die Vorinstanz indessen Bundesrecht, wenn sie aufgrund ihrer tatsächlichen Feststellungen Mittäterschaft der Beschwerdeführer 2 und 3 bejahte. Diese wirkten bei der Tötungshandlung nicht in einem Ausmass mit dem Beschwerdeführer 1 zusammen, dass sie als Hauptbeteiligte erscheinen würden. Einen gemeinsamen Tatentschluss hat die Vorinstanz verneint. Ferner leisteten weder der Beschwerdeführer 2 noch der Beschwerdeführer 3 Tatbeiträge, die für die Ausführung des Deliktes von derart wesentlicher Bedeutung waren, dass diese mit ihnen stand oder fiel.
cc) Hinsichtlich des Beschwerdeführers 3 nahm die Vorinstanz an, der Tötungsvorsatz ergebe sich daraus, dass er das Küchenmesser des Inders mitgenommen und damit auf das Opfer eingestochen habe. Sie führte aus, hiefür sei kein anderer Grund ersichtlich, als dass er das Messer auch habe einsetzen wollen. Mit seinem Handeln habe er seine grundsätzliche Absicht kundgetan, die Auseinandersetzung nun mit Messern fortzuführen, unabhängig davon, ob dies den Tod des Inders zur Folge haben könne oder nicht. Da er überdies gewusst habe, dass auch der Beschwerdeführer 1 bei der gemeinsamen Verfolgung ein Messer mit sich führte, habe er mit der Möglichkeit der Tötung des Opfers rechnen müssen und dies auch in Kauf genommen,
BGE 118 IV 227 S. 232
auch wenn es ihm in erster Linie um Vergeltung und Rache gegangen und der Tod des Opfers für ihn eine unerwünschte Nebenfolge gewesen sei.
Der Beschwerdeführer 3 verletzte das Opfer nach den Feststellungen der Vorinstanz mit dem Küchenmesser in der rechten Schulter und traktierte es mit Fusstritten und Faustschlägen. Da Messerstiche, Faustschläge und Fusstritte in schneller Abfolge mehr oder weniger gleichzeitig erfolgten, kann nicht gesagt werden, er hätte die Messerstiche, die der Beschwerdeführer 1 ausführte, beobachten und sich darüber klar werden können, dass er sich an einer Tötung beteiligte. Ferner ist zu beachten, dass nach der Entwaffnung und Flucht des späteren Opfers nichts mehr im Wege stand, bloss die ursprüngliche Absicht zu verwirklichen, den Widersacher zusammenzuschlagen. Der Beschwerdeführer 3 machte sich daher, wenn er seinerseits auf das Opfer einschlug, den Tötungsvorsatz des Beschwerdeführers 1 auch nicht nachträglich zu eigen (sukzessive Mittäterschaft). Aus dem blossen Wissen, dass der Beschwerdeführer 1 bei der Verfolgung des Inders ein Messer mit sich führte, lässt sich dies nicht ableiten. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass er selber ein Messer trug und damit einmal nicht gezielt auf das Opfer einstach, ohne es aber tödlich zu verletzen. Da der Mittäter nur bis zur Grenze seines Vorsatzes haftet, liegt somit hinsichtlich der Stichverletzungen, die zum Tod des Inders führten, ein Exzess des Beschwerdeführers 1 vor, für den der Beschwerdeführer 3 nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann (ROXIN, Leipziger Kommentar, 10. Aufl.,
§ 25 N 121
).
Aus seinem Handeln ergibt sich jedoch, dass sein Vorsatz über die Ausführung eines Angriffs hinausging. Wer einem Wehrlosen mit einem Messer einen Stich in die Schulter versetzt, nimmt in Kauf, dass er diesem eine Verletzung zufügt. Ob sich der Vorsatz des Beschwerdeführers 3 in bezug auf seine eigene Handlung auf die Tötung des S. erstreckte, wobei in seinem Fall lediglich Versuch in Frage käme, ist unklar. Da der Tötungsvorsatz des Beschwerdeführers 1 dem Beschwerdeführer 3 nicht angerechnet werden kann, verletzt jedenfalls der Schuldspruch wegen (vollendeter) vorsätzlicher Tötung Bundesrecht. Das angefochtene Urteil ist daher hinsichtlich des Beschwerdeführers 3 aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird in ihrer Neubeurteilung abzuklären haben, ob der Vorsatz des Beschwerdeführers 3 sich auf die Zufügung einer (schweren) Körperverletzung oder auf eine Tötung richtete.
BGE 118 IV 227 S. 233
dd) Auch hinsichtlich des Beschwerdeführers 2 verstösst die Zurechnung des Tötungsvorsatzes des Beschwerdeführers 1 gegen Bundesrecht. Da dieser lediglich mit Händen und Füssen auf den wehrlosen S. einprügelte, blieb er im Rahmen des nach der Entwaffnung des Inders konkludent geschlossenen Vorsatzes auf Durchführung eines Angriffs. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
81f44fc6-bc46-4f41-be5f-1f4cadb8454c | Urteilskopf
124 I 327
40. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 22 octobre 1998 dans la cause Michailov contre Chambre d'accusation du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
, Unschuldsvermutung; kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde; Beachtung der Verpflichtungen aus der EMRK.
In Anbetracht der aus
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
fliessenden Unschuldsvermutung darf die Behörde die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nicht mit dem Hinweis auf die Strafe begründen, welche gegenüber dem Betroffenen ausgesprochen wird (E. 3).
Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde und Ausnahmen davon (E. 4a-4c); Formulierung des Dispositivs, wenn das Bundesgericht eine Beschwerde abweist, indessen feststellt, dass der angefochtene Entscheid die Unschuldsvermutung verletzt (E. 4d).
Die Feststellung der Verletzung von
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
nicht im Dispositiv, sondern in den Erwägungen ist mit der Konvention (
Art. 1, 19 und 53 EMRK
) vereinbar, da den Staaten bei der Umsetzung der internationalen Verpflichtungen ein weiter Spielraum zusteht (E. 4d/bb). | Sachverhalt
ab Seite 328
BGE 124 I 327 S. 328
Le 17 octobre 1996, le Juge d'instruction du canton de Genève a inculpé Sergueï Anatolevitch Michailov, ressortissant russe né en 1958, de participation à une organisation criminelle (
art. 260ter CP
) et de blanchissage d'argent (
art. 305bis CP
). Michailov a été placé immédiatement en détention préventive. Le 22 octobre 1996, l'inculpation a été étendue aux chefs de violation des art. 28 de la loi fédérale sur l'acquisition d'immeubles par des étrangers (LFAIE; RS 211.412.41) et 23 de la loi fédérale sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE;RS 142.20). Michailov était soupçonné d'avoir transféré en Suisse des fonds provenant de diverses activités illicites exercées en qualité de dirigeant de l'organisation criminelle russe connue sous le nom de "Solntsevskaya". Il était aussi reproché à Michailov d'avoir éludé le régime d'autorisation régi par la LFAIE et d'avoir séjourné plus de trois mois en Suisse sans autorisation valable.
BGE 124 I 327 S. 329
Le 20 août 1997, le Juge d'instruction a inculpé Michailov de faux dans les titres au sens de l'
art. 251 CP
.
Le 17 mars 1998, le Juge d'instruction a inculpé l'un des défenseurs de Michailov, Me I., de soutien à une organisation criminelle (
art. 260ter CP
) et d'entrave à l'action pénale (
art. 305 CP
). Il est reproché à I. d'avoir servi d'intermédiaire entre Michailov et son complice K., lui-même en relation avec la famille de Michailov et des correspondants en Russie, en Autriche, en Hongrie et en Israël, soit les dénommés A., P., Z., R. et T. I. aurait acheminé clandestinement une cinquantaine de messages de Michailov à ses comparses, permettant ainsi au détenu de continuer à diriger son organisation depuis sa cellule et de fausser les éléments de preuve recueillis au cours de l'enquête.
Le 26 mai 1998, le Juge d'instruction a inculpé Michailov d'un nouveau chef de participation à une organisation criminelle (
art. 260ter CP
), à raison des faits ayant conduit à l'inculpation d'I.
Par ordonnance du 1er septembre 1998, la Chambre d'accusation a autorisé la prolongation de la détention provisoire de Michailov jusqu'au 1er décembre 1998. Se référant à ses ordonnances des 3 mars et 2 juin 1998, ainsi qu'à la requête du Procureur général dont elle a fait siens les motifs, la Chambre d'accusation a considéré que les faits mis à la charge du prévenu seraient graves et qu'il existerait un risque concret de récidive, de fuite et de collusion. Au sujet de la proportionnalité, la Chambre d'accusation a dit ceci:
"Que cette dernière [i.e. la durée de la détention] n'est à ce jour pas disproportionnée vu la gravité et la nature des infractions retenues notamment de faux dans les titres et de participation à une organisation criminelle, ainsi que la peine qui sera infligée à l'inculpé, compte tenu en plus des faits nouveaux qui ont débouchés (sic) sur l'arrestation de son ancien avocat (...)".
Agissant le 24 septembre 1998 par la voie du recours de droit public, Sergueï Anatolevitch Michailov demande principalement au Tribunal fédéral d'annuler l'ordonnance du 1er septembre 1998 et d'ordonner sa libération immédiate. A titre subsidiaire, il conclut au renvoi de la cause à la Chambre d'accusation pour nouvelle décision au sens des considérants. Il invoque les
art. 4 Cst.
et 4 Cst. gen., ainsi que les
art. 5 et 6 CEDH
.
Le 9 octobre 1998, la Chambre d'accusation a renvoyé Michailov devant la Cour correctionnelle du canton de Genève pour être jugé de faux dans les titres et de participation à une organisation criminelle au sens des
art. 251 et 260ter CP
, ainsi que d'infraction à l'
art. 28
BGE 124 I 327 S. 330
LFAIE
. L'audience de la Cour correctionnelle est fixée au 30 novembre 1998.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours de droit public.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Exceptionnellement, les griefs matériels soulevés dans le recours doivent être examinés avant les griefs formels).
(2.- En l'espèce, le maintien de la détention préventive du recourant ne viole ni la liberté personnelle, ni l'
art. 5 CEDH
).
3.
D'un point de vue formel, le recourant reproche à la Chambre d'accusation d'avoir préjugé sa condamnation. Il y voit une violation de l'
art. 6 par. 1 CEDH
, conférant à l'accusé notamment le droit de voir sa cause entendue par un tribunal indépendant et impartial, ainsi que des
art. 4 Cst.
, 4 Cst. gen. et 6 par. 2 CEDH consacrant la présomption d'innocence. Pour les raisons évoquées ci-dessus (consid. 1), ce grief sera examiné nonobstant le rejet du recours au fond.
a) Dans le système de la Convention européenne des droits de l'homme, la procédure de contrôle de la détention préventive est régie par l'
art. 5 par. 4 CEDH
, à teneur duquel toute personne privée de sa liberté par arrestation ou détention a le droit d'introduire un recours devant un tribunal, afin qu'il statue à bref délai sur la légalité de sa détention et ordonne sa libération si la détention est illégale. Le contrôle judiciaire de la détention selon l'
art. 5 par. 4 CEDH
ne doit pas nécessairement offrir les mêmes garanties formelles que celles de l'
art. 6 par. 1 CEDH
régissant la procédure devant l'autorité de jugement; de portée autonome, l'
art. 5 par. 4 CEDH
doit cependant respecter les garanties fondamentales de la procédure découlant notamment du droit d'être entendu et de l'égalité des armes (
ATF 115 Ia 293
consid. 4 p. 299-302;
ATF 114 Ia 182
consid. 3b et c p. 185-188, et les nombreuses références citées; cf. aussi les arrêts non publié S. du 14 mars 1994 consid. 4d et C. du 4 mars 1982, reproduit in: SJ 1982 p. 545; arrêt de la Cour européenne du 13 juillet 1995 dans la cause Kampanis c. Grèce, Série A, vol. 318 B, par. 47; JACQUES VELU/RUSEN ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles, 1990, no346; JOCHEN A. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2ème éd., Kehl, Strasbourg, Arlington, 1996, N.143 ad art. 5; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zurich, 1993, N. 368/369). Tel qu'il est formulé, le grief de violation de l'
art. 6 par. 1 CEDH
n'a pas de portée propre dans ce contexte.
BGE 124 I 327 S. 331
b) Selon la jurisprudence, l'
art. 6 par. 2 CEDH
, consacrant la présomption d'innocence, n'interdit pas seulement à l'autorité de prononcer un verdict de condamnation lorsque la culpabilité de l'accusé ne repose pas sur une appréciation objective des preuves recueillies (
ATF 124 IV 86
consid. 2a p. 88;
ATF 120 Ia 31
consid. 2c p. 37). Cette disposition est aussi violée lorsque l'autorité de jugement - ou toute autre autorité ayant à connaître de l'affaire à un titre quelconque - désigne une personne comme coupable d'un délit, sans réserve et sans nuance, incitant ainsi l'opinion publique à tenir la culpabilité pour acquise et préjugeant de l'appréciation des faits par l'autorité appelée à statuer au fond (arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme du 10 février 1995 dans la cause Allenet de Ribemont c. France, Série A, vol. 308, par. 35-41; cf. aussi la décision rendue par la Commission européenne des droits de l'homme dans l'affaire Petra Krause c. Suisse, reproduite in: JAAC 1983 161 p. 538-541 et relatée par VILLIGER, op.cit., N. 490). Plus spécifiquement, la présomption d'innocence est méconnue si, sans établissement légal préalable de la culpabilité du prévenu et, notamment, sans que ce dernier ait eu l'occasion d'exercer ses droits de défense, une décision judiciaire le concernant "reflète le sentiment qu'il est coupable", et cela "même en l'absence de constat formel" (arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme du 25 mars 1983 dans la cause Minelli c. Suisse, Série A, vol. 62, par. 37). Dans son appréciation, le juge chargé du contrôle de la légalité de la détention peut sans doute prendre en compte le critère de la peine dont serait menacé l'inculpé en cas de verdict de culpabilité, mais il doit user à cet égard d'une réserve particulière. Il doit notamment veiller à ne pas maintenir la détention au motif qu'il tiendrait l'accusé pour coupable; tout au plus peut-il faire état de soupçons étayés à ce sujet (arrêt du 18 avril 1997 concernant le recourant consid. 4; cf. FROWEIN/PEUKERT, op.cit., N. 162 ad art. 6). La protection qu'accordent à l'accusé les
art. 4 Cst.
et 4 Cst. gen. ne vont pas, sur ce point, au-delà de celle conférée par l'
art. 6 par. 2 CEDH
.
c) L'ordonnance attaquée évoque comme motif du maintien de la détention "la peine qui sera infligée" au recourant. Cette appréciation lapidaire viole l'
art. 6 par. 2 CEDH
. Dans sa réponse du 30 septembre 1998, la Chambre d'accusation indique toutefois que l'omission d'un mot dans ce passage de sa décision en altérerait le sens: il conviendrait de lire "la peine qui sera vraisemblablement infligée". Cette correction, apportée dans le cadre de la présente procédure, n'est pas de nature à supprimer le vice originel dont est affectée la
BGE 124 I 327 S. 332
décision attaquée, car elle ne dissipe pas le sentiment que l'autorité cantonale a décidé comme elle l'a fait parce qu'elle tenait la culpabilité du recourant pour acquise. La formulation malheureuse et imprudente de la décision attaquée sur ce point constitue pour elle-même une violation de l'
art. 6 par. 2 CEDH
, commise au détriment du recourant. Ce défaut n'entraîne pas pour autant l'admission du recours, ni l'annulation de l'ordonnance attaquée, ni la libération immédiate du recourant, le maintien de la détention préventive du recourant étant compatible avec les exigences de la liberté personnelle et de l'
art. 5 CEDH
(consid. 2 ci-dessus). Il reste à déterminer si et de quelle façon ce constat de violation doit être reflété dans le dispositif de l'arrêt.
4.
a) Selon la formule évoquée pour la première fois, comme telle, dans l'arrêt Fröbel et consorts du 10 mars 1904 (
ATF 30 I 59
consid. 1 p. 64/65), la fonction du recours de droit public est purement cassatoire (on évoque aussi à ce propos la nature, l'effet ou le caractère cassatoire du recours de droit public). Ce principe - déduit de l'
art. 175 al. 3 OJ
dans sa teneur du 22 mars 1893, devenu depuis lors l'
art. 90 al. 1 let. b OJ
-, a pour conséquence qu'en cas d'admission du recours, le dispositif de l'arrêt du Tribunal fédéral se borne à indiquer que la décision cantonale est annulée, en tout ou partie. A contrario, le Tribunal fédéral ne confirme ni ne réforme la décision attaquée.
Cette règle a pour conséquence que sont seules recevables, à l'appui du recours de droit public, les conclusions tendant à l'annulation de la décision attaquée; les conclusions allant en-deçà ou au-delà de l'annulation, ou tendant à autre chose que l'annulation, sont irrecevables selon une jurisprudence constante depuis 1904 (cf. en dernier lieu
ATF 124 I 231
consid. 1d p. 234/235;
ATF 123 I 87
consid. 5 p. 96;
ATF 122 I 120
consid. 2a p. 323;
ATF 121 I 326
consid. 1b p. 328;
ATF 120 Ia 220
consid. 2b p. 222;
ATF 119 Ia 28
consid. 1 p. 30;
ATF 118 Ia 64
consid. 1e p. 68, et les arrêts cités; sur l'historique de cette jurisprudence, cf. PHILIPPE GERBER, La nature cassatoire du recours de droit public, thèse Genève, 1997, p. 43-58).
b) La jurisprudence a apporté à ces règles un certain nombre de tempéraments.
aa) Lorsqu'il admet un recours de droit public et annule la décision attaquée, le Tribunal fédéral peut aller au-delà de la cassation lorsque la seule annulation de la décision attaquée ne suffit pas à rétablir une situation conforme à la Constitution et qu'une mesure positive est nécessaire (cf. GERBER, op.cit., p. 187ss). Ainsi, par
BGE 124 I 327 S. 333
exemple, le Tribunal fédéral peut lever la détention préventive (
ATF 115 Ia 293
consid. 1a p. 297;
ATF 107 Ia 256
consid. 1 p. 257;
ATF 105 Ia 26
consid. 1 p. 29 et les arrêts cités), décider de la mainlevée à l'exécution d'un jugement condamnatoire rendu par un tribunal étranger (
ATF 116 II 625
consid. 2 p. 627;
ATF 102 Ia 406
consid. 1c p. 409;
ATF 101 Ia 154
consid. 4 p. 160, et les arrêts cités) ou désigner lui-même le tribunal compétent au regard de l'
art. 59 Cst.
(
ATF 101 Ia 141
consid. 4 p. 147;
ATF 93 I 323
consid. 2 p. 326;
ATF 91 I 11
consid. 1 p. 13 et les arrêts cités).
bb) Le Tribunal fédéral peut aussi déroger à l'effet cassatoire du recours de droit public en donnant des injonctions à l'autorité intimée en vue du rétablissement d'une situation conforme à la Constitution. Il peut ainsi lui enjoindre de statuer sans délai (
ATF 117 Ia 336
consid. 1b p. 338 et les arrêts cités), d'ordonner une mesure d'exécution forcée (
ATF 119 Ia 28
consid. 1 p. 30), de délivrer une autorisation de police refusée à tort (
ATF 115 Ia 134
consid. 2c p. 137/138;
ATF 114 Ia 209
consid. 1b p. 212, et les arrêts cités), de mettre à la disposition du recourant une autorité judiciaire au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
(
ATF 120 Ia 19
consid. 5 p. 31;
ATF 119 Ia 88
consid. 7 p. 98) ou de convoquer les électeurs (arrêt non publié F. du 4 novembre 1998).
cc) Le Tribunal fédéral peut aussi, dans son arrêt, délimiter les compétences fiscales cantonales ou ordonner la restitution d'impôts perçus en violation de l'interdiction constitutionnelle de la double imposition (
ATF 111 Ia 44
consid. 1c p. 47 et les arrêts cités).
Dans ces cas exceptionnels, les conclusions allant au-delà de l'annulation de la décision attaquée sont recevables.
c) aa) Il est aussi arrivé au Tribunal fédéral, dans le dispositif d'un arrêt statuant sur un recours de droit public, de constater l'existence d'un droit en faveur des recourants (
ATF 116 Ia 359
, 382) et de délimiter, sous la forme d'un constat, l'étendue de ce droit (
ATF 104 Ia 79
, 87), la portée de la norme attaquée et la façon dont il convenait de l'appliquer (
ATF 55 I 228
, 242). Ces arrêts - rares - constituent de véritables décisions constatatoires au sens de l'
art. 25 PA
(GERBER, op.cit., p. 277-290). Ils se distinguent en cela d'autres espèces dans lesquelles le Tribunal fédéral a indiqué, dans les considérants de son arrêt, que la décision attaquée n'était pas conforme au droit supérieur (cf. par exemple en dernier lieu
ATF 124 I 193
consid. 5c p. 201/202). Ainsi, dans l'
ATF 114 Ia 88
, le Tribunal fédéral, après avoir dit que la mesure de détention préventive contestée ne heurtait pas la liberté personnelle, a relevé, dans les considérants
BGE 124 I 327 S. 334
de l'arrêt, que la procédure suivie avait méconnu l'
art. 5 par. 4 CEDH
prescrivant au juge de la détention de statuer à bref délai. Le dispositif de l'arrêt, prononçant l'admission partielle du recours au sens des considérants, reflète implicitement ce constat de violation de la Convention (
ATF 114 Ia 88
consid. 5d p. 92/93).
bb) La pratique n'est toutefois pas constante: à d'autres occasions, le Tribunal fédéral a constaté expressément, dans le dispositif de l'arrêt, que la procédure cantonale n'avait pas respecté les prescriptions formelles fixées par le droit constitutionnel non écrit et l'
art. 5 CEDH
(cf. par exemple en dernier lieu l'arrêt M. du 17 août 1998).
cc) En dehors du droit de procédure, il convient encore de mentionner qu'en matière de droit économique, le législateur a récemment introduit, dans la loi fédérale sur le marché intérieur, du 6 octobre 1995 (LMI; RS 943.02), entrée en vigueur sur ce point le 1er juillet 1998, une disposition, l'art. 9 al. 3, qui prévoit que le Tribunal fédéral, saisi d'un recours de droit public relatif à une restriction à la liberté d'accès au marché, spécialement en matière de marchés publics, peut dans certaines circonstances être amené à constater dans quelle mesure la décision contestée viole le droit fédéral.
d) La présomption d'innocence découlant des
art. 4 Cst.
et 6 par. 2 CEDH, en tant qu'elle proscrit tout préjugé défavorable à l'accusé avant le prononcé du jugement (consid. 3b ci-dessus), impose à l'autorité à la fois une obligation de résultat et une obligation de comportement. Lorsque la première est violée, l'innocent condamné à tort doit être acquitté. Lorsque la seconde est violée sans toutefois que la décision ne doive être annulée au fond, comme c'est le cas en l'espèce, le Tribunal fédéral doit examiner la forme que doit prendre le dispositif de l'arrêt.
aa) Au regard du droit de procédure national, ni une admission partielle du recours, ni un rejet partiel au sens des considérants n'entrent en ligne de compte, car le vice affectant la décision attaquée est irrémédiable. Il en découle que le recours de droit public doit être intégralement rejeté.
bb) Au regard du droit européen, il est également décisif et suffisant que le considérant 3 du présent arrêt indique clairement que la motivation de la décision attaquée est incompatible avec la présomption d'innocence (cf.
ATF 124 I 231
consid. 1d p. 235). En effet, d'une part, ce constat représente pour le recourant une réparation suffisante du défaut affectant la procédure cantonale (dans le même sens:
ATF 124 I 274
, consid. 3b,
BGE 124 I 327 S. 335
et les références citées; arrêt Minelli, précité, par. 44). D'autre part - et surtout - un tel constat formel, contenu dans la motivation de l'arrêt à défaut de son dispositif, est compatible avec ce que la Cour européenne des droits de l'homme désigne comme "la liberté de choix reconnue à l'Etat quant aux moyens de s'acquitter de son obligation" au titre de l'
art. 53 CEDH
(cf. arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme Vermeire c. Belgique du 29 novembre 1991, Série A, vol. 214-C, par. 26; sur l'autorité dite de la "chose interprétée" des arrêts de la Cour pour les Etats qui ne sont pas parties au litige, déduite des
art. 1er et 19 CEDH
, cf. VELU/ERGEC, op.cit., no1211ss; JOHAN CALLEWAERT, Commentaire de l'art. 53, in: LOUIS-EDMOND PETTITI/EMMANUEL DECAUX/PIERRE-HENRI IMBERT, La Convention européenne des droits de l'homme, Paris, 1995, p. 847-856, spécialement p. 855/856; ANDREW DRZEMCZEWSKI, L'exécution des décisions dans le cadre de la Convention européenne des droits de l'homme, in: La protection des droits de l'homme et l'évolution du droit international, Paris, 1998, p. 215-270, spécialement p. 251/252, no132-135). Il suffit à cet égard de considérer que l'absence de constat de violation de l'
art. 6 par. 2 CEDH
dans le dispositif de l'arrêt ne cause aucun préjudice au recourant, dont le droit ne se trouve pas atteint dans sa substance même de ce fait (cf. arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme Ashingdane c. Royaume-Uni du 28 mai 1985, Série A, vol. 93, par. 57). Quant à la procédure du recours de droit public, telle qu'elle est régie par l'OJ, elle relève de l'autonomie procédurale reconnue aux Etats par le droit européen, qui leur confère dans ce domaine une "grande liberté dans le choix des moyens propres à permettre à leur système judiciaire de répondre aux exigences de la Convention", l'essentiel étant "que les ressources offertes par le droit interne se révèlent effectives", ce qui est le cas en l'espèce (arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme Colozza et Rubinat c. Italie du 12 février 1985, Série A, vol. 89, par. 30; voir aussi, dans le contexte communautaire, mutatis mutandis, CJCE arrêt Magorrian et Cunningham du 11 décembre 1997, aff. C-246/96, Rec.1997, p. I-7153ss, 7186, par. 37 et la jurisprudence citée).
Il se justifie enfin de tenir compte de l'issue de la cause dans le règlement des frais et de réduire en proportion le montant de l'émolument mis à la charge du recourant. | public_law | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
81fa203f-ba00-4c62-9d1a-dc76ad8a10fd | Urteilskopf
113 Ia 257
41. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 3 juin 1987 dans la cause P. contre Président de la Chambre d'accusation et Chef de la police du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
, persönliche Freiheit; Recht, Einsicht in ein Polizeidossier zu nehmen.
Prinzipien der konkreten Normenkontrolle (hier von Art. 1 des Genfer Gesetzes vom 29. September 1977 "sur les renseignements et les dossiers de police..." (LDP), der jedermann die Einsicht in ein ihn betreffendes Polizeidossier verwehrt) (E. 3).
Umfang des unabhängig von einem pendenten oder abgeschlossenen Verfahren bestehenden, durch
Art. 4 BV
garantierten Akteneinsichtsrechts (E. 4a).
Das Recht auf Kenntnisnahme der Daten über die eigene Person, deren Aufbewahrung zu einem Eingriff in die persönliche Freiheit führen kann, erscheint als notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf allfällige Berichtigung. Lässt sich daher aus der persönlichen Freiheit generell ein Recht auf Einsicht in offizielle Akten mit Angaben zur Person ableiten? Frage offengelassen (E. 4b und c).
Unabhängig von den Regeln über die Akteneinsicht verleiht das Verfassungsrecht dem Privaten ein Auskunftsrecht bezüglich der ihn betreffenden von der Behörde registrierten Daten. Verhältnismässigkeit und Interessenabwägung (E. 4d und e).
Das in Art. 1 LDP enthaltene absolute Verbot verstösst gegen dieses Auskunftsrecht (E. 4f). | Sachverhalt
ab Seite 258
BGE 113 Ia 257 S. 258
Le 28 mars 1986, dlle P., ressortissante italienne, s'est présentée au poste frontière de Chancy I pour entrer en Suisse. Elle a été refoulée sur ordre de l'officier de police de service, soit, selon les déclarations de ce dernier, parce qu'elle aurait refusé d'indiquer le but de son voyage en Suisse, soit, selon ce qu'elle prétend, parce que sa présence sur le territoire de la Confédération aurait été indésirable en raison de ses opinions politiques.
Le 17 août 1986, dlle P. se serait présentée au poste frontière de Perly pour quitter la Suisse. Les fonctionnaires de service lui auraient alors officiellement donné connaissance des raisons pour lesquelles sa présence sur le territoire de la Confédération aurait été indésirable. Ils lui auraient montré, sur l'écran d'un terminal de l'ordinateur de la Police de sûreté, une fiche de renseignements disant qu'elle était proche du mouvement terroriste italien, en
BGE 113 Ia 257 S. 259
particulier de Prima Linea, qu'elle était "sous contrôle de P.A.F. et de la D.C.R.G.", qu'elle militait activement dans le mouvement anarchiste parisien, toulousain et lyonnais, et enfin qu'elle était susceptible de se rendre prochainement en Suisse.
Le 16 décembre 1986, dlle P. a requis le Chef de la police du canton de Genève d'ordonner, en application de l'art. 1er al. 2 de la loi cantonale du 29 septembre 1977 sur les renseignements et les dossiers de police et la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs (LDP), la destruction de la fiche de police la concernant. Elle soulignait que les renseignements contenus dans celle-ci étaient inexacts et diffamatoires, car elle n'aurait jamais eu de contacts avec un mouvement terroriste ou criminel quelconque. Le 23 décembre 1986, le Chef de la police a répondu que, étant donné leur teneur, les renseignements évoqués n'avaient pu être lus sur un appareil appartenant à la police ou à la douane suisses, mais seulement sur un appareil français et que, partant, il ne pouvait procéder à leur destruction. La recourante, qui prétend être constamment l'objet de tracasseries à son entrée en Suisse, a alors demandé au Chef de la police, par lettre du 3 février 1987, de l'autoriser à consulter son fichier ou son dossier, afin de pouvoir compléter sa requête tendant à la correction ou à la destruction des informations contestées. Par décision du 5 février 1987, le Chef de la police a rejeté cette requête en se référant à l'
art. 1er LDP
, aux termes duquel les dossiers de police sont rigoureusement secrets.
Dlle P. a recouru auprès du Président de la Chambre d'accusation du canton de Genève contre cette décision. Elle relevait l'inexactitude des renseignements sur lesquels les autorités de douane et de police s'étaient fondées pour s'opposer à son entrée en Suisse et soutenait que ces renseignements figuraient bel et bien dans les dossiers de la police genevoise, le terminal d'ordinateur sur l'écran duquel ils étaient apparus se trouvant au poste de douane suisse de Perly. Mettant également en discussion la constitutionnalité de l'
art. 1er LDP
, elle sollicitait l'autorisation de consulter les fiches de police la concernant.
Par ordonnance du 10 mars 1987, le Président de la Chambre d'accusation a déclaré le recours irrecevable en tant qu'il concernait l'accès de l'administré au dossier de police et la constitutionnalité du droit cantonal.
Agissant par la voie du recours de droit public, dlle P. requiert le Tribunal fédéral d'annuler tant l'ordonnance rendue le 10 mars 1987 par le Président de la Chambre d'accusation que la décision
BGE 113 Ia 257 S. 260
du Chef de la police du 5 février 1987. Elle demande en plus d'être autorisée à prendre connaissance du dossier ou de la fiche établis à son sujet par les services de police. Elle allègue une violation de l'
art. 4 Cst.
et du droit non écrit à la liberté personnelle.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Mettant en cause la constitutionnalité de l'
art 1er LDP
, la recourante se plaint du refus qui lui a été opposé de pouvoir consulter le dossier ou la fiche de renseignements établis à son sujet.
a) L'
art. 1er LDP
a la teneur suivante:
"Principe du secret
Les dossiers de police sont rigoureusement secrets. Aucun renseignement contenu dans les dossiers ou fichiers de la police ne peut être communiqué à l'intéressé ou à des tiers, à l'exception des autorités désignées par les art. 2, 4 et 6 (art. 320 du code pénal). Celui qui apprend qu'une information inexacte a été fournie sur son compte et qui rend vraisemblable qu'elle est consignée dans un dossier ou fichier de police peut en demander la correction en s'adressant par écrit au chef de la police, pour autant que l'intérêt public ou l'intérêt prépondérant d'un tiers ne s'y oppose pas. La réponse de ce dernier peut être déférée dans les 30 jours dès sa notification au président de la Chambre d'accusation. Dans ce cas, seul le président de la Chambre d'accusation est autorisé à consulter le dossier de police ou la fiche de renseignements de l'intéressé. La procédure est secrète même à l'égard de la personne concernée. Aucun recours n'est ouvert contre la décision du président de la Chambre d'accusation."
Cette disposition dénie à tout particulier - et donc aussi à la personne concernée - le droit de se renseigner auprès des organes de police sur les données personnelles qu'ils ont recueillies. Les seuls renseignements accessibles se rapportent aux fiches de contravention, que l'intéressé peut consulter dans les locaux du service compétent, en conformité de l'
art. 7 LDP
. Pour le surplus, les art. 2 et 6 de cette loi précisent les conditions dans lesquelles les autorités qu'ils énumèrent peuvent prendre connaissance des dossiers de police.
La recourante met en discussion la constitutionnalité de ce système à la fois sous l'angle de l'
art. 4 Cst.
et sous celui du droit constitutionnel non écrit à la liberté personnelle. En revanche, elle ne se réfère pas à l'
art. 8 CEDH
, qui prohibe les ingérences de l'autorité publique dans l'exercice du droit de toute personne au respect de sa vie privée et familiale, de son domicile et de sa
BGE 113 Ia 257 S. 261
correspondance, à moins qu'une telle ingérence soit prévue par la loi et qu'elle soit au surplus nécessaire, dans une société démocratique, à la sauvegarde de l'un des biens énumérés dans cette disposition, dont le champ d'application s'étend également au recueil et au traitement par l'Etat de données personnelles (cf.
ATF 113 Ia 7
consid. 4b/bb et les références; Cour européenne des droits de l'homme, arrêt Leander du 26 mars 1987, série A, vol. 116).
b) Celui qui conteste la constitutionnalité d'un arrêté de portée générale peut l'attaquer directement par la voie d'un recours de droit public déposé dans les trente jours dès sa promulgation (
ATF 107 Ia 333
). Le Tribunal fédéral exerce alors, à l'égard des dispositions critiquées, ce qu'il est convenu d'appeler le contrôle abstrait des normes. Il s'impose, en pareil cas, une certaine réserve lorsque les textes discutés sont susceptibles d'une interprétation conforme à la Constitution (
ATF 111 Ia 25
et les arrêts cités, 295 consid. 2). La constitutionnalité d'un arrêté de portée générale peut en effet être ultérieurement soumise au Tribunal fédéral par voie incidente, à l'occasion d'un acte d'application. Exerçant alors le contrôle concret des normes critiquées, le Tribunal fédéral n'a plus à faire preuve de la retenue qu'il s'impose dans le cadre d'un contrôle abstrait.
Le fait que l'
art. 1er LDP
est entré en vigueur depuis longtemps - soit depuis le 1er février 1983 dans sa teneur actuelle - n'empêche donc nullement la recourante d'en critiquer la constitutionnalité, dès lors qu'il constitue la base légale de la décision d'application contre laquelle elle fait recours. Il convient simplement de rappeler que, si le Tribunal fédéral arrive à la conclusion que ce grief d'inconstitutionnalité est fondé, il ne le dira pas dans le dispositif de son arrêt, mais seulement dans ses motifs, en constatant que la disposition contestée - qu'il n'a plus le pouvoir d'annuler - ne peut être appliquée dans le cas concret, tout au moins comme elle l'a été par l'autorité intimée (cf.
ATF 108 Ia 43
consid. 1b,
ATF 107 Ia 54
consid. 2a, 129 consid. 1a, 333 consid. 1a).
4.
a) Le droit de chacun de consulter son dossier est un élément de son droit d'être entendu garanti par l'
art. 4 Cst.
Ce droit peut être exercé non seulement au cours d'une procédure, mais également de manière indépendante, en dehors de toute procédure, par exemple pour consulter un dossier clôturé. Dans ce dernier cas, le requérant doit toutefois rendre vraisemblable qu'il
BGE 113 Ia 257 S. 262
est titulaire d'un intérêt digne de protection (
ATF 112 Ia 101
,
ATF 110 Ia 85
consid. 4a,
ATF 95 I 108
). Le droit de consulter un dossier clôturé peut même, selon les circonstances, être reconnu à un tiers, à la condition qu'il justifie lui-même un tel intérêt (
ATF 95 I 108
). L'
art. 4 Cst.
garantit enfin, indépendamment d'une procédure pendante ou clôturée, le droit de toute personne à la consultation d'un dossier la concernant directement. Ainsi étendu, ce droit est limité par l'intérêt public ou l'intérêt digne de protection des tiers au maintien du secret (
ATF 113 Ia 4
consid. 4a,
ATF 112 Ia 101
,
ATF 110 Ia 85
consid. 4a). L'intérêt public s'opposant à la consultation du dossier pourra résider dans la nécessité de sauvegarder la sûreté de l'Etat, la défense nationale, voire le bien-être économique du pays (cf. aussi l'énumération contenue à l'
art. 8 par. 2 CEDH
). Il conviendra de prendre en considération l'intérêt de tiers en cas d'atteinte ou de menace à leur sphère privée ou à celle de leurs proches, à leur sécurité - notamment pour les personnes ayant donné des renseignements - ou à des secrets légalement protégés dont ils sont les détenteurs, comme le secret médical ou le secret commercial. L'autorité appelée à répondre à une requête tendant à l'exercice de ce droit procédera donc toujours à une pesée concrète et sérieuse des intérêts en présence (cf.
ATF 112 Ia 102
consid. 6,
ATF 110 Ia 86
consid. 4b,
ATF 103 Ia 493
,
ATF 100 Ia 102
consid. 5b,
ATF 95 I 109
consid. 2b, 445/446).
b) La liberté personnelle, droit constitutionnel non écrit, imprescriptible et inaliénable, donne à l'individu le droit d'aller et de venir et le droit au respect de son intégrité corporelle. Elle le protège en outre dans l'exercice de sa faculté d'apprécier une situation de fait déterminée et d'agir selon cette appréciation. Cette garantie n'englobe certes pas la protection de toute possibilité de choix et de détermination de l'homme, si peu importante soit-elle; elle recouvre cependant toutes les libertés élémentaires dont l'exercice est indispensable à l'épanouissement de la personne humaine (
ATF 112 Ia 100
consid. 5b, 111 Ia 345 consid. 3b, 232/3 consid. 3a, 109 Ia consid. 4a). La liberté personnelle oblige le détenteur de la puissance publique à un comportement envers le citoyen qui soit compatible avec le respect de sa personnalité. Elle protège intégralement la dignité de l'homme et sa valeur propre. Le droit de la personnalité, spécialement les art. 28 à 28l CC entrés en vigueur le 1er juillet 1985, constitue sous cet angle, et dans une mesure importante, une mise en oeuvre de ce droit constitutionnel non écrit dans les relations entre particuliers
BGE 113 Ia 257 S. 263
(cf.
ATF 102 Ia 521
consid. 3b,
ATF 98 Ia 514
; ad
art. 28 ss CC
, cf. notamment: J.-M. GROSSEN, Banques de données électroniques et protection de la personnalité - un aspect de la relation entre le progrès technique et la politique juridique, in: Computer und Privatsphäre, Zurich 1978, p. 8; W. EGLOFF, Braucht die Schweiz ein Datenschutzgesetz?, RDS 118/1977 I p. 352 ss).
Le Tribunal fédéral a admis, dans ce sens, que le relevé de données personnelles par les autorités de police, telle la prise de photographies ou d'empreintes digitales, touchait à la sphère intime de l'individu et constituait, partant, une atteinte à la liberté personnelle (
ATF 109 Ia 155
consid. 6a et les arrêts cités). Il a également considéré que les caractéristiques personnelles de l'individu évoluent et qu'elles ne doivent dès lors pas être indéfiniment figées par la conservation d'anciennes données (ATF
ATF 106 Ia 36
consid. 4b). A ce jour, cependant, il n'a pas encore eu l'occasion de dire si la seule conservation, par une autorité publique, de données personnelles pouvait porter atteinte à la liberté personnelle, parce que, dans les causes qui lui ont été soumises, soit les données en cause étaient promises à la destruction (
ATF 109 Ia 157
consid. 6b,
ATF 107 Ia 145
consid. 5a), soit le recours ne comportait pas de grief suffisamment spécifié quant à une violation de ce droit constitutionnel (cf.
ATF 113 Ia 6
consid. 4b/bb). Ce dernier arrêt met toutefois en évidence le rapport étroit qui existe entre l'enregistrement ou la conservation de données et le droit fondamental de la liberté personnelle. Il relève que des données recueillies lors d'un contrôle de police opéré dans un contexte peu favorable pour la réputation de l'intéressé sont susceptibles d'affecter son droit d'aller et venir librement, en sorte qu'il existe, pour ce dernier, un intérêt important à pouvoir accéder à ces données afin d'en contrôler l'exactitude (consid. 4b/bb).
c) La conservation de données strictement personnelles et non accessibles à chacun est susceptible de provoquer une atteinte à la liberté personnelle de l'individu concerné (sur les difficultés d'une classification des données selon leur degré de "sensibilité", cf. SPIROS SIMITIS, Les garanties générales quant à la qualité des données à caractère personnel faisant l'objet d'un traitement informatisé, et HERBERT MAISL, Les garanties particulières relatives au traitement automatisé de certaines données personnelles, tous deux in: Informatique et droit en Europe, Bruxelles 1985, respectivement p. 305 ss et p. 317 ss; cf. aussi
BGE 113 Ia 257 S. 264
RAINER J. SCHWEIZER, Die Grundlagen der schweizerischen Datenschutzgesetzgebung, in: WuR 34/1982, p. 38 s.). Ce risque doit pouvoir être prévenu notamment par le contrôle de l'exactitude des renseignements enregistrés et, le cas échéant, par leur rectification. Il y va d'ailleurs aussi de l'intérêt de l'administration elle-même à détenir uniquement des données utiles et correctes (cf. dans ce sens
ATF 113 Ia 11
consid. 4d, 109 Ia 299). Or, les intérêts légitimes de l'individu concerné ne sont bien souvent qu'insuffisamment protégés par une information indirecte, donnée par le détenteur des renseignements en cause ou un organe de contrôle (cf. par exemple
ATF 101 Ia 312
consid. 2a). Aussi le droit de tout intéressé à consulter lui-même un dossier ou un fichier comportant des données qui le concernent directement apparaît-il comme un préalable nécessaire à l'exercice effectif de son droit d'en obtenir, le cas échéant, la rectification (cf. PAUL-HENRI STEINAUER/FABIENNE HOHL, Le droit d'accès, in: Informatique et protection de la personnalité, Fribourg 1981, p. 82 et 90 s.; cf. aussi
ATF 113 Ia 8
consid. 4b/cc et consid. 4d in fine). Ainsi, quiconque prétend, avec quelque vraisemblance, que des renseignements personnels enregistrés à son sujet sont, non pas inexacts ou superflus - car comment pourrait-il en faire la démonstration (cf.
ATF 113 Ia 8
consid. 4b/cc)? -, mais susceptibles de porter atteinte à sa liberté personnelle doit pouvoir en requérir la consultation sans avoir à justifier encore d'un autre intérêt digne de protection (à l'inverse de ce qu'exige en général la jurisprudence rendue sur la base de l'
art. 4 Cst.
pour la consultation des dossiers; cf. ci-dessus consid. 4a).
On peut certes se demander si le droit de consulter les données tire son fondement de l'
art. 4 Cst.
ou du droit de la liberté personnelle, en tant qu'accessoire du droit d'en obtenir la rectification. En l'espèce, la question peut demeurer indécise, car elle n'est pas décisive.
d) Indépendamment des règles régissant le droit de consulter un dossier formellement constitué, le droit constitutionnel confère donc à la personne concernée le droit d'être renseignée, d'une part, sur les données qui ont été enregistrées à son sujet par une autorité publique et, d'autre part, sur l'usage qui en a été fait. Ce droit aux renseignements est du reste reconnu, dans son principe, par la plupart des législations des pays occidentaux (cf. STEINAUER/HOHL, op.cit., p. 91 ss; MARIE-CHRISTINE HENRY-MEININGER, Les garanties quant au droit d'avoir connaissance des fichiers
BGE 113 Ia 257 S. 265
automatisés, in: Informatique et droit en Europe, Bruxelles 1985, p. 341; CONSEIL DE L'EUROPE, Rapport explicatif concernant la Convention pour la protection des personnes à l'égard du traitement automatisé des données à caractère personnel, Publications du Conseil de l'Europe, Strasbourg 1981, p. 6 par. 5). Il est appelé à jouer un rôle de plus en plus important pour la protection de l'individu, car le traitement informatique des données en permet la diffusion et le traitement immédiats à tous les échelons de l'administration publique (voir à ce sujet, parmi d'autres: YVES BURNAND, Banques de données électroniques et droit de l'information, thèse Lausanne 1974, p. 54 ss et p. 87 ss; CHARLES-ALBERT MORAND, Problèmes constitutionnels relatifs à la protection de la personnalité à l'égard des banques de données électroniques, in: Informatique et protection de la personnalité, Fribourg 1981, p. 15 ss; J.P. MÜLLER/S. MÜLLER, Grundrechte - Besonderer Teil, Berne 1985, p. 24; THOMAS W. SCHREPFER, Datenschutz und Verfassung, thèse Berne 1985, p. 21 ss et p. 70; PIERRE TSCHANNEN, Verfassungsmässigkeit von Aidsregistern, in: Recht gegen Aids, Berne 1987, p. 48; R.J. SCHWEIZER, op.cit., p. 28). Ce droit aux renseignements doit être distingué du droit des citoyens à l'information, qui n'est reconnu que dans une mesure limitée, comme un corollaire de la liberté de la presse et de la liberté d'expression (cf.
ATF 111 II 50
;
ATF 107 Ia 236
, 305/6;
ATF 104 Ia 88
; voir aussi CHARLES-ALBERT MORAND, op.cit., p. 31 s.). Le droit de l'intéressé à être renseigné sur les données recueillies à son sujet par une autorité s'étend à la fois aux données de base, telles qu'elles sont enregistrées, et à celles qui résultent de leur traitement, en d'autres termes aux analyses et appréciations que les autorités ont faites en se fondant sur des données recueillies par elles, et qu'elles ont consignées dans leurs dossiers.
e) L'exercice du droit aux renseignements peut être limité, voire supprimé, s'il se heurte à l'intérêt prépondérant de la collectivité publique, de tiers, voire de la personne concernée elle-même (
ATF 112 Ia 101
,
ATF 110 Ia 85
consid. 4a; cf. STEINAUER/HOHL, op.cit., p. 93 ss). En présence d'un tel intérêt prépondérant, il appartiendra à l'autorité d'agir conformément au principe de la proportionnalité. Il se peut en effet que les intérêts publics ou privés menacés par l'accès à un dossier personnel soient préservés par des mesures moins restrictives que le refus pur et simple de la consultation. Dans certains cas, il suffira de dissimuler à la personne concernée l'origine ou l'identité du destinataire des
BGE 113 Ia 257 S. 266
renseignements qui lui sont divulgués. Il peut suffire aussi d'en occulter ou d'en caviarder certains éléments, voire de n'en autoriser la consultation que par l'intermédiaire d'un tiers tenu au secret. De même, lorsque l'autorité de recours est appelée à procéder à un contrôle complet du dossier (cf.
ATF 112 Ia 102
, 95 I 109), elle ne doit en révéler la teneur que dans la mesure où des intérêts publics ou privés au maintien du secret ne s'y opposent pas.
f) L'
art. 1er LDP
est une disposition légale claire qui ne laisse aucune place à l'appréciation des autorités détentrices des dossiers ou fichiers de police. Il leur fait l'interdiction absolue de communiquer à l'intéressé qui le requiert tous renseignements sur le contenu de ces documents, quelle qu'en soit la teneur et quelle que soit la situation du requérant. Cette disposition est dès lors en contradiction avec le droit aux renseignements tel qu'il vient d'être décrit. Elle ne se prête de surcroît à aucune interprétation conforme à la Constitution. En se fondant sur elle pour refuser sans autre à la recourante le droit de prendre connaissance de la fiche de police établie à son sujet, les autorités cantonales ont violé en tout cas l'
art. 4 Cst.
Les décisions attaquées doivent dès lors être annulées et la cause renvoyée aux autorités intimées pour qu'elles se prononcent sur l'opportunité de donner suite à la demande de la recourante, compte tenu de l'ensemble des circonstances. Il leur appartiendra d'examiner si la consultation par la recourante de la fiche qui la concerne peut entraver la lutte de la police contre la criminalité organisée et, par là, compromettre la sécurité collective. | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
81fe7105-9373-4411-a1ef-51d5d2313465 | Urteilskopf
115 II 28
6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Februar 1989 i.S. B. gegen M. (Berufung) | Regeste
Art. 63 Abs. 1 OR
. Ungerechtfertigte Bereicherung.
Bereicherungsrechtliche Rückforderung einer Anzahlung, die in Kenntnis der Formungültigkeit eines Kaufvorvertrags, aber in der nicht verwirklichten Erwartung geleistet worden ist, auch die Gegenleistung werde freiwillig erbracht. | Sachverhalt
ab Seite 28
BGE 115 II 28 S. 28
A.-
Am 10. August 1984 schloss M. mit den beiden Mitgliedern B. und D. der einfachen Gesellschaft X. einen Kaufvorvertrag in einfacher Schriftform über eine noch zu erstellende Stockwerkseinheit in St. Moritz. An den Kaufpreis von Fr. 703'750.-- sollte M. bis zum 15. August 1984 Fr. 10'000.-- und bis zum 1. Dezember
BGE 115 II 28 S. 29
1984 weitere Fr. 50'000.-- bezahlen. Die erste Anzahlung leistete M. am 16. August 1984; weitere Anzahlungen erfolgten verspätet und lediglich im Umfang von Fr. 34'200.--, was die Verkäufer veranlasste, mit Schreiben vom 24. Januar 1985 vom Vertrag zurückzutreten.
Unter Berufung auf die Formungültigkeit des Vorvertrags forderte M. die Verkäuferschaft vergeblich zur Rückerstattung der Anzahlungen auf.
B.-
Die von M. erhobene Rückforderungsklage aus ungerechtfertigter Bereicherung hiess das Bezirksgericht Maloja am 23. September 1987 gegenüber B. als Solidarschuldner für Fr. 44'200.-- nebst Zins gut. Mit Urteil vom 14. März 1988 wies das Kantonsgericht Graubünden die Berufung von B. (Beklagter) ab. Die von diesem gegen das kantonsgerichtliche Urteil erhobene eidgenössische Berufung weist das Bundesgericht ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beklagte bestreitet die Rückerstattungspflicht einmal mit dem Einwand, der Kläger habe entgegen dem angefochtenen Urteil bei Abschluss des unstreitig formungültigen Vorvertrags (
Art. 216 Abs. 2 OR
) Kenntnis vom Formmangel gehabt und sich daher nicht im Irrtum über die Schuldpflicht befunden, wie es die Rückforderung einer bezahlten Nichtschuld nach
Art. 63 Abs. 1 OR
voraussetze.
a) Wer eine Nichtschuld freiwillig bezahlt, kann das Geleistete nach dieser Bestimmung nur zurückfordern (condictio indebiti), wenn er nachweist, dass er sich über die Schuldpflicht im Irrtum befunden hat. Leistet eine Partei somit in Kenntnis der Ungültigkeit eines Vertrags, ist ihr die Berufung auf
Art. 63 Abs. 1 OR
verwehrt. Bei synallagmatischen Verträgen führt das zu stossenden Ergebnissen, wenn die eine Partei im Bewusstsein der fehlenden Durchsetzbarkeit freiwillig leistet und die andere Partei die Gegenleistung gestützt auf die Unwirksamkeit des Vertrags entweder verweigert oder mit Erfolg zurückverlangt. Würde in derartigen - Fällen die Rückerstattung abgelehnt, könnte der Leistungsempfänger die Leistung ohne Gegenleistung behalten. Bei gestörten Austauschverhältnissen darf deshalb die Rückforderung nicht von der Voraussetzung der irrtümlichen Leistung abhängig gemacht werden (GAUCH/SCHLUEP, OR Allgemeiner Teil, 4. A. 1987, S. 291 Rz. 1190 f.). Hier muss es genügen, dass der bei der Leistung
BGE 115 II 28 S. 30
vorausgesetzte Leistungsgrund ausbleibt. Dem entspricht die Regelung des
Art. 62 Abs. 2 OR
, wonach eine Vermögenszuwendung auch ohne Irrtum des Leistenden über die Schuldpflicht (
BGE 52 II 232
E. 2) dann ungerechtfertigt ist, wenn im Hinblick auf einen in der Folge nicht verwirklichten Grund geleistet wird (condictio causa data non secuta). Als Leistungsgrund kommt dabei auch ein Umstand in Betracht, der kein Rechtsgeschäft darstellt (
BGE 105 II 96
E. 3a). Leistet ein Vertragspartner, obwohl ihm die fehlende Durchsetzbarkeit der Gegenleistung bekannt ist, liegt der Leistungsgrund in der Erwartung, der Leistungsempfänger werde ebenfalls freiwillig leisten. Bleibt die Gegenleistung aus, ist die eigene Leistung grundlos erfolgt und zurückzuerstatten (vgl.
BGE 105 II 96
E. 3a; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil OR, S. 237; KELLER/SCHAUFELBERGER, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 64).
b) Der Kläger erbrachte die Anzahlungen in der Erwartung, dass die noch zu erstellende Stockwerkseinheit auf ihn übertragen werde. Diese Gegenleistung verweigerten die Mitglieder des Baukonsortiums mit der Rücktrittserklärung vom 24. Januar 1985. Damit entfiel der Grund für die Anzahlungen, was für die bereicherungsrechtliche Rückforderung ausreicht. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8200e8a8-90df-4f54-8eb1-7637d55e4dae | Urteilskopf
102 III 132
23. Arrêt du 14 septembre 1976 dans la cause F. | Regeste
Art. 79 Abs. 1 OG
.
Zulässigkeit neuer Beweismittel, die der Rekurrent im kantonalen Verfahren anzubringen keine Veranlassung hatte. | Sachverhalt
ab Seite 132
BGE 102 III 132 S. 132
A.-
Le 14 juin 1976, l'Office des poursuites des Franches-Montagnes a procédé à la vente aux enchères d'un immeuble.
Le 24 juin 1976, F. a porté plainte auprès de l'Autorité de surveillance pour les offices des poursuites et des faillites du canton de Berne, concluant à l'annulation de la vente aux enchères et à la fixation d'un nouveau terme pour y procéder. Il alléguait que les militants francs-montagnards lui avaient barré l'accès du local des enchères et que, malgré sa demande expresse, la police n'était pas intervenue pour lui permettre de participer aux enchères.
B.-
L'Autorité cantonale de surveillance a rejeté la plainte le 10 août 1976. Sa décision est motivée en substance comme il suit:
Selon le préposé à l'Office des poursuites, qui affirme avoir pris toutes les précautions utiles, la vente s'est déroulée conformément aux dispositions légales. Cette affirmation est confirmée par le rapport dressé par le chef de la police cantonale à la demande de l'Autorité de surveillance. Il y est précisé qu'aucun enchérisseur éventuel n'a été empêché d'entrer dans le bâtiment où avait lieu la vente et qu'aucune personne ne s'est approchée d'un agent de police pour lui manifester son intention d'assister à la vente ou pour formuler une réclamation quelconque.
C.-
F. recourt au Tribunal fédéral. Il demande que la vente aux enchères soit annulée, un nouveau délai étant fixé pour y procéder; subsidiairement que l'affaire soit renvoyée à l'Autorité cantonale de surveillance pour complément d'instruction et nouvelle décision.
BGE 102 III 132 S. 133
Erwägungen
Considérant en droit:
Dans son recours, F. explique en détail comment il aurait été ignoré par les agents de police alors qu'il cherchait à entrer dans le bâtiment où avait lieu la vente aux enchères. Il n'a été amené à le faire qu'en instance fédérale, au vu du rapport de police dont il n'avait pas eu connaissance devant l'Autorité cantonale de surveillance. C'est notamment par ce rapport qu'il a appris le nom des deux agents de police qui étaient de service devant le bâtiment et qu'il cite comme témoins devant le Tribunal fédéral. Il ne pouvait formuler cette offre de preuve de façon aussi précise devant l'autorité cantonale. En outre, il n'avait pas de raison de décrire de manière circonstanciée, dans sa plainte, le comportement des deux agents. C'est parce qu'il conteste la véracité du rapport de police à ce sujet qu'il a été amené à donner sa version des faits, expliquant en quoi l'appui de la police aurait été insuffisant. En demandant que soient entendus les deux agents, il n'offre donc pas une preuve nouvelle qui aurait pu être administrée dans la procédure cantonale (
art. 79 al. 1 OJ
); ce n'est qu'après la décision de l'autorité cantonale qu'il a eu un motif de présenter ce moyen de preuve (cf.
ATF 84 III 78
consid. 1,
ATF 87 III 5
).
Dans ces conditions, le recours doit être admis et la décision attaquée annulée, la cause étant renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle élucide le comportement des deux agents de police et statue à nouveau. | null | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
820ff1a3-78a9-46ba-bec7-e9ff80f17749 | Urteilskopf
116 II 76
12. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. März 1990 i.S. Patricia Overgoor Schwarz und Mitbet. gegen Handelsregisteramt und Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 947 Abs. 3 OR
.
Der Familienname einer unbeschränkt haftenden Gesellschafterin mit einem Doppelnamen gemäss
Art. 160 Abs. 2 ZGB
kann nur ihr voller Doppelname sein (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 116 II 76 S. 76
A.-
Am 10. Februar 1989 wurde beim Handelsregisteramt von Basel-Stadt eine neugegründete Kommanditgesellschaft mit der Firma "Annoncenverwaltung Overgoor & Co." angemeldet. Die Anmeldung erfolgte durch die Eheleute Patricia Overgoor Schwarz und Robert Schwarz-Overgoor sowie Daniele La Rosa Messina als Komplementäre und durch die Alder + Kleiber AG als Kommanditärin.
Mit Verfügung vom 3. März 1989 lehnte das Handelsregisteramt die Eintragung ab, weil der nach neuem Familienrecht vorangestellte Mädchenname Overgoor der Komplementärin Overgoor Schwarz kein Familienname eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters im Sinne von
Art. 947 Abs. 3 OR
sei. Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde der Komplementäre wies das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt am 26. Juni 1989 ab.
B.-
Die Komplementäre fechten den Entscheid des Justizdepartements mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an und stellen
BGE 116 II 76 S. 77
das Begehren, es sei ihnen die Eintragung der Firma "Annoncenverwaltung Overgoor & Co." zu bewilligen. Das Handelsregisteramt, das Justizdepartement und das Eidgenössische Amt für Handels- und Güterrechtsregister (EHRA) schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 947 Abs. 3 OR
muss die Firma einer Kommanditgesellschaft den Familiennamen wenigstens eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters mit einem das Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatz enthalten. Diesen Anforderungen würde nach Auffassung der Vorinstanzen und des EHRA nur die Firma "Annoncenverwaltung Overgoor Schwarz & Co." genügen, da gemäss
Art. 160 Abs. 2 ZGB
dem vorangestellten Mädchennamen der verheirateten Komplementärin der Name des Mannes zu folgen habe. Demgegenüber ist
Art. 947 Abs. 3 OR
nach Auffassung der Beschwerdeführer losgelöst von
Art. 160 Abs. 2 ZGB
und im Lichte von
Art. 4 Abs. 2 BV
auszulegen, welch letztere Bestimmung es verbiete, dass die Ehefrau als Komplementärin gezwungen werde, den Namen des Ehemannes in der Firma mitaufzuführen, während beim Mann der Familienname genüge.
a) Bei Einzelfirmen, Kollektiv-, Kommandit- und Kommanditaktiengesellschaften bildet der Familienname des Inhabers bzw. der unbeschränkt haftenden Gesellschafter den wesentlichen Inhalt der Firma (
Art. 945 und 947 OR
). Zwar erläutern diese Bestimmungen den Begriff des Familiennamens nicht. Was darunter zu verstehen ist, ergibt sich jedoch aus dem Zweck der Personenfirma, mindestens eine persönlich haftende Person bekannt zu machen, damit sie identifiziert werden kann (HIS, N. 1 zu
Art. 954 OR
; derselbe, Zur Frage der Doppelnamen ... in Personenfirmen, in: SJZ 40/1944 S. 142). Die Möglichkeit der Identifikation setzt voraus, dass die als Firmenbestandteil verwendete Bezeichnung mit dem Namen übereinstimmt, der auch sonst rechtmässig geführt wird (HIS, N. 1 zu
Art. 954 OR
) und im Zivilstandsregister erscheint (HIS, N. 13 zu
Art. 945 OR
). Es kann nicht im Belieben des Namensträgers stehen, in der Firma einen anderen Namen zu führen als im amtlichen Verkehr.
Streitig ist die Anwendbarkeit der namens- und familienrechtlichen Vorschriften auch auf den für Geschäftsfirmen vorausgesetzten amtlichen Namen nur mit Bezug auf Adelspartikel und
BGE 116 II 76 S. 78
Doppelnamen. Nach Auffassung von V. STEIGER und GLOGGNER sind solche Bezeichnungen ungekürzt in der amtlichen Schreibweise gemäss Zivilstandsregister in Personenfirmen aufzunehmen (F. V. STEIGER, Kann bei Doppelnamen ... in Personenfirmen ein Teil des Namens weggelassen werden?, in: SJZ 40/1944 S. 103 ff., S. 106; A. GLOGGNER, Zur Frage der Doppelnamen ... in Personenfirmen, in: SJZ 50/1954 S. 321 ff., S. 323). Dem entspricht die Praxis der Handelsregisterbehörden. In seiner Vernehmlassung bestätigt das EHRA, dass die im Zivilstandsregister eingetragenen Namen unverändert als Firmenbestandteile in das Handelsregister übernommen würden; Abweichungen dulde die Praxis nur insoweit, als sie die Aufnahme von mit einem Bindestrich gekennzeichneten Allianznamen in die Firma zulasse. Demgegenüber will HIS die teilweise Aufnahme von Doppelnamen, die ähnlich den Allianznamen aus zwei sprachlich selbständigen Familiennamen bestünden, in Personenfirmen gestatten, wenn der "Hauptname" oder das "Kennwort" ausreiche, um den Firmeninhaber oder den unbeschränkt haftenden Gesellschafter "kurz und bündig" kenntlich zu machen (HIS, SJZ 40/1944 S. 141 f.; HIS, N. 12 zu
Art. 945 OR
).
b) Mit Bezug auf Vornamen erkannte das Bundesgericht in
BGE 112 II 67
E. 2b, dass die Schreibweise gemäss Zivilstandsregister auch für andere öffentliche Register des Bundesrechts massgebend sein müsse, um unklaren oder irreführenden Angaben in öffentlichen Registern vorzubeugen. Erst recht muss das für Familiennamen gelten. Dem Zweck, als wesentlicher Inhalt von Personenfirmen die Identität der unbeschränkt haftenden natürlichen Personen bekannt zu geben, liefe es diametral zuwider, wenn es dem Handelsregisterführer anheimgestellt wäre, vom Zivilstandsregister abweichende Familiennamen als Bestandteile von Personenfirmen zuzulassen. Der mit beschränkter Kognitionsbefugnis ausgestattete Handelsregisterführer (
BGE 114 II 68
) hat nicht darüber zu befinden, wieweit sich die im Zivilstandsregister erscheinenden Familiennamen allenfalls kürzen lassen, ohne ihre kennzeichnende Eigenschaft einzubüssen. Welche Abweichungen von der Schreibweise gemäss Zivilstandsregister zulässig sind, umschreibt
Art. 947 Abs. 3 OR
abschliessend; indem diese Bestimmung nur die Aufnahme des Familiennamens zwingend vorschreibt, lässt sie dem unbeschränkt haftenden Gesellschafter lediglich die Freiheit, es in seiner Firmenbezeichnung beim Familiennamen bewenden zu
BGE 116 II 76 S. 79
lassen oder ihm auch den Vornamen beizufügen (HIS, N. 7 zu
Art. 947 OR
).
c) Vorliegend hat die Beschwerdeführerin Overgoor Schwarz von der Möglichkeit gemäss
Art. 160 Abs. 2 ZGB
Gebrauch gemacht und vor ihrer Trauung mit dem Beschwerdeführer Schwarz gegenüber dem Zivilstandsbeamten erklärt, sie wolle als Ehefrau Overgoor Schwarz heissen. Dementsprechend wird sie seither im Zivilstandsregister unter ihrem Doppelnamen Overgoor Schwarz aufgeführt (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum Eherecht, N. 21 zu
Art. 160 ZGB
). Nach dem Gesagten darf kein anderer als dieser amtliche Name (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 22 zu
Art. 160 ZGB
) als Firmenbestandteil der neugegründeten Kommanditgesellschaft in das Handelsregister eingetragen werden. Liesse der Registerführer den Namen Overgoor in Alleinstellung zu, so würde in der Firma eine Person als Komplementärin erscheinen, die es unter dieser Bezeichnung seit der Trauung von Gesetzes wegen nicht mehr gibt. Der vom Ehemann geführte Allianzname Overgoor ist kein amtlicher, im Zivilstandsregister eingetragener Name (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 23 zu
Art. 160 ZGB
). Die Zulassung der Firma "Annoncenverwaltung Overgoor & Co." widerspräche somit der Firmenwahrheit (
Art. 944 OR
) und wäre geeignet, die Gläubiger über ein Haftungssubjekt zu täuschen, das aufgehört hat, unter der Bezeichnung Overgoor zu existieren. Die von
Art. 947 Abs. 3 OR
geforderte Individualisierung wird nur dadurch herbeigeführt, dass die Firma den amtlichen Doppelnamen der Komplementärin gemäss Zivilstandsregister enthält.
d) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist die Ungleichbehandlung mit der Frau, die trotz gesetzlicher oder behördlicher Namensänderung eine vor der Heirat eingetragene Firma beibehalten darf (
Art. 954 OR
), sachlich gerechtfertigt. Die genannte Bestimmung erlaubt in Durchbrechung des Prinzips der Firmenwahrheit ausnahmsweise eine Abweichung vom Namen gemäss Zivilstandsregister, um eine bestehende, im Geschäftsverkehr eingelebte Firma, deren Änderung beträchtlichen Schaden mit sich bringen kann, zu erhalten (HIS, N. 2 und 5 zu
Art. 954 OR
). Wird dagegen eine Firma erst nach der Heirat gebildet, besteht dieses Bedürfnis nicht. Hier ist im Interesse der Firmenwahrheit zu verlangen, dass sich die Firma nach dem gesetzlichen Namen richtet, den die Komplementärin mit der Heirat erworben hat.
BGE 116 II 76 S. 80
Der Ausnahmetatbestand von
Art. 954 OR
kann auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung von
Art. 947 Abs. 3 OR
ausgeweitet werden, wie die Beschwerdeführer meinen. Das Firmenrecht darf nicht Namen gestatten, die nach den Vorschriften des neuen Familienrechts ausgeschlossen sind. Die revidierten Bestimmungen ermöglichen es der Braut, entweder den Namen des Ehemannes nach
Art. 160 Abs. 1 ZGB
oder den Doppelnamen nach
Art. 160 Abs. 2 ZGB
zu wählen (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 15 zu
Art. 160 ZGB
). Die Weiterführung des bisherigen Namens der Ehefrau als Familienname setzt eine Namensänderung voraus, die auf Gesuch der Brautleute bei Vorliegen achtenswerter Gründe bewilligt wird (
Art. 30 Abs. 2 ZGB
). Der Gesetzgeber hat im Interesse der Einheit des Namens in der Familie bewusst auf eine Regelung verzichtet, die es der Braut erlaubt hätte, ihren bisherigen Familiennamen beizubehalten (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 10 f. zu
Art. 160 ZGB
mit Hinweisen auf die Entstehungsgeschichte). Dieser klare gesetzgeberische Entscheid lässt auch im Firmenrecht keinen Raum für eine andere Auslegung (
Art. 113 Abs. 3 BV
). | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
820ff8c3-3608-439f-8aaf-bb68760dc89b | Urteilskopf
126 I 250
32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. September 2000 i.S. A.X. und B.X. gegen Schweizer Mustermesse AG/Art, Kunstmesse AG und Rekurskommission der Art Basel (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 27 BV
;
Art. 84 Abs. 1,
Art. 88 OG
;
Art. 762 OR
;
Art. 2 ff. BGBM
,
Art. 2 ff. KG
(Unzulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde mangels anfechtbaren Hoheitsakten).
Standplätze an der internationalen Kunstmesse ART in Basel: Ablehnende Bescheide des gemischt-wirtschaftlich organisierten Messeveranstalters gegenüber interessierten Ausstellern sind keine hoheitlichen Akte im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
. Dasselbe gilt für die Entscheide der vom Messeveranstalter eingesetzten Rekurskommission (E. 2a-c).
Die Nichtzulassung zur ART erscheint nicht als eine auf hoheitlichen Grundlagen beruhende Beschränkung des Marktzugangs, welche gegen das Binnenmarktgesetz verstossen könnte (E. 2d/bb). Schranken des Kartellgesetzes (E. 2d/cc). | Sachverhalt
ab Seite 251
BGE 126 I 250 S. 251
Die bis anhin als Genossenschaft des öffentlichen Rechts organisierte Schweizer Mustermesse in Basel (seit dem 7./21. Februar 2000 in eine Aktiengesellschaft gemäss
Art. 762 OR
umgewandelt) führt nebst einer jährlichen nationalen Warenmustermesse und vielen anderen Veranstaltungen auch die internationale Kunstmesse ART in Basel (nachfolgend: ART) durch.
A.X. und B.X. betreiben in R. eine Galerie. Nachdem sie in den Jahren 1989 bis 1998 jeweils als Aussteller an der ART teilgenommen hatten, erhielten sie für das Jahr 1999 unter Hinweis auf die beschränkte Platzkapazität seitens der Messeleitung eine Absage, wogegen sie erfolglos ein Wiedererwägungsgesuch stellten.
Mit Eingabe vom 23./25. Oktober 1999 bewarb sich die Galerie X. um einen Standplatz an der ART 31. Diese Messe sollte vom 21. bis zum 26. Juni 2000 stattfinden.
Die Bewerbung wurde erneut abgelehnt. In ihrem Schreiben vom 20. Dezember 1999 führte die Messeleitung zur Begründung aus, es hätten sich mehr als doppelt so viele Galerien angemeldet, wie Standplätze zur Verfügung stünden, und das für die Zulassung verantwortliche Committee habe sämtliche Bewerbungen einlässlich geprüft. Die Messeleitung wies sodann auf die Möglichkeit hin, gegen diesen Entscheid binnen zehn Tagen Rekurs zu erheben.
Die Eheleute X. reichten am 30. Dezember 1999 eine entsprechende Eingabe ein. Mit Entscheid vom 17. Januar 2000 wies die "Rekurskommission der Art Basel" den Rekurs ab mit der Begründung, die Zahl der sich bewerbenden Galerien betrage mehr als das Dreifache der vorhandenen Plätze, so dass unvermeidlicherweise auch zahlreiche gut ausgewiesene Bewerber abgewiesen werden müssten.
Auf die gegen diesen Entscheid gerichtete staatsrechtliche Beschwerde der Eheleute X. tritt das Bundesgericht nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde steht gegen kantonale Erlasse oder Verfügungen (Entscheide) offen (
Art. 84 Abs. 1 OG
). Anfechtungsobjekt können nur Hoheitsakte bilden, die von einem kantonalen Organ ausgehen oder auf kantonaler
BGE 126 I 250 S. 252
Herrschaftsgewalt beruhen (
BGE 108 Ia 264
E. 1 S. 266 f; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage 1994, S. 109) und die Rechtsbeziehung des Bürgers zum Staat autoritativ festlegen (
BGE 119 Ia 214
E. 2a S. 217; KÄLIN, a.a.O., S. 114 ff.). Zu den anfechtbaren kantonalen Hoheitsakten können auch Erlasse und Verfügungen gehören, welche nicht vom Kanton selber, sondern von Selbstverwaltungskörpern mit eigener Rechtspersönlichkeit (Anstalten, Gemeinden, andere öffentlichrechtliche Korporationen) oder sogar von Privaten ausgehen, wenn diese vom Kanton mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet worden sind (KÄLIN, a.a.O., S. 110).
b) Die Messeveranstaltung ART 31, für welche die Beschwerdeführer mit dem vorliegenden Verfahren die Zuteilung eines Standplatzes erwirken woll(t)en, hat inzwischen stattgefunden. Das nach
Art. 88 OG
erforderliche aktuelle praktische Interesse an der Behandlung der gegen den ablehnenden Entscheid der Rekurskommission erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde ist damit dahingefallen. Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen jeweils unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können, ohne dass im Einzelfall rechtzeitig eine verfassungsrichterliche Prüfung stattfinden kann (
BGE 125 I 394
E. 4b S. 397;
BGE 124 I 231
E. 1b S. 233, mit Hinweisen; KÄLIN, a.a.O., S. 261). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, indem allfällige Bewerbungen der Beschwerdeführer um eine Teilnahme an der ART auch in den kommenden Jahren jeweils abgewiesen und dagegen erhobene Beschwerden vom Bundesgericht nicht oder nicht ohne weiteres vor der Durchführung dieser Veranstaltung entschieden werden könnten. Da sich aber eine verfassungsrichterliche Beurteilung nur auf solche künftigen Fälle beziehen kann, ist folgerichtig auch die prozessuale Frage, ob überhaupt ein anfechtbarer Hoheitsakt im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
vorliegt (vgl. oben E. 1a), nicht auf Grund der bisherigen Rechtslage, sondern unter Berücksichtigung der inzwischen geänderten Organisationsform des Messeveranstalters zu prüfen.
2.
a) Durch Grossratsbeschluss vom 26. Februar 1920 wurde der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ermächtigt, die Durchführung der Schweizer Mustermesse einer zu diesem Zweck zu gründenden Genossenschaft zu übertragen und sich namens des Kantons an dieser zu gewissen Bedingungen zu beteiligen. Gestützt auf einen weiteren Grossratsbeschluss vom 24. April 1947 wurde
BGE 126 I 250 S. 253
die Genossenschaft Schweizer Mustermesse in Basel zu einer Genossenschaft des öffentlichen Rechts gemäss
Art. 829 OR
, in welcher der Kanton Basel-Stadt gegenüber den übrigen Genossenschaftern eine Sonderstellung besass. Mit Wirkung ab 7. Februar 2000 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft gemäss
Art. 762 OR
umgewandelt (Aktiengesellschaft mit Beteiligung von Körperschaften des öffentlichen Rechts). Es trägt heute die Bezeichnung "Schweizer Mustermesse AG" oder "Messe Basel". Die neue Gesellschaft bezweckt in erster Linie die Durchführung von Messen, Kongressen und weiteren Veranstaltungen am Standort Basel, wobei "die Bedeutung des Standortes Schweiz für die nationalen und internationalen Märkte" aufgezeigt werden soll (§ 2 der Statuten). Drei bzw. vier Mitglieder des aus sieben bis elf Personen bestehenden Verwaltungsrates werden vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt ernannt (§ 20 der Statuten). Kapital- und stimmenmässig ist der Kanton Basel-Stadt zusammen mit ihm nahestehenden Institutionen (Kantonalbank und Pensionskasse des Staatspersonals) mit 33,5% an der AG beteiligt (vgl. Ratschlag des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 14. September 1999, S. 9/10).
b) Gemäss Ziff. 3 des vom Januar 1999 datierenden "Ausstellerreglementes" der Messe Basel entscheidet die Messeleitung "allein und endgültig" über die Zulassung von Firmen und Ausstellungsobjekten, ohne Abweisungen zu begründen. Ein im September 1999 (auf Grund einer Intervention des Sekretariates der Eidgenössischen Wettbewerbskommission) im Hinblick auf die ART 31 erlassenes "Zusatzreglement" enthält nähere Vorschriften über das Zulassungsverfahren. Danach entscheidet ein "Art Committee" auf Grund "qualitativer und messekonzeptioneller Gesichtspunkte" an einer Klausursitzung über die Zulassung der Aussteller, unter anderem unter Berücksichtigung des "Galerieprogramms, der Galeriearbeit, der Zusammenarbeit der Galerie mit den vertretenen Künstlern, der bisherigen Präsentation der Galerie an der Art Basel wie auch an anderen internationalen Kunstmessen, des eingereichten Projekts für die Art Basel usw.". Dabei hat sich jeder Bewerber jedes Jahr diesem Selektionsprozedere zu unterwerfen. Die Zulassungsentscheide des Committees werden ohne Begründung schriftlich mitgeteilt. Negative Entscheide können innerhalb von zehn Tagen bei einer "Rekurskommission der Art Basel" angefochten werden. Diese besteht aus drei "unabhängigen Mitgliedern", einem Schweizer Juristen als Präsidenten und zwei Fachleuten des internationalen Kunstmarktes, welche während der letzten beiden ihrer Ernennung
BGE 126 I 250 S. 254
vorangegangenen Jahre weder Mitglied des Art Committees noch Aussteller der Art Basel gewesen sein dürfen. Die Rekurskommission überprüft die Ablehnungsentscheide des Art Committees lediglich "im Hinblick auf Willkür", und ihre schriftlich mitzuteilenden Entscheide werden nicht begründet.
c) Sowohl das genannte Art Committee wie auch die für die Überprüfung von Ablehnungsentscheiden zuständige Rekurskommission werden von der zuständigen "Messeleitung" eingesetzt, deren Handeln der Aktiengesellschaft Schweizer Mustermesse AG zuzurechnen ist.
Die Rechtsbeziehungen einer Aktiengesellschaft zu privaten Dritten unterstehen, auch wenn es sich um eine gemischt-wirtschaftliche Unternehmung im Sinne von
Art. 762 OR
handelt, den einschlägigen Regeln des Privatrechts, soweit keine anderslautenden Vorschriften bestehen. Das gilt auch für die von einer solchen Gesellschaft gegenüber privaten Kunden erbrachten Dienstleistungen (BEAT KRÄHENMANN, Privatwirtschaftliche Tätigkeit des Gemeinwesens, Basel 1987, S. 135, 139). Wenn die Schweizerische Mustermesse AG durch die von ihr eingesetzten Organe Verträge über Standplätze an einer Messe abschliesst oder aber die Zurverfügungstellung solcher Plätze ablehnt, handelt sie dabei nicht hoheitlich, sondern als Subjekt des Privatrechtes. Es bestehen keine besonderen öffentlichrechtlichen Vorschriften, welche diese Gesellschaft verpflichten würden, interessierte Private unter bestimmten Voraussetzungen als Aussteller zuzulassen, und die ihr überdies die Kompetenz gäben, über streitige Fragen des Benutzungsverhältnisses einseitig durch eine hoheitliche Verfügung zu entscheiden (wie dies etwa für öffentliche Anstalten zutreffen kann). Ablehnende Bescheide des Messeveranstalters gegenüber interessierten Ausstellern sind daher keine hoheitlichen Akte im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
. Dasselbe gilt für die Entscheide der vom Messeveranstalter eingesetzten Rekurskommission, welche bei Verweigerung der Zulassung angerufen werden kann, auch wenn dieses interne Verfahren formell wie ein staatliches Justizverfahren ausgestaltet sein mag. Weder die Messeleitung bzw. das Art Committee noch die Rekurskommission besitzen die Befugnis zum Erlass von (hoheitlichen) Verfügungen.
d) Wohl ist für die Beurteilung der Frage, ob eine beanstandete Handlung als anfechtbarer kantonaler Hoheitsakt im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
einzustufen ist, auch zu berücksichtigen, wieweit das betreffende Verhalten geeignet ist, Grundrechte zu verletzen.
BGE 126 I 250 S. 255
Wenn das Rechtsschutzbedürfnis dies gebietet, kann eine Anfechtungsmöglichkeit allenfalls selbst dann bestehen, wenn keine förmliche Verfügung vorliegt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Behörde den Erlass einer Verfügung zu Unrecht verweigert oder verzögert (formelle Rechtsverweigerung). Die Frage kann sich unter Umständen auch bei gewissen (positiven) Realakten stellen, durch welche der Staat ohne Erlass einer Verfügung in Grundrechte eingreift (vgl.
BGE 121 I 87
E. 1b S. 91, mit Hinweisen). Es muss sich aber in jedem Falle um Akte oder Anordnungen handeln, welche dem Staat oder einem Träger öffentlicher Aufgaben zuzurechnen sind und von ihrem Inhalt oder von den berührten Grundrechten her ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis begründen. Ein derartiger Sonderfall liegt hier nicht vor:
aa) Bei der Zulassung als Aussteller der ART geht es nicht um die Inanspruchnahme öffentlichen Grundes, worauf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes auf Grund der Wirtschaftsfreiheit (
Art. 27 BV
) unter gewissen Voraussetzungen ein verfassungsrechtlicher Anspruch bestehen kann (
BGE 126 I 133
E. 4d S. 139 ff.), und worüber das zuständige Gemeinwesen in der Regel auf dem Wege einer anfechtbaren Verfügung zu entscheiden hat. Das für die Messeveranstaltungen bestimmte Gelände wurde der Schweizer Mustermesse AG bzw. ihrer Rechtsvorgängerin vom Kanton seinerzeit für diesen Zweck im Baurecht abgetreten und gehört damit nicht mehr zu jenen öffentlichen Flächen, welche allenfalls gestützt auf die Wirtschaftsfreiheit vorübergehend auch interessierten Privaten zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Vergabe eines Standplatzes an den hier fraglichen Messeveranstaltungen lässt sich nicht vergleichen mit der Überlassung eines Platzes für einen Marktstand oder eine Zirkusveranstaltung auf einem unter der direkten Herrschaft des Gemeinwesens verbliebenen öffentlichen Areal (vgl. dazu
BGE 121 I 279
E. 4-6 S. 284 ff.;
119 Ia 445
E. 4 S. 451 f.).
bb) Unbehelflich ist sodann der Hinweis auf das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02). Wohl schreibt dieses vor, dass Beschränkungen des freien Zuganges zum Markt, insbesondere im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, in Form einer anfechtbaren Verfügung zu erlassen sind (
Art. 9 Abs. 1 BGBM
). Vorliegend geht es nicht um eine öffentliche Beschaffung im Sinne von
Art. 5 BGBM
, da die Messeveranstalter nicht als Abnehmer von Sachen oder Dienstleistungen auftreten, sondern im Gegenteil selber gewerbliche Leistungen offerieren (Zurverfügungstellung eines Standplatzes),
BGE 126 I 250 S. 256
was allein schon diesen Vorgang dem Geltungsbereich der Vorschriften über das öffentliche Beschaffungswesen entzieht (
BGE 125 I 209
E. 6 S. 212 ff.); dazu kommt, dass die Schweizer Mustermesse AG wohl auch nicht als Trägerin öffentlicher Aufgaben im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 BGBM
anzusehen ist. Des Weitern erscheint die Nichtzulassung zur ART - auch wenn diese Kunstmesse heute eine dominierende Stellung haben mag - nach dem Gesagten nicht als eine auf hoheitlichen Grundlagen beruhende Beschränkung des Marktzuganges für ortsfremde Anbieter, welche gegen
Art. 2 und 3 BGBM
verstossen könnte und alsdann gemäss
Art. 9 Abs. 1 BGBM
in Form einer anfechtbaren Verfügung zu erlassen wäre; weder beruht der Zulassungsentscheid auf kantonaler Herrschaftsgewalt (vgl. E. 2c), noch lässt sich behaupten, dass die angewendeten Zulassungskriterien auf den Ausschluss ausserkantonaler Anbieter ausgerichtet seien.
cc) Eine unzulässige Beschränkung des freien Wettbewerbes kann zwar auch von privatrechtlich organisierten Unternehmen ausgehen. Dieser Fragenbereich wird durch das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz, KG; SR 251) erfasst, dessen Bestimmungen zu jenen des Binnenmarktgesetzes in einem komplementären Verhältnis stehen (Botschaft des Bundesrates vom 23. November 1994 zu einem Bundesgesetz über den Binnenmarkt, BBl 1995 I 1236) und, mit gewissen Vorbehalten (
Art. 3 KG
), auch für öffentlichrechtlich organisierte Unternehmen gelten (
Art. 2 Abs. 1 KG
). Im vorliegenden Falle stellte das Sekretariat der Eidgenössischen Wettbewerbskommission im Rahmen einer Vorabklärung gemäss
Art. 26 KG
bei der Kunstmesse ART Anhaltspunkte für eine unzulässige Verhaltensweise eines marktbeherrschenden Unternehmens im Sinne von
Art. 7 KG
fest. Dies veranlasste die Veranstalter der Messe, das bisherige Verfahren für die Auswahl der Aussteller zu verbessern und eine interne Rekursmöglichkeit zur Überprüfung von ablehnenden Bescheiden einzuführen (vgl. E. 2b), worauf das Sekretariat der Wettbewerbskommission die Angelegenheit als abgeschlossen erachtete. Wie es sich mit den von den Beschwerdeführern gegen das Zulassungsprozedere erhobenen Einwendungen verhält (rechtliches Gehör, Akteneinsicht, Begründungspflicht, Ausstandspflicht), wäre allenfalls auf Grund der Vorschriften des Kartellgesetzes zu beurteilen. Es handelt sich nach dem Gesagten aber nicht um ein hoheitliches Verfügungsverfahren, für welches die vorliegend angerufenen verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien gelten würden
BGE 126 I 250 S. 257
und dessen Ergebnis als hoheitlicher Akt gemäss
Art. 84 ff. OG
mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Grundrechten angefochten werden könnte.
e) Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach schon mangels eines tauglichen Anfechtungsobjektes nicht einzutreten, ohne dass die übrigen Eintretensvoraussetzungen (Letztinstanzlichkeit, Art. 86/87 OG, und Legitimation,
Art. 88 OG
) zu prüfen wären. Eine Abnahme der beantragten Beweise erübrigt sich. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
821113ef-bee3-4fa3-98f4-990a4347f708 | Urteilskopf
89 II 87
16. Arrêt de la le Cour civile du 19 mars 1963 dans la cause Caisse d'épargne de Bassecourt contre Gilbert Choffat. | Regeste
1. Rechtswirkungen der Errichtung eines Sparhefts auf den Namen eines Dritten, wobei der Einleger sich das volle Verfügungsrecht bis zu seinem Tode vorbehält (Erw. 1, 2 und 6).
2. Tragweite der Verweisung des
Art. 245 Abs. 2 OR
auf die Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen (Erw. 3, 4 und 5).
3. Keine Legitimation eines Dritten zur Geltendmachung des Formmangels einer Schenkung von Todes wegen (Erw. 3).
4. Ist eine Bank befugt, sich den Erben eines verstorbenen Kunden gegenüber auf das Bankgeheimnis zu berufen? (Erw. 6).
5. Kann der Empfänger einer Schenkung von Todes wegen sich auf die mit dem Besitz verbundene Eigentumsvermutung berufen? (Erw. 7).
6. Auslegung des
Art. 975 Abs. 1 OR
(Erw. 8). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 89 II 87 S. 87
A.-
Le 17 mars 1952, Léon Choffat a déposé 10 000 fr.
à la Caisse d'épargne de Bassecourt, succursale de Porrentruy,
BGE 89 II 87 S. 88
sur le carnet d'épargne no 7847. Il a fait établir ce document au nom de son petit-fils "Gilbert Choffat fils Joseph, Porrentruy". Toutefois, il y a fait inscrire la réserve suivante: "A l'entière disposition de M. Léon Choffat fils Henri à Coeuve, de son vivant".
Léon Choffat est décédé le 15 juin 1958. Il a disposé du carnet d'épargne jusqu'à sa mort. Le montant déposé s'élevait alors à 19 000 fr.
Auparavant, le 8 avril 1958, l'avocat de Gilbert Choffat avait invité la banque par écrit à ne consentir aucun retrait de fonds à Léon Choffat père, alléguant que celui-ci était sénile et pouvait subir l'influence de tierces personnes qui cherchaient, dans leur propre intérêt, à lui faire prélever de l'argent sur le livret d'épargne. Le 22 avril 1958, le notaire Dietlin, agissant au nom d'un mandant dont on ignore l'identité, s'était présenté au guichet de la banque pour demander le remboursement du carnet, qu'il n'obtint pas. Quelque temps plus tard, Léon Choffat père lui-même, ainsi que son fils Léon, avaient fait la même demande, sans plus de succès. Les conditions du prêt, imprimées sur le carnet d'épargne, prévoient en effet que la banque rembourse les sommes au-dessus de cinq mille francs "après soixante jours d'avertissement". La Caisse d'épargne de Bassecourt déclare dans son recours en réforme qu'elle a pris note de la demande de remboursement de Léon Choffat, le 7 mai 1958, mais ne pouvait y donner suite avant l'expiration du délai.
Le 23 juin 1958, après le décès de son grand-père, Gilbert Choffat demanda à son tour le remboursement des 19 000 fr. déposés sur le carnet d'épargne. La banque refusa de lui remettre la somme sans la signature de tous les héritiers, en raison des difficultés qui risquaient de surgir dans la liquidation de la succession.
Gilbert Choffat cita alors la Caisse d'épargne de Bassecourt en conciliation. Aucun accord n'intervint à l'audience tenue le 26 janvier 1961. La banque, estimant que la créance en remboursement du carnet d'épargne était
BGE 89 II 87 S. 89
litigieuse, consigna au greffe du Tribunal du district de Delémont le montant intégral, en capital et intérêt, à savoir 20 103 fr.
B.-
Le 24 juillet 1961, Gilbert Choffat fit assigner la Caisse d'épargne de Bassecourt devant le Tribunal de commerce du canton de Berne en paiement de 19 000 fr. avec intérêt à 5% dès le 1er janvier 1958.
La défenderesse conclut à libération des fins de la demande. Subsidiairement, elle déclarait acquiescer à la réclamation "s'il est reconnu par un jugement passé en force que le demandeur est seul et légitime propriétaire du carnet d'épargne no 7847 de la défenderesse ou si tous les héritiers de feu Léon Choffat, fils Henri, donnent leur assentiment à la remise au demandeur des fonds déposés sur le carnet no 7847".
Par jugement du 21 septembre 1962, le Tribunal de commerce admit la demande et condamna la Caisse d'épargne de Bassecourt à payer à Gilbert Choffat 19 000 fr. avec intérêt bancaire normal du 26 mars au 8 octobre 1958 et, dès cette dernière date, avec intérêt à 5%, ainsi qu'aux frais. Ce jugement est motivé en substance comme il suit: aucun héritier du défunt n'a revendiqué formellement le carnet d'épargne; la titularité de la créance n'étant dès lors pas litigieuse, la débitrice ne peut se libérer par la consignation en invoquant l'art. 168 CO; quant au fond, le demandeur a valablement acquis la propriété du carnet d'épargne; le moyen que tire la banque de la nullité de la donation est une ingérence dans les rapports entre les héritiers, qui ne la concernent pas.
C.-
La Caisse d'épargne de Bassecourt recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle persiste dans ses conclusions de première instance.
L'intimé Gilbert Choffat conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Pour que l'intimé soit fondé à disposer seul du livret d'épargne litigieux, il faudrait qu'il ait acquis la
BGE 89 II 87 S. 90
créance en restitution des fonds déposés auprès de la recourante en vertu d'un titre juridique valable. Le titre pourrait être ou un acte de transfert entre vifs, ou une dévolution à cause de mort.
La création d'un livret d'épargne au nom d'un tiers et la remise du livret, dans l'intention de donner, au tiers qui l'accepte, constituent une donation entre vifs (RO 52 II 288;
64 II 360
). En l'espèce, Léon Choffat a bien fait établir le carnet d'épargne au nom de l'intimé, mais il ne le lui a pas remis. Il s'en est au contraire réservé expressément l'entière disposition de son vivant. Il a fait inscrire cette réserve sur le livret. Il a disposé de celui-ci jusqu'à sa mort. Il avait même demandé auparavant le remboursement des fonds déposés.
De ces faits, il résulte que Léon Choffat n'a jamais eu la volonté de transmettre immédiatement la propriété du livret d'épargne à son petit-fils. Il ne lui a pas cédé non plus, de son vivant, la nue-propriété. En effet, il s'est réservé non seulement la jouissance du livret sa vie durant, mais aussi le droit exclusif de disposer de la somme épargnée. Conservant le droit de disposition, ainsi que la faculté de retirer les fonds, il a gardé pour lui tous les attributs de la propriété (RO 67 II 94 consid. 1). Il n'a donc pas fait une donation entre vifs.
2.
Certes, Léon Choffat voulait bien gratifier son petit-fils d'une libéralité. Mais celle-ci ne devait prendre effet qu'à son décès. L'acceptation du bénéficiaire n'est pas constatée expressément par le jugement entrepris. Elle ressort toutefois de l'intervention de l'intimé auprès de la recourante, le 8 avril 1958. Gilbert Choffat a manifesté alors son intention d'accepter la libéralité, dont il avait eu connaissance avant le décès du donateur. Il a en effet consulté avocat pour faire interdire à Léon Choffat, prétendument sénile, d'exercer le droit de disposition qu'il s'était réservé. La création du livret d'épargne litigieux est donc une donation à cause de mort.
3.
Selon l'art. 245 al. 2 CO, "les donations dont
BGE 89 II 87 S. 91
l'exécution est fixée au décès du donateur sont soumises aux règles concernant les dispositions pour cause de mort". Le renvoi concerne au premier chef les règles de forme instituées par la loi pour les dispositions à cause de mort. La donation à cause de mort est soumise aux règles du pacte successoral (RO 76 II 276). Il en est de même du mandat conféré à un tiers de faire une libéralité après la mort du mandant (RO 58 II 427/8). En l'espèce, les formalités requises par l'art. 512 CC, c'est-à-dire celles du testament public (art. 499 ss. CC), n'ont pas été respectées, pas plus d'ailleurs que celles du testament olographe (art. 505 al. 1 CC).
Contrairement aux actes entre vifs, qui ne sont pas valables en cas d'inobservation de la forme prescrite par la loi (art. 11 CO), les actes à cause de mort entachés d'un vice de forme ne sont pas nuls, mais seulement annulables. Le jugement qui prononce l'annulation n'a d'effet qu'entre les parties litigantes (RO 81 II 36). Seuls les héritiers ou légataires intéressés ont qualité pour se prévaloir d'un motif d'annulation (art. 520 al. 3 CC et 519 al. 2 CC), que ce soit par voie d'action ou d'exception. Un tiers, fût-il comme en l'espèce le débiteur de la créance donnée, n'est pas habile à invoquer le vice de forme affectant la donation à cause de mort. La recourante ne peut dès lors opposer ce moyen à la réclamation de l'intimé.
4.
Le renvoi de l'art. 245 al. 2 CO ne vise pas seulement les règles de forme applicables aux dispositions à cause de mort. Il a une portée générale. Sans doute son étendue quant au fond est-elle controversée en doctrine. Selon certains auteurs, la loi assimile complètement la donation à cause de mort au pacte successoral, de sorte que celle-là n'est pas une institution propre et ne se distingue en rien de celui-ci (ESCHER, Commentaire, 3e éd., introduction aux dispositions à cause de mort, ch. VI, n. 7 p. 100; VON TUHR, RSJ 18 (1921/22) p. 205 N. 23; GUISAN, Recueil de travaux de la Faculté de droit de Lausanne, 1934, p. 40/41; KNAPP, Zum schw. Erbrecht, Festgabe für
BGE 89 II 87 S. 92
Tuor, Zurich 1946, p. 227). Pour d'autres auteurs, en revanche, la donation à cause de mort crée en faveur du donataire non pas une simple expectative, une vocation à succéder irrévocable, à titre universel ou singulier (Anwartschaft), mais un droit né du vivant du donateur et soumis à un terme, le décès de celui-ci (OSER-SCHÖNENBERGER, Commentaire, n. 19 ad. art. 245 CO; TUOR, Commentaire, 2e éd., rem. prél. 20 sur le pacte successoral, p. 278). Le Tribunal fédéral a laissé jusqu'ici la question indécise (RO 84 II 252 consid. 7). Elle peut le demeurer encore. La principale conséquence pratique de la controverse doctrinale concerne en effet l'application aux donations à cause de mort des art. 494 al. 2 et 3 et 515 al. 1 CC, peut-être aussi de l'art. 564 al. 1 CC. Aucune de ces dispositions ne joue un rôle dans la solution du présent litige.
Tous les auteurs admettent avec raison que les règles sur le contenu des dispositions à cause de mort s'appliquent en vertu du renvoi de l'art. 245 al. 2 CO (OSER-SCHÖNENBERGER, op.cit., n. 20 ad art. 245 CO; TUOR, op.cit., introduction au titre XIV du CC, n. 5, p. 93/94; W. MOSER, Über die Abgrenzung der Rechtsgeschäfte ..., thèse Berne 1926, p. 6). Lorsque la donation à cause de mort a pour objet non pas l'universalité ou une quote-part de la succession (art. 483 CC), mais une chose déterminée, cet objet est un legs (art. 484 CC). Au décès du donateur, le donataire n'acquiert pas un droit immédiat sur la chose donnée, mais une action personnelle en délivrance de cette chose contre les héritiers (art. 562 CC). L'application des règles du Code des obligations sur la promesse de donner, qui est un contrat générateur d'obligations, conduirait d'ailleurs au même résultat.
5.
Il résulte encore de l'art. 245 al. 2 CO que les biens donnés échoient au bénéficiaire non pas par un transfert entre vifs, mais par une dévolution à cause de mort. Celle-ci est régie de manière impérative et exhaustive par la loi (titres XV et XVI CC). Elle ne doit pas être occulte.
BGE 89 II 87 S. 93
En effet, la liberté de disposer n'est pas absolue. Elle est limitée par les droits des créanciers du défunt, d'une part, par les règles sur la réserve et les rapports, d'autre part. Dans la procédure instituée par la loi, les héritiers légaux et réservataires notamment sont mis à même de vérifier les titres d'acquisition de ceux qui se prétendent successeurs du défunt, à titre universel ou singulier, et de faire valoir leurs droits. Les règles de la dévolution au décès ne peuvent être éludées en recourant à des voies détournées, par exemple le mandat post mortem ou le dépôt de papiersvaleurs au nom d'un tiers, combiné avec une stipulation pour autrui; de tels actes sont assimilés à la donation à cause de mort et soumis aux règles applicables à celle-ci (RO 58 II 423;
67 II 88
;
88 II 70
).
6.
En l'espèce, la création du livret d'épargne au nom de l'intimé constitue une promesse de donner à cause de mort, qui a conféré au bénéficiaire une simple créance. Tant que la promesse n'est pas exécutée, l'intimé n'a aucun droit sur le livret ni sur les fonds déposés; il n'est pas titulaire de la créance en restitution de ces valeurs. Or il n'y a pas eu d'exécution du vivant du donateur. A son décès, l'objet de la donation, dont il avait conservé l'entière propriété, est devenu de plein droit la propriété commune de ses héritiers, selon l'art. 560 CC. Ceux-ci ont pris la place du défunt dans tous ses rapports de droit avec la recourante. Ils sont devenus titulaires communs de la créance représentée par le carnet d'épargne.
La banque dépositaire de biens du défunt ne saurait ignorer les héritiers en invoquant le devoir de discrétion qui la liait à son mandant. Le droit au secret bancaire passe en effet aux héritiers. Chacun d'eux a le droit d'être pleinement renseigné sur tout ce qui concerne le patrimoine du défunt. Cette connaissance lui est nécessaire pour faire valoir ses droits. Quant aux faits de nature strictement personnelle que le défunt aurait confiés à son banquier en lui ordonnant expressément de garder le secret même à l'égard de ses héritiers, la question peut
BGE 89 II 87 S. 94
encore rester indécise (RO 74 I 493/4;
82 II 567
, consid. 7).
En vertu de la donation, l'intimé est fondé à réclamer aux héritiers de feu Léon Choffat l'exécution de la libéralité, c'est-à-dire le transfert du livret d'épargne. Les héritiers sont tenus de délivrer le bien donné, à moins qu'ils ne fassent valoir par voie d'exception l'invalidité de l'acte entaché d'un vice de forme. Aussi longtemps que les héritiers n'ont pas exécuté la donation, l'intimé n'a pas qualité pour exiger de la recourante la restitution des fonds déposés.
7.
Le fait que le livret d'épargne est établi au nom de l'intimé, qui l'a produit en justice et semble donc le posséder, ne conduit pas à une solution différente. Sans doute la possession d'un livret d'épargne à son nom crée-telle la présomption que le porteur, qui s'identifie avec la personne désignée, est le titulaire de la créance (RO 84 II 513, consid. 7; JÄGGI, Commentaire, n. 315 ad art. 965 CO). L'intimé ne saurait toutefois invoquer cette présomption. En effet, de par l'art. 560 CC, la possession des biens laissés par le défunt passe de plein droit à ses héritiers. Seule la communauté héréditaire bénéficie des présomptions qui s'attachent à la possession (ESCHER, op.cit., n. 4 ss. ad art. 560 CC). Peu importe, dès lors, que l'intimé ait détenu le livret d'épargne au moment de l'introduction du procès. D'ailleurs, la jurisprudence a limité la présomption fondée sur la possession aux seuls cas où celle-ci est telle qu'on en puisse inférer provisoirement l'existence d'un droit de propriété (RO 71 II 255;
76 II 344
). En l'espèce, à défaut de remise du livret avant le décès de Léon Choffat, l'intimé ne peut invoquer d'autre titre de propriété que la donation; celle-ci ne permettrait d'inférer un droit de propriété que si les héritiers avaient délivré le carnet d'épargne, dont ils étaient seuls habiles à disposer après le décès. Mais cette remise n'a pas eu lieu. La recourante le savait, par les interventions dont elle a été l'objet.
L'établissement du livret au nom de l'intimé manifeste
BGE 89 II 87 S. 95
l'intention de I -éon Choffat de le lui donner après sa mort. Il a pour effet d'éviter une cession, qui eût été nécessaire sans cela, en sorte que la remise du livret serait suffisante pour exécuter la donation à cause de mort. Cependant, l'exécution ne peut être faite que par les héritiers. Tant qu'elle n'est pas intervenue, l'intimé n'a pas acquis la créance du défunt contre la recourante.
8.
L'intimé ne peut se prévaloir non plus de l'art. 975 CO, en soutenant que le carnet d'épargne, revêtu de la clause de présentation, est un papier-valeur. Ce point est controversé. Le Tribunal fédéral a certes jugé que le livret d'épargne n'est pas un papier-valeur, mais un titre de preuve qualifié (RO 67 II 32). Toutefois, son opinion a été critiquée par BOLLA (Repertorio di giurisprudenza patria, 1943 p. 53). Elle est contredite par JÄGGI (op. cit., n. 291 ad art. 965 CO). Il n'est cependant pas nécessaire de réexaminer la question. En effet, au contraire de l'art. 978 CO qui vise les titres au porteur, l'art. 975 CO n'oblige pas le débiteur d'un titre nominatif a payer à tout porteur justifiant de son identité avec la personne au nom de qui le titre est créé. Il autorise seulement le débiteur à payer au porteur, sur le vu de cette justification, et dégage sa responsabilité s'il paie de la sorte (cf. JÄGGI, op.cit., n. 4, 9 et 10 ad art. 975 CO). L'intimé ne saurait donc exiger le paiement par la seule présentation du livret établi à son nom.
9.
N'ayant pas acquis valablement la créance constatée dans le carnet d'épargne litigieux, l'intimé n'est pas fondé à obtenir de la banque le remboursement des fonds déposés. Les conclusions libératoires de la recourante sont dès lors fondées. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
82164052-8aec-483d-9034-f73ccd10ebfc | Urteilskopf
122 IV 231
34. Estratto della sentenza della Corte di cassazione penale del 18 settembre 1996 nella causa G. c. Tribunale cantonale amministrativo del Cantone Ticino (ricorso per cassazione) | Regeste
Art. 23 Abs. 6 ANAG
,
Art. 6 und 41 BVO
; Warenlieferung (zweimal pro Woche) von Italien in die Schweiz, Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 6 BVO
?
Ob eine bestimmte Tätigkeit eine Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 6 BVO
darstellt, hat im Zweifelsfall das BIGA zu entscheiden (E. 2b).
Die Warenlieferung (zweimal pro Woche) eines italienischen Chauffeurs in die Schweiz, der für ein italienisches Unternehmen arbeitet, stellt keine bewilligungspflichtige Erwerbstätigkeit im Sinne der BVO dar (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 231
BGE 122 IV 231 S. 231
A.-
Il 3 febbraio 1995, il Dipartimento delle istituzioni del Cantone Ticino, Sezione degli stranieri, ha riconosciuto G colpevole di infrazione alle disposizioni di polizia degli stranieri (art. 3 cpv. 3 e 23 cpv. 6 LDDS [RS 142.20], art. 6 OLS [RS 823.21]), per avere, in qualità di dipendente della ditta F S.r.l. di X. (I) e con frequenza bisettimanale, fornito funghi nonché altri frutti del sottobosco a diversi esercizi
BGE 122 IV 231 S. 232
pubblici ticinesi senza essere provvisto del necessario permesso, e lo ha condannato al pagamento di una multa di fr. 130.--. Precedentemente, G è stato pure fatto oggetto, per i medesimi motivi, di un divieto d'entrata in Svizzera, pronunciato dall'Ufficio federale degli stranieri su proposta della Sezione cantonale degli stranieri.
Il ricorso inoltrato dall'interessato contro la decisione dipartimentale è stato respinto dal Tribunale cantonale amministrativo del Cantone Ticino con sentenza del 7 febbraio 1996.
B.-
G è insorto con tempestivo ricorso per cassazione contro tale decisione, chiedendo il suo annullamento e il rinvio della causa all'autorità cantonale per un nuovo giudizio.
Con osservazioni del 30 maggio 1996 il Dipartimento delle istituzioni del Cantone Ticino, Sezione degli stranieri, ha postulato di respingere il ricorso, nella misura in cui esso è ammissibile. Chiamato a pronunciarsi, l'Ufficio federale dell'industria, delle arti e mestieri e del lavoro (UFIAML), ha rinunciato, in considerazione dei lati oscuri e contraddittori che a suo avviso scaturiscono dagli atti, a prendere posizione sul caso concreto, limitandosi ad alcune considerazioni in merito alla nozione di attività lucrativa.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
(Ammissibilità)
2.
Il Tribunale cantonale amministrativo del Cantone Ticino ha confermato la multa inflitta al ricorrente dal Dipartimento delle istituzioni del Cantone Ticino, Sezione degli stranieri. Fondandosi sulla circolare del 7 gennaio 1974 in materia di polizia degli stranieri, concernente gli autisti stranieri di ditte con sede all'estero, l'autorità cantonale di ultima istanza ha considerato che unicamente il trasporto occasionale di merci dall'Italia al Cantone Ticino non necessita di un permesso ai sensi della LDDS. Per converso, il ricorrente, cui è rimproverato di aver rifornito bisettimanalmente i suoi clienti svizzeri, avrebbe dovuto chiedere un simile permesso. Avendo omesso di richiederlo, egli si sarebbe quindi reso colpevole di infrazione alle disposizioni di polizia degli stranieri.
Il ricorrente censura la decisione impugnata. Citando l'UFIAML, egli fa valere che l'attività da lui svolta non costituisce un'attività lucrativa ai sensi dell'art. 6 OLS e che, quindi, egli non necessita di un permesso della polizia degli stranieri. Al proposito, il ricorrente contesta il criterio dell'occasionalità utilizzato dall'autorità cantonale, nonché la
BGE 122 IV 231 S. 233
circostanza che quest'ultima ha fondato la sua decisione su istruzioni amministrative interne, sprovviste di forza di legge.
a) Gli stranieri venuti in Svizzera con l'intenzione di stabilirvisi o di esercitare un'attività lucrativa devono notificare, entro otto giorni, ma in ogni caso prima di assumere un impiego, il loro arrivo alla polizia degli stranieri del luogo ove risiedono allo scopo di regolare le condizioni della loro residenza (art. 2 cpv. 1 prima e seconda proposizione LDDS). Gli stranieri soggetti al termine di notificazione di otto giorni che vengono più volte in Svizzera, sono tenuti a notificarsi al più tardi entro l'ottavo giorno di dimora effettiva nel paese, salvo che questi otto giorni si distribuiscano in un periodo di più di novanta giorni (art. 2 cpv. 4 ODDS; RS 142.201); il termine di otto giorni si calcola comprendendovi ogni volta il giorno dell'entrata in Svizzera (art. 22 cpv. 1 seconda proposizione ODDS). Lo straniero che esercita un'attività lucrativa senza assumere un impiego può fare a meno del permesso solo durante il termine di notificazione (art. 3 cpv. 8 prima proposizione ODDS). È considerata attività lucrativa qualsiasi attività dipendente o indipendente che normalmente dà un guadagno, segnatamente qualsiasi attività svolta per un datore di lavoro domiciliato in Svizzera o all'estero (art. 6 cpv. 1 e 2 lett. a OLS). Se non è evidente che l'attività di uno straniero è lucrativa, decide l'autorità cantonale preposta al mercato del lavoro (art. 41 cpv. 1 OLS). Nel dubbio, quest'ultima sottopone il caso, per decisione, all'UFIAML (art. 41 cpv. 2 OLS).
Le (altre) infrazioni alle disposizioni di polizia degli stranieri o ai provvedimenti delle autorità competenti sono punite con la multa fino a duemila franchi; nei casi di minima gravità si può prescindere da ogni pena (art. 23 cpv. 6 LDDS).
b) Dagli atti emerge un fitto scambio di corrispondenza fra le competenti autorità cantonali (Sezione cantonale degli stranieri e Sezione cantonale per il promovimento economico e del lavoro, Ufficio della manodopera estera), nonché fra queste ed il patrocinatore del ricorrente. Oggetto di tale corrispondenza era la questione se l'attività svolta dal ricorrente fosse da considerare un'attività lucrativa ai sensi dell'art. 6 OLS e se, conseguentemente, egli necessitasse di un permesso della polizia degli stranieri. Malgrado i dubbi esistenti, comprovati dalle contraddittorie informazioni rilasciate dagli organi competenti, non risulta che le autorità cantonali, segnatamente l'Ufficio della manodopera estera, abbiano sottoposto la questione, per decisione, all'UFIAML giusta l'art. 41 cpv. 2 OLS. Il parere di quest'ultima autorità è bensì stato sollecitato solo successivamente alla multa impugnata. In tali circostanze, ci si può
BGE 122 IV 231 S. 234
chiedere se la decisione dipartimentale, confermata in sede di ricorso, non fosse prematura. Il quesito può essere lasciato aperto, dato che, comunque, la decisione impugnata va annullata per le ragioni che seguiranno.
Con lettera del 27 marzo 1995, l'UFIAML ha rinunciato a pronunciarsi sul caso in esame. D'intesa con l'Ufficio federale degli stranieri, esso ha tuttavia segnalato all'autorità cantonale che "la semplice consegna di merce, già chiaramente, definitivamente e precisamente ordinata, che in altre circostanze o situazioni potrebbe essere inviata per posta, non dev'essere considerata come un'attività lucrativa con esigenza di un permesso". Un tale permesso sarebbe invece necessario, secondo l'avviso della medesima autorità, qualora la consegna di merce avvenisse parallelamente alla ricerca di clienti, con eventuale vendita a questi ultimi. Le considerazioni espresse nel citato scritto sono state ribadite in sede di osservazioni al ricorso. Ora, come testé illustrato, l'UFIAML è l'autorità amministrativa federale chiamata a decidere, in casi dubbi, se una determinata attività sia un'attività lucrativa ai sensi della OLS (art. 41 cpv. 2 OLS). Nell'ambito di questa sua funzione, esso concretizza le prescrizioni legali e uniforma la prassi relativa a situazioni particolari, che esulano dalla normale applicazione della legge. Nella fattispecie, l'avviso espresso dall'UFIAML, è convincente e non viola il diritto federale: esso consente di conciliare in modo pragmatico le esigenze dettate da una normativa legale restrittiva con quelle imposte dalla necessità di preservare la fluidità degli scambi commerciali e del traffico transfrontaliero. Ne consegue che, nel caso concreto ove, secondo gli accertamenti insindacabili dell'autorità cantonale, il ricorrente ha effettuato, in qualità di autista di una ditta italiana, consegne bisettimanali di merci in Svizzera, non è ravvisabile un'attività lucrativa ai sensi della OLS, suscettibile di essere sottoposta ad autorizzazione. Nella misura in cui l'autorità cantonale si è scostata senza motivo dal parere dell'UFIAML, essa ha violato il diritto federale. La decisione impugnata, peraltro fondata su istruzioni interne superate, va pertanto annullata. Va altresì aggiunto che, contrariamente a quanto sembra sostenere l'autorità cantonale, la normativa legale in materia di polizia degli stranieri, segnatamente la OLS, non ha quale scopo di impedire la concorrenza fra ditte svizzere ed estere. Tale concorrenza, del resto, non sarebbe sostanzialmente esclusa qualora l'attività svolta dal ricorrente venisse impedita.
3.
(Spese) | null | nan | it | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
821676d6-c2c8-4251-9a2b-2e7daa32f30e | Urteilskopf
113 Ib 314
50. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1987 i.S. X. gegen Baudirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Raumplanung; Ausnahmebewilligung.
1.
Art. 22 RPG
; Bewilligungspflicht für eine Beton-Aufbereitungsanlage.
Zu den nach
Art. 22 RPG
bewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen gehört auch eine nicht fest im Boden verankerte Beton-Aufbereitunganlage, wenn sie jeweils über längere Zeit am selben Ort aufgestellt ist (E. 2).
2.
Art. 24 Abs. 2 RPG
; Wiederaufbau.
Bei einem Wiederaufbau muss nach
Art. 24 Abs. 2 RPG
die neue Baute dem alten Bauwerk in Grösse und Nutzungsart ungefähr entsprechen. Sie darf deshalb höchstens eine teilweise Änderung miteinschliessen, wobei die Identität der Bauten in den wesentlichen Zügen gewahrt bleiben muss (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 113 Ib 314 S. 314
X. ist Eigentümer der Liegenschaft Hintermatt in der Gemeinde Unterägeri, die im übrigen Gemeindegebiet liegt. Er betreibt dort
BGE 113 Ib 314 S. 315
den Werkhof seines Bauunternehmens. Im November 1983 wurde festgestellt, dass auf dem Werkhofareal eine neue Beton-Aufbereitungsanlage errichtet worden ist. Der Gemeinderat erachtete diese Anlage als bewilligungspflichtig und veranlasste bei der Baudirektion des Kantons Zug eine Abklärung für die nachträgliche Bewilligung dieser Baute. In ihrer Verfügung vom 29. November 1985 verweigerte die Baudirektion die Bewilligung, da die Voraussetzungen von
Art. 24 RPG
nicht erfüllt seien.
X. erhob gegen diese Verfügung Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug. Er machte geltend, die Anlage sei nicht bewilligungspflichtig; allenfalls müsse sie aufgrund von
Art. 24 Abs. 2 RPG
bewilligt werden.
Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 13. Mai 1987 ab. Es stellte fest, die Beton-Aufbereitungsanlage sei bewilligungspflichtig. Die Bewilligung könne indessen nicht erteilt werden, da die Voraussetzungen von
Art. 24 RPG
nicht erfüllt seien.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichtes hat X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht, die teilweise gutgeheissen wurde.
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2.
a) Die Beschwerde richtet sich vorab gegen die Anordnung der Beseitigung der Beton-Aufbereitungsanlage. Der Beschwerdeführer macht geltend, das Verwaltungsgericht habe die Errichtung dieser Anlage zu Unrecht der Bewilligungspflicht nach
Art. 24 RPG
unterstellt. Es handle sich nicht um eine industriell betriebene und einmalig an einem festen Standort aufgestellte Anlage. Ihr Zweck bestehe darin, je nach Bedürfnis auf einzelnen Grossbaustellen benützt zu werden. Sofern dies nicht nötig oder möglich sei, werde sie auf das Werkhofareal zurückgenommen. Dort werde sie zur besseren Wartung aufgestellt und zeitweise auch benützt, da ständig kleinere Mengen Beton benötigt würden.
b)
Art. 22 RPG
regelt die Bewilligungspflicht für Bauten und Anlagen. Aus dieser Bestimmung lassen sich die nach Bundesrecht bewilligungspflichtigen Bauten und Anlagen ableiten, deren Umfang kantonales Recht nicht unterschreiten darf. Danach sind Bauten und Anlagen mindestens jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung
BGE 113 Ib 314 S. 316
über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Dazu gehören auch Fahrnisbauten, welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest verwendet werden (EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, N. 6 und 7 zu
Art. 22 RPG
).
c) Gestützt auf diese gesetzliche Ordnung ist die Beton-Aufbereitungsanlage bewilligungspflichtig. Sie ist zwar nicht fest im Boden verankert, sondern auf Betonsockeln mit Schrauben festgemacht und innert weniger Stunden demontierbar. Am Augenschein wurde ausgeführt, dass die Anlage seit 1983 ununterbrochen auf dem Werkplatz aufgestellt sei. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers erscheint deshalb die Annahme einer Bewilligungspflicht weder willkürlich noch rechtsungleich. Er übersieht, dass zwischen der Benützung einer Anlage auf einer Grossbaustelle und deren Installation auf einem im übrigen Gemeindegebiet liegenden Werkplatz zur Betonherstellung für verschiedene kleinere Baustellen erhebliche tatsächliche Unterschiede bestehen. Daher ist die fehlende Bewilligungspflicht für das Aufstellen solcher Anlagen auf Grossbaustellen nicht als Rechtsungleichheit zu betrachten (
BGE 111 Ia 91
E. 3a,
BGE 110 Ia 13
f.,
BGE 107 Ia 228
E. 3). Dass irgendwo im Kanton Zug eine analoge Anlage auf einem Werkhof im übrigen Gemeindegebiet ohne Bewilligung stehe, legt der Beschwerdeführer im übrigen nicht dar.
3.
Gemäss
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
setzt eine gewöhnliche oder ordentliche Baubewilligung voraus, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen. Trifft dies - wie im vorliegenden Fall unbestritten feststeht - für Bauten ausserhalb der Bauzonen nicht zu, so ist eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG
notwendig. Zu prüfen ist zunächst, ob das Bauvorhaben unter
Art. 24 Abs. 1 oder Abs. 2 RPG
fällt. Kann es nicht einem der privilegierten Tatbestände von
Art. 24 Abs. 2 RPG
zugeordnet werden, so ist es wie ein Neubau gemäss
Art. 24 Abs. 1 RPG
zu behandeln. Nach der Vorschrift von
Art. 24 Abs. 2 RPG
kann das kantonale Recht gestatten, Bauten und Anlagen zu erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist. Erneuerung, teilweise Änderung und Wiederaufbau sind bundesrechtliche Begriffe. Das kantonale Recht kann diese nicht im Sinne einer Erweiterung näher definieren. Es kann nur bestimmen, ob und allenfalls inwieweit bauliche Massnahmen
BGE 113 Ib 314 S. 317
innerhalb des bundesrechtlich begrenzten Rahmens im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 RPG
bewilligt werden dürfen (
BGE 112 Ib 95
f. mit Hinweisen). Der Kanton Zug hat von dieser Ermächtigung in Form von § 2bis der Verordnung über die vorläufige Einführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 21. Oktober 1980 Gebrauch gemacht, wobei diese Ausführungsvorschriften im wesentlichen die Aussage von
Art. 24 Abs. 2 RPG
wiederholt.
a) Die zur Diskussion stehende Beton-Aufbereitungsanlage soll die alte, defekte Anlage ersetzen. Diese war, wenn sie nicht auf Baustellen benötigt wurde, auf dem Werkplatz installiert und diente dort der Produktion von Beton. Da sie abgebrochen werden soll, scheidet im vorliegenden Fall eine blosse Erneuerung aus (vgl. dazu
BGE 107 Ib 240
E. b). Es fragt sich daher, ob ein Wiederaufbau, eventuell verbunden mit einer Erweiterung vorliegt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss die Wiederaufbaute dem alten Bauwerk in Grösse und Nutzungsart ungefähr entsprechen. Sie darf deshalb höchstens eine teilweise Änderung miteinschliessen (ZBl 85/1984 S. 79). Eine geringfügige Erweiterung gilt als teilweise Änderung. Es darf sich jedoch gemessen an der bestehenden Baute nur um eine Änderung von untergeordneter Bedeutung handeln, welche die Identität der Baute in den wesentlichen Zügen wahrt (
BGE 112 Ib 97
).
Wie am Augenschein festgestellt werden konnte, weist die neue Anlage gegenüber der alten eine etwas höhere Kapazität auf (500 l gegenüber 375 l). Sie ist gegenwärtig wegen des aufgebauten Silos rund 13 m hoch. Eine andere Anordnung des Silos nahm der Beschwerdeführer nicht vor, da ihm jede Änderung der Anlage untersagt worden war. Wie er aber dazu ausführt, lässt sich der Silo ohne weiteres hinter der übrigen Anlage anbringen und mit dieser durch eine sogenannte "Schnecke" verbinden. Dadurch wird die Anlage nur noch ca. 6-7 m hoch, somit ungefähr gleich hoch wie die am Augenschein ebenfalls besichtigte alte Beton-Aufbereitungsanlage. Die erwähnte leichte Erhöhung der Kapazität kann noch als von untergeordneter Bedeutung eingestuft werden. Die neue Anlage entspricht daher von der Grösse und der Nutzungsart her ungefähr der alten, wobei eine geringfügige Erweiterung vorgenommen wurde, ohne dass dadurch die Identität der Anlage in unzulässiger Weise verändert worden wäre. Es liegt daher ein Wiederaufbau mit einer teilweisen Änderung im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 RPG
vor. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8217e5c2-c37d-48a1-b4e2-a530e7ff1a44 | Urteilskopf
99 Ib 385
50. Extrait de l'arrêt du 2 novembre 1973 dans la cause Terme di San Pellegrino S.p.A. et Saprochi SA contre Département de la prévoyance sociale et de la santé publique du canton de Genève. | Regeste
Art. 288 ter LMV
; alkoholfreie Bitter.
Soweit die erwähnte Bestimmung untersagt, ein verdünnt in den Verkehr gebrachtes alkoholfreies Getränk des Typs "Bitter" als "alkoholfreien Bitter" zu bezeichnen, ist sie durch die Delegation des
Art. 54 LMG
nicht gedeckt und daher nicht anwendbar. | Sachverhalt
ab Seite 385
BGE 99 Ib 385 S. 385
A.-
Le 29 novembre 1961, le Service fédéral de l'hygiène publique - ci-après: le Service fédéral - a autorisé la maison
BGE 99 Ib 385 S. 386
Saprochi SA, à Genève, à mettre dans le commerce sous la désignation de "Bitter analcoolico San Pellegrino" un amer sans alcool dilué avec de l'eau, produit par la maison Terme di San Pellegrino S.p.A., à Milan (Italie).
Par lettre du 19 février 1963, le Service fédéral a enjoint à Saprochi SA de remplacer le terme de "bitter" par celui d'"apéritif", le premier étant réservé, en vertu de l'ordonnance sur les denrées alimentaires du 26 mai 1936 (ODA) dans sa version de l'époque, à des boissons alcoolisées. Saprochi SA a refusé de se soumettre et a demandé que l'on introduise dans l'ordonnance une définition du "bitter sans alcool". Le Service fédéral a décidé de donner suite à cette suggestion et a depuis lors toléré le maintien de la désignation autorisée en 1961.
Dans la teneur que lui a donnée l'arrêté du Conseil fédéral du 3 novembre 1967, l'art. 288ter ODA est ainsi conçu:
"Les bitters sans alcool sont des boissons fabriquées avec des extraits de plantes amères et aromatiques ou de parties de plantes et d'épices, d'huiles essentielles et d'essences naturelles et d'eau, avec ou sans addition de sucre. Ils doivent avoir une teneur en extrait sans sucre d'au moins 10 grammes par litre et peuvent être colorés artificiellement. Il est licite de les additionner d'acides organiques propres à la consommation.
Une éventuelle teneur en alcool ne doit pas dépasser 0,7 pour cent en volume.
Il est licite de conserver un bitter sans alcool à l'aide de 1 gramme par litre d'acide benzoïque ou sorbique ou de la quantité équivalente de leurs sels alcalins, à condition de le déclarer. Cette déclaration, qui devra figurer de manière bien visible et lisible sur les étiquettes et dans les prospectus, sera:'avec agent conservateur'.
Des boissons de cette catégorie diluées avec de l'eau minérale ou de l'eau potable, prêtes à être consommées dans cet état, tombent sous le coup des prescriptions de l'article 286. De telles boissons nettement amères et gazéifiées peuvent être désignées comme ,limonades amères' ou ,boissons de table amères sans alcool'."
Le texte allemand de l'al. 4 est le suivant:
"Mit Mineralwasser oder Trinkwasser verdünnte, zum direkten Konsum bestimmte Getränke der erwähnten Art fallen unter die Vorschriften von Artikel 286. Ausgesprochen bittere, kohlensäurehaltige Getränke können als ,Bitter-Limonaden' oder ,Bittere alkoholfreie Tafelgetränke' bezeichnet werden."
Dans le texte italien de ce même alinéa, les expressions "gazose amare" et "bibite amare, analcooliche" correspondent aux expressions "limonades amères" et "boissons de table amères sans alcool" du texte français.
BGE 99 Ib 385 S. 387
B.-
En avril 1968, le chimiste cantonal de Genève a fait savoir à Saprochi SA que la désignation "bitter analcoolico San Pellegrino" n'était plus admissible au regard du nouvel art. 288ter ODA. Tout en la contestant, Saprochi SA s'est pliée à l'injonction, se réservant toutefois de poser à nouveau la question de principe de l'usage du mot "bitter" pour désigner son produit.
De fait, en février 1970, Terme di San Pellegrino S.p.A. et Saprochi SA ont requis le Département fédéral de l'intérieur de constater que leur produit peut être mis sur le marché suisse sous le nom de "bitter analcoolico San Pellegrino", éventuellement avec l'adjonction: "bibita di tavola"; subsidiairement, elles requéraient l'autorisation correspondante. Le Département n'est pas entré en matière, se jugeant incompétent. Saisi d'un recours de droit administratif contre cette décision, le Tribunal fédéral l'a admis partiellement et invité le Département de l'intérieur à transmettre la cause à l'autorité compétente du canton de Genève, conformément à l'art. 8 LPA.
C.-
Par décision du 2 octobre 1972, le Département de la prévoyance sociale et de la santé publique du canton de Genève (ci-après: le Département cantonal) a rejeté la requête, en considérant que, même avec l'adjonction "bibita di tavola", la désignation "bitter analcoolico San Pellegrino" n'était pas conforme à l'art. 288ter al. 4 ODA, seules étant admissibles les désignations: limonade amère; boisson de table amère, sans alcool; Bitter-Limonade; bitteres alkoholfreies Tafelgetränk; gazosa amara; bevanda (bibita) di tavola amara, analcoolica.
D.-
Terme di San Pellegrino S.p.A. et Saprochi SA forment un recours de droit administratif et demandent à être autorisées à mettre leur boisson sur le marché suisse sous la désignation "Bitter analcoolico San Pellegrino", éventuellement avec l'adjonction "bibita di tavola".
E.-
Le Département cantonal conclut au rejet du recours. Le Département fédéral de l'intérieur a renoncé à se déterminer.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Les recourantes admettent que leur produit tombe sous le coup de l'art. 288ter ODA, dans sa teneur actuelle. Elles soutiennent cependant que c'est l'al. 1 qui doit être appliqué, ou éventuellement l'al. 4, 1e phrase, à l'exclusion de l'al. 4, 2e phrase, de sorte que la désignation litigieuse serait en tout
BGE 99 Ib 385 S. 388
état de cause admissible, le cas échéant avec l'adjonction "bibita di tavola" imposée en vertu du renvoi à l'art. 286 ODA.
a) Il n'est pas contesté que le produit en cause correspond, quant à sa composition, à la description de l'art. 288ter al. 1 ODA. Cependant, la deuxième phrase du même article pose une condition supplémentaire, celle de la teneur en extrait sans sucre de 10 grammes par litre au moins. Cette exigence montre clairement que l'art. 288ter al. 1 ne s'applique qu'aux produits présentés sous forme concentrée; seul l'al. 4 vise les boissons déjà diluées et prêtes à la consommation. Certes, l'eau est citée au nombre des composants du produit selon l'al. 1; mais le produit concentré en contient déjà une certaine proportion. C'est dès lors manifestement à tort que les recourantes prétendent que l'al. 1 s'applique à leur produit. Selon les observations de l'autorité cantonale, celui-ci ne contient que 2,9 g d'extrait par litre et les recourantes n'ont elles-mêmes jamais soutenu qu'il y en eût davantage.
b) Dès lors qu'il ne tombe pas sous le coup de l'art. 288ter al. 1 ODA, faute d'une teneur suffisante en extrait sans sucre, le produit en cause doit être désigné, en vertu de l'al. 4 du même article et de l'art. 286 ODA, comme "limonade" ou comme "boisson de table sans alcool", cette désignation pouvant être complétée par l'adjonction de l'adjectif "amer" dans la langue correspondante, s'il a un goût nettement amer (art. 288ter al. 4, 2e phrase, ODA).
On ne peut que s'étonner de voir les recourantes soutenir que le produit en cause n'est pas "nettement amer" ("ausgesprochen bitter"), mais "normalement amer". Elles ne peuvent rien en déduire à l'appui de leurs conclusions. Si, contrairement à ce qui paraît ressortir de l'ensemble de l'acte de recours et de la réponse, ce produit n'était en réalité pas nettement amer, il ne tomberait pas davantage sous le coup de l'art. 288ter al. 1 ODA.
c) Il résulte de ce qui précède que la décision attaquée est conforme à l'ordonnance.
3.
Il reste à examiner si cette ordonnance est elle-même conforme à la loi. Le Département cantonal a fait preuve à bon droit sur ce point de retenue et s'est contenté avec raison d'examiner s'il y avait violation grossière de la loi. Cette retenue est justifiée de la part d'une autorité cantonale chargée d'appliquer le droit fédéral et soumise à la surveillance de l'autorité
BGE 99 Ib 385 S. 389
fédérale (GRISEL, Le contrôle des ordonnances fédérales en Suisse, in Conseil d'Etat, Etudes et documents, Paris 1962, fascicule 16, p. 195; AUBERT, Droit constitutionnel suisse, no 451; BRUNNER, Die Überprüfung der Rechtsverordnungen des Bundes..., thèse Berne 1953, p. 142). Les critiques que les recourantes formulent à l'encontre de l'argumentation du Département cantonal sur ce point sont infondées.
Le Tribunal fédéral peut quant à lui revoir les ordonnances du Conseil fédéral du point de vue de leur légalité (RO 75 IV 79, 76 IV 290, 84 IV 76, 87 IV 33, 92 I 161, 93 I 491) et - en tant que la délégation elle-même ne l'interdit pas - du point de vue de leur constitutionnalité (RO 92 I 433; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 86 ss.).
a) Selon l'art. 54 al. 1 de la loi fédérale du 8 décembre 1905 sur le commerce des denrées alimentaires et de divers objets usuels (LCDA), le Conseil fédéral édicte les dispositions propres à sauvegarder la santé publique et à prévenir toute fraude dans le commerce des marchandises et objets soumis au contrôle institué par la loi; en vertu de l'al. 2, il est expressément chargé de prescrire, pour le commerce de gros et de détail des denrées alimentaires, l'emploi de désignations précises, qui rendent impossible toute erreur sur la nature et la provenance de la marchandise.
Il résulte sans aucun doute de ces dispositions que le Conseil fédéral peut édicter par voie d'ordonnance des prescriptions sur la désignation des marchandises. La délégation couvre toute prescription servant à empêcher l'usage de désignations trompeuses. Elle ne s'étend pas, en revanche, à des restrictions qui ne seraient pas nécessaires à cette fin et constitueraient une entrave injustifiée à la libre concurrence (cf. RO 91 I 462).
b) Il n'est pas contesté que le substantif "bitter" est devenu usuel en Suisse, dans les trois régions linguistiques, pour désigner une boisson au goût amer. A l'origine, les boissons de ce genre mises sur le marché étaient toutes alcooliques; aussi bien la version originaire de l'ordonnance sur les denrées alimentaires ne prévoyait-elle ce terme - dans les trois langues déjà - que pour des boissons contenant de l'alcool et même une proportion relativement élevée d'alcool (20%; art. 403 ODA). Lorsque, par la suite, l'industrie est parvenue à produire, au moyen d'extraits de plantes de même nature, des boissons de goût semblable, mais non alcoolisées, il n'y avait pas de motif
BGE 99 Ib 385 S. 390
objectif, du point de vue de la police du commerce des denrées alimentaires, de réserver le nom de "bitter" aux boissons contenant de l'alcool, comme l'a proposé la Société suisse des liquoristes, et le Conseil fédéral a renoncé à donner suite à cette suggestion. Par son arrêté du 3 novembre 1967, il a reconnu l'existence, à côté de la bière sans alcool (art. 288 ODA) et du vermouth sans alcool (art. 288bis ODA), du bitter sans alcool (art. 288ter ODA). Contrairement à ce que pense le Département cantonal, on ne peut plus rien tirer du fait que le "bitter" était autrefois toujours alcoolique. En adoptant l'art. 288ter ODA, le Conseil fédéral a clairement décidé que cette désignation ne resterait pas réservée aux boissons contenant de l'alcool.
c) Cependant, ainsi qu'on l'a déjà relevé, l'art. 288ter ODA réserve la désignation de "bitter sans alcool", dans les trois langues officielles, à une boisson concentrée, contenant au minimum 10 g par litre d'extrait sans sucre. Pour les produits semblables, mais vendus dilués avec de l'eau minérale ou de l'eau ordinaire, l'art. 288ter al. 4 ODA n'autorise le mot "bitter" qu'en allemand, sous la forme substantive et dans la combinaison "Bitter-Limonade", tandis qu'en français et en italien ce même mot n'est pas prévu, seule l'adjonction des adjectifs "amer" ou "amaro" étant autorisée.
aa) Les recourantes soutiennent que les bitters sans alcool concentrés, répondant entièrement à la description de l'art. 288ter al. 1 ODA, n'ont pratiquement aucune importance commerciale, car ils se conserveraient mal une fois la bouteille ouverte. Dans sa réponse, le Département cantonal cite toute une série de boissons de ce type. Le Tribunal fédéral n'a pas à se demander si ces produits ont une importance commerciale; il lui suffit de constater que la fabrication d'un produit répondant à la définition de l'art. 288ter al. 1 ODA n'est pas exclue, pas même au dire des recourantes. Dès lors, la distinction faite par l'ordonnance sur les denrées alimentaires entre ce produit et le produit dilué n'apparaît pas d'emblée dépourvue de justification du point de vue de la police du commerce des denrées alimentaires.
bb) En revanche, il convient d'examiner si, en raison de cette différence, il est admissible d'exclure l'emploi du nom "bitter", en français et en italien, s'agissant de boissons diluées, alors qu'il est admis pour les boissons concentrées.
Le substantif "bitter" est devenu usuel en français et en italien pour désigner une boisson à base d'extraits de plantes,
BGE 99 Ib 385 S. 391
au goût amer. En revanche, il ne donne en soi aucune indication sur le degré de concentration du produit. Sans doute le terme s'est-il répandu déjà à une époque où il n'existait de "bitter" qu'alcoolique et où, si on consommait aussi cette boisson additionnée d'eau, il n'était pas d'usage de la mettre dans le commerce sous forme diluée. Mais, précisément, les usages commerciaux se sont modifiés et la mise en vente de boissons diluées prêtes à la consommation est aujourd'hui courante. Il n'est pas contestable que le fabricant ou le commerçant qui met en vente une boisson du type "bitter", sans alcool, sous forme diluée, a un intérêt à user aussi du terme "bitter", qui la caractérise dans l'esprit du public, et il est vraisemblable que l'interdiction d'en user soit de nature à influer sur les conditions de concurrence, d'autant plus que la désignation de "limonade" ("Limonade", "gazosa"), prévue par l'ordonnance, est elle-même équivoque, se rapportant généralement à des boissons bon marché, sans caractère nettement accusé, mais de saveur douce, et que même avec l'adjonction de l'adjectif "amère", elle ne renseigne pas clairement sur la nature du produit. Or les prescriptions de police du commerce des denrées alimentaires ne doivent pas sans nécessité influencer les conditions de concurrence. En particulier, il faut éviter de désavantager, par des prescriptions sur les dénominations, les boissons sans alcool par rapport aux boissons alcooliques de même type.
Aussi bien n'est-il nullement nécessaire, ni même réellement utile, même si l'on admet qu'il y a lieu de distinguer entre le produit concentré et le produit dilué, d'interdire l'emploi du mot "bitter" pour la boisson diluée. Le résultat peut être atteint de manière beaucoup plus sûre en prescrivant une adjonction qui indique que le produit est étendu d'eau. Cette solution, qui paraît s'imposer d'elle-même, se trouve déjà à l'art. 282 al. 10 ODA pour les jus de fruits. Une adjonction telle que "dilué" ou "avec eau minérale", ou toute autre adjonction de même genre suffirait à indiquer la différence entre la boisson concentrée et la boisson diluée, sans exclure cette dernière de la catégorie des "bitters" sans alcool, à laquelle elle appartient par sa composition, son goût et son genre d'utilisation.
Il s'ensuit que dans la mesure où il prohibe l'emploi du mot "bitter", en français et en italien, pour désigner des boissons sans alcool diluées, mais répondant pour le surplus à la description de l'art. 288ter al. 1 ODA, alors même qu'il existe un moyen
BGE 99 Ib 385 S. 392
de marquer la distinction jugée nécessaire sans désavantager ces boissons sur le marché, l'art. 288ter al. 4 ODA n'est plus couvert par la délégation de l'art. 54 LCDA.
cc) La décision attaquée doit dès lors être annulée. Cependant, si l'appellation "bitter analcoolico San Pellegrino" doit être admise, l'autorité administrative pourra se juger fondée à prescrire une adjonction indiquant qu'il s'agit d'une boisson diluée. Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de fixer définitivement la teneur de cette adjonction. La cause doit dès lors être renvoyée à l'autorité cantonale, qui la déterminera, s'il y a lieu, après s'être mise en rapport avec le Service fédéral.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet partiellement le recours au sens des considérants, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8219b62b-7469-4771-b777-1838f6f28750 | Urteilskopf
99 Ia 364
41. Extrait de l'arrêt du 21 mars 1973 dans la cause Hoirs Chapallaz contre Commune de Nyon et Tribunal cantonal vaudois | Regeste
Öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen. Bebauungsplan für Arkaden.
Art. 4 und 22ter BV
.
Städtischer Bebauungsplan, der für die Anlage eines Trottoirs für Fussgänger den Bau von Arkaden auf privatem Grundeigentum und den Erwerb der hiefür erforderlichen Rechte durch die Gemeinde vorsieht. Entschädigungsfrage. Materielle oder formelle Enteignung? | Sachverhalt
ab Seite 364
BGE 99 Ia 364 S. 364
A.-
Les hoirs d'Henri Chapallaz sont propriétaires, au
BGE 99 Ia 364 S. 365
centre de la ville de Nyon, de l'immeuble bâti no 96, situé à l'angle de la Grand-Rue et de la rue de la Gare, sur une parcelle de 140 m2. Le bâtiment abrite au rez-de-chaussée une librairiepapeterie et un service de reliure (exploités par des membres de l'hoirie), avec trois vitrines, dont une donne sur la rue de la Gare et les deux autres sur la Grand-Rue; il comprend en outre trois étages occupés par des appartements. Cinq bâtiments (nos 97 à 101) lui font suite le long de la Grand-Rue au nord-est, en direction de la place Bel-Air.
B.-
Un plan d'extension partiel, mis à l'enquête publique le 13 avril 1968 par la Municipalité de Nyon, prévoit l'aménagement d'arcades au rez-de-chaussée des bâtiments nos 96 à 100; il fixe à cet effet un alignement en retrait de 3 mètres et prévoit la constitution d'une servitude de passage à pied en faveur du public, au für et à mesure de la réalisation du passage sous les arcades par la commune de Nyon.
Les hoirs Chapallaz ont fait opposition à ce plan. Le Conseil communal de Nyon l'a néanmoins adopté le 9 septembre 1968 et le Conseil d'Etat l'a approuvé le 1er novembre 1968, après avoir rejeté l'opposition des hoirs Chapallaz. Saisi d'un recours de droit public des hoirs Chapallaz, le Tribunal fédéral l'a rejeté par arrêt du 26 novembre 1969; il a notamment retenu que les griefs de défaut de base légale et d'absence d'intérêt public n'étaient pas fondés; quant à l'indemnisation, il a relevé que la possibilité de faire valoir une prétention à indemnité, tant pour expropriation matérielle que pour expropriation formelle, existait selon le droit cantonal, de sorte que l'exigence posée par la jurisprudence était satisfaite et que le grief souleve sur ce point était mal fondé.
C.-
Par requête du 23 novembre 1970, les hoirs Chapallaz ont demandé au Président du Tribunal du district de Nyon de constituer, conformément à l'art. 30 de la loi cantonale sur les constructions et l'aménagement du territoire (LCAT), le tribunal arbitral chargé de fixer l'indemnité qu'ils entendaient réclamer pour les conséquences dommageables du plan d'extension. Dans leur mémoire-demande adressé au Tribunal arbitral le 10 mai 1971, ils ont conclu à ce que la commune de Nyon soit condamnée à leur payer une indemnité de 581 500 fr. La commune de Nyon a conclu, à titre préjudiciel, au rejet de l'action pour cause de tardiveté. Statuant le 25 août 1971, le Tribunal arbitral a admis cette exception et rejeté les conclusions des demandeurs pour tardiveté.
BGE 99 Ia 364 S. 366
Saisi d'un recours des hoirs Chapallaz, le Tribunal cantonal vaudois l'a rejeté et a maintenu le jugement attaqué par arrêt du 14 juin 1972, communiqué le 20 septembre 1972.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, les hoirs Chapallaz requièrent le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt du Tribunal cantonal et de renvoyer l'affaire à l'autorité cantonale pour une nouvelle décision dans le sens des considérants; ils prennent également des conclusions subsidiaires pour le cas où leurs conclusions principales seraient rejetées. Ils allèguent la violation des art. 4 et 22 ter Cst. Ils reprochent au Tribunal cantonal d'avoir interprété la loi d'une façon étroite et restrictive, alors qu'elle devrait l'être de façon large et extensive en faveur du droit de propriété.
La commune de Nyon conclut au rejet pur et simple du recours de droit public. Le Tribunal cantonal se réfère aux considérants de l'arrêt attaqué.
Ayant demandé - et obtenu - la faculté de présenter un mémoire complétif, conformément à l'art. 93 al. 2 OJ, les recourants y ont pris des conclusions subsidiaires complémentaires.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recours de droit public ne peut tendre en principe qu'à l'annulation de la décision attaquée. Certains cas exceptionnels sont cependant réservés, notamment en matière d'expropriation matérielle, lorsque le recourant soutient que l'autorité cantonale a estimé à tort qu'il n'était pas touché par une expropriation matérielle; dans ce cas, le Tribunal fédéral, s'il admet le recours, peut inviter l'autorité cantonale à fixer l'indemnité (RO 96 I 355). Mais on ne se trouve pas ici en présence d'un tel cas. Les autorités cantonales ont simplement déclaré tardive l'action des hoirs Chapallaz en paiement d'une indemnité pour expropriation matérielle, sans se prononcer sur le bien-fondé d'une telle action. Le présent recours ne peut donc avoir qu'un caractère cassatoire, de sorte que sont irrecevables les conclusions qui tendent à autre chose qu'à l'annulation de la décision attaquée. Sont également irrecevables pour tardiveté (cf. BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, ad art. 93 p. 400) les conclusions subsidiaires formulées dans le mémoire de réplique, dans la mesure où elles ne seraient pas déjà contenues dans l'acte de recours luimême.
BGE 99 Ia 364 S. 367
2.
Les autorités cantonales ont déclaré l'action tardive en application de l'art. 30 al. 3 LCAT, selon lequel "le propriétaire doit requérir la constitution du Tribunal arbitral dans un délai de péremption d'un an, dès le moment où la restriction de droit public a pris définitivement effet". Les recourants ne prétendent pas que cette disposition soit contraire, en elle-même, à la garantie constitutionnelle de la propriété; ils se bornent à soutenir qu'est inconstitutionnelle la manière dont les autorités cantonales ont interprété cette disposition, ainsi que d'autres de la LCAT. S'agissant de l'interprétation et de l'application d'une disposition légale cantonale par les autorités cantonales, le Tribunal fédéral n'examine le grief d'inconstitutionnalité fondé sur une telle interprétation et une telle application que sous l'angle restreint de l'arbitraire (RO 97 I 626 consid. 6).
3.
(Il n'était pas arbitraire de fixer le point de départ du délai à la date de l'approbation du plan par le Conseil d'Etat, et non à la date de l'arrêt du Tribunal fédéral.)
4.
Les recourants fondent principalement leur recours sur la différence à faire entre dommage virtuel et dommage actuel. Ils soutiennent que le point de départ du délai de l'art. 30 al. 3 LCAT doit être fixé, non pas au moment où le dommage est seulement virtuel (ce qui serait le cas lors de l'approbation du plan par le Conseil d'Etat), mais au moment où le dommage devient actuel. Ils invoquent à l'appui de leur interprétation le jugement rendu par le Tribunal arbitral de Payerne le 5 mai 1969 (RDAF 1970 p. 212 ss.).
a) Le Tribunal cantonal, devant lequel cet argument avait également été présenté, a déclaré que si l'on devait admettre l'interprétation donnée par le Tribunal arbitral de Payerne - qui prête à discussion, selon lui -, on devrait alors reconnaître "que rien ne permet de dire que le dommage dont font état les recourants s'est "actualisé" depuis l'approbation du plan par le Conseil d'Etat". Une telle opinion est tout à fait soutenable. En effet, ou bien le dommage est déjà réel dès que le plan est définitivement sanctionné par une décision de l'autorité cantonale et qu'il entre en vigueur: dans ce cas-là, c'est la décision d'approbation du Conseil d'Etat qui est déterminante, comme le Tribunal cantonal - on l'a vu ci-dessus - pouvait le retenir sans arbitraire; ou bien une décision de l'autorité cantonale ne suffit pas à elle seule à actualiser le dommage, qui ne peut l'être que par la survenance d'autres événements, notamment par la
BGE 99 Ia 364 S. 368
réalisation du plan, et la décision du Tribunal fédéral du 26 novembre 1969 n'était pas plus apte à actualiser le dommage que la décision du Conseil d'Etat. Les recourants le reconnaissent d'ailleurs eux-mêmes implicitement lorsqu'ils déclarent, dans leur mémoire complémentaire, que "le dommage, résultant éventuellement d'un plan d'extension, ne devient effectif que lorsque le plan est exécuté et, en attendant son exécution, le dommage est seulement virtuel, sous réserve des cas concrets prévus à l'art. 30 LCAT". Il est vrai qu'ils disent également, dans leur recours, que dès l'arrêt du Tribunal fédéral, leur propriété "était, ipso facto, frappée d'une dévalorisation immédiate et allant toujours en s'aggravant". Si tel est bien le cas, c'est dès l'approbation du plan par le Conseil d'Etat, et non dès l'arrêt du Tribunal fédéral du 26 novembre 1969, qu'un tel effet s'est produit: c'est du moins ce que le Tribunal cantonal pouvait admettre sans arbitraire, comme on l'a vu ci-dessus.
b.) Dans leurs conclusions subsidiaires figurant en fin du mémoire de recours, les recourants requièrent l'annulation de l'arrêt attaqué "en tant qu'il n'a pas expressément réservé pour l'hoirie Chapallaz son droit d'obtenir réparation du dommage virtuel résultant d'une interdiction future de transformer librement son immeuble". Mais ils ne prétendent pas - ni ne démontrent - qu'ils aient pris devant l'autorité cantonale une conclusion tendant à obtenir une telle réserve. Ils ne sauraient donc reprocher au Tribunal cantonal d'avoir agi arbitrairement en ne statuant pas sur une conclusion qui n'a pas été articulée devant lui. Leurs conclusions subsidiaires sont donc mal fondées, sinon même irrecevables. Mais même si les recourants avaient apporté la preuve d'une conclusion prise dans ce sens devant le Tribunal cantonal et que la Cour de céans pût examiner la question au fond, il est fort douteux qu'elle donnât suite à leurs conclusions subsidiaires.
En effet, l'objectifvisé par le plan litigieux, à savoir la création d'un passage en arcades pour piétons au rez-de-chaussée de l'immeuble des recourants, implique l'acquisition, par la commune, d'une servitude de passage sur la partie de l'immeuble à aménager en arcades. La commune elle-même ne le conteste pas. Le plan d'extension partiel, tel qu'il a été adopté par la commune, mis à l'enquête publique et approuvé par le Conseil d'Etat, porte la mention suivante: "Une servitude de passage à pied en faveur du public (servitude personnelle) sera inscrite au
BGE 99 Ia 364 S. 369
registre foncier, au für et à mesure de la réalisation du passage sous les arcades par la commune de Nyon." D'autre part, dans une lettre du 5 avril 1971 adressée au greffe du Tribunal arbitral, la Municipalité a précisé, en confirmation d'un entretien du 2 avril 1971: "En cas de transformation, démolition ou reconstruction de l'immeuble Chapallaz, il devra être prévu un passage pour piétons de 3 mètres, dès la façade, devant être mis à la disposition du domaine public."
Ainsi, lorsque les hoirs Chapallaz décideront de transformer leur bâtiment, ils devront se conformer au plan et y prévoir un passage en arcades au rez-de-chaussée. La commune devra alors acquérir, contre indemnité, le droit de passage nécessaire à cet effet. A défaut d'entente entre les parties, c'est dans une procédure d'expropriation formelle que devra être fixée ladite indemnité, en application de la loi cantonale sur l'expropriation, qui prévoit les différents éléments d'évaluation du dommage, notamment la dépréciation des parties restantes en cas d'expropriation partielle, ainsi que les autres préjudices qui sont la conséquence de l'expropriation.
Or les éléments du dommage allégués par les hoirs Chapallaz dans leur mémoire-demande au Tribunal arbitral paraissent tous être la conséquence de l'expropriation formelle nécessitée par la réalisation du plan d'extension; on n'en voit point, à première vue du moins, qui soit la conséquence de la seule adoption du plan d'extension partiel et non de la réalisation de ce plan, de sorte qu'on peut se demander si leurs prétentions trouvent leur place dans une demande d'indemnité pour expropriation matérielle. Mais, on l'a vu ci-dessus, la cour de céans n'a pas à trancher ce point. D'autre part, les recourants n'ont pas prouvé avoir demandé au Tribunal cantonal de réserver leur droit d'ouvrir à nouveau la procédure de l'art. 30 LCAT pour le cas où se concrétiseraient d'autres dommages que ceux qu'ils alléguaient dans leur mémoire de demande; ils ne sauraient donc lui reprocher d'avoir agi arbitrairement en ne leur accordant pas une telle réserve. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
821bdfff-d159-4c78-bbd3-a7d68310a2d0 | Urteilskopf
98 IV 83
16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Juni 1972 i.S. Arn gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 25 und 137 StGB
; Gehilfenschaft zu Diebstahl.
Abgrenzung des Begriffes der Gehilfenschaft zu Diebstahl vom Begriffe der Hehlerei als Sachbegünstigung (Erw. 2 c). | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 98 IV 83 S. 83
A.-
Am 19. Januar 1971 nachmittags begab sich Heinz Arn zusammen mit seiner bei ihm in Thun wohnenden Freundin Anna Schaller in das Modegeschäft Spengler in Bern. Beim Eingang holte er auf Anweisung seiner Freundin bei den Kassen eine grosse Plastik-Tragtasche. Im Beisein des Angeschuldigten suchte sich Anna Schaller in der Damenkleiderabteilung des ersten Stockes vier Kleider aus, die sie hierauf in einer Umkleidekabine, wohin ihr auch Arn folgte, anprobierte. Zwei der Kleider verstaute sie dann in der Plastiktasche, die sie dem Angeschuldigten zum Tragen übergab. Kurz darauf verliessen sie die Kabine. Arn wartete in der Geschäftsabteilung noch ganz kurze Zeit auf Anna Schaller, welche beim Verlassen der Kabine von einer Verkäuferin gefragt wurde, ob ihr etwas gepasst habe, was sie verneinte. Gemeinsam fuhren die beiden hierauf die Rolltreppe hinunter ins Erdgeschoss und verliessen das Geschäft, ohne die Kleider zu bezahlen. Zwei Verkäuferinenn, die das Vorgehen der beiden beobachtet hatten, folgten ihnen auf die Strasse und stellten sie zur Rede. Arn versetzte der einen Verkäuferin zuerst eine Ohrfeige und, als die zweite ihrer Kollegin zu Hilfe kam, noch einen Stoss, so dass sie zu Boden fiel. Darauf warf Arn die Plastiktasche mit den gestohlenen Kleidern weg und ergriff die Flucht. Er und seine Freundin konnten jedoch rasch angehalten werden. Bei der getrennten Einvernahme durch die Polizei gaben beide an, er heisse Heinz Bieri und sei aus Münsingen.
B.-
Der Gerichtspräsident VII von Bern verurteilte Anna Schaller wegen Diebstahl zu einer bedingten Gefängnisstrafe
BGE 98 IV 83 S. 84
von zehn Tagen, Arn wegen Gehilfenschaft zu Diebstahl und falscher Namensangabe zu drei Wochen Gefängnis unbedingt und zu einer Busse von 30 Franken.
Arn appellierte gegen das erstinstanzliche Urteil an das Obergericht, zog aber die Berufung in bezug auf den Schuldspruch wegen falscher Namensangabe wieder zurück. Der Generalprokurator schloss sich der Appellation an.
Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern bestätigte am 12. August 1971 die Verurteilung Arns wegen Gehilfenschaft zu Diebstahl. Hiefür und für die falsche Namensangabe wurde er zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von zwei Monaten und zu einer Busse von 30 Franken verurteilt.
C.-
Arn erhebt hiegegen staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Mit der letzteren beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung an die kantonale Instanz.
Die staatsrechtliche Beschwerde wurde am 15. Juni 1972 vom Bundesgericht abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Arn vertritt die Auffassung, da ihm im angefochtenen Entscheid einzig vorgeworfen werde, er habe den Plastiksack mit dem Diebesgut aus der Umkleidekabine und aus dem Geschäft getragen, könne sein Verhalten unter keinen Umständen als Gehilfenschaft zu Diebstahl qualifiziert werden. Der Diebstahl sei in dem Augenblick vollendet gewesen, als Anna Schaller die Kleider in Aneignungsabsicht in der Plastiktasche verstaute, also bevor der Beschwerdeführer aktiv geworden sei.
a) Arn verwechselt die Erfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes mit der faktischen Beendigung des strafbaren Verhaltens. In dem von ihm zitierten Urteil (
BGE 92 IV 91
) wird erklärt, dass der Diebstahl in dem Augenblick vollendet war, als die Täterin den fremden Pullover in der Umkleidekabine unter dem eigenen versteckte, um ihn sich anzueignen. Damit ist die Erfüllung des gesetzlichen Straftatbestandes gemeint. Von diesem Augenblick an hatte sich die Täterin des Diebstahls schuldig gemacht. Wenn das Bundesgericht weiter ausführte, das Delikt sei vollendet gewesen, bevor die Täterin die Kasse passierte und eine Bestrafung wegen Betruges deshalb ausser Betracht falle, so ist damit nicht gesagt, der Diebstahl sei auch
BGE 98 IV 83 S. 85
faktisch schon beendet gewesen, bevor die Diebin den Selbstbedienungsladen verlassen hatte; vielmehr ist diese Aussage lediglich im Zusammenhang mit den Regeln der konsumierenden Gesetzeskonkurrenz zu verstehen.
b) Im vorliegenden Fall machte sich Anna Schaller von dem Augenblick an des Diebstahls schuldig, als sie die zwei Kleidungsstücke in der Plastiktasche in der Absicht versteckte, sie sich anzueignen. Zur Beendigung des Deliktes gehörte aber auch die unbemerkte Fortschaffung der weggenommenen Ware aus dem Laden ohne Bezahlung. Dadurch, dass der Beschwerdeführer die Umkleidekabine zuerst verliess, die unauffällige Tragtasche in der Hand, konnten die beiden hoffen, er werde jedem Verdacht entgehen. Die Verkäuferinnen richteten ihr Augenmerk naturgemäss vor allem auf die probierende Kundin. Kam sie etwas später aus der Kabine, ohne etwas mitzutragen oder den Verdacht zu erregen, etwas unter ihren Kleidern versteckt zu haben, so liess sich der Diebstahl nach Erwartung der beiden Beteiligten viel eher erfolgreich beenden. Die Beteiligung Arns am Diebstahl erschien damit wenn nicht notwendig so zumindest sehr hilfreich.
c) Gehilfenschaft ist stets akzessorisch. Sie setzt die Haupttat eines andern voraus, an welcher der Gehilfe in untergeordneter Weise mitwirkt. Dass die vom Gehilfen geleisteten Dienste unerlässlich seien, ist nicht erforderlich. Es genügt, dass der Beschwerdeführer einen kausalen Beitrag geleistet hat, der das Verbrechen förderte, so dass sich die Tat ohne seine Mitwirkung anders abgespielt hätte (
BGE 78 IV 7
, nichtveröffentlichter Entscheid des Kassationshofes vom 12. Oktober 1962 i.S. Luzi und Stutz gegen Luzern). Weder die Art der geleisteten Hilfe, noch die verwendeten Mittel, noch die Dauer der Hilfeleistung sind entscheidend (
BGE 92 IV 114
E. 2, 88 IV27). Die Beteiligung des Gehilfen ist dabei so lange möglich, als die Tat noch nicht beendet ist, d.h. als nach einem rechtlich vollendeten Delikt durch das nachfolgende Verhalten des Täters das verletzte Rechtsgut weiterhin beeinträchtigt wird (SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 14. A. 1969, S. 278/279, N. 1-2 b und S. 364 N. 8).
Die Tätigkeit des Hehlers als Sachbegünstiger setzt demgegenüber erst nach der verübten Tat ein. Er leistet dem Täter eine Hilfe, auf die dieser vor oder während der Verübung der Tat nicht rechnete. Der Sachbegünstiger oder Hehler setzt keine
BGE 98 IV 83 S. 86
Bedingung zur Tat, er befördert und erleichtert sie auch nicht (HAFTER, Strafrecht, allg. Teil, 2.A. S. 236).
Im Zeitraum zwischen der rechtlichen Vollendung des Diebstahls durch Frl. Schaller und der tatsächlichen Beendigung des Deliktes beim gemeinsamen Verlassen des Modegeschäftes war Arn somit als Gehilfe zum Diebstahl im Sinne von
Art. 25 StGB
tätig.
d) Eine Verurteilung wegen Hehlerei fällt ferner auch wegen der für den Kassationshof verbindlichen (
Art. 277 bis Abs. 1 BStP
) Feststellung der Vorinstanz ausser Betracht, wonach Arn auf Geheiss seiner Freundin die leere Tragtasche beim Betreten des Geschäfts an der Kasse mitnahm und in die Kabine verbrachte. Bereits darin lag eine Beteiligung am Diebstahl. Nach allgemeinem Geschäftsablauf wählt in solchen Modegeschäften die Kundin unter mehreren Kleidern aus und übergibt ein eventuell passendes Kleid einer Verkäuferin oder direkt der Kassiererin; nach Bezahlung des Preises wird die Ware verpackt und erst jetzt eventuell in eine Tragtasche verstaut. Der Kunde bringt die Ware somit nicht selbst vor der Bezahlung in einer solchen Tasche unter. Das Personal nimmt ohne weiteres an, ein Kunde habe Ware gekauft und ordnungsgenmäss bezahlt, wenn er mit einer gefüllten Tragtasche des Geschäfts selbst dieses verlässt oder eine andere Abteilung aufsucht. Der Umstand, dass Arn und seine Freundin eine leere Tasche bezogen und in die Umkleidekabine mitnahmen, stellt daher bereits einen ersten Schritt in der Verwirklichung des Diebstahlplanes dar.
Wenn das Obergericht das Verhalten des Beschwerdeführers als Gehilfenschaft zu Diebstahl würdigte, hat es also keine Bestimmungen eidgenössischen Strafrechtes verletzt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
822ba94d-8725-438a-a3b3-92db5f2d5146 | Urteilskopf
124 II 527
50. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 11 juin 1998 dans la cause Z. & consorts c. A. & consorts et Tribunal administratif du canton de Fribourg (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 32 Abs. 2 OG
und
Art. 106 Abs. 1 OG
, Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen; Frist zur Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Feiertage.
Fällt der letzte Tag der Beschwerdefrist auf einen Feiertag oder auf einen Tag, der vom kantonalen Recht wie ein solcher behandelt wird, endet die Frist am nächstfolgenden Werktag. | Erwägungen
ab Seite 527
BGE 124 II 527 S. 527
Extrait des considérants:
2.
b) Les intimés prétendent que les recourants ont agi tardivement. Suivant l'art. 106 al. 1 OJ, le recours de droit administratif doit être déposé dans les trente jours dès la notification de la décision attaquée. L'art. 89 al. 1 OJ pose une exigence semblable pour le recours de droit public. Aux termes de l'art. 32 OJ, le jour duquel le délai court n'est pas compté (al. 1); lorsque le dernier jour tombe un dimanche ou un jour férié selon le droit du canton (ou encore un
BGE 124 II 527 S. 528
samedi: voir l'art. 1er de la loi fédérale sur la supputation des délais comprenant un samedi, RS 173.110.3), le délai expire le premier jour utile qui suit (al. 2).
Dans le cas particulier, le dernier jour du délai tombe le dimanche 18 mai 1997, soit le jour de Pentecôte.
Les intimés contestent que le jour suivant, le lundi de Pentecôte, soit un jour férié selon le droit du canton de Fribourg. En l'occurrence, c'est bien ce droit qui est déterminant, au regard de l'art. 32 al. 2 OJ: le canton de Fribourg est celui dont le tribunal administratif a statué et, également, celui dans lequel le mandataire des recourants est domicilié, les recourants ayant par ailleurs eux-mêmes élu domicile à cet endroit pour la procédure (cf. ATF 98 V 62). L'art. 1er de la loi cantonale du 11 février 1965 relative à l'expiration des délais dispose que le lendemain de Pentecôte est assimilé aux jours reconnus fériés par le droit cantonal. Il ne s'agit donc pas d'un véritable jour férié au sens de l'art. 32 al. 2 OJ mais, depuis l'entrée en vigueur pour la Suisse, le 28 avril 1983, de la Convention européenne de 1972 sur la computation des délais (RS 0.221.122.3), il y a lieu d'ajouter aux jours fériés du droit cantonal ceux "considérés comme tels" au sens de l'art. 5 de cette convention (cf. JEAN-FRANÇOIS POUDRET/SUZETTE SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. I, Berne 1990, n. 3.3.3 ad art. 32 OJ). Aussi le délai de recours n'expirait-il pas le lundi 19 mai 1997, mais le mardi 20 mai 1997, premier jour utile suivant le 18 mai 1997. Les deux mémoires de recours ont été, précisément, remis à un bureau de poste ce jour-là (cf. art. 32 al. 3 OJ): les exigences de l'art. 106 al. 1 OJ ont donc été respectées. | public_law | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
823426e5-7afd-49b3-9ad8-534e5105d4a1 | Urteilskopf
135 I 265
30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Politische Gemeinde Rheineck und Departement des Innern des Kantons St. Gallen (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
1D_8/2008 vom 7. Juli 2009 | Regeste
Art. 7-9, 29 und 35 BV,
Art. 92 und 115 BGG
; Zuständigkeit zur Beurteilung von Einbürgerungsgesuchen, die von der kommunalen Bürgerversammlung zweimal ohne hinreichende Begründung abgewiesen wurden.
Anfechtung eines Vor- oder Zwischenentscheids über die Zuständigkeit zur Einbürgerung (E. 1.2). Beschwerdeberechtigung der nicht eingebürgerten Gesuchsteller (E. 1.3).
Anwendbares Recht (E. 2). Regelung des Einbürgerungsverfahrens im kan tonalen Recht (E. 3.1 und 3.2). Der im Beschwerdeverfahren zulässige Antrag auf Beurteilung der Einbürgerungsgesuche durch die Beschwerdeinstanz ist keine Angelegenheit der Staatsaufsicht (E. 3.4).
Bindung staatlicher Organe an die Grundrechte (E. 4.2). Tragweite der Ansprüche auf Begründung und auf Beurteilung innert angemessener Frist im Einbürgerungsverfahren (E. 4.3-4.5). | Sachverhalt
ab Seite 266
BGE 135 I 265 S. 266
A.
An der Bürgerversammlung der politischen Gemeinde Rheineck vom 21. März 2005 lehnte die Bürgerschaft entgegen den Anträgen ihres Einbürgerungsrates zwölf in den Jahren 2003 und 2004 eingereichte Einbürgerungsgesuche ab. Aufgrund einer dagegen von einer Stimmbürgerin erhobenen Beschwerde hob das Departement des Innern des Kantons St. Gallen die ablehnenden Einbürgerungsbeschlüsse mit Entscheid vom 23. August 2005 auf. Auf Beschwerde der politischen Gemeinde Rheineck hin wies das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen am 6. Dezember 2005 die Angelegenheit zur Beteiligung der Gesuchsteller am Verfahren an das Departement zurück. Dieses holte daraufhin die bis anhin unterlassene Verfahrensbeteiligung der betroffenen Gesuchsteller nach. Mit Entscheiden vom 27. April 2006 hob es die ablehnenden Einbürgerungsbeschlüsse auf und wies die politische Gemeinde Rheineck an, die Einbürgerungsgesuche der nächsten Bürgerversammlung vorzulegen, soweit die Gesuchsteller die Einbürgerungsvoraussetzungen noch erfüllten.
Die meisten Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller hielten an ihrem Einbürgerungsgesuch fest. Sie wurden vom Einbürgerungsrat nochmals geprüft und wiederum positiv beurteilt. Dementsprechend beantragte der Einbürgerungsrat der Bürgerschaft an der Bürgerversammlung vom 19. März 2007, unter anderem den verbliebenen zehn Einbürgerungsvorlagen, welche ein zweites Mal zu beurteilen waren, zuzustimmen. Mehrere Personen nutzten an der Bürgerversammlung die Möglichkeit, die Einbürgerungen zu diskutieren. Dabei fiel die Diskussion nicht bei allen Vorlagen gleich ausführlich aus. Teilweise erfolgte überhaupt keine Wortmeldung. Die zehn Einbürgerungsgesuche wurden von der Bürgerversammlung wiederum abgelehnt.
BGE 135 I 265 S. 267
B.
Gegen die Ablehnung ihrer Einbürgerungsgesuche gelangten unter anderem A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den Kindern F., G. und H.) mit Beschwerde an das Departement des Innern mit den Anträgen:
"1. Es seien die ablehnenden Einbürgerungsbeschlüsse der Bürgerversammlung Rheineck vom 19. März 2007 aufzuheben.
2. Den Einbürgerungsgesuchen der Beschwerdeführer und Beschwerdeführerinnen sei zu entsprechen und es sei ihnen das Gemeindebürgerrecht von Rheineck zu erteilen."
Zur Begründung der Beschwerde wurde insbesondere dargelegt, die Bürgerschaft habe mit ihrem Vorgehen am 19. März 2007 klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht gewillt sei, Einbürgerungsentscheide in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtsprechung vorzunehmen. Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass ein drittes Verfahren zu einem anderen Ergebnis führen werde. Zur Vermeidung eines prozessualen Leerlaufs sei es somit notwendig, dass das Departement in der Sache selbst entscheide.
Das Departement hiess die Beschwerde n mit Entscheid vom 2. Juni 2008 teilweise gut und hob die ablehnenden Einbürgerungsbeschlüsse vom 19. März 2007 betreffend A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den Kindern F., G. und H.) auf. Es hielt fest, dass ein Teil der umstrittenen Einbürgerungsvorlagen diskussionslos abgelehnt worden sei. Eines der betroffenen Einbürgerungsgesuche sei trotz unterstützendem Votum und ein anderes gestützt auf die Religionszugehörigkeit abgewiesen worden. Eine weitere Absage sei nicht individuell begründet worden. Das Departement wies die Angelegenheit an die politische Gemeinde Rheineck zurück, damit der Einbürgerungsrat die Einbürgerungsvorlagen der Bürgerschaft an der nächsten Bürgerversammlung vorlegen könne, sofern die betroffenen Personen dannzumal die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllten (Dispositiv Ziff. 1a-g des Entscheids). Soweit die Beschwerdeführer die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts durch die Beschwerdeinstanz beantragt hatten, wies das Departement die Beschwerde ab (Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids). Es wies die Gemeinde zudem darauf hin, dass bei einer erneut ungenügend begründeten Ablehnung der Vorlagen die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts aufsichtsrechtlich angeordnet werden könnte (Dispositiv Ziff. 3 des Entscheids).
C.
In ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragten A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den
BGE 135 I 265 S. 268
Kindern F., G. und H.) insbesondere, Ziff. 2 des Entscheids des Departements sei aufzuheben und ihnen sei das Gemeindebürgerrecht von Rheineck zu erteilen. Eventuell sei das Departement anzuweisen, ihren Gesuchen zu entsprechen und ihnen das Bürgerrecht zu erteilen.
Mit Urteil vom 14. Oktober 2008 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde gegen Ziff. 2 des Entscheids des Departements des Innern vom 2. Juni 2008 nicht ein. Es begründete seinen Entscheid damit, dass der Verzicht auf die sofortige aufsichtsrechtliche Erteilung des Bürgerrechts nicht als Verfügung gelte, wenn die Rechtsmittelinstanz die Gesuche zur Behandlung an das gesetzlich zuständige Organ überweise. Die vorliegende Verweigerung der aufsichtsrechtlichen Erteilung des Bürgerrechts sei ein Entscheid im Rahmen der Staatsaufsicht. Dagegen sei die Beschwerde gestützt auf Art. 59
bis
Abs. 2 lit. a Ziff. 1 des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 16. Mai 1965 (sGS 951.1; im Folgenden: VRP/SG) nicht zulässig, bevor die am 1. Januar 2009 ablaufende Übergangsfrist gemäss
Art. 130 Abs. 3 BGG
verstrichen sei. Erst ab diesem Datum hätten die Kantone die Rechtsweggarantie gemäss
Art. 29a BV
zu beachten und den Rechtsschutz durch ein oberes kantonales Gericht zu gewährleisten (
Art. 86 Abs. 2 BGG
).
D.
Mit Verfassungsbeschwerde vom 20. November 2008 beantragen A., die Eheleute B. (mit Sohn E.), C. und D. (mit den Kindern F., G. und H.) im Wesentlichen, der Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und ihnen sei das Bürgerrecht der Gemeinde Rheineck zu erteilen. Eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung bzw. zur materiellen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdeführer berufen sich auf die Menschenwürde (
Art. 7 BV
), das Diskriminierungsverbot (
Art. 8 Abs. 2 BV
), die Begründungspflicht (
Art. 29 Abs. 2 BV
), das Willkürverbot (
Art. 9 BV
) sowie die Bindung der staatlichen Organe an die Grundrechte (
Art. 35 Abs. 2 BV
). Zudem machen sie Rechtsverzögerung (
Art. 29 Abs. 1 BV
) und eine Verletzung der
Art. 8 und 13 EMRK
geltend. Sie bringen vor, sie hätten nach zwei verfassungswidrigen Beschlüssen der Bürgerversammlung und mehreren zu ihren Gunsten lautenden Beschwerdeentscheiden des Departements und des Verwaltungsgerichts einen Anspruch auf die Herstellung des rechtmässigen Zustands durch die Rechtsmittelinstanz. Eine nochmalige Rückweisung der Sache an die Gemeindebehörden missachte die Pflicht der
BGE 135 I 265 S. 269
Rechtsmittelinstanzen zur Rechtsgewährleistung und verfassungskonformen Beurteilung innert angemessener Frist. (...)
(Auszug)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
1.1
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne von
Art. 82 BGG
ist gemäss
Art. 83 lit. b BGG
gegen Entscheide über die ordentliche Einbürgerung ausgeschlossen. Eine andere ordentliche Beschwerde fällt nicht in Betracht. Damit ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemäss
Art. 113 ff. BGG
im Grundsatz gegeben. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts kann mit keinem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden und ist daher kantonal letztinstanzlich (
Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG
).
1.2
Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren nicht ab. Es liegt somit kein Endentscheid im Sinne von
Art. 90 BGG
vor. Mit seinem Nichteintretensentscheid hat das Verwaltungsgericht die Frage der Zuständigkeit des Departements, das Bürgerrecht anstelle der Bürgerversammlung im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens zu erteilen, als Frage der Staatsaufsicht bezeichnet, zu deren Beurteilung es in Anwendung von Art. 59
bis
Abs. 2 lit. a Ziff. 1 VRP/SG nicht zuständig sei. Somit liegt in zweifacher Hinsicht ein Vor- oder Zwischenentscheid über die Zuständigkeit im Sinne von
Art. 92 BGG
vor. Dieser kann mit Verfassungsbeschwerde angefochten werden, soweit dieses Rechtsmittel auch gegen den Endentscheid erhoben werden kann (Art. 92 Abs. 1 i.V.m.
Art. 117 BGG
; vgl.
BGE 133 III 645
E. 2.2 S. 647 f.). Daran ändert im vorliegenden Fall auch der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht auf das bei ihm eingereichte Rechtsmittel nicht eintrat, weil es die Sache als Angelegenheit der Staatsaufsicht im Sinne von Art. 59
bis
Abs. 2 lit. a Ziff. 1 VRP/SG bezeichnete.
1.3
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann nach
Art. 116 BGG
die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Zur Beschwerde ist gemäss
Art. 115 BGG
berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b).
Die in
Art. 115 lit. a BGG
genannte Voraussetzung ist offensichtlich erfüllt. Das nach
Art. 115 lit. b BGG
erforderliche rechtlich
BGE 135 I 265 S. 270
geschützte Interesse kann durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder aber unmittelbar durch ein spezielles Grundrecht oder bundesverfassungsrechtliche Verfahrensgarantien begründet sein (
BGE 133 I 185
E. 4 S. 191 und E. 6.2 S. 199;
BGE 129 I 217
E. 1 S. 219). Die Legitimation bei der Anrufung spezieller Verfassungsrechte ergibt sich bereits aus der Grundrechtsträgerschaft und dem Inhalt des als verletzt gerügten Verfassungsrechts (
BGE 132 I 167
E. 2.1 S. 168). Insoweit können die Beschwerdeführer eine Verletzung der Menschenwürde (
Art. 7 BV
) und des Diskriminierungsverbots (
Art. 8 Abs. 2 BV
) und der Bindung der staatlichen Organe an die Grundrechte (
Art. 35 Abs. 2 BV
) geltend machen. Soweit sich die Beschwerdeführer auf eine durch ein spezielles Grundrecht geschützte Rechtsstellung berufen, kommt ihrer Rüge der Verletzung des allgemeinen Willkürverbots (
Art. 9 BV
) keine selbstständige Bedeutung zu (
BGE 133 I 185
E. 6.2 S. 199;
BGE 129 I 217
E. 1.3 S. 222).
Als Parteien im kantonalen Verfahren können die Beschwerdeführer zudem die Verletzung bundesverfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien rügen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (
BGE 133 I 185
E. 6.2 S. 199;
BGE 132 I 167
E. 2.1 S. 168). Dies trifft auf die Rügen der Rechtsverzögerung (
Art. 29 Abs. 1 BV
) und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss
Art. 29 Abs. 2 BV
zu. Den Anspruch auf Begründung bei Verweigerung der Einbürgerung (vgl.
BGE 134 I 56
E. 2 S. 58;
BGE 130 I 140
E. 4.2 S. 147) hat der Gesetzgeber mit der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Revision des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) nun auch ausdrücklich ins Bundesgesetzesrecht aufgenommen (
Art. 15b BüG
; AS 2008 5911).
Umstritten ist einzig, ob die Beschwerdeführer nach zwei Entscheiden der Bürgerversammlung, welche sich wegen Verletzung der Begründungspflicht als verfassungswidrig erwiesen, Anspruch auf eine umfassende verfassungskonforme Beurteilung ihrer Einbürgerungsgesuche durch eine Rechtsmittelinstanz haben. Die angerufenen speziellen Verfassungsrechte sowie die in
Art. 29 BV
verankerten Verfahrensgarantien verleihen den Beschwerdeführern als Träger dieser verfassungsmässigen Rechte im Einbürgerungsverfahren ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids. Ihre Beschwerde ist somit unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdeberechtigung zulässig. Dies bedeutet nicht, dass die Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung hätten.
BGE 135 I 265 S. 271
1.4
Nach
Art. 42 Abs. 2 BGG
sind die Beschwerdeanträge zu begründen. In der Beschwerdeschrift wird nicht begründet, weshalb Dispositiv Ziff. 4 des angefochtenen Entscheids aufzuheben sei. In dieser Ziffer des Dispositivs verzichtet das Verwaltungsgericht auf die Erhebung der auf Fr. 2'500.- festgesetzten amtlichen Kosten. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführer durch diese Kostenbefreiung beschwert sind. Auf den genannten Antrag kann somit nicht eingetreten werden.
1.5
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der subsidiären Verfassungsbeschwerde sind erfüllt, so dass darauf unter Vorbehalt der Ausführungen in E. 1.4 hiervor einzutreten ist.
2.
Der angefochtene Entscheid erging am 14. Oktober 2008. Die am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen revidierten Bestimmungen des Bürgerrechtsgesetzes (AS 2008 5911 f.), welche insbesondere das Verfahren in den Kantonen betreffen, sind somit auf die vorliegende Angelegenheit nicht anwendbar. Die umstrittenen verfahrensrechtlichen Fragen sind aufgrund des kantonalen Rechts und der von den Beschwerdeführern angerufenen verfassungsrechtlichen Ansprüche zu beurteilen. Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts prüft das Bundesgericht dabei auf Willkür hin.
3.
Die Beschwerdeführer machen geltend, ihre Eingabe sei zu Unrecht als Angelegenheit der Staatsaufsicht eingestuft worden, anstatt als ordentliche Beschwerde behandelt zu werden. Diese Beanstandung ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen Nichteintretensentscheid zulässig (vgl.
BGE 123 II 402
E. 1b/bb S. 406;
BGE 119 Ia 237
E. 3 S. 238; je mit Hinweisen; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, S. 168 Rz. 461; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 332).
3.1
Im Kanton St. Gallen beschliessen die Stimmberechtigten der politischen Gemeinde über die Erteilung des Gemeinde- und Ortsbürgerrechts auf Antrag des Einbürgerungsrats (
Art. 104 Abs. 1 KV/SG
[SR 131.225]). Besteht ein Gemeindeparlament, fasst dieses Beschluss (
Art. 104 Abs. 1 Satz 2 KV/SG
). Das Verfahren wird im kantonalen Gesetzesrecht geregelt (
Art. 104 Abs. 3 KV/SG
). Die gesetzliche Regelung über den Erwerb des Kantons- und Gemeindebürgerrechts ist im kantonalen Bürgerrechtsgesetz vom 5. Dezember 1955 (sGS 121.1) enthalten. Die Rechtsmittelordnung ergibt sich im Wesentlichen aus dem kantonalen Gemeindegesetz vom 23. August 1979 (sGS 151.2;
BGE 135 I 265 S. 272
im Folgenden: GG) und dem kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz.
Nach Art. 243 Abs. 1 GG können Stimmberechtigte und andere Personen, die an der Änderung oder Aufhebung des Beschlusses ein eigenes schutzwürdiges Interesse dartun, Beschlüsse der Bürgerschaft wegen Rechtswidrigkeit beim zuständigen Departement anfechten. Das Departement kann nach Art. 243 Abs. 3 GG auf Abstimmungsbeschwerde hin den Beschluss der Bürgerschaft aufheben (lit. a) oder angemessene Massnahmen treffen, wobei Art. 238 GG sachgemäss angewendet wird (lit. b). Gemäss Art. 238 GG trifft das zuständige Departement angemessene Massnahmen zur Wiederherstellung oder Sicherung der gesetzlichen Ordnung. Dabei kann es insbesondere anstelle eines Gemeindeorgans handeln, Ersatzvornahmen anordnen und Reglemente erlassen (Art. 238 Abs. 2 lit. a-c GG). Der Rechtsschutz in Verwaltungsstreitsachen richtet sich nach den Vorschriften des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (Art. 242 GG).
3.2
Der Entscheid des Departements vom 2. Juni 2008 erging aufgrund einer Abstimmungsbeschwerde der nicht eingebürgerten Gesuchsteller in Anwendung der Art. 243 und 238 GG. Diese Bestimmungen befinden sich im Gemeindegesetz im neunten Teil betreffend die "Staatsaufsicht", welcher in die Abschnitte "I. Im Allgemeinen" (Art. 228-237 GG), "II. Zwangsmassnahmen" (Art. 238-240 GG) und "III. Rechtspflege" (Art. 241-247 GG) aufgeteilt ist. Das bedeutet bei der dargelegten Regelung des Rechtsschutzes in Gemeindeangelegenheiten nicht, dass jede Massnahme, die in sinngemässer Anwendung von Art. 238 GG ergriffen wird, eine nur beschränkt justiziable Massnahme der Staatsaufsicht darstellt. Zu unterscheiden ist, ob das Departement auf Anzeige hin entscheidet (Art. 241 GG) oder ob es im Rahmen einer Verwaltungsstreitsache tätig wird (Art. 242 GG). Die Anzeige ist nur mit beschränkten Parteirechten und -pflichten verbunden und führt in der Regel nicht zum Erlass einer anfechtbaren Verfügung (Art. 241 GG; vgl. CAVELTI/VÖGELI, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2003, S. 610 f.;
BGE 121 I 87
E. 1a S. 90). Im Beschwerdeverfahren gegen einen negativen Einbürgerungsentscheid stehen einer Partei hingegen die Verfahrensrechte des Verwaltungsrechtspflegegesetzes und der Bundesverfassung zu (vgl. Art. 242 f. GG;
BGE 132 I 167
E. 2.1 S. 168 mit Hinweisen). Hierzu gehört im Unterschied zur aufsichtsrechtlichen Anzeige insbesondere auch der Anspruch auf einen Entscheid (
Art. 63 VRP
/SG).
BGE 135 I 265 S. 273
3.3
Der Entscheid des Departements vom 2. Juni 2008 hatte den Erlass von Verfügungen über die Einbürgerungsgesuche der Beschwerdeführer im Rahmen der Abstimmungsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit gemäss Art. 243 GG zum Gegenstand. In diesem Rechtsmittelverfahren entsprach das Departement den Anträgen der Beschwerdeführer teilweise, indem es die negativen Einbürgerungsentscheide wegen Rechtswidrigkeit aufhob (Dispositiv Ziffer 1a-1g des Departementsentscheids). Es lehnte jedoch den weiteren, nach Art. 243 und 238 GG im Rahmen der Abstimmungsbeschwerde grundsätzlich zulässigen Antrag der Beschwerdeführer, das Departement solle die Einbürgerungsvoraussetzungen materiell umfassend prüfen und die Einbürgerungen anstelle der Bürgerschaft vornehmen, ab (Dispositiv Ziff. 2 des Departementsentscheids). Damit bejahte das Departement entgegen dem Antrag der Beschwerdeführer die Zuständigkeit der Gemeinde zur erneuten Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen. Es stellt sich die Frage, ob dieser Entscheid eine Verfügung gegenüber den Gesuchstellern darstellt, in welcher ihr Rechtsverhältnis zum Gemeinwesen geregelt wird. Das Verwaltungsgericht verneint dies, indem es ausführt, es handle sich um "keine Entscheidung im Bereich der ordentlichen gesetzlichen Zuständigkeit des Einbürgerungsrechts, sondern um die (vorläufige) Ablehnung einer Zwangsmassnahme gegenüber der Gemeinde". Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, der Entscheid des Departements vom 2. Juni 2008 enthalte Verfügungen, d.h. auf Rechtswirkungen ausgerichtete Anordnungen, mit denen im Einzelfall Rechte und Pflichten begründet, abgeändert oder aufgehoben werden (vgl. HÄFELIN/UHLMANN/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, S. 180 ff.). Der in Dispositiv Ziff. 2 des Departementsentscheids enthaltene Entscheid über die Einbürgerung habe zweifellos Verfügungscharakter, werde doch darin der Antrag abgelehnt, die Einbürgerung sei vom Departement zu beurteilen und vorzunehmen, und damit in geschützte (Verfahrens-)Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen.
3.4
Das Verwaltungsgericht anerkennt im angefochtenen Urteil den Verfügungscharakter des Departementsentscheids insoweit, als damit die Abstimmungsbeschwerde gutgeheissen und die Einbürgerungsgesuche zur neuen Entscheidung an die Gemeindebehörde zurückgewiesen werden (Dispositiv Ziff. 1a bis 1g des Departementsentscheids). In Bezug auf die umstrittene Dispositiv Ziff. 2 des Departementsentscheids, mit welcher der Antrag der Beschwerdeführer, das Departement solle die Einbürgerungen anstelle der Bürgerschaft
BGE 135 I 265 S. 274
vornehmen, abgewiesen wurde, verneint das Verwaltungsgericht hingegen den Verfügungscharakter. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zwar hat das Departement in seinem Entscheid auch ein aufsichtsrechtliches Einschreiten gegenüber der Gemeinde (zurzeit) abgelehnt. Es hat aber gleichzeitig den Antrag der Beschwerdeführer, im ordentlichen Bürgerrechtsverfahren einen reformatorischen Entscheid zu treffen, abgewiesen. Dispositiv Ziff. 2 des beim Verwaltungsgericht angefochtenen Departementsentscheids enthält somit negative Verfügungen über die Zuständigkeit zur Vornahme der beantragten Einbürgerungen. Das Departement hat an die von der Gemeinde zu vertretende Verfassungsverletzung nicht die von den Beschwerdeführern im Rechtsmittelverfahren in zulässiger Weise verlangte Rechtsfolge (Art. 238 Abs. 2 lit. a GG; Handeln anstelle des Gemeindeorgans) geknüpft. Solche auf Beschwerde im ordentlichen Einbürgerungsverfahren hin erlassene ablehnende Verfügungen des Departements sind nach
Art. 59
bis
Abs. 1 VRP
/SG beim Verwaltungsgericht anfechtbar. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Behandlung des erwähnten Rechtsbegehrens als Angelegenheit der Staatsaufsicht ist mit dem Anspruch auf gerechte Behandlung vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen (faires Verfahren,
Art. 29 Abs. 1 BV
) nicht vereinbar. Die Abspaltung des im Einbürgerungsverfahren zulässigen reformatorischen Beschwerdeantrags und dessen Einstufung als Staatsaufsichtsangelegenheit stellt eine grobe Verletzung der Verfahrensrechte der Beschwerdeführer dar, verfügt doch der Beschwerdeführer im aufsichtsrechtlichen Verfahren nur über eine stark eingeschränkte Rechtsstellung (Art. 241 GG und Art. 59
bis
Abs. 2 lit. a Ziff. 1 VRP/SG; E. 3.2 und Sachverhalt lit. C hiervor). Das Verwaltungsgericht hat damit seine Zuständigkeit zur Behandlung der gegen Dispositiv Ziff. 2 des Entscheids des Departements vom 2. Juni 2008 gerichteten Beschwerde in unhaltbarer Weise verneint. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit gutzuheissen.
4.
Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es nach
Art. 107 Abs. 2 BGG
in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden hat (
Art. 107 Abs. 2 Satz 2 BGG
).
4.1
Die Beschwerdeführer beantragen, bei Gutheissung der Beschwerde sei ihnen das Bürgerrecht der Gemeinde Rheineck unmittelbar im bundesgerichtlichen Verfahren zu erteilen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eine Erteilung
BGE 135 I 265 S. 275
des Bürgerrechts durch das Bundesgericht kann unter den vorliegenden Umständen nicht erfolgen. Die Einbürgerungsvoraussetzungen können erst aufgrund eines umfassend abgeklärten Sachverhalts materiell beurteilt werden. Die massgebenden Sachverhaltsfeststellungen sind im kantonalen Verfahren vorzunehmen. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG
). Die zuständige kantonale Instanz prüft den Sachverhalt frei und wendet das Recht von Amtes wegen an (
Art. 110 BGG
). Vorliegend hat die kantonale Vorinstanz den zur materiellen Beurteilung der Einbürgerungsgesuche erheblichen Sachverhalt nicht festgestellt. Auch hat sie die Einbürgerungsvoraussetzungen unter Berücksichtigung der kantonalen Praxis nicht umfassend geprüft. Es erscheint somit gerechtfertigt, die Sache an die kantonalen Behörden zurückzuweisen (vgl. GIOVANNI BIAGGINI, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 16 ff. zu
Art. 117 BGG
). Nach dem Grundsatz der devolutiven Wirkung der Beschwerde (sog. Devolutiveffekt) gilt im vorliegenden Verfahren auch Dispositiv Ziff. 2 des Departementsentscheids vom 2. Juni 2008 als mitangefochten (
BGE 134 II 142
E. 1.4 S. 144 mit Hinweis). Es ist im Folgenden aufgrund der massgebenden verfassungsrechtlichen Grundsätze zu untersuchen, welche Instanz unter den gegebenen Umständen die Einbürgerungsgesuche behandeln soll.
4.2
Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist nach
Art. 35 Abs. 2 BV
an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen. Dadurch verpflichtete Grundrechtsadressaten sind zunächst die Gemeinwesen von Bund, Kantonen und Gemeinden mit allen ihren Verfassungsorganen (inkl. Stimmberechtigte; vgl.
BGE 130 I 140
E. 4 S. 146 f.;
BGE 129 I 232
E. 3.4.2 S. 240,
BGE 129 I 217
E. 2.2.1 S. 225). Weiter richtet sich
Art. 35 Abs. 2 BV
an die Aufsichts- und Rechtsmittelinstanzen, welche verfassungswidrige Entscheide unter gewissen Umständen nicht bloss aufzuheben, sondern den Grundrechtsschutz dadurch zu verwirklichen haben, dass sie angemessene Ersatzregelungen schaffen (RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 18 und 25 zu
Art. 35 BV
; BERNHARD RÜTSCHE, Rechtsfolgen von Grundrechtsverletzungen, 2002, S. 350; vgl.
BGE 130 I 140
E. 4.1 S. 146; s. auch
Art. 107 Abs. 2 BGG
;
BGE 133 I 270
E. 1.1 S. 273). Dieser Grundsatz führte im Rahmen der Praxis zur früheren staatsrechtlichen Beschwerde zu Ausnahmen von der grundsätzlich kassatorischen Natur dieses Rechtsmittels (
BGE 132 I 21
E. 1 S. 22 mit Hinweisen; WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 400 ff.).
BGE 135 I 265 S. 276
4.3
Ablehnende Entscheide über Einbürgerungen unterliegen bereits vor Inkrafttreten von
Art. 15b BüG
gestützt auf
Art. 29 Abs. 2 BV
der Begründungspflicht, welche einen Teilgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellt (
BGE 132 I 196
E. 3.1;
BGE 131 I 18
E. 3 S. 20; je mit Hinweisen). Die für den Entscheid zuständigen Personen handeln, wenn sie über Einbürgerungsgesuche beschliessen, als Organ der Gemeinde und nehmen eine staatliche Aufgabe wahr. Sie sind daher gemäss
Art. 35 Abs. 2 BV
an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen (
BGE 129 I 217
E. 2.2.1 S. 225 mit Hinweisen).
4.3.1
Die Bürger von Rheineck hatten an den Versammlungen vom 21. März 2005 und 19. März 2007 Gelegenheit, ihre trotz des zustimmenden Antrags des Einbürgerungsrats ablehnende Haltung zu begründen. Zumindest an der zweiten Versammlung vom 19. März 2007 wären sie, nachdem das Departement des Innern die Sache wegen fehlender Begründung an die Gemeinde zurückgewiesen hatte und auch der Versammlungsleiter auf die Unzulässigkeit ungenügend begründeter Nichteinbürgerungen hingewiesen hatte, nach dem Anspruch der Gesuchsteller auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (
Art. 29 Abs. 2 BV
) verpflichtet gewesen, sämtliche Einbürgerungsvoraussetzungen umfassend zu prüfen, abschliessend zu beurteilen und die Gründe für den ablehnenden Entscheid im Einzelnen darzulegen. Dadurch wären sowohl die betroffenen Gesuchsteller als auch das Departement des Innern als Beschwerdeinstanz in die Lage versetzt worden, sich mit den dargelegten Gründen auseinanderzusetzen und diese auf ihre Stichhaltigkeit hin zu prüfen.
4.3.2
Die Bürgerversammlung hat es nach den unbestrittenen Ausführungen im Entscheid des Departements des Innern vom 2. Juni 2008 erneut versäumt, ihre Beschlüsse an der zweiten Versammlung vom 19. März 2007 in Bezug auf die Beschwerdeführer unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu fassen und zu begründen. Während die Beschlüsse der Versammlung vom März 2005 bereits wegen Missachtung des Anspruchs der Gesuchsteller auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
) aufgehoben werden mussten, litten die Entscheide vom März 2007 erneut an Gehörsverletzungen und teilweise an unzulässiger Begründung der Nichteinbürgerung. Einer der beim Departement angefochtenen kommunalen Nichteinbürgerungsentscheide verstiess zudem gegen das in
Art. 8 Abs. 2 BV
verankerte Diskriminierungsverbot. Dies führte zur Aufhebung der Nichteinbürgerungsentscheide durch das Departement, verbunden mit
BGE 135 I 265 S. 277
der Androhung, dass bei einer erneuten verfassungswidrigen Verweigerung der Einbürgerungen durch die Bürgerversammlung eine aufsichtsrechtliche Anordnung der Einbürgerung durch das Departement erfolgen könne. Das Departement ging davon aus, dass die Gemeinde bei einer dritten Behandlung der Einbürgerungsgesuche ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren durchführen werde. Deshalb sei ihr nochmals Gelegenheit einzuräumen, einen rechtmässigen Beschluss zu fassen. Im Rahmen einer Interessenabwägung berücksichtigte das Departement die unerwünschten zeitlichen Verzögerungen. Diese seien jedoch angesichts der kantonalrechtlichen Zuständigkeit der Bürgerversammlung als Einbürgerungsorgan Ausdruck der Gemeindedemokratie und deshalb gerechtfertigt.
4.4
Diese Ausführungen sind im Lichte des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist und des Verbots der Rechtsverzögerung (
Art. 29 Abs. 1 BV
) zu würdigen. Danach sind die Gemeinden verpflichtet, die bei ihnen hängigen Einbürgerungsverfahren ohne unnötige Verzögerungen zum Abschluss zu bringen (vgl.
BGE 130 I 174
E. 2.2 S. 177 f.,
BGE 130 I 269
E. 2.3 S. 272 f., 312 E. 5.1 S. 331; je mit Hinweisen; s. auch
BGE 135 II 127
E. 3.4 S. 134). Die Angemessenheit einer Verfahrensdauer beurteilt sich nach der Art des Verfahrens und den konkreten Umständen einer Angelegenheit (wie Umfang und Komplexität der aufgeworfenen Sachverhalts- und Rechtsfragen, Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten etc.; vgl. Übersicht bei GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, a.a.O., N. 12 zu
Art. 29 BV
). Bei der Beurteilung, ob die Dauer eines Einbürgerungsverfahrens als angemessen gelten kann, ist zu berücksichtigen, dass die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung, die Voraussetzung für die Einbürgerung auf Kantons- und Gemeindeebene bildet, auf drei Jahre befristet ist (
Art. 13 Abs. 3 BüG
;
BGE 130 I 140
E. 4.2 S. 147). Mit dieser Befristung hat der Gesetzgeber dem Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist gemäss
Art. 29 Abs. 1 BV
entsprochen. Die in
Art. 13 Abs. 3 BüG
enthaltene Verlängerungsmöglichkeit soll nur ausnahmsweise angewendet werden, ansonsten die Befristung ihres Sinns entleert würde. Selbst wenn ein triftiger Grund für eine Fristverlängerung vorliegt, so ist von der Verlängerungsmöglichkeit im Lichte von
Art. 29 Abs. 1 BV
zurückhaltend Gebrauch zu machen. Das Einbürgerungsverfahren darf insgesamt eine angemessene Dauer nicht überschreiten.
4.5
Art. 29 Abs. 1 BV
verpflichtet die Gemeinden und die Rechtsmittelinstanzen somit in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu einer
BGE 135 I 265 S. 278
rechtskräftigen Bewältigung der Einbürgerungsverfahren innert angemessener Frist. Wie andere Grundrechte wird auch die in
Art. 29 BV
verankerte Garantie auf gleiche und gerechte Behandlung von der Forderung nach Achtung der Menschenwürde (
Art. 7 BV
) mitgetragen (Garantie des fairen Verfahrens; vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 821; LORENZ ENGI, Was heisst Menschenwürde?, ZBl 109/2008 S. 670).
Die Einbürgerungsgesuche, die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegen, wurden in den Jahren 2003 und 2004 eingereicht. Seither haben die Beschwerdeführer das kommunale Einbürgerungsverfahren mit anschliessendem kantonalem Rechtsmittelverfahren bereits zweimal durchlaufen. Die Gesuche wurden vom zuständigen kommunalen Einbürgerungsrat beide Male positiv beurteilt, dann aber von der Bürgerversammlung ohne verfassungskonforme Begründung abgelehnt. Das Departement des Innern hat mit der wiederholten Rückweisung der Sache an die Gemeinde verkannt, dass eine solche Rückweisung zu neuer Entscheidung sinnvoll sein kann, wenn eine Verwaltungsbehörde angesprochen wird, während das gleiche Verfahren eine selbstbewusste Versammlung schweizerischer Stimmberechtigter nur zum Widerstand provoziert. In solchen Fällen soll das Departement als für Bürgerrechtsfragen zuständige Instanz auf Beschwerde hin anstelle der Gemeinde direkt in der Sache entscheiden und auf eine Rückweisung verzichten. Dies entspricht offenbar auch seiner Absicht in zukünftigen Fällen (YVO HANGARTNER, Grundsatzfragen der Einbürgerung nach Ermessen, ZBl 110/2009 S. 311). Das Departement wird eine allfällige Veränderung der individuellen Verhältnisse in Bezug auf die Einbürgerungsvoraussetzungen unter Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der betroffenen Personen und der Gemeinde prüfen müssen, bevor es über die Einbürgerungen entscheidet. In diesem Sinne ist die Sache in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 117 BGG
an das Departement des Innern zur neuen Beurteilung zurückzuweisen.
5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die Ziff. 1 und 5 des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Oktober 2008 sowie Ziff. 2 des Entscheids des Departement des Innern vom 2. Juni 2008 aufzuheben sind. Die Sache wird an das Departement des Innern zu neuer Beurteilung zurückgewiesen. (...) | public_law | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8236564f-1589-4e67-bc66-b4ae4cc41756 | Urteilskopf
102 V 54
14. Urteil vom 7. April 1976 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Hürlimann und Rekurskommission des Kantons Zug | Regeste
Art. 15 Abs. 1 und
Art. 16 Abs. 1 AlVG
. Beginn der gemäss kantonalem Recht obligatorischen Mitgliedschaft bei einer Arbeitslosenversicherungskasse (Erw. 2).
Art. 11 Abs. 1 AlVV
. Rechtswirkungen der formlosen Anmeldung (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 54
BGE 102 V 54 S. 54
A.-
Hürlimann gehörte ab 1. Januar 1973 der obligatorischen Arbeitslosenversicherung an. In der Zeit vom 5. März 1974 bis 3. April 1975 war er in Johannesburg/Südafrika tätig. Nach der Rückkehr in die Schweiz stellte er am 6. Juni 1975 ein Gesuch um Ausrichtung einer Arbeitslosenentschädigung.
Die Arbeitslosenversicherungskasse teilte dem Gesuchsteller am 16. Juli 1975 mit, das Versicherungsverhältnis sei wegen des Auslandsaufenthaltes auf den 31. Dezember 1974 erloschen. Die Neuaufnahme in die Kasse erfolge auf den 1. Juni 1975. Die Taggeldberechtigung beginne somit am 1. Juli 1975, wobei ein Einkaufsgeld von Fr. 60.-- zu entrichten sei.
B.-
Gegen diese Verfügung erhob Hürlimann Beschwerde mit dem Antrag auf Auszahlung der Arbeitslosenentschädigung ab 6. Juni 1975.
Die kantonale Rekurskommission stellte fest, massgebend für die Begründung des Versicherungsverhältnisses sei der
BGE 102 V 54 S. 55
Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wohnsitznahme, welche am 30. Mai 1975 erfolgt sei. Der Beschwerdeführer sei demnach zu Recht auf den 1. Juni 1975 in die Versicherung aufgenommen worden. Eine Taggeldberechtigung bestehe ab 1. Juli 1975; das Einkaufsgeld betrage Fr. 50.-- (Entscheid vom 10. Oktober 1975).
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) geltend, auch beim bestehenden kantonalen Versicherungsobligatorium werde die Kassenmitgliedschaft mit dem Beitrittsgesuch oder, wenn es an einem solchen fehle, mit der Zuweisungsverfügung an die öffentliche Kasse begründet. Massgebend könne weder der Zeitpunkt der Wohnsitznahme noch derjenige der Anmeldung bei der Einwohnerkontrolle sein ...
Der Beschwerdegegner hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Es ist unbestritten, dass die seit dem 1. Januar 1973 bestandene Mitgliedschaft des Beschwerdegegners bei der kantonalen Arbeitslosenversicherung wegen Auslandsaufenthaltes erloschen ist, nachdem auch die Voraussetzungen zu einem Weiterbestand des Versicherungsverhältnisses im Sinne der
Art. 18 Abs. 3 AlVG
und 4 Abs. 3 AlVV nicht erfüllt waren. Streitig ist dagegen, in welchem Zeitpunkt der Beschwerdegegner nach seiner Rückkehr in die Schweiz die Kassenmitgliedschaft erworben hat und ein Taggeldanspruch frühestens entstanden sein konnte. Dabei ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner dem kantonalen Versicherungsobligatorium gemäss § 14 des zugerischen Einführungsgesetzes vom 15. Mai 1972 zu den Bundesgesetzen über die Arbeitsvermittlung und über die Arbeitslosenversicherung untersteht.
2.
a) Die Vorinstanz nimmt an, für den Erwerb der Kassenmitgliedschaft sei der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wohnsitznahme massgebend; nachdem der Beschwerdegegner am 30. Mai 1975 mit der Absicht dauernden Verbleibens in die Schweiz zurückgekehrt sei, sei er gemäss
Art. 16 Abs. 1 AlVG
mit Wirkung ab 1. Juni 1975 in die Kasse aufzunehmen. Diesen Zeitpunkt erachtete zunächst auch die Kasse als
BGE 102 V 54 S. 56
massgebend; in der Vernehmlassung an die Vorinstanz bezeichnete sie dagegen den 1. Juli 1975 als ersten Mitgliedschaftstag mit der Begründung, entgegen ihrer ursprünglichen Annahme sei die Anmeldung bei der Einwohnerkontrolle der Wohnsitzgemeinde nicht am 30. Mai, sondern erst am 5. Juni 1975 erfolgt.
Das BIGA macht demgegenüber geltend, auf den Zeitpunkt der Wohnsitznahme könne schon im Hinblick auf den Grundsatz der freien Kassenwahl nicht abgestellt werden. Beim Entstehen der Versicherungspflicht stehe noch nicht fest, welcher Kasse der Pflichtige beitreten werde; es müsse ihm eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ein Beitrittsgesuch bei der Kasse seiner Wahl zu stellen. Erst wenn er innert nützlicher Frist vom Wahlrecht nicht Gebrauch mache, könne er durch Verfügung der für die Durchführung des Versicherungsobligatoriums zuständigen Behörde der öffentlichen Kasse zugewiesen werden. Daraus ergebe sich, dass für den Beginn der Mitgliedschaft der obligatorischen Versicherung ebenfalls das Datum des Beitrittsgesuches oder, wenn ein solches nicht gestellt werde, dasjenige der Zuweisungsverfügung an die öffentliche Kasse massgebend sei.
b) Dieser Auffassung ist beizupflichten. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Arbeitslosenversicherung auch dort, wo sie obligatorisch erklärt wird, keine Versicherung von Gesetzes wegen begründet und sich die Rechte und Pflichten des Versicherten aus dessen persönlicher Zugehörigkeit zu einer Arbeitslosenversicherungskasse ergeben. Die in
Art. 15 Abs. 1 AlVG
gewährleistete freie Kassenwahl setzt voraus, dass zwischen der Versicherungspflicht als solcher und der Kassenmitgliedschaft unterschieden wird. Das Versicherungsobligatorium beseitigt lediglich die Freiwilligkeit des Kassenbeitritts in dem Sinne, dass sich der Nichtversicherte einer anerkannten Kasse anzuschliessen hat; eine zwangsweise Zuweisung an die öffentliche Kasse erfolgt nur, wenn der Versicherungspflichtige dieser Pflicht nicht nachkommt. Das Versicherungsverhältnis wird folglich nicht schon damit begründet, dass die Voraussetzungen der Versicherungspflicht erfüllt sind; vielmehr bedarf es eines Beitrittes des Versicherungspflichtigen selbst bzw. einer Zuweisung seitens der für die Durchführung des Obligatoriums zuständigen Behörde
BGE 102 V 54 S. 57
(vgl. HOLZER, Kommentar zum Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, S. 37 und 77; VÖKT, Rechtsstellung und Rechtsbeziehungen der Kassen nach dem neuen Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, Diss. Basel 1954, S. 142, sowie
BGE 101 V 129
).
Demnach kann für den Beginn der Kassenmitgliedschaft weder der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Wohnsitznahme noch derjenige der Anmeldung bei der Einwohnerkontrolle massgebend sein. Es kann daher auch offenbleiben, ob sich der Beschwerdegegner bereits am 30. Mai oder erst am 5. Juni 1975 bei der Gemeinde zurückgemeldet hat.
3.
Nach
Art. 11 Abs. 1 AlVV
hat die Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung auf besonderem Formular zu erfolgen. Ein solches hat der Beschwerdegegner der Kasse am 10. Juli 1975 zugestellt. Bei der genannten Bestimmung handelt es sich indessen um eine blosse Ordnungsvorschrift. Meldet sich der Beitrittswillige mit formlosem Schreiben an, kommt er jedoch der Aufforderung der Kasse, sich rechtsgenüglich anzumelden, unverzüglich nach, so sind die Rechtswirkungen der Anmeldung auf das erste Schreiben zurückzubeziehen (vgl. für die Invalidenversicherung ZAK 1970 S. 499). Im vorliegenden Fall kann daher das Taggeldgesuch vom 6. Juni 1975 als massgebender Zeitpunkt der Anmeldung gelten. Das Gesuch wurde vom Beschwerdegegner in der Meinung unterbreitet, er sei noch Kassenmitglied, welcher Auffassung zunächst auch die Arbeitslosenversicherungskasse war. Im übrigen hat sich der Beschwerdegegner nach Erhalt des amtlichen Formulars ohne Verzug formrichtig angemeldet. Der Beginn seiner Mitgliedschaft ist in Anwendung von
Art. 16 Abs. 1 AlVG
somit auf den 1. Juli 1975 festzusetzen.
4.
Gemäss Ziff. II/1 des Bundesbeschlusses über Massnahmen auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung und des Arbeitsmarktes zur Bekämpfung von Beschäftigungs- und Einkommenseinbrüchen vom 20. Juni 1975, in Kraft seit dem 1. Juli 1975, ist die ordentliche Wartefrist in Abweichung von
Art. 25 Abs. 1 AlVG
für Personen, die sich bis zum 31. Dezember 1975 bei einer anerkannten Arbeitslosenversicherungskasse anmelden, auf einen Monat verkürzt worden. Der Beschwerdegegner ist daher frühestens ab 1. August 1975 taggeldberechtigt. Ob die Voraussetzungen des Taggeldanspruches in diesem Zeitpunkt erfüllt waren, wird zunächst von der Kasse zu prüfen sein. Immerhin geht aus den Akten hervor,
BGE 102 V 54 S. 58
dass der Beschwerdegegner am 9. Juli 1975 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat.
5.
Versicherte, die während der Geltungsdauer des genannten Bundesbeschlusses in eine Kasse eintreten, haben in Abweichung von
Art. 16 Abs. 4 AlVG
ein Einkaufsgeld von Fr. 60.-- zu entrichten. Versicherte, die weniger als 6 Monate vor Inkrafttreten des Bundesbeschlusses in eine Kasse eingetreten sind und vor Ablauf von 6 Monaten seit Eintritt Leistungen beanspruchen, zahlen ein Einkaufsgeld von Fr. 10.-- für jeden Monat, um den die gesetzliche Wartefrist verkürzt wurde (Ziff. II/2 des Bundesbeschlusses).
Nachdem der Beschwerdegegner entgegen der Annahme der Vorinstanz erst auf den 1. Juli 1975 Kassenmitglied geworden ist, hat er das volle Einkaufsgeld von Fr. 60.-- zu entrichten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der vorinstanzliche Entscheid und die Kassenverfügung vom 16. Juli 1975 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdegegner die Kassenmitgliedschaft auf den 1. Juli 1975 erworben hat und das Einkaufsgeld Fr. 60.-- beträgt. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8238d9c9-bd5d-4fda-a171-61b0d7f09c16 | Urteilskopf
99 IV 220
50. Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1973 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 182 (Freiheitsberaubung) und
Art. 183 StGB
(Entführung).
Verhältnis der beiden Bestimmungen. | Sachverhalt
ab Seite 220
BGE 99 IV 220 S. 220
A.-
Am 1. November 1972 gegen 22.30 h war die Prostituierte Ruth zu Fuss unterwegs zwischen dem Café Shalimar und ihrem Standplatz im Monbijouquartier in Bern. Da hielt neben ihr ein Personenwagen, dem vier weitere Prostituierte, worunter Theresia, entstiegen. Sie warfen Ruth vor, sie bediene ihre Freier ohne Präservativ und unter dem üblichen Preis, und forderten sie auf, mit ihnen in die Polizeikaserne zu fahren. Ruth kam der Aufforderung nach, doch führten sie die vier Frauen in den Frienisbergwald. Auf deren Geheiss verliess sie dort den Wagen, worauf ihr Eva Tränengas in die Augen sprühte. Anschliessend wurde sie von den Frauen entkleidet, geschlagen und im Wald zurückgelassen.
B.-
Am 19. Oktober 1973 erklärte das Obergericht des Kantons Bern Theresia der Freiheitsberaubung schuldig und verurteilte sie zu dreissig Tagen Gefängnis.
C.-
Die Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
BGE 99 IV 220 S. 221
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Handlungen fielen nicht unter Art. 182 (Freiheitsberaubung), sondern unter
Art. 183 StGB
(Entführung).
Die Begründung, mit der im angefochtenen Urteil die Entführung verneint wird (Erw. III 2), überzeugt nicht. Dieses Vergehen, das auch von einer Frau verübt werden kann und dessen Begehung nicht an einen bestimmten Zweck gebunden ist (HAFTER, Bes. T. I S. 104, II 2), verlangt keineswegs die Schaffung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer.
Indem sie vortäuschten, sie führen zur Polizeikaserne, brachten Theresia und ihre Kumpaninnen Ruth durch Anwendung von List dazu, in das Auto zu steigen. Da sie sie darauf in den Frienisbergwald verbrachten, haben sie sie im Sinne von
Art. 183 StGB
entführt.
2.
Doch sind auch alle Tatbestandselemente der Freiheitsberaubung gegeben. Gewiss setzt sie im Gegensatz zur Entführung nicht eine Ortsveränderung voraus. Hingegen schliesst ein Wegbringen des Opfers die Freiheitsberaubung nicht aus. Der Täter beschränkt sein Opfer auf einen bestimmten Raum (HAFTER, Bes. T. I S. 27). Dieser Raum kann aber ein sich fortbewegendes Fahrzeug sein. Freiheitsberaubung kann begangen werden durch Führen eines Automobils mit einer Geschwindigkeit, die das Opfer zwingt, im Fahrzeug zu verbleiben (LOGOZ, partie spéciale I S. 275 i.f.). Eine hohe Geschwindigkeit ist im übrigen nicht nötig, um einen Passagier am Verlassen eines in Bewegung befindlichen Fahrzeugs zu hindern. Es genügt, dass Passagiere in einem Auto, einem Flugzeug usw. festgehalten und so der Bewegungsfreiheit beraubt werden (THORMANN/OVERBECK, N 5 zu Art. 182;
BGE 89 IV 87
E 1).
Ruth ist auf der Fahrt von Bern in den Wald ihrer Freiheit beraubt gewesen. Die Beschwerdeführerin macht mit Recht nicht geltend, zu ihrem Vorgehen berechtigt gewesen zu sein.
3.
Auf die Frage des Verhältnisses zwischen
Art. 182 und 183 StGB
braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden, denn Ruth hat ausdrücklich auf die Stellung eines Strafantrags verzichtet.
Art. 183 StGB
fällt daher ausser Betracht. Somit hat die Vorinstanz Bundesrecht nicht verletzt, indem sie die Beschwerdeführerin gemäss
Art. 182 StGB
verurteilte (
BGE 71 IV 93
und 186,
BGE 76 IV 127
Nr. 24).
BGE 99 IV 220 S. 222
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82395a55-9d0c-4d00-9f80-80c977c9afe3 | Urteilskopf
127 I 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 2000 i.S. Martin Stoll gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (
Art. 4 aBV
,
Art. 8 und 9 BV
); strafprozessuales Legalitätsprinzip.
Offen gelassen, ob eine allfällige Praxis der Bundesanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (
Art. 293 StGB
) nur bei Vorliegen einer schriftlichen Strafanzeige der betroffenen Bundesstelle einzuleiten, gegen das strafprozessuale Legalitätsprinzip verstosse. Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht im konkreten Fall verneint (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 127 I 1 S. 2
A.-
In der "SonntagsZeitung" vom 26. Januar 1997 erschienen unter den Überschriften "Botschafter Jagmetti beleidigt die Juden" und "Mit Bademantel und Bergschuhen in den Fettnapf" zwei von Martin Stoll signierte Artikel. Darin werden mehrere Passagen aus einem laut den Artikeln "vertraulichen" Strategiepapier des damaligen Schweizer Botschafters in den USA, Carlo Jagmetti, wiedergegeben.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten erstattete im Auftrag des Bundesrates Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses (
Art. 320 StGB
). Die Bundesanwaltschaft stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 6. März 1998 ein. Gleichzeitig übertrug sie die Strafverfolgung wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (
Art. 293 StGB
) dem Kanton Zürich.
B.-
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte Martin Stoll am 22. Januar 1999 wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (
Art. 293 StGB
) zu einer Busse von 800 Franken.
Am 25. Mai 2000 wies das Obergericht des Kantons Zürich die vom Gebüssten erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
C.-
Martin Stoll ficht den Entscheid des Obergerichts mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde und mit staatsrechtlicher Beschwerde an. Mit der Letzteren beantragt er dessen Aufhebung.
Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer erhebt den Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht und rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Legalitätsprinzips.
a) Der "Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht" wird nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausnahmsweise anerkannt,
BGE 127 I 1 S. 3
nämlich wenn eine ständige gesetzwidrige Praxis einer rechtsanwendenden Behörde vorliegt und die Behörde zu erkennen gibt, dass sie auch in Zukunft nicht von dieser Praxis abzuweichen gedenke (
BGE 122 II 446
E. 4a, mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer meint, diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Zur Begründung verweist er auf einen Aufsatz eines Adjunkten des Bundesanwalts (HANSJÖRG STADLER, Indiskretionen im Bund, in: ZBJV 136/2000 S. 112 ff., 124). Darin wird unter anderem ausgeführt, obschon der Tatbestand der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen ein Offizialdelikt sei, habe sich bei der Bundesanwaltschaft in den letzten Jahren die Praxis herausgebildet, dass ein Ermittlungsverfahren wegen
Art. 293 StGB
(und
Art. 320 StGB
) nur dann eingeleitet werde, wenn eine schriftliche Strafanzeige der betroffenen Bundesstelle vorliege. Denn diese wisse am besten, ob die veröffentlichten Informationen des Bundes geheim seien oder nicht. Dieses Vorgehen der Bundesanwaltschaft sei unter dem Gesichtspunkt des strafrechtlichen Legalitätsprinzips nicht unbedenklich. Es lasse sich jedoch insofern relativieren, als
Art. 293 Abs. 3 StGB
ein Umgangnehmen von Bestrafung durch den Richter in geringfügigen Fällen vorsehe. Selbst bei Vorliegen einer Strafanzeige prüfe die Bundesanwaltschaft die Bedeutung des veröffentlichten Geheimnisses, bevor sie ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen den involvierten Journalisten wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen einleite, dies in Berücksichtigung von
Art. 10 EMRK
betreffend das Recht auf freie Meinungsäusserung (a.a.O., S. 124).
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Praxis der Bundesanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen nur dann einzuleiten, wenn eine schriftliche Strafanzeige der betroffenen Bundesstelle vorliege, sei gesetzwidrig. Aus den Äusserungen des Adjunkten des Bundesanwalts im zitierten Aufsatz gehe zudem hervor, dass von dieser Praxis in Zukunft nicht abgewichen werde. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass Passagen aus dem Strategiepapier des Botschafters nicht nur von ihm, sondern auch von anderen Journalisten in Zeitungsartikeln wiedergegeben worden seien. So sei in der Ausgabe der "SonntagsZeitung" vom 26. Januar 1997, in welcher die von ihm verfassten Artikel enthalten seien, auch ein Beitrag des damaligen Chefredaktors der Zeitung erschienen, worin ebenfalls aus dem Strategiepapier zitiert werde, um den Vorwurf der verfehlten Tonalität zu begründen. Zudem sei in der Ausgabe des "Tages-Anzeigers"
BGE 127 I 1 S. 4
vom 27. Januar 1997 ein grosser Teil des dieser Zeitung offenbar ebenfalls zugespielten Strategiepapiers im Wortlaut wiedergegeben worden. Schliesslich habe auch der "SonntagsBlick" in seiner Ausgabe vom 26. Januar 1997, wenn auch in knapper Form, aus dem Strategiepapier publiziert, wobei in diesem Artikel weniger auf die "Tonalität" als vielmehr auf den Inhalt Bezug genommen worden sei. Gegen alle diese Journalisten habe die Bundesanwaltschaft jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dieses einseitige Vorgehen verstosse gegen das Gebot der rechtsgleichen Behandlung. Der bei Antragsdelikten in
Art. 30 StGB
ausdrücklich geregelte Grundsatz der Unteilbarkeit gelte auf Grund des Gebots der rechtsgleichen Behandlung beziehungsweise des Willkürverbots erst recht bei Offizialdelikten. Die Strafverfolgungsbehörden hätten ihn, den Beschwerdeführer, willkürlich aus einer Gruppe von bekannten Tätern am gleichen Objekt herausgegriffen. Seine Bestrafung sei daher willkürlich, rechtsungleich und verstosse gegen das Legalitätsprinzip.
b) Es muss hier nicht geprüft werden, aus welchen Gründen im Einzelnen die Bundesanwaltschaft nicht auch gegen die vom Beschwerdeführer genannten Journalisten wegen der von diesen verfassten Zeitungsartikel ein Ermittlungsverfahren wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen einleitete und ob diese Gründe für einen Verzicht ausreichten. Selbst wenn man Letzteres verneinen wollte, könnte der Beschwerdeführer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten.
Die Voraussetzungen, unter denen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ausnahmsweise ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht, sind nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid und im erstinstanzlichen Urteil nicht erfüllt. Das Vorgehen der Bundesanwaltschaft in der hier gegebenen Konstellation begründet für sich allein noch keine "ständige" (allenfalls gesetzwidrige) Praxis, weder in dem Sinne, dass Journalisten ohne sachliche Gründe in der Regel nicht, sondern nur ganz ausnahmsweise wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen zur Rechenschaft gezogen werden, noch in dem Sinne, dass im Falle der Veröffentlichung von Passagen aus demselben vertraulichen Papier durch mehrere Journalisten in verschiedenen Zeitungsartikeln stets nur derjenige Journalist strafrechtlich verfolgt werde, dessen Verhalten der Bundesanwaltschaft aus irgendwelchen Gründen - etwa wegen der Aufmachung des Artikels oder wegen der Auswahl der zitierten Passagen - als vergleichsweise am verwerflichsten
BGE 127 I 1 S. 5
erscheint. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine (allenfalls gesetzwidrige) Praxis im einen oder anderen Sinne auch in Zukunft gehandhabt werde.
c) Der Beschwerdeführer kann schliesslich auch aus der seines Erachtens gesetzwidrigen Praxis der Bundesanwaltschaft, ein Ermittlungsverfahren nur bei Vorliegen einer schriftlichen Strafanzeige der betroffenen Bundesstelle einzuleiten, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Der Beschwerdeführer hätte allenfalls dann Anlass, sich über eine Ungleichbehandlung zu beschweren, wenn in seinem Fall keine schriftliche Strafanzeige der betroffenen Bundesstelle vorgelegen hätte und trotzdem, abweichend von der Praxis, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre.
Selbst bei Vorliegen einer Strafanzeige prüft die Bundesanwaltschaft die Bedeutung des veröffentlichten Geheimnisses, bevor sie ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren einleitet (HANSJÖRG STADLER, a.a.O., S. 124). Damit, wie auch schon durch das Erfordernis einer schriftlichen Strafanzeige der betroffenen Bundesstelle, gilt faktisch ein Opportunitätsprinzip. Ob dieses - allenfalls nun in
Art. 293 Abs. 3 StGB
- eine hinreichende Grundlage habe, ist hier nicht zu prüfen. Der Beschwerdeführer ist zur Rüge, diese Praxis verstosse gegen das Legalitätsprinzip, nicht befugt, da er durch die Anwendung des Opportunitätsprinzips in andern Fällen nicht beschwert ist. Er ist insoweit einzig zur Rüge der rechtsungleichen Behandlung legitimiert. Dass aber eine ständige Praxis bestehe und in der Zukunft fortgeführt werde, Verhaltensweisen, die seinem Fall nach Art und Schwere vergleichbar sind, nicht zu verfolgen, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Die im mehrfach zitierten Aufsatz dargestellten Fälle aus der Praxis (a.a.O., S. 116 ff.) sprechen deutlich gegen eine solche Annahme. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
823fd75e-b9cd-4a93-a871-63b066455810 | Urteilskopf
116 III 70
16. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 20 novembre 1990 dans la cause E. contre Cour de cassation civile du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg (recours de droit public) | Regeste
1. Willkürliche Ausübung der Überprüfungsbefugnis des freiburgischen Zivilkassationshofes.
Art. 310 Abs. 1 lit. a ZPO
FR begrenzt die Überprüfungsbefugnis des freiburgischen Zivilkassationshofes auf Willkür; die Ausweitung dieser Überprüfungsbefugnis ist willkürlich (E. 2).
2.
Art. 82 OR
.
Art. 82 OR
nicht auf Gesellschaftsverträge anzuwenden, ist nicht willkürlich (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 70
BGE 116 III 70 S. 70
Extrait des considérants:
2.
La recourante se plaint d'une application arbitraire de l'
art. 310 al. 1 let. a CPC
frib.: la cour cantonale, dont la cognition était limitée à la violation manifeste de la loi, à savoir à l'arbitraire, aurait procédé à un réexamen libre de la cause et omis de se demander si la solution retenue par le premier juge restait soutenable.
a) Aux termes de l'
art. 310 al. 1 let. a CPC
frib., le recours en cassation est recevable pour violation manifeste du droit applicable au fond.
Selon la jurisprudence du Tribunal cantonal fribourgeois, est manifeste la violation de toute disposition de droit matériel qui,
BGE 116 III 70 S. 71
après un examen approfondi, ne souffre qu'une interprétation; si plusieurs interprétations sont possibles, une violation manifeste ne saurait être invoquée; même une interprétation erronée, si elle est concevable, ne viole pas manifestement le droit applicable au fond (Extraits 1977, p. 67; 1974, p. 5/6; 1972, p. 72). Toute application discutable du droit matériel ne peut donc pas être sanctionnée en cassation. La législation exige une violation qualifiée du droit et se rattache ainsi à la solution adoptée par la majorité des codes de procédure civile cantonaux, qui ouvrent la voie de la cassation en cas de "Verletzung klaren Rechts" ou de "offenbare Verletzung einer Rechtsnorm". Il faut que le juge ait appliqué le droit de manière absolument contraire au sens de la loi, tel qu'il a été fixé après un examen approfondi par une jurisprudence constante ou l'unanimité des meilleurs auteurs. Lorsque, sur une question de droit, de bons auteurs sont partagés, il n'est pas dans le rôle de la Cour de cassation d'annuler le jugement qui préfère une opinion à une autre. La cassation est également exclue lorsque, sur l'interprétation d'une disposition légale, s'élèvent des doutes sérieux qui n'ont été résolus ni par une jurisprudence constante, ni par les auteurs (Extraits 1969, p. 127/128; 1958, p. 55 ss, notamment p. 62, et p. 108 ss, not. p. 111). Dans la définition de l'arbitraire, les cours cantonales tendent à se ranger à la jurisprudence dégagée par le Tribunal fédéral de l'
art. 4 Cst.
; ainsi à Fribourg (Extraits, 1977, p. 67).
Commentant l'
art. 310 al. 1 let. a CPC
frib., DESCHENAUX/CASTELLA définissent dans les mêmes termes la notion de violation manifeste du droit applicable au fond: il faut que l'application du droit soit insoutenable, objectivement arbitraire; la cassation suppose que le droit ait été appliqué d'une manière absolument contraire au sens de la loi, tel qu'il a été fixé par une jurisprudence constante ou la quasi-unanimité des meilleurs auteurs (cf. La nouvelle procédure fribourgeoise, p. 208/209).
b) Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, l'autorité cantonale qui réexamine librement la cause, alors qu'elle ne jouit que d'une cognition limitée, tombe dans l'arbitraire (
ATF 109 II 171
/172 consid. 2,
ATF 104 Ia 414
); sa décision ne sera toutefois annulée que si elle est arbitraire dans son résultat, et non seulement dans sa motivation (
ATF 109 II 172
consid. 3). Saisi d'un recours de droit public, fondé sur l'
art. 4 Cst.
, contre une décision de l'autorité cantonale de dernière instance dont la cognition était limitée à la violation manifeste de la loi applicable au fond, le Tribunal fédéral
BGE 116 III 70 S. 72
examine librement si l'autorité cantonale a nié - ou admis - à tort une violation manifeste du droit matériel (
ATF 112 Ia 351
;
ATF 111 Ia 355
).
c) En l'espèce, le premier juge devait examiner si la clause 5 al. 2 du contrat du 24 novembre 1988 constituait une reconnaissance de dette et, le cas échéant, si la créance invoquée par la poursuivante sur la base de cette clause était exigible. La poursuivie excipait de sa libération en se prévalant de l'inexécution par la poursuivante de ses propres obligations. Il fallait donc se demander si la déclaration prévue par l'art. 5 al. 2 du contrat devait être remise aux seules conditions prévues par cette clause ou si la poursuivie n'y était tenue que pour autant que les autres obligations contractuelles aient été exécutées. Le premier juge a certes admis qu'une convention forme en principe un tout. Toutefois, rien n'empêche les parties de prévoir que tout ou partie des engagements pris de part ou d'autre puissent être exécutés séparément et à des moments déterminés. Or, la convention et ses suppléments ne contiennent aucune clause générale liant l'exécution des obligations consenties. La créance de l'art. 5 al. 2 est donc exigible, nonobstant l'éventuelle inexécution des autres clauses de la convention. La clause litigieuse constitue par conséquent une reconnaissance de dette pour le montant de 2,25 millions de US$.
La cour cantonale devait examiner si le premier juge avait manifestement violé l'
art. 82 LP
, à savoir s'il était insoutenable de considérer que la créance invoquée par la poursuivante était exigible, partant, dire en quoi il était inadmissible, et non seulement erroné, de n'avoir pas appliqué l'
art. 82 CO
aux obligations liant les parties. La cour cantonale ne s'est pas bornée à cet examen restreint, que lui impose l'
art. 310 al. 1 let. a CPC
frib. Elle a librement réexaminé la cause, substituant sa propre interprétation de l'accord du 24 novembre 1988 à celle du premier juge. On cherche vainement dans la décision attaquée une argumentation tendant à démontrer que l'interprétation retenue par le premier juge était insoutenable et en quoi il était inadmissible de ne pas appliquer l'
art. 82 CO
. Ce faisant, la cour cantonale est tombée dans l'arbitraire.
3.
Comme on l'a vu (cf. supra, ch. 2b), la décision attaquée ne saurait toutefois être annulée que si elle est arbitraire dans son résultat. C'est ce que soutient la recourante. A son avis, l'opinion selon laquelle l'
art. 82 CO
n'est pas applicable aux contrats de société est non seulement compatible avec le texte légal mais
BGE 116 III 70 S. 73
conforme à la doctrine dominante; elle ne saurait dès lors être qualifiée d'arbitraire.
a) Par leur accord du 24 novembre 1988, les parties sont convenues de liquider leur "joint-venture" du 1er juillet 1988; elles s'engageaient à mettre en commun leurs efforts pour atteindre ce but; leurs droits et obligations étaient réglés de manière inégale; les prestations de chacune d'elles, dont le contenu était différent, étaient réunies en vue du but commun, et non échangées. On est en présence de la liquidation d'une société simple, au sens des
art. 530 ss CO
(
ATF 104 II 111
consid. 2).
b) Aux termes de l'
art. 82 CO
, celui qui poursuit l'exécution d'un contrat bilatéral doit avoir exécuté ou offert d'exécuter sa propre obligation, à moins qu'il ne soit au bénéfice d'un terme d'après les clauses ou la nature du contrat. Selon le texte même de l'
art. 82 CO
et le titre marginal des art. 82 et 83, ces dispositions s'appliquent aux contrats bilatéraux.
Selon la jurisprudence, l'
art. 82 CO
vise directement les prestations d'un seul et même contrat synallagmatique promises l'une en échange de l'autre, soit celles qui dépendent l'une de l'autre pour leur naissance et leur exécution (
ATF 107 II 413
consid. 1 et les références). Il n'est pas directement applicable aux contrats bilatéraux imparfaits, mais par une analogie fondée sur le droit de rétention personnel, en vertu duquel une partie peut refuser sa prestation tant que la contre-prestation issue du même contrat ne lui est pas assurée (
ATF 94 II 267
consid. 3a et les références). A ce jour, le Tribunal fédéral ne s'est pas prononcé sur une éventuelle application, par analogie, de l'
art. 82 CO
aux contrats de société, dans lesquels les prestations dues par chacune des parties sont réunies en vue d'un but commun.
Pour WEBER (n. 75 ad
art. 82 CO
), l'
art. 82 CO
n'est pas applicable au contrat de société, car il ne s'agit pas d'un contrat bilatéral. La simultanéité des prestations n'est pas essentielle et celles-ci ne sont pas dans un rapport d'échange. Le fait qu'une prestation est effectuée avant l'autre ne modifie pas le rapport de collaboration; l'intérêt commun l'emporte sur l'intérêt individuel; si une partie pouvait retenir sa prestation parce qu'une autre n'aurait pas effectué la sienne, il s'ensuivrait une paralysie de la société. La cause de l'obligation sociale réside dans la qualité de membre. Au besoin, l'
art. 2 CC
permet d'apporter un correctif: le comportement d'un associé qui ne s'acquitte pas de sa prestation peut constituer un abus de droit. OSER/SCHÖNENBERGER (n. 4 ad
BGE 116 III 70 S. 74
art. 82 CO
), de même que BECKER (n. 12 ad
art. 82 CO
), estiment eux aussi que l'
art. 82 CO
n'est pas applicable à la société simple, qui n'est pas un contrat bilatéral au sens de cette disposition; ce dernier auteur exclut en tout cas l'application de l'
art. 82 CO
lorsque la société simple lie plus de deux parties. Pour MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER (Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 5e éd., par. 1, n. 44 et 45), l'
art. 82 CO
n'est en principe pas applicable aux contrats de société, faute d'un lien de réciprocité entre les prestations. GAUCH/SCHLUEP/TERCIER (Partie générale du droit des obligations, 2e éd., vol. II, n. 1332) ne traitent pas de cette question précise, ni VON TUHR/ESCHER (Allgemeiner Teil des Obligationenrechts, vol. II, p. 57 à 69); ces derniers semblent toutefois n'admettre l'application de l'
art. 82 CO
qu'aux contrats bilatéraux (cf. notamment p. 57/58 ch. I, p. 63 et p. 67/68 ch. VIII). GUHL/MERZ/KUMMER (Das schweizerische Obligationenrecht, 7e éd., p. 564) partagent en principe cette opinion, mais avec une réserve. Dans la société simple, les parties n'échangent pas leurs prestations mais chacun fournit la sienne en vue du but commun; si un associé ne la fournit pas, un autre ne peut invoquer l'exception non adimpleti contractus, à moins que la disposition à exécuter le contrat ne fasse aussi défaut chez d'autres associés, au point que l'apport de la contribution sollicitée ne change rien à l'absence générale de la volonté de coopérer et, partant, à l'échec du but contractuel.
R. MÜLLER (Gesellschaftsvertrag und Synallagma, thèse Zurich 1971, p. 88 ss) distingue entre les apports (Beitragspflichten) et les autres obligations (andere als Beitragspflichten). En ce qui concerne les apports, l'exception non adimpleti contractus ne peut, en principe, être invoquée; le fait de réclamer une telle prestation peut toutefois être abusif; le cas échéant, l'autre partie peut, en principe, retenir sa propre prestation; l'exception non adimpleti contractus doit notamment être largement admise dans le cas d'une société à deux personnes (Zweimanngesellschaft), lorsque l'une d'elles exige de l'autre l'exécution du contrat, sans vouloir l'exécuter de son côté, pour autant que l'un des cocontractants ne soit pas tenu à exécuter d'abord sa prestation (cf. p. 100/101). S'agissant des autres obligations (andere als Beitragspflichten), l'application de l'
art. 82 CO
serait concevable, mais la quasi-unanimité de la doctrine l'exclut (cf. p. 102/103). R. SIMMEN (Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, OR 82, thèse Zurich 1981, p. 114/115), estime que l'exception non adimpleti contractus n'est, en principe, pas
BGE 116 III 70 S. 75
applicable aux obligations découlant de contrats de société. Le principe de la bonne foi peut toutefois postuler, dans des cas particuliers, une application analogique de l'
art. 82 CO
, notamment dans les cas de sociétés à deux personnes, dont la structure est proche de celle des contrats bilatéraux parfaits.
Il résulte de ce qui précède que la doctrine est quasi unanime à considérer que l'exception non adimpleti contractus ne peut, en principe, être invoquée dans un contrat de société, même si certains auteurs, qui se sont penchés plus précisément sur la question, notamment MÜLLER ET SIMMEN, admettent, dans certains cas et à certaines conditions, une application analogique de l'
art. 82 CO
, ces deux auteurs fondant toutefois leur solution sur l'interdiction de l'abus de droit.
c) La décision du premier juge serait insoutenable s'il avait méconnu qu'il existait manifestement, entre les diverses obligations résultant de l'accord, un rapport d'interdépendance. Or, comme on l'a vu (cf. supra, let. b), la grande majorité de la doctrine écarte, en principe, l'application de l'
art. 82 CO
à la société simple, et cette opinion paraît conforme au texte légal. Dans ces conditions, même si l'interprétation donnée au contrat par le premier juge était erronée, il n'y avait pas violation manifeste de la loi au sens de la jurisprudence du Tribunal cantonal fribourgeois (cf. supra, ch. 2a) du fait que l'
art. 82 CO
n'avait pas été appliqué. La décision attaquée se révèle arbitraire dans son résultat et doit donc être annulée.
... | null | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
824a2c84-c16d-44f2-8977-f7475d4b94f9 | Urteilskopf
116 Ib 353
44. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Mai 1990 i.S. O. und M. A.-K. gegen Regierungsrat des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 8 EMRK
; Aufenthaltsbewilligung an ausländischen Ehemann einer Schweizerin.
Das Bundesgericht prüft frei, ob der Eingriff ins Familienleben des Ausländers verhältnismässig ist; Abgrenzung zum Ausschluss der Angemessenheitsprüfung gemäss
Art. 104 lit. c OG
(E. 2).
Frage, ob die Ausreise aus der Schweiz dem Familienmitglied, welches ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat, zuzumuten wäre; Abgrenzung von der Frage der Interessenabwägung gemäss
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
(E. 3). Das Verhalten des Ausländers vor der Heirat mit einer in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Frau sowie die Umstände des Eheschlusses sind für beide Fragen bedeutsam (E. 3f).
Im Kanton sind die näheren Umstände des Eheschlusses sowie das bisherige Verhalten des Ausländers nicht genügend abgeklärt worden. Rückweisung der Sache an die Vorinstanz (E. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 354
BGE 116 Ib 353 S. 354
Der türkische Staatsangehörige O. A. reiste im Jahre 1985 in die Schweiz ein, wo er erfolglos um Asyl ersuchte.
Am 10. Dezember 1986 wurde er vom Amtsgerichtspräsidenten Büren a./A. wegen Veruntreuung zu 6 Wochen Gefängnis bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren verurteilt. Am 15. Dezember 1986 verhängte das Bundesamt für Ausländerfragen gestützt auf dieses Strafurteil gegen ihn eine fünfjährige Einreisesperre. Bereits anfangs 1987 reiste er illegal wieder in die Schweiz ein und hielt sich während längerer Zeit, offenbar bei seiner Freundin, der Schweizer Bürgerin M. K., versteckt. Am 10. September 1987 verurteilte ihn der Gerichtspräsident II Biel wegen Missachtung einer Einreisesperre, illegalen Aufenthalts, Stellenantritts ohne Bewilligung, Nichtanmeldens und wiederholter Namensverweigerung zu einer Gefängnisstrafe von 10 Tagen bedingt bei einer Probezeit von 3 Jahren, unter gleichzeitiger Verlängerung der mit dem ersten Strafurteil vom 10. Dezember 1986 auferlegten Probezeit um 1 Jahr. In der Folge wurde er ausgeschafft.
Am 5. August 1988 heiratete O. A. in der Türkei M. K. Das Bundesamt für Ausländerfragen hob in der Folge am 10. November 1988 die Einreisesperre mit sofortiger Wirkung auf. Die Fremdenpolizei des Kantons Bern wies hingegen ein Gesuch um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von O. A. am 25. Oktober 1988 ab.
Nach erfolgloser Einsprache erhob O. A. am 13. Februar 1989 Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Bern, welcher sie am 14. Juni 1989 abwies. Gegen den Entscheid des Regierungsrats erhoben O. und M. A.-K. am 15. August 1989 rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
BGE 116 Ib 353 S. 355
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Gemäss
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
ist auf dem Gebiete der Fremdenpolizei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
Die zuständigen Behörden entscheiden über die Bewilligung des Aufenthalts im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen (Art. 4 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931, ANAG; SR 142.20). Damit steht dem Ausländer grundsätzlich kein Anspruch auf die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zu; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist darum ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt.
b) Art. 8 Ziff. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101) garantiert den Schutz des Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der nahe Verwandte mit Anwesenheitsrecht (Schweizerbürgerrecht, Niederlassungsbewilligung) in der Schweiz hat, die in der Schweiz bleiben wollen; wird ihm selber die Anwesenheit in der Schweiz untersagt, kann dies
Art. 8 EMRK
verletzen. Soweit deshalb eine familiäre Beziehung im beschriebenen Sinn tatsächlich gelebt wird und intakt ist, ist das der zuständigen Behörde durch
Art. 4 ANAG
grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt.
In solchen Fällen ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers zulässig. Das gleiche gilt, wenn dieses Rechtsmittel vom betroffenen Familienmitglied mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz eingereicht wird (
BGE 109 Ib 185
ff. E. 2).
c) Die Beschwerdeführer sind seit dem 5. August 1988 verheiratet. Die Tatsache, dass sie nicht zusammenleben, bedeutet nicht, dass keine intakte eheliche Beziehung besteht. Die Trennung ist darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz keine Aufenthaltsbewilligung hat, die Beschwerdeführerin dagegen das Leben in der Türkei als für sie unzumutbar erachtet und in der Erwartung, dass auch ihr Ehemann würde nachreisen können, in der Schweiz weilt. Wie es sich mit der Frage der Zumutbarkeit verhält, ist nicht Eintretensfrage. Jedenfalls ist vorerst davon
BGE 116 Ib 353 S. 356
auszugehen, dass eine von
Art. 8 EMRK
geschützte Beziehung vorliegt. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit zulässig.
d) Da das Recht zur Beschwerdeführung beiden Beschwerdeführern zusteht, in den Vorakten eine genügende Vollmacht der Beschwerdeführerin an den Rechtsvertreter liegt und auch die übrigen Voraussetzungen gemäss
Art. 97 ff. OG
erfüllt sind, zumindest auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin also ohnehin einzutreten ist, erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer mit schriftlicher Vollmacht vom 30. August 1988 seine Ehefrau beziehungsweise deren Rechtsvertreter auch zur Prozessführung in seinem Namen ermächtigt hat.
2.
a) Das Bundesgericht überprüft die Anwendung von Bundesrecht einschliesslich der Frage, ob die kantonale Behörde ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hat (
Art. 104 lit. a OG
), sowie, da die Einschränkung nach
Art. 105 Abs. 2 OG
nicht greift, die Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts grundsätzlich frei. Nicht überprüfen kann es dagegen die Angemessenheit des angefochtenen Entscheids, da keiner der in
Art. 104 lit. c OG
genannten Fälle vorliegt.
b) Im Rahmen der Rechtskontrolle kann das Bundesgericht frei prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Verweigerung der fremdenpolizeilichen Bewilligung das entgegenstehende private Interesse des Ausländers und seiner Familie an der Erteilung der Bewilligung überwiegt. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob die in
Art. 8 EMRK
genannten Kriterien, nach welchen sich die Zulässigkeit eines Eingriffs ins Familienleben des Ausländers beurteilt, richtig gehandhabt worden sind, insbesondere ob sich die getroffene Massnahme in ihrem Licht als notwendig und verhältnismässig erweist. Insofern überprüft das Bundesgericht in einem gewissen Sinne auch, ob der angefochtene Entscheid "angemessen" sei.
Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesgericht gemäss
Art. 104 lit. c OG
nicht prüfen kann, ob der angefochtene Entscheid angemessen sei. Angemessenheit im Sinne dieser Bestimmung bedeutet nicht Verhältnismässigkeit, sondern Zweckmässigkeit (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 316). Für die Kognition des Bundesgerichts gilt somit in Fällen, wo bundesrechtliche Normen anzuwenden sind, welche eine Interessenabwägung erfordern, dass es zwar frei die Verhältnismässigkeit der angefochtenen Massnahme prüft, dass
BGE 116 Ib 353 S. 357
der kantonalen Behörde jedoch insofern ein Ermessensspielraum belassen bleibt, als es um die Zweckmässigkeit (Opportunität; vgl. den französischen Text von
Art. 104 lit. c OG
) der Massnahme geht.
3.
a) Ein Eingriff in das von
Art. 8 EMRK
geschützte Rechtsgut ist statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
).
b) Bei der von der Konvention geforderten Abwägung zwischen den sich gegenüberstehenden privaten und öffentlichen Interessen ist insbesondere zu fragen, ob es dem nahen Familienangehörigen zugemutet werden kann, dem Ausländer, der keine Bewilligung erhält, ins Ausland zu folgen (
BGE 110 Ib 205
f. E. 2). Die Frage der Zumutbarkeit beurteilt sich nicht nach den persönlichen Wünschen der Betroffenen, sondern ist unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse und aller Umstände objektiv zu beurteilen (
BGE 110 Ib 205
E. 2a).
c) Bei jeder familiären Beziehung ist die freie Wahl des Wohnortes und damit die Niederlassungsfreiheit für einzelne Familienmitglieder auch unabhängig von behördlichen Massnahmen unweigerlich eingeschränkt, weil anders ein Zusammenleben am gleichen Ort ausgeschlossen ist. Muss ein Ausländer, dem eine fremdenpolizeiliche Bewilligung verweigert worden ist, dieses Land verlassen, haben dies seine Angehörigen denn auch hinzunehmen, wenn es ihnen ohne Schwierigkeiten möglich ist, mit ihm auszureisen. Wollen sie dennoch in der Schweiz bleiben, ist es nicht die Verweigerung der fremdenpolizeilichen Bewilligung, die bewirkt, dass die Familie auseinandergerissen wird, und eine umfassende Interessenabwägung im Sinne von
Art. 8 Abs. 2 EMRK
kann unterbleiben. So ist die - allerdings zu absolut formulierte - Wendung in
BGE 111 Ib 5
E. 2b zu verstehen,
Art. 8 EMRK
greife unter solchen Umständen nicht.
Insofern kann die Frage der Zumutbarkeit der Ausreise für die hier anwesenheitsberechtigten Familienangehörigen in gewissen Fällen durchaus von der Frage unterschieden werden, ob die Interessenabwägung nach
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung zulasse.
BGE 116 Ib 353 S. 358
d) Indessen ist dann, wenn die Ausreise für die Familienangehörigen nicht von vornherein ohne weiteres zumutbar ist, und wenn Gründe vorliegen, die für eine Fernhaltung des Ausländers aus der Schweiz sprechen, solchen Gründen schon bei der Frage, ob die Ausreise den Familienangehörigen zumutbar sei, Rechnung zu tragen. Diese Frage kann dann nicht völlig losgelöst von den persönlichen Verhältnissen und dem Verhalten des um Bewilligung ersuchenden Ausländers beantwortet werden (
BGE 115 Ib 6
/7 E. 3). Die Zumutbarkeit der Ausreise für seine nahen Familienangehörigen ist um so eher zu bejahen, als das Verhalten des Ausländers seinen Aufenthalt in der Schweiz als unerwünscht erscheinen lässt.
e) Geht es um die familiäre Beziehung zwischen Ehegatten, können in solchen Fällen sodann auch die Umstände der Heirat für die Frage der Zumutbarkeit von Bedeutung sein. Weiss nämlich der schweizerische Ehegatte im Zeitpunkt der Heirat, dass Gründe vorliegen, die der Fremdenpolizei Anlass geben könnten, seinem Ehepartner die Erteilung einer Bewilligung zu verweigern, kann er die Möglichkeit nicht ausschliessen, die Ehe gegebenenfalls im Ausland leben zu müssen.
In dieser Hinsicht ist insbesondere Art. 8 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV; SR 142.201) zu beachten, welcher bestimmt, dass das freie Ermessen der Bewilligungsbehörde im Entscheid über Aufenthalt und Niederlassung nicht beeinträchtigt werden kann durch Vorkehren wie z.B. Heirat. Diese Bestimmung erlaubt es der Behörde zwar nicht, sich bei ihrem Bewilligungsentscheid über
Art. 8 EMRK
hinwegzusetzen; denn massgeblich dafür, dass der Schutz von
Art. 8 EMRK
angerufen werden kann, ist der Umstand, dass eine Ehe in der ernsthaften Absicht geschlossen wurde, diese auch tatsächlich zu leben. Wenn aber jemand heiratet, obwohl er weiss, dass sein Partner ein unerwünschter Ausländer ist, ist dem bei der Beurteilung des Gesuchs seines ausländischen Ehepartners um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung jedenfalls dann Rechnung zu tragen, wenn nach den Umständen anzunehmen ist, dass die Heirat ohne den fremdenpolizeilichen Hintergrund nicht erfolgt wäre. In diesem Zusammenhang ist auf den im Rahmen der Revision des Bürgerrechtsgesetzes geschaffenen (noch nicht in Kraft getretenen)
Art. 7 ANAG
hinzuweisen; dessen Absatz 1 wird nun zwar dem ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers auch ausdrücklich einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung verschaffen;
BGE 116 Ib 353 S. 359
Abs. 2 hält aber fest, dass kein solcher Anspruch besteht, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern zu umgehen (BBl. 1990 I 1606 f.).
Abgesehen von solchen Fällen eigentlicher "Ausländerrechtsehen" (vgl. PETER KOTTUSCH, Scheinehen aus fremdenpolizeilicher Sicht, ZBl. 84/1983, S. 425 ff.) wird der Umstand, dass der schweizerische Ehegatte im Zeitpunkt der Heirat von fremdenpolizeilich relevantem Fehlverhalten seines ausländischen Partners Kenntnis hatte und damit bis zu einem gewiesen Grad in Kauf nahm, ins Ausland zu ziehen, zumindest in Grenzfällen als Kriterium für die Frage der Zumutbarkeit mitzuberücksichtigen sein.
f) Für die Frage, ob die Ausreise ins Land seines ausländischen Ehepartners einem schweizerischen Ehegatten zuzumuten ist, gilt somit zusammenfassend folgendes:
Liegt gegen den ausländischen Ehegatten nichts vor, was ihn als unerwünschten Ausländer erscheinen lässt und somit Anlass für fremdenpolizeiliche Fernhaltemassnahmen geben könnte, wird regelmässig ohne weitere Prüfung davon auszugehen sein, dass die Ausreise dem schweizerischen Ehepartner nicht zuzumuten ist, selbst wenn beispielsweise eine deutschschweizerische Frau einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet hat; die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an den ausländischen Ehegatten hält dann von
Art. 8 EMRK
nicht stand und würde nach Inkrafttreten der neuen Bürgerrechtsgesetzgebung
Art. 7 ANAG
widersprechen. Vorbehalten bleiben - auch nach neuem Recht - natürlich aus rein fremdenpolizeirechtlichem Kalkül geschlossene Ehen, d.h. sogenannte reine Ausländerrechtsehen.
Hat dagegen der Ausländer Fernhaltegründe (nach dem neuen
Art. 7 Abs. 1 Satz 3 ANAG
müssen es Ausweisungsgründe sein) gesetzt, etwa weil er straffällig geworden ist, muss näher geprüft werden, ob die Ausreise für den schweizerischen Ehepartner zumutbar ist. Steht ohne weiteres fest, dass die Ausreise unzumutbar ist, ist direkt zu prüfen, ob die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an den Ausländer, welche dann praktisch zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft führt, vor
Art. 8 EMRK
standhält. Häufiger wird es sich so verhalten, dass die Ausreise für den schweizerischen Ehepartner nicht geradezu unzumutbar, aber doch mit mehr oder weniger grossen Schwierigkeiten verbunden ist. In diesen Fällen ist bei der Prüfung der Zumutbarkeitsfrage der Schwere der sich gegen den Ausländer richtenden
BGE 116 Ib 353 S. 360
Vorwürfe und den Umständen des Eheschlusses Rechnung zu tragen. Wenn diese differenzierte Prüfung ergibt, dass die Ausreise für den hier anwesenheitsberechtigten Ehegatten nicht oder kaum zumutbar ist, ist noch zu prüfen, ob die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung sich im Lichte von
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
rechtfertigt.
4.
a) Es ist, wie der Regierungsrat zu Recht ausführt, schwierig, die Frage der Zumutbarkeit der Ausreise für die Beschwerdeführerin eindeutig zu beantworten, weil im Rahmen dieses Verfahrens kaum abschliessend geklärt werden kann, welche Verhältnisse sie in der Heimat ihres Mannes antreffen würde. Dies darf sich aber nicht einfach zu ihren Ungunsten auswirken. Man kommt nicht darum herum, auf die Schilderungen in der Beschwerdeschrift abzustellen und zu prüfen, ob sie glaubwürdig sind.
Die Beschreibung der Situation, wie sie die Beschwerdeführerin anlässlich ihres Aufenthalts in der Türkei im Heimatort ihres Mannes (in der Nähe, aber ausserhalb der Grossstadt Izmir) angetroffen haben will erscheint nicht als unglaubhaft. Man wird davon ausgehen können, dass es für sie als Frau äusserst schwierig sein würde, in der Heimat ihres Mannes zu leben, selbst wenn berücksichtigt wird, dass sie gerade durch ihre Heirat ihre Bereitschaft bekundete, sich einer anderen Kultur gegenüber offen zu zeigen. Die Ausreise ist ihr jedenfalls dann kaum zuzumuten, wenn nicht klare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zu einem wesentlichen Teil sachfremde - d.h. fremdenpolizeilich motivierte - Überlegungen den Entschluss zur Heirat massgeblich mitbeeinflussten, oder wenn die ihrem Mann gegenüber erhobenen Vorwürfe nicht allzu schwer wiegen.
b) Die Beschwerdeführer haben geheiratet, nachdem die zwei bedingten Gefängnisstrafen gegen den Beschwerdeführer bereits ausgesprochen und die fünfjährige Einreisesperre verhängt worden waren. Sie wussten daher, dass dem Beschwerdeführer ohne Heirat von vornherein keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden würde. Es ist daher zu prüfen, ob und in welchem Masse gerade diese fremdenpolizeiliche Situation ausschlaggebend für den Entschluss zur Heirat war.
Der Regierungsrat geht an sich ausdrücklich davon aus, dass die Heirat auf echtem Ehewillen beruht. Soweit er dennoch ausführt, die Aufenthaltsfrage dürfte nebst anderem für den Eheschluss kausal gewesen sein und die Beschwerdeführerin habe den Beschwerdeführer in der Türkei geheiratet, um ihm den Aufenthalt
BGE 116 Ib 353 S. 361
in der Schweiz zu ermöglichen, sind dies blosse Vermutungen, welche er ohne weitere Anhaltspunkte seinem Entscheid nicht als Tatsachen zugrundelegen konnte.
Wohl ist es denkbar, dass solche sachfremden Überlegungen für die Heirat massgeblich waren. Es fällt beispielsweise auf, dass im Gesuch vom 30. August 1988 an das Bundesamt für Ausländerfragen um Aufhebung der Einreisesperre gegen den Beschwerdeführer davon die Rede ist, dass die Heirat auf Anraten des Bundesamtes erfolgt sei. Sodann ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar nach der Heirat in der Türkei (5. August 1988) noch von dort aus am 9. August 1988 das Gesuch um Einreisebewilligung für ihren Ehemann stellte. Für sich allein genügt dies zur Annahme einer nicht ernsthaft gewollten Ehe nicht. Es besteht aber doch Anlass zu weiteren Abklärungen.
c) Im bisherigen Verfahren wurde sodann das Verhalten des Beschwerdeführers in der Schweiz noch nicht näher gewürdigt. Er ist seit 1985 in der Schweiz zweimal straffällig geworden. Zur zweiten Verurteilung vom 10. September 1987 wegen Missachtens einer Einreisesperre, illegalen Aufenthalts etc. ist festzuhalten, dass dabei offenbar die Beziehung zu seiner späteren Ehefrau eine gewisse Rolle spielte. Der Strafrichter wertete dieses Vergehen des Beschwerdeführers jedenfalls als leicht, da er trotz der Vorstrafe nur eine (kurze) bedingte Gefängnisstrafe aussprach und auch nicht den Vollzug der früheren bedingt aufgeschobenen Strafe anordnete. Die erste Verurteilung vom 15. Dezember 1986 zu 6 Wochen bedingter Freiheitsstrafe wegen Veruntreuung kann nicht als Bagatelle, jedoch vom Strafmass her wohl auch nicht als besonders schwerwiegend bezeichnet werden. Die näheren Umstände jenes Vergehens sind nicht bekannt, da die entsprechenden Akten nicht vorliegen.
5.
Nach dem Gesagten erscheint der rechtserhebliche Sachverhalt nicht genügend abgeklärt. Ausgehend von der Tatsache, dass die Ausreise in die Türkei für die Beschwerdeführerin sehr schwierig wäre, sind vorerst Abklärungen über die näheren Umstände, unter denen sich die Beschwerdeführer kennenlernten, zu treffen. Es ist zu prüfen, ob sich die Vermutung, die Ehe sei nicht um ihrer selbst willen geschlossen worden, erhärten lässt. Sodann ist das Verschulden des Beschwerdeführers näher zu prüfen. Ohne diese zusätzlichen Abklärungen lassen sich weder die Zumutbarkeit nach den in E. 3f zusammengefassten Grundsätzen abklären noch die Interessenabwägung gemäss
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
vornehmen.
BGE 116 Ib 353 S. 362
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist in diesem Sinne gutzuheissen und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
82618969-9866-421a-a464-66815b5bcb98 | Urteilskopf
142 III 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_202/2015 vom 26. November 2015 | Regeste a
Art. 85 Abs. 1 IPRG
; Art. 5 des Haager Kindesschutzübereinkommens vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ); Wegzug des Kindes in einen Nichtvertragsstaat.
Das Haager Kindesschutzübereinkommen findet auch in Bezug auf Nichtvertragsstaaten Anwendung. Bei Wegzug des Kindes während eines hängigen Verfahrens in einen Nichtvertragsstaat bleibt aber die in der Schweiz begründete Zuständigkeit für Kindesschutzmassnahmen bestehen (E. 2.1).
Regeste b
Art. 298 Abs. 1 und
Art. 298b Abs. 2 ZGB
; Zuteilung der alleinigen elterlichen Sorge.
Die Behauptung eines zukünftigen Konfliktes, die aktuelle Auseinandersetzung in einem gerichtlichen Verfahren oder im konkreten Zusammenhang mit einem Wegzug des Kindes rechtfertigen in der Regel nicht die Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts (E. 3.3-3.6). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 142 III 1 S. 2
A.
A. und B. sind die unverheirateten Eltern der 2006 geborenen C. Sie haben praktisch nie zusammen gewohnt; vielmehr lebte C. seit ihrer Geburt bei der Mutter, der auch die elterliche Sorge oblag.
Im Sommer 2007 trafen die Eltern eine Regelung zum Unterhalt und zum persönlichen Verkehr.
Im Sommer 2013 traten Schwierigkeiten bei der Ausübung des Besuchsrechts auf. Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ordnete deswegen eine Beistandschaft nach
Art. 308 Abs. 2 ZGB
an.
Im Frühjahr 2014 teilte die Mutter dem Vater mit, sie wolle mit der Tochter und ihrem Partner bzw. heutigen Ehemann nach Doha in Katar ziehen, wo dieser für einige Zeit beruflich tätig sein werde.
B.
In der Folge gelangte der Vater mit einer Gefährdungsmeldung an die KESB. Er forderte die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn und das Verbot an die Mutter, mit der Tochter nach Katar zu ziehen bzw. ohne seine Zustimmung deren Wohnsitz zu verlegen; ferner beantragte er ein Erziehungsfähigkeitsgutachten.
Die KESB erliess vorsorgliche Massnahmen, nahm diverse Abklärungen vor, veranlasste die Anhörung des Kindes und errichtete für dieses eine Verfahrensbeistandschaft gemäss
Art. 314a
bis
ZGB
. Mit
BGE 142 III 1 S. 3
Entscheid vom 30. Juli 2014 erteilte sie den Eltern die gemeinsame Sorge und der Mutter die alleinige Obhut; sodann erlaubte sie der Mutter, den Aufenthaltsort des Kindes nach Katar zu verlegen.
Mit Urteil vom 20. Oktober 2014 wies der Bezirksrat Meilen die hiergegen vom Vater erhobene Beschwerde ab und entzog einer allfälligen Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich die aufschiebende Wirkung.
C.
Beide Parteien fochten das Urteil des Bezirksrates beim Obergericht an. Der Vater verlangte die Zuteilung der Obhut an sich und die Verweigerung der Erlaubnis an die Mutter, mit dem Kind nach Katar auszureisen. Die Mutter wandte sich gegen das gemeinsame elterliche Sorgerecht und beantragte, weiterhin die Alleinsorge zu haben.
Anfang Januar 2015 teilte die Verfahrensbeiständin des Kindes dem Obergericht mit, dass die Mutter mit C. nach Doha weggezogen sei und dort die Schule begonnen habe; die Abmeldung von der Schule in V. wurde in der Folge bestätigt, ebenso der Wegzug durch die Mutter.
Mit Beschluss vom 2. Februar 2015 trat das Obergericht auf die Beschwerden der beiden Elternteile nicht ein mit der Begründung, infolge des Wegzuges des Kindes sei die Entscheidzuständigkeit entfallen. Es begründete den Entscheid jedoch ausführlich auch materiell.
D.
Gegen den obergerichtlichen Beschluss hat die Mutter am 6. März 2015 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben, im Wesentlichen mit den Begehren, es sei an ihrer alleinigen elterlichen Sorge festzuhalten bzw. ihr die alleinige elterliche Sorge zu erteilen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf diese eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
(...)
2.1
Weil die Mutter mit dem Kind während des hängigen Verfahrens nach Katar umgezogen ist, liegt ein internationaler Sachverhalt vor und es stellt sich die Frage, ob die schweizerischen Gerichte international noch zuständig sind.
Gemäss
Art. 85 Abs. 1 IPRG
bestimmt sich die Zuständigkeit für den Erlass von Massnahmen im Bereich des Kindesschutzes sowie das dabei anzuwendende Recht nach den Regeln des Haager
BGE 142 III 1 S. 4
Kindesschutzübereinkommens vom 19. Oktober 1996 (HKsÜ; SR 0.211. 231.011).
Art. 5 Abs. 1 HKsÜ
erklärt grundsätzlich die Behörden und Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes als zuständig. Sodann sieht
Art. 5 Abs. 2 HKsÜ
vor, dass bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in einen anderen Vertragsstaat die dortigen Behörden zuständig werden. Mithin besteht im Grundsatz keine
perpetuatio fori
(Urteile 5A_622/2010 vom 27. Juni 2011 E. 3; 5A_131/2011 vom 31. März 2011 E. 3.3.1; PAUL LAGARDE, Explanatory Report, 1998, Rz. 42;
www.hcch.net
, unter: Conventions/Publications/Explanatory Reports), wie dies schon beim Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA; SR 0.211.231.01) als Vorgängerabkommen der Fall war (vgl.
BGE 123 III 411
E. 2a/bb S. 413;
BGE 132 III 586
E. 2.2.3 S. 591).
Vorliegend gilt es jedoch zu beachten, dass Katar Vertragsstaat weder des HKsÜ noch des MSA ist. Weil die Schweiz von der Möglichkeit des Vorbehalts gemäss
Art. 13 Abs. 3 MSA
, die Anwendbarkeit des Übereinkommens auf einen dem Vertragsstaat angehörigen Minderjährigen zu beschränken, keinen Gebrauch gemacht hat, wurde das MSA als auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbare
loi uniforme
angesehen (vgl.
BGE 124 III 176
E. 4 S. 180). Dies trifft aufgrund des allgemeinen Verweises in
Art. 85 Abs. 1 IPRG
(SR 291) grundsätzlich auch für das HKsÜ zu (vgl. Urteile 5A_146/2014 vom 19. Juni 2014 E. 3.1.1; 5A_809/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.3.1). Indes gilt dies nur für die Begründung der Zuständigkeit nach
Art. 5 Abs. 1 HKsÜ
, während
Art. 5 Abs. 2 HKsÜ
in Bezug auf Drittstaaten nicht angewandt wird. Mithin bleibt bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes in einen Nicht-Vertragsstaat die einmal begründete Zuständigkeit bestehen; in diesem speziellen Bereich gilt mit anderen Worten der allgemeine Grundsatz der
perpetuatio fori
(vgl. Urteile 5A_146/2014 vom 19. Juni 2014 E. 3.1.1; 5A_809/2012 vom 8. Januar 2013 E. 2.3.2; LAGARDE, a.a.O.; aus der Literatur statt vieler: SCHWANDER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 46 zu
Art. 85 IPRG
; BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé [...], 2011, N. 25 zu
Art. 85 IPRG
). Dies ergibt sich schon unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm, die bewusst von einem Wechsel in einen anderen Vertragsstaat spricht. Nur in diesem Fall ist gesichert, dass gestützt auf das nämliche Regime im Zuzugsstaat
BGE 142 III 1 S. 5
nahtlos wiederum eine Zuständigkeit besteht. Demgegenüber ist bei einem Drittstaat keineswegs sichergestellt, ob und in welcher Weise dieser Kindesschutzmassnahmen treffen bzw. hängige Verfahren weiterführen würde, insbesondere wenn nach dessen internationalem Privatrecht die Zuständigkeit nicht an den Wohnsitz, sondern an die Staatsangehörigkeit des Kindes knüpft. Diesfalls würde dem Kind ohne die
perpetuatio fori
drohen, dass es zuständigkeitsmässig "zwischen Stuhl und Bank" fällt (LEVANTE, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im internationalen Privat- und Zivilprozessrecht der Schweiz, 1998, S. 203).
(...)
3.
Ausgehend vom Gesagten ist nachfolgend die Zuteilung der gemeinsamen elterlichen Sorge über das Kind C. zu beurteilen.
(...)
3.3
Nach der per 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Sorgerechtsnovelle (AS 2014 357) steht den Eltern die Sorge über ihre Kinder gemeinsam zu (
Art. 296 Abs. 2,
Art. 298a Abs. 1,
Art. 298b Abs. 2 und
Art. 298d Abs. 1 ZGB
). Indes sind Ausnahmen zulässig, wenn das Kindeswohl solche gebietet (vgl.
Art. 298 Abs. 1 und
Art. 298b Abs. 2 ZGB
). Vorliegend ist die Frage zu entscheiden, ob ein solcher Fall gegeben ist; dabei ist gestützt auf
Art. 12 Abs. 4 SchlT ZGB
der
Art. 298b Abs. 2 ZGB
sinngemäss zur Anwendung zu bringen.
Mit der Gesetzesnovelle wurde ein eigentlicher Systemwechsel vorgenommen, indem das Sorgerecht den Eltern unabhängig vom Zivilstand grundsätzlich gemeinsam zustehen soll. Der Gesetzgeber geht von der Annahme aus, dass damit in der Regel dem Kindeswohl am besten gedient ist; vom Grundsatz soll nur dann abgewichen werden, wenn eine andere Lösung die Interessen des Kindes ausnahmsweise besser wahrt (vgl. Botschaft vom 16. November 2011 zur Revision der elterlichen Sorge, BBl 2011 9102 zu Art. 296). Die Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts muss deshalb eine eng begrenzte Ausnahme bleiben (
BGE 141 III 472
E. 4.7 S. 478).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Ausnahmegrund insbesondere der schwerwiegende elterliche Dauerkonflikt oder die anhaltende Kommunikationsunfähigkeit sein, wenn sich der Mangel negativ auf das Kind auswirkt und die Alleinzuteilung des Sorgerechtes eine Verbesserung der Situation erwarten lässt. Es muss sich in jedem Fall um einen erheblichen und chronischen
BGE 142 III 1 S. 6
Konflikt handeln. Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten, wie sie in allen Familien vorkommen und insbesondere mit einer Trennung oder Scheidung einhergehen können, dürfen angesichts des mit der Gesetzesnovelle klarerweise angestrebten Paradigmenwechsels nicht Anlass für eine Alleinzuteilung des elterlichen Sorgerechts bzw. für die Belassung eines bestehenden Alleinsorgerechtes sein (
BGE 141 III 472
E. 4.3 und 4.7 S. 475 und 478).
3.4
Vorliegend sind Defizite beim Kooperationswillen im Zusammenhang mit dem Wegzug von Mutter und Kind nach Katar verstärkt zu Tage getreten. Indes ist die - vor Bundesgericht erneut vorgetragene - Behauptung, bei der Erteilung des gemeinsamen Sorgerechtes sei eine Ausweitung des Konfliktes vorprogrammiert, für die Zuteilung der Alleinsorge kein genügender Grund. Es war nicht die Meinung des Gesetzgebers, dass ein Elternteil in abstrakter Weise auf einen Konflikt soll verweisen und daraus einen Anspruch auf Alleinsorge ableiten können.
Im Zentrum steht die Tatsache, dass es sich beim elterlichen Sorgerecht um ein Pflichtrecht handelt (
BGE 136 III 353
E. 3.1 S. 356; Urteil 5A_198/2013 vom 14. November 2013 E. 4.1; aus der schweizerischen Literatur statt vieler: SCHWENZER/COTTIER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 3 zu
Art. 296 ZGB
; für das deutsche Recht: PESCHEL-GUTZEIT, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Berlin 2015, N. 19 zu § 1626 BGB), wie dies auch beim Besuchsrecht der Fall ist (vgl. Urteile 5A_719/2013 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2; 5A_160/2011 vom 29. März 2011 E. 4). Die mit der elterlichen Sorge verbundenen Rechte und Pflichten sind zum Wohle des Kindes auszuüben. Die Eltern haben mithin im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles zu unternehmen, was zur gedeihlichen Entwicklung des Kindes erforderlich ist. Daraus folgt im vorliegend interessierenden Kontext, dass sie sich zu bemühen haben, zwischen der konfliktbehafteten Elternebene einerseits sowie dem Eltern-Kind-Verhältnis andererseits zu unterscheiden und das Kind aus dem elterlichen Konflikt herauszuhalten. Sodann haben beide Elternteile ein kooperatives Verhalten an den Tag zu legen und die zumutbaren Anstrengungen bei der gegenseitigen Kommunikation zu unternehmen, ohne die ein gemeinsames Sorgerecht nicht in effektiver Weise und zum Vorteil des Kindes ausgeübt werden kann.
BGE 142 III 1 S. 7
Halten sich die Eltern nicht an diese Spielregeln, droht das Kind in einen Loyalitätskonflikt zu geraten, wie dies vorliegend geschehen ist (anfänglich war C. peinlichst darauf bedacht, keine Stellung zugunsten eines Elternteils zu beziehen; im Zuge des Konfliktes versuchte sie ihr Loyalitätsproblem dahingehend zu lösen, dass sie sich auf die Seite des hauptbetreuenden Elternteils schlug und den Kontakt zum Vater schliesslich weitgehend ablehnte). Nebst der Einbindung oder gar Instrumentalisierung des Kindes im elterlichen Konflikt ist ein Loyalitätskonflikt oft auch auf fehlende Bindungstoleranz des einen oder beider Elternteile zurückzuführen. Es ist aber allgemein anerkannt, dass aufgrund des schicksalhaften Eltern-Kind-Verhältnisses die - sich nicht nur im Besuchs-, sondern auch im Sorgerecht ausdrückende - Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen wichtig ist und bei dessen Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen kann (
BGE 130 III 585
E. 2.2.2 S. 590;
BGE 131 III 209
E. 4 S. 211 f.). Beide Elternteile haben deshalb mit Blick auf das Wohl des Kindes die Pflicht, eine gute Beziehung zum jeweils anderen Elternteil zu fördern; namentlich hat der hauptbetreuende Elternteil das Kind positiv auf Besuche, auf Skype-Kontakte, etc. beim oder mit dem anderen Elternteil vorzubereiten. Diese Pflichten stehen zwar vorab in Zusammenhang mit der Ausübung des persönlichen Verkehrs (vgl. etwa Urteil 5A_505/2013 vom 20. August 2013 E. 6.3); ihre Beachtung ist aber auch für eine tragfähige und kindeswohlorientierte Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts wichtig, weshalb der Bindungstoleranz bei der Zuteilung der elterlichen Sorge eine entscheidende Bedeutung zukommen kann (vgl. zum früheren Recht beispielsweise Urteil 5A_138/2012 vom 26. Juni 2012 E. 5 mit weiteren Hinweisen; zum neuen Recht vgl. Urteil 5A_923/2014 vom 27. August 2015 E. 5.1, nicht publ. in:
BGE 141 III 472
).
3.5
Nach den obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen entbrannte der elterliche Konflikt insbesondere im Zusammenhang mit dem (seinerzeit geplanten und nunmehr erfolgten) Wegzug nach Katar, indem der Vater darauf mit einer Gefährdungsmeldung und dem Begehren um Obhutsumteilung reagierte. Der Vater fürchtete verständlicherweise um den Kontakt zur Tochter, während die Mutter, was ebenso verständlich und natürlich ist, mit der Tochter in Familiengemeinschaft bei ihrem Ehemann leben will, welcher momentan in Katar arbeitet. Bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheides
BGE 142 III 1 S. 8
wurden keine konkreten Anhaltspunkte aktenkundig, dass sich die Eltern (abgesehen vom Aufenthaltsort) in grundsätzlicher und unüberwindbarer Weise über die Belange des Kindes gestritten hätten. Die Mutter erwähnt - soweit dies in Anbetracht von
Art. 99 Abs. 1 BGG
überhaupt möglich wäre - auch in der vorliegenden Beschwerde keine konkreten Vorfälle. Vielmehr spricht sie (relativ abstrakt) von einer zu befürchtenden Ausweitung des Konfliktes, was für eine Abweichung vom Regelfall der gemeinsamen elterlichen Sorge nach dem Gesagten nicht genügt. Weiter verweist sie auf die Eingabe des Vaters vom 6. Oktober 2014; indes sind nach den vorstehenden Ausführungen prozessuale Auseinandersetzungen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens für sich genommen in der Regel noch kein Grund für die Alleinzuteilung der elterlichen Sorge. Schliesslich ist entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht massgeblich, ob die Parteien verheiratet waren und ob sie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben; vielmehr wurde mit der Sorgerechtsnovelle gerade eine Gleichbehandlung der Eltern unabhängig von solchen Überlegungen angestrebt (vgl. Botschaft, BBl 2011 9092 Ziff. 1.5.1).
3.6
Insgesamt ergibt sich, dass die Voraussetzungen für eine Alleinzuteilung des Sorgerechts im vorliegenden Fall bei weitem nicht erreicht sind. (...) | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8268ce20-40fa-4787-846d-2dd397952596 | Urteilskopf
105 IV 124
33. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 14 juin 1979 dans la cause M. contre Ministère public du canton de Fribourg (pourvoi en nullité) | Regeste
Qualifizierte Unzucht mit Kindern gemäss
Art. 191 StGB
.
Schutzobjekt ist das besondere Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Erwachsenen und dem Kinde. Qualifizierte Unzucht mit einem Kinde entfällt, wo eine solche Beziehung weder nach Gesetz noch nach Auffassung von Täter und Opfer gegeben ist. | Sachverhalt
ab Seite 124
BGE 105 IV 124 S. 124
M. a fait la connaissance, en mai 1978, de D., née le 28 avril 1963, laquelle faisait de l'auto-stop. Il entretint des relations sexuelles avec elle, notamment au cours de deux week-ends qu'elle vint passer dans son appartement.
Désirant vivre ensemble durant les mois d'été, M. et la jeune fille ont, d'un commun accord, échafaudé une "combine" (sic), soit préparé un stratagème, pour que les parents de la jeune fille donnent leur accord. Ils eurent l'idée de faire paraître une annonce dans le journal, annonce offrant la possibilité à une jeune fille d'apprendre le français, tout en effectuant quelques travaux de ménage et en gardant les enfants. La famille de D. a finalement accepté qu'elle se rende chez M. pour garder les enfants de ce dernier. D. reçut de ses parents l'ordre de travailler et de demander une rémunération de 400 fr. La jeune fille a alors séjourné chez M., du 24 juin au 9 août 1978, et entretint avec lui des relations sexuelles régulières durant cette
BGE 105 IV 124 S. 125
période. Pendant ce séjour, elle a également exécuté divers travaux ménagers et s'est occupée des enfants. Ses parents ont tout ignoré du stratagème de l'annonce, qui avait été utilisé pour les tromper.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
a) Selon l'
art. 191 CP
, l'attentat à la pudeur des enfants est puni plus sévèrement, lorsqu'il existe entre l'auteur et la victime une relation particulièrement étroite, qui donne à l'auteur une autorité particulière sur l'enfant et place celui-ci dans une certaine dépendance. Tel est le cas, selon la loi, si la victime est l'élève, l'apprenti ou le domestique du délinquant ou si elle est son descendant, son enfant adoptif, l'enfant de son conjoint, son pupille ou un enfant confié à ses soins. Le législateur considère qu'il est particulièrement condamnable de profiter d'un tel rapport de confiance et de dépendance pour commettre sur un enfant des actes contraires à la pudeur, ce qui l'a amené à se montrer particulièrement sévère pour ce genre de cas.
Tant dans le cas de l'enfant confié que dans le cas du domestique, il faut, pour que les dispositions aggravées de l'
art. 191 CP
soient applicables, que le rapport de confiance ou le rapport de travail confère à l'auteur une autorité particulière et crée pour l'enfant une certaine dépendance (
ATF 103 IV 90
,
ATF 99 IV 158
). Et c'est l'abus de la relation découlant de cette autorité, d'une part, et de cette dépendance, d'autre part, que répriment ces dispositions (
ATF 99 IV 265
consid. 6,
ATF 83 IV 73
,
ATF 82 IV 192
/3,
ATF 78 IV 158
).
b) Pour que ces conditions soient remplies, il faut tout d'abord, objectivement, qu'il existe réellement entre l'auteur et la victime un rapport fondant autorité d'une part et dépendance de l'autre. En outre, sur le plan subjectif, il faut que l'auteur ait connaissance du rapport de dépendance visé par la loi (cf. HOFFMANN, Das Abhängigkeitsverhältnis, thèse Berne 1968, p. 31; WÜRGLER, Unzucht mit Kindern nach Art. 191 StGB, thèse Zurich 1976, p. 100). Cette connaissance, qui fait partie de l'élément intentionnel de l'infraction, implique que l'auteur connaissait ou devait connaître l'existence in casu du rapport prévu par la loi (maître-domestique ou maître-enfant confié), ainsi que la relation d'autorité et de dépendance qui en découle nécessairement.
BGE 105 IV 124 S. 126
Or, en l'espèce, si l'on se réfère à la "combine" et au stratagème de l'annonce - qui, en fait, selon la Cour cantonale, a été retenu par les premiers juges tel qu'il avait été décrit par le recourant et par la jeune fille - on peut déjà douter qu'il ait réellement existé entre l'auteur et la victime des rapports du genre de ceux qui sont mentionnés dans la loi comme condition d'application des dispositions aggravées de l'art. 191 ch. 1 al. 2 et ch. 2 al. 5 CP. On ne se trouve en effet pas à proprement parler devant l'hypothèse d'un enfant confié, au sens de la loi, qui suppose une relation plus étroite que celle résultant d'un quelconque contrat de travail et plus proche de celle qui lie le détenteur de la puissance paternelle à ses enfants. C'est en effet sous l'angle du rapport maître-domestique, également visé par la loi, qu'il faut se placer. L'autorisation donnée par les parents de la jeune fille était bien une autorisation de travailler au service du recourant, contre rémunération, durant les vacances. L'acte des parents consistait ainsi en une autorisation, pour la jeune fille, de conclure un contrat de travail avec le recourant. Or, en fait, puisqu'il ne s'agissait ni pour la jeune fille, ni pour le recourant, de conclure réellement un tel contrat, mais simplement d'une "combine" et d'un stratagème pour pouvoir vivre ensemble, on peut sérieusement douter non seulement de la conclusion d'un véritable contrat de travail, mais encore et surtout de l'existence du lien de maître à domestique qui aurait pu résulter d'un tel contrat.
Cette question peut cependant rester sans réponse, car de toute manière l'élément subjectif touchant à ce lien fait en tout cas défaut chez le recourant. Du fait que, pour lui - comme pour la jeune fille - il ne s'agissait pas de créer un véritable lien de maître à domestique, mais seulement de créer une apparence, de trouver une "combine" ou stratagème permettant de cacher son intention et celle de sa maîtresse, qui était en réalité de vivre ensemble durant les vacances, on ne peut ni déceler ni retenir chez lui aucune connaissance ou conscience de l'autorité et de la dépendance qui aurait pu résulter d'un rapport de maître à domestique. Le fait que, durant son séjour chez lui, la jeune fille ait également exécuté des travaux ménagers et se soit occupée des enfants ne change rien à cette appréciation subjective, dès lors que de telles activités peuvent tout aussi bien être liées à la vie en commun qu'à l'existence d'un contrat.
Ainsi, faute d'élément subjectif et intentionnel touchant à la relation maître-domestique dans laquelle sa victime aurait pu
BGE 105 IV 124 S. 127
se trouver par rapport à lui, on ne peut reprocher au recourant l'abus d'autorité et de la dépendance de la victime qui est la condition nécessaire de l'application de l'
art. 191 ch. 1 al. 2 CP
. Comme par ailleurs c'est cet abus qui est réprimé par la loi, et non pas celui de la confiance placée en l'auteur par les détenteurs de la puissance paternelle qui ont été trompés et comme, ainsi que le relève justement le recourant, ce qui est décisif, c'est la nature des rapports liant l'auteur à la victime, et non pas les rapports de ces derniers à l'égard de tierces personnes, le pourvoi doit être admis sur le premier moyen du recourant, et la cause renvoyée à la Cour cantonale pour qu'elle ne fasse application que de l'al. 1 de l'
art. 191 ch. 1 CP
, à l'exclusion de l'al. 2. | null | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8268ef5d-a1b6-41df-8ad2-3b1d848f0828 | Urteilskopf
90 IV 36
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 1964 i.S. Müller gegen Polizeirichteramt Zürich. | Regeste
Art. 27 Abs. 1 MFG.
Der innerorts auf einer Hauptverkehrsader Fahrende hat dem aus einer sechs Meter breiten Seitenstrasse einbiegenden Fahrzeug den Rechtsvortritt zu lassen; er darf dessen Sicherheitshalt nicht leichthin als Verzicht auf das Vortrittsrecht auslegen, mag er sich auch in einer Kolonne befinden. | Sachverhalt
ab Seite 36
BGE 90 IV 36 S. 36
A.-
Müller fuhr am 28. November 1962 gegen Mittag am Steuer seines Personenwagens auf der Limmattalstrasse in Zürich stadtauswärts. Als er sich mit 30-40 km/Std. als letzter einer Fahrzeugkolonne der von rechts einmündenden Bläsistrasse näherte, fuhr von dort her ein Personenwagen, der von Christine M. gesteuert war, auf die Hauptstrasse. Christine M. hatte an der Einmündung einen Sicherheitshalt eingeschaltet und beabsichtigte dann, die Lücke zwischen den letzten zwei Fahrzeugen der stadtauswärts fahrenden Kolonne benützend, nach links in die Limmattalstrasse einzubiegen. Sie hatte die 20 m breite Hauptstrasse bereits zu einem Drittel überquert, als das Auto Müllers auf der Höhe der Hinterräder gegen die linke Seite ihres Wagens stiess. Es entstand beträchtlicher Sachschaden.
B.-
Der Polizeirichter der Stadt Zürich und auf Einsprache hin am 31. Oktober 1963 auch der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich verfällten Müller
BGE 90 IV 36 S. 37
wegen Verletzung von Art. 27 Abs. 1 MFG in eine Busse von Fr. 30.-.
C.-
Müller führt gegen das Urteil des Einzelrichters Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, es aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss Art. 27 Abs. 1 MFG hatte Christine M. das Vortrittsrecht, weil sie gleichzeitig von rechts kam und die Einmündung der Bläsistrasse in die Hauptstrasse sich innerorts befindet, die Sonderregelung des Art. 27 Abs. 2 MFG hier also gemäss Art. 2 BRB vom 26. März 1934 über die Hauptstrassen mit Vortrittsrecht nicht gilt. Daran ändert auch der Hinweis auf
BGE 84 IV 33
f. und die dort angeführten Urteile nichts. Diese Rechtsprechung will nur die Einmündungen solcher Strässchen von der Regel des Art. 27 Abs. 1 MFG ausnehmen, die im Verhältnis zur Hauptstrasse praktisch ohne Verkehrsbedeutung sind und auch äusserlich, nach ihrer Anlage und Grössenordnung, als unbedeutender Verkehrsweg in Erscheinung treten (
BGE 85 IV 38
f.). Auf die Bläsistrasse trifft das nicht zu. Sie hat gemäss dem bei den Akten liegenden Plan eine Fahrbahnbreite von sechs Metern und weist, wie die Vorinstanz verbindlich feststellt, als Quartierstrasse eines dichtbewohnten Gebietes einen beachtlichen Anliegerverkehr auf.
Ebensowenig hilft dem Beschwerdeführer, dass der Vortrittsberechtigte aus der Nebenstrasse verpflichtet ist, besonders aufmerksam zu fahren (
BGE 76 IV 257
). Art. 27 MFG verlangt im Hinblick auf das Vortrittsrecht des von rechts Kommenden ausdrücklich, dass an Gabelungen und Kreuzungen, denen Einmündungen gleichgestellt sind (
BGE 81 IV 251
,
BGE 82 IV 24
), die Geschwindigkeit gemässigt werde, schreibt also auch den auf der Hauptstrasse Fahrenden Rücksichtnahme auf Vortrittsberechtigte vor. Haben aber die Benützer der Hauptverkehrsader ebenfalls damit zu rechnen, dass sie einem aus der Nebenstrasse Kommenden
BGE 90 IV 36 S. 38
den Vortritt lassen müssen, so haben sie ihre Fahrweise diesem Umstand anzupassen (
BGE 81 IV 294
und dort angeführte Urteile).
3.
Dieser Pflicht hat der Beschwerdeführer nicht genügt. Als Müller den an der Einmündung anhaltenden Wagen der Christine M. erblickte, war er nach seinen eigenen Angaben noch 43 m von der Kreuzung entfernt. Auf diese Entfernung hätte er bei pflichtgemässem Verhalten noch Zeit genug gehabt, die Geschwindigkeit zu mässigen und der von rechts Kommenden den Vortritt zu lassen. Dies wäre ihm umsomehr möglich gewesen, als er nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz sogar bei unverminderter Geschwindigkeit nur ein wenig nach rechts hätte halten müssen, um hinter dem seine Fahrbahn kreuzenden Wagen durchzukommen und damit den Zusammenstoss, wenn auch knapp, so doch zu vermeiden. Der Umstand, dass er am Schluss einer Kolonne fuhr, berechtigte ihn nicht zur Annahme, Christine M. werde um seinetwillen noch länger anhalten. Ebensowenig durfte er aus ihrem Sicherheitshalt leichthin folgern, sie verzichte auch ihm gegenüber auf den Vortritt. Sie war keineswegs verpflichtet, alle von links kommenden Fahrzeuge vorbeifahren zu lassen, mögen diese sich auch in einer Kolonne genähert haben. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers liefe darauf hinaus, dass sich die Benützer der Hauptstrasse wie Vortrittsberechtigte gebärden dürften, obschon ihnen die Berechtigung nicht zusteht. Damit aber würde die Ordnung des Art. 27 MFG in ihr Gegenteil verkehrt. Christine M. brauchte auch nicht irgendwie kundzutun, dass sie die Lücke zwischen den zwei letzten Fahrzeugen der vorbeifahrenden Kolonne benützen wolle, um von ihrem Vortrittsrecht endlich Gebrauch zu machen. Der Beschwerdeführer hätte sich vielmehr sagen müssen, dass das der Fall sei, und hätte auf Verzicht nur schliessen dürfen, wenn die von rechts Kommende ihm ein eindeutiges Zeichen gegeben hätte (
BGE 85 IV 39
f. und dort angeführte Urteile). Dass ein solches Zeichen gegeben worden
BGE 90 IV 36 S. 39
sei, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Es entschuldigt ihn auch nicht, dass er von der Gefahr überrascht wurde. Er hat es seinem eigenen pflichtwidrigen Verhalten, der Missachtung des Vortrittsrechtes, zuzuschreiben, dass er in die Gefahr geriet, erschrak und deshalb den Zusammenstoss nicht mehr vermeiden konnte. | null | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
826b2cd8-ddff-4c95-a283-9689e6c114cd | Urteilskopf
100 Ib 331
58. Urteil vom 13. September 1974 i.S. Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten gegen Roco Conserven Rorschach und Eidg. Departement des Innern | Regeste
Verwaltungsbeschwerde nach VwG. Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Verwaltungsbeschwerde des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten gegen eine Verfügung, mit der das Eidg. Gesundheitsamt einem industriellen Unternehmen gestützt auf die LMV bewilligt hat, ein Pulver zur Herstellung von Schlagrahmersatz in Verkehr zu bringen. Nichteintretensentscheid des Eidg. Departements des Innern.
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Nichteintretensentscheid. Legitimation des Zentralverbandes nach
Art. 103 lit. a OG
(Erw. 1).
2. Legitimation zur Verwaltungsbeschwerde nach Art. 48 lit. a VwG. Zulässigkeit der Verbandsbeschwerde. In casu ist das vom Zentralverband verteidigte Interesse der Milchproduzenten nicht schutzwürdig im Sinne des Gesetzes (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 332
BGE 100 Ib 331 S. 332
A.-
Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten (ZVSM) ist ein Genossenschaftsverband (
Art. 921 ff. OR
), dem regionale Milchproduzentenverbände angehören. Mitglieder dieser regionalen Verbände sind örtliche Milchverwertungsgenossenschaften und Einzelproduzenten. Der ZVSM bezweckt nach § 2 seiner Statuten die Wahrung der Interessen der schweizerischen Milchproduzenten; namentlich strebt er einen Milchpreis an, der mindestens die Produktionskosten deckt und dem Nährwerte angemessen ist; er trifft alle diesem Ziele dienenden Massnahmen (Leitung und Verbesserung der Milcherzeugung, Vertretung der Milchproduzenten gegenüber den Landesbehörden, Ordnung der Verwertungs-, Absatz- und Preisverhältnisse für Milch und Milcherzeugnisse usw.).
BGE 100 Ib 331 S. 333
Er hat die Kollektivmarken "Floralp", "Cristallina" und "Pierrot" für Milchprodukte registrieren lassen.
Am 23. Juli 1973 teilte das Eidg. Gesundheitsamt (EGA) dem ZVSM mit, dass es der Firma Roco Conserven Rorschach am 18. Mai 1973 die Bewilligung erteilt hatte, das Produkt "Roco Dessert Top" in Verkehr zu bringen. Es handelt sich um ein Pulver, das mit Milch zu mischen und steif zu schlagen ist; der so hergestellte Schaum kann anstelle von Schlagrahm verwendet werden.
Mit Beschwerdeschrift vom 22. August 1973 beantragte der ZVSM dem Eidg. Departement des Innern (EDI), die der Firma Roco erteilte Bewilligung rückgängig zu machen, eventuell sie mit den Auflagen zu verbinden, die nach der Lebensmittelverordnung zur Verhütung von Täuschungen erforderlich seien.
Das EDI schrieb dem Beschwerdeführer am 23. November 1973, es könne seine Eingabe bloss als Aufsichtsbeschwerde entgegennehmen, da er zur förmlichen Beschwerde nicht legitimiert sei. Als Aufsichtsbehörde könnte es nur einschreiten, wenn zwingende öffentliche Interessen, klare Rechtsverletzungen oder eigentliche Missstände dies erforderten. Keine dieser Voraussetzungen sei erfüllt, und zudem könne die Firma Roco sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen. Die Beschwerde werfe ein Problem auf, das allenfalls der Gesetzgeber zu lösen haben werde und zu dem der Beschwerdeführer sich im Vernehmlassungsverfahren werde äussern können.
Vom Beschwerdeführer aufgefordert, eine beschwerdefähige Verfügung zu treffen, entschied das EDI am 25. März 1974, auf die Beschwerde vom 22. August 1973 werde nicht eingetreten.
B.-
Der ZVSM erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung vom 25. März 1974 sei aufzuheben und das EDI anzuweisen, auf die Beschwerde vom 22. August 1973 einzutreten.
Es wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei durch die angefochtene Verfügung des EGA berührt und habe ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung; er sei daher nach Art. 48 lit. a VwG zur Verwaltungsbeschwerde berechtigt. Er werde durch die Bewilligung, die der Firma Roco entgegen den Vorschriften der LMV erteilt worden
BGE 100 Ib 331 S. 334
sei, mehr als irgend jemand betroffen. Seine Mitglieder, deren Interessen er zu wahren habe, fabrizierten und vertrieben u.a. Schlagrahm. Dieses Erzeugnis werde durch das von der Firma Roco in Verkehr gebrachte Pulver zur Herstellung von Schlagrahmersatz direkt konkurrenziert. Das Ersatzprodukt werde derart hergestellt, bezeichnet und präsentiert, dass das Publikum irregeführt und daher der Absatz des echten Rahms erschwert werde. Der Rahm, der nicht unmittelbar dem Konsum zugeführt werden könne, müsse zu Butter verarbeitet werden. Bei der Butterverwertung entstehe aber ein Verlust, wovon die Milchproduzenten 40% zu tragen hätten. Dazu komme, dass die vom Bundesrat je nach der Entwicklung der Absatzverhältnisse festgesetzte, zum garantierten Grundpreis übernommene Basismilchmenge um so niedriger ausfalle, je weniger Milch in Form von Konsumrahm Absatz finde. Die Herabsetzung der Basismilchmenge habe zur Folge, dass der Produzentenmilchpreis geschmälert werde (Art. 2 Milchwirtschaftsbeschluss 1971).
C.-
Die Firma Roco beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie hält dafür, dass der Beschwerdeführer auf den Weg der Zivilklage wegen unlauteren Wettbewerbs zu verweisen sei.
Das EDI erachtet die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls für unbegründet; es beruft sich auf seine Ausführungen im angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Entscheid des EDI ist in einem Einzelfall getroffen worden. Er stützt sich auf öffentliches Recht des Bundes, indem er die Legitimation des ZVSM zur Verwaltungsbeschwerde nach Art. 48 VwG verneint und daher sich über die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der Verletzung der eidgenössischen Gesetzgebung über den Verkehr mit Lebensmitteln nicht, jedenfalls nicht einlässlich, ausspricht (vgl.
BGE 96 I 689
f.; VEB 37/I Nr. 5 S. 13). Mit der Beschwerde, auf die das Departement nicht eingetreten ist, wird die Aufhebung oder die Änderung einer Bewilligung verlangt, durch die im Sinne des Art. 5 VwG ein Recht begründet worden ist (BBl 1965 Il S. 1362; nicht veröffentlichtes Urteil Thiodet vom 17. September 1971 E. 1). Der angefochtene Nichteintretensentscheid
BGE 100 Ib 331 S. 335
ist demnach eine Verfügung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. c VwG, worauf
Art. 97 Abs. 1 OG
verweist. Da er von einem Departement des Bundesrates ausgeht (
Art. 98 lit. b OG
) und unter keine der in
Art. 99-102 OG
vorgesehenen Ausnahmen fällt, unterliegt er somit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Der Beschwerdeführer wirft dem Departement vor, dass es die Beschwerde, die er bei ihm erhoben hat, als blosse Aufsichtsbeschwerde (Anzeige) behandelt hat; er rügt damit, dass seine Berechtigung zur Verwaltungsbeschwerde nicht anerkannt worden ist. Nach der Rechtsprechung genügt dies für die Annahme, dass der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder der Änderung der Verfügung des Departementes hat und daher nach
Art. 103 lit. a OG
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist (
BGE 98 Ib 70
f.).
Auf die vorliegende Beschwerde ist demnach einzutreten. Sie wirft nur die Frage auf, ob der Beschwerdeführer befugt gewesen sei, gegen die Bewilligung, die das EGA der Firma Roco erteilt hat, Beschwerde beim EDI einzulegen. Die für die Beurteilung dieser Frage massgebende Vorschrift, Art. 48 lit. a VwG, stimmt mit
Art. 103 lit. a OG
überein. Daraus, dass der ZVSM nach
Art. 103 lit. a OG
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist, folgt jedoch nicht, dass er nach Art. 48 lit. a VwG zur Verwaltungsbeschwerde an das EDI berechtigt war. Als er sich an das EDI wandte, befand er sich nicht in einer Lage, die mit seiner Stellung gegenüber dem Bundesgericht vergleichbar ist (vgl.
BGE 98 Ib 69
).
2.
Eine besondere Bestimmung des Bundesrechts, die den ZVSM zur Beschwerde an das Departement ermächtigen würde, besteht nicht, so dass er sich nicht auf Art. 48 lit. b VwG berufen kann. Er war nur dann berechtigt, gegen die der Firma Roco erteilte Bewilligung beim Departement Beschwerde zu führen, wenn die Voraussetzungen von Art. 48 lit. a VwG erfüllt sind, er also durch die angefochtene Verfügung des EGA berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Entscheidend ist, ob er ein solches Interesse besitzt; ist dies zu bejahen, so ist damit auch festgestellt, dass er durch die Verfügung berührt ist.
a) Der ZVSM behauptet nicht, dass er selber Milch und Milcherzeugnisse produziert und vertreibt. Er beschränkt sich
BGE 100 Ib 331 S. 336
darauf, die Interessen derjenigen zu wahren, die diese Tätigkeit ausüben. Das sind offenbar die Interessen der regionalen Milchproduzentenverbände, die seine Mitglieder sind, bzw. der diesen Verbänden angehörenden Milchverwertungsgenossenschaften und Einzelproduzenten. Der ZVSM macht geltend, zur Beschwerde gegen die Verfügung des EGA deshalb berechtigt zu sein, weil ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Milchproduzenten, deren Interessen er vertritt, und der Firma Roco bestehe. Er will also im vorliegenden Fall nicht seine eigenen, sondern die Interessen der ihm angeschlossenen Verbände oder ihrer Mitglieder verteidigen. Daraus ist indes nicht zu schliessen, dass ihm die Legitimation zur Verwaltungsbeschwerde fehlt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Vereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen befugt, zur Wahrung der Interessen ihrer Mitglieder staatsrechtliche Beschwerde oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie auch Verwaltungsbeschwerde zu erheben. Sie sind dazu legitimiert, wenn es sich um Interessen handelt, die sie nach ihren Statuten zu wahren haben, die der Gesamtheit oder doch der Mehrheit ihrer Mitglieder gemeinsam sind und zu deren Geltendmachung durch Beschwerde jedes dieser Mitglieder selber berechtigt wäre (
BGE 97 I 593
;
BGE 98 Ib 70
, 71 E. 3, 229;
BGE 99 Ia 239
;
BGE 99 Ib 55
). Diese Rechtsprechung ist auf Vereine wie auch auf Genossenschaften anwendbar, ebenso auf Verbände von Vereinen oder von Genossenschaften. Die Gründe, aus denen die Verbandsbeschwerde zugelassen wird, gelten auch für Dach- oder Zentralverbände (
BGE 100 Ia 99
E. 1b).
Der ZVSM hat nach § 2 seiner Statuten allgemein die Interessen der - ihm in der Regel angeschlossenen - Milchproduzenten zu wahren, und die besonderen Interessen, die er im vorliegenden Fall verteidigt, sind nach seinen Angaben allen seinen Mitgliedern gemeinsam. Er war demnach zur Verwaltungsbeschwerde gegen die der Firma Roco erteilte Bewilligung legitimiert, wenn jeder der ihm angehörenden Milchproduzenten dazu berechtigt gewesen wäre.
b) Art. 48 lit. a VwG lässt ein allgemeines Interesse, das jedermann haben kann, nicht genügen. Erforderlich ist vielmehr ein besonderes Interesse, das nur Einzelnen oder jedenfalls nur einem beschränkten Personenkreis eigen ist (
BGE 99 Ib 107
). Andernfalls wäre die Zahl der zur Beschwerde Berechtigten
BGE 100 Ib 331 S. 337
vielfach unbegrenzt, und das liefe darauf hinaus, dass die Popularbeschwerde zugelassen würde, die nach Art. 48 lit. a VwG offensichtlich gerade ausgeschlossen sein soll.
Im vorliegenden Fall müssen also die Milchproduzenten durch die Verfügung des EGA in besonderem Masse, mehr als irgend jemand oder die Allgemeinheit, betroffen sein, damit ihre Beschwerdelegitimation anerkannt werden kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt. Wie der ZVSM ausführt, droht das von der Firma Roco in Verkehr gebrachte Pulver dem Rahm Konkurrenz zu machen und dessen Absatz zu beeinträchtigen. Infolgedessen müssen die Milchproduzenten gewärtigen, dass sie auf Grund der Ordnung der Milchwirtschaft zusätzliche finanzielle Lasten zu tragen haben. Dieser Nachteil trifft nur die Milchproduzenten, nicht auch andere Wirtschaftszweige.
c) Ein besonderes Interesse, wie es hier die Milchproduzenten haben, ist aber nicht notwendigerweise auch schutzwürdig im Sinne von Art. 48 lit. a VwG. Nach der Rechtsprechung zu
Art. 103 lit. a OG
gilt als schutzwürdig ein unmittelbares Interesse, das sich aus einer nahen Beziehung des Beschwerdeführers zum Gegenstand des Streites ergibt (
BGE 97 I 593
;
BGE 98 Ib 70
f., 229;
BGE 99 Ib 107
, 206, 213). Im gleichen Sinne ist die mit
Art. 103 lit. a OG
übereinstimmende lit. a des Art. 48 VwG zu verstehen (
BGE 98 Ib 71
ff.). Hier ist daher zu prüfen, ob daraus, dass die der Firma Roco erteilte Bewilligung die Milchproduzenten einer Konkurrenz aussetzt, zu schliessen ist, dass zwischen den Interessen dieser Produzenten und der Verfügung des EGA eine genügend enge Beziehung besteht.
Das Bundesgericht hatte sich wiederholt mit der Frage zu befassen, ob Inhaber geschäftlicher Betriebe zur Beschwerde gegen Massnahmen, die zugunsten von Konkurrenten getroffen worden sind, legitimiert seien. Geschäftsfirmen, die im Besitz von Einfuhrkontingenten waren, wurden berechtigt erklärt, gegen die Zuteilung eines Kontingents an einen neuen Bewerber Beschwerde zu führen, weil sie infolge der angefochtenen Verfügung eine Kürzung ihrer eigenen Kontingente zu erwarten hatten (
BGE 97 I 297
). Den Apothekern der Stadt Bern und ihrer Vereinigung wurde die Befugnis zur Beschwerde gegen die Eröffnung einer Apotheke im dortigen Hauptbahnhof zuerkannt (
BGE 97 I 593
,
BGE 98 Ib 229
). Eine zur Revision von Banken ermächtigte Treuhandgesellschaft wurde für berechtigt
BGE 100 Ib 331 S. 338
erachtet, eine Verfügung anzufechten, die einer eben gegründeten anderen Gesellschaft dieselbe Tätigkeit gestattete (
BGE 99 Ib 107
f.).
Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Fällen und dem vorliegenden. Hier handelt es sich nicht um die Verteilung eines Gesamtkontingentes oder um die Eröffnung eines geschäftlichen Betriebes. Der Streit geht darum, ob die Hersteller einer Handelsware zur Beschwerde gegen die Bewilligung des Verkaufs einer anderen Ware, deren Konkurrenz sie befürchten, berechtigt seien. Die Frage lässt sich wohl nicht für alle denkbaren Fälle einheitlich beantworten, da die Verhältnisse verschieden sein können. Im vorliegenden Fall ist sie aber zu verneinen. Würde hier die Legitimation der Milchproduzenten anerkannt, so müsste jeder Produzent oder Händler, der eine bestimmte Ware vertreibt, als berechtigt angesehen werden, gegen die Bewilligung des Inverkehrbringens irgendeines Erzeugnisses, das mit dem seinigen in Konkurrenz treten könnte, Beschwerde zu führen, auch wenn die beiden Produkte ganz verschiedener Natur wären. Es müsste z.B. jedem Weinbauern das Recht zuerkannt werden, gegen die Zulassung eines beliebigen alkoholhaltigen oder alkoholfreien Getränkes, das anstelle des Weins genossen werden könnte, Beschwerde zu erheben. Damit würde der Kreis der Beschwerdeberechtigten derart erweitert, dass die Verwaltungsbeschwerde und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Popularbeschwerde angenähert würden. Diese Überlegungen zeigen, dass in Fällen wie dem vorliegenden die erforderliche Beziehungsnähe fehlt.
Der Beschwerdeführer wendet ein, dass die Gesetzgebung des Bundes über die Lebensmittelpolizei nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Produzenten schützen solle. Das mag zutreffen, ist aber für die Beurteilung der Frage der Beschwerdelegitimation ohne Belang. Wie der Beschwerdeführer anerkennt, kann er sich auf eine Beeinträchtigung der von ihm verteidigten Interessen tatsächlicher oder rechtlicher Natur nur berufen, wenn sie schutzwürdig sind, was aus den dargelegten Gründen nicht der Fall ist.
Dem Beschwerdeführer hilft auch der Hinweis auf das in
BGE 98 Ib 30
ff. teilweise veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 25. Februar 1972 i.S. Verband nordostschweizerischer Käserei- und Milchgenossenschaften nicht. Dieser Entscheid
BGE 100 Ib 331 S. 339
lässt in der nicht publizierten Erw. 1 die Frage der Legitimation des beschwerdeführenden Verbands offen.
d) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das EDI dem ZVSM die Legitimation zur Verwaltungsbeschwerde mit Recht abgesprochen hat. Daher ist nicht zu beanstanden, dass es auf diese Beschwerde nicht eingetreten ist. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist deshalb abzuweisen, ohne dass auch geprüft zu werden braucht, ob hier die Möglichkeit einer Zivilklage wegen unlauteren Wettbewerbs den Weg der Verwaltungsbeschwerde ausschliesse, wie die Firma Roco unter Berufung auf Urteile des Bundesgerichts in Registersachen (
BGE 94 I 186
f.,
BGE 100 Ib 118
f.) geltend macht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
826cfb78-e6ae-4a05-830c-e6f851417df0 | Urteilskopf
109 Ia 185
36. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. September 1983 i.S. Burri und Eigenmann gegen Berner Heimatschutz, Interessengemeinschaft Bielersee und Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege sowie Regierungsrat des Kantons Bern; weitere Beteiligte: Gemeinde Erlach (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 22ter BV
; öffentliches Interesse. Denkmalpflege; Umgebungsschutz.
Der wirksame Schutz eines Bauwerks oder eines architektonisch wertvollen Ensembles setzt auch den gleichzeitigen Schutz seiner Umgebung voraus. | Sachverhalt
ab Seite 185
BGE 109 Ia 185 S. 185
Niklaus Burri und Hermann Eigenmann sind Eigentümer von rund 3500 m2 Land am Hoggenberg in Erlach. Der Hoggenberg ist ein auf drei Seiten von Wald umgebenes Gebiet am Hang des Jolimont. Das zum Teil mit Bäumen bestandene Wiesland liegt in
BGE 109 Ia 185 S. 186
unmittelbarer Nähe des Schlosses und der historischen Altstadt von Erlach. Dazwischen befindet sich ein Rebberg. Gemäss ursprünglichem Zonenplan aus dem Jahre 1959 lag der Hoggenberg in einer Wohnzone.
Bei der Revision ihrer Ortsplanung beschloss die Gemeinde Erlach, den Hoggenberg wiederum einer Wohnzone zuzuweisen, was von der Baudirektion des Kantons Bern nicht genehmigt wurde. Diese verwies den Hoggenberg in das übrige Gemeindegebiet. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Regierungsrat des Kantons Bern abgewiesen.
Niklaus Burri und Hermann Eigenmann führen gegen diesen Regierungsratsbeschluss staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie machen unter anderem geltend, die Auszonung liege nicht im öffentlichen Interesse und sei unverhältnismässig. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
b) Im angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat die Notwendigkeit hervorgehoben, die Umgebung der Altstadt und des Schlosses von Erlach zu schützen. In seiner Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde hat er im weitern ausgeführt, dass die Bauzone von Erlach angesichts der Bevölkerungsentwicklung zu gross sei. Beide Feststellungen hat er mit einer Vielzahl von technischen Dokumenten belegt. Daraus ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Die Gemeinde Erlach liegt am Nordostfuss des bewaldeten Jolimont in der Mitte des südwestlichen Ufers des Bielersees. Von dort aus führt der Heidenweg über die als Folge der Juragewässerkorrektion trockengelegte Landenge zur St. Petersinsel. Weg und Insel sind als Schutzobjekt Nr. 13.01 im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgeführt (BLN; SR 451.11). Das Eidgenössische Departement des Innern prüft zur Zeit die Aufnahme der Altstadt und des Schlosses von Erlach in das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS; SR 451.12). Die darüber verfasste Studie hält fest, dass die verschiedenen Neubauten im Umgelände das malerische, aus dem Mittelalter stammende Ensemble von Erlach beeinträchtigten. Als wesentlich wird nicht nur der Schutz der Altstadt und des Schlosses selbst, sondern vor allem auch die Freihaltung der Umgebung bezeichnet. Das war auch dem Gemeinderat Erlach
BGE 109 Ia 185 S. 187
nicht entgangen, als er am 30. Juli 1979 in Anwendung von Art. 115 ff. der bernischen Bauverordnung vom 26. November 1970 einen kommunalen Landschaftsrichtplan beschloss, der unter anderem die Freihaltung der Umgebung des Schlosses und des anschliessenden Altstadtteils sowie der Abhänge des Jolimont vorsieht. Dem Freihaltegebiet, in dem jede Bautätigkeit ausgeschlossen sein soll, ist auch der Hoggenberg zugewiesen. Der vorgesehene Schutz wurde durch den regionalen "Richtplan Landschaft und Siedlung" vom 11. Juni 1981 bestätigt. Wie erwähnt, befand sich der Hoggenberg seit 1973 in der Schutzzone I gemäss Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung. Er war somit seit Inkrafttreten der provisorischen Schutzzone mit einem Bauverbot belegt.
Die bei den Akten liegenden Fotografien, Pläne und Gutachten zeigen deutlich, dass die erwähnten Schutzmassnahmen klarerweise gerechtfertigt sind. Der wirksame Schutz eines Bauwerks oder eines architektonisch wertvollen Ensembles ist undenkbar ohne gleichzeitigen Schutz seiner Umgebung. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführer ist unbegründet. Allein schon die Anziehungskraft, die Erlach mit seiner einzigartigen Lage am Bielersee auf unzählige Besucher ausübt, entzieht der Argumentation der Beschwerdeführer den Boden, die auf der Annahme beruht, Altstadt, Schloss und Hoggenberg seien als gesamtes Erscheinungsbild zusammen praktisch nicht sichtbar. Das öffentliche Interesse an der streitigen Auszonung ist daher offensichtlich gegeben.
Die Beschwerdeführer vertreten indessen die Auffassung, dass dieses öffentliche Interesse auch durch eine weniger einschneidende Massnahme gewahrt werden könne. So hätte der Hoggenberg allenfalls in eine Schutzzone gemäss Art. 17 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 beziehungsweise in ein Schutzgebiet nach Art. 29 des Baugesetzes des Kantons Bern vom 7. Juni 1970 (BauG) oder in eine Grünfläche im Sinne von Art. 28 BauG eingewiesen werden können, wodurch eine gewisse Überbauungsmöglichkeit erhalten geblieben wäre. Die Beschwerdeführer tun indessen nicht dar, dass diese Möglichkeiten angemessener wären als die Zuweisung ihres Landes zum übrigen Gemeindegebiet. Die unmittelbare Nachbarschaft zu Rebzone und Wald lassen die Zuteilung des Hoggenbergs zum übrigen Gemeindegebiet als sinnvoll erscheinen. Darüber hinaus steht fest, dass das öffentliche Interesse am Schutz von Orts- und Landschaftsbild durch die nicht genehmigten kommunalen Massnahmen nicht so wirksam hätte
BGE 109 Ia 185 S. 188
gewahrt werden können. Die Pflicht zum Erlass von Sonderbauvorschriften im Sinne von Art. 38 ff. BauG hätte nicht verhindern können, dass der Hoggenberg zu einem Einfamilien- und Ferienhausquartier geworden wäre. Dadurch wäre das abgeschlossene, zwischen Altstadt, Reben und Wald gelegene Gebiet, das unbestrittenermassen einen empfindlichen Landschaftsteil darstellt, dauernd beeinträchtigt worden. Was schliesslich den Eventualvorschlag der Beschwerdeführer betrifft, die Überbaubarkeit des Hoggenbergs auf dessen untersten Bereich zu beschränken, so widerspräche dies dem raumplanungsrechtlichen Grundsatz, wonach Kleinbauzonen ausserhalb des Baugebiets grundsätzlich unzulässig sind (in der amtlichen Sammlung nicht veröffentlichtes Urteil vom 3. Februar 1982 E. 3c, publiziert in: ZBl 83/1982, S. 353). Zudem geht aus den Akten hervor, dass mit der Revision des Zonenplans auch eine grundsätzliche Verkleinerung der Bauzone angestrebt wurde. Die Bemessung des Baugebiets im Zonenplan aus dem Jahre 1959 beruhte auf offensichtlich zu weit gehenden Bevölkerungsprognosen. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
826f4ef8-1043-4ae4-86b0-6c800a170d3a | Urteilskopf
81 II 429
66. Extrait de l'arrêt rendu par la IIe Cour Civile le 8 décembre 1955 dans la cause Mauroux contre Mauroux et consorts. | Regeste
Art. 621 Abs. 1 Z GB bezieht sich nicht nur auf die persönlichen Verhältnisse der Erben, die die Zuweisung verlangen, sondern aller Erben.
Berücksichtigung der Interessen der andern Erben. | Sachverhalt
ab Seite 429
BGE 81 II 429 S. 429
A.-
Léonard Mauroux, agriculteur à Autigny, est décédé le 25 avril 1952, laissant comme héritiers sa veuve, cinq fils, soit Gervais, Fidèle, Arthur, Maurice et Paul, ainsi que deux filles, Irma et Agnès. Parmi les biens de la succession se trouvait un domaine agricole d'environ 24 poses.
Jusqu'à son décès, Léonard Mauroux a exploité son domaine avec le concours de sa femme et de trois de ses enfants, savoir Maurice, Paul et Agnès. Après sa mort l'exploitation a été continuée par sa veuve et les mêmes enfants. Les deux frères se partageaient le travail, Maurice s'occupant plus particulièrement de la production du lait, cependant que Paul assumait les autres tâches.
Par exploit du 19 juin 1954, Maurice Mauroux a demandé que le domaine lui fût attribué à la valeur de rendement, le prix devant s'imputer sur sa part successorale. Tous les autres héritiers se sont opposés à cette prétention et ont requis l'attribution de l'exploitation à Paul Mauroux. Statuant en première instance, le 28 décembre 1954, la
BGE 81 II 429 S. 430
Justice de paix de Prez-vers-Noréaz a admis la demande de Maurice Mauroux.
B.-
Saisie d'un recours formé par les frères et soeurs du demandeur, la Cour civile du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg, par arrêt du 7 juillet 1955, a annulé le jugement de la Justice de paix et a attribué à Paul Mauroux le domaine appartenant à la communauté successorale de feu Léonard Mauroux, à la valeur de rendement de 45 000 fr.
C.-
Maurice Mauroux a recouru au Tribunal fédéral contre cet arrêt dont il demande la réformation dans le sens de l'admission de ses conclusions tendant à ce que le domaine litigieux lui soit attribué.
Les intimés concluent au rejet du recours et à la confirmation de l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
La Cour cantonale constate que Maurice Mauroux ne s'entend pas avec sa mère, qui a été victime de ses menaces et de ses grossièretés. Elle admet que si le domaine était attribué au recourant, dame Célina Mauroux devrait quitter la ferme familiale, ce qui aurait pour conséquence de diminuer pratiquement son usufruit et d'obliger les autres héritiers à contribuer à son entretien. En revanche, si l'exploitation est reprise par Paul Mauroux, la mère sera accueillie à son foyer avec la déférence et les égards qui lui sont dus; c'est pour ce motif que les autres héritiers demandent que le domaine soit attribué à Paul Mauroux.
C'est à tort que le recourant fait grief à la Cour cantonale d'avoir tenu compte de ces faits et d'avoir pris en considération les conséquences que l'attribution à l'un ou l'autre des compétiteurs aurait pour leurs cohéritiers. Contrairement à l'opinion de Maurice Mauroux, l'art. 621 al. 1 CC se réfère non seulement à la situation personnelle des héritiers qui demandent l'attribution mais à celle de tous les héritiers. Il ne saurait dès lors y avoir violation du droit fédéral lorsque, mise en présence de compétiteurs
BGE 81 II 429 S. 431
également aptes à se charger de l'exploitation, l'autorité donne la préférence à l'un d'eux pour le motif que l'attribution à celui-ci est dans l'intérêt des autres héritiers. L'attribution d'une entreprise agricole à la valeur de rendement, conformément aux art. 620 ss. CC, porte atteinte au principe de l'égalité entre les héritiers et assure ainsi un avantage économique certain à celui qui l'obtient. Cette réglementation trouve sa justification dans le but qui lui est assigné et qui est de conserver au pays un paysannat capable, travailleur et attaché à la terre. En raison précisément de la diminution des prétentions des autres héritiers qu'implique ce droit successoral spécial, il y a lieu de tenir compte de leurs intérêts et de ne pas rendre plus lourds, sans nécessité, les sacrifices qui leur sont imposés pour atteindre le but de la loi. Il suit de là que c'est à juste titre que la Cour cantonale a décidé d'attribuer le domaine litigieux à Paul Mauroux plutôt qu'au recourant et que les griefs formulés par celui-ci contre l'arrêt attaqué ne sont pas fondés. | public_law | nan | fr | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8270ea85-04e0-4703-8418-6ac43fb64c6e | Urteilskopf
102 V 180
43. Auszug aus dem Urteil vom 22. September 1976 i.S. Haenni gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Ausserordentliche Renten mit Einkommensgrenze (
Art. 42 AHVG
und 39 IVG): anrechenbare Wertvermehrungen an Rechten und Sachen. | Erwägungen
ab Seite 180
BGE 102 V 180 S. 180
Aus den Erwägungen:
Streitig ist, ob dem Beschwerdeführer für die Zeit ab 1. Januar 1974 anstelle der ordentlichen Ehepaar-Invalidenrente von Fr. 546.-- im Monat eine höhere ausserordentliche Rente zusteht. Dies beurteilt sich grundsätzlich nach dem im vorangegangenen Kalenderjahr erzielten Einkommen (
Art. 59 Abs. 1 AHVV
). Das von der Ehefrau des Beschwerdeführers im Jahre 1973 erzielte Erwerbseinkommen ist indessen in die Berechnung nicht einzubeziehen, weil das entsprechende Arbeitsverhältnis auf Ende 1973 aufgelöst worden ist (
Art. 59 Abs. 2 AHVV
). Es stellt sich mithin lediglich die Frage, ob dem Beschwerdeführer die zufolge Kursrückganges des Dollars auf dem Darlehen eingetretene Schuldverminderung als Einkommen anzurechnen ist.
a) Den fraglichen Kursgewinnen liegt eine gegenüber der Transcontinental Watch Sales Corporation, Milwaukee/USA, eingegangene Darlehensschuld zugrunde, welche sich anscheinend aus zwei Forderungen über US$ 50'000.-- und US$ 11'000.-- zusammensetzt. Die beiden Schuldbeträge sind in den Geschäftsrechnungen der Jahre 1970-1972 mit Fr. 21'5456.25 bzw. Fr. 47'600.10 eingesetzt. Im Kreditorenverzeichnis auf Ende 1973 figuriert lediglich noch die Schuld über US$ 50'000.--, nachdem der Beschwerdeführer der Gläubigerin am 20. Dezember 1973 einen Check über US$ 11'000.-- überwiesen hatte, wofür er von der Bank mit Fr. 35'145.-- belastet wurde. Die Gläubigerin wies die Zahlung in der Folge zurück und schloss am 15. Januar 1974 mit dem
BGE 102 V 180 S. 181
Schuldner eine Vereinbarung, wonach das Darlehen mit Fr. 263'000.-- auf eine Schweizer Bank rückzahlbar ist. Die Umrechnung beruht auf einem Dollarkurs von Fr. 4.31, wie er dem ursprünglichen Darlehen zugrunde lag. Anlässlich der Teilrückzahlung des Darlehens am 20. Dezember 1973 stand der Kurs aber auf Fr. 3.19 1/2. Auf der Gesamtschuld von US$ 61'000.-- hat sich daher auf Ende 1973 ein Kursgewinn von mehr als Fr. 60'000.-- ergeben; im Jahre 1974 ist ein weiterer Gewinn entstanden, indem der Dollarkurs Ende 1974 noch bei Fr. 2.50 lag.
b) Die Vorinstanz nimmt an, der Kursgewinn sei im Sinne des Wehrsteuerrechts als Einkommen anzurechnen, unabhängig davon, ob der Gewinn realisiert worden sei oder nicht. Sie verweist hiezu auf Art. 21 Abs. 1 lit. f WStB, wonach zu dem für die Steuerberechnung massgebenden Einkommen auch Vermehrungen des Wertes von Sachen und Rechten gehören, die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens eingetreten und verbucht worden sind. Währungsgewinne, insbesondere auch die auf Grund einer Verminderung von Passiven erzielten, können jedoch steuerlich nur erfasst werden, wenn sie tatsächlich oder buchmässig realisiert worden sind. Der Steuerpflichtige kann daher in gewissem Umfange selbst über den Zeitpunkt der Besteuerung einer eingetretenen Wertvermehrung befinden (vgl. MASSHARDT, Kommentar zur eidg. Wehrsteuer 1971-1982, S. 122/23 sowie S. 9 ff. des Nachtrages 1974; KÄNZIG, Wehrsteuer, S. 173 ff.).
Der Beschwerdeführer hat die fraglichen Kursgewinne weder tatsächlich noch buchmässig realisiert. Hierauf kann es für die Beurteilung des Rentenanspruchs indessen nicht ankommen. Die ausserordentliche Rente stellt, soweit sie zu einem Mehrbetrag gegenüber der ordentlichen Rente führt, eine beitragsunabhängige, auf dem Versorgungsprinzip beruhende Leistung dar. Es kann daher nicht dem Versicherten überlassen bleiben, ob er eingetretene Wertvermehrungen realisiert oder nicht (vgl. auch
Art. 61 Abs. 5 AHVV
). Schon aus Gründen der Rechtsgleichheit ist vielmehr jede nicht bloss vorübergehende Wertvermehrung in die für die Anspruchsberechtigung massgebende Einkommensberechnung einzubeziehen, sofern sie zumutbarerweise realisiert werden kann.
BGE 102 V 180 S. 182
c) Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die eingetretenen Kursgewinne seien nicht realisierbar. Der Beschwerdeführer hat am 20. Dezember 1973 eine Darlehensrückzahlung im Betrage von US$ 11'000.-- geleistet und damit einen Gewinn von mehr als Fr. 12'000.-- realisiert. Dass er nachträglich dem Vorschlag der Gläubigerin auf Umwandlung des gesamten Darlehens in eine auf Schweizer Franken lautende Schuld unter Verzicht auf die Teilamortisation zugestimmt hat, ist unerheblich, weil er hiefür keine zwingenden Gründe anzugeben vermag. Insbesondere lässt sich der Verzicht auf die Teilrückzahlung nicht mit bundesrechtlichen Einschränkungen des Dollartransfers begründen, wie der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren vorgebracht hat. Wenn er in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nunmehr geltend macht, die Verordnung des Bundesrates vom 5. Juli 1972 über die Bewilligungspflicht für die Aufnahme von Geldern im Ausland (SR 941.114) sei unklar abgefasst, kann dem nicht beigepflichtet werden. Weder die Verordnung selbst noch der vom Beschwerdeführer ins Recht gelegte Bericht des Bundesrates über Massnahmen zum Schutze der Währung vom 17. Oktober 1973 (BBl 1973 II 860 ff.) vermögen die Annahme zu begründen, die Rückzahlung einer Dollarschuld durch Anweisung eines Dollarbetrages sei ganz oder teilweise untersagt. Im übrigen bleibt der Beschwerdeführer jede Begründung dafür schuldig, weshalb er der Umwandlung der Dollarschuld in eine Frankenschuld auf der Grundlage eines für ihn ungünstigen, längst überholten Wechselkurses zugestimmt hat. Es bleibt daher bei der Annahme, er habe freiwillig auf Kursgewinne verzichtet, weshalb diese als Einkommen anzurechnen sind.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist nicht zu beanstanden, dass Verwaltung und Vorinstanz den Anspruch auf die ausserordentliche Rente für die Jahre 1974 und 1975 verneint haben. Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, würde der Anspruch auf eine ausserordentliche Rente bei der zugesprochenen ordentlichen Rente von Fr. 546.-- im Monat ein anrechenbares Jahreseinkommen von weniger als Fr. 2'500.-- voraussetzen. Dies ist nach dem Gesagten auszuschliessen, ohne dass es weiterer Abklärungen bedürfte. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
82761b30-836f-422e-8ade-02e2433fa174 | Urteilskopf
105 IV 78
21. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 8. März 1979 i.S. Rimann (Beschwerde) | Regeste
Art. 95 Abs. 2 VStrR
.
Wird ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, so dürfen dem Beschuldigten die Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Untersuchung schuldhaft verursacht hat. Dass objektive Verdachtsgründe die Einleitung der Untersuchung rechtfertigten, genügt nicht. | Erwägungen
ab Seite 78
BGE 105 IV 78 S. 78
Aus dem Erwägungen:
2.
a) Nach
Art. 95 Abs. 2 VStrR
dürfen die Kosten eines eingestellten Verfahrens ganz oder teilweise dem Beschuldigten auferlegt werden, wenn er die Untersuchung schuldhaft verursacht oder das Verfahren mutwillig wesentlich erschwert oder verlängert hat. Dass der Beschwerdeführer das Verfahren erschwert oder verlängert habe, macht die Generaldirektion PTT nicht geltend. Zu prüfen ist deshalb lediglich, ob er es schuldhaft verursacht habe.
b) Der Beschwerdeführer hatte an seinem Wagen eine Antenne montiert und führte im Kofferraum ein nicht-typengenehmigtes und nicht-konzessionsfähiges Funkgerät mit sich. Dadurch geriet er, wie die Generaldirektion PTT zutreffend ausführt,
BGE 105 IV 78 S. 79
objektiv in den Verdacht, eine Regalverletzung begangen zu haben. Derartige objektive Verdachtsgründe genügen indessen für eine Kostenüberbindung im Sinne von
Art. 95 Abs. 2 VStrR
nicht. Eine solche darf nur stattfinden, wenn der Betreffende die Untersuchung schuldhaft verursacht hat. Das Gesetz verlangt also neben dem objektiven Verdacht ein subjektives Moment: Der Betreffende muss durch schuldhaftes, das heisst verwerfliches, unkorrektes oder zumindest erheblich leichtfertiges Verhalten Anlass zum Verdacht und damit zur Einleitung der Strafuntersuchung gegeben haben. Fehlt es an dieser subjektiven Voraussetzung, dürfen ihm keine Kosten überbunden werden.
Inwiefern dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall ein schuldhaftes Verhalten im Sinne von
Art. 95 Abs. 2 VStrR
zur Last gelegt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Das Anbringen einer Antenne am Auto war ihm nicht verboten, sondern zu den von ihm angegebenen Zwecken erlaubt. Das Mitführen eines nicht-typengenehmigten, mit der Antenne nicht verbundenen und am Bordnetz nicht angeschlossenen Sende- und Empfangsgerätes im Kofferraum kann ihm weder als Unkorrektheit noch als Leichtfertigkeit zur Last gelegt werden, besonders wenn gemäss seinen nicht widerlegten Aussagen angenommen werden muss, er habe das Gerät nur zum Weiterverkauf mit sich geführt. Wohl musste er wissen, dass die ihm erteilte Radio-Sendekonzession der Klasse A 3.2/III ihn nicht berechtigte, das beschlagnahmte Funkgerät zu erstellen, zu betreiben oder zu benützen. Dass er dies je getan habe, ist aber nicht bewiesen. Das blosse Mitführen des Geräts zum Verkauf (zum Beispiel an einen Interessenten, der es im Ausland verwenden will) war ihm nicht verboten.
c) ... Wohl hat der Beschwerdeführer sein Fahrzeug mit einer Einrichtung versehen, die ihm ermöglichte, damit nicht nur eine erlaubte, sondern auch eine in der Schweiz verbotene Funkanlage zu betreiben. Das allein genügt aber noch nicht, um ihm ein verwerfliches oder leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen, zumal nicht bewiesen ist, dass er die ganze Anlage je in verbotener Weise betrieben hat.
Gewiss kann den Organen der PTT kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie im vorliegenden Fall aufgrund objektiver Verdachtmomente ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer anhoben und die fragliche Anlage zu
BGE 105 IV 78 S. 80
Beweiszwecken beschlagnahmten. Dem Beschwerdeführer kann aber anderseits nichts zur Last gelegt werden, was ihm irgendwie zum Verschulden gereichen oder als verwerfliches, unkorrektes oder leichtfertiges Verhalten vorgeworfen werden könnte. Die Voraussetzungen für die Überbindung der Kosten im Sinne von
Art. 95 Abs. 2 VStrR
fehlen deshalb, so dass die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen ist, was zur Folge hat, dass die Kosten der Einstellungsverfügung vom 29. Januar 1979 den PTT-Betrieben aufzuerlegen sind. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8278e4d0-a9e3-4329-81ec-bd5ae2ee600d | Urteilskopf
110 IV 15
8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. März 1984 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 140 Ziff. 2 StGB
. Berufsmässige Vermögensverwaltung.
Wer als verantwortlicher Angestellter die seiner Arbeitgeberfirma (Bank, Treuhandbüro) erteilten Verwaltungsaufträge selbständig besorgt, ist berufsmässiger Vermögensverwalter. | Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 110 IV 15 S. 15
A.-
M. wurde am 23. November 1983 vom Obergericht des Kantons Zürich (I. Strafkammer) wegen fortgesetzter Veruntreuung im Sinne von
Art. 140 Ziff. 1 und 2 StGB
(Deliktsbetrag Fr. 900'000.--), fortgesetzter Unterdrückung von Urkunden im Sinne von
Art. 254 Abs. 1 StGB
und fortgesetzter Urkundenfälschung im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
zu zwei Jahren Gefängnis, abzüglich 23 Tage Untersuchungshaft, verurteilt.
B.-
Gegen dieses Urteil führt M. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei in dem Sinne aufzuheben, dass der Beschwerdeführer von der Anklage der fortgesetzten qualifizierten Veruntreuung gemäss
Art. 140 Ziff. 2 StGB
freigesprochen und dass die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werde zur Bestrafung (wegen der übrigen Anklagepunkte) mit höchstens 18 Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges.
BGE 110 IV 15 S. 16
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Dem angefochtenen Schuldspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
M. war Angestellter der Bank X in Zürich, wo er zur Hauptsache selbständig die Wertschriften der Bankkunden zu verwalten hatte. Auf 1. Januar 1973 wurde er zum Handlungsbevollmächtigten und auf 1. Januar 1979 zum Prokuristen befördert.
Nachdem der Beschwerdeführer schon 1969 und 1970 je einmal einen unerlaubten Verkauf von Kundentiteln getätigt hatte, liess er sich in den Jahren 1971 bis 1979 in insgesamt 37 Fällen Aktien von Kunden der Bank X, die auf Rechnung der Kunden, aber im Namen der Bank X bei einer andern Bank hinterlegt waren, zustellen und verkaufte diese Wertschriften über die Bank Y. Den Erlös von rund Fr. 900'000.-- liess er seinem privaten Konto gutschreiben und verwendete den ganzen Betrag für eigene Bedürfnisse.
Durch dieses Vorgehen hat der Beschwerdeführer unbestrittenermassen Veruntreuungshandlungen begangen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist ein einheitlicher Willensentschluss und daher Fortsetzungszusammenhang anzunehmen.
3.
Das Obergericht hat unter Bezugnahme auf
BGE 106 IV 22
angenommen, der Beschwerdeführer habe als berufsmässiger Vermögensverwalter und zudem als Organ eines bewilligungspflichtigen Geschäftes (Bank) gehandelt, daher komme Ziff. 2 von
Art. 140 StGB
zur Anwendung.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird die Auslegung, welche
Art. 140 Ziff. 2 StGB
im Präjudiz
BGE 106 IV 22
gefunden hat, kritisiert und zudem bestritten, dass der Beschwerdeführer im Sinne dieser Rechtsprechung Organqualität besessen habe oder als berufsmässiger Verwalter von Kundenvermögen unter
Art. 140 Ziff. 2 StGB
falle.
a) In
BGE 106 IV 22
wurde folgende Regel formuliert: "Wer als Angestellter einer Bank für die Verwaltung von Kundenvermögen (mit-)verantwortlich ist, ist daher - entgegen
BGE 69 IV 164
f. - berufsmässiger Vermögensverwalter im Sinne von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
. Wer innerhalb einer Bank eine Tätigkeit verrichtet, deretwegen die Bank der behördlichen Bewilligung bedarf, übt einen durch die Behörde ermächtigten Beruf im Sinne dieser Bestimmung aus (vgl.
BGE 103 IV 18
)." Dieses Urteil wurde kritisiert von SCHULTZ (in ZBJV 1982 S. 19/20) und STRATENWERTH (BT I, 3. Aufl., S. 193).
BGE 110 IV 15 S. 17
b) Wie STRATENWERTH in seiner Abhandlung "Qualifizierte Veruntreuung und Organhaftung" überzeugend darlegte (ZStR 1979/96 S. 90 ff.), ist zu unterscheiden zwischen dem vom Verfasser anerkannten Grundsatz, dass bei Delikten im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person die verantwortlichen Organe belangt werden können, sofern bei ihnen sämtliche Tatbestandsmerkmale gegeben sind, und der Frage, ob ein nur bei der juristischen Person vorhandenes Deliktsmerkmal auf die natürliche Person, die gehandelt hat, zu "übertragen" sei. Die sinngemässe Auslegung des Täterbegriffs und die Prüfung seiner Anwendbarkeit auf den im konkreten Fall Verantwortlichen (vgl.
BGE 100 IV 38
,
BGE 99 IV 110
,
BGE 97 IV 204
,
BGE 78 IV 38
) ist unbestrittenermassen zulässig. Wenn es aber nicht um die Auslegung des Täterbegriffes geht, sondern analog wie in den durch
Art. 172 und
Art. 326 StGB
geregelten Fällen, um die Übertragung eines nur bei der juristischen Person vorhandenen Tätermerkmals auf die handelnde natürliche Person, bei welcher es nicht vorliegt, dann ist - nach der Auffassung STRATENWERTHS, die von SCHULTZ geteilt wird - eine gesetzliche Grundlage unerlässlich; aus
Art. 172 und 326 StGB
dürfe nicht ein allgemein anwendbares Prinzip abgeleitet werden, sondern richtig sei der Umkehrschluss, wonach beim Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Vorschrift objektive Deliktsmerkmale, die nur bei der juristischen Person gegeben sind, nicht auf die handelnde natürliche Person "übertragen" werden dürfen.
c) In den Fällen der
Art. 172 und 326 StGB
geht es um Delikte zu Gunsten der juristischen Person; der als Täter handelnden natürlichen Person werden dort ex lege objektive Deliktsmerkmale (wie insbesondere die Schuldnereigenschaft) "zugerechnet", die nach der Struktur der in Frage stehenden Sachverhalte jeweils nur der juristischen Person zukommen können (vgl.
BGE 97 IV 203
f.).
Im vorliegenden Fall hingegen handelt es sich weder um Verfehlungen im Interesse der juristischen Person noch um ein Tätermerkmal, das nach der Natur der Sache beim effektiv Handelnden nicht vorhanden sein konnte. Während es beispielsweise logisch ausgeschlossen ist, dass derjenige, der vor dem finanziellen Zusammenbruch einer juristischen Person eine der in
Art. 163 StGB
umschriebenen Handlungen begeht, selber die in der Strafnorm vorausgesetzte Schuldnereigenschaft besitzt, ist es eine Frage der Interpretation, ob das Qualifikationsmerkmal berufsmässiger Vermögensverwaltung im Sinne von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
auch dem Angestellten eines Unternehmens zukommt, das sich mit berufsmässiger
BGE 110 IV 15 S. 18
Vermögensverwaltung befasst. Das Organ einer juristischen Person, welche die Schuldnereigenschaft (im Sinne der Art. 163/167, 170, 323/324) hat, ist nicht selber Schuldner und kann auch auf dem Wege der Interpretation nicht zum Schuldner "erklärt" werden. Dass der Angestellte, der im Rahmen der Tätigkeit einer juristischen Person Vermögen Dritter verwaltet, als "berufsmässiger Vermögensverwalter" im Sinne von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
zu gelten habe, ist jedoch weder durch den Gesetzestext noch durch die ratio legis ausgeschlossen.
d) Ob den kritischen Äusserungen zur bisherigen Praxis insoweit zuzustimmen ist, als gefordert wird, die "Übertragung" eines Tatbestandsmerkmals, das nur bei der juristischen Person vorliegt, auf die handelnde natürliche Person setze eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung (analog Art. 172/326 StGB) voraus, kann hier offen bleiben. Denn selbst wenn man - abweichend von der Begründung einzelner Präjudizien (vgl.
BGE 100 IV 41
,
BGE 97 IV 204
) - dieser Auffassung zustimmt, so hat dies im vorliegenden Fall nicht eine Rückkehr zur frühern Praxis (
BGE 69 IV 164
) zur Folge. Die Frage, ob der Angestellte als berufsmässiger Vermögensverwalter qualifiziert werden kann, wenn er sich im Rahmen der juristischen Person als Verwalter anvertrauten Vermögens betätigt, ist damit nicht entschieden; denn dabei geht es nicht um die "Übertragung" eines Tatbestandselementes, das nur bei der juristischen Person vorhanden ist, auf die natürliche Person, sondern ganz einfach um die Auslegung des Täterbegriffs bei der Verwaltung von Fremdvermögen im Rahmen einer juristischen Person (oder allgemeiner: im Rahmen eines grössern Unternehmens).
4.
Die sinngemässe Interpretation des Qualifikationsgrundes hat von den Überlegungen auszugehen, die den Erwägungen in
BGE 106 IV 22
zugrundegelegt wurden: Die Bankkunden, welche den Banken Vermögenswerte zur Verwaltung übergeben, haben ihr Gut nicht einem abstrakten Gebilde, sondern den fachkundigen Leuten des Bankunternehmens anvertraut zur getreuen und berufsmässigen Verwaltung. Für die Bestimmung der strafrechtlichen Verantwortung kann nicht auf die zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertrauensverhältnisses abgestellt werden. Dass der als Verwalter tätige Angestellte nicht selber Vertragspartner des Vermögenseigentümers ist, sondern seine Arbeitgeberfirma, kann in strafrechtlicher Sicht vernünftigerweise keine Auswirkungen haben; dieser Umstand verringert die strafrechtliche Verantwortung der effektiv die Veruntreuung begehenden natürlichen Person
BGE 110 IV 15 S. 19
nicht. Es besteht kein Grund, berufsmässige Vermögensverwaltung nur dann als erschwerenden Umstand zu betrachten, wenn der Geschädigte zivilrechtlich unmittelbar mit dem Täter in Verbindung stand, nicht aber wenn der Täter als Angestellter eines Unternehmens handelte, welches sich mit Vermögensverwaltung befasst. Wäre
Art. 140 Ziff. 2 StGB
im Sinne der gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebrachten Einwände restriktiv zu interpretieren, so würde gerade der Qualifikationsgrund der berufsmässigen Vermögensverwaltung einen grossen Teil seiner praktischen Bedeutung verlieren, weil die berufsmässige Verwaltung fremden Vermögens heute in vielen Fällen nicht durch Einzelpersonen, sondern im Rahmen grösserer Unternehmen (Banken, Treuhandbüros usw.) erfolgt, wobei es letztlich für die hier erörterte Problematik gar nicht darauf ankommt, ob der Vertragspartner des Geschädigten und Arbeitgeber des Täters die Rechtsform einer juristischen Person hat. In allen Fällen, in denen die natürliche Person, welche die berufsmässige Verwaltung des fremden Vermögens besorgt, nicht selber Vertragspartner des Geschädigten, sondern Angestellter des Vertragspartners ist, könnte
Art. 140 Ziff. 2 StGB
- nach den erhobenen kritischen Einwänden - gar nicht mehr zum Zuge kommen. Es besteht jedoch kein sachlicher Grund, die höhere Strafdrohung von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
davon abhängig zu machen, ob der ungetreue berufsmässige Vermögensverwalter als direkter Vertragspartner des Geschädigten handelte oder als verantwortlicher Angestellter eines Unternehmens (Bank, Treuhandbüro, Verwaltungsfirma), das zivilrechtlich die Verwaltung des Vermögens übernommen hat.
5.
Aus den Feststellungen der Vorinstanz und aus dem an sich unbestrittenen Sachverhalt ergibt sich klar, dass der Beschwerdeführer bei der Bank X die Tätigkeit eines berufsmässigen Vermögensverwalters ausübte und die inkriminierten Veruntreuungshandlungen im Rahmen dieser Tätigkeit beging. Die Rüge einer unrichtigen Auslegung von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
erweist sich somit als unbegründet.
Wie der Kreis der unter der strengeren Strafdrohung von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
stehenden Mitarbeiter allenfalls innerhalb der personellen Hierarchie eines solchen (Vermögensverwaltungen besorgenden) Unternehmens zu ziehen ist, braucht hier nicht weiter untersucht zu werden. Der Beschwerdeführer hatte (als Leiter der Wertschriftenabteilung) bei der Verwaltung der anvertrauten Wertschriften von Drittpersonen einen Grad von Selbständigkeit,
BGE 110 IV 15 S. 20
der keine Zweifel darüber offen lässt, dass er unter dem Aspekt von
Art. 140 Ziff. 2 StGB
als berufsmässiger Vermögensverwalter zu qualifizieren ist.
6.
Ob Ziff. 2 von
Art. 140 StGB
auch deswegen anzuwenden wäre, weil das Bankgeschäft ein behördlich bewilligtes Gewerbe ist und die hier in Frage stehenden Veruntreuungen bei der Vermögensverwaltung im Betrieb einer Bank begangen wurden, kann offen bleiben, nachdem der Qualifikationsgrund der berufsmässigen Vermögensverwaltung auf jeden Fall gegeben ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82849ecd-bca5-40e3-95fd-b09c56f79680 | Urteilskopf
140 IV 40
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
1B_175/2013 vom 13. November 2013 | Regeste a
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
; Art. 272 Abs. 1 i.V.m.
Art. 274, 278 und 279 StPO
.
Nachträgliche Anfechtbarkeit von geheimen Telefonüberwachungen durch die betroffene Person (E. 1.1).
Regeste b
Art. 13 und 29 Abs. 2 BV
;
Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
; Art. 3 Abs. 2 lit. c, Art. 5 Abs. 1, Art. 7, 16 Abs. 1 und 2, Art. 107, 197 Abs. 1 lit. c und d, Art. 217, 269 Abs. 1 lit. a und b, Art. 269 Abs. 2 lit. f, Art. 275 Abs. 1 und
Art. 279 Abs. 1 und 3 StPO
; Verwendung von Zufallsfunden, Dauer der Überwachung.
Beschwerdelegitimation (E. 4.1). Verwendungs- und Überwachungsvoraussetzungen von Art. 278 Abs. 2 i.V.m.
Art. 269 StPO
(E. 4.2). Zufallsfunde aus früheren konnexen Überwachungen dritter Personen. Soweit die Verfahrensakten die Prüfung zulassen, ob die Zufallsfunde für die Begründung der streitigen Überwachungsmassnahmen gegen den Betroffenen verwendet werden durften und ob die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Untersuchungsmassnahmen erfüllt waren, besteht kein Anspruch auf Einsicht in die Akten der konnexen Überwachungen (E. 4.3). Gesetzmässige Untersuchungsmassnahmen dürfen grundsätzlich so lange dauern, wie es für die sorgfältige Sachverhaltsabklärung sachlich notwendig erscheint. Zwar besteht kein gesetzlicher Anspruch des geheim überwachten Beschuldigten, unverzüglich an weiteren untersuchten Delikten gehindert zu werden. Bei anhaltender Delinquenz (bzw. Dauerdelikten) haben die Untersuchungs- und Genehmigungsbehörden aber auch dem Rechtsgüterschutz und dem Grundsatz der gleichmässigen Durchsetzung des Strafrechts Rechnung zu tragen (E. 4.4). | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 140 IV 40 S. 41
A.
Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich führt Strafuntersuchungen gegen X. und weitere Personen wegen qualifizierten
BGE 140 IV 40 S. 42
Drogendelikten. Mit Verfügung vom 26. Januar 2011 genehmigte das Zwangsmassnahmengericht am Obergericht des Kantons Zürich die Verwendung der aus einer geheimen Überwachung anderer Personen hervorgegangenen Zufallsfunde im Verfahren gegen den Beschuldigten sowie die Überwachung eines von ihm benutzten Mobiltelefonanschlusses (bis zum 25. März 2011). Mit weiteren Verfügungen vom 17. Februar, 19. April bzw. 23. Mai 2011 genehmigte das Zwangsmassnahmengericht (im Strafverfahren gegen den Beschuldigten) die Überwachung von drei weiteren Mobiltelefonanschlüssen (bis zum 25. März bzw. 25. Juni 2011) sowie eines Festnetzanschlusses (bis zum 25. März 2011). Am 21. Dezember 2012 teilte die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten die ihn betreffenden geheimen Überwachungsmassnahmen mit.
B.
Eine vom Beschuldigten gegen die Genehmigungsverfügungen vom 26. Januar, 17. Februar, 19. April und 23. Mai 2011 erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, mit Beschluss vom 26. März 2013 ab.
C.
Gegen den Beschluss des Obergerichtes gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde (...) an das Bundesgericht. (...) Dieses weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Bei Genehmigungsentscheiden betreffend Telefonüberwachungen, welche vom Betroffenen nachträglich angefochten werden (Art. 272 Abs. 1 i.V.m.
Art. 274 und
Art. 279 StPO
), und bei konnexen Entscheiden über die Verwertbarkeit von Zufallsfunden (
Art. 278 StPO
) handelt es sich grundsätzlich um Zwangsmassnahmen- und Zwischenentscheide mit nicht wieder gutzumachendem Nachteil im Sinne von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
. Nach Eintritt der Rechtskraft dieser im StPO-Beschwerdeverfahren zu prüfenden Entscheide können die betreffenden Fragen vor dem Sachrichter nicht nochmals aufgeworfen werden (vgl. AEMISEGGER/FORSTER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 29 zu
Art. 79 BGG
; THOMAS HANSJAKOB, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 28-30 zu
Art. 279 StPO
; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 279StPO;
ders.
, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts,
BGE 140 IV 40 S. 43
2. Aufl. 2013, Rz. 1164; s. auch Urteil des Bundesgerichtes 1B_425/2010 vom 22. Juni 2011 E. 1.1-1.3).
(...)
4.
4.1
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, frühere Überwachungen, die gar nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen andere Personen angeordnet worden waren, seien möglicherweise rechtswidrig gewesen, kann auf die Vorbringen mangels Beschwerdelegitimation nicht eingetreten werden (
Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
i.V.m.
Art. 279 Abs. 3 StPO
). Ein eigenes Rechtsschutzinteresse liegt hingegen vor, soweit er (sinngemäss) geltend macht, die gegen ihn angeordneten Überwachungen (von eigenen oder mitbenutzten Telefonanschlüssen) basierten auf einer unzulässigen Verwendung von ihn belastenden Zufallsfunden oder seien in anderer Weise bundesrechtswidrig.
4.2
Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend erwogen wird, macht das Gesetz die Zulässigkeit von Überwachungsmassnahmen nicht von der Frage abhängig, ob frühere konnexe Massnahmen gegen andere Personen rechtmässig angeordnet worden waren oder nicht. Zu prüfen ist, ob eine zulässige Verwendung von Zufallsfunden vorliegt und die gesetzlichen Voraussetzungen der konkreten Überwachungsmassnahmen erfüllt sind. Massgeblich ist dabei die tatsächliche Situation im Zeitpunkt der Anordnung der Massnahmen (vgl. HANSJAKOB, a.a.O., N. 28 zu
Art. 279 StPO
).
4.2.1
Gemäss
Art. 278 Abs. 2 StPO
können neu erlangte Erkenntnisse über Personen, die in der früheren Überwachungsanordnung noch keiner strafbaren Handlung beschuldigt worden waren, für weitere Untersuchungsmassnahmen verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für eine Überwachung dieser Personen erfüllt sind. Die Überwachung gestützt auf entsprechende Zufallsfunde bedarf einer erneuten Genehmigung durch das Zwangsmassnahmengericht (Art. 278 Abs. 3 i.V.m.
Art. 274 StPO
).
4.2.2
Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass sich aus den Zufallsfunden der Überwachung anderer Personen auch Verdachtsgründe gegen den Beschwerdeführer (alias "Y.") ergeben hätten. Die betreffenden Untersuchungsergebnisse durften die kantonalen Instanzen bei der Prüfung des dringenden Tatverdachtes (Art. 269 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 StPO) heranziehen. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er sich bis zum 21. Februar 2013 in
BGE 140 IV 40 S. 44
Untersuchungshaft befunden habe. Am Tag, als die letzte Überwachung gegen ihn aufgehoben worden sei, nämlich am 20. Juni 2011, habe die Staatsanwaltschaft Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft gestellt. Der "über die gesamte Untersuchung gleichbleibend vorgebrachte" Vorwurf gehe dahin, dass er "mit mehreren Lieferanten und Beschuldigten einen intensiven Handel im hohen Mengen- d.h. Mehrkilobereich ('Drogenhandel im grossen Stil') betrieben" habe. In quantitativer Hinsicht sei ihm gestützt auf Vorgänge vom Februar/März 2011 zunächst ein "Betäubungsmittelhandel von über einem Kilo Kokain" vorgeworfen worden. Die Vorwürfe hätten sich unterdessen (aufgrund der Überwachungen bis zum 20. Juni 2011) gesteigert auf "Kauf von 4,6 Kilogramm Kokaingemisch" und "Verkauf/Abgabe von 2,5 Kilogramm".
4.2.3
Unbestrittenermassen wurde der dringende Tatverdacht qualifizierter Drogendelikte insbesondere vom kantonalen Haftrichter rechtskräftig bestätigt. Wie der Beschwerdeführer einräumt, hat die Staatsanwaltschaft den analogen Tatvorwurf schon im Zeitpunkt der ersten Überwachungsmassnahmen erhoben. Die untersuchten Delikte fallen unter den Deliktskatalog von
Art. 269 Abs. 2 lit. f StPO
, und die Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tatbeteiligung rechtfertigt die streitigen Überwachungen (
Art. 269 Abs. 1 lit. b StPO
). Dass auch die übrigen gesetzlichen Überwachungsvoraussetzungen (
Art. 269 Abs. 1 lit. c StPO
) erfüllt sind, wird vom Beschwerdeführer nicht substanziiert bestritten (vgl.
Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG
). Eine Verletzung der StPO bzw. des Grundrechts auf Privatsphäre (
Art. 13 BV
) ist damit nicht dargetan.
4.3
In diesem Zusammenhang ist auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (
Art. 3 Abs. 2 lit. c und
Art. 107 StPO
,
Art. 29 Abs. 2 BV
) ersichtlich. Die vorliegenden Akten lassen die Prüfung zu, ob Zufallsfunde aus einer konnexen Überwachung für die Begründung von Überwachungsmassnahmen gegen den Beschwerdeführer herangezogen werden durften und ob die gesetzlichen Voraussetzungen dieser Untersuchungsmassnahmen, soweit substanziiert bestritten, erfüllt waren. Dass die Vorinstanz aufgrund seiner Vorbringen im kantonalen Beschwerdeverfahren erwägt, der Beschwerdeführer habe das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes (gemäss Art. 269 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 StPO) nicht bestritten, verletzt die richterliche Begründungspflicht nicht. Entgegen seiner Ansicht hat sich die Vorinstanz auch ausreichend mit seiner Argumentation befasst,
BGE 140 IV 40 S. 45
er habe Anspruch auf Einsicht in die Akten der ihn nicht persönlich betreffenden konnexen Genehmigungsverfahren.
4.4
Weiter beanstandet der Beschwerdeführer, die geheime Überwachung habe insgesamt fünf Monate und damit zu lange gedauert. Zwischen dem Beginn und dem Abschluss der Überwachungen hätten die Vorwürfe des Drogenhandels in quantitativer Hinsicht zugenommen. "Spätestens im Februar/März 2011" habe aufgrund von Verdachtsmomenten "hinreichend Grund für eine Festnahme bestanden". Durch eine solche hätte "der Handel mit einer substanziellen Menge an Betäubungsmitteln verhindert werden können". Stattdessen habe die Überwachung bis zum 20. Juni 2011 gedauert und sei er, der Beschwerdeführer, erst an diesem Tag verhaftet und anschliessend in Untersuchungshaft versetzt worden. Es sei unzulässig, dass ein Strafverfahren wegen Drogendelikten "einzig durch das Nichteingreifen" der Strafbehörden an "quantitativer Bedeutung" gewinne. Dies bedeute, dass es der Strafverfolgungsbehörde überlassen würde, die Schwere des Falles "massgeblich selbst zu bestimmen". Das Vorgehen der Staatsanwaltschaft verletze (neben dem Grundsatz des "fair trial", der strafprozessualen Unschuldsvermutung und dem Rechtsgleichheitsgebot) insbesondere
Art. 7, 217 sowie 275 StPO
und tangiere auch den strafrechtlichen Rechtsgüterschutz.
4.4.1
Gemäss
Art. 275 Abs. 1 StPO
beendet die Staatsanwaltschaft die Überwachung unverzüglich, wenn die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (lit. a) oder die Genehmigung oder die Verlängerung verweigert wird (lit. b). Die Staatsanwaltschaft teilt dem Zwangsmassnahmengericht im Fall von
Art. 275 Abs. 1 lit. a StPO
die Beendigung der Überwachung mit (
Art. 275 Abs. 2 StPO
).
4.4.2
Soweit gesetzmässige Untersuchungsmassnahmen vorliegen, die auch dem Verhältnismässigkeitsprinzip (
Art. 197 Abs. 1 lit. c-d StPO
) und dem Beschleunigungsgebot in Strafsachen (
Art. 5 Abs. 1 StPO
) ausreichend Rechnung tragen, hat der Beschuldigte grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass die Staatsanwaltschaft untersuchte Straftaten unverzüglich, etwa durch Festnahme von Verdächtigen, unterbindet (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 6P.117/2003 vom 3. März 2004 E. 5.3) bzw. geheime Überwachungsmassnahmen (allenfalls vor Ablauf der richterlich genehmigten Dauer) möglichst rasch abbricht und die überwachte Person sofort darüber informiert. Ein Anspruch des Beschuldigten, unverzüglich an weiteren Delikten gehindert zu werden, ergibt sich insbesondere nicht aus dem
BGE 140 IV 40 S. 46
strafprozessualen Verfolgungszwang (
Art. 7 StPO
). Ebenso wenig besteht ein Vorrang der polizeilichen Festnahme (
Art. 217 StPO
) gegenüber anderen gesetzlichen Zwangs- und Untersuchungsmassnahmen. Die Wahl der sachlich gebotenen Untersuchungsführung liegt im pflichtgemässen Ermessen der Staatsanwaltschaft (vgl. Art. 16 Abs. 2 i.V.m.
Art. 6 Abs. 1,
Art. 139 Abs. 1 und
Art. 308 Abs. 1 StPO
). Gesetzmässige Untersuchungsmassnahmen dürfen (unter den Bedingungen von
Art. 275 Abs. 1 StPO
) grundsätzlich so lange dauern, wie es für die sorgfältige Sachverhaltsabklärung sachlich notwendig erscheint. Bei anhaltender Delinquenz (bzw. Dauerdelikten) haben die Untersuchungs- und Genehmigungsbehörden allerdings auch dem Rechtsgüterschutz und dem Grundsatz der gleichmässigen Durchsetzung des Strafrechts Rechnung zu tragen (vgl. Art. 16 Abs. 1 i.V.m.
Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO
).
4.4.3
Im vorliegenden Fall einer komplexen Untersuchung gegen verschiedenen Beteiligte in einem schwer wiegenden Fall von Drogendelinquenz sind keine Anzeichen erkennbar (und werden auch vom Beschwerdeführer nicht dargelegt), dass die kantonalen Strafbehörden die geheimen Überwachungen und deren Auswertung unnötig und übermässig lange hinausgezögert hätten, um Delinquenzvorwürfe "künstlich" auszuweiten oder die Verteidigungsrechte zu schmälern. Unbestrittenermassen wurden die Massnahmen gegen den Beschwerdeführer am 26. Januar, 17. Februar, 19. April bzw. 23. Mai 2011 bis zum 25. März bzw. 25. Juni 2011 verfügt und ihm am 21. Dezember 2012 (noch vor Abschluss des Vorverfahrens) mitgeteilt (vgl.
Art. 279 Abs. 1 StPO
). Nach der nachvollziehbaren Darlegung der kantonalen Instanzen dienten die Untersuchungsmassnahmen und deren Auswertung der Ermittlung der Tatbeteiligten, des Tatvorgehens und der gehandelten Drogenmengen. Nach der Aufhebung der letzten Überwachung, die laut Beschwerdeschrift am 20. Juni 2011 erfolgte, bestand weder ein begründeter Anlass noch ein gesetzlicher Grund für eine sofortige Information des Beschuldigten über die geheimen Erhebungen. Der Zeitbedarf für die anschliessende Auswertung der Untersuchungsergebnisse hat hier auch nicht zu einer "unnötigen" Weiterdauer der Delinquenz führen können, da der Beschwerdeführer sich (nach eigener Darstellung) zwischen dem Abschluss der Überwachungen und deren Bekanntgabe (am 21. Dezember 2012) in Untersuchungshaft befand.
4.4.4
Eine Verletzung von
Art. 275 StPO
ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer macht im Übrigen nicht geltend, dass die
BGE 140 IV 40 S. 47
richterlich genehmigten Überwachungsfristen (
Art. 274 Abs. 5 StPO
) oder die Bestimmungen über einen allfälligen Aufschub der Mitteilung (
Art. 279 Abs. 1-2 StPO
) missachtet worden wären.
4.4.5
Die weiteren vom Beschwerdeführer angerufenen Normen und Grundrechte haben im vorliegenden Zusammenhang keine über das bereits Dargelegte hinausgehende selbstständige Bedeutung. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82861c75-0629-454f-a043-2abedc4c0af2 | Urteilskopf
117 II 151
32. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1991 i.S. Meier (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Einsicht in das Grundbuch (
Art. 970 ZGB
).
Das wissenschaftliche Interesse eines Familienforschers (Genealogen) berechtigt grundsätzlich zur Einsicht in Einträge und Belege, die nicht nur die eigene Familie betreffen. | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 117 II 151 S. 151
Victor G. Meier, Doktor der Philosophie und Gymnasiallehrer, ist Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung und der Genealogisch-Heraldischen Gesellschaft der Regio Basilensis. Seit über zwanzig Jahren forscht er auf diesen Gebieten.
Mit Schreiben vom 18. Juli 1987 gelangte Victor G. Meier an das Grundbuchamt Baden mit dem Ersuchen, ihm Einsicht zu gewähren in die Grundbucheinträge betreffend die Liegenschaft Oberdorfstrasse 15a und 15b in Unterehrendingen ("Wiederkehr-Haus"), in der einst seine Gross- und seine Urgrosseltern gelebt hätten. Er erneuerte das Gesuch mit Schreiben vom 15. Februar 1988, wobei er es auf die Liegenschaft seiner Eltern an der Bäckerstrasse 3 in Wettingen ausdehnte. Beide Male wies Victor G. Meier
BGE 117 II 151 S. 152
darauf hin, dass er sich im Rahmen seiner Familienforschung für die Grundbucheinträge interessiere.
In einer an Victor G. Meier gerichteten Verfügung vom 18. Februar 1988 hielt der Grundbuchverwalter des Bezirks Baden fest, dass er die Einsicht in das Grundbuch insoweit gewährt habe, als es um Einträge und Handänderungsverträge gegangen sei, die Verwandte betroffen hätten; Kopien von Verträgen, an denen Dritte beteiligt gewesen seien, würden jedoch nur ausgehändigt, wenn deren Einwilligung beigebracht werde. Der Grundbuchverwalter wies darauf hin, dass gegen seine Verfügung innert 30 Tagen beim Departement des Innern des Kantons Aargau Beschwerde geführt werden könne.
Am 14. Juli 1988 wies das Departement des Innern des Kantons Aargau eine von Victor G. Meier gegen die Verfügung des Grundbuchamtes Baden eingereichte Beschwerde ab, und das kantonale Verwaltungsgericht (1. Kammer) wies am 2. April 1990 die gegen die Verfügung des Departements gerichtete Beschwerde ebenfalls ab.
Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid hat Victor G. Meier Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es seien ihm sämtliche Belege, die zu den Grundbuchblättern Wettingen Nr. 2424 sowie Unterehrendingen Nrn. 125 und 371 gehörten, in fotokopierter Form zur Verfügung zu stellen; neun Belege führt er unter Angabe von Nummer und Datum einzeln an.
Das Departement des Innern und das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau haben auf Vernehmlassung verzichtet, und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Bundesamt für Justiz) beantragt Gutheissung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Grundbuch ist öffentlich (
Art. 970 Abs. 1 ZGB
). Gemäss
Art. 970 Abs. 2 ZGB
kann allerdings nur derjenige, der ein Interesse glaubhaft macht, verlangen, dass ihm näher zu bezeichnende Blätter samt den zugehörigen Belegen in Gegenwart eines Grundbuchbeamten vorgewiesen, oder dass ihm Auszüge aus solchen ausgefertigt werden. Das im Gesetz erwähnte Interesse braucht nicht rechtlicher Natur zu sein; ein tatsächliches, beispielsweise wirtschaftliches oder wissenschaftliches, Interesse reicht aus; blosse Neugierde genügt dagegen nicht. Es muss sich sodann um
BGE 117 II 151 S. 153
ein einschlägiges Interesse handeln, d.h. es muss mit der Zweckbestimmung des Grundbuchs als Mittel zur Bekanntmachung der dinglichen Rechte an Grundstücken in Zusammenhang stehen (
BGE 112 II 426
E. b;
BGE 111 II 50
E. 2;
BGE 109 II 209
E. 3, mit Hinweisen). Die Einsicht ist schliesslich nur in dem Umfang zu gewähren, als es zur Befriedigung des geltend gemachten Interesses notwendig ist (DESCHENAUX, Das Grundbuch, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/3/1, S. 169).
2.
a) Das Verwaltungsgericht erklärt im angefochtenen Urteil, dass eine wissenschaftliche Tätigkeit als solche nicht in jedem Fall zu einer unbeschränkten Einsicht in das Grundbuch berechtige. Es führt sodann aus, dass der Beschwerdeführer in keiner der an den Grundbuchverwalter oder an das kantonale Departement des Innern gerichteten Eingaben etwas vorgebracht habe, was auf ein wissenschaftliches Interesse an einer Einsicht auch in Belege, die mit seinen Verwandten nichts zu tun hätten, schliessen lassen würde. Unter Hinweis darauf, dass das Interesse an der Einsichtnahme mit der Publizitätsfunktion des Grundbuchs in Zusammenhang stehen müsse, vertritt die Vorinstanz die Ansicht, dass bezüglich der Belege besondere Zurückhaltung geboten sei; das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Interesse könne deshalb ohnehin nur insofern als hinreichend erachtet werden, als aus den von ihm genannten Belegen der genaue Inhalt von dinglichen oder vorgemerkten persönlichen Rechten ermittelt werden soll; es gehe nicht an, ihn von Vertragsbestimmungen schuldrechtlicher Natur Kenntnis nehmen zu lassen, die ja nur unter den Parteien Wirkungen hätten.
b) Im Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht hatte der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, es gehe ihm bei der verlangten Einsichtnahme in das Grundbuch auch um die Erforschung der Geschichte der Häuser und damit um Details (Steuerschatzungen, besondere Dienstbarkeiten), die in einer Familie über Generationen hinweg Gesprächsthema hätten sein können und familiengeschichtlich deshalb hoch interessant seien. Diesen und weiteren ähnlichen Vorbringen hat die Vorinstanz entgegengehalten, sie vermöchten kein hinreichendes Interesse darzutun, liessen sie doch keinen fassbaren Zusammenhang mit Genealogie oder Familienforschung erkennen; würde man anders entscheiden, könnte der Beschwerdeführer als nächstes auch die Einsicht in die Grundbuchblätter der Nachbarliegenschaften und in alle entsprechenden Belege verlangen, zumal sich
BGE 117 II 151 S. 154
wohl auch dort Hinweise auf die Nachbarschaftsverhältnisse oder auf Themen fänden, die am Familientisch diskutiert worden seien. Das Verwaltungsgericht hat zudem dafür gehalten, dass die vom Beschwerdeführer gesuchten Informationen mit der Publizitätsfunktion des Grundbuchs nichts zu tun hätten; es sei nicht Zweck des Grundbuchs, späteren Eigentümern die Erforschung zusätzlicher persönlicher Daten ihrer Rechtsvorgänger zu ermöglichen.
c) Aufgrund ihrer Betrachtungsweise hatte die Vorinstanz keinen Anlass zu erörtern, ob und inwiefern Interessen Dritter einer Einsichtnahme in gewisse Belege entgegenstehen könnten.
3.
a) Soweit ersichtlich hat sich das Bundesgericht erstmals konkret mit einem Fall zu befassen, in dem ein Gesuch um Einsicht in das Grundbuch (ausschliesslich) mit einem wissenschaftlichen Interesse begründet wird. Bei der hier in Frage stehenden Genealogie, der sogenannten Geschlechterkunde, handelt es sich um die "Lehre von der Herkunft und den (direkten und z.T. auch indirekten) Verwandtschaftsverhältnissen bestimmter Personen, Familien, Familiengruppen, Sippen oder Geschlechter" (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. A., Mannheim 1974, Band 10). Sie ist nach Inhalt und Arbeitsweise eine geschichtliche Hilfswissenschaft, die auch die rechtlichen, gesellschaftskundlichen und lebensgesetzlichen Beziehungen erfasst, welche sich aus den Abstammungsverhältnissen der Familien ergeben (vgl. Der Grosse Brockhaus, 18. A., IV. Band).
b) Wie aus der im angefochtenen Entscheid wiedergegebenen Definition geschlossen werden muss, ist das Verwaltungsgericht von einem zu engen Begriff der Genealogie ausgegangen. Die kantonale Instanz hat nicht berücksichtigt, dass diese Wissenschaft nach den angeführten Wörterbüchern nicht nur die Familienforschung im Sinne einer Erkundung der Abstammung zum Gegenstand hat, sondern auch in gewissen sozialhistorischen Untersuchungen bestehen kann. Bei der Beurteilung des Gesuchs hat die Vorinstanz dem Umstand, dass der Beschwerdeführer wissenschaftliche Interessen geltend macht, ohnehin kaum Rechnung getragen. Sie hat insbesondere verkannt, dass Interessen dieser Art die Gewährung der Einsicht in das Grundbuch grundsätzlich auch dann zu rechtfertigen vermögen, wenn sie sich nicht auf die eigene Familie beschränken.
Dass das Grundbuch und die dazugehörenden Belege von vornherein nicht geeignet wären, dem Beschwerdeführer die ihn
BGE 117 II 151 S. 155
interessierenden Angaben zu vermitteln, sagt die kantonale Instanz mit Recht nicht. Es ist in der Tat davon auszugehen, dass Handänderungs- oder Dienstbarkeitsverträge durchaus Aufschluss geben können etwa über soziale oder wirtschaftliche Verhältnisse eines Bevölkerungskreises oder einer Landesgegend. Dem vorinstanzlichen Entscheid lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer - allenfalls mit einem zumutbaren Mehraufwand - anderweitig zu den einschlägigen Informationen gelangen könnte (vgl. HAUSHEER, Öffentlichkeit des Grundbuches, in: ZBGR 69/1988, S. 11) oder dass an der Ernsthaftigkeit seiner Forschungsarbeiten zu zweifeln wäre. Unter den genannten Umständen geht es jedoch nicht an, dem Beschwerdeführer die Einsicht mangels hinreichenden Interesses zu verweigern mit der Begründung, er würde Einblick erhalten in Verhältnisse von Personen, die nicht seiner Familie angehörten. Dass der gewünschten Einsichtnahme tatsächlich die Intimsphäre Dritter entgegenstehen könnte, ist ein Umstand, der im Sinne einer Abwägung den Interessen des Beschwerdeführers gegenüberzustellen ist.
4.
Von den neun Grundbuch-Belegen, die der Beschwerdeführer einzusehen wünscht, gehen sechs auf die Jahre 1923 bis 1929, die andern drei auf die Jahre 1936 und 1938 zurück. Selbst die jüngsten dieser Schriftstücke stammen somit aus einer Zeit, die mehr als fünfzig Jahre, mit andern Worten rund zwei Generationen, zurückliegt. Wenn das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement darauf hinweist, dass die Akten des Bundesarchivs grundsätzlich nach einer Sperrfrist von 35 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich sind, so trifft das wohl zu (Art. 7 Abs. 1 des Reglements für das Bundesarchiv; SR 432.11), doch lässt sich die dort geschützte Sphäre nicht ohne weiteres mit den hier in Frage stehenden Interessen der betroffenen Dritten vergleichen. Es ist jedoch gleichwohl nicht ersichtlich, inwiefern Grundbuch-Belege persönliche Daten enthalten könnten, deren Schutz - ungeachtet der Frage, ob die Betroffenen zur Familie des Beschwerdeführers zählen oder nicht - auch nach fünfzig Jahren noch höher einzustufen wäre als das geltend gemachte Forschungsinteresse. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben, und das Grundbuchamt ist anzuweisen, dem Beschwerdeführer die verlangte Einsicht zu gewähren.
BGE 117 II 151 S. 156
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts (1. Kammer) des Kantons Aargau vom 2. April 1990 aufgehoben; das Grundbuchamt des Bezirks Baden wird angewiesen, dem Beschwerdeführer Einsicht zu gewähren in sämtliche Belege, die zu den Grundbuch-Blättern Wettingen Nr. 2424 sowie Unterehrendingen Nrn. 125 und 371 gehören, bzw. ihm diese Belege zur Verfügung zu halten.
... | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
828a3a8a-b8c1-4509-998b-b9a97e5eae4a | Urteilskopf
114 II 57
11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. April 1988 i.S. H. gegen K. und UTH (Klage) | Regeste
Aktienrecht. "Spaltungstheorie"; Stimmrecht des Buchaktionärs.
1. Durch die "Aktienspaltung" fallen Macht und Risiko bei der Aktiengesellschaft auseinander. Keine der in der Lehre entwickelten Theorien vermag diese an sich unerwünschte Folge überzeugend zu beseitigen. Gesellschaftsrechtlich lässt sich der Ausschluss des reinen Buchaktionärs vom Stimmrecht an der Generalversammlung nicht begründen (E. 5).
2. Der Buchaktionär hat sich vorliegend nicht ausdrücklich vertraglich verpflichtet, sein Stimmrecht in Zukunft nicht mehr auszuüben, und auch die Auslegung der Erwerbsgeschäfte ergibt keine Pflicht zur Stimmabstinenz (E. 6).
3. Ein solcher Ausschluss besteht auch nicht bei bestimmten Geschäften, für welche das Gesetz eine Privilegierung von Stimmrechtsaktien ausschliesst oder qualifizierte Mehrheiten verlangt (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 114 II 57 S. 58
A.-
Gemäss Art. 5 der Statuten der Usego-Trimerco Holding AG (UTH) bedarf die Übertragung von Namenaktien zu Eigentum oder Nutzniessung sowie der Erwerb neuer Namenaktien der Genehmigung durch den Verwaltungsrat. Dieser kann die Genehmigung und die Eintragung in das Aktienbuch aus wichtigen Gründen verweigern oder von der Erfüllung von Bedingungen abhängig machen. In keinem Fall darf ein Aktionär mehr als 2,5% aller Namenaktien besitzen.
Anfangs Juli 1986 erwarb H. über die Nordfinanz-Bank Zürich 184 Namenaktien der UTH, für welche K. als Buchaktionär eingetragen ist. Der Verwaltungsrat der UTH lehnte im August 1986 die Eintragung des H. in das Aktienbuch ab.
B.-
Gestützt auf einen Prorogationsvertrag erhob H. am 11. September 1986 beim Schweizerischen Bundesgericht Klage gegen K., den Buchaktionär der im Juli gekauften 184 Namenaktien, mit folgendem Rechtsbegehren:
"Dem Beklagten sei unter Androhung von
Art. 292 StGB
zu verbieten, mit den vom Kläger erworbenen 184 Namenaktien (Aktien-Nummern 232 936 - 232 995, 276 891 - 276 990, 44 987 - 45 010) der USEGO-Trimerco Holding AG an Generalversammlungen dieser Gesellschaft sein Stimmrecht bei Beschlüssen und Wahlen auszuüben, wenn das Gesetz eine Privilegierung von Stimmrechtsaktien ausschliesst (
Art. 693 Abs. 3 OR
) oder wo es eine Mehrheit bzw. eine qualifizierte Mehrheit des Grundkapitals vorsieht (
Art. 636, 648, 650 Abs. 2 OR
).
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zu Lasten des Beklagten."
Zur Begründung machte der Kläger geltend, er habe einen aktien- und vertragsrechtlichen Anspruch darauf, dem Beklagten als Buchaktionär die Ausübung des Stimmrechtes in der im Rechtsbegehren bezeichneten Hinsicht zu untersagen.
BGE 114 II 57 S. 59
K. schloss in seiner Antwort vom 5. November 1986 auf kostenfällige Abweisung der Klage. Mit Bewilligung des Instruktionsrichters trat die UTH auf seiten des Beklagten als Intervenientin dem Verfahren bei.
Das Bundesgericht weist die Klage ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
a) In
BGE 83 II 297
hat das Bundesgericht die als "Spaltungstheorie" bezeichnete Auffassung begründet, dass die Nichtzustimmung der Gesellschaft zur Übertragung vinkulierter Namenaktien nur von gesellschaftsinterner Bedeutung sei und lediglich den Übergang der Mitgliedschaftsrechte, verstanden als Mitverwaltungsrechte, ausschliesse. Dagegen gingen die Vermögensrechte auf den Erwerber über, welchem auch das Eigentum am Aktientitel zustehe, damit er diese Vermögensrechte gestützt auf die Urkunde geltend machen könne. Dies sei mit dem Vinkulierungsgedanken zu vereinbaren, da eine unerwünschte Einmischung in die Willensbildung der Gesellschaft beim Übergang bloss der Vermögensrechte nicht zu befürchten sei. Auf Kritik hin hat das Bundesgericht seine Auffassung in dem Sinne verdeutlicht, dass unter den Vermögensrechten einzig Forderungen im gewöhnlichen obligationenrechtlichen Sinne zu verstehen seien, etwa der Anspruch auf Auszahlung der von der Generalversammlung beschlossenen Dividende oder des Liquidationsanteils, der sich aufgrund der genehmigten Schlussabrechnung und des gestützt darauf erstellten Verteilplanes ergebe. Nur derartige Forderungen könnten einen vom Aktionär verschiedenen Träger und ein selbständiges rechtliches Schicksal haben, nicht dagegen die ihnen zugrunde liegenden mitgliedschaftsrechtlichen Vermögensrechte, wie etwa der Anspruch auf jährliche Verteilung des erzielten Reingewinns. Die mitgliedschaftlichen Vermögensrechte blieben mit den übrigen Aktionärsrechten beim Veräusserer der Aktie, da das Aktienrecht unteilbar sei. Zwischen den mitgliedschaftlichen Vermögensrechten und den aus ihnen fliessenden Forderungen im obligationenrechtlichen Sinn sei daher klar zu unterscheiden (
BGE 90 II 239
E. 2a und b mit Hinweisen;
BGE 109 II 137
E. 3a). Die sogenannte Spaltungstheorie ist damit eingeengt und im Ergebnis nur noch wertpapierrechtlich, d.h. in der Loslösung der Mitverwaltungsrechte vom Aktientitel anerkannt worden, nicht aber aktienrechtlich durch ein mögliches Auseinanderfallen von
BGE 114 II 57 S. 60
Mitverwaltungs- und Vermögensrechten. In der Literatur ist dafür der Begriff der "kleinen Spaltung" geprägt worden (NOBEL, Aktienrechtliche Entscheide, S. 172).
b) Nach herrschender Auffassung verbleiben bei fehlender Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung vinkulierter Namenaktien die Mitgliedschaftsrechte, darunter auch die Mitverwaltungsrechte, beim Veräusserer. Dies führt bei Abtretung der vermögensrechtlichen Forderungen zu einem an sich unerwünschten Auseinanderfallen von Macht und Risiko, zu einer bloss formalen, im Regelfalle durch kein gesellschaftsrechtliches Interesse gestützten Mitgliedschaft des Veräusserers (statt vieler MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, Wertpapierrecht, S. 119 ff. insbesondere Rz. 229 und 242). Es sind in der Literatur verschiedene Theorien entwickelt worden, die das aufgezeigte Ergebnis gestützt auf Aktienrecht zu vermeiden suchen.
aa) Nach der von BÜRGI begründeten Suspensionstheorie soll der Gesellschaft das Recht zustehen, den Buchaktionär, welcher seine vinkulierten Namenaktien veräussert und den Erwerber ermächtigt hat, sich um die Eintragung im Aktienbuch zu bewerben, von der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte zu suspendieren, da sie deren Ausübung ohne eigenes Interesse des Aktionärs nicht zu dulden habe (Überlegungen zum Verkauf vinkulierter Namenaktien, in: Vom Kauf nach schweiz. Recht, Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Theo Guhl, S. 199 ff., 213). Sich damit im vorliegenden Verfahren auseinanderzusetzen erübrigt sich, da die UTH entsprechende Massnahmen gegen den Beklagten nicht ergriffen hat.
bb) JÄGGI (N. 153 zu
Art. 967 OR
) erblickt in der Veräusserung vinkulierter Namenaktien generell ein Dreiparteiengeschäft im Sinne von
Art. 967 Abs. 3 OR
. Der Veräusserer verzichte mit der unbedingten Hingabe seiner Titel auf seine Rechtsstellung, ein Vorgang, den der Autor mit der sachenrechtlichen Dereliktion vergleicht, allerdings mit der Einschränkung, dass der Erwerber mangels Zustimmung nicht in der Lage ist, die aufgegebenen Rechte zu erwerben. Dies führt dazu, dass die Mitgliedschaftsrechte zumindest vorübergehend nicht mehr besetzt sind, die Aktie somit zu einem bloss vermögenswerten Objekt des Rechtsverkehres wird, unter Ausschluss aller Mitgliedschaftsrechte gehandelt werden kann und damit gesellschaftsrechtlich funktionslos wird (JÄGGI, Zur "Spaltung" der Aktienrechte, SAG 33/1960 S. 65 ff.). Dabei soll unerheblich sein, ob es sich bei der fraglichen Aktie um
BGE 114 II 57 S. 61
ein Namen- oder ein Ordrepapier handelt (derselbe, ZSR NF 77/1958 S. 525 ff., 528).
Die Auffassung ist abzulehnen. Sie widerspricht einmal dem Prinzip der konstanten Zahl der Mitgliedschaftsstellen, wonach ohne Änderung der Grundkapitalziffer ein Austritt oder Ausschluss nicht möglich ist (VON GREYERZ, Schweizerisches Privatrecht VIII/2 S. 134). Dies wiederum bedeutet, dass diejenigen Mitgliedschaftsrechte, die nicht nur im Interesse des Aktionärs bestehen, sondern zugleich die körperschaftliche Struktur der Aktiengesellschaft gewährleisten und über die der einzelne Aktionär deshalb nicht frei verfügen kann, unverzichtbar sind, darunter auch das Stimmrecht (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ, Einführung in das Schweizerische Aktienrecht, 2. Auflage, S. 238 Rz. 14 f.). Wohl besteht kein Stimmzwang des Aktionärs, doch ist nach dem Gesagten ein gesonderter Verzicht lediglich auf die Ausübung des Stimmrechtes, nicht aber auf das Recht als solches zulässig. Überdies widerspricht die Auffassung JÄGGIS auch wertpapierrechtlichen Grundsätzen. Überzeugend weist NEUMAYER (Betrachtungen zur Übertragung vinkulierter Namenaktien, Mélanges Guy Flattet, S. 333 ff., 342) darauf hin, dass die wertpapierrechtliche Funktion der Aktie für den Rechtsverkehr gerade darin besteht, die in ihr verbrieften Rechte dergestalt darzustellen, dass diese mit ihr untrennbar verbunden sind, demzufolge auch nicht für sich allein, ohne die Urkunde auf andere übertragen werden können, zumal die Aktie als verkehrsfähiges Wertpapier im Rechtsverkehr die Vermutung für den vollen Bestand der durch sie verkörperten Rechte begründet. Diesen Grundsätzen und den Erfordernissen des gesicherten Rechtsverkehrs aber würde es widersprechen, Aktienpakete als Rechtsobjekte zuzulassen, welche nur Vermögensrechte enthalten würden und aller Mitgliedschaftsrechte wegen deren "Dereliktion" entkleidet wären. Dies ergäbe letztlich die auch vom Bundesgericht abgelehnte echte Aktienspaltung. In ganz besonderem Masse muss das dort gelten, wo die Namenaktie zufolge einer Rektaklausel als echtes Namenpapier ausgestaltet worden ist.
cc) Nach der sogenannten Translationstheorie schliesslich sollen bei der Veräusserung vinkulierter Namenaktien grundsätzlich sämtliche Rechte übergehen, aktienrechtlich aber bis zur Eintragung in das Aktienbuch ruhen (ULRICH BENZ, Aktienbuch und Aktionärswechsel, Diss. Zürich 1981 S. 139 ff.; GAUDENZ ZINDEL, Bezugsrechte in der Aktiengesellschaft, Diss. Zürich 1984 S. 111 ff.).
BGE 114 II 57 S. 62
Diese Auffassung führt dazu, dass die Rechtszuständigkeit von der Fähigkeit zur Rechtsausübung getrennt wird. Sie beruht auf dem Grundgedanken, dass die Vinkulierung lediglich von eintragungs- und damit legitimationsrechtlicher, nicht aber von übertragungsrechtlicher Bedeutung ist (NEUMAYER, a.a.O. S. 347 ff.).
Es erübrigt sich, im vorliegenden Verfahren zu dieser Auffassung einlässlich Stellung zu beziehen, da sie jedenfalls höchstens bei vinkulierten Ordrepapieren Anwendung finden könnte. Enthalten jedoch die Statuten eine Rektaklausel wie jene der UTH, so ergibt deren Auslegung eindeutig, dass nicht nur die Eintragung des Erwerbers in das Aktienbuch, sondern der Übergang der Rechte schlechthin an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist und gebunden werden kann (
Art. 967 Abs. 3 OR
). Dieser Statuteninhalt ist wegen der Kausalität des aktienrechtlichen Wertpapieres für jeden Erwerber verbindlich, unbesehen darum, ob er sich damit vertraut gemacht hat oder nicht. Geht mithin ein solcher Übertragungsvorbehalt aus der Urkunde oder den Statuten der Gesellschaft hervor, können, wenn die Zustimmung verweigert wird, die Rechte nicht übergehen. Das Zustimmungserfordernis bezieht sich - wie im deutschen und österreichischen Recht (§ 68 Abs. 2 des deutschen Aktiengesetzes; § 62 des österreichischen Aktiengesetzes) - auf den Übertragungsvorgang als solchen. Daraus folgt, dass der Erwerber trotz Zession des übergebenen Titels nicht Aktionär werden kann, Rechtszuständigkeit und Aktieneigentum verbleiben beim Veräusserer (NEUMAYER, a.a.O. S. 348; SCHLUEP, SAG 48/1976 S. 128).
c) Demnach ergibt sich aus dem Aktienrecht, dass der Veräusserer einer vinkulierten Namenaktie, welche durch eine Rektaklausel als Namenpapier konzipiert ist, seiner Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechtes, durch Veräusserung der Titel für solange nicht verlustig geht und gehen kann, als die Gesellschaft der Übertragung nicht zugestimmt hat. Folglich ist die Auffassung abzulehnen, der blosse Buchaktionär verliere aufgrund des Gesellschaftsrechts sämtliche Rechte, da er an den einmal verkauften Aktien und somit auch am Stimmrecht kein Interesse mehr habe. Gesellschaftsrechtlich lässt sich demnach der Ausschluss des Buchaktionärs vom Stimmrecht bei verweigerter Übertragungsgenehmigung nicht begründen.
6.
Weiter zu prüfen ist, ob dem Kläger ein vertraglicher Anspruch zusteht, dem Beklagten als Buchaktionär die Ausübung
BGE 114 II 57 S. 63
der Mitgliedschaftsrechte, namentlich des Stimmrechtes, zu untersagen:
a) Der Kläger hat den Erwerb der fraglichen 184 Namenaktien über die Nordfinanz-Bank Zürich abgewickelt. Das Abschlussdokument trägt den Vermerk, die Bank habe als Selbstkontrahentin für seine Rechnung gekauft. Diese Angabe entspricht Art. 15 Abs. 2 des Zürcher Wertpapiergesetzes, wonach auf den Abschlussdokumenten deutlich anzugeben ist, ob der Auftrag durch Selbsteintritt oder in Kommission ausgeführt worden ist.
Die Rechtsbeziehungen zwischen Bank und Börsenklient sind als Kommissionsgeschäft gemäss
Art. 425 ff. OR
zu qualifizieren, wobei dem Börsenklient die Stellung des Kommittenten, der Bank diejenige der Kommissionärin zukommt. Für den Börsenhandel mit Wertpapieren sieht hiezu
Art. 436 OR
ausdrücklich vor, dass der Kommissionär ohne gegenteilige Abrede befugt ist, die einzukaufenden Titel als Verkäufer selbst zu liefern, d.h. als Eigenhändler in das Geschäft einzutreten. Diesfalls steht dem Kommissionär die wahlweise Ausübung einer Option zu, durch welche der Kommissionsauftrag aufgehoben (
Art. 115 OR
) und durch einen Kaufvertrag ersetzt wird, in welchem der Einkaufskommissionär die Rechtsstellung des Verkäufers und der Kommittent die Rechtsstellung des Käufers übernimmt. Entsprechend erwirbt die Bank die auszuliefernden Titel als Käuferin vom bisherigen Aktionär als Verkäufer.
Wird dergestalt die gesamte Transaktion der Titel vom alten auf den neuen Aktionär durch zwei selbständige Kaufverträge abgewickelt, wie dies im vorliegenden Falle geschehen ist, so folgt daraus grundsätzlich, dass zwischen dem ursprünglichen Veräusserer und dem definitiven Erwerber keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen entstehen; vielmehr ist beider Vertragspartner die Bank als selbsteintretende Kommissionärin. Die Ansprüche aus den beiden Kaufverträgen sind primär ihr gegenüber geltend zu machen, sie ist daran passivlegitimiert.
Dies schliesst indessen nicht aus, dass der Börsenklient mit dem Erwerb der Titel in den Stand gesetzt werden kann, auch Ansprüche gegen den ursprünglichen Veräusserer geltend zu machen. In einem älteren Entscheid aus dem Jahre 1915 hat das Bundesgericht erkannt, dass mit der Abtretung des Geschäftes an den Kommittenten von selbst auch alle Rechte, die der selbsteintretenden Bank aus dem Geschäfte gegenüber dem ursprünglichen Veräusserer erwachsen sind, auf den Kommittenten übergehen (
BGE 41 II 573
).
BGE 114 II 57 S. 64
Ob an dieser Auffassung festzuhalten ist, kann hier offenbleiben, da die Nordfinanz-Bank Zürich mit Zession vom 24. Juni 1987 "allfällige Rechte, insbesondere allfällige Gewährleistungsansprüche irgendwelcher Art, die ihr als Selbstkontrahentin aus dem Kauf der 184 Namenaktien der Usego-Trimerco Holding AG vom 3.7.86" zustanden, dem Kläger abgetreten hat. Aus dieser Erklärung erhellt, dass die Bank dem Kläger sämtliche ihr gegenüber dem Beklagten noch offenen Ansprüche aus Kaufvertrag übertragen hat. Damit stehen auch allfällige, die Ausübung des Stimmrechtes durch den Buchaktionär betreffende Unterlassungsansprüche dem Kläger zu. Gegen den Beklagten können allerdings ausschliesslich Vertragsansprüche geltend gemacht werden, welche auf seinen Beziehungen zur Nordfinanz-Bank fussen, nicht aber allfällige Ansprüche, welche durch den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dieser Bank begründet worden sind. Dem Kläger zusätzliche, im Kaufvertrag mit dem Beklagten nicht enthaltene Ansprüche zu übertragen, fehlte der Bank die erforderliche Verfügungsmacht.
b) Zwischen den Parteien ist die Gültigkeit des Veräusserungs- und des Erwerbsgeschäftes an den 184 Namenaktien nicht streitig. Die fehlende Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung soll mithin dessen Rechtsbeständigkeit nicht beeinflussen. Einzig die Frage der Stimmrechtsbefugnis ist umstritten.
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind Stimmrechtsvereinbarungen, mit welchen statutarische Vinkulierungsbestimmungen umgangen werden sollen, rechtsmissbräuchlich und deshalb unbeachtlich (
BGE 109 II 44
E. 1 mit Hinweisen).
Einer verbreiteten Auffassung nach ist es jedoch zulässig, dass der Veräusserer dem Erwerber gegenüber auf die weitere Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte, namentlich seines Stimmrechtes, verzichtet. Im vorliegenden Falle wird indes nicht geltend gemacht, der Beklagte habe sich der Nordfinanz-Bank Zürich gegenüber ausdrücklich verpflichtet, auf die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte generell oder in bestimmter Hinsicht zu verzichten. Die Frage des Verzichtsvertrages ist daher nicht weiter zu prüfen.
d) Darüber hinaus wird allerdings argumentiert, die Verpflichtung des Buchaktionärs, sein Stimmrecht nicht auszuüben, sei unmittelbarer Ausfluss des Kaufvertrages, ohne dass es deswegen einer besonderen Abrede bedürfe. Abgestützt wird diese Auffassung zur Hauptsache auf die Äusserungen von JÄGGI zu
BGE 83 II 297
ff.,
BGE 114 II 57 S. 65
aus welchen allerdings nicht deutlich hervorgeht, ob der Autor den Stimmrechtsverzicht nur aufgrund einer ausdrücklichen vertraglichen Absprache zulassen oder als allgemeine vertragliche Nebenpflicht verstanden haben will (ZSR NF 77/1958 S. 525 ff.; SAG 33/1960 S. 65 ff.). Das Bundesgericht hat die Frage, ob bei Abweisung des Käufers durch die Gesellschaft der Veräusserer jenem gegenüber verpflichtet sei, auf die Ausübung der bei ihm verbliebenen Mitgliedschaftsrechte zu verzichten, bisher nicht entschieden (vgl.
BGE 90 II 242
).
aa) Die gesetzliche Regelung der einzelnen Vertragsverhältnisse umschreibt vorab die Hauptpflichten der Vertragsparteien. Zu diesen Hauptpflichten treten regelmässig Nebenpflichten hinzu. Diese können ihrerseits im Gesetz selbst geregelt sein (z.B.
Art. 188 oder 197 ff. OR
), auf ausdrücklicher oder stillschweigender Vertragsabrede beruhen oder sich unmittelbar aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben ergeben (MERZ, N. 260 ff. zu
Art. 2 ZGB
; derselbe, Schweizerisches Privatrecht VI/1 S. 62 ff.; KRAMER, Allgemeine Einleitung in das Schweizerische OR, N. 89 ff.; JÄGGI/GAUCH, N. 422 ff. zu
Art. 18 OR
; GIGER, N. 48 ff. und 112 ff. zu
Art. 184 OR
; vgl. auch
BGE 113 II 247
E. 4).
bb) Auf eine unmittelbar gesetzlich normierte Nebenpflicht beruft sich der Kläger zu Recht nicht, und auch an einer ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung des Beklagten fehlt es. Es fragt sich daher lediglich noch, ob eine solche Nebenpflicht als stillschweigend mitverstanden zu gelten habe, was durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln ist.
Die börsenmässige Abwicklung des Wertpapierhandels lässt für individuelle Vertragsabreden kaum Raum und beruht im wesentlichen auf der Annahme einer Preisofferte. Nichts anderes aber gilt, wenn kotierte Wertpapiere - wie im vorliegenden Falle - durch Selbsteintritt ausserbörslich erworben werden. Vermutungsweise ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, die Parteien hätten sich bloss auf den Preis geeinigt und im übrigen ihren Kaufvertrag in jeder Hinsicht der gesetzlichen Ordnung unterstellt. Bestehen daher keine Anhaltspunkte, kann nicht davon ausgegangen werden, der Verkäufer habe sich zu mehr verpflichtet, als die Titel auf den Erwerber zu übertragen bzw. das von seiner Seite Notwendige zu dieser Übertragung vorzukehren. Dass zwischen dem Veräusserer und der selbsteintretenden Bank weitere ausdrückliche oder stillschweigende Rechte und Pflichten begründet worden wären, ist denn auch im vorliegenden Falle weder behauptet noch erstellt. Es
BGE 114 II 57 S. 66
bleibt somit noch zu prüfen, ob der Beklagte nach Treu und Glauben verpflichtet ist, auf die Ausübung seines Stimmrechts zu verzichten.
Auch Unterlassungspflichten können als vertragliche Nebenpflichten aus
Art. 2 ZGB
folgen (MERZ, N. 263 zu
Art. 2 ZGB
; GIGER, N. 133 f. zu
Art. 184 OR
). Dabei ist allerdings zu beachten, dass solche Nebenpflichten stets dem Leistungsinhalt zuzurechnen sind und die primäre Leistungspflicht nicht im Sinne einer Änderung des Schuldinhaltes erweitern, sondern nur das schuldnerische Handeln im Hinblick auf den Leistungszweck näher umschreiben können (MERZ, N. 260 zu
Art. 2 ZGB
; derselbe, Schweizerisches Privatrecht VI/1 S. 64). Hauptsächliche Leistungspflicht des Verkäufers aber ist wie erwähnt, dem Erwerber das Eigentum am verkauften Titel zu übertragen bzw. - bei vinkulierten Namenpapieren - die Zession als Voraussetzung der Übertragungsgenehmigung vorzunehmen. Aufgrund von
Art. 2 ZGB
ist der Verkäufer daher nur verpflichtet, nichts zu unternehmen, was den Erwerber in seinem Bemühen, Aktionär zu werden, benachteiligen könnte. Daraus folgt, dass der Verkäufer in der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte nur insoweit beschränkt ist, als er dadurch den Erwerb der Mitgliedschaft durch den Käufer mitbeeinflussen kann. Beispielsweise wäre dem Veräusserer, welcher Verwaltungsrat der Gesellschaft ist, deren Aktien die Hand wechseln, verwehrt, in dieser Eigenschaft die Beschlussfassung zur Übertragungsgenehmigung negativ zu beeinflussen. Ihm eine weitergehende, allgemeine Stimmabstinenz aufzuerlegen, hiesse indessen, den Leistungsinhalt über eine Normergänzung gestützt auf
Art. 2 ZGB
unzulässig ausdehnen. Nehmen - wie im vorliegenden Falle - die Parteien eines Kaufvertrages über vinkulierte Aktien ausdrücklich in Kauf, dass die erforderliche Genehmigung der Gesellschaft nicht erteilt wird, und wollen sie dennoch am Vertrag festhalten, so finden sie sich auch damit ab, dass der Veräusserer - vorläufig - Buchaktionär und mitgliedschaftsberechtigt bleibt. Dies gilt insbesondere auch für die hier als Erwerberin auftretende Bank. Mithin bedarf es in solchen Fällen einer eigentlichen Vertragsabrede, soll der Verkäufer verpflichtet werden, sein Stimmrecht nicht auszuüben. Allein aus
Art. 2 ZGB
lässt sich dieser Ausschluss nicht begründen.
Daran ändert nichts, dass das Stimmrecht des in der Regel interesselosen Buchaktionärs grundsätzlich unerwünscht ist. Wie bereits aktienrechtlich dargelegt, ist diese Erscheinung die Folge
BGE 114 II 57 S. 67
der gesetzlichen Vinkulierungsmöglichkeiten. Auf die Vertragsbeziehungen der Parteien bleibt der Umstand ohne Einfluss.
Ebensowenig hilft der an sich richtige Einwand, der Veräusserer dürfe sein Stimmrecht nicht gegen den Willen des Erwerbers ausüben. Worauf dieser Wille zielt, ist indessen beim anonymen Aktienhandel der Banken, werde er an der Börse oder ausserbörslich abgewickelt, für den Verkäufer nicht ersichtlich. Erneut obliegt es daher dem Erwerber, diesen Willen klar kundzutun, will er die Ausübung des Stimmrechtes durch den Veräusserer in bestimmter Richtung hin untersagen. Solche Weisungen, sollen sie verbindlich sein, haben indessen dem Vertragsschluss begriffsnotwendig voranzugehen oder sind in diesem mindestens als Gestaltungsrechte vorzubehalten. Nachträgliche, vom Veräusserer nicht akzeptierte Weisungen, sind nach dem Konsensualprinzip nicht zulässig.
7.
Damit bleibt zu prüfen, ob sich eine Änderung der bisher vertretenen Auffassungen daraus ergibt, dass der Kläger den Beklagten nicht allgemein, sondern bloss bezüglich derjenigen Beschlüsse vom Stimmrecht ausgeschlossen haben will, für welche das Gesetz eine Privilegierung von Stimmrechtsaktien ausschliesst (
Art. 693 Abs. 3 OR
) oder die Mehrheit der Stimmen und zugleich eine qualifizierte Mehrheit des Kapitals verlangt (
Art. 636, 648 und 650 Abs. 2 OR
).
Aktienrechtlich lässt sich eine unterschiedliche Betrachtungsweise in dem vom Kläger gewünschten Sinne nicht begründen. Vielmehr liesse sich wohl eher umgekehrt die Frage stellen, ob ein Ausschluss des Buchaktionärs von den Quorumsbeschlüssen nicht dem Grundsatz der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft zuwiderlaufen müsste. BÜRGI verneint dies mit Hinblick auf seine Suspensionstheorie (Festschrift Guhl, S. 215 f.); doch kann die Frage hier offenbleiben, da eine Suspension des Stimmrechtes durch die UTH nicht in Frage steht. Ein genereller Ausschluss des Buchaktionärs von diesen Quorumsbeschlüssen ist jedenfalls zufolge des dadurch bewirkten Widerspruchs zum Prinzip der vollbesetzten Mitgliedschaftsstellen abzulehnen und aktienrechtlich nicht zu begründen.
Vertragsrechtlich ist, soweit keine besonderen Abreden erstellt sind, ebenfalls nicht ersichtlich, weshalb eine Unterlassungspflicht, welche als allgemeine Nebenpflicht abgelehnt wird, demgegenüber für einzelne, z.B. an einem bestimmten Quorum orientierte Beschlüsse bestehen sollte. Die Gültigkeit besonderer Abreden in dieser Richtung aber ist - wie erwähnt - im vorliegenden Falle nicht zu prüfen. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
828f4b64-eb4a-4bc2-ab36-27b9ed537327 | Urteilskopf
126 V 172
31. Urteil vom 1. Mai 2000 i.S. Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil gegen Regierungsrat des Kantons Zürich und Schweizerischer Bundesrat | Regeste
Art. 39 Abs. 1 und
Art. 53 KVG
; Art. 98 in Verbindung mit
Art. 128 OG
;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
: Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend Spitalliste.
Nach innerstaatlichem Recht ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen ablehnenden Beschwerdeentscheid des Bundesrates betreffend eine Spitalliste unzulässig; die Nichtaufnahme eines Spitals in die Spitalliste des Kantons Zürich liegt im Übrigen auch ausserhalb des Anwendungsbereiches von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
.
Angesichts dieser Gegebenheiten ist die Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend eine Spitalliste verneint worden. | Sachverhalt
ab Seite 173
BGE 126 V 172 S. 173
A.-
Das Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil (nachfolgend: Zentrum), eine im Kanton Luzern domizilierte und in der Spitalliste dieses Kantons aufgeführte nicht öffentlich subventionierte Privatklinik für die Akutbehandlung und Rehabilitation von Querschnittgelähmten, stellte mit Eingaben vom 16. November 1995 und 4. Dezember 1996 das Gesuch um Aufnahme in die Spitalliste des Kantons Zürich. Auf der Grundlage der Zürcher Spitalplanung vom Juni 1997 erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich die Spitalliste 1998, in der er das Zentrum nicht aufführte (Regierungsratsbeschluss Nr. 1347 vom 25. Juni 1997).
B.-
Der Bundesrat wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit Entscheid vom 3. November 1999 ab (Dispositiv-Ziffer 1) mit der Feststellung, dass das Spital seit 1. Januar 1998 zur Versorgung von KVG-Versicherten aus dem Kanton Zürich in der privaten und halbprivaten Abteilung zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen sei, wenn es in der Spitalliste des Standortkantons figuriere oder dort auf Grund von Artikel 101 Absatz 2 KVG zugelassen sei. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Wirksamkeit der Beschwerdeabweisung bestimmte der Bundesrat, dass für das Zentrum ab 1. Januar 1998 bis sechs Monate ab Ende des Monats der Entscheidpublikation im kantonalen Amtsblatt die Zulassungsregelung von Artikel 101 Absatz 2 KVG gelte (Dispositiv-Ziffer 2). Die Publikation erfolgte am 19. November 1999.
C.-
Das Zentrum erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen:
"1. Es sei vorab die Frage des Eintretens auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu entscheiden;
2. Es sei allenfalls ein Beschluss im Sinne von
Art. 127 Abs. 2 OG
in Verbindung mit
Art. 16 OG
über die Frage der Zuständigkeit zu fassen;
3. Die Beschwerde sei wie folgt gutzuheissen:
a) Der Entscheid des Schweizerischen Bundesrates vom 3. November 1999 sei aufzuheben und
b) das Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil sei in die Spitalliste A des Kantons Zürich aufzunehmen;
4. Es sei festzustellen, dass das Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil infolge und im Umfang der Aufnahme in die integrale Spitalliste des Standortkantons als Leistungserbringer für obligatorisch krankenpflegeversicherte Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Zürich im Sinne von
Art. 35 ff. KVG
zugelassen ist;
BGE 126 V 172 S. 174
5. Der Beschwerde sei in dem Sinn aufschiebende Wirkung zu gewähren, als der Beschwerdeführer für die Dauer des vorliegenden Verfahrens als Leistungserbringer gemäss Krankenversicherungsgesetz für Zürcher Patientinnen und Patienten anerkannt wird, sofern und soweit die in Ziff. 2 des Dispositivs des angefochtenen Bundesratsentscheides festgelegte Übergangsfrist im vorliegenden Verfahren überschritten wird;
alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Schweizerischen Eidgenossenschaft."
Der Regierungsrat des Kantons Zürich, der Bundesrat und der als Mitinteressierter beigeladene Verband Zürcher Krankenversicherer (VZKV) beantragen in erster Linie, es sei auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Vorab ist zu prüfen, ob die beim Eidg. Versicherungsgericht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Bundesrates, mit dem dieser die Nichtaufnahme des Beschwerdeführers in die Spitalliste des Kantons Zürich durch den Regierungsrat dieses Kantons bestätigte, zulässig ist. Andernfalls kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden. Zur Beurteilung der Zulässigkeit, insbesondere im Hinblick auf den Anspruch auf gerichtliche Beurteilung gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(vgl. Erw. 6), sind zunächst Rechtsnatur und Tragweite des streitigen kantonalen Regierungsratsbeschlusses zu charakterisieren.
2.
a) Die gemäss Krankenversicherungsgesetz obligatorisch Versicherten können unter den zugelassenen Leistungserbringern, die für die Behandlung ihrer Krankheit geeignet sind, frei wählen (
Art. 41 Abs. 1 Satz 1 KVG
).
b) Anstalten oder deren Abteilungen, die der stationären Behandlung akuter Krankheiten oder der stationären Durchführung von Massnahmen der medizinischen Rehabilitation dienen (Spitäler), sind gemäss Art. 35 Abs. 1 und 2 lit. h sowie
Art. 39 Abs. 1 KVG
zur Tätigkeit zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zugelassen, wenn sie, nebst der Erfüllung weiterer - hier nicht interessierender - Voraussetzungen, der von einem oder mehreren Kantonen gemeinsam aufgestellten Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung entsprechen, wobei private Trägerschaften angemessen in die Planung einzubeziehen sind (
Art. 39 Abs. 1 lit. d KVG
; Bedarfsdeckungs- und Koordinationsvoraussetzung; vgl. Botschaft
BGE 126 V 172 S. 175
des Bundesrates über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 166), und auf der nach Leistungsaufträgen in Kategorien gegliederten Spitalliste des Kantons aufgeführt sind (
Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG
; Publizitäts- und Transparenzvoraussetzung; vgl. bundesrätliche Botschaft, a.a.O., S. 167).
Gegenüber dem früheren, bis 31. Dezember 1995 geltenden Recht, das den Versicherten die Wahl unter den inländischen Heilanstalten frei liess (
Art. 19bis Abs. 1 KUVG
), verschärfte das neue Recht die Voraussetzungen der Zulassung der Spitäler zur Kassenpraxis, indem die Versicherer für die Krankenpflege in einem Spital, das in keiner kantonalen Spitalliste aufgeführt ist, keine Leistungen zu erbringen haben. Immerhin ist die Aufnahme in die Spitalliste des Wohnkantons der behandelten Person nicht erforderlich; als Zulassungsvoraussetzung genügt jedenfalls die Aufnahme in diejenige des Standortkantons (
BGE 125 V 448
). Ist ein Spital aber in keine Spitalliste aufgenommen, führt dies dazu, dass obligatorisch Versicherte sich nicht in dieser Klinik behandeln lassen werden, was bei dieser Einnahmenausfälle verursachen kann.
3.
Ist ein Spital als Leistungserbringer zugelassen, kommt es für den Umfang der vom Versicherer geschuldeten Leistung darauf an, ob es in der Spitalliste des Wohnkantons der behandelten Person oder "nur" im Standortkanton aufgeführt ist. Bei (teil-)stationärer Behandlung muss der Versicherer - vorbehältlich der Beanspruchung aus medizinischen Gründen - die Kosten nämlich höchstens nach dem Tarif übernehmen, der im Wohnkanton der versicherten Person gilt (
Art. 41 Abs. 1 Satz 3 KVG
), wobei Versicherer und Leistungserbringer Pauschalen vereinbaren (
Art. 43 Abs. 4 Satz 1 und
Art. 49 Abs. 1 Satz 1 KVG
), die für Kantonseinwohner und -einwohnerinnen bei öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitälern höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten in der allgemeinen Abteilung betragen (
Art. 49 Abs. 1 Satz 2 KVG
). Beanspruchen Versicherte aus medizinischen Gründen - wenn die erforderlichen Leistungen bei (teil-)stationärer Behandlung im Wohnkanton oder in einem auf der Spitalliste des Wohnkantons aufgeführten ausserkantonalen Spital nicht angeboten werden - einen anderen Leistungserbringer, so richtet sich die Kostenübernahme nach dem Tarif, der für diesen Leistungserbringer gilt (
Art. 41 Abs. 2 KVG
). Diesfalls hat der Wohnkanton die Differenz zwischen den in Rechnung gestellten Kosten und den Tarifen des betreffenden Spitals für Einwohner und Einwohnerinnen des Kantons zu übernehmen (
Art. 41 Abs. 3 Satz 1 KVG
).
BGE 126 V 172 S. 176
Da die versicherte Person, die sich - ausser beim Vorliegen medizinischer Gründe - in einem nicht auf der Spitalliste ihres Wohnkantons aufgeführten Spital behandeln lässt, keinen Tarifschutz gemäss
Art. 44 KVG
geniesst, und gelegentlich eine erhebliche Tarifdifferenz für Kantonseinwohner und -fremde besteht (vgl.
Art. 41 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 KVG
), werden sich Versicherte eher an Spitäler, die auf der Spitalliste ihres Wohnkantons aufgeführt sind, halten. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass bereits nach dem früheren Recht Tarifunterschiede zwischen Heilanstalten am Wohnort der Versicherten und ausserhalb bestanden (vgl.
Art. 19bis Abs. 2-5 KUVG
).
4.
a) Die Kantone waren verpflichtet, bis zum 1. Januar 1998 die Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung und die Spitallisten zu erstellen (
Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vom 12. April 1995 über die Inkraftsetzung und Einführung des KVG [SR 832.101]
). Auch wenn die Spitalplanung ein wichtiges Instrument für eine bessere Koordination, eine optimale Ressourcennutzung und eine Kosteneindämmung in der (bundesrechtlich geregelten) Krankenversicherung ist (bundesrätliche Botschaft, a.a.O., S. 167), steht fest, dass ihre Ausgestaltung und Durchführung in der Kompetenz der Kantone liegt und damit durch das kantonale Recht geregelt wird (
BGE 125 V 453
Erw. 3b; vgl.
BGE 121 I 221
Erw. 3a; RKUV 1997 Nr. KV 10 S. 262 Erw. 4.2). Die Kantone haben denn auch bereits vor Inkrafttreten des Krankenversicherungsgesetzes in Ausübung ihrer verfassungsmässigen Kompetenz im Gesundheitswesen sowie als Träger und Subventionsbehörden von Spitälern Spitalplanung betrieben (SPIRA, Les compétences des cantons en matière d'assurance obligatoire des soins, in: DUC, [Hrsg.], LAMal-KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la Société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, S. 75; WALTER SEILER, Kurz- und längerfristige Konsequenzen des KVG für die Spitäler, in: Soziale Sicherheit [CHSS] 1995 S. 247 ff.; FRANZ WYSS, Vorbereitung des Vollzugs des neuen KVG in den Kantonen, in: Soziale Sicherheit [CHSS] 1995 S. 243). Im Rahmen seiner Aufgabe, die Gesundheit des Volkes zu fördern und ihre Gefährdung zu verhüten (§ 1 des Gesetzes über das Gesundheitswesen [Gesundheitsgesetz] des Kantons Zürich), errichtet und betreibt der Kanton Zürich Spitäler (§ 39 Gesundheitsgesetz) und leistet Kostenanteile an die Investitionen und den Betrieb der den Bedürfnissen der Bevölkerung dienenden Krankenhäuser (§ 40 Gesundheitsgesetz; Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser, Verordnung über die Staatsbeiträge
BGE 126 V 172 S. 177
an die Krankenpflege, vgl. ZBl 1987 S. 121 Erw. 2). Trotzdem hat
Art. 39 KVG
in den Kantonen eine eigentliche Strukturbereinigung ausgelöst (vgl. ZBl 1998 S. 21). Ob die Verpflichtung zur Planung und zur Erstellung der Spitallisten auf Bundessozialversicherungsrecht basiert - was für die Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts von Bedeutung wäre (
BGE 112 V 113
Erw. 2d) - braucht aber aus den nachfolgend genannten Gründen nicht entschieden zu werden.
b) Der am Recht stehende Kanton Zürich hat seine Spitalliste innert der den Kantonen aufgegebenen Frist erstellt. An bundesrechtlichen Bestimmungen hatte er nebst den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts (vgl.
Art. 35 Abs. 2 BV
) die Vorgaben von
Art. 39 KVG
zu beachten, insbesondere den Bedarf an Spitälern abzuklären, die dem ermittelten Bedarf gerecht werdende Spitalversorgung zu planen - wobei private Trägerschaften in die Planung einzubeziehen waren -, eine Spitalliste zu erstellen und diese nach Kategorien von Leistungsaufträgen zu gliedern (vgl. PAUL RICHLI, Die Spitalliste - Ein Planungsinstrument mit staats- und verwaltungsrechtlichen Geburtsgebrechen?, in: Recht in Raum und Zeit: Festschrift für Martin Lendi, Zürich 1998, S. 407 ff.). Die im Zeitpunkt des Erlasses der Spitalliste geltende kantonale Einführungsverordnung zum Krankenversicherungsgesetz enthält keine Ausführungsbestimmungen zur Aufnahme von Spitälern in die Spitalliste. Die Bestimmungen zur Leistung von Kostenbeiträgen an Spitäler sind hiefür nicht von Bedeutung. Wie das Bundesgericht in einem Beschwerdeentscheid gegen einen Subventionsentscheid betreffend ein im betreffenden Kanton gelegenes Spital festgestellt hat, geht es bei diesem nicht um einen Entscheid über die Aufnahme in die Spitalliste. Wohl beruhen der Entscheid, eine Subvention für ein bestimmtes Spital zu streichen, und der Entscheid, dieses Spital nicht in die Spitalliste aufzunehmen, auf dem nämlichen politischen Grundentscheid, das betreffende Krankenhaus schliessen zu wollen. Das ändert aber nichts daran, dass es juristisch um zwei verschiedene Fragen geht. Rechtlich ist es möglich, dass ein Spital, das nicht auf der Spitalliste figuriert, trotzdem weiter besteht und sogar Staatsbeiträge erhält, oder umgekehrt, dass es, obwohl auf der Spitalliste aufgeführt, keine Staatsbeiträge erhält (ZBl 1999 S. 273 Erw. 1a). Diese Unterscheidung gilt auch für den Fall der Aufnahme eines ausserkantonalen Spitals in die Spitalliste.
Im Sinne eines Zwischenergebnisses ist festzustellen, dass sich weder dem Bundesrecht noch dem kantonalen Recht Leitlinien
BGE 126 V 172 S. 178
für die Spitalplanung und den Entscheid, welchem Spital im Falle eines Überangebots der Vorzug zu geben sei, entnehmen lassen.
5.
a) Hinsichtlich des Rechtsweges bestimmt
Art. 53 Abs. 1 KVG
, dass unter anderem gegen Beschlüsse der Kantonsregierung nach Art. 39 Beschwerde an den Bundesrat erhoben werden kann. Eine Möglichkeit des Weiterzugs an eine weitere Beschwerdeinstanz ist spezialgesetzlich nicht vorgesehen.
b) Zwar hatte der Bundesrat die Beschwerde an ihn lediglich gegen Beschlüsse der Kantonsregierung im Bereich von Tarifen und Preisen vorgesehen (bundesrätliche Botschaft, a.a.O., S. 188 und 272) - weshalb sich die erwähnte Rechtswegbestimmung auch heute im 4. Abschnitt (Tarife und Preise) findet -, während sich über ein allfälliges Rechtsmittel betreffend Spitallisten keine ausdrückliche Regelung findet (Art. 45 des KVG-Entwurfs); die Tragweite der Erläuterung zu Art. 33 des Entwurfs (Zulassung der Spitäler und anderen Einrichtungen), wonach die Gerichte für die Auslegung von Art. 33 Sorge zu tragen hätten (bundesrätliche Botschaft, a.a.O., S. 168), ist nicht ganz klar. Erst der Nationalrat als Zweitrat beschloss die Einführung des Beschwerderechts an den Bundesrat gegen kantonale Spitallistenentscheide. Dabei hatte sich die vorberatende Kommission des Nationalrates vom kurz zuvor veröffentlichten Bericht der Kartellkommission "Krankenkassen und Tarifverträge" inspirieren lassen, in dem empfohlen worden war, dem Bund Planungskompetenzen insbesondere im Bereich der Spitzenmedizin und der Spitäler einzuräumen. Wie der Bundesrat, wollte die Kommission aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht so weit gehen, sah aber das erwähnte Beschwerderecht vor, insbesondere für den Fall, dass ein Versicherer der Auffassung sei, ein in der kantonalen Spitalliste genanntes Spital sei nicht planungskonform oder die zu Grunde liegende Spitalplanung sei nicht bedarfsgerecht, sondern schaffe Überkapazitäten (Amtl.Bull. 1993 N 1727 f., 1863 f.). Im Ständerat wurde ausgeführt, dass die kantonale Spitalplanung betreffend den stationären Bereich nach der Bundesverfassung (
Art. 34bis aBV
) ganz klar in der Hoheit der Kantone liege. Eine beschwerdeweise Überprüfung durch den Bundesrat sei verfassungswidrig und unzweckmässig. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, wie der Bundesrat Spitalplanungen überprüfen wolle, wenn er selber über keine Beurteilungskriterien, z.B. in Form einer bundesweiten Spitalplanung, verfüge. Anderseits sah auch der Ständerat in der bundesrätlichen Überprüfungskompetenz eine Möglichkeit der Kosteneindämmung im besonders
BGE 126 V 172 S. 179
kostenintensiven stationären Gesundheitswesen, sodass das Beschwerderecht mit Stichentscheid des Präsidenten auch in diesem Rat angenommen wurde (Amtl.Bull. 1993 S 1077 f.).
Eine Weiterzugsmöglichkeit an ein Gericht wurde von den Räten weder statuiert noch verworfen, sodass diese Frage auf Grund des allgemeinen Verfahrensrechts zu beantworten ist.
c) Das Eidg. Versicherungsgericht beurteilt auf dem Gebiete der Sozialversicherung - unter Vorbehalt der in
Art. 129 OG
genannten Ausnahmen, wozu Verfügungen über Spitallisten nicht gehören - letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten zum Gegenstand haben (sowie entsprechende Feststellungen und die Abweisung bzw. das Nichteintreten auf solche Begehren; Art. 128 in Verbindung mit
Art. 97 Abs. 1 OG
; zum Verfügungscharakter des Entscheids über die Zulassung als Leistungserbringer vgl. SVR 1998 KV Nr. 14 S. 49 f. Erw. 1 und 3; zur bundessozialversicherungsrechtlichen Verfügungsgrundlage vgl. Erw. 4a). Zulässig sind Verwaltungsgerichtsbeschwerden indessen nur, wenn sie sich gegen Verfügungen von Vorinstanzen, die in
Art. 98 lit. b-h OG
abschliessend genannt sind, richten (
Art. 128 OG
;
BGE 125 II 424
Erw. 4c). Dazu gehört der Bundesrat nicht. Auch die staatsrechtliche Beschwerde steht nicht offen (
Art. 84 Abs. 1 und 2 OG
).
d) Mit der am 12. März 2000 von Volk und Ständen angenommenen Justizreform wurde in die Bundesverfassung die Rechtsweggarantie aufgenommen. Danach hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde, wobei Bund und Kantone durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen können (
Art. 29a BV
). Unter Rechtsstreitigkeiten sind nicht nur "civil rights" im Sinne der EMRK zu verstehen (Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, Separatdruck, S. 503). Nachdem die einschlägigen Verfahrensordnungen (KVG, OG) den Weiterzug an ein Gericht nicht vorsehen und dieser Umstand keine echte Gesetzeslücke darstellt, kann die Zuständigkeit einer Gerichtsinstanz nicht auf dem Weg verfassungskonformer Auslegung oder Lückenfüllung geschaffen werden (vgl.
BGE 126 V 97
Erw. 4b mit Hinweisen auf die unter der alten Bundesverfassung zur Frage der Grenzen der verfassungskonformen Auslegung entwickelte Rechtsprechung). Die Umsetzung der Rechtsweggarantie ist vielmehr Sache der Gesetzgebung.
BGE 126 V 172 S. 180
e) Es ergibt sich damit, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf Grund des geltenden innerstaatlichen Rechts unzulässig ist.
6.
a) Zu prüfen bleibt indessen, ob der Beschwerdeführer - wie er geltend macht - auf Grund von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
Anspruch auf gerichtliche Beurteilung seiner Nichtaufnahme in die kantonale Spitalliste hat. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass, wie dargelegt, das Landesrecht diesen Rechtsweg nicht kennt. Fällt die vorliegende Streitigkeit in den Anwendungsbereich von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, muss gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts die oberste Gerichtsinstanz auf die Beschwerde eintreten, um eine Verletzung der Konventionsrechte zu vermeiden (
BGE 125 II 424
Erw. 4d mit Hinweisen).
b) Gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen (determination of his civil rights and obligations; contestations sur des droits et obligations de caractère civil) von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht entschieden wird. Die Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
hängt in sachlicher Hinsicht vom Vorliegen der Kriterien Streitigkeit, Anspruch und zivilrechtlicher Charakter ab (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., KEHL/STRASSBURG/ARLINGTON 1996, Rz. 5 ff. zu Art. 6; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 134 ff.; VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 376 ff.).
In Fragen der Sozialversicherung erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte diesbezüglich als wesentlich, ob privatrechtliche Merkmale (vertragliche Ausgestaltung, vermögensrechtliche Aspekte usw.) gegenüber den öffentlichrechtlichen, insbesondere dem hoheitlichen Tätigwerden des Staates, überwogen (Urteile Feldbrugge vom 29. Mai 1986, Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A, vol. 99 [EuGRZ 1988 S. 14] und Deumeland vom 29. Mai 1986, Série A, vol. 100 [EuGRZ 1988 S. 20]). Im Urteil Schuler-Zgraggen vom 24. Juni 1993 (Série A, vol. 263) wurde nebst dem vermögensrechtlichen Aspekt darauf abgestellt, dass die geltend gemachte Leistung gesetzlich geregelt war und nicht vom Ermessen staatlicher Behörden abhing. In den Urteilen Lombardo vom 26. November 1992 (Série A, vol. 249 B) und Salesi vom 26. Februar 1993 (Série A, vol. 257 C [hier betreffend Sozialhilfe]) war schliesslich ausschlaggebend, dass die Verwaltung nicht über ein unbegrenztes Ermessen verfügte,
BGE 126 V 172 S. 181
sondern auf Grund von gesetzlich statuierten Regeln zu entscheiden hatte (VILLIGER, Probleme der Anwendung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
auf verwaltungs- und sozialgerichtliche Verfahren, in: AJP 1995 S. 165; derselbe, Handbuch, Rz. 382 f.; vgl.
BGE 121 V 109
betreffend sozialversicherungsrechtliche Beitragsstreitigkeiten und
BGE 119 V 379
Erw. 4b/aa betreffend sozialversicherungsrechtliche Leistungsstreitigkeiten).
Unbestritten ist, dass es sich bei der Erteilung der Berufsausübungsbewilligung um einen zivilrechtlichen Anspruch im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
handelt (VPB 1994 Nr. 96 S. 709 betreffend Berufsausübungsbewilligung eines Arztes).
Soweit ersichtlich wurde die Frage der Zulassung zur Kassenpraxis den Konventionsorganen bisher einmal unterbreitet. Die Kommission lehnte im Fall Karni gegen Schweden betreffend Zulassung eines Arztes zur Kassenpraxis die Anwendung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ab, da der Beschwerdeführer mit seiner Nichtzulassung bloss nicht einverstanden war, aber keine Rechtsverletzung geltend machte. Nach Auffassung von FROWEIN/PEUKERT (a.a.O., Rz. 14 zu Art. 6) und KLEY-STRULLER (Der Anspruch auf richterliche Beurteilung "zivilrechtlicher Streitigkeiten" im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss
Art. 6 EMRK
, in: AJP 1994 S. 35) hätte die Kommission die Anwendung bejaht, wenn eine Rechtsverletzung - ein ernsthafter Streit - geltend gemacht worden wäre (vgl. auch RAINER J. SCHWEIZER, Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK] und schweizerisches Sozialversicherungsrecht, in: Sozialversicherungsrecht im Wandel, Festschrift 75 Jahre EVG, Bern 1992, S. 38).
c) In der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist nicht ganz geklärt, was unter einem "Anspruch" im Sinne der EMRK zu verstehen ist, insbesondere ob Voraussetzung ist, dass das geltend gemachte Recht innerstaatlich gewährt wird und durchsetzbar ist, oder ob
Art. 6 EMRK
auch Anspruch auf gerichtliche Beurteilung gewisser Ermessensentscheide gibt (
BGE 125 II 312
Erw. 5b mit Hinweisen auf die Rechtsprechung der Konventionsorgane und des Bundesgerichts sowie die Literatur; vgl. auch
BGE 125 I 215
Erw. 7 und Pra 1997 Nr. 102 S. 555 Erw. 3). FROWEIN/PEUKERT (a.a.O., Rz. 13 zu Art. 6) und KLEY-STRULLER (a.a.O., S. 35) erachten als wesentlich, dass das in Frage stehende Verwaltungsermessen nicht völlig unbegrenzt ist und dass der Beschwerdeführer nicht allein die Zweckmässigkeit eines von ihm beanstandeten Verwaltungshandelns oder eines Verwaltungsaktes in Frage stellt, sondern seine
BGE 126 V 172 S. 182
Rechtmässigkeit. Nach HAEFLIGER/SCHÜRMANN (a.a.O., S. 136 und 140) ist der Umfang des staatlichen Ermessens für die Frage der Anwendbarkeit der EMRK entscheidend.
d) Wie in Erw. 4 gezeigt wurde, lassen sich weder dem Bundesrecht noch dem kantonalen Recht - ausserhalb der allgemeinen Rechtsgrundsätze - Beurteilungsmassstäbe für die als Grundlage der Spitalliste erforderliche Bedarfsermittlung und Spitalplanung entnehmen, und es fehlt auch an rechtlichen Kriterien für den Entscheid, welche Spitäler in die Spitalliste aufzunehmen seien, wenn ein Überangebot von Spitälern, die einen Leistungsauftrag übernehmen könnten, vorliegt. Auch bei weit verstandener Auslegung des Begriffs "Anspruch" (vgl. Erw. 6c) fällt die vorliegende Streitigkeit damit nicht in den Anwendungsbereich von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. Dies ist übrigens auch die Auffassung des Bundesrates (VPB 2000 Nr. 13 S. 179 f., wo erwähnt wird, dass das Bundesgericht mehrere bei ihm eingereichte staatsrechtliche Beschwerden gegen kantonale Spitallisten dem Bundesrat zur Beurteilung überwiesen habe).
e) Die Aufnahme in die Spitalliste des Kantons Zürich würde dem auf der Spitalliste seines Standortkantons aufgeführten Beschwerdeführer zweifellos einen finanziellen Vorteil gegenüber dem Zustand ohne Aufnahme verschaffen. Dass er gegenüber dem Rechtszustand unter dem alten Recht, das ebenfalls einen unterschiedlichen Tarifschutz je nach Wohnsitz der hospitalisierten Person kannte, einen finanziellen Nachteil erleidet, liegt indessen nicht auf der Hand (Erw. 3). Ob beim Entscheid über die Spitalliste das Kriterium "zivilrechtlich" im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
- für welches die vermögensmässigen Auswirkungen eines Entscheids von Bedeutung sind - erfüllt ist, kann aber offen bleiben, da der Beschwerdeführer keinen Anspruch im Sinne der Konventionsbestimmung hat.
f) Aus dem gleichen Grund hat das Eidg. Versicherungsgericht auch nicht zu prüfen, ob - wie das Bundesgericht in
BGE 125 II 420
ff. Erw. 4 entschieden hat - gestützt auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
Entscheide des Bundesrates einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können. Ein allfälliger Meinungsaustausch erübrigt sich damit.
7.
Nachdem das Urteil vor Ablauf der vom Bundesrat angesetzten Übergangsfrist gefällt und damit rechtskräftig wird (
Art. 38 OG
), ist der Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos geworden. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8291ff03-5eee-4722-b457-f5bcb504b019 | Urteilskopf
101 Ib 30
6. Urteil des Kassationshofes vom 28. April 1975 i.S. S. gegen Obergericht des Kantons Thurgau | Regeste
Art. 45 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
.
Die Anhörung des Verwahrten oder seines Vertreters vor dem Entscheid über die bedingte Entlassung ist zwingend vorgeschrieben; Voraussetzung ist aber, dass die absolute Mindestdauer der Verwahrung abgelaufen ist. | Sachverhalt
ab Seite 30
BGE 101 Ib 30 S. 30
A.-
S. wurde 1969 vom Bezirksgericht Steckborn zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt und an Stelle des Strafvollzugs für unbestimmte Zeit nach
Art. 42 StGB
verwahrt. Auf den 15. Oktober 1971 bedingt entlassen, wurde er am 19. Mai 1972 in die Verwahrung zurückversetzt, weil ihn das Bezirksgericht Zofingen am 2. März 1972 zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt hatte. Die erneute Verwahrung fing am 18. Februar 1972 zu laufen an.
B.-
Am 2. Januar 1975 stellte S. ein Gesuch um bedingte Entlassung auf den 17. Februar 1975.
Das Obergericht des Kantons Thurgau wies das Gesuch am 18. Februar 1975 ab. Es fällte seinen Entscheid, ohne den Gesuchsteller mündlich anzuhören, weil es genügenden Einblick in seine Verhältnisse besitze und weil es um eine bedingte Entlassung vor Ablauf der Mindestdauer der Verwahrung gehe.
C.-
S. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
BGE 101 Ib 30 S. 31
ihn aus der Verwahrung bedingt zu entlassen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
Das Obergericht beantragt Abweisung der Beschwerde, das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement Gutheissung und Rückweisung der Sache an das Obergericht zu neuem Entscheid.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Art. 42 Ziff. 4 Abs. 3 StGB
schreibt für die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern vor, dass im Falle der Rückversetzung die Mindestdauer der neuen Verwahrung in der Regel fünf Jahre beträgt. Über die bedingte Entlassung aus der Verwahrung nach
Art. 42 StGB
bestimmt Art. 45 Ziff. 1, dass die zuständige Behörde von Amtes wegen prüft, ob und wann die bedingte Entlassung anzuordnen ist (Abs. 1), dass sie mindestens einmal jährlich Beschluss zu fassen hat, erstmals auf das Ende der gesetzlichen Mindestdauer (Abs. 2), und dass sie den zu Entlassenden oder seinen Vertreter vor dem Entscheid anzuhören hat (Abs. 3).
Der Beschwerdeführer rügt, dass das Obergericht ihn entgegen
Art. 45 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
vor dem Entscheid nicht anhörte.
2.
a) Zur bedingten Entlassung der zu Zuchthaus oder Gefängnis Verurteilten hat das Bundesgericht entschieden, dass die in
Art. 38 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
aufgestellte Pflicht zur Anhörung des Gefangenen zwingend ist. Die zuständige Behörde, der es obliegt, die Umstände abzuklären, auf die sich ihr Entscheid stützen wird, kann nicht mit der erforderlichen Sachkenntnis entscheiden, ohne sich in die Verhältnisse des Gefangenen dadurch Einblick zu verschaffen, dass sie ihn ansieht und anhört, wobei dieser zudem wird Angaben machen können, an die er bei seinem schriftlichen Gesuch nicht gedacht hatte (
BGE 99 Ib 350
).
Es besteht kein Grund, die Pflicht zur Anhörung des Verwahrten gemäss
Art. 45 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
enger zu fassen. Auch hier gilt, was in
BGE 99 Ib 350
ausgeführt wurde: Unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention ist die vorzeitige Entlassung gleich wichtig wie die Ahndung der strafbaren Handlungen. Die Besserung des Verurteilten hängt zu einem guten Teil davon ab. Es geht daher nicht an, einen negativen
BGE 101 Ib 30 S. 32
Entscheid hierüber ohne Anhörung des Verwahrten oder seines Vertreters zu treffen.
b) Die Pflicht zur Anhörung gemäss
Art. 38 und 45 StGB
besteht nur, wenn die Mindestdauer der Strafe oder Massnahme verbüsst, die bedingte Entlassung also nicht mehr zwingend ausgeschlossen ist.
Wenn
Art. 42 Ziff. 4 Abs. 3 StGB
vorschreibt, dass im Falle der Rückversetzung die Mindestdauer der neuen Verwahrung "in der Regel" fünf Jahre beträgt, schliesst er eine bedingte Entlassung vor Ablauf der fünf Jahre nicht aus. Der Verwahrte kann deshalb schon nach Ablauf der absoluten Mindestdauer der Verwahrung von drei Jahren (bzw. zwei Dritteln der Strafdauer,
Art. 42 Ziff. 4 Abs. 1 StGB
) bedingt entlassen werden.
Der Umstand, dass ein Gesuch um bedingte Entlassung aus der Rückversetzung in die Verwahrung schon auf den Zeitpunkt des Ablaufs der absoluten Mindestdauer der Verwahrung gestellt wird, ändert somit an der Pflicht zur Anhörung nichts.
c) Indem das Obergericht weder den Beschwerdeführer noch seinen Vertreter anhörte, hat es
Art. 45 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
verletzt.
Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen zu neuer Beurteilung des Gesuchs nach Anhörung des Beschwerdeführers oder seines Vertreters.
3.
Soweit der Beschwerdeführer den Entscheid des Obergerichts auch materiell anficht, ist bei diesem Ausgang des Verfahrens auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
82921fb9-6faf-4227-be81-73980318d399 | Urteilskopf
102 Ib 91
17. Auszug aus dem Urteil vom 30. Januar 1976 i.S. Treuhandverband des Autotransportgewerbes (TAG) gegen Unfalldirektoren-Konferenz und Konsorten und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement | Regeste
Verwaltungsbeschwerde: Fristenlauf bei mangelhafter Eröffnung (
Art. 38 und 50 VwVG
).
Aus
Art. 38 VwVG
kann nicht abgeleitet werden, dass bei mangelhafter Eröffnung die Beschwerdefrist überhaupt nicht zu laufen beginnt, selbst wenn der Adressat von der Verfügung Kenntnis erhalten hat; vielmehr ist im Einzelfall zu beurteilen, ob der Verfügungsadressat die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, um, nach Kenntnis vom Bestand einer ihn betreffenden Verfügung, in den Besitz aller für die erfolgreiche Wahrung seiner Rechte notwendigen Elemente zu gelangen. | Sachverhalt
ab Seite 91
BGE 102 Ib 91 S. 91
Der Treuhandverband des Autotransportgewerbes (TAG) reichte am 7. Januar 1975 Beschwerde beim Eidg. Justiz- und
BGE 102 Ib 91 S. 92
Polizeidepartement (EJPD) ein gegen eine Verfügung des Eidg. Versicherungsamtes vom 26. Oktober 1974 betreffend die Genehmigung der Tarife für das Jahr 1975 in der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung, soweit diese den gewerbsmässigen Transport von Personen und Sachen zum Gegenstand haben. Die angefochtene Verfügung war dem Verband nicht eröffnet worden. Das EJPD trat auf die Beschwerde nicht ein. Es stellte fest, dass der Verband bereits im Oktober 1974 vom Prämientarif Kenntnis nehmen konnte und deshalb in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig eine ausreichend begründete Beschwerde einzureichen oder zum mindesten das Beschwerdeverfahren einzuleiten. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass die angefochtene Verfügung mangelhaft eröffnet worden sei, wäre die Beschwerde verspätet. Der betroffene Verband ficht diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an und verlangt, der angefochtene Entscheid des EJPD sei aufzuheben und dieses zu verpflichten, auf die bei ihm eingereichte Beschwerde einzutreten und diese materiell zu behandeln. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur materiellen Beurteilung und Entscheidung an das EJPD zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach Art. 50 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG) ist die Beschwerde innert 30 Tagen, gegen eine Zwischenverfügung innert 10 Tagen seit der Eröffnung der Verfügung einzureichen.
Art. 34 und 35 VwVG
sehen vor, dass die Verfügung schriftlich zu eröffnen und mit Begründung und Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist. Von diesen Grundsätzen kann nach
Art. 36 VwVG
abgewichen und die Verfügung durch Veröffentlichung im Amtsblatt eröffnet werden, in einer Sache mit einer grossen Anzahl von Parteien, die sich ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht vollzählig bestimmen lassen (lit. c).
Es ist unbestritten, dass im vorliegenden Fall die erstinstanzliche Verfügung des Eidg. Versicherungsamtes vom 26. Oktober 1974 schriftlich nur den die Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung in der Schweiz betreibenden Versicherungsunternehmungen eröffnet wurde; ebenso, dass keine amtliche Publikation erfolgte. Das zwingt zur Feststellung,
BGE 102 Ib 91 S. 93
dass die Eröffnung gegenüber den andern Verfügungsadressaten mangelhaft war und hat zur Konsequenz, dass den Parteien daraus kein Nachteil erwachsen darf (
Art. 38 VwVG
). Daran ändert nichts, dass es mit grossen Schwierigkeiten verbunden sein mag, die zahlreichen Tarifverfügungen rechtsgenüglich zu eröffnen. Die Schwierigkeiten der Eröffnung von Verfügungen und Entscheiden der hier zur Diskussion stehenden Art haben nicht die Verfügungsadressaten, sondern die Behörden zu vertreten. In diesem Sinne darf eine mangelhafte Eröffnung nicht dazu führen, dass der Verfügungsadressat des Rechtsmittels deshalb verlustig geht, weil es ihm nicht möglich war, dieses rechtzeitig zu ergreifen.
3.
Das Bundesverwaltungsprozessrecht enthält - im Gegensatz zum deutschen Recht (vgl. §§ 57 f. der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung; EYERMANN/FROEHLER, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, N. 13 zu § 58 und die dortigen Hinweise auf die Judikatur) und abgesehen vom Grundsatz des
Art. 38 VwVG
- keine klare Regelung, wie in den Fällen mangelhafter Eröffnung zu verfahren ist. Grundsätzlich ist demnach abzuwägen zwischen den Interessen der Rechtssicherheit und dem Rechtsschutzinteresse des Verfügungsadressaten. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss einerseits verlangt werden dürfen, dass der ungewissen Situation über die Rechtskraft einer Verfügung einmal ein Ende gesetzt ist, d.h., dass Verfügungen die dazu bestimmt sind, Rechtskraftswirkungen zu entfalten, nicht auf unbestimmte Zeit beliebig sollen in Frage gestellt werden können. Anderseits ist der gesetzliche Grundsatz zu berücksichtigen, dass nicht der Verfügungsadressat die Nachteile mangelhafter Eröffnung zu vertreten hat (
Art. 38 VwVG
und, soweit es das Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde betrifft,
Art. 107 Abs. 3 OG
).
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat im Rahmen dieser Interessenabwägung hervorgehoben, dass dem Grundsatz, wonach den Parteien aus mangelhafter Eröffnung keine Nachteile entstehen sollen, schon dann im Blick auf den beabsichtigten Rechtsschutz Genüge getan ist, wenn eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren Zweck erreicht hat. Es ist nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob die betroffene Partei durch den gerügten Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch benachteiligt
BGE 102 Ib 91 S. 94
worden ist. Richtschnur für die Beurteilung dieser Frage ist der Grundsatz von Treu und Glauben (
BGE 98 V 278
f. mit Hinweisen). In diesem Sinne hat das Bundesgericht festgestellt, dass die Beschwerdefrist gewahrt ist, wenn eine Beschwerde innert dreissig Tagen seit dem Zeitpunkt, da der Adressat von der Verfügung Kenntnis nehmen konnte, eingereicht wurde (
BGE 96 I 687
E. 1d und Bestätigung in
BGE 98 Ib 17
E. 4). Sie ist es aber nicht nur dann.
Wohl erscheint es zumutbar, dass der Verfügungsadressat, hat er einmal von der ihn betreffenden Verfügung Kenntnis erhalten, darum besorgt ist, den Inhalt der Verfügung und deren Begründung zu erfahren, um sich über die Ergreifung eines Rechtsmittels zu entschliessen. Doch erst wenn er einmal im Besitze aller für die erfolgreiche Wahrung seiner Rechte wesentlichen Elemente ist, läuft die Beschwerdefrist. Erst ab diesem Zeitpunkt nämlich ist ihm die selbe Rechtsstellung eingeräumt wie all jenen Verfügungsadressaten, denen eine Verfügung im Sinne des geltenden Verwaltungsprozessrechtes rechtsgenüglich eröffnet wird. Mit dem Grundsatz der
Art. 38 VwVG
ist es dagegen unvereinbar, wenn gefordert wird, der Adressat einer mangelhaft eröffneten Verfügung habe ab dem Zeitpunkt, da er zufällig von der anzufechtenden Verfügung Kenntnis erhalten hat, das zulässige Rechtsmittel innert dreissig Tagen zu ergreifen. Der Fall, da der Adressat aus einer nicht-offiziellen Quelle von einem ihn belastenden Verwaltungsakt erfährt, kann nämlich schon aus rein praktischen Gründen nicht jenem gleichgeachtet werden, da eine Verfügung gehörig, d.h. schriftlich, begründet und mit vollständiger Rechtsmittelbelehrung versehen, eröffnet worden ist. Allerdings kann, entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben, der Verfügungsadressat den Zeitpunkt des Beginns des Fristenlaufes nicht beliebig hinauszögern, wenn er einmal von der ihn betreffenden Verfügung Kenntnis erhalten hat. Aus
Art. 38 VwVG
beziehungsweise
Art. 107 Abs. 3 OG
kann nämlich nicht gefolgert werden, dass bei mangelhafter Eröffnung die Beschwerdefrist überhaupt nicht zu laufen beginnt, selbst wenn der Adressat von der Verfügung Kenntnis erhalten hat. Vielmehr ist im Einzelfall zu entscheiden, ob der Verfügungsadressat nach Kenntnisnahme vom Bestand einer ihn betreffenden Verfügung im Rahmen des ihm Zumutbaren die sich aufdrängenden Schritte unternommen hat.
BGE 102 Ib 91 S. 95
4.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Tarifverfügung des Eidg. Versicherungsamtes vom 26. Oktober 1974 durch die Publizität, die sie in der Presse erfuhr, der Aufmerksamkeit der Organe des beschwerdeführenden Verbandes nicht entgehen konnte. Es kann daher mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass der Verband Ende Oktober/Anfang November 1974 aus verschiedenen Quellen vom Bestand einer seine Mitglieder betreffenden Verfügung Kenntnis erhielt. Der Verband hat daraufhin in einer durchaus zumutbaren Frist Schritte unternommen, um die für die Anfechtung der ergangenen Verfügung notwendigen Unterlagen zu erhalten. Der Vorwurf, er habe mit seinem Begehren um Aushändigung der Verfügung vom 26. Oktober 1974 übermässig lange zugewartet, trifft ihn nicht. Mit der Beschwerde vom 7. Januar 1975, die der Verband rund zwanzig Tage nachdem ihm am 18. Dezember 1974 die angefochtene Verfügung durch das Eidg. Versicherungsamt ausgehändigt worden war, eingereicht hat, wurde das Rechtsmittel im Rahmen des Zumutbaren und unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben rechtzeitig ergriffen.
Der angefochtene Entscheid verletzt somit Bundesrecht. Er ist aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung und Entscheidung an das EJPD zurückzuweisen. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
829ca52d-645d-483a-9f8e-4e07289f4f2c | Urteilskopf
80 IV 37
8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. März 1954 i.S. Hugelshofer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Die Urkundenfälschung (
Art. 251 StGB
), die begangen wird, um die Verletzung der Zollmeldepflicht nach
Art. 74 Ziff. 3 ZG
, einen Bannbruch nach
Art. 76 Ziff. 2 ZG
und die damit verbundene Hinterziehung der Warenumsatzsteuer (
Art. 52 Abs. 1 WUStB
) zu tarnen, wird durch die Fiskalstrafe nicht abgegolten. | Sachverhalt
ab Seite 38
BGE 80 IV 37 S. 38
A.-
Im März 1949 kaufte Hugelshofer in Deutschland einen neuen Volkswagen und ersetzte dessen mit der Chassisnummer versehenes Plättchen durch das entsprechende, eine andere Nummer tragende Plättchen seines alten Wagens. Er beging die Tat, um die Identifizierung des neuen Wagens zu verhindern und ihn unter Umgehung der Zollpflicht in die Schweiz einführen zu können. Er führte den Wagen in Verletzung eines Einfuhrverbotes in die Schweiz ein und hinterzog dabei den Zoll von Fr. 771.60 und die Warenumsatzsteuer von Fr. 282.60.
Ende Sommer/Anfang Herbst 1949 kaufte Hugelshofer in Deutschland vier gestohlene Volkswagen und bestimmte die Verkäufer, daran die Motor- und Chassisnummern durch die entsprechenden Nummern seines in der Schweiz zum Verkehr zugelassenen Wagens zu ersetzen. Damit wollte er bei den mit der Kontrolle der Automobile betrauten Behörden den Eindruck erwecken, die Nummern seien für die fraglichen Wagen von der Fabrik angebracht worden und seien echt. Ende 1949 und Anfang 1950 liess er die vier Wagen mit den Kontrollschildern seines Wagens und mit dem für diesen bestehenden Freipass durch einen Beauftragten ohne Einfuhrbewilligung und unter Hinterziehung des Zolles von Fr. 3086.40 und der Warenumsatzsteuer von Fr. 1130.40 in die Schweiz einführen.
B.-
Für die anlässlich der Einfuhr der fünf Volkswagen begangenen Fiskalvergehen wurde Hugelshofer am 11. Juli 1951 durch das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement in Anwendung der
Art. 74 Ziff. 3, 76 Ziff. 2 ZG
und
Art. 52 Abs. 1 WUStB
gebüsst. Die Beschwerde des Gebüssten wurde am 27. November 1951 vom Bundesrat abgewiesen.
Über die Abänderung der Motor- und Chassisnummern urteilte das Kriminalgericht des Kantons Aargau. Es verurteilte
BGE 80 IV 37 S. 39
Hugelshofer am 18. Februar 1953 wegen Urkundenfälschung und Anstiftung dazu.
C.-
Hugelshofer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Kriminalgerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Der Beschwerdeführer bestreitet mit Recht nicht, dass die vom eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement ausgefällten Bussen der Bestrafung wegen Urkundenfälschung nicht im Wege stehen. InBGE 77 IV 45ff. hat der Kassationshof
Art. 85 Abs. 2 ZG
, wonach eine Handlung, die gleichzeitig den Tatbestand eines Zollvergehens erfüllt und gegen die Strafgesetzgebung des Bundes oder der Kantone verstösst, sowohl nach dieser Gesetzgebung als auch nach dem Zollgesetz gesühnt werden soll, dahin ausgelegt, dass jedenfalls dann die Bestimmung des Fiskalrechtes die Anwendung des gemeinen Strafrechts nicht ausschliesse, wenn sie nach ihrem Sinn und Wortlaut die Tat nicht nach allen Seiten abgelte, also nicht ein Fall unechter Gesetzeskonkurrenz vorliege. Solche Konkurrenz wurde verneint zwischen
Art. 251 StGB
einerseits und
Art. 76 Ziff. 3 ZG
und
Art. 52 Abs. 1 WUStB
anderseits, weil diese Fiskalbestimmungen die Fälschung von Ausweisen als Mittel der Begehung des Bannbruches bzw. der Hinterziehung der Warenumsatzsteuer nicht erwähnen. Das gleiche ist zu sagen von
Art. 76 Ziff. 2 und 74 Ziff. 3 ZG
, die das eidgenössische Finanz- und Zolldepartement im vorliegenden Falle neben
Art. 52 Abs. 1 WUStB
angewendet hat. Sowohl der Bannbruch nach Art. 76 Ziff. 2 als auch die Zollübertretung nach
Art. 74 Ziff. 3 ZG
wird schon dadurch begangen, dass der Zollmeldepflichtige es unterlässt, die Ware zur Zollbehandlung anzumelden; nicht nötig ist, dass er die Ware durch gefälschte Urkunden tarne. Mit der Anstiftung zur Abänderung der Nummern an den vier gestohlenen Wagen hat übrigens der Beschwerdeführer nach den tatsächlichen Angaben der Anklage, die
BGE 80 IV 37 S. 40
er durch Unterziehung anerkannt hat, ganz allgemein bei den mit der Kontrolle der Automobile betrauten Behörden den Eindruck erwecken wollen, die Nummern seien echt. In diesen vier Fällen könnte somit die Strafe wegen Zollübertretung, Bannbruchs und Hinterziehung der Warenumsatzsteuer die Anstiftung zu Urkundenfälschung auch schon deshalb nicht abgelten, weil der Beschwerdeführer durch sie nicht bloss auf Täuschung der Zollbehörden ausgegangen ist. | null | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82a00377-7575-4ba0-a70b-bf7e10fb99d9 | Urteilskopf
140 V 207
28. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. GastroSocial Pensionskasse gegen G. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_783/2013 vom 12. Mai 2014 | Regeste
Art. 24 Abs. 1 BVG
; lit. f Abs. 1-3 der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 3. Oktober 2003 (1. BVG-Revision); anwendbares Recht.
Bei einer Invalidenrente, die vor Inkrafttreten der 1. BVG-Revision (1. Januar 2005) zu laufen begonnen hat, bleibt grundsätzlich das alte Recht (mit vollen und halben Invalidenrenten) anwendbar (lit. f Abs. 1). Erhöht sich der Invaliditätsgrad jedoch nach Ablauf der zweijährigen Übergangsperiode (Ende Dezember 2006), gelangt nach lit. f Abs. 3 e contrario das neue Recht (mit der feineren Rentenabstufung) zur Anwendung (E. 4.2). Eine spätere Verringerung des IV-Grades bewirkt keinen Wechsel von der neuen zur altrechtlichen Regelung (E. 4.3). | Sachverhalt
ab Seite 208
BGE 140 V 207 S. 208
A.
A.a
Mit Verfügung vom 26. Oktober 2007 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend: IV-Stelle) G. mit Wirkung ab 1. Oktober 2002 bis 30. Juni 2006 eine ganze Rente der Invalidenversicherung (IV) zu (Invaliditätsgrad von 100 %). Für die Zeit ab 1. Juli 2006 wurde eine separate Verfügung in Aussicht gestellt, da weitere medizinische Abklärungen angezeigt seien. In der Folge gewährte die IV-Stelle von 1. Juli 2006 bis 31. Juli 2007 eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad von 44 %), von 1. August 2007 bis 31. Januar 2008 (wegen einer zeitweiligen Verschlechterung des Gesundheitszustands) eine ganze Rente (Invaliditätsgrad von 100 %) und ab 1. Februar 2008 wiederum eine Viertelsrente (Invaliditätsgrad von 44 %; Verfügung vom 3. Juni 2011).
A.b
Auf der Grundlage der IV-Verfügung vom 3. Juni 2011 erkannte die GastroSocial Pensionskasse (nachfolgend: Pensionskasse) G. von 1. August 2007 bis 31. Januar 2008 eine Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge von 100 % zu (Schreiben vom 14. Juni 2011). Ein Anspruch auf eine Viertelsrente bestehe indes nicht. Denn auf Renten, die entweder vor 2005 oder zwischen dem 1. Januar 2005 und 31. Dezember 2006 entstanden seien, finde das alte Recht Anwendung. Dieses kenne die Viertelsrente (noch) nicht. Ergänzend wies die Pensionskasse am 8. Februar 2012 darauf hin, der Rentenanspruch gegenüber der Invalidenversicherung sei vor dem 1. Januar 2005 entstanden.
B.
Am 9. November 2012 erhob G. Klage beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit dem Rechtsbegehren, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihm Invalidenrentenleistungen von 1. Januar 2007 bis 31. Juli 2007 sowie ab 1. Februar 2008 auf der Basis einer Viertelsrente der IV zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 17. September 2013 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Klage teilweise gut und verpflichtete die Pensionskasse, G. ab 1. Februar 2008 eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 44 % auszurichten. Im Übrigen wies es die Klage ab.
C.
Hiegegen erhebt die Pensionskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Klage vom 9. November 2012 vollumfänglich abzuweisen. Ferner sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
BGE 140 V 207 S. 209
Während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Stellungnahme verzichtet, trägt der Beschwerdegegner auf Abweisung der Beschwerde an.
D.
Mit Verfügung vom 16. Januar 2014 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung von
Art. 24 Abs. 1 BVG
besteht Anspruch auf eine volle Invalidenrente, wenn der Versicherte im Sinne der IV zu mindestens 70 %, auf eine Dreiviertelsrente, wenn er zu mindestens 60 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zur Hälfte, und auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid ist. Davor, also bis Ende 2004, hatte der Versicherte Anspruch auf eine volle Invalidenrente, wenn er im Sinne der IV mindestens zu zwei Dritteln, und auf ein halbe Rente, wenn er mindestens zur Hälfte invalid war (aArt. 24 Abs. 1 BVG). Bei einem Invaliditätsgrad von unter 50 % bestand kein Anspruch auf Invalidenleistungen (aArt. 23 BVG e contrario).
Nach lit. f der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 3. Oktober 2003 (1. BVG-Revision; kurz: lit. f) unterstehen die Invalidenrenten, die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu laufen begonnen haben, dem bisherigen Recht (Abs. 1). Während zwei Jahren ab dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung unterstehen die Invalidenrenten noch dem Recht, das nach Art. 24 in der Fassung vom 25. Juni 1982 galt (Abs. 2). Sinkt der Invaliditätsgrad bei der Revision einer laufenden Rente, so ist auf diese noch das bisherige Recht anwendbar (Abs. 3). Die Absätze 4 und 5 sind hier nicht relevant.
3.
3.1
Die Regelung von lit. f war in der Botschaft vom 1. März 2000 zur Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; 1. BVG-Revision) nicht enthalten (BBl 2000 2637, 2703 ff. Ziff. 4.2 und 2723 f.). Ihr Inhalt respektive zumindest ein Teil davon wurde jedoch anlässlich der ständerätlichen Beratung zur Sprache gebracht, und zwar als lit. g, welche von der Verwaltung beantragt worden war (Protokoll der Sitzung der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 4./5. November 2002, S. 67). Im amtlichen Bulletin des Ständerates vom 28. November 2002 (AB 2002 S 1054)
BGE 140 V 207 S. 210
findet sich die fragliche Übergangsbestimmung sodann in ihrem ganzen Wortlaut. Der Ständerat hat sie diskussionslos "auf Antrag der Kommission" angenommen. Sowohl die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit als auch der Nationalrat schlossen sich dem Beschluss des Ständerates ohne Diskussion an (Protokoll der Sitzung der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 27./28. März 2003, S. 36 f.; AB 2003 N 631).
3.2
Das BSV beschreibt in seinen Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 75 vom 2. Juli 2004 die Wirkung von lit. f Abs. 1-3 im Wesentlichen wie folgt: Eine bereits am 1. Januar 2005 laufende Rente wird vom alten Recht beherrscht. Ebenso wird eine Rente, die nach altem Recht entstanden ist und unter dem neuen Recht ausgerichtet wird, nach dem alten Recht berechnet. Bis zum 31. Dezember 2006 werden im BVG keine Viertels- und Dreiviertelsrenten existieren. Entsprechend werden bezüglich der laufenden Renten und für die während der Zeitspanne von zwei Jahren (vom 1. Januar 2005 - Inkrafttreten der Gesetzesänderung - bis 1. Januar 2007) entstehenden Renten keine Dreiviertels- und Viertelsrenten zur Auszahlung gelangen. Sollte sich der Invaliditätsgrad in dieser Zeit bis zu 50 % vermindern, wird die bisherige volle Rente beibehalten.
In den Mitteilungen über die berufliche Vorsorge Nr. 78 vom 9. Dezember 2004 hat das BSV zu lit. f eine synoptische Tabelle veröffentlicht. Aus dieser erhellt, dass eine Rente, die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung entstanden ist, in masslicher Hinsicht keine Anpassung erfährt. Die Höhe der Rente richtet sich auch nach Inkrafttreten der neuen Ordnung am 1. Januar 2005 nach der altrechtlichen Abstufung. Wer also bereits vor dem 1. Januar 2005 einen Invaliditätsgrad von 66 2/3 % aufweist, hat weiterhin Anspruch auf eine volle Invalidenrente (Abs. 1). Ändert sich der Invaliditätsgrad während der Übergangsperiode - sei es nach oben oder nach unten - oder entsteht erst während dieser zweijährigen Frist eine Invalidität, so gelangt ebenfalls das altrechtliche Regime zur Anwendung. Dies heisst, dass bei einer Revision in der Zeit zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 1. Januar 2007 kein Rentenanspruch mehr besteht oder ein solcher bei einer neu entstandenen Invalidität von vornherein nicht gegeben ist und auch nach dem 1. Januar 2007 nicht gegeben sein wird, wenn der Invaliditätsgrad weniger als 50 % beträgt. Steigt demgegenüber der Invaliditätsgrad in der besagten Übergangsperiode von 50 % auf mindestens 66 2/3 % an, besteht neu
BGE 140 V 207 S. 211
ein Anspruch auf eine volle Invalidenrente, und zwar über den 1. Januar 2007 hinaus (Abs. 2). Vermindert sich schliesslich der Invaliditätsgrad einer laufenden Rente nach dem Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist, so unterliegt auch diese Revisionskonstellation dem bisherigen Recht. Sinkt der Invaliditätsgrad nach dem 1. Januar 2007 unter 50 %, entfällt somit der Rentenanspruch. Erhöht sich dagegen der Invaliditätsgrad, richtet sich der Rentenanspruch nach der neuen Abstufung (Abs. 3).
3.3
Das Bundesgericht hatte bereits Gelegenheit, zum Gehalt von lit. f Stellung zu nehmen. Dabei ist es nicht in allen Belangen der Auffassung des BSV gefolgt. Insbesondere hat es erwogen, dass lit. f Abs. 2 sich nur auf BVG-Rentenansprüche bezieht, die in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 entstanden sind. Anders als für altrechtlich begründete Leistungsansprüche ist für sie die Anwendbarkeit des neuen Rechts nicht ausgeschlossen, sondern intertemporalrechtlich für eine bestimmte Zeit suspendiert. Per 1. Januar 2007 sind sie entsprechend der neuen Rentenabstufung anzupassen, ohne dass es einer revisionsrechtlich erheblichen Änderung des Invaliditätsgrades bedarf (
BGE 135 V 319
E. 3.2 S. 322 ff.; SVR 2011 BVG Nr. 41 S. 155, 9C_1049/2010 E. 3). Auf der anderen Seite hat das Bundesgericht bestätigt, dass für einen vor dem 1. Januar 2005 entstandenen Rentenanspruch die altrechtliche Rentenabstufung (mit voller oder halber Rente) massgebend ist. In einem solchen Fall hat die versicherte Person bei einem Invaliditätsgrad unter 50 % keinen Anspruch auf eine BVG-Invalidenrente. Ein solcher entsteht auch nach Inkrafttreten der neuen Rentenabstufung nicht (SVR 2011 BVG Nr. 41 S. 155, 9C_1049/2010 E. 3), es sei denn, der Invaliditätsgrad verändere sich nach dem 1. Januar 2007 revisionsrechtlich erheblich (Urteil 9C_1027/2008 vom 10. August 2009 E. 6.1).
4.
4.1
Im vorliegenden Fall ist der ursprüngliche Invaliditätsgrad von 100 % während der zweijährigen Übergangsperiode - per 1. Juli 2006 - auf 44 % gesunken. Zwar erliess die Invalidenversicherung auf dieses Datum hin eine neue Verfügung (vgl. Sachverhalt lit. A). Prinzipiell macht es jedoch keinen Unterschied, ob sie im Oktober 2007 zunächst eine befristete Rente bis Ende Juni 2006 zusprach und später separat über die unmittelbar anschliessende Zeit verfügte oder ob sie dannzumal eine einzige, dafür abgestufte Rentenverfügung erlassen hätte. Ist der Rentenanspruch einer bestimmten Stufe
BGE 140 V 207 S. 212
(vgl.
Art. 28 Abs. 2 IVG
) einmal entstanden, richtet sich der Übergang auf eine Invalidenrente anderer Stufe nicht mehr nach Art. 28 Abs. 1 lit. b i.V.m.
Art. 29 Abs. 1 IVG
, sondern nach den revisionsrechtlichen Bestimmungen von
Art. 17 ATSG
(SR 830.1) sowie
Art. 88a und
Art. 88
bis
IVV
(SR 831.201). Dies gilt auch bei der (rückwirkend erfolgten) abgestuften und/oder befristeten Rentenzusprechung, wobei diesbezüglich
Art. 88
bis
IVV
nicht anwendbar ist (ULRICH MEYER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 2. Aufl. 2010, S. 363 mit Hinweis auf
BGE 109 V 125
). Es steht daher nicht eine Invalidenrente zur Diskussion, die während der Übergangsfrist vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2006 entstanden ist. Vielmehr ist eine Invalidenrente zu beurteilen, die im Sinne von lit. f Abs. 1 vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zu laufen begonnen hat. Gleichzeitig steht fest, dass die Anwendung von lit. f Abs. 2 von vornherein ausscheidet (vgl. E. 3.3).
4.2
Nachdem hier der Rentenanspruch vor der Änderung von
Art. 24 BVG
entstanden ist resp. die Invalidenrente vor dem 1. Januar 2005 zu laufen begonnen hat, bleibt grundsätzlich das bisherige Recht anwendbar (lit. f Abs. 1). Eine Ausnahme ergibt sich aus lit. f Abs. 3 e contrario. Danach gilt das neue Recht mit der feineren Rentenabstufung, wenn der Invaliditätsgrad bei einer Revision steigt (GEISER/SENTI, in: BVG und FZG, Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], 2010, N. 20 S. 1490; JÜRG BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 2046 Rz. 115; BRECHBÜHL/SCHNYDER: Änderung bei den Leistungen der beruflichen Vorsorge, SZS 2005 S. 50; vgl. auch ISABELLE VETTER-SCHREIBER, BVG, FZG: Kommentar, 3. Aufl. 2013, S. 337). In concreto war dies für die Zeit vom 1. August 2007 bis zum 31. Januar 2008, also nach Ablauf der Übergangszeit Ende Dezember 2006, der Fall, als sich der Invaliditätsgrad von 44 % wieder auf 100 % erhöhte. Diese Erhöhung unterliegt demnach - was auch die Beschwerdeführerin nicht zu bestreiten scheint - der neuen, am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Ordnung.
4.3
Streitig ist dagegen, nach welchem Recht - dem bisher, bis Ende Dezember 2004 anwendbaren oder dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen - sich der Umstand richtet, dass der Invaliditätsgrad per 1. Februar 2008 wieder auf 44 % gesunken ist. Der in E. 4.2 zitierten Lehre lässt sich dazu nichts Explizites entnehmen. Wohl handelt es sich vorliegend um eine laufende Rente, für die nach Ablauf der Übergangsfrist Ende Dezember 2006 nicht automatisch die neue
BGE 140 V 207 S. 213
Rentenabstufung gilt (vgl. E. 4.1 in fine). Mithin mutiert sie infolge der(zwischenzeitlichen) Erhöhung des Invaliditätsgrades nicht zu einer "neuen" Rente, die per se dem geltenden (neuen) Recht unterliegt. Indes besagt die Wendung "noch" in lit. f Abs. 3 - im Umkehrschluss - unmissverständlich, dass ab dem Zeitpunkt, in dem eineErhöhung des Invaliditätsgrades gegeben ist, fortan neues Recht zur Anwendung gelangt. Triftige Gründe, die ein Abweichen vom klaren Wortlaut rechtfertigen, finden sich keine (vgl. dazu
BGE 140 V 15
E. 5.3.2 S. 18; vgl. auch E. 3.1). Dass eine spätere Verringerung des Invaliditätsgrades wieder einen Wechsel von der neuen zur altrechtlichen Regelung zeitigen soll, was mit Sinn und Zweck einer Übergangsbestimmung kaum vereinbar scheint (vgl. MÜLLER/UHLMANN, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 3. Aufl. 2013, S. 220 Rz. 348 viertes Lemma), ist weder sachlich geboten noch sieht die Übergangsbestimmung Entsprechendes vor. Lit. f Abs. 3 dient der Besitzstandswahrung für Rentenansprüche, die bis zum 31. Dezember 2004 entstanden sind (HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, S. 320 f. Rz. 881). Bei Erhöhung des Invaliditätsgrades bedarf es keiner solchen. Vielmehr wird im Moment, in demsich der Invaliditätsgrad erhöht, der Grundsatz der Nichtrückwirkung von lit. f Abs. 1 durchbrochen. Konsequenterweise richtet sichdas Rentenverhältnis von da an nach dem neuen Recht. Bei dieser - unterschiedlichen - Sach- und Rechtslage kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht von rechtsungleicher Behandlung oder Willkür gesprochen werden. Im Übrigen sind Bundesgesetze für das Bundesgericht massgebend (
Art. 190 BV
). | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
82a25cc3-92fa-41a1-aef2-f0c3d8582084 | Urteilskopf
93 II 453
58. Arrêt de la Ire Cour civile du 19 décembre 1967 dans la cause Grobéty contre S.I. Pont Bessières-Terrasse SA | Regeste
Miete. Abtretung. Wert der Kundschaft.
1. Der Vertrag über die Überlassung von Geschäftsräumlichkeiten zum Gebrauch ist eine Miete (Erw. 1 und 4).
2. Die Weigerung des Vermieters, eine von seiner Zustimmung abhängig gemachte Abtretung der Miete zu gestatten, muss durch ernsthafte Gründe gerechtfertigt sein. Anforderungen an den Schadensnachweis gemäss
Art. 42 Abs. 2 OR
. (Erw. 2).
3. Ist der Vermieter beim Ablauf der Mietdauer ungerechtfertigt bereichert um den Wert der Kundschaft des vom Mieter betriebenen Geschäftes? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 454
BGE 93 II 453 S. 454
A.-
Par contrat du 3 juin 1952, la S.I. Pont Bessières-Terrasse SA a remis à bail à dame Jaquet, dans l'immeuble no 4 de la rue Curtat à Lausanne, des locaux destinés à un caférestaurant devant porter l'enseigne de "Café de l'Evêché". Deux ans auparavant, le café exploité au même endroit avait été fermé et durant cet intervalle l'immeuble avait été démoli puis reconstruit. Le bail a été conclu pour une durée de douze ans dès le 24 juin 1952. Il était renouvelable d'année en année par tacite reconduction, si aucune des parties ne le résiliait, moyennant un congé donné six mois avant son expiration. Sous réserve d'un minimum annuel de 11 000 fr., le loyer était arrêté à 8 1/2% du chiffre d'affaires. La locataire prenait à sa charge l'ameublement et l'installation de l'établissement dont les locaux étaient nus. Elle a investi de ce chef une somme de 66.841 fr. 90. Le contrat renfermait sous chiffre 6 la clause suivante: "La locataire exploitera elle-même le café-restaurant ... Elle ne pourra faire gérer son établissement par un tiers sans le consentement écrit de la société propriétaire".
BGE 93 II 453 S. 455
Dès 1955, dame Jaquet a cherché à remettre le café de l'Evêché. Les pourparlers engagés à ce sujet avec dame Charpilloz, disposée à lui payer 105 000 fr., n'ont pas abouti. L'année suivante, Vallotton s'est intéressé à la reprise du café-restaurant. Dame Jaquet exigea un prix de 120 000 fr. Vallotton désirait aussi racheter l'immeuble. Il a renoncé à cette affaire et reprit un autre établissement.
Par lettre de son avocat du 29 octobre 1958, la société a informé le mandataire de dame Jaquet qu'elle consentirait éventuellement à une "cession du bail" à un tiers et serait alors d'accord de payer à sa locataire la contre-valeur de l'agencement du café, qui serait fixée par des experts, ainsi qu'un montant de 15 000 fr. pour le goodwill. Cette offre n'a pas été acceptée.
Au printemps 1960, dame Jaquet est tombée malade. Des pourparlers furent engagés pour examiner comment une remise de l'établissement pourrait intervenir. Ils n'ont pas abouti à un accord. La société désirait procéder elle-même à l'opération, quitte à verser un "goodwill équitable" à dame Jaquet. De son côté, celle-ci préférait réaliser l'affaire pour son compte et s'entendre par la suite avec la société au sujet d'une "ristourne éventuelle". En janvier 1961, les parties ont fait appel à un expert. Au mois de juin, celui-ci leur a suggéré de se mettre d'accord sur un programme qui permettrait de réunir les conditions les plus favorables en vue de la remise du café. Sa proposition impliquait la conclusion d'un bail de longue durée. Elle ne convint pas à la société.
Le 7 octobre 1961, dame Jaquet a informé la société que Clément s'intéressait à la reprise du café pour 170 000 fr. moyennant la signature d'un bail de quinze ans. Le 10 novembre, la société lui fit savoir qu'elle ne désirait entrer en pourparlers ni avec Clément, ni avec quiconque d'autre. Elle disait vouloir s'en tenir au contrat de bail en vigueur, en particulier à sa clause 6. Par lettre du 23 novembre, le conseil de dame Jaquet a avisé la société que l'état de santé de sa cliente était devenu alarmant et qu'il était urgent de trouver un acquéreur si l'on voulait éviter la fermeture de l'établissement. Eu égard à la position qu'elle avait adoptée le 10 novembre, il l'a sommée de s'occuper elle-même de cette remise à des conditions qui seraient agréées par sa cliente. Il ajoutait: "A ce défaut nous nous verrons obligés de rendre la société responsable du dommage résultant pour Mme Jaquet du fait qu'elle n'aura pas pu remettre son
BGE 93 II 453 S. 456
établissement et qu'elle se trouvera ainsi exposée à perdre à la fois le montant de ses investissements et la valeur de la clientèle créée par ses soins". La société a répondu le 11 janvier 1962 qu'elle entendait que dame Jaquet exécutât le bail jusqu'à son expiration, au besoin avec l'aide d'un gérant pendant sa maladie.
Par la suite, l'état de santé de dame Jaquet s'est amélioré. La société l'a laissée poursuivre l'exploitation du café-restaurant jusqu'au 31 octobre 1964 après avoir résilié le bail pour le 30juin.
Elle a refusé de lui payer un goodwill et lui a acheté le matériel et le mobilier de l'établissement pour 22 000 fr. Dès le 1er novembre 1964, le café de l'Evêché a étéloué à un nouveau preneur, qui n'a versé aucune indemnité à titre de reprise du fonds de commerce, ni à la société ni à dame Jaquet.
B.-
Le 13 novembre 1964, dame Jaquet a assigné la S.I. Pont Bessières-Terrasse SA devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois en paiement de 100 000 fr. avec intérêt à 5% dès le 1er novembre 1964. La défenderesse a conclu au rejet de la demande.
Une expertise a été ordonnée, afin notamment de déterminer la valeur vénale de l'entreprise au terme du bail. L'expert l'a fixée à 48 000 fr. Ce montant comprend 5000 fr. pour le stock de marchandises, 22 900 fr. pour le mobilier et le matériel et 20 100 fr. pour le fonds de commerce.
Le 18 juillet 1966, la demanderesse est décédée. Son fils Jean-Pierre Grobéty a pris sa place au procès.
Par jugement du 4 septembre 1967, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté la demande.
C.-
Agissant par la voie du recours en réforme, le demandeur prie le Tribunal fédéral de lui allouer 20 000 fr. avec intérêt à 5% dès le 1er novembre 1964. La défenderesse conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le bail à ferme porte sur un bien ou un droit productif (art. 275 CO). Il se distingue par son objet du bail à loyer où la chose est louée sans égard à sa productivité. Lorsqu'une personne loue des locaux pour y exploiter une entreprise, les profits qu'elle peut ainsi réaliser ne découlent pas de l'usage même de la chose mais de l'exercice de son activité. On est alors en présence d'un bail à loyer (RO 33 II 604/605, 68 II 239 consid. 1). La situation est différente si le preneur des locaux afferme du
BGE 93 II 453 S. 457
bailleur l'entreprise que celui-ci y exploitait. Dans un tel cas, le contrat se rapporte notamment à un ensemble de droits productifs et l'on a affaire à un bail à ferme (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 3 des remarques préliminaires ad art. 253-304 CO; BECKER, n. 3 ad art. 275 CO).
Partant, en l'espèce, les relations entre les parties sont régies par les règles du bail à loyer.
2.
L'autorité cantonale a considéré que l'échec des pourparlers engagés en 1955 avec dame Charpilloz puis l'année suivante avec Vallotton n'était pas dû au fait de la défenderesse. Ce point n'est pas remis en cause par le recourant. Celui-ci admet aussi qu'en 1961 Clément ne s'intéressait pas à la simple cession de son bail, résiliable au 24 juin 1964, puisqu'il désirait un bail d'une durée de quinze ans.
Par lettre du 10 novembre 1961, la défenderesse a informé dame Jaquet qu'elle ne désirait entrer en pourparlers ni avec Clément ni avec quiconque d'autre. Le recourant fait valoir qu'en refusant dès ce moment-là de consentir à toute cession de bail, la défenderesse lui a causé un dommage que le juge devrait fixer conformément à l'art. 42 al. 2 CO. La cour cantonale a estimé que la clause 6 du contrat du 3 juin 1952 n'avait pas pour effet d'interdire la cession du bail. Il n'est pas nécessaire d'examiner si cette opinion est fondée, car, comme on va le voir, les dommages-intérêts que le recourant réclame sur la base d'une violation de l'art. 264 CO ne sauraient lui être alloués.
a) La cession du bail au sens de l'art. 264 CO consiste dans la faculté du preneur de céder son droit d'usage à un tiers. Elle ne confère pas au preneur le droit d'exiger du bailleur qu'il le libère de ses obligations. Elle crée des rapports contractuels directs entre le bailleur et le cessionnaire. Ces effets se produisent de par la loi, indépendamment du consentement du bailleur (RO 81 II 349 consid. 1). L'art. 264 CO ne subordonne pas la cession du bail à l'assentiment du bailleur. Il importe peu par conséquent que la défenderesse ait déclaré à ce propos qu'elle entendait ne plus entamer de pourparlers avec personne. La cession pouvant intervenir sans son accord, elle n'était pas tenue de le donner, ni d'engager des pourparlers à ce sujet. Du moment où la demanderesse estimait être au bénéfice du droit de céder son bail, elle n'avait qu'à l'exercer.
b) Du point de vue de l'art. 264 CO, la responsabilité contractuelle de la défenderesse ne pourrait être engagée que dans
BGE 93 II 453 S. 458
l'hypothèse où, de par la volonté des parties, la cession du bail eût été soumise à l'autorisation du bailleur. Dans un tel cas, la jurisprudence exige que le refus du bailleur de consentir à la cession soit justifié par des motifs sérieux (Sem.jud. 1950 p. 534). Si l'autorisation sollicitée est indûment refusée, il est possible, suivant les circonstances, que le locataire éprouve de ce fait un certain préjudice.
En l'espèce, la lettre de la défenderesse du 10 novembre 1961 constitue un refus pur et simple de consentir à une cession du bail. Selon la cour cantonale, ce refus n'a pas causé de dommage à la demanderesse, car celle-ci n'a pas démontré qu'elle aurait eu depuis lors la possibilité de remettre son commerce à un tiers en lui cédant son bail. Le recourant critique ce point de vue. Il fait valoir qu'en raison de l'attitude de la défenderesse, toute recherche d'amateurs était d'emblée vouée à l'échec et requiert l'application de l'art. 42 al. 2 CO. Le comportement de la défenderesse, il est vrai, pouvait, le cas échéant, dissuader dame Jaquet de poursuivre ses démarches et l'empêcher ainsi de réaliser un gain. Le fait qu'elle n'ait pas prouvé d'autres occasions de céder son bail n'est donc pas décisif. En vertu de l'art. 42 al. 2 CO, applicable non seulement à la détermination du montant du dommage mais aussi à sa survenance, le préjudice est tenu pour établi lorsque les indices fournis par le dossier permettent, en considération du cours ordinaire des choses, de conclure à son existence (RO 81 II 55). Cette conclusion, cependant, doit s'imposer avec une certaine force (RO 40 II 355, 42 II 135 consid. 2, 60 II 131). Il ne suffit pas que la résiliation du dommage paraisse simplement vraisemblable.
La demanderesse a allégué que, dès le printemps 1960, la difficulté de remettre l'établissement était due à l'expiration relativement proche du bail. De même, dans sa lettre du 23 novembre 1961, le conseil de dame Jaquet a relevé que l'opposition de la société à une prolongation du bail rendait les propositions de l'expert pratiquement irréalisables; le jugement déféré constate également qu'à l'époque où dame Jaquet était malade, la cession était subordonnée à la prolongation du bail. D'autre part, alors que la défenderesse lui avait déjà manifesté son intention de ne pas consentir à une prolongation du bail, la demanderesse lui a présenté, en octobre 1961, un amateur qui exigeait la signature d'un bail d'une durée de quinze ans. Enfin, selon l'appréciation de la cour cantonale, il est très peu vraisemblable
BGE 93 II 453 S. 459
qu'un tiers se fût intéressé à la cession du bail dès le mois de novembre 1961, si son échéance était maintenue. Ces éléments ne permettent pas de dire que la demanderesse ait sérieusement envisagé de remettre son commerce à un tiers à partir de 1961, en lui cédant un bail résiliable au 24 juin 1964, ni d'établir par conséquent que l'attitude prise par la société le 10 novembre 1961 l'ait réellement dissuadée de tenter cette opération. Cela étant, on ne peut admettre que le refus de la société de consentir à la cession du bail ait causé un dommage à la demanderesse.
3.
Le recourant prétend que la société a agi avec "une mauvaise foi évidente, dans l'unique but de s'approprier sans bourse délier le commerce créé par dame Jaquet". C'est pour cette raison qu'elle n'aurait pas pris en considération les offres de reprise du bail. Ce grief est sans pertinence. En effet, on a vu que le refus de consentir à une cession du bail, dans la mesure où il n'était éventuellement pas justifié, n'a pas causé de dommage à la demanderesse.
Selon le recourant, la "mauvaise foi" de la société consiste aussi dans le fait que "jusqu'au moment de l'expiration du bail, elle a toujours laissé dame Jaquet dans l'idée qu'une certaine somme lui serait payée pour la valeur du fonds de commerce". La société, il est vrai, avait offert le 29 octobre 1958 de verser un montant de 15 000 fr. pour le goodwill. En 1960 également, elle avait proposé de se charger de la remise du commerce, quitte à payer un goodwill équitable. Mais ces offres n'ont pas été acceptées. Au demeurant, elles concernaient le cas d'une remise de l'établissement en cours de bail et il ne ressort pas dujugement déféré que la société ait jamais pris l'engagement de payer à la demanderesse une indemnité quelconque à l'expiration du bail.
4.
Le recourant fonde enfin son action sur l'art. 62 CO. Il prétend que la société s'est enrichie de la valeur du fonds de commerce que l'expert judiciaire a fixée à 20 000 fr. Ce montant représenterait la valeur de la clientèle créée par dame Jaquet.
Pour un commerçant, la clientèle consiste dans la possibilité de fournir ses prestations à un nombre indéterminé de personnes. Source principale de son revenu, elle représente à ses yeux une valeur certaine. Celle-ci dépend de divers éléments. Elle est afférente en premier lieu à la personne du commerçant. Suivant le genre de commerce, elle est due aussi à l'emplacement ou à d'autres facteurs propres aux locaux dans lesquels une activité économique est exercée. Lorsque les locaux sont loués, la part
BGE 93 II 453 S. 460
de la valeur de la clientèle qui leur est ainsi attachée appartient au bailleur (RO 68 II 240). En revanche, celle qui tient uniquement aux qualités personnelles de l'exploitant le suivra et s'éteindra avec lui. Cela étant, on ne voit pas comment la défenderesse aurait pu s'enrichir d'une valeur qui, dans la mesure où elle ne lui appartenait pas entièrement, a disparu avec le départ de dame Jaquet. Certes un bailleur peut avoir intérêt à ce que le locataire exploite son commerce. Il est possible, en effet, suivant les circonstances, que la valeur de la clientèle inhérente à la chose louée se détériore dès que le locataire cesse son activité (RO 41 II 730 consid. 3, 68 II 240). Il n'est donc pas exclu que, par l'exploitation du café de l'Evêché, dame Jaquet ait procuré un certain avantage à la défenderesse. Toutefois et pour autant qu'elle soit concevable, une telle attribution ne serait pas sans cause. Elle trouverait son fondement dans l'obligation d'exploiter que la clause 6 du contrat lui imposait.
La jurisprudence considère que le bail à loyer qui porte sur des locaux affectés à un usage commercial est à la limite du bail à ferme (RO 28 II 243). Examinées à la lumière des dispositions qui régissent ce contrat, les prétentions du recourant doivent aussi être rejetées. En effet, selon l'art. 298 al. 3 CO, le fermier n'a droit à aucune récompense pour les améliorations qui sont uniquement le résultat des soins qu'il devait à la chose. Il ne peut donc réclamer une indemnité que si la plus-value résulte de soins dépassant ses obligations (RO 75 II 46). Cette condition n'est pas remplie en l'espèce. Il n'est pas prétendu ni établi que la demanderesse soit allée au-delà de ses obligations et que les locaux mis à sa disposition aient de ce fait acquis une plus-value.
Il convient enfin de relever qu'au contraire de certaines législations étrangères, le droit suisse ignore la notion de la propriété commerciale, qui assure une protection particulière à celui qui exerce une activité commerciale dans des locaux loués. Les initiatives prises en faveur d'une réglementation légale du bail commercial n'ont pas abouti jusqu'à maintenant (JEANPRETRE, Le bail commercial, Rapport établi à la demande du Département fédéral de justice et police, 1958). L'absence de cette institution en droit suisse ne constitue pas une lacune que le juge devrait combler.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement rendu le 4 septembre 1967 par la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois. | public_law | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
82a3e3c4-bd68-44db-9f62-185cf68208db | Urteilskopf
116 IV 101
20. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 20 juin 1990 dans la cause G. c. Ministère public du canton de Vaud (recours en nullité) | Regeste
Art. 13 Abs. 2, 43 Ziff. 1 Abs. 3 und Ziff. 2 Abs. 2 StGB (ambulante Behandlung).
- Der Richter muss auch hinsichtlich der Frage, ob im Hinblick auf eine ambulante Behandlung der Vollzug der Strafe aufzuschieben sei oder nicht, ein Gutachten einholen.
- Gelangt der Richter aufgrund der Expertise zum Schluss, dass die Erfolgsaussichten der ambulanten Behandlung durch den sofortigen Strafvollzug ernstlich beeinträchtigt würden, entscheidet er in Würdigung der gesamten Umstände, ob der Vollzug der Strafe aufzuschieben sei (
Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
). | Erwägungen
ab Seite 101
BGE 116 IV 101 S. 101
Considérant en droit:
1.
a) D'après l'
art. 43 ch. 1 CP
, lorsque l'état mental d'un délinquant ayant commis, en rapport avec cet état, un acte punissable de réclusion ou d'emprisonnement en vertu du code
BGE 116 IV 101 S. 102
pénal, exige un traitement médical ou des soins spéciaux (à l'effet d'éliminer ou d'atténuer le danger de voir l'accusé commettre d'autres actes punissables), le juge peut ordonner un traitement ambulatoire, si le condamné n'est pas dangereux pour autrui.
Dans ce cas, le juge peut suspendre l'exécution de la peine si celle-ci n'est pas compatible avec le traitement (
art. 43 ch. 2 al. 2 CP
).
La suspension n'est donc possible que si l'exécution de la peine n'est pas compatible avec le traitement ambulatoire. La jurisprudence a précisé qu'il fallait que l'exécution de la peine empêche l'accomplissement du traitement ou amoindrisse notablement ses chances de succès (
ATF 115 IV 89
consid. 1a et b, 93 consid. d,
ATF 107 IV 23
consid. 4c,
ATF 105 IV 88
consid. 2b). Il n'est toutefois pas nécessaire, pour qu'une suspension soit possible, que le traitement pendant l'exécution soit totalement impossible ou dépourvu de chances de succès (ATF
ATF 115 IV 89
consid. 1b).
Le Tribunal fédéral a déduit du texte légal et des travaux préparatoires qu'en règle générale la peine devait être exécutée immédiatement et qu'il fallait procéder au traitement ambulatoire simultanément. Malgré certaines critiques dans la doctrine, cette jurisprudence a été maintenue (
ATF 105 IV 88
ss consid. 2).
Même si le juge parvient à la conclusion que le traitement ambulatoire ne peut pas être appliqué en cours de détention ou que ses chances de succès en seraient notablement amoindries, l'
art. 43 ch. 2 al. 2 CP
ne lui fait pas l'obligation - à la différence de l'
art. 43 ch. 2 al. 1 CP
qui a une formulation impérative - de suspendre l'exécution de la peine. La suspension de l'exécution n'est qu'une faculté laissée au juge (
ATF 105 IV 88
consid. 2b). Le législateur a ainsi conféré un large pouvoir d'appréciation au juge et le Tribunal fédéral ne peut intervenir, en considérant le droit fédéral comme violé, qu'en cas d'abus ou d'excès du pouvoir d'appréciation (
ATF 107 IV 22
consid. b,
ATF 105 IV 91
consid. 3,
ATF 101 IV 275
consid. 1a). Le juge doit prendre sa décision en tenant compte de toutes les circonstances du cas d'espèce, en particulier des chances de succès du traitement, des effets que l'on peut escompter de l'exécution de la peine, ainsi que du besoin ressenti par le corps social de réprimer les infractions (voir
ATF 115 IV 89
/90, 93 consid. 3d, 105 IV 87).
b) La question se pose de savoir dans quelle mesure le juge doit s'entourer de l'avis d'un expert pour décider, en cas de traitement
BGE 116 IV 101 S. 103
ambulatoire, s'il y a lieu ou non de suspendre l'exécution de la peine.
L'
art. 13 al. 1 CP
oblige le juge à ordonner l'examen de l'inculpé s'il y a doute quant à sa responsabilité ou si une information sur son état physique ou mental est nécessaire pour décider une mesure de sûreté. Les experts doivent se prononcer sur la responsabilité de l'inculpé, ainsi que sur l'opportunité et les modalités d'une mesure de sûreté selon les art. 42 à 44 (
art. 13 al. 2 CP
). S'agissant plus précisément de la mesure prévue par l'
art. 43 CP
, le juge doit rendre son jugement au vu d'une expertise sur l'état physique et mental du délinquant, ainsi que sur la nécessité d'un internement, d'un traitement ou de soins (
art. 43 ch. 1 al. 3 CP
).
S'il est vrai qu'aucune disposition ne prévoit expressément l'obligation de procéder à une expertise sur la compatibilité d'un traitement ambulatoire avec l'exécution d'une peine et sur les chances de succès d'un traitement ambulatoire en cas de suspension de l'exécution, il résulte néanmoins des dispositions légales citées, telles qu'elles doivent être interprétées, que le législateur a tenu à ce que le juge recueille l'avis d'un expert sur tout ce qui relève de la science et concerne l'exécution ou les modalités d'une mesure de sûreté.
Savoir si un traitement ambulatoire, dans son accomplissement ou ses chances de succès, serait rendu vain ou sérieusement entravé par l'exécution d'une peine relève largement de la science qui régit le traitement lui-même. Dans la mesure où l'avis d'un expert apparaît utile pour trancher une question pertinente relevant d'une mesure de sûreté, il faut déduire des dispositions citées que le droit fédéral oblige le juge à recueillir l'avis de l'expert. Pour décider de suspendre ou non l'exécution d'une peine en vue d'un traitement ambulatoire, la doctrine et la jurisprudence se sont clairement exprimées dans ce sens (
ATF 115 IV 89
consid. 1c, 94 consid. 3d,
ATF 101 IV 128
consid. 3b, 271 consid. 1; SCHULTZ, Allg. Teil II, 4e éd. Berne 1982 p. 159; STRATENWERTH, Allg. Teil II, Berne 1989, No 89 p. 398; REHBERG, Fragen bei der Anordnung und Aufhebung sichernder Massnahmen nach StGB Art. 42-44, in RPS 93 - 1977 - p. 186 ch. 3).
2.
En l'espèce, l'autorité cantonale a estimé que le traitement ambulatoire pouvait commencer en cours de détention, de sorte que l'exécution de la peine n'était pas incompatible avec le traitement, ce qui exclut d'emblée - selon l'
art. 43 ch. 2 al. 2 CP
- une suspension de l'exécution.
BGE 116 IV 101 S. 104
Savoir si un traitement psychiatrique sera entravé, dans son application ou ses chances de succès, par une privation de liberté relève largement de la science médicale. Or, l'autorité cantonale ne disposait d'aucun avis sur ce point, la question n'ayant pas été posée aux experts. En décidant seuls des modalités d'une mesure, les premiers juges ont violé les art. 13 al. 2 et 43 ch. 1 al. 3 CP. L'arrêt attaqué doit donc être annulé et renvoyé à l'autorité cantonale pour nouvelle décision; celle-ci sera prononcée après qu'un avis d'expert sur la compatibilité du traitement avec l'exécution de la peine ainsi que sur les chances de succès du traitement aura été recueilli. On envisagera tout d'abord l'hypothèse d'une exécution immédiate de la peine, puis la suspension de l'exécution.
Si, après l'expertise, les juges parvenaient à la conclusion que le traitement ambulatoire serait sérieusement entravé par l'exécution immédiate de la peine, il n'en résulterait pas obligatoirement que la peine devrait être suspendue. Cela signifierait seulement que la condition posée par l'
art. 43 ch. 2 al. 2 CP
est réalisée et que la faculté prévue par cette disposition est ouverte. Pour déterminer s'ils entendent ou non en faire usage, les juges devront tenir compte de toutes les circonstances, notamment des chances de succès concrètes du traitement, de l'effet que l'on peut escompter de l'exécution de la peine, ainsi que de la nécessité ressentie par le corps social de réprimer les infractions. La cour de céans n'est pas tenue de se déterminer à ce stade, puisque cette question relève largement du pouvoir d'appréciation conféré au juge et que le Tribunal fédéral ne peut intervenir qu'en cas d'abus ou d'excès de celui-ci.
Il suffit de constater ici que les premiers juges ont exclu la suspension en considérant, sans l'avis d'experts, que le traitement était compatible avec l'exécution de la peine; si, après expertise, il se révèle que leur raisonnement est fondé sur des prémisses erronées, il appartiendra à l'autorité cantonale de faire en sorte que la question soit examinée à nouveau. | null | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82a46c6b-4641-4d9d-9ade-461598485512 | Urteilskopf
90 I 201
31. Arrêt du 11 novembre 1964 dans la cause Seinety contre Cour de justice du canton de Genève. | Regeste
Art. 86 und 87 OG
. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges.
Die in
Art. 184 Abs. 2 SchKG
vorgesehene Klage auf Zahlung ist ein kantonales Rechtsmittel, von dem Gebrauch zu machen ist vor der Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Entscheid, mit welchem in einer Wechselbetreibung der Rechtsvorschlag auf Grund von
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
bewilligt wurde (Erw. 1).
Art. 4 BV
, 181 und 182 Ziff. 4 SchKG. Willkür.
Nicht willkürlich ist
- die Annahme, dass die Nichtbeachtung der in
Art. 181 SchKG
vorgesehenen Frist von 5 Tagen die Bewilligung des Rechtsvorschlags nicht nichtig mache.
- die Gewährung einer Frist von einigen Tagen zur Hinterlegung der Sicherheiten gemäss
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
, sofern diese Frist vor dem Entscheid über die Bewilligung des Rechtsvorschlags abläuft (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 202
BGE 90 I 201 S. 202
A.-
En 1963 et 1964, la société Fingerco SA, à Genève, négocia avec un sieur H. Dialdas une opération financière en vue de la construction d'immeubles. Dialdas devait déposer pour cinq ans à l'Union de banques suisses une somme de 4 000 000 fr. suisses, fournie par des bailleurs de fonds inconnus pour être prêtée à Fingerco. Il s'était fait promettre un intérêt de 4% par l'UBS, un intérêt supplémentaire de 11/2% par Fingerco, ainsi qu'une commission de 21/2%.
Le 15 janvier 1964, L. Chaillet, administrateur de Fingerco, et Dialdas passèrent une convention. Chaillet accepta de remettre à Dialdas un effet de change de 127 000 fr. représentant les intérêts du 16 décembre 1963 au 31 janvier 1964 par 27 000 fr. et la commission de 2 1/2% par 100 000 fr. Il promit en outre d'obtenir une lettre de garantie de 300 000 fr. pour couvrir la différence d'intérêts entre le taux de 4% accepté par l'UBS et celui de 5 1/2% exigé par les bailleurs de fonds. Cette lettre devait être fournie avant le 31 janvier 1964, faute de quoi le montant de l'effet de change resterait définitivement acquis à Dialdas et aux prêteurs.
Le 30 janvier 1964, l'effet de 127 000 fr. fut remplacé par deux traites, l'une de 100 000 fr. au 31 mars 1964, l'autre de 27 000 fr. au 30 avril 1964. Le 31 janvier 1964, la société Imefbank fit savoir à Dialdas qu'elle acceptait de garantir le paiement de la somme de 300 000 fr. Dialdas refusa toutefois cette garantie. Le 17 février 1964, il céda
BGE 90 I 201 S. 203
les deux traites à un sieur Adly Yousseuf Seinety, juriste, "à valoir sur honoraires dus à son étude à Beyrouth". Finalement, il ne put apporter à l'UBS la preuve de l'origine suisse des fonds, de sorte que l'opération financière prévue échoua.
B.-
Seinety, se fondant sur les traites qui lui avaient été cédées, fit notifier à Fingerco deux poursuites pour effets de change, l'une le 10 avril 1964 pour 100 000 fr., l'autre le 19 juin 1964 pour 27 000 fr. Les deux commandements de payer furent frappés d'opposition.
L'opposition concernant la poursuite de 100 000 fr. fut transmise au Tribunal de première instance de Genève, chargé d'examiner sa recevabilité. Les parties furent convoquées le 14 avril 1964 à l'audience du 24 avril 1964. La cause fut toutefois suspendue pour permettre le jugement d'une plainte relative à la validité de la poursuite. Elle fut reprise dans une audience du 5 juin 1964. Ce jour-là, Fingerco se vit impartir un délai au 12 juin 1964 pour consigner le montant en poursuite, ce qu'elle fit dans le délai prescrit. De plus, les parties furent invitées à se présenter à une audience de comparution personnelle, fixée au 22 juin 1964. A cette dernière date, elles furent entendues, puis la cause fut renvoyée au 26 juin 1964 pour les plaidoiries. Celles-ci eurent lieu le jour prévu. Le Tribunal statua le 29 juin 1964 en admettant l'opposition, et en fixant à Seinety le délai de dix jours prévu par l'art. 184 al. 2 LP pour intenter son action en paiement.
L'opposition concernant la poursuite de 27 000 fr. fut également transmise au Tribunal de première instance. Fingerco consigna le montant de la créance en poursuite. Le Tribunal statua le 10 juillet 1964 en prenant la même décision que dans l'autre poursuite.
Saisie par Seinety, la Cour de justice du canton de Genève, se prononçant dans deux arrêts du 24 juillet 1964, confirma ces jugements.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public, Seinety requiert le Tribunal fédéral d'annuler les arrêts
BGE 90 I 201 S. 204
précités. Elle se plaint de diverses violations de l'art. 4 Cst.
La Cour de justice déclare s'en rapporter à justice. Fingerco conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Qu'il soit formé contre une décision finale ou contre une décision incidente, le recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. suppose l'épuisement préalable des moyens de droit cantonal (art. 86 et 87 OJ; RO 87 I 106). La notion de moyen de droit cantonal est large. Elle comprend non seulement les voies de recours ordinaires et extraordinaires (RO 89 I 126/127), mais, d'une façon plus générale, toutes les voies de droit par lesquelles il est possible d'éliminer le préjudice juridique allégué dans le recours de droit public (RO 84 I 171/172, 87 I 106).
En l'espèce, la juridiction cantonale a déclaré l'opposition recevable en vertu des art. 182 ch. 4 LP et 1007 CO. Elle a considéré que le recourant avait agi de mauvaise foi. Elle lui a imparti le délai de dix jours de l'art. 184 al. 2 LP pour intenter devant la juridiction ordinaire ses actions en paiement. De fait, le recourant a introduit ces procès. Ceux-ci sont précisément destinés à faire examiner par le juge le mérite de l'exception de mauvaise foi basée sur l'art. 1007 CO. Si le tribunal saisi considère que l'exception est mal fondée, il condamnera Fingerco à payer les sommes réclamées, à moins qu'elle ne doive être libérée pour une autre raison. Ainsi, les actions introduites par le recourant lui permettront, s'il a gain de cause, d'éliminer le préjudice juridique qu'il subit du fait de l'admission de l'opposition. Elles constituent dès lors des moyens de droit cantonal au sens des art. 86 et 87 OJ. Comme elles n'ont pas encore été jugées, l'exigence légale de l'épuisement des instances cantonales n'est pas remplie (cf. RO 82 I 81). Le recours de droit public est dès lors irrecevable dans la mesure où il a pour objet une violation prétendûment arbitraire des art. 182 ch. 4 LP et 1007 CO. Il n'y a pas
BGE 90 I 201 S. 205
lieu d'examiner si la solution serait la même dans l'hypothèse où l'opposition aurait été reçue en vertu des ch. 1, 2 ou 3 de l'art. 182 LP.
2.
Selon l'art. 181 LP, le juge statue sur la recevabilité de l'opposition "au plus tard dans les cinq jours". En l'espèce, il s'est prononcé sur la recevabilité de l'opposition à la poursuite de 100 000 fr. le 29 juin 1964, c'est-à-dire vingt-quatre jours après l'audience de reprise de cause du 5 juin. Le recourant y voit un déni de justice et une violation manifeste de la LP. La Cour de justice a écarté ce grief en exposant que l'inobservation par le juge du délai de l'art. 181 LP n'était pas un motif de nullité du prononcé. Cette opinion n'est pas arbitraire. Elle est défendue par de bons auteurs (JAEGER, rem. 5 ad art. 181). D'ailleurs, si le premier juge a statué trois semaines après la reprise de cause, c'est principalement pour pouvoir entendre les parties personnellement. Or, au regard de la complexité de l'affaire, cette mesure, prise dans l'intérêt des deux parties, pouvait être considérée comme justifiée, voire nécessaire (FRITZSCHE, vol. II, p. 23). Le grief présenté sur ce point est dès lors mal fondé.
Le recourant se réfère aussi à l'art. 182 ch. 4 LP, selon lequel l'opposant qui se prévaut de l'art. 1007 CO doit déposer "au préalable" le montant de l'effet en espèces ou autres valeurs. Il en conclut qu'il a été victime d'un acte arbitraire puisque, contrairement au texte clair de cette disposition, Fingerco a joui d'un délai d'une semaine pour consigner le montant en poursuite. Toutefois, interprété à la lettre, les termes "au préalable" signifient simplement que le dépôt doit être effectué avant le jugement. Tel a été le cas en l'espèce, la consignation ayant eu lieu le 12 juin, soit quinze jours avant le jugement. Au surplus, la doctrine et la jurisprudence ne prennent pas à la lettre les mots "au préalable". Elles admettent que l'opposant consigne les valeurs en cause dans un très court délai après le jugement, voire en seconde instance seulement (JAEGER, rem. 13 ad art. 182, y compris suppl. 1915;
BGE 90 I 201 S. 206
FRITZSCHE, vol. II p. 25). Le recourant ne peut dès lors se plaindre d'aucun acte arbitraire quant au délai accordé à l'intimé pour déposer avant le prononcé la somme liti. gieuse.
3.
La Chambre de céans aurait pu discuter la recevabilité du recours du point de vue de la nature de la décision attaquée et de ses effets (décision finale ou incidente, préjudice irréparable causé par cette décision dans le cas où elle serait incidente). Elle aurait pu faire de même quant à la qualité du recourant pour se plaindre du déni de justice consistant dans la violation de l'art. 181 LP, puisqu'en définitive un jugement a été rendu. Il n'y a pas lieu cependant de trancher ces questions, vu l'argumentation contenue dans les considérants 1 et 2 ci-dessus.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Rejette le recours en tant qu'il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
82a52247-e8bc-4532-b889-0d4cd29a0cf3 | Urteilskopf
133 III 568
74. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. British Broadcasting Corporation (BBC) und Swissperform gegen GGA-Maur (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_78/2007 vom 9. Juli 2007 | Regeste
Urheberrecht; Weitersenderecht der Sendeunternehmen (
Art. 37 lit. a URG
); Wahrnehmung des Verbotsrechts durch die Verwertungsgesellschaft (
Art. 22 Abs. 1 URG
); Gebot der Verwertung nach festen Regeln (
Art. 45 Abs. 2 URG
).
Die Ausübung der Verbotsansprüche der Sendeunternehmen erfolgt gemäss
Art. 38 URG
in Verbindung mit
Art. 22 Abs. 1 URG
zwingend durch die Verwertungsgesellschaft (E. 4). Die Verwertungsgesellschaft muss die Verwertung nach festen Regeln besorgen, die im Bereich der Rechtswahrnehmung durch den anwendbaren Tarif festgelegt werden; ein Instruktionsrecht des Sendeunternehmens für den Einzelfall ist ausgeschlossen (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 569
BGE 133 III 568 S. 569
A.
Die British Broadcasting Corporation (Beschwerdeführerin 1), ein Rundfunkunternehmen mit Sitz in Grossbritannien, sendet ihre Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis digital über den Satelliten Astra 2D, Pos. 28.2°, aus. Die Swissperform (Beschwerdeführerin 2) ist eine der konzessionierten Verwertungsgesellschaften im Sinn von
Art. 40 ff. des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG; SR 231.1)
. Sie nimmt diejenigen Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler, der Hersteller von Ton- und Tonbildträgern sowie der Sendeanstalten wahr, die nur über eine zugelassene Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können.
Die Genossenschaft GGA-Maur (Beschwerdegegnerin) betreibt eine Gemeinschaftsantennenanlage. Gemäss Handelsregisterauszug vom 16. Juni 2004 erstellt und betreibt sie auf gemeinnütziger Basis ein Kabelnetz (Antennenkabelnetz) mit eigener Kopfstation für das Gebiet der Gemeinde Maur und weiterer Gemeinden in der Region Greifensee - Pfannenstiel. Die Anlage dient dem Zweck, die angeschlossenen Haushaltungen mit Fernseh- und Radioprogrammen zu versorgen. Die Beschwerdegegnerin bietet ihren Abonnenten neben anderen Programmen auf einer digitalen Plattform auch die englischsprachigen Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis an.
A.a
Die Beschwerdeführerin 2 und die vier anderen konzessionierten Verwertungsgesellschaften haben einen gemeinsamen Tarif (im Folgenden: GT) 1 über die Entschädigung für die Verbreitung geschützter Werke und Leistungen in Kabelnetzen erlassen.
Nach Ziffer 2.1 des GT 1 in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung bezieht sich der Tarif
"auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen, soweit diese in Radio- und Fernsehprogrammen enthalten sind,
- die für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt sind und
- die in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten individuell empfangbar sind und
- die zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden (Art. 10 Abs. 2 lit. e i.V.m. Art. 22 Abs. 2 CH-URG [...])".
BGE 133 III 568 S. 570
In der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung lautet die Ziffer 2.1 des GT 1 wie folgt:
2.1 Definition der im Tarif geregelten Weitersendung
1
Dieser Tarif bezieht sich auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen in der Schweiz und/oder im Fürstentum Liechtenstein, unabhängig von der angewendeten Übertragungstechnologie, soweit diese Werke und Leistungen in Radio- und Fernsehprogrammen enthalten sind:
- die für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt sind und
- deren terrestrisch oder über Satellit verbreitetes Signal in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten (z.B. Satellitenschüssel von max. 1 m Durchmesser, Decoder in der Schweiz für Private legal erwerbbar) individuell empfangbar sind und
- die zeitgleich und unverändert weiterverbreitet werden
(im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e, Art. 33 Abs. 2 lit. b, Art. 35, Art. 37 lit. a und Art. 38 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 CH-URG [...]).
2
Verschlüsselte Programme fallen unter diesen Tarif, wenn der freie Empfang durch Privathaushalte in der Schweiz und/oder im Fürstentum Liechtenstein vom Programmveranstalter trotz Verschlüsselung gewährleistet wird.
3
Der Grundsatz der unveränderten Weiterverbreitung bedeutet, dass das Programm nicht verändert werden darf. Dieser Grundsatz bezieht sich auch auf die im Programm enthaltene Werbung.
4
Zeitgleich bedeutet, dass sich allfällige Zeitverschiebungen auf das von der verwendeten Übertragungstechnologie bedingte Mass beschränken.
Die Entschädigungen für die Verbreitung der Werke und Leistungen in den Kabelnetzen werden von der Suissimage eingezogen.
A.b
Mit E-Mail vom 30. Januar 2004 ersuchte die Swisscable Verband für Kommunikationsnetze (im Folgenden: Swisscable) die Suissimage um eine Bestätigung der Freistellung gemäss Ziffer 2.2 der damals gültigen Fassung des GT 1 mit der Begründung, BBC 1 und BBC 4 seien in der Schweiz frei empfangbar und die Voraussetzungen für die Abgeltung gemäss GT 1 daher gegeben. Mit E-Mail vom 4. Februar 2004 stellte sich die Suissimage auf den Standpunkt, das Einspeisen von BBC 1 und BBC 4 in Schweizer Kabelnetze stelle eine Erstverbreitung dar, da die Programme nicht für den Kontinent bestimmt seien. Hinsichtlich einer derartigen Erstverbreitung seien die Musikrechte über den GT 1 abgegolten, nicht aber die Rechte am Bildteil, die von Kabelbetreibern bei den einzelnen Rechteinhabern zu erwerben seien. Mit E-Mail vom 9. Februar 2004
BGE 133 III 568 S. 571
ersuchte die Swisscable erneut um eine Bestätigung, wonach der Empfang und die Weiterverbreitung der genannten Programme als Weitersendungen im Sinn des GT 1 und damit als abgegolten zu betrachten seien. Die Suissimage wies das Ersuchen wiederum mit der Begründung ab, das Einspeisen von BBC 1 und BBC 4 in Schweizer Kabelnetze stelle keine Weitersendung dar. Mit Schreiben vom 2. April 2004 ersuchte die Beschwerdeführerin 1 die Beschwerdegegnerin, BBC 1 und BBC 4 unverzüglich aus dem digitalen Angebot zu nehmen, worauf die Beschwerdegegnerin mitteilte, sie sei berechtigt, diese Programme weiterzusenden. Mit Schreiben vom 28. Mai 2004 hielt die Beschwerdeführerin 1 an ihrer Auffassung fest, BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis seien nicht für die Schweiz bestimmt und würden von den schweizerischen Kabelnetzbetreibern ohne Erlaubnis in die Netze eingespeist.
B.
Mit Klageschrift vom 18. Juni 2004 beantragten die Beschwerdeführerinnen dem Obergericht des Kantons Zürich, es sei der Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu verbieten, die Fernsehprogramme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis ohne Zustimmung einer der Beschwerdeführerinnen in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten.
Das Obergericht wies die Klagen mit Urteil vom 23. Februar 2007 ab. Es kam zum Schluss, die Beschwerdeführerin 1 könne ein ihr allfällig zustehendes Verbotsrecht nicht selbst, sondern nur über eine Verwertungsgesellschaft ausüben, weshalb ihre Klage abzuweisen sei. Die Verwertungsgesellschaft ihrerseits müsse die Verwertung gemäss
Art. 45 Abs. 2 URG
nach festen Regeln vornehmen. Verbote müssten deshalb sachlich gerechtfertigt sein und nach festen Regeln voraussehbar ausgesprochen werden. Dies werde missachtet, wenn sich die Verwertungsgesellschaft in einem konkreten Einzelfall auf den Willen und die individuelle Interessenlage eines einzelnen Sendeunternehmens berufe. Es lägen keine schützenswerten Gründe vor, welche die Verweigerung der Nutzungserlaubnis rechtfertigen würden. Darüber hinaus widersetze sich die Beschwerdeführerin 1 der Verbreitung ihrer Programme in der Schweiz durch Direktempfang nicht, obwohl sie dies mittels technischer Massnahmen mit zumutbarem Aufwand verhindern könnte. Die Anwendbarkeit des GT 1 setze nicht voraus, dass die Programme zur
Kabelweiterverbreitung
in der Schweiz bestimmt sein müssten. Die Programme ständen also mit dem stillschweigenden Einverständnis der Beschwerdeführerin 1 jedem Privaten in der Schweiz zur
BGE 133 III 568 S. 572
Verfügung und müssten damit im Sinn des GT 1 als für die Allgemeinheit in der Schweiz bestimmt gelten. Die Beschwerdeführerin 2 sei auch aus diesem Grund dazu verpflichtet, die Erlaubnis zur Weitersendung der über die Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis gesendeten Werke und Leistungen zu erteilen, weshalb ihre Klage abzuweisen sei.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 30. März 2007 beantragen die Beschwerdeführerinnen dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Februar 2007 sei aufzuheben und es sei der Beschwerdegegnerin unter Strafandrohung zu verbieten, die Fernsehprogramme BBC 1 und 4 sowie CBeebis ohne Zustimmung einer der Beschwerdeführerinnen in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Beschwerdeführerinnen werfen der Vorinstanz vor, die Klageberechtigung der Beschwerdeführerin 1 zu Unrecht abgelehnt zu haben.
Art. 22 Abs. 1 URG
komme auf die Weiterverbreitungsrechte der Sendeunternehmen nur unter dem Vorbehalt zur Anwendung, dass das Sendeunternehmen mit der Weiterverbreitung seiner Sendung einverstanden sei und die Verwertungsgesellschaft mit der Wahrnehmung dieser Rechte beauftragt habe.
4.1
Nach
Art. 37 lit. a URG
hat das Sendeunternehmen das ausschliessliche Recht, seine Sendung weiterzusenden. Dieses Recht gehört zu den in
Art. 33 ff. URG
geregelten sog. verwandten Schutzrechten, die jene Personen absichern, die vorhandene Werke wiedergeben oder Werkexemplare realisieren und damit unabdingbare Leistungen für die Vermittlung von Werken erbringen (AUF DER MAUR, in: Müller/Oertli, Urheberrechtsgesetz [URG], Stämpflis Handkommentar, N. 1 der Vorbem. zu
Art. 33-39 URG
). Für den Rechtsuntergang, die Zwangsvollstreckung und die Schranken des Schutzes dieser Rechte verweist
Art. 38 URG
auf die Bestimmungen, die die entsprechenden Urheberrechte behandeln. Mit Bezug auf das Weitersenderecht kommt demnach
Art. 22 URG
sinngemäss zur Anwendung.
4.2
Art. 22 Abs. 1 URG
bestimmt, dass die Rechte, gesendete Werke zeitgleich und unverändert wahrnehmbar zu machen oder im Rahmen der Weiterleitung eines Sendeprogramms weiterzusenden, nur über zugelassene Verwertungsgesellschaften geltend gemacht
BGE 133 III 568 S. 573
werden können. Der Wortlaut der Norm sieht eine selbständige Klageberechtigung der Urheber demnach nicht vor. Er entspricht damit dem Zweck der Norm, das Funktionieren des Kabelfernsehens zu ermöglichen, indem sie namentlich verhindert, dass einzelne Rechteinhaber durch die Ausübung ihres Verbotsrechts ganze Kabelnetze lahmlegen können (Botschaft zu einem Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte [Urheberrechtsgesetz, URG] vom 19. Juni 1989, BBl 1989 III 477, S. 543). Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 22 Abs. 1 zeigt, dass den Urhebern die Ausübungsbefugnis für das Weitersenderecht entzogen werden sollte. Der Bundesrat hatte in Art. 21 Abs. 1 seines Entwurfs eine gesetzliche Lizenz vorgesehen (Botschaft 1989, a.a.O., S. 543). Während dieser Vorschlag im Ständerat Zustimmung fand (AB 1991 S 115), folgte der Nationalrat diskussionslos dem Antrag der nationalrätlichen Kommission, auf die Einführung einer gesetzlichen Lizenz zu verzichten (AB 1992 N 42 f.). Der Ständerat stimmte dem in der Differenzenbereinigung zu, wobei die Berichterstatterin darauf hinwies, das Verbotsrecht werde belassen, könne aber nur über die Verwertungsgesellschaft ausgeübt werden (AB 1992 S 380 f.). Der Gesetzgeber hielt es also nicht für erforderlich, eine gesetzliche Lizenz einzuführen, sofern das Verbotsrecht nur über die Verwertungsgesellschaften ausgeübt werden kann. Die Tatsache, dass
Art. 40 Abs. 1 URG
in lit. a, die die Verwertung ausschliesslicher Rechte behandelt, die Verbreitung gesendeter Werke nicht erwähnt und lit. b der Norm
Art. 22 URG
lediglich mit Bezug auf die Vergütungsansprüche nennt, ändert daran nichts. Hierbei handelt es sich um ein redaktionelles Versehen, da das Parlament es versäumt hat, den auf die vom Bundesrat vorgeschlagene gesetzliche Lizenz ausgerichteten
Art. 40 URG
entsprechend anzupassen (DENIS BARRELET/WILLI EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 2. Aufl. 2000, N. 8 zu
Art. 40 URG
; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 16 zu
Art. 40 URG
). Dieses Versehen soll mit der laufenden Revision des URG korrigiert werden. Nach dem Entwurf des Bundesrates soll neu ein Art. 40 Abs. 1 lit. a
bis
eingeführt werden, der "das Geltendmachen von ausschliesslichen Rechten nach den Artikeln 22 und 24b" der Bundesaufsicht unterstellt (BBl 2006 S. 3445). Der Ständerat als erstbehandelnder Rat ist diesem Vorschlag in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2006 diskussionslos gefolgt (AB 2006 S 1210).
4.3
Nach dem Gesagten ersetzt
Art. 22 Abs. 1 URG
die individuelle Ausübung der urheberrechtlichen Verbotsansprüche durch deren
BGE 133 III 568 S. 574
kollektive Wahrnehmung seitens einer Verwertungsgesellschaft. Davon geht auch die ganz überwiegende Lehre aus (MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl. 2000, Nr. 141;
derselbe
, URG, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2001, N. 1 zu
Art. 22 URG
; IVAN CHERPILLOD, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. II/1, 2. Aufl. 2006, S. 263 und 290 f.; ERNST HEFTI, SIWR, Bd. II/1, S. 525, Fn. 24; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 5 zu
Art. 22 URG
; OERTLI, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 15 zu
Art. 22 URG
; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 13 und 16 zu
Art. 40 URG
; HANS-ULRICH SCHOCH, Die verwandten Schutzrechte der ausübenden Künstler, der Ton- und Tonbildträgerhersteller und der Sendeunternehmen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1994, S. 100; BERNHARD WITTWEILER, Zu den Schrankenbestimmungen im neuen Urheberrechtsgesetz [exkl. Eigengebrauch], AJP 1993 S. 588; vgl. auch die Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006, BBl 2006 S. 3389, 3431 f., mit Bezug auf die geplante Einführung eines
Art. 24b URG
, der den Zwang zur kollektiven Verwertung bei Vervielfältigungen zu Sendezwecken vorsieht, sowie das entsprechende Votum Stadler im Ständerat [AB 2006 S 1209]). Die Beschwerdeführerinnen bestreiten mit Bezug auf die Urheber die zwingende kollektive Verwertung denn auch zu Recht nicht. Sie machen jedoch geltend, es bestehe für die Sendeunternehmen in dem Sinn eine Ausnahme, dass ihnen neben der Verwertungsgesellschaft eine selbständige Klageberechtigung zukomme.
4.4
Auf Grund der Verweisung in
Art. 38 URG
auf
Art. 22 URG
gilt auch für die verwandten Schutzrechte, dass das Verbotsrecht nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme für Sendeunternehmen sieht das Gesetz nach seinem Wortlaut nicht vor. Auch der Zweck der Norm, das Funktionieren des Kabelfernsehens sicherzustellen, erfordert es nicht, die Sendeunternehmen anders zu behandeln als die Urheber und die ausübenden Künstler. Ebenso wenig ergeben sich aus den Materialien Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber eine solche Ausnahme einführen wollte. Ob diese Regelung einen unverhältnismässigen Eingriff in die Eigentumsgarantie darstellt, weil es - wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen - bei den Sendeunternehmen, anders als bei den Inhabern von Splitterrechten, auf Grund der geringen Anzahl dieser Unternehmen nicht erforderlich sei, das Verbotsrecht
BGE 133 III 568 S. 575
durch die Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen, um das Funktionieren des Kabelfernsehens sicherzustellen, hat das Bundesgericht nicht zu überprüfen (
Art. 190 BV
).
4.5
Der Verzicht auf eine Ausnahme für Sendeunternehmen steht nicht im Widerspruch zu den für die Schweiz verbindlichen Vorgaben des internationalen Rechts. Nach Art. 11
bis
Abs. 1 Ziff. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, revidiert in Paris am 24. Juli 1971 (SR 0.231.15; im Folgenden: RBÜ) geniessen die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschliessliche Recht, jede öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes mit oder ohne Draht zu erlauben, wenn diese Wiedergabe von einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird. Abs. 2 der Norm behält es jedoch der Gesetzgebung der Verbandsländer vor, die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts festzulegen, sofern sie dadurch nicht das Urheberpersönlichkeitsrecht oder den Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung beeinträchtigt. Art. 13 lit. a des internationalen Abkommens vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (SR 0.231.171; im Folgenden: Rom-Abkommen) hält fest, dass die Sendeunternehmen das Recht geniessen, die Weitersendung ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten. Den vertragsschliessenden Staaten bleibt es gemäss Art. 15 Abs. 2 des Rom-Abkommens jedoch unbenommen, für den Schutz der Sendeunternehmen in ihrer nationalen Gesetzgebung Beschränkungen gleicher Art vorzusehen, wie sie in dieser Gesetzgebung für den Schutz des Urheberrechts an Werken der Literatur und der Kunst vorgesehen sind; Zwangslizenzen können immerhin nur insoweit vorgesehen werden, als sie mit den Bestimmungen des Rom-Abkommens vereinbar sind. Nach Art. 14 Abs. 3 des Abkommens vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (SR 0.632.20, Anhang 1C; im Folgenden: TRIPS-Abkommen) haben die Sendeunternehmen das Recht, die Weitersendung ihrer Sendungen zu untersagen. Die Mitglieder, die den Sendeunternehmen dieses Recht nicht gewähren, bieten den Inhabern des Urheberrechts die Möglichkeit, die Weitersendung unter Vorbehalt der Bestimmungen der RBÜ zu untersagen (vgl. auch den Verweis in Art. 9 Abs. 1 TRIPS-Abkommen auf
Art. 11
bis
RBÜ
). Art. 14 Abs. 6 TRIPS-Abkommen bestimmt, dass die Mitglieder in Bezug auf das in Abs. 3 der Norm gewährte Weitersenderecht der
BGE 133 III 568 S. 576
Sendeunternehmen in dem vom Rom-Abkommen zugelassenen Umfang Bedingungen, Beschränkungen, Ausnahmen und Vorbehalte vorsehen können. Die massgebenden internationalen Bestimmungen verlangen damit nicht, dass den Sendeunternehmen ein selbständiges Klagerecht eingeräumt wird.
4.6
Der Hinweis der Beschwerdeführerinnen auf die Richtlinie 98/ 83/EWG vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Oktober 1993, Nr. L 248, S. 15-21) ist in diesem Zusammenhang unbehelflich. Die Richtlinie hält in Art. 9 Abs. 1 fest, das Recht der Urheberrechtsinhaber und der Inhaber verwandter Schutzrechte, einem Kabelunternehmen die Erlaubnis zur Kabelweiterverbreitung zu erteilen oder zu verweigern, könne nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Art. 10 sieht mit Bezug auf die Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechts durch Sendeunternehmen eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor, sofern es um die Rechte geht, die ein Sendeunternehmen hinsichtlich seiner eigenen Sendungen geltend macht; das gilt unabhängig davon, ob die betreffenden Rechte eigene Rechte des Unternehmens sind oder ihm durch andere Urheberrechtsinhaber und/oder Inhaber verwandter Schutzrechte übertragen worden sind. Diese Ausnahme ergibt sich aus dem Harmonisierungszweck der Richtlinie, da ein Bedarf nach einer Regelung der Ausübung des Kabelweiterverbreitungsrechts nur so weit besteht, als die Besonderheiten der Kabelweiterverbreitung es erfordern. Das ist nur bei einer unüberschaubaren Zahl von Rechteinhabern der Fall, die bei Sendeunternehmen eben gerade nicht vorliegt (THOMAS DREIER, in: Michel M. Walter [Hrsg.], Europäisches Urheberrecht, Kommentar, N. 2 zu Art. 10 der Satelliten- und Kabel-RL). Selbst wenn bei Schaffung des URG die Harmonisierung mit dem Europäischen Recht - und insbesondere mit der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Kraft getretenen Richtlinie - ein Anliegen des Gesetzgebers gewesen sein sollte (vgl. das Votum der Berichterstatterin im Ständerat, der Vorschlag des Nationalrats, auf die Einführung einer gesetzlichen Lizenz zu verzichten, sei "überdies eurokompatibel" [AB 1992 S 381]), kann nicht über eine europaverträgliche Interpretation von
Art. 22 Abs. 1 URG
eine Ausnahme eingeführt werden, die das Gesetz nicht vorsieht. Die Einführung einer entsprechenden Ausnahme für Sendeunternehmen ins URG kann nur durch den
BGE 133 III 568 S. 577
Gesetzgeber vorgenommen werden. Im Rahmen der laufenden Revision des URG ist eine solche allerdings nicht geplant.
4.7
Nach dem Gesagten können die Sendeunternehmen ihr Verbotsrecht nicht selbständig geltend machen. Die Vorinstanz hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, als sie die Klage der Beschwerdeführerin 1 abwies.
5.
Die Beschwerdeführerinnen werfen dem Obergericht weiter vor, es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin 2 dazu verpflichtet sei, der Beschwerdegegnerin die Weitersendung der strittigen Programme zu erlauben.
5.1
Die Befugnis der Verwertungsgesellschaft, das Verbotsrecht auszuüben, ergibt sich unmittelbar aus
Art. 22 Abs. 1 URG
; sie bedarf keiner rechtsgeschäftlichen Grundlage in Verträgen mit den Rechteinhabern (BERNHARD WITTWEILER, Vertragsrecht in der kollektiven Verwertung, in: Streuli-Youssef [Hrsg.], Urhebervertragsrecht, S. 261/ 327; BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 3 zu
Art. 44 URG
; vgl. auch
BGE 124 III 489
E. 2a S. 492 f. in Bezug auf die Vergütungsansprüche nach Art. 13 Abs. 3,
BGE 124 III 20
Abs. 4 und 35 Abs. 3 URG). Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Zweck von
Art. 22 Abs. 1 URG
, da es die Rechteinhaber sonst in der Hand hätten, durch die Weigerung, mit der Verwertungsgesellschaft einen Wahrnehmungsvertrag abzuschliessen, die kollektive Verwertung zu verhindern. Der Übergang der Rechte selber auf die Verwertungsgesellschaft erfolgt hingegen nicht von Gesetzes wegen, er setzt vielmehr eine entsprechende Übertragung durch die Rechteinhaber voraus. Werden die Rechte nicht übertragen, kommt der Verwertungsgesellschaft lediglich eine Prozessführungsbefugnis im Sinn einer gesetzlichen Prozessstandschaft zu (OERTLI, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 14 zu
Art. 22 URG
).
5.2
Nach
Art. 45 Abs. 2 URG
muss die Verwertungsgesellschaft die Verwertung nach festen Regeln besorgen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Handeln der Verwertungsgesellschaft, der das Gesetz ein faktisches Monopol einräumt, für die Betroffenen voraussehbar und transparent ist (BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 5 f. zu
Art. 45 URG
; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 4 zu
Art. 45 URG
). Ein Instruktionsrecht der Rechteinhaber für den Einzelfall ist damit von vorneherein ausgeschlossen. Im Bereich der Rechtswahrnehmung wird das Gebot der Verwertung nach festen Regeln durch die Tarifpflicht gemäss
Art. 46 ff. URG
konkretisiert (BREM/SALVADÉ/WILD, in: Müller/Oertli, a.a.O., N. 6 zu
Art. 45 URG
).
BGE 133 III 568 S. 578
5.3
Nach Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1 bezieht sich der Tarif auf die Weitersendung von Werken und Leistungen in Kabelnetzen, soweit diese Werke und Leistungen in Radio- oder Fernsehprogrammen enthalten sind und folgende kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Die Programme sind für die Allgemeinheit in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein bestimmt, sie sind in der Schweiz bzw. im Fürstentum Liechtenstein mit marktüblichen Geräten individuell empfangbar und sie werden zeitgleich und unverändert weiterverbreitet. Mit Bezug auf das Kriterium der individuellen Empfangbarkeit werden in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung von Ziffer 2.1 des GT 1 als Beispiele für marktübliche Geräte genannt Satellitenschüsseln von max. 1 m Durchmesser sowie Decoder, die in der Schweiz für Private legal erwerbbar sind.
5.4
Es ist unbestritten, dass es vorliegend um eine zeitgleiche und unveränderte Weiterverbreitung der strittigen Programme geht, dass die Beschwerdeführerin 1 die Programme nicht (mehr) verschlüsselt und dass die Programme mit einer Parabolantenne von weniger als 1 m Durchmesser in den Privathaushalten der Schweiz in einwandfreier Qualität empfangen werden können. Weiter steht fest, dass die Beschwerdeführerin 1 eine Kabelweiterverbreitung ihrer Programme auf dem Gebiet der Schweiz nicht wünscht. Umstritten ist, ob sich nach dem Willen des Sendeunternehmens entscheidet, dass ein Programm für die Allgemeinheit in der Schweiz bestimmt ist.
5.5
Die Auslegung des Tarifs muss sich an den gesetzlichen Vorgaben orientieren. Darüber hinaus hat die Interpretation der einzelnen Bestimmungen danach zu erfolgen, wie der Adressat sie auf Grund ihres Wortlauts, ihrer Ratio und ihrer Systematik verstehen darf und muss.
Art. 22 Abs. 1 URG
soll ausschliessen, dass einzelne Rechteinhaber nach ihrem Gutdünken die Kabelweiterverbreitung von Werken verhindern können (vgl. oben E. 4.2). Daraus folgt, dass für die Frage, ob ein Programm im Sinn von Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1 für die Allgemeinheit bestimmt ist, der Wille des entsprechenden Rechteinhabers nicht massgebend sein kann. Kommt es aber nicht auf diesen Willen an, stellt sich die Frage, worin sich diese Voraussetzung von der (kumulativ zu erfüllenden) zweiten Voraussetzung der individuellen Empfangbarkeit unterscheidet. Eine systematische Auslegung der Bestimmung ergibt, dass das Kriterium "für die Allgemeinheit bestimmt" dann erfüllt wird, wenn das Programm für Privathaushalte in der Schweiz frei empfangbar ist, wohingegen die individuelle Empfangbarkeit auch bei einem verschlüsselten
BGE 133 III 568 S. 579
Programm vorliegt, sofern Private den entsprechenden Decoder in der Schweiz legal erwerben können (vgl. die entsprechende Präzisierung in der seit 1. Januar 2007 gültigen Fassung der Ziffer 2.1 Abs. 1 des GT 1). Der Unterscheidung in freie und individuelle Empfangbarkeit kommt damit in erster Linie bei den codierten Programmen Bedeutung zu, da diese nur unter den Tarif fallen, wenn der freie Empfang durch Privathaushalte in der Schweiz vom Programmveranstalter trotz Verschlüsselung gewährleistet wird. Das sieht Ziffer 2.1 Abs. 2 des GT 1 in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung nunmehr ausdrücklich vor. Die Sendeunternehmen können demzufolge nur dann die Weiterverbreitung in der Schweiz verhindern, wenn sie ihre Programme verschlüsseln.
5.6
Nach dem Gesagten sind die Voraussetzungen für die Unterstellung der Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis unter den GT 1 erfüllt. Der Tarif räumt der Verwertungsgesellschaft kein Recht ein, die Erlaubnis zu verweigern, sofern der Nutzer bereit ist, die Bedingungen des Tarifs einzuhalten und die von der Verwertungsgesellschaft gestellte Rechnung zu bezahlen. Das dem Rechteinhaber in
Art. 22 Abs. 1 URG
belassene Verbotsrecht hat damit nur noch die Funktion, die tariflich festgesetzten Bedingungen gegenüber den Nutzern durchzusetzen (vgl. auch die Botschaft 2006, a.a.O., S. 3432). Obwohl der Gesetzgeber auf die Einführung einer gesetzlichen Lizenz verzichtet hat, befindet sich der Rechteinhaber im Ergebnis in einer Situation, die der bei einer gesetzlichen Lizenz bestehenden Rechtslage weitgehend entspricht (vgl. auch FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit d'auteur, Nr. 242).
Die Beschwerdegegnerin ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bereit, mit der Beschwerdeführerin 2 einen Vertrag abzuschliessen. Die Beschwerdeführerinnen behaupten selbst nicht, die Beschwerdegegnerin weigere sich, die Bedingungen des GT 1 einzuhalten. Die Beschwerdeführerin 2 ist deshalb verpflichtet, der Beschwerdegegnerin die Erlaubnis zu erteilen, die Programme BBC 1, BBC 4 und BBC CBeebis in ihrem Kabelnetz weiterzuverbreiten. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, als sie die Klage der Beschwerdeführerin 1 abwies. | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
82a6ea2f-17e3-4b2e-8273-29f2d5c59f60 | Urteilskopf
115 Ia 234
43. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. März 1989 i.S. K. und Mitbeteiligte sowie S. und Mitbeteiligte gegen Kanton St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Moderne Fortpflanzungsmedizin (künstliche Insemination und In-vitro-Fertilisation); Grossratsbeschluss des Kantons St. Gallen über Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen (GRB); persönliche Freiheit,
Art. 8 und 12 EMRK
, Art. 2 ÜbBest. BV, Forschungsfreiheit.
1. Allgemeine Überlegungen zur Fortpflanzungsmedizin (E. 3).
2. Der angefochtene Erlass verstösst nicht gegen Bundeszivilrecht und verletzt Art. 2 ÜbBest. BV nicht (E. 4).
3. Die Beschränkung des Zugangs zu den Methoden der künstlichen Fortpflanzung betrifft die persönliche Freiheit; Frage offengelassen, ob das auch auf Art. 8 in Verbindung mit
Art. 12 EMRK
zutrifft (E. 5).
4. Künstliche Insemination:
a) Das generelle Verbot der heterologen künstlichen Insemination nach Art. 4 lit. a GRB hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 6a).
b) Einschränkungen der heterologen künstlichen Insemination (E. 6b).
c) Beschränkung der heterologen künstlichen Insemination auf verheiratete Ehepaare? (E. 6c).
d) Anonymität des Samenspenders? (E. 6d).
5. Die Beschränkung der Inseminationsbehandlung auf das Kantonsspital St. Gallen im Sinne von Art. 6 GRB erweist sich für die homologe künstliche Insemination bei Ehepaaren als verfassungswidrig, bei der heterologen Form aber als verfassungsmässig (E. 7).
6. Das Verbot nach Art. 7 GRB, unabhängig von einer aktuellen Infertilitätsbehandlung Samenzellen für eine spätere Verwendung zu hinterlegen, verstösst gegen die persönliche Freiheit (E. 8).
7. In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer (IVF/ET):
a) Das generelle Verbot der IVF/ET im Sinne von Art. 4 lit. f GRB hält vor der persönlichen Freiheit nicht stand (E. 9a-9c).
b) Heterologe Formen der IVF/ET? Beschränkung der IVF/ET auf Ehepaare? (E. 9e).
8. Forschungsfreiheit als ungeschriebenes Verfassungsrecht? Das allgemeine Verbot der Verwendung von Keimzellen (Samenzellen und unbefruchteten Eizellen) zu Forschungszwecken nach Art. 9 GRB ist verfassungswidrig (E. 10).
9. Die generelle Bestimmung von Art. 12 GRB, wonach die Anwendung neuer Verfahren die Änderung des Erlasses erfordert, erweist sich als verfassungswidrig (E. 11).
10. Kantonale Strafbestimmungen:
a) Kompetenzordnung aufgrund von
Art. 64bis BV
sowie
Art. 400 und
Art. 335 StGB
(E. 12a und 12b).
b) Zuständigkeit des Kantons zum Erlass von strafrechtlichen Bestimmungen im vorliegenden Fall gegeben (E. 12c).
c) Teilweise Aufhebung der Strafnormen aufgrund der materiellen Beurteilung (E. 12d). | Sachverhalt
ab Seite 237
BGE 115 Ia 234 S. 237
Im November 1984 wurde im Grossen Rat des Kantons St. Gallen eine Motion "Gesetzlicher Schutz in vitro gezüchteter Embryonen" eingereicht und im Mai 1986 mit geändertem Wortlaut überwiesen. Danach wurde der Regierungsrat des Kantons St. Gallen eingeladen, dem Grossen Rat Bericht und Antrag für eine Regelung der In-vitro-Aufzucht menschlicher Embryonen und des Embryotransfers auf kantonaler Ebene bis zum Inkrafttreten eines entsprechenden Bundeserlasses zu unterbreiten. Der Regierungsrat kam diesem Auftrag mit einer Botschaft und einem Entwurf für einen Grossratsbeschluss am 13. Januar 1987 nach; er hielt sich weitgehend an die Medizinisch-ethischen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften für die In-vitro-Fertilisation und den Embryotransfer zur Behandlung der menschlichen Infertilität und betonte den Übergangscharakter einer kantonalen Regelung im Hinblick auf eine eidgenössische Regelung. Die Botschaft sah u.a. die In-vitro-Fertilisation für Ehepaare unter Verwendung von deren Keimzellen vor. - Die vorberatende Kommission des Grossen Rates dehnte den Gegenstand aus auf die künstliche Insemination, den Gametentransfer, die Leihmutterschaft und die Forschung an Keimzellen. Sie schlug in ihrem Bericht vom 31. August 1987 u.a. ein Verbot der künstlichen Insemination mit Spendersamen vor, wollte indessen die homologe In-vitro-Fertilisation bei Ehepaaren zulassen. In der ersten Lesung am 25. November 1987 sah der Grosse Rat ein Verbot der heterologen Insemination und zusätzlich der In-vitro-Fertilisation mit anschliessendem Embryotransfer überhaupt vor. Entgegen dem Antrag der Kommission, auf das Verbot der IVF/ET zurückzukommen und Sicherungen gegen eine missbräuchliche
BGE 115 Ia 234 S. 238
Verwendung von Embryonen vorzusehen, hielt der Grosse Rat an seinen Beschlüssen fest und verabschiedete am 24. Februar 1988 den Grossratsbeschluss über Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen.
Bereits am 19. März 1987 reichte der Kanton St. Gallen aufgrund eines Beschlusses des Grossen Rates gestützt auf
Art. 93 Abs. 2 BV
eine Standesinitiative ein. Danach wird ersucht, den Bereich der menschlichen Fortpflanzungsmedizin auf Bundesebene mit der gebotenen Vordringlichkeit rechtlich zu regeln.
Der Grossratsbeschluss über Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen vom 24. Februar 1988 (im folgenden Grossratsbeschluss oder GRB) hat folgenden Wortlaut:
"Geltungsbereich
Art. 1. Dieser Beschluss regelt:
a) die künstliche Insemination beim Menschen;
b) den Gametentransfer beim Menschen;
c) die In-vitro-Fertilisation und den Embryotransfer beim Menschen;
d) die Forschung an menschlichen Keimzellen und befruchteten Eizellen;
e) den Eingriff in das menschliche Erbgut.
Begriffe
Art. 2. Künstliche Insemination ist die Einführung von Samenzellen in den Mutterleib ohne Geschlechtsverkehr.
Gametentransfer ist die Einführung der befruchtungsfähigen Eizelle zusammen mit Samenzellen zur Befruchtung innerhalb des Mutterleibes.
In-vitro-Fertilisation ist die Verschmelzung einer Eizelle mit einer Samenzelle ausserhalb des Mutterleibes.
Embryotransfer ist die Einführung der befruchteten Eizelle in den Mutterleib.
Zulässige Verfahren
Art. 3. Mit künstlicher Insemination und mit Gametentransfer darf die Unfruchtbarkeit eines Ehepaars behandelt werden, wenn:
a) dessen Keimzellen verwendet werden;
b) andere Behandlungsmethoden erfolglos oder aussichtslos sind;
c) die schriftliche Zustimmung beider Ehegatten zur Behandlung vorliegt.
Unzulässige Verfahren
Art. 4. Unzulässig sind:
a) künstliche Insemination mit Samenzellen eines Dritten;
b) Übertragung befruchteter Eizellen von Frau zu Frau;
c) Schaffung von Leihmutterverhältnissen;
d) Befruchtung von Eizellen mit Samenzellen eines Verstorbenen;
e) Aufzucht befruchteter Eizellen ausserhalb des Mutterleibes;
f) in-vitro-Fertilisation und Embryotransfer.
BGE 115 Ia 234 S. 239
Aufklärung durch den Arzt
Art. 5. Der behandelnde Arzt klärt das Ehepaar vor der Behandlung mündlich und schriftlich auf über:
a) mögliche Eingriffe;
b) Erfolgsaussichten und Gefahren der Behandlung;
c) Behandlungskosten.
Behandlungsort
Art. 6. Künstliche Insemination und Gametentransfer können unter ärztlicher Leitung nur im Kantonsspital St. Gallen durchgeführt werden.
Das zuständige Departement bezeichnet die verantwortlichen Ärzte.
Aufbewahrung von Samenzellen
Art. 7. Samenzellen des Ehemannes dürfen während der Dauer der Behandlung im Kantonsspital St. Gallen tiefgekühlt aufbewahrt werden, wenn:
a) damit später Kinder gezeugt werden sollen;
b) einwandfreie Aufbewahrung und Kennzeichnung gewährleistet sind.
Medizinisch-technische Richtlinien
Art. 8. Das zuständige Departement kann anerkannte medizinisch-technische Richtlinien für Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen verbindlich erklären.
Verbot
a) der Forschung
Art. 9. Keimzellen und befruchtete Eizellen dürfen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden.
b) der Beeinflussung des Erbgutes
Art. 10. Erbgut von Keimzellen und befruchteten Eizellen darf weder verändert noch beeinflusst werden.
Massnahmen die darauf abzielen, das Geschlecht oder andere Eigenschaften des Kindes zu beeinflussen, sind unzulässig.
Strafbestimmungen
Art. 11. Mit Haft oder Busse wird bestraft, wer:
a) unberechtigt oder durch unzulässige Verfahren oder unter Verwendung von Samenzellen eines Dritten die künstliche Insemination oder den Gametentransfer vornimmt;
b) befruchtete Eizellen von Frau zu Frau überträgt;
c) Leihmütter vermittelt;
d) Eingriffe zur Schaffung von Leihmutterverhältnissen vornimmt;
e) befruchtete Eizellen ausserhalb des Mutterleibes aufbewahrt oder
aufzieht;
f) Keimzellen und befruchtete Eizellen zu Forschungszwecken verwendet;
g) Erbgut von Keimzellen und befruchteten Eizellen verändert oder beeinflusst;
h) Massnahmen trifft, die darauf abzielen, das Geschlecht oder andere Eigenschaften des Kindes zu beeinflussen;
i) in-vitro-Fertilisation oder Embryotransfer vornimmt.
Versuch ist strafbar.
BGE 115 Ia 234 S. 240
Neue Verfahren
Art. 12. Die Anwendung neuer Verfahren zur Behandlung der menschlichen Unfruchtbarkeit erfordert die Änderung dieses Beschlusses.
Vollzugsbeginn
Art. 13. Der Regierungsrat bestimmt den Vollzugsbeginn dieses Beschlusses.
Referendum
Art. 14. Dieser Beschluss untersteht nach Art. 5 lit. b des Gesetzes über Referendum und Initiative dem fakultativen Gesetzesreferendum."
Dieser Grossratsbeschluss wurde im Amtsblatt vom 7. März 1988 publiziert und unterstand dem fakultativen Referendum. Der Regierungsrat stellte am 19. April 1988 fest, dass das Referendum nicht ergriffen worden und demnach der Grossratsbeschluss gültig geworden war, und publizierte dies im Amtsblatt vom 25. April 1988.
Gegen diesen Grossratsbeschluss reichten einerseits K. und Mitbeteiligte (Beschwerdeführer 1) und andererseits Dr. med. S. und Mitbeteiligte (Beschwerdeführer 2) beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie fechten im wesentlichen das Verbot der künstlichen Insemination mit Samenzellen eines Dritten (Art. 4 lit. a) und der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer (Art. 4 lit. f), die Beschränkung der Aufbewahrung von Samenzellen (Art. 7) und der Behandlung auf das Kantonsspital St. Gallen (Art. 6), das Verbot der Forschung an Keimzellen (Art. 9) und neuer Behandlungsmethoden (Art. 12) sowie die Strafbestimmungen (Art. 11) an. Hierfür machen sie u.a. eine Verletzung der persönlichen Freiheit und von
Art. 8 und
Art. 12 EMRK
, der Handels- und Gewerbefreiheit, der Forschungsfreiheit sowie des Vorranges des Bundesrechts geltend. Sie beantragen die Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen des angefochtenen Grossratsbeschlusses.
Erwägungen
Erwägungen:
3.
Bevor auf die mit den beiden staatsrechtlichen Beschwerden aufgeworfenen Verfassungsfragen und erhobenen Rügen im einzelnen eingegangen wird, mögen einige allgemeine Überlegungen zur modernen Fortpflanzungsmedizin und zu den sich daraus ergebenden Problemen vorangestellt werden.
a) Die Versuche sind schon alt, mit künstlichen Mitteln auf die Fortpflanzung beim Menschen einzuwirken. Zum einen Teil handelt es sich um Methoden der Empfängnisverhütung und der Abtreibung. Zum andern sind Versuche zur Herbeiführung von
BGE 115 Ia 234 S. 241
Schwangerschaften bekannt. Hierzu zählt die künstliche Insemination, die vereinzelt schon seit längerer Zeit praktiziert wird und dann insbesondere mit der Möglichkeit der Langzeitgefrierung von Samenzellen seit der Zeit des Zweiten Weltkrieges einen starken Aufschwung genommen hat (vgl. CORDULA JUNGHANS, Der familienrechtliche Status des durch artifizielle Insemination gezeugten Kindes, Diss. Bonn 1987, S. 8 ff.; ROBERTO BERNHARD, Die künstliche Besamung beim Menschen im Hinblick auf das schweizerische Recht, Diss. Zürich 1957, S. 5 ff.). In neuerer Zeit ist es gelungen, operativ gewonnene Eizellen ausserhalb des Mutterleibes zu befruchten und den so entstandenen Embryo hernach der Mutter einzupflanzen (In-vitro-Fertilisation mit anschliessendem Embryotransfer, IVF/ET); die erste Geburt eines Kindes aufgrund einer In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer überhaupt erfolgte in Grossbritannien im Jahre 1978 und in der Schweiz im Jahre 1985. Erst seit kurzem schliesslich wird die Methode des intratubaren Gametentransfers angewendet, bei der die operativ gewonnenen Eizellen zusammen mit Samenzellen in den Eileiter zur Befruchtung übertragen werden.
Diese Entwicklungen der modernen Fortpflanzungsmedizin haben zu bisher ungeahnten Möglichkeiten geführt, solchen Personen zu helfen, die auf natürliche Weise keine Kinder bekommen können. Sie führen aber auch zu neuartigen Herausforderungen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung und der ethischen Diskussion. Aufgerüttelt wurde das Bewusstsein über die neuen Methoden aufgrund spektakulärer Vorkommnisse einerseits und der Entwicklung der Gentechnologie andererseits; die Gentechnologie steht zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Fortpflanzungsmedizin, doch ergeben sich verschiedene Berührungspunkte etwa insofern, als die Erkenntnisse im einen Gebiet im andern fruchtbar gemacht werden können und Möglichkeiten der Gentechnologie, mittels der Fortpflanzungsmedizin auf den Menschen angewendet, grundsätzlich in die Tat umgesetzt werden können. Die Beurteilung der Methoden und Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin fällt je nach Standpunkt sehr unterschiedlich aus; während die einen darin ein Mehr an Freiheit und persönlicher Entfaltung erblicken, befürchten die andern - abgesehen von Missbräuchen jeglicher Art - neue Sachzwänge und eine Bedrohung der Autonomie der Persönlichkeit. Schliesslich rufen die neuen Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin
BGE 115 Ia 234 S. 242
- unabhängig von der staatlichen Regelung - in neuartiger Weise alle Beteiligten zu eigenverantwortlichem Handeln und zum Bedenken der Auswirkungen auf. Das gilt für all jene Personen, welche zu den modernen Methoden Zuflucht nehmen und ihre Fertilitätsstörungen nicht gewissermassen als Schicksal oder Aufgabe betrachten und verarbeiten, ebenso aber auch für den Arzt, der eine entsprechende Methode anwendet, und - im Falle einer heterologen Fortpflanzungsmethode - für den Spender von Keimzellen.
b) In der Schweiz hat sich vorerst die Ärzteschaft der Problematik der neuen Methoden der Fortpflanzungsmedizin angenommen. Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat am 17. November 1981 die Medizinisch-ethischen Richtlinien für die artifizielle Insemination erlassen (publiziert in: Schweizerische Ärztezeitung 1982 S. 623; ebenfalls wiedergegeben in: RICHARD FRANK, Die künstliche Fortpflanzung beim Menschen im geltenden und im künftigen Recht, Zürich 1989, Anhang Nr. 1; BBl 1989 III 1208). Nach einer ersten Fassung aus dem Jahre 1984 ergingen von der Schweizerischen Akademie für medizinische Wissenschaften am 23. Mai 1985 die Medizinisch-ethischen Richtlinien für die In-vitro-Fertilisation und den Embryotransfer zur Behandlung der menschlichen Infertilität (publiziert in: Schweizerische Ärztezeitung 1985 S. 1127; FRANK, a.a.O., Anhang Nr. 2; BBl 1989 III 1210).
In der Folge sind verschiedene Kantone gesetzgeberisch aktiv geworden. Mangels einer Regelung auf Bundesebene - und bis zum Inkrafttreten einer solchen - erachten sie sich zum Erlass von materiellen Bestimmungen und Strafnormen für zuständig. Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage, in welchem Umfang und in welcher Art und Weise angesichts der auch ethischen Tragweite der neuen medizinischen Reproduktionspraktiken mit staatlicher Regelung überhaupt eingegriffen werden soll; ebenso sehr fragt sich, in welchem Ausmass der Gesetzgeber eigene Regelungen treffen soll oder ob und inwieweit er sich auf die Medizinisch-ethischen Richtlinien der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften abstützen bzw. diese als anwendbar erklären kann (vgl. MARINA MANDOFIA/MICHEL BÜRGISSER, Réflexions critiques sur le règlement genevois en matière de fécondation in vitro, in: SJ 110/1988 S. 177 ff.; THOMAS COTTIER, Die Suche nach der eigenen Herkunft: Verfassungsrechtliche Aspekte, Basel 1987, S. 61 ff.). Die Regelungsvorschläge waren in den einzelnen Kantonen
BGE 115 Ia 234 S. 243
zum Teil sehr umstritten, und sehr unterschiedlich sind denn auch die getroffenen Lösungen ausgefallen. Zum einen sind die Erlasse in formelle Gesetze, Verordnungen oder Weisungen gekleidet; zum andern weisen sie in materieller Hinsicht (blosse) Verweise auf die SAMW-Richtlinien auf, sehen ähnlich liberale Lösungen vor oder enthalten aber weitgehende Verbote der Anwendung von Praktiken der Fortpflanzungsmedizin. In dieser Weise haben - in chronologischer Reihenfolge - insbesondere die Kantone Waadt, Genf, Neuenburg, Basel-Landschaft, Aargau, St. Gallen, Glarus und Tessin Regelungen getroffen; Beratungen sind unter anderem in den Kantonen Basel-Stadt und Solothurn im Gange (vgl. zu den kantonalen Regelungen den Bericht der Expertenkommission Humangenetik und Reproduktionsmedizin, BBl 1989 III 1029, Ziff. 332; vgl. die Zusammenstellung mit den Regelungen im Wortlaut bei FRANK, a.a.O., Anhänge Nrn. 3-11).
Auf Bundesebene ist, wie erwähnt, vom Kanton St. Gallen eine Standesinitiative eingereicht worden; es wird mit ihr ersucht, den Bereich der menschlichen Fortpflanzungsmedizin auf Bundesebene mit der gebotenen Vordringlichkeit rechtlich zu regeln. Verschiedene parlamentarische Vorstösse sind hängig. Wesentlichen Impuls erhielt die Diskussion um die moderne Fortpflanzungsmedizin schliesslich durch die am 13. April 1987 eingereichte Eidgenössische Volksinitiative gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen vom 15. Oktober 1985 (sog. Beobachter-Initiative; BBl 1985 II 1351, 1987 II 1208, 1989 III 992). Im September 1986 setzte der Bundesrat die Expertenkommission Humangenetik und Reproduktionsmedizin (EKHR) unter dem Vorsitz von E. Amstad zur Prüfung der mit der künstlichen Reproduktion und Gentechnologie beim Menschen zusammenhängenden Fragen ein; diese erstattete ihren Bericht am 19. August 1988 (Bericht EKHR) und legte eine Reihe von Vorschlägen zur Verfassungs- und Gesetzgebung vor (publiziert in: BBl 1989 III 1029).
In den meisten europäischen Ländern sowie in den USA, in Kanada und Australien wurden Expertenkommissionen zur Prüfung der mit der modernen Fortpflanzungsmedizin verbundenen Fragen eingesetzt. Deren Berichte fanden grosse Beachtung, so insbesondere der englische Warnock-Report, der deutsche Benda-Bericht sowie der französische Bericht "Les procréations artificielles - Rapport au Premier Ministre" (vgl. die Übersicht im Bericht EKHR, Ziff. 321). Seither haben verschiedene europäische Länder
BGE 115 Ia 234 S. 244
Regelungen betreffend die moderne Fortpflanzungsmedizin erlassen oder Entwürfe hierfür vorgelegt; sie verfolgen keine einheitliche Linie (vgl. hierzu Bericht EKHR, Ziff. 322).
Im Rahmen des Europarates wurde im Jahre 1978 ein - in der Folge nicht genehmigter - Resolutionsentwurf über die artifizielle Insemination beim Menschen erarbeitet (abgedruckt bei HEINZ HAUSHEER, Zur Problematik der künstlichen Insemination: Ein Beitrag aus Strassburg?, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, S. 226 f.). Ferner hat eine vom Ministerkomitee eingesetzte Expertenkommission im Mai 1987 einen Empfehlungsentwurf zur künstlichen Fortpflanzung vorgelegt, der ebenfalls noch nicht genehmigt worden ist (vgl. Bericht EKHR, Ziff. 323 und Anhang I).
c) Die neuen Praktiken der modernen Fortpflanzungsmedizin und entsprechende kantonale Regelungen geben auch dem Bundesgericht als Verfassungsgerichtshof neue Probleme auf. Mit der modernen Fortpflanzungsmedizin stellen sich neuartige Fragen, die in komplexer Weise die Wunscheltern, die Kinder, die Spender von Keimzellen, die Ärzteschaft, die Wissenschaft und die gesamte Gemeinschaft betreffen. Die Beurteilung der vorliegenden Beschwerden fällt in eine Zeit, in der die moderne Fortpflanzungsmedizin noch in rascher Entwicklung steht und deren zukünftige Möglichkeiten und Sicherungen kaum abgeschätzt werden können; zudem gehen die Auffassungen über die Anwendung der modernen Praktiken stark auseinander. Bei dieser Sachlage fehlen gewissermassen anerkannte und erhärtete Beurteilungsmassstäbe. Mit der angefochtenen st. gallischen Regelung, welche zum Teil absolute Verbote der Anwendung einzelner Praktiken vorsieht, stellen sich im Falle ihrer Aufhebung eine Reihe von Folgefragen, welche die Grenzen und Bedingungen dieser Praktiken betreffen und in erster Linie vom kantonalen Gesetzgeber zu lösen sind; diese Rahmenbedingungen aber sind ihrerseits zum Teil ebenfalls verfassungsrechtlicher Natur. All diese Umstände mahnen den Verfassungsrichter gegenüber dem demokratischen (kantonalen) Gesetzgeber zu einer gewissen Zurückhaltung. Diese Zurückhaltung ist auch angezeigt angesichts der Bestrebungen auf Bundesebene zur Verfassungs- und Gesetzgebung auf dem Gebiete der Fortpflanzungsmedizin (und der Gentechnologie), da es nicht Sache des Bundesgerichts ist, hier in spezifischer Weise einzugreifen. Trotz dieser Zurückhaltung aber hat das Bundesgericht die ihm durch
Art. 113 BV
übertragene Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit
BGE 115 Ia 234 S. 245
wahrzunehmen und auf staatsrechtliche Beschwerde hin über die Rügen der Verletzung in verfassungsmässigen Rechten zu entscheiden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es sich beim angefochtenen Erlass bewusst nur um eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten einer Bundesregelung handelt.
d) Der st. gallische Gesetzgeber hat in Art. 2 GRB die Begriffe der künstlichen Insemination, des (intratubaren) Gametentransfers, der In-vitro-Fertilisation und des Embryotransfers umschrieben. Diese Umschreibungen entsprechen den allgemein üblichen, wie sie auch im Bericht der Expertenkommission Humangenetik und Reproduktionsmedizin verwendet werden. Abweichend von der Terminologie im kantonalen Gesetzgebungsverfahren (vgl. Botschaft des Regierungsrates vom 13. Januar 1987) werden im folgenden die Begriffe "homolog" und "heterolog" unabhängig vom Zivilstand der Wunscheltern verwendet. Als homologe Insemination bzw. In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer werden diejenigen Methoden künstlicher Fortpflanzung verstanden, bei denen die Keimzellen des (verheirateten) Ehepaars oder des in (stabilem) Konkubinatsverhältnis lebenden (unverheirateten) Paares verwendet werden; als heterolog gelten demgegenüber jene Methoden, bei welchen Keimzellen eines Dritten, eines Spenders, gebraucht werden.
4.
Die Beschwerdeführer 2 bringen vorerst vor, der Kanton St. Gallen sei zur Regelung der künstlichen Insemination und der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer angesichts von
Art. 31 ff. und
Art. 253 ff. ZGB
nicht zuständig, und machen damit eine Verletzung des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) geltend. Soweit diese Rüge den Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 OG
überhaupt genügt, erweist sie sich als unbegründet. Anders als
Art. 31 ff. ZGB
hat der angefochtene Grossratsbeschluss nicht Anfang und Ende der Persönlichkeit zum Gegenstand, sondern ordnet die künstlichen Verfahren zur Herbeiführung von Konzeption und Schwangerschaft. Die angefochtenen Normen regeln auch in keiner Weise die Feststellung oder Anfechtung des Kindesverhältnisses oder der Vaterschaft, welche in
Art. 253 ff. ZGB
umschrieben sind. Da der Bundesgesetzgeber (noch) keine Regelung der modernen menschlichen Fortpflanzungstechniken getroffen hat und der Grossratsbeschluss auch nicht gegen Sinn und Geist des Bundeszivilrechts verstösst (vgl.
BGE 113 Ia 311
,
BGE 110 Ia 113
), ist die Beschwerde in bezug auf die Rüge der Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV abzuweisen. Wie es
BGE 115 Ia 234 S. 246
sich mit der Bundesrechtsmässigkeit der Strafnormen nach Art. 11 GRB verhält, ist unten zu prüfen (E. 12).
5.
a) Zur Anfechtung des Grossratsbeschlusses in bezug auf die Beschränkung der Methoden künstlicher Fortpflanzung berufen sich die Beschwerdeführer zum einen auf die persönliche Freiheit. Es fragt sich vorerst, ob und inwiefern das ungeschriebene Grundrecht der persönlichen Freiheit betroffen ist. Demgegenüber rufen die Beschwerdeführer die nach Art. 30 der Kantonsverfassung geschützte persönliche Freiheit nicht an, so dass nicht geprüft zu werden braucht, ob die kantonale Garantie über diejenige nach Bundesverfassungsrecht hinausgeht (vgl.
BGE 99 Ia 266
).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schützt das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit als zentrales Freiheitsrecht und verfassungsrechtlicher Leitgrundsatz nicht nur die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen (
BGE 113 Ia 5
f.,
BGE 97 I 49
f., mit Hinweisen); es umfasst "toutes les libertés élémentaires dont l'exercice est indispensable à l'épanouissement de la personne humaine" (
BGE 114 Ia 290
, mit Hinweisen). Die persönliche Freiheit garantiert ein bestimmtes Mindestmass an persönlicher Entfaltungsmöglichkeit und schützt den Bürger in der ihm eigenen Fähigkeit, eine gewisse tatsächliche Begebenheit zu würdigen und danach zu handeln (
BGE 113 Ia 6
,
BGE 97 I 49
f., mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat indessen wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass nicht jeder beliebige Eingriff in den persönlichen Bereich des Bürgers die Berufung auf das ungeschriebene Grundrecht rechtfertige; namentlich habe die persönliche Freiheit nicht die Funktion einer allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die sich der einzelne gegenüber jedem staatlichen Akt, der sich auf seine persönliche Lebensgestaltung auswirkt, berufen könne (
BGE 114 Ia 290
,
BGE 113 Ia 6
, mit Hinweisen), und schütze daher nicht vor jeglichem physischen oder psychischen Missbehagen (
BGE 112 Ia 100
). Daher sei eine Grenzziehung des Schutzbereichs der persönlichen Freiheit notwendig und im Einzelfall angesichts von Art und Intensität der Beeinträchtigung zu suchen (
BGE 108 Ia 61
, mit Hinweisen).
Es steht ausser Zweifel, dass etwa eine staatliche Geburtenregelung und entsprechende Zwangsmassnahmen, mit denen die Zeugung von Kindern eingeschränkt würde, das Grundrecht der persönlichen Freiheit berühren würden. Damit aber lässt sich der
BGE 115 Ia 234 S. 247
vorliegende Fall nicht vergleichen. Denn die Besonderheit liegt darin, dass nicht eine natürlich gegebene Fähigkeit durch staatliche Massnahmen eingeschränkt und unter Berufung auf die persönliche Freiheit wiedererlangt werden soll; vielmehr wird gewissermassen ein Anspruch auf eine medizinische Dienstleistung und damit auf Inanspruchnahme moderner medizinischer Methoden gefordert. Der Anspruch von Gefangenen auf eine einwandfreie medizinische Betreuung steht in speziellem Zusammenhang mit dem Haft- und Strafvollzug und kann mit dem vorliegenden Fall ebenfalls nicht verglichen werden (
BGE 102 Ia 302
,
BGE 106 Ia 291
; vgl. WALTER HALLER, in: BV-Kommentar, Persönliche Freiheit, N. 84 ff., insbes. N. 86 und N. 45). Die Wahl des eigenen Arztes ohne zeitliche Einschränkung stand bei einer Schwangeren, die eine Abtreibung vornehmen lassen wollte, in spezifischer Weise im Zusammenhang mit der körperlichen Integrität, da im Rahmen von
Art. 120 StGB
mit einer Abtreibung einer nicht anders abwendbaren Lebensgefahr oder grossen Gefahr dauernden schweren Schadens an der Gesundheit begegnet werden sollte (
BGE 101 Ia 575
).
Es kann wohl nicht gesagt werden, dass mit dem angefochtenen Erlass die psychische Integrität oder die Gesundheit direkt gefährdet würden. Es ist indessen nicht zu verkennen, dass der Wunsch nach Kindern eine elementare Erscheinung der Persönlichkeitsentfaltung darstellt. Kinder zu haben und aufzuziehen bedeutet für viele Menschen eine zentrale Sinngebung ihres Lebens, und die ungewollte Kinderlosigkeit wird von den Betroffenen häufig als schwere Belastung erlebt. Das gilt für Personen, die aus organischen Gründen keine Kinder haben können oder für die eine natürliche Zeugung wegen genetischer Belastung oder angesichts der gesundheitlichen Risiken für die Kinder etwa nach einer Krebsbehandlung nicht verantwortbar erscheint. Die Beschränkung des Zugangs zu den modernen Methoden künstlicher Fortpflanzung berührt die Beschwerdeführer daher in ihrem Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit.
b) Das Grundrecht der persönlichen Freiheit gilt indessen nicht absolut. Einschränkungen sind zulässig, soweit sie auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind. Zudem darf die persönliche Freiheit weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden (
BGE 113 Ia 327
f.,
BGE 112 Ia 162
, 249,
BGE 109 Ia 281
und 289 f., mit Hinweisen); von einer Beeinträchtigung
BGE 115 Ia 234 S. 248
des Kerngehalts der persönlichen Freiheit kann beim angefochtenen Erlass nicht gesprochen werden. Welche Beschränkungen der persönlichen Freiheit unter dem Gesichtswinkel des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit zulässig sind, ist mit Rücksicht auf die dem Wandel unterworfene ethische Wertordnung und in Anbetracht der sich verändernden Sozialverhältnisse zu prüfen (
BGE 97 I 50
). Die Beurteilung des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit von Einschränkungen kann in bezug auf den vorliegenden Fall zum einen nicht generell für sämtliche Methoden der künstlichen Fortpflanzung vorgenommen werden. Zum andern ist zu unterscheiden zwischen der Frage nach dem absoluten Verbot gewisser Behandlungsmethoden und, im Falle ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit, der Beurteilung, in welchem Ausmasse und unter welchen Bedingungen und Modalitäten von ihnen Gebrauch gemacht werden darf. In bezug auf die letztere Frage kommt, wie unten auszuführen ist, dem Kindeswohl zentrale Bedeutung zu.
c) Die Beschwerdeführer beziehen sich ferner auf die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach
Art. 8 EMRK
hat jedermann insbesondere Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, und
Art. 12 EMRK
räumt das Recht ein, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Im Hinblick auf den vorliegenden Fall sind diese Garantien gemeinsam zu betrachten.
Art. 8 EMRK
schützt u.a. wesentliche Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Persönlichkeit (Urteil des Gerichtshofes i.S. Dudgeon, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A vol. 45, Ziff. 60 = EuGRZ 1983 S. 488). Dazu gehört sowohl der Schutz der Intimsphäre im allgemeinen als auch das Sexualleben (Entscheide der Kommission, DR 13, 241 (245) und 3, 46 (49)). Unter dem Gesichtswinkel von
Art. 12 EMRK
wird die Familiengründung als Folge der Heirat verstanden (JOCHEN ABR. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 1985, N. 6 zu Art. 12). Dazu zählt nach der Doktrin auch das Recht, Kinder zu zeugen (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 6 zu Art. 12); ebenso kann darunter ein Anspruch verheirateter Paare auf Adoption fallen (Entscheide der Kommission, DR 12, 32 (34) und 7, 75 (76); vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 6 zu Art. 12).
Im Hinblick auf den vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob und inwiefern die Garantien der EMRK durch Verbote einzelner Methoden künstlicher Fortpflanzung betroffen werden. In der
BGE 115 Ia 234 S. 249
neueren Lehre wird dies bejaht (vgl. STEPHAN BREITENMOSER, Der Schutz der Privatsphäre gemäss
Art. 8 EMRK
, Basel 1986, S. 133; IRENE FAHRENHORST, Fortpflanzungstechnologien und Europäische Menschenrechtskonvention, in: EuGRZ 1988 S. 125 ff.; JEAN-FRANCOIS AUBERT, Législations cantonales sur la procréation artificielle, in: Problèmes de droit de la famille, Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1987, S. 17 f.). Soweit ersichtlich, haben indessen die Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention bis jetzt unter dem Gesichtswinkel von
Art. 8 und
Art. 12 EMRK
noch keine Entscheidungen zur künstlichen Fortpflanzung getroffen und weder zu einem entsprechenden Anspruch noch zum Umfang von Einschränkungen Stellung genommen. Die Beschwerden könnten sich auch nicht auf den erwähnten, bisher vom Ministerkomitee nicht genehmigten Entwurf einer Resolution über die künstliche Fortpflanzung beim Menschen stützen (vgl.
BGE 111 Ia 344
E. 3a). Angesichts dieser Unsicherheit sowie des Umstandes, dass sich die Beschwerdeführer nach dem ungeschriebenen Verfassungsrecht auf die persönliche Freiheit berufen können, kann die Frage nach den aus der Europäischen Menschenrechtskonvention fliessenden Garantien im vorliegenden Fall offengelassen werden.
6.
Die Beschwerdeführer 2 fechten die Bestimmung von Art. 4 lit. a GRB an und verlangen deren Aufhebung. Nach dieser Bestimmung ist die künstliche Insemination mit Samenzellen eines Dritten unzulässig. Die Beschwerdeführer machen in dieser Hinsicht eine Verletzung der persönlichen Freiheit geltend.
a) Es ist bereits oben ausgeführt worden, dass das Verbot oder die Einschränkung einzelner Methoden der künstlichen Fortpflanzung einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt. Das gilt auch für die Bestimmung von Art. 4 lit. a GRB, welche die künstliche Insemination mit Samenzellen eines Spenders untersagt. Es ist daher zu prüfen, ob hierfür überwiegende öffentliche Interessen bestehen und ob die Massnahme verhältnismässig ist.
aa) Hierfür ist vorerst davon auszugehen, dass der st. gallische Gesetzgeber die Methode der künstlichen Insemination nicht in genereller Weise untersagt und die homologe Form der Insemination bei Ehepaaren mit Samenzellen des Ehemannes zulässt (Art. 3 lit. a GRB). Daraus ist zu schliessen, dass der Methode der künstlichen Insemination als solcher keine gesundheitlichen und damit polizeilichen Gründe entgegenstehen. Die heterologe Insemination ist denn in der Schweiz auch schon seit rund 20 Jahren
BGE 115 Ia 234 S. 250
und am Kantonsspital St. Gallen seit 17 Jahren praktiziert worden; im Jahre 1985 sollen in der Schweiz rund 1/2 bis 1% aller Kinder aufgrund einer heterologen Insemination geboren worden sein (CHRISTIAN BRÜCKNER, Künstliche Fortpflanzung und Forschung am Embryo in vitro - Gedanken de lege ferenda, in: SJZ 81/1985 S. 381 und 386). Dabei sind keine nennenswerten gesundheitlichen Schwierigkeiten aufgetreten oder bekannt geworden. Unter diesem Gesichtswinkel sind daher keine überwiegenden öffentlichen Interessen an einem grundsätzlichen Verbot der künstlichen Insemination mit Samenzellen eines Spenders ersichtlich. Im Bericht der vorberatenden Kommission und der Vernehmlassung des Regierungsrates wird denn das Verbot der heterologen Insemination auch nicht mit gesundheitlichen Risiken begründet.
bb) Zur Begründung des Verbotes der künstlichen Insemination mit Samenzellen eines Spenders verweist die vorberatende Kommission unter anderem darauf, dass gewisse psychische Risikofaktoren bei Ehepaaren möglich seien. Die Kommission fügt aber an, dass sich solche Ehepaare vor einer entsprechenden Behandlung intensiv mit ihrer Situation auseinandersetzen und sich von ihrem Hausarzt oder ihrem Gynäkologen beraten lassen. Die gefühlsmässige Bindung an das Kind soll nicht schwächer sein als bei natürlich gezeugten Kindern, und im Vergleich mit "normalen" Familien sollen sich keine erhöhten Schwierigkeiten beobachten lassen. Es gilt zwar zu bedenken, dass das Kind eines Tages erfahren kann, genetisch nicht von seinem sozialen Vater abzustammen, und es dadurch in eine schwierige psychische Situation geraten kann. Es wird dann die Aufgabe der sozialen Eltern sein, das Kind mit der notwendigen Zuneigung und Hilfe aufzuklären. Insofern verhält es sich ähnlich wie bei Adoptivkindern. Unter dem Gesichtswinkel des erforderlichen öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit vermögen daher solche Überlegungen ein generelles Verbot der heterologen künstlichen Insemination ebensowenig zu rechtfertigen wie ethische Bedenken.
cc) Einwände gegen die heterologe Form der künstlichen Insemination wurden im kantonalen Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Auswahl der Samenspender geäussert; die Auswahl nach bestimmten Kriterien wie dem Intelligenzquotienten könne zu einem unerwünschten "Zucht"-Denken führen. Es ist einzuräumen, dass derartige Bedenken ernsthafter Natur sind und dass auch bei einem weiten Verständnis der persönlichen Freiheit kein Anspruch auf künstliche Insemination mit den Samenzellen eines
BGE 115 Ia 234 S. 251
ganz bestimmten (etwa besonders intelligenten) Spenders besteht. Indessen ist zu beachten, dass die Auswahl der Samenzellen nach den Medizinisch-ethischen Richtlinien 1981 in die Verantwortung des behandelnden Arztes fällt, der im Rahmen des Möglichen einen Samenspender wählt, dessen Kind als dasjenige der Wunscheltern angesehen werden könnte. Allfälligen Missbräuchen kann durch entsprechende Weisungen oder Kontrollen in anderer Weise als durch ein generelles Verbot der heterologen Insemination begegnet werden. Das trifft auch hinsichtlich der Gefahr zu, dass durch zu häufige Verwendung der Samenzellen desselben Spenders unerwünschte Blutsverwandtschaften entstehen könnten; ein generelles Verbot der heterologen Insemination erweist sich auch unter diesem Gesichtswinkel nicht als verhältnismässig, da der Gefahr unerwünschter und unbekannter Blutsverwandtschaften - wie unten auszuführen ist (E. 7) - mit entsprechenden Kontrollen und insbesondere mit der Zentralisierung der Behandlung auf das Kantonsspital entgegengetreten werden kann.
dd) Es ist dem kantonalen Gesetzgeber einzuräumen, dass die Methode der heterologen Insemination zu rechtlichen Schwierigkeiten in bezug auf die Anonymität des Spenders und in bezug auf den familienrechtlichen Status des Kindes führen kann. Diese liegen darin, dass das Kind unter Umständen die Vaterschaft des sozialen Vaters anfechten und zudem versuchen kann, sich mit einer Vaterschaftsklage an den genetischen Vater zu halten. Zudem stellt sich insbesondere in diesem Zusammenhang die Frage nach der Anonymität des Spenders. Diese Schwierigkeiten kann der kantonale Gesetzgeber angesichts der Kompetenz des Bundes zur Zivilgesetzgebung nach
Art. 64 BV
nicht in eigener Zuständigkeit lösen. Und eine entsprechende Bundesregelung steht noch aus. Solche rechtliche Schwierigkeiten vermögen indessen ein absolutes Verbot der künstlichen Insemination mit Spendersamen ebenfalls nicht zu rechtfertigen, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass es sich beim angefochtenen Grossratsbeschluss nur um eine vorläufige kantonale Regelung bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden Bundeslösung handelt. Die Unsicherheiten können indessen zu einschränkenden Bedingungen bei der Anwendung der heterologen Methode der künstlichen Insemination führen (vgl. unten E. 6c); unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit kann es vielmehr genügen, dass der Kanton für eine umfassende Information aller Beteiligter (d.h. der Wunscheltern, der Ärzteschaft und der Spender) auch in rechtlicher Hinsicht sorgt.
BGE 115 Ia 234 S. 252
ee) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das vom st. gallischen Gesetzgeber vorgesehene generelle Verbot der heterologen Form der künstlichen Insemination mangels überwiegender und verhältnismässiger öffentlicher Interessen vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht standhält. Indessen sind Einschränkungen und Auflagen zulässig, soweit sie im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind. Darauf ist im folgenden näher einzugehen.
b) Nach Art. 3 GRB darf die Unfruchtbarkeit mit künstlicher Insemination u.a. dann behandelt werden, wenn andere Behandlungsmethoden erfolglos oder aussichtslos sind (lit. b) und die schriftliche Zustimmung der Wunscheltern zur Behandlung vorliegt (lit. c). Zusätzlich ist die Befruchtung von Eizellen mit Samenzellen eines Verstorbenen nach Art. 4 lit. d GRB unzulässig. Die Beschwerdeführer fechten diese Bedingungen und Auflagen weder in selbständiger Weise noch im Hinblick auf die von ihnen verlangte heterologe Form der künstlichen Insemination an.
Nach dem Wortlaut des angefochtenen Grossratsbeschlusses gelten diese Auflagen nur für die allein zugelassenen Methoden der Infertilitätsbehandlung. Diese nicht angefochtenen und sich als verhältnismässig erweisenden Bedingungen und Auflagen haben aber nach dem Sinn und der Systematik des angefochtenen Erlasses auch für die nach der vorstehenden Erwägung grundsätzlich zuzulassende künstliche Insemination mit Samenzellen eines Dritten Gültigkeit. Das schriftliche Einverständnis der Eltern ist insbesondere im Hinblick auf
Art. 256 Abs. 3 ZGB
von Bedeutung. Es braucht im vorliegenden Zusammenhang darauf nicht näher eingegangen zu werden.
c) Art. 3 GRB geht davon aus, dass mit gewissen zugelassenen Methoden die Unfruchtbarkeit von Ehepaaren behandelt werden darf. Diese Beschränkung der Infertilitätsbehandlung auf verheiratete Ehepaare wird von den Beschwerdeführern weder selbständig noch hinsichtlich der heterologen Insemination in Frage gestellt. Angesichts der Wichtigkeit des Problems und der unterschiedlichen bisherigen kantonalen Regelungen rechtfertigt es sich indessen, zur Frage einer allfälligen Beschränkung der heterologen Insemination auf Ehepaare - wenn auch nicht abschliessend - Stellung zu nehmen. Wie es sich mit einer homologen Insemination bei stabilen, nicht verheirateten Paaren verhält, die sich gerade in zivilrechtlicher Hinsicht davon unterscheidet, kann offengelassen werden, da die Frage von den Beschwerdeführern in keiner Weise aufgeworfen wird.
BGE 115 Ia 234 S. 253
Für eine allfällige Beschränkung der heterologen Form der künstlichen Insemination auf Ehepaare bedarf es unter verfassungsrechtlichem Gesichtspunkt eines überwiegenden öffentlichen Interesses und der Wahrung der Verhältnismässigkeit. Zu solchen öffentlichen Interessen sind auch der Schutz des zu zeugenden Kindes und das Kindeswohl zu zählen. Das Kindeswohl stellt einen Grundpfeiler insbesondere des schweizerischen Familienrechts dar, hinsichtlich der Entstehung des Kindesverhältnisses (Siebenter Titel des ZGB, Art. 252 ff.) und der Wirkungen des Kindesverhältnisses (Achter Titel des ZGB, Art. 270 ff.) ebenso wie im Hinblick auf das Scheidungsrecht (Vierter Titel des ZGB, insbesondere Art. 156 f. ZGB). Das Familienrecht zielt mit verschiedenen (u. U. widerlegbaren) Vermutungen darauf hin, dem Kind zu seinem Wohle einen rechtlichen Vater zuzuordnen (vgl.
Art. 255, 256b und 257 ZGB
). Denn Kinder ohne rechtlichen Vater sind dadurch benachteiligt, dass rechtlich kein Vater zu Beistand und Unterhalt sowie allenfalls zu Pflege und Erziehung herangezogen werden kann (
Art. 272, 276 und 296 ZGB
; vgl. FRANZISKA BUCHLI-SCHNEIDER, Künstliche Fortpflanzung aus zivilrechtlicher Sicht, Diss. Bern 1987, S. 203 ff.).
Im Falle einer heterologen Insemination bei einer in (stabilen) Konkubinatsverhältnissen lebenden Frau lassen die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über die Vermutung der Vaterschaft bei der Geburt eines Kindes keine rechtliche Vaterschaft entstehen. Eine solche kann auch nicht ohne weiteres hergestellt werden (vgl. CYRIL HEGNAUER, Gesetzgebung und Fortpflanzungsmedizin, in: Gedächtnisschrift für Peter Noll, Zürich 1984, S. 52 ff.). Zwar kann der Partner der Mutter das heterolog gezeugte Kind im Sinne von
Art. 260 ZGB
anerkennen. Fehlt es aber eben an der genetischen Vaterschaft, so ist die Gültigkeit der Anerkennung zweifelhaft und kann insbesondere aufgrund von
Art. 260a ff. ZGB
ohne weiteres angefochten werden (vgl. CYRIL HEGNAUER, Berner Kommentar, Die Entstehung des Kindesverhältnisses, 4. Aufl. 1984, N. 62 ff. und N. 106 zu Art. 260; MARTIN STETTLER, Le droit suisse de la filiation, Schweizerisches Privatrecht, 1987, S. 35 ff.; vgl. TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl. 1986, S. 276 ff.). Eine Adoption durch den Partner der Mutter ist nach
Art. 264a Abs. 3 ZGB
nur im Falle der Verheiratung möglich. Und eine Vaterschaftsklage gegenüber dem genetischen Vater stösst auf rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten (unten E. 6d). Die heterologe Insemination bei nicht verheirateten Paaren
BGE 115 Ia 234 S. 254
verursacht zudem schwierige erbrechtliche Probleme (vgl. BUCHLI-SCHNEIDER, a.a.O., S. 212 ff.). Diese Überlegungen zeigen, dass es unter dem Gesichtswinkel des Kindeswohls und damit aus öffentlichen Interessen gerechtfertigt sein kann, die Zahl der Kinder, die keinen rechtlichen Vater haben, nicht zu vergrössern und damit die heterologe Insemination auf verheiratete Ehepaare zu beschränken. Die damit verbundene Einschränkung der persönlichen Freiheit der Wunschmutter und Privilegierung der Ehe kann sich bei dieser Sachlage als verhältnismässig erweisen (vgl. AUBERT, a.a.O., S. 17 f.; HEGNAUER, Gesetzgebung und Fortpflanzungsmedizin, S. 59).
d) Im kantonalen Gesetzgebungsverfahren wurden gegen die Zulässigkeit der heterologen Form der künstlichen Insemination gewichtige Bedenken rechtlicher Natur vorgebracht. Es stellt sich bei dieser Art der künstlichen Insemination insbesondere die Frage, in welchem Ausmass eine Vaterschaftsklage gegen den Samenspender möglich ist und ob dessen Anonymität gewahrt oder garantiert werden dürfe. Der kantonale Gesetzgeber ist angesichts der Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung im Bereiche des Zivilrechts nur sehr beschränkt zu einer entsprechenden Regelung zuständig. Nach den Medizinisch-ethischen Richtlinien über die artifizielle Insemination 1981 hat der Arzt über die Identität des Spenders Verschwiegenheit zu bewahren (Ziff. 5).
Die Vermutung der Vaterschaft des Ehemannes nach
Art. 255 ZGB
gilt auch im Falle der Geburt eines aufgrund einer heterologen Insemination gezeugten Kindes. Die Vermutung kann indessen mit der Klage nach
Art. 256 ff. ZGB
angefochten werden. Die Klage steht dem Ehemann nach
Art. 256 Abs. 3 ZGB
nicht zu, wenn er der Zeugung durch einen Dritten oder einer heterologen Insemination zugestimmt hat (Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesverhältnis), BBl 1974 II 30). Das Kind aber hat ein selbständiges Klagerecht nach
Art. 256 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
, wenn während seiner Unmündigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat. Als Klagegrund gilt nach
Art. 256a Abs. 1 ZGB
, dass der Ehemann nicht der Vater des Kindes ist, was bei der heterologen Insemination der Fall ist. - Ist das Kind aufgrund einer Gutheissung der Anfechtungsklage vaterlos geworden (bzw. ist es mangels einer Vaterschaftsvermutung oder gültigen Anerkennung im Falle der heterologen Insemination bei einem nicht verheirateten Paar weiterhin ohne rechtlichen Vater), so kann es bis zum Ablauf eines
BGE 115 Ia 234 S. 255
Jahres seit Erreichen des Mündigkeitsalters nach
Art. 261 ff. ZGB
die Vaterschaftsklage erheben und diese gegen den Samenspender richten (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 65 zu Art. 261). Hierfür aber muss die Identität des Samenspenders bekannt sein.
Die Frage, ob im Hinblick auf einen derartigen Vaterschaftsprozess die Identität des Samenspenders bekanntgegeben werden muss, wird in der Literatur zum Teil bejaht. Es wird ausgeführt, der Arzt sei zur Offenbarung des Samenspenders verpflichtet und könne sich hierfür nicht auf sein Arztgeheimnis oder auf die Anonymitätsabrede berufen; der Anspruch des Kindes auf Feststellung des Kindesverhältnisses gehe vor; und unter Umständen könne gegen den Arzt haftpflichtrechtlich vorgegangen werden (HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 68 zu Art. 261 und N. 23 ff. zu Art. 262; BUCHLI-SCHNEIDER, a.a.O., S. 194 f. und 79 ff.; zur ärztlichen Haftung HAUSHEER, a.a.O., S. 219). Ferner wird die Bekanntgabe des Samenspenders in einem Vaterschaftsprozess mit dem Adoptionsrecht verglichen, in dem zwar nach
Art. 268b ZGB
das Adoptionsgeheimnis zugunsten der Adoptiveltern gilt, das Kind aber unter Umständen bei entsprechender Interessenabwägung einen Anspruch auf Bekanntgabe der leiblichen Eltern geltend machen kann (vgl. HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 81 ff. zu Art. 268; BUCHLI-SCHNEIDER, a.a.O., S. 107 ff.).
Die Frage nach der Bekanntgabe der Identität des Samenspenders wird in der Literatur auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten behandelt. Unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit und des aus
Art. 4 BV
hergeleiteten Akteneinsichtsrechts habe das aufgrund einer künstlichen heterologen Insemination gezeugte Kind ein Interesse an der Kenntnis seiner genetischen Abstammung; diesem Interesse könnten aber berechtigte Geheimhaltungsinteressen der sozialen Eltern, des Spenders und Dritter entgegenstehen. Welche Interessen überwiegen, könne nicht in allgemeiner Weise beurteilt werden; doch komme dem Kind bei entsprechender umfassender Interessenabwägung im Einzelfall unter Umständen ein Anspruch auf Bekanntgabe der Identität des Samenspenders zu (THOMAS COTTIER, Die Suche nach der eigenen Herkunft: Verfassungsrechtliche Aspekte, Basel 1987; BUCHLI-SCHNEIDER, a.a.O., S. 97 ff.; vgl. auch
BGE 112 Ia 97
). - Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten wird die Frage nach der Bekanntgabe der Identität des Samenspenders in Deutschland aufgrund der Menschenwürde diskutiert, und eine Anonymitätsgarantie wird in der Literatur als Verstoss gegen das
BGE 115 Ia 234 S. 256
Grundgesetz bezeichnet (vgl. CHRISTIAN STARCK, Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, S. A23 ff.; DIETER GIESEN, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, S. K65 ff.). Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ein neuestes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem es aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ableitet und verschiedene Bestimmungen des BGB als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, soweit diese dem volljährigen Kind - vorbehältlich der gesetzlichen Anfechtungstatbestände - nicht nur die Änderung seines familienrechtlichen Status, sondern auch die gerichtliche Klärung seiner Abstammung ausnahmslos verwehren (BVerfGE 79, 256 = EuGRZ 1989 S. 229 = JZ 44/1989 S. 335 mit Anmerkung von CHRISTIAN STARCK).
Im vorliegenden Fall braucht nicht abschliessend geklärt zu werden, in welchem Ausmass und unter welchen Voraussetzungen das aufgrund einer künstlichen heterologen Insemination gezeugte Kind einen Anspruch darauf hat, die Identität des genetischen Vaters in Erfahrung zu bringen. Die vorstehenden Erwägungen zeigen indessen deutlich, dass sich eine vorbehaltlose Garantie auf Wahrung der Anonymität des Spenders und damit auch die Medizinisch-ethischen Richtlinien für die artifizielle Insemination von 1981 als fragwürdig erweisen. Ebenso problematisch erscheint in dieser Hinsicht die mindestens im Ausland für die künstliche Insemination teilweise angewendete Verwendung von Samengemischen. Es ist demnach nicht auszuschliessen, dass der Samenspender einem Verfahren auf Bekanntgabe seiner Identität oder einem Vaterschaftsprozess ausgesetzt wird. Diese Gefahr vermag indessen - wie oben ausgeführt - ein generelles Verbot der heterologen Insemination nicht zu rechtfertigen. Unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit kann es genügen, dass der Kanton für eine umfassende Information aller Beteiligter (d.h. der Wunscheltern, der Ärzteschaft und insbesondere der Spender) auch in rechtlicher Hinsicht sorgt und für die Aufbewahrung der Daten über medizinische Merkmale und die Identität der Spender bedacht ist (siehe unten E. 7).
e) Aufgrund dieser Überlegungen ergibt sich, dass das generelle Verbot der heterologen Form der künstlichen Insemination vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht standhält. Demnach ist die Bestimmung von Art. 4 lit. a GRB im Sinne der Erwägungen aufzuheben.
BGE 115 Ia 234 S. 257
Die Beschwerdeführer fechten mit ihrer Beschwerde die Bestimmung von Art. 3 lit. a GRB nicht an, wonach die künstliche Insemination (nur) bei Verwendung der Keimzellen des Ehepaares zulässig ist. Die Bestimmung ist daher im bundesgerichtlichen Verfahren nicht formell aufzuheben. Doch hat sie angesichts der vorstehenden Erwägungen keine selbständige Bedeutung mehr.
7.
Mit den vorliegenden Beschwerden wird auch die Bestimmung von Art. 6 Abs. 1 GRB angefochten, wonach die künstliche Insemination und der Gametentransfer unter ärztlicher Leitung nur im Kantonsspital St. Gallen durchgeführt werden dürfen. Die Beschwerdeführer berufen sich hierfür unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit auf die persönliche Freiheit, hingegen nicht auf die Handels- und Gewerbefreiheit.
a) Die Beschwerdeführer wenden sich nicht dagegen, dass die künstliche Insemination nur unter ärztlicher Leitung und der Gametentransfer nur im Kantonsspital St. Gallen unter ärztlicher Leitung durchgeführt werden dürfen. Das Erfordernis der ärztlichen Leitung steht in einem gewissen Verhältnis mit der nicht angefochtenen Bestimmung von Art. 3 lit. b GRB, wonach künstliche Infertilitätsbehandlungen nur zulässig sind, wenn andere Behandlungsmethoden erfolglos oder aussichtslos sind. Demnach ist im folgenden ausschliesslich zu prüfen, ob die Beschränkung der künstlichen Insemination auf das Kantonsspital vor der Verfassung standhält. Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist diese Frage sowohl in bezug auf die homologe als auch die heterologe Form der künstlichen Insemination zu untersuchen.
b) Die Beschränkung der künstlichen Insemination auf das Kantonsspital St. Gallen stellt eine Beschränkung der persönlichen Freiheit dar und bedarf für ihre Gültigkeit der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung und Interessenabwägung. Dabei fällt auf seiten der Wunscheltern insbesondere ins Gewicht, dass sie sich nicht an ihren vertrauten Arzt oder Gynäkologen halten können und sich durch einen ihnen unbekannten Arzt am unter Umständen weit entfernten Kantonsspital in St. Gallen behandeln lassen müssen (vgl.
BGE 101 Ia 575
). Auf der andern Seite wurde bereits im Antrag des Regierungsrates an den Grossen Rat auf die mit der künstlichen Insemination verbundenen Missbrauchsgefahren und daher notwendigen Kontrollmöglichkeiten hingewiesen. Im folgenden ist zu prüfen, welche öffentlichen Interessen im Hinblick auf die angefochtene Beschränkung als überwiegend und verhältnismässig erscheinen.
BGE 115 Ia 234 S. 258
Die homologe künstliche Insemination bei Ehepaaren bietet, soweit ersichtlich, weder medizinische noch rechtliche Schwierigkeiten. Da bei dieser Form der künstlichen Insemination die Keimzellen des Ehepartners verwendet werden, stellt sich insbesondere die Frage nach der Auswahl nicht, und auch Verwechslungsgefahren können als gering erachtet werden. Der Regierungsrat vermag denn in seiner Vernehmlassung auch keine konkreten Gefahren zu nennen oder auf konkrete Missbrauchsmöglichkeiten hinzuweisen. Soweit eine Kontrolle als notwendig erachtet wird, kann eine allgemeine Bewilligungspflicht für die Vornahme künstlicher homologer Inseminationen bei Ehepaaren oder eine (evtl. damit verbundene) Meldepflicht über vorgenommene Inseminationen genügen. Bei dieser Sachlage erweist sich die Beschränkung der homologen Form der künstlichen Insemination auf das Kantonsspital St. Gallen bei Ehepaaren als unverhältnismässig.
Anders verhält es sich indessen mit der heterologen Form der künstlichen Insemination. Bei dieser Behandlungsmethode gilt es vorerst einmal, die Samenzellen auszuwählen. Nach den Medizinisch-ethischen Richtlinien für die artifizielle Insemination 1981 wählt der behandelnde Arzt in eigener Verantwortung die Samenzellen danach aus, dass das Kind als dasjenige der Wunscheltern angesehen werden könnte. Hierfür bedarf es einer hinreichenden Menge von verschiedenen (kryokonservierten) Spendersamen, wie sie etwa in einer Privatpraxis kaum vorhanden sein dürfte. Bei der heterologen Insemination gilt es insbesondere auch, zu häufige, unerwünschte und unerkannte genetische Verwandtschaften zu verhindern und demnach die Samenzellen vorsichtig auszuwählen. Die hierfür notwendige Kontrolle und Beschränkung lassen sich kaum anders denken als durch eine Zentralisierung der Auswahl und Behandlung. Es muss ferner für eine einwandfreie Aufbewahrung der Samenzellen mittels Kryokonservierung und eine entsprechende Kontrolle zur Vermeidung von Verwechslungen gesorgt werden, wofür im Kantonsspital St. Gallen bessere Voraussetzungen bestehen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Bestimmung von Art. 7 lit. b GRB). Schliesslich gilt es zu bedenken, dass über die medizinischen Daten des Spenders wie Alter, Herkunft, Gesundheit und Ergebnisse der medizinischen Untersuchung hinaus wohl auch die Angaben über die Identität des Spenders aufzubewahren sind und hierfür das Kantonsspital St. Gallen bessere Gewähr zu bieten vermag. All diese Gründe belegen ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beschränkung der heterologen
BGE 115 Ia 234 S. 259
Insemination auf das Kantonsspital und gehen unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit den privaten Interessen vor.
c) Demnach sind die Beschwerden in diesem Punkte im Sinne der vorstehenden Erwägungen teilweise gutzuheissen, und Art. 6 GRB ist insofern aufzuheben, als die künstliche Insemination mit Keimzellen des Ehemannes auf das Kantonsspital St. Gallen beschränkt wird. Wie es sich im Falle einer homologen Insemination bei einem unverheirateten Paar verhielte (vgl. oben E. 6c), braucht im vorliegenden Fall nicht abgeklärt zu werden. Im übrigen steht die Beschränkung der Behandlung auf das Kantonsspital St. Gallen nach Art. 6 GRB mit der unten zu prüfenden Bestimmung von Art. 7 GRB in einem gewissen Zusammenhang (vgl. unten E. 8).
8.
In engem Zusammenhang mit der künstlichen Insemination steht Art. 7 des Grossratsbeschlusses. Danach dürfen im Hinblick auf eine spätere Zeugung und bei entsprechender Sicherheit Samenzellen des Ehemannes (nur) während der Dauer der Behandlung im Kantonsspital St. Gallen tiefgekühlt aufbewahrt werden. Die Beschwerdeführer 1 fechten diese Bestimmung unter Berufung auf die persönliche Freiheit, das Rechtsgleichheitsgebot und das Willkürverbot sowie weitere verfassungsmässige Rechte an.
a) Vorerst gilt es, die Bedeutung von Art. 7 GRB zu klären. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ergibt sich der Gehalt dieser Bestimmung klar aus dem Wortlaut. Positiv ausgedrückt dürfen lediglich Ehemänner ihre Samenzellen im Hinblick auf eine homologe künstliche Insemination im Kantonsspital St. Gallen deponieren; in zeitlicher Hinsicht ist die Aufbewahrung beschränkt auf die Dauer der Behandlung, d.h. bis die Infertilitätsbehandlung bei der Ehefrau zu einer Schwangerschaft und damit zum Erfolg führt. Negativ bedeutet die Vorschrift, dass ein Samendepot unabhängig von einer Infertilitätsbehandlung, über eine solche hinaus oder für eine spätere Verwendung unzulässig ist; dieses Verbot gilt sowohl für verheiratete als auch nicht verheiratete Männer. - Im folgenden ist zu prüfen, ob diese Beschränkung vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit standhält und ob im Falle der Zulassung die Einschränkung auf das Kantonsspital St. Gallen zulässig ist.
b) Es ist bereits oben ausgeführt worden (E. 5a), dass der Wunsch nach Kindern eine elementare Erscheinung der Persönlichkeitsentfaltung darstellt und es für viele Menschen eine zentrale Sinngebung ihres Lebens bedeutet, Kinder zu haben und aufzuziehen.
BGE 115 Ia 234 S. 260
Dieser aufgrund der persönlichen Freiheit verfassungsrechtlich geschützte Kinderwunsch kann sich nicht nur bei Wunscheltern zeigen, welche in einer bestimmten Situation und in einem gewissen Zeitpunkt moderne Methoden der Fortpflanzungsmedizin in Anspruch nehmen möchten. Es ist ebensosehr denkbar, dass ein fester, aber noch nicht aktueller Kinderwunsch im Rahmen des Möglichen für die Zukunft gesichert werden soll. Diese Situation kann sich etwa bei verheirateten oder nicht verheirateten Männern ergeben, die sich infolge ihrer Berufsausübung oder wie beim Beschwerdeführer K. wegen einer Hodenkrebsbehandlung der Gefahr ausgesetzt sehen, später keine Kinder mehr zeugen oder eine natürliche Zeugung wegen genetischer Veränderungen der Samenzellen und den damit verbundenen Risiken für das Kind nicht mehr verantworten zu können. Auch dieser Aspekt betrifft das ungeschriebene Grundrecht der persönlichen Freiheit. Das durch Art. 7 GRB statuierte generelle Verbot des Samendepots für eine spätere Verwendung stellt daher einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Es ist daher zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Interessen die Massnahme zu rechtfertigen vermögen und ob die Bestimmung sich als verhältnismässig erweist.
Vorerst ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der st. gallische Gesetzgeber die Aufbewahrung von Samenzellen für die beschränkte Dauer der Infertilitätsbehandlung mittels Kryokonservierung nach Art. 7 GRB nicht ausschliesst. Daraus ist zu folgern, dass der Kryokonservierung und einem Samendepot an sich keine gesundheitlichen Gründe entgegenstehen. Es sind denn auch keine Bedenken bekannt, dass die Kryokonservierung eine Veränderung der Samenzellen bewirken würde und dass bei ihrer Verwendung gesundheitliche Risiken für Mutter und Kind entstehen könnten. Im kantonalen Gesetzgebungsverfahren wurde daher nicht so sehr auf gesundheitliche Überlegungen als vielmehr auf die Missbrauchsgefahren hingewiesen. Worin diese Missbrauchsgefahren im einzelnen liegen sollen, geht indessen weder aus den Beratungen noch aus der Vernehmlassung des Regierungsrates hervor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern eine Samenaufbewahrung für eine spätere Verwendung vermehrt Missbräuchen ausgesetzt sein soll als eine nach Art. 7 GRB zugelassene Deponierung im Hinblick auf eine konkrete Infertilitätsbehandlung, die sich ihrerseits ebenfalls auf eine längere Dauer erstrecken kann. Aber auch andere Gründe vermögen ein absolutes Verbot der Aufbewahrung eigener Samenzellen im Hinblick auf eine
BGE 115 Ia 234 S. 261
spätere eigene Verwendung unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit nicht zu rechtfertigen. Dabei kann es grundsätzlich auch nicht darauf ankommen, ob es sich um verheiratete oder aber um unverheiratete Männer handelt.
Bei dieser Sachlage vermag das generelle Verbot nach Art. 7 GRB, unabhängig von einer aktuellen Infertilitätsbehandlung Samenzellen von verheirateten oder nicht verheirateten Männern hinterlegen zu können, vor der Verfassung nicht standzuhalten.
c) Dies bedeutet indessen nicht, dass eine derartige Hinterlegung von eigenen Samenzellen nicht gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Art und Weise sowie im Hinblick auf eine spätere Verwendung unterworfen werden kann.
Zum einen gilt es dafür zu sorgen, dass Unbefugte keinen Zugriff haben und die Samenzellen nicht in anderer Weise verwendet werden; ebenso muss eine einwandfreie Aufbewahrung garantiert und mit entsprechender Kennzeichnung die Gefahr einer Verwechslung vermieden werden. Hierfür ist das Kantonsspital besser in der Lage als dezentralisierte Privatpraxen und kann eine entsprechende Gewähr bieten. Diese öffentlichen Interessen an einer Beschränkung der Hinterlegung auf das Kantonsspital St. Gallen erweisen sich als überwiegend und vermögen die entgegenstehenden privaten Interessen und die mit der Deponierung im Kantonsspital St. Gallen verbundenen, aber unbedeutenden persönlichen Unannehmlichkeiten zu überwiegen. Demnach hält die Beschränkung auf das Kantonsspital St. Gallen vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit stand. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte abzuweisen.
Zum andern bedeutet die Zulässigkeit der Aufbewahrung von eigenen Samenzellen im Kantonsspital nicht, dass diese ohne weiteres in beliebiger Weise für Infertilitätsbehandlungen genutzt werden können. Die Verwendung hängt vielmehr von der Zulässigkeit der entsprechenden Behandlungsmethode im Zeitpunkt des Gebrauchs ab; sie kann zudem unter Umständen auf eine bestimmte Dauer beschränkt oder entsprechend der unangefochtenen Bestimmung von Art. 4 lit. d GRB nach dem Tode des Betreffenden ausgeschlossen werden.
d) Demnach ist die Beschwerde in diesem Punkte im Sinne der vorstehenden Erwägungen teilweise gutzuheissen. Es sind daher in Art. 7 GRB die Worte "des Ehemannes" und "während der Dauer der Behandlung" zu streichen, so dass eine Hinterlegung und Aufbewahrung von eigenen Samenzellen von verheirateten und
BGE 115 Ia 234 S. 262
unverheirateten Männern im Kantonsspital St. Gallen im Hinblick auf eine spätere eigene Verwendung grundsätzlich zulässig ist. In bezug auf die Beschränkung auf das Kantonsspital St. Gallen ist die Beschwerde indessen abzuweisen.
Wie es sich mit einer Aufbewahrung von Eizellen verhält, welche sich in verschiedener Hinsicht von derjenigen von Samenzellen unterscheidet und noch zu wenig erprobt erscheint, braucht im vorliegenden Fall mangels einer entsprechenden Rüge nicht geprüft zu werden.
9.
Mit beiden staatsrechtlichen Beschwerden wird die Bestimmung von Art. 4 lit. f des Grossratsbeschlusses angefochten, welche die In-vitro-Fertilisation (IVF) mit anschliessendem Embryotransfer (ET) nicht nur in einzelnen Formen, sondern als Methode grundsätzlich untersagt. Die Beschwerdeführer berufen sich auch in dieser Hinsicht auf die persönliche Freiheit.
a) Es ist bereits oben ausgeführt worden, dass die Beschränkung des Zugangs zu den modernen Methoden künstlicher Fortpflanzung in das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit eingreift. Das trifft auch auf das generelle Verbot der In-vitro-Fertilisation mit anschliessendem Embryotransfer zu. Die Methode kann insbesondere einem Bedürfnis von Frauen entsprechen, die wegen dauernden Eileiterverschlusses auf natürliche Weise keine Kinder bekommen können; die Methode kann auch angewendet werden, soweit funktionsfähige Eierstöcke fehlen, aber ein gebärfähiger Uterus vorhanden ist oder soweit beim Mann gewisse Fertilitätsstörungen vorliegen. Es ist im folgenden zu prüfen, ob dieses generelle Verbot der In-vitro-Fertilisation mit anschliessendem Embryotransfer vor der Verfassung standzuhalten vermag.
b) Zur Begründung des Verbots der In-vitro-Fertilisation mit anschliessendem Embryotransfer weist der Regierungsrat in der Vernehmlassung unter anderem auf ein Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts aus dem Jahre 1987 hin (
BGE 113 V 42
). Das Gericht befand unter dem Gesichtswinkel des Krankenversicherungsgesetzes (KUVG) und unter Hinweis auf gewisse Risikofaktoren und die Erfolgschancen, dass die In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer keine wissenschaftlich anerkannte Vorkehr zur Behebung der Folgen der Unfruchtbarkeit einer Frau darstelle und die Krankenkassen daher nicht gehalten seien, die bei der Anwendung dieser Methode entstandenen Kosten als Pflichtleistungen zu übernehmen. Dieser Entscheid betrifft ausschliesslich
BGE 115 Ia 234 S. 263
eine Frage des Krankenversicherungsrechts, und seine Erwägungen können nicht unbesehen auf die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Methode als solche übertragen werden. Eine relativ geringe Erfolgsrate und gewisse Risikofaktoren sind auch bei andern medizinischen Behandlungsmethoden vorhanden und vermögen für sich allein ein generelles Verbot der IVF/ET nicht zu rechtfertigen. Es wird denn auch nicht vorgebracht, die In-vitro-Fertilisation führe zu schwerwiegenden gesundheitlichen Gefährdungen der Mutter und insbesondere des Kindes. In dieser Hinsicht kann es vielmehr genügen, die Wunscheltern im Sinne des Grossratsbeschlusses auch über die Risiken und die Erfolgschancen umfassend zu informieren (Art. 5 GRB) und die Methode nur zuzulassen, wenn andere Behandlungsmethoden erfolglos oder aussichtslos sind (Art. 3 lit. b GRB).
c) Die Bedenken des st. gallischen Gesetzgebers liegen denn auch nicht in erster Linie bei den gesundheitlichen Risiken, sondern vorab in der nicht unbegründeten Besorgnis über das Schicksal und die Verwendung von (überzähligen) Embryonen und die damit verbundenen Missbrauchsgefahren. - Zur Zeit scheint die Kryokonservierung von (unbefruchteten) Eizellen noch keine gesicherte Methode darzustellen. Möglicherweise wird sie eines Tages die Lösung des Problems der überzähligen Embryonen erleichtern. Die Zulässigkeit der In-vitro-Fertilisation braucht heute nicht unter Beachtung dieser Möglichkeit geprüft zu werden.
Mit der Verschmelzung von Samenzellen mit Eizellen in vitro entstehen ausserhalb des Mutterleibes Embryonen, welche sämtliche genetischen Anlagen eines individuellen Menschen aufweisen. Nach heutiger Doktrin und Rechtsprechung geniessen Embryonen den strafrechtlichen Schutz von
Art. 118 ff. StGB
nicht, da diese Bestimmung erst mit der Nidation eingreifen (vgl. GÜNTHER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 3. Aufl. 1983, S. 45; MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, 1. Band, 1982, N. 51 f. zu Art. 118, S. 162; NIKLAUS SCHMID, Strafrechtliche Schranken gegen Manipulationen mit ungeborenem Leben?, in: Festschrift Cyril Hegnauer, Bern 1986, S. 438 f.). In zivilrechtlicher Hinsicht ist unter dem Gesichtswinkel von
Art. 31 ZGB
umstritten, ob der befruchteten Eizelle in vitro schon (bedingte) Rechtspersönlichkeit im Sinne des Personenrechts zukomme (verneinend HEGNAUER, Gesetzgebung und Fortpflanzungsmedizin, S. 56; bejahend HENRI DESCHENAUX/PAUL-HENRI STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 2. Aufl.
BGE 115 Ia 234 S. 264
1986, S. 119 f.; ANDREAS BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, Basel 1986, S. 71; vgl. auch DIETER GIESEN, Moderne Fortpflanzungstechniken im Lichte des deutschen Familienrechts, in: Festschrift Cyril Hegnauer, Bern 1986, S. 71 f.; Bericht EKHR, Ziff. 534). Ob dem Embryo in vitro bereits ein verfassungsrechtlicher Schutz zukomme und ob dieses den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschenwürde geniesse - wie etwa in Deutschland angenommen wird (vgl. STARCK, a.a.O., S. A15 ff. und A32 f.) -, braucht im vorliegenden Fall nicht abgeklärt zu werden. Angesichts des Umstandes aber, dass mit der Befruchtung einer Eizelle eine menschliche Individualität determiniert ist und zu einer Geburt eines Menschen führen kann, kann das Schicksal des Embryos in vitro für die Rechtsgemeinschaft nicht gleichgültig sein. Daran vermag auch die Verwerfung der eidgenössischen Volksinitiative "Recht auf Leben" im Jahre 1985 nichts zu ändern (vgl. BBl 1983 II 1 (Text der Initiative und Botschaft des Bundesrates) sowie BBl 1985 II 672). Es fragt sich daher, auf welche Weise die Embryonen verwendet werden dürfen und ob die Sorge um das Schicksal und die Verwendung der in vitro befruchteten Eizellen sowie die damit verbundenen Missbrauchsgefahren ein absolutes Verbot der Methode der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer zu rechtfertigen vermögen.
Soweit in vitro befruchtete Eizellen zu unmittelbarer Herbeiführung einer Schwangerschaft der Wunschmutter eingepflanzt werden, werden die Embryonen gewissermassen in "natürlicher" Weise verwendet. Mit der Einpflanzung sind die Embryonen dem missbräuchlichen Zugriff entzogen. Insofern sind keine Missbrauchsgefahren ersichtlich, denen es mit einem gänzlichen Verbot der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer zu begegnen gälte.
Schwieriger gestaltet sich die Situation, wenn bei einem Behandlungsversuch der Wunschmutter nicht alle Embryonen eingepflanzt werden. In der Praxis wird häufig so vorgegangen, dass mehr Eizellen als unmittelbar notwendig entnommen und in vitro befruchtet und sodann kryokonserviert aufbewahrt werden, um auf diese Weise die mit der Eizellenentnahme verbundenen Unannehmlichkeiten für die Fortsetzung der Behandlung bei Misserfolg eines ersten Versuches zu vermeiden (vgl. Medizinisch-ethische Richtlinien für die In-vitro-Fertilisation und den Embryotransfer von 1985, Ziff. 6). Dabei stellt sich die Frage nach der Verwendung dieser Embryonen und ihrem Schicksal im Falle des Erfolges oder Abbruchs der Behandlung. In dieser Hinsicht ist dem st. gallischen
BGE 115 Ia 234 S. 265
Gesetzgeber einzuräumen, dass hier weite Möglichkeiten des Missbrauchs in der Verwendung dieser überzähligen Embryonen bestehen, denen es mit wirksamen Massnahmen entgegenzutreten gilt. Hierfür aber kommt unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit nicht nur ein absolutes Verbot der Methode in Frage. Denkbar ist etwa eine Regelung, wonach keine überzähligen Eizellen in vitro befruchtet werden und alle so entstandenen Embryonen der Wunschmutter unmittelbar eingepflanzt werden. In dieser Weise sieht beispielsweise das Gesundheitsgesetz des Kantons Aargau vor, dass jeder Embryo eingepflanzt werden muss (§ 50 Abs. 3 des Gesundheitsgesetzes, siehe FRANK, a.a.O., Anhang 3, S. 86). Ein solches Vorgehen bringt zwar ein gewisses Risiko von Mehrlingsgeburten mit sich oder bedingt, dass sich die Frau unter Umständen mehrmals dem Eingriff der Eizellenentnahme unterziehen muss. Probleme dieser Art sind unter Umständen in Kauf zu nehmen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Lösung ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht zu beurteilen und kann offenbleiben. Bei dieser Sachlage zeigt sich, dass jedenfalls das absolute Verbot der In-vitro-Fertilisation mit anschliessendem Embryotransfer unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit vor der Verfassung nicht standzuhalten vermag.
Zur Vermeidung von Missbräuchen - insbesondere für die Zeit zwischen der Befruchtung in vitro und der Einpflanzung - bedarf es darüber hinaus weiterer Massnahmen der Sicherung. So hat der st. gallische Gesetzgeber bereits vorgesehen, dass die Aufzucht von befruchteten Eizellen ausserhalb des Mutterleibes verboten ist (Art. 4 lit. e GRB). Weiter ist mit dem Grossratsbeschluss angeordnet, dass befruchtete Eizellen nicht zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen (Art. 9 GRB), dass das Erbgut von Keimzellen und von befruchteten Eizellen nicht beeinflusst werden darf und Massnahmen unzulässig sind, welche auf Beeinflussungen des Geschlechts oder anderer Eigenschaften des Kindes abzielen (Art. 10 GRB). Verboten ist auch die Schaffung von Leihmutterverhältnissen (Art. 4 lit. c GRB). Diese Bestimmungen, welche von den Beschwerdeführern nicht angefochten werden, stellen im öffentlichen Interesse weitere Massnahmen zur Sicherung vor Missbräuchen dar und belegen, dass sich ein absolutes Verbot der In-vitro-Fertilisation als unverhältnismässig erweist.
d) Der kantonale Gesetzgeber hat in allgemeiner Art gewisse Beschränkungen und Auflagen zu den überhaupt zugelassenen Methoden der Behandlung der Infertilität erlassen. Diese sind im
BGE 115 Ia 234 S. 266
Hinblick auf die In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer nicht selbständig angefochten, haben aber nach dem Sinn und der Systematik des Erlasses auch für diese Methode Gültigkeit (vgl. oben E. 6b). So geht der angefochtene Erlass davon aus, dass die Infertilitätsbehandlungen ausschliesslich im Kantonsspital St. Gallen durchgeführt werden dürfen (Art. 6 GRB; vgl. oben E. 7). Angesichts der vorstehenden Überlegungen erweist sich eine Beschränkung der Methode der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer auf das Kantonsspital St. Gallen als verhältnismässig und zulässig; das Kantonsspital bietet am besten die Gewähr dafür, dass alle befruchteten Eizellen tatsächlich auch eingepflanzt werden und keine überzähligen Embryonen aufbewahrt werden. Gleiche Überlegungen gelten in bezug auf die Subsidiarität der Behandlung (Art. 3 lit. b GRB), das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung (Art. 3 lit. c GRB) sowie das Verbot der Befruchtung von Eizellen mit Samenzellen eines Verstorbenen (Art. 4 lit. d GRB). Es braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden.
e) Aufgrund dieser Erwägungen ergibt sich, dass die Methode der In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer nicht in genereller Weise untersagt werden kann. Angesichts dieser Überlegungen einerseits und der Systematik des Grossratsbeschlusses andererseits, wonach nur verheiratete Ehepaare unter Verwendung ihrer eigenen Keimzellen gewisse Methoden künstlicher Fortpflanzung in Anspruch nehmen dürfen (Art. 3 GRB, Einleitung und lit. a), ergibt sich, dass die In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer in der homologen Form bei Ehepaaren im Grundsatz und unter gewissen Bedingungen und Auflagen zuzulassen ist.
Damit stellt sich die Frage, ob Ehepaare die In-vitro-Fertilisation mit Embryotransfer auch in der heterologen Form in Anspruch nehmen dürfen. Dabei ist die heterologe Form insofern denkbar, als entweder die Samenzellen von einem Spender, die Eizellen von einer Spenderin oder beide Arten von Keimzellen von Spendern stammen. Die Beschwerdeführer werfen die Frage nicht ausdrücklich auf und fechten in diesem Zusammenhang insbesondere Art. 3 lit. b GRB nicht an. Es braucht daher dazu nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, doch rechtfertigen sich die folgenden Hinweise.
In dieser Hinsicht gilt es zu beachten, dass bei der Beurteilung der heterologen Form der In-vitro-Fertilisation unter Umständen danach unterschieden werden kann, welche Keimzellen von Spendern stammen, In der Literatur wird unter dem Gesichtswinkel der
BGE 115 Ia 234 S. 267
Gleichheit darauf hingewiesen, dass es in rechtlicher Hinsicht keinen Unterschied ausmache, ob angesichts eines Mangels beim Mann eine heterologe Insemination vorgesehen oder wegen eines Mangels bei der Frau eine IVF/ET mit einer fremden Eizelle durchgeführt wird (vgl. AUBERT, a.a.O., S. 18). Auf der andern Seite mögen sich die Insemination und die In-vitro-Fertilisation in ihren heterologen Formen insofern unterscheiden, als die IVF eine aufwendigere und risikoreichere Methode darstellt. Wahrscheinlicherweise stehen wesentlich weniger Eizellenspenderinnen als Samenspender zu Verfügung, und demnach erschwert sich gegenüber der heterologen Insemination die Auswahl geeigneter Keimzellen bei der heterologen In-vitro-Fertilisation. Es ist denn auch zu beachten, dass die Ärzteschaft mit ihren Richtlinien von 1985 - anders als bei den Inseminationsrichtlinien von 1981 - die Heterologie ablehnt (Ziff. 3).
Schliesslich könnte danach gefragt werden, ob die In-vitro-Fertilisation auf Ehepaare beschränkt werden dürfe oder auch (stabilen) Konkubinatspaaren zur Verfügung zu stellen sei, wie dies etwa die Medizinisch-ethischen Richtlinien für die In-vitro- Fertilisation und den Embryotransfer von 1985 vorsehen (Ziff. 3). Hierfür ist auf die unmittelbar vorstehenden Überlegungen zur In-vitro-Fertilisation sowie die Erwägungen zur Insemination (oben E. 6c) zu verweisen. Mangels entsprechender Rüge kann auch dies offengelassen werden.
f) Demnach ergibt sich, dass das generelle Verbot der In-vitro- Fertilisation mit Embryotransfer verfassungsrechtlich nicht zulässig ist. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte im Sinne der Erwägungen gutzuheissen, und die Bestimmung von Art. 4 lit. f GRB ist aufzuheben.
10.
Art. 9 des Grossratsbeschlusses sieht ein generelles Verbot der Verwendung von Keimzellen und befruchteten Eizellen zu Forschungszwecken vor. Die Beschwerdeführer 1 fechten dieses Forschungsverbot hinsichtlich der Verwendung von Keimzellen an und berufen sich hierfür auf die persönliche Freiheit und die Forschungsfreiheit.
a) Die Beschwerdeführer rufen in bezug auf Art. 9 GRB die persönliche Freiheit und in genereller Weise die Forschungsfreiheit an. Sie machen nicht geltend, die Forschungs- oder Wissenschaftsfreiheit sei im kantonalen Verfassungsrecht garantiert oder im einfachen kantonalen Gesetzesrecht umschrieben (vgl. immerhin Gesetz über die Handels-Hochschule des Kantons St. Gallen vom
BGE 115 Ia 234 S. 268
1. Januar 1955; HANS GRUBER, Forschungsförderung und Erkenntnisfreiheit, Bern 1986, S. 190 f.). Es besteht kein geschriebenes Verfassungsrecht des Bundes, welches die Wissenschafts- oder Forschungsfreiheit ausdrücklich garantieren würde. In der Lehre werden Teilgehalte einer entsprechenden Freiheitsgarantie an bestehende geschriebene oder ungeschriebene Grundrechte angeknüpft, so insbesondere bei der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit, der persönlichen Freiheit oder der Handels- und Gewerbefreiheit (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Wissenschaftsfreiheit, in: BV-Kommentar, N. 5; GRUBER, a.a.O., S. 153 ff.; WALTER HALLER, Die Forschungsfreiheit, in: Festschrift für Hans Nef, Zürich 1981, S. 133 ff.).
Angesichts dieser Sachlage lässt sich die Frage stellen, ob die Wissenschafts- oder Forschungsfreiheit als Garantie eines unantastbaren schöpferischen Kerns wissenschaftlicher Erkenntnis und Lehre sowie zur Bewahrung der geistigen und methodischen Unabhängigkeit der Forschung (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Wissenschaftsfreiheit, N. 4, mit Hinweisen) im Sinne eines ungeschriebenen Verfassungsrechts des Bundes anzuerkennen ist. Das Bundesgericht hatte bisher keinen Anlass, die Frage näher zu prüfen (vgl. MICHEL ROSSINELLI, Les libertés non écrites, Lausanne 1987, S. 228 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Gewährleistung von in der Verfassung nicht genannten Freiheitsrechten durch ungeschriebenes Verfassungsrecht bisher nur in bezug auf solche Befugnisse angenommen worden, welche die Voraussetzung für die Ausübung anderer (in der Verfassung genannter) Freiheitsrechte bilden oder sonst als unentbehrliche Bestandteile der demokratischen oder rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes erscheinen. Dabei hat das Bundesgericht auch stets geprüft, ob die in Frage stehende Gewährleistung bereits einer weitverbreiteten Verfassungswirklichkeit in den Kantonen entspreche und von einem allgemeinen Konsens getragen sei (
BGE 104 Ia 96
, 107 Ia 279, mit Hinweisen).
In bezug auf den vorliegenden Fall können die Voraussetzungen für eine ausdrückliche Anerkennung der Freiheit der Forschung nicht zum vornherein verneint werden: Ein verfassungsrechtlich garantierter Freiraum kann für den Forschenden Voraussetzung zur Ausübung seiner Freiheitsrechte bilden und Bestandteil der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung darstellen; ebensosehr sind entsprechende Garantien in der einfachen Gesetzgebung des Bundes und der Kantone enthalten und in die neueren
BGE 115 Ia 234 S. 269
Kantonsverfassungen aufgenommen worden (
Art. 8 Abs. 2 lit. i KV/JU
,
§ 14 lit. e KV/AG
,
§ 6 Abs. 2 lit. e KV/BL
,
Art. 12 lit. i KV/UR
,
Art. 15 KV/SO
; vgl. GRUBER, a.a.O., S. 182 ff.). Es ist indessen zu beachten, dass Wissenschafts- und Forschungsfreiheit sowie deren Konturen und Grenzen nicht leicht zu umschreiben sind; unter den heutigen Verhältnissen muss auch berücksichtigt werden, dass der Wissenschafter nicht nur Freiräume benötigt, sondern ebensosehr in vielfacher Weise auf staatliche Institutionen angewiesen ist. Der vorliegende Sachverhalt aber macht es nicht notwendig, den Inhalt einer entsprechenden Garantie zu umschreiben und zur Frage der Anerkennung der Wissenschafts- oder Forschungsfreiheit abschliessend Stellung zu nehmen. Es kann für die im vorliegenden Fall zu beurteilenden Verfassungsfragen vielmehr genügen, die anerkannten Grundrechte heranzuziehen (vgl. J.P. MÜLLER, Wissenschaftsfreiheit, N. 9; GRUBER, a.a.O., S. 175 ff.).
In bezug auf den vorliegenden Sachverhalt fällt insbesondere die Meinungsfreiheit im Sinne der Freiheit, sich mittels Forschung eine Meinung über Sachverhalte zu bilden und diese später allenfalls zu verbreiten, in Betracht (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Meinungsfreiheit, BV-Kommentar, N. 15 f.; GRUBER, a.a.O., S. 156 ff.). Ebenso wird etwa angenommen, dass Forschung, verstanden als Methode zur Vertiefung und Mehrung der Erkenntnisse, unmittelbar der Selbstverwirklichung des Menschen dienen könne und auf diese Weise der persönlichen Freiheit zuzuordnen sei (vgl. HALLER, Persönliche Freiheit, N. 65; GRUBER, a.a.O., S. 223). In diesem Sinne können sich die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Anfechtung von Art. 9 GRB auf entsprechende Verfassungsgarantien berufen.
b) Der so verstandene Freiraum kann indessen nicht unbeschränkt gelten und unterliegt wie bei andern Grundrechten der Einschränkung, soweit eine solche im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Schranken ergeben sich in allgemeiner Weise auf den Gebieten des Straf- und Polizeirechts sowie des Persönlichkeitsrechts, deren Normen dem ebenfalls verfassungsrechtlichen Schutz von Rechtspositionen dienen (HALLER, Forschungsfreiheit, S. 140; J.P. MÜLLER, Wissenschaftsfreiheit, N. 12). Besonders problematisch erweist sich die Forschungsfreiheit auf dem Gebiete der medizinischen Biologie, wo elementare Verfassungsziele und die Menschenwürde entgegenstehen können (vgl. J.P. MÜLLER, Wissenschaftsfreiheit, N. 12, mit Hinweisen;
BGE 115 Ia 234 S. 270
vgl. auch
§ 14 KV/AG
, wonach Lehre und Forschung die Würde der Kreatur zu achten haben; vgl. hierzu KURT EICHENBERGER, Verfassung des Kantons Aargau, Aarau 1986, N. 10 f. zu § 14). - Im folgenden ist zu prüfen, ob das Verbot der Forschung an (unbefruchteten) Keimzellen nach Art. 9 GRB im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist.
Hierfür gilt es vorerst festzuhalten, dass nach der Bestimmung von Art. 9 GRB befruchtete Eizellen (Embryonen) nicht zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen. Weiter sieht Art. 10 GRB vor, dass das Erbgut von Keimzellen und von befruchteten Eizellen weder verändert noch beeinflusst werden darf. In bezug auf die Forschung an Embryonen und auf die Veränderung des Erbgutes ergibt sich in der Tat die Möglichkeit von bedeutenden Gefahren und Missbräuchen. Die Beschwerdeführer erheben denn in bezug auf diese Bestimmungen auch keine Rügen. Ihre Beschwerde beschränkt sich vielmehr ausschliesslich auf das Verbot der Verwendung von Keimzellen (Samen- und unbefruchteten Eizellen) zu Forschungszwecken. In dieser Richtung ergeben sich weder aus den Beratungen noch aus der Vernehmlassung des Regierungsrates Hinweise darauf, welche öffentlichen Interessen mit dem Forschungsverbot an Keimzellen verfolgt werden sollen; die Materialien zeigen vielmehr, dass im Gesetzgebungsverfahren nicht zwischen der Forschung an Embryonen und der Veränderung und Beeinflussung des Erbgutes einerseits und der Forschung am Keimzellen ohne Beeinflussung der Erbgutes andererseits unterschieden worden ist. In bezug auf die alleinige Forschung an Keimzellen sind keine Missbrauchsgefahren ersichtlich, welche im Sinne eines überwiegenden öffentlichen Interesses das angefochtene generelle Forschungsverbot zu rechtfertigen vermöchten. Es kann vielmehr auch im öffentlichen Interesse liegen, etwa im Hinblick auf die Erforschung der Ursachen der Sterilität und deren Behebung oder von Erbkrankheiten Keimzellen zu Forschungszwecken zu verwenden. Auch private Interessen bedürfen des absoluten Forschungsverbotes nicht; denn es kann in dieser Hinsicht genügen, die Verwendung von Keimzellen (Samen- und Eizellen) zu Forschungszwecken vom ausdrücklichen und jederzeit widerrufbaren Einverständnis des Spenders abhängig zu machen. Angesichts dieser Überlegungen und des Umstandes, dass die Forschung an Embryonen und die Veränderung oder Beeinflussung des Keimgutes von Keimzellen klar untersagt sind, ergeben sich keine hinreichenden Gründe, welche das generelle Verbot der
BGE 115 Ia 234 S. 271
Forschung an Keimzellen als im öffentlichen Interesse liegend und verhältnismässig erscheinen liessen. Im vorliegenden Fall braucht nicht geprüft zu werden, ob und in welchem Ausmass die Forschung - etwa im Hinblick auf den Datenschutz - an einschränkende Bedingungen gebunden und einer allfälligen Kontrolle und Überwachung unterstellt werden könnte.
c) Demnach ist die Beschwerde in diesem Punkte im Sinne der Erwägungen gutzuheissen, und in Art. 9 GRB sind die Worte "Keimzellen und" aufzuheben.
11.
Die Beschwerdeführer 1 machen ferner geltend, die Bestimmung von Art. 12 GRB, welche die Anwendung neuer Verfahren zur Behandlung der menschlichen Unfruchtbarkeit von einer Änderung des Erlasses abhängig macht, verletze das Grundrecht der persönlichen Freiheit sowie die Handels- und Gewerbefreiheit (
Art. 31 BV
) und sei in dieser Hinsicht unverhältnismässig.
a) Soweit Art. 12 GRB die Anwendung neuer Methoden zur Behandlung der menschlichen Unfruchtbarkeit von einer Gesetzesänderung abhängig macht, betrifft die Bestimmung sowohl die persönliche Freiheit potentieller Wunscheltern als auch die Handels- und Gewerbefreiheit des freipraktizierenden Arztes, der eine solche neue Methode in einem konkreten Fall anwenden möchte. Für ihre verfassungsmässige Zulässigkeit muss die Bestimmung daher einem überwiegenden öffentlichen Interesse entsprechen und verhältnismässig sein. Ob dies in bezug auf Art. 12 GRB zutrifft, ist im folgenden zu prüfen.
b) Der Regierungsrat vertritt in der Vernehmlassung die Auffassung, die Diskussion um die Fortpflanzungsmedizin habe eindrücklich die vielen Missbrauchsmöglichkeiten sowie die zahlreichen ungelösten rechtlichen, medizinischen, ethischen und psychologischen Probleme aufgezeigt. Angesichts des Zieles des Grossratsbeschlusses, die Fortpflanzungsmedizin gesamthaft zu regeln, sei es dem Gesetzgeber vorzubehalten, neue Methoden zur Behandlung der menschlichen Infertilität zuzulassen. Die Bestimmung von Art. 12 GRB sei daher verfassungsrechtlich haltbar.
Es ist dem kantonalen Gesetzgeber einzuräumen, dass die moderne Medizin möglicherweise neue Formen der Infertilitätsbehandlung entwickeln wird, welche eine gewisse staatliche Kontrolle und Überwachung erfordern mögen. Es ist beispielsweise an die (möglicherweise in absehbarer Zeit allgemein anwendbare) Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen, aber auch an heute noch unbekannte weitere Methoden zu denken. Unter die "neuen
BGE 115 Ia 234 S. 272
Verfahren zur Behandlung der menschlichen Unfruchtbarkeit" im Sinne dieser Bestimmung, deren Anwendung einer Änderung des Grossratsbeschlusses bedarf, fallen aber nicht nur derartige Methoden moderner Fortpflanzungsmedizin, sondern ebensosehr medikamentöse oder operative Möglichkeiten und Therapien. An deren Anwendung besteht von seiten von Wunscheltern und Ärzten ein erhebliches Interesse. Insofern sind keine überwiegenden und verhältnismässigen öffentlichen Interessen ersichtlich, welche ein vorläufiges generelles Verbot von deren Anwendung erheischen würden. Wesentliche Missbrauchsmöglichkeiten bei neuen operativen Behandlungsmethoden - etwa zur Behebung von Eileiterverschlüssen - sind nicht gegeben. Und bei medikamentösen Therapien besteht aufgrund der eidgenössischen und interkantonalen Heilmittelgesetzgebung und -kontrolle eine hinreichende Überwachung. Die generelle Regelung von Art. 12 GRB, welche einstweilen ohne die geringste Einschränkung alle neuen Behandlungsmethoden schlechthin untersagt, erweist sich daher im Lichte der persönlichen Freiheit und der Handels- und Gewerbefreiheit als unverhältnismässig.
Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte gutzuheissen, und Art. 12 GRB ist demnach aufzuheben.
12.
Die Beschwerdeführer fechten schliesslich die Strafbestimmungen des Art. 11 GRB an und machen hierfür eine Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV geltend. Einerseits sind sie der Auffassung, der kantonale Gesetzgeber sei generell nicht zum Erlass der fraglichen Strafnormen zuständig; andererseits erachten sie einzelne Strafbestimmungen wegen der Verfassungswidrigkeit der ihnen zugrunde liegenden Tatbestände als unzulässig.
a) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, der mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV angerufen werden kann, bedeutet, dass die Kantone in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, nicht zur Rechtssetzung befugt sind (
BGE 113 Ia 311
, mit Hinweisen). Auf entsprechende Rüge hin prüft das Bundesgericht frei, ob die beanstandeten kantonalen Normen mit dem Bundesrecht vereinbar sind (
BGE 113 Ia 311
, mit Hinweisen).
b)
Art. 3 BV
enthält den Grundsatz, dass die Kantone alle jene Kompetenzen ausüben, welche durch die Bundesverfassung nicht dem Bund übertragen sind. In bezug auf das Strafrecht bestimmt
Art. 64bis Abs. 1 BV
, dass der Bund zur Gesetzgebung im Gebiete des Strafrechts befugt ist. Dabei handelt es sich um eine
BGE 115 Ia 234 S. 273
(konkurrierende) Bundeskompetenz mit nachträglich derogierender Wirkung; mit dem Erlass des Schweizerischen Strafgesetzbuches ist die Zuständigkeit der Kantone zur materiellen Strafgesetzgebung grundsätzlich erloschen (vgl. PETER SALADIN, BV-Kommentar, N. 201 ff. zu Art. 3; BLAISE KNAPP, BV-Kommentar, N. 24 zu Art. 64bis; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Aufl. 1988, N. 296 ff.). Diese verfassungsrechtliche Ordnung wird durch das Strafgesetzbuch näher ausgeführt.
Art. 400 Abs. 1 StGB
bestimmt, dass mit dem Inkrafttreten des Gesetzes die strafrechtlichen Bestimmungen der Kantone aufgehoben sind; vorbehalten bleiben nach
Art. 400 Abs. 2 StGB
die strafrechtlichen Bestimmungen der Kantone über Gegenstände, die der kantonalen Gesetzgebung ausdrücklich überlassen werden. Diese Gegenstände sind in
Art. 335 StGB
umschrieben. Es handelt sich um das Übertretungs- oder Polizeistrafrecht (Ziff. 1 Abs. 1), das Verwaltungsstrafrecht (Ziff. 1 Abs. 2), die Übertretungen von Prozessvorschriften (Ziff. 1 Abs. 2) sowie die Strafbestimmungen zum Schutze des kantonalen Steuerrechts (Ziff. 2).
In Auslegung der verfassungsrechtlichen Ordnung und der bundesrechtlichen Regelung des Strafrechts insgesamt ist im Einzelfall zu bestimmen, ob kantonale Strafbestimmungen Gültigkeit haben (vgl.
BGE 89 IV 94
; YVO HANGARTNER, Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen, Bern und Frankfurt a.M. 1974, S. 101 ff.).
c) aa) Bei den Strafbestimmungen von Art. 11 GRB handelt es sich klarerweise nicht um solche, welche der Sicherung von kantonalen Prozessvorschriften oder dem Schutz des kantonalen Steuerrechts dienen. Sie können daher insofern nicht auf Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 bzw.
Art. 335 Ziff. 2 StGB
abgestützt werden.
bb) Nach
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht den Kantonen insofern vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. Wie sich aus der französischen und italienischen Fassung sowie aus dem Marginale zum deutschen Text ergibt, handelt es sich dabei nicht um beliebige Übertretungen, sondern um Polizeistrafrecht. Ferner zeigt die Entstehungsgeschichte, dass der Ausdruck "Polizeiübertretung", der sich noch im bundesrätlichen Entwurf von 1918 (E 1918) fand, wegen der Bedenken, er könnte nicht alle den Kantonen zu überlassenden Tatbestände erfassen, zugunsten des allgemeineren Ausdrucks "Übertretungen" weggelassen wurde; mit
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
sollten auch solche Tatbestände
BGE 115 Ia 234 S. 274
erfasst werden können, welche zwar nicht eigentliche Polizeiübertretungen darstellen, die aber wegen der Besonderheit der lokalen Verhältnisse oder mangels eines Bedürfnisses nach einheitlicher Regelung den Kantonen belassen werden sollten (ERNST HAFTER, Das eidgenössische Strafrecht und die Vorbehalte zugunsten der Kantone im Sinne des Art. 335 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, in: ZSR 58/1939 S. 12a ff.). Diese Überlegungen zeigen, dass die Kantone nicht irgendwelche Übertretungen unter diesem Titel unter Strafe stellen können.
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
will demnach die kantonale Zuständigkeit nicht nur nach der Art der Sanktion (Haft oder Busse als Höchststrafe im Sinne von
Art. 101 StGB
), sondern auch in der Sache selbst beschränken (vgl. ANDRE PANCHAUD, Le droit pénal réservé aux cantons par l'art. 335 du code pénal suisse, in: ZSR 58/1939 S. 59a f.; PHILIPP THORMANN, Die Übertretungen im Strafrecht des Bundes und der Kantone, in: ZStrR 61/1946 S. 17 ff.; HANS SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, Band I, 4. Aufl. 1982, S. 75). Die Zulässigkeit der streitigen Strafnormen ergibt sich daher entgegen der Auffassung des Regierungsrates nicht schon allein aus dem Umstand, dass Art. 11 GRB als Höchststrafe nur Haft vorsieht.
Bei den Tatbeständen in Art. 11 GRB handelt es sich nicht um eigentliche Polizeiübertretungen oder um Übertretungen, die wegen der Besonderheit der lokalen Verhältnisse oder mangels eines Bedürfnisses nach einheitlicher Regelung in die Zuständigkeit der Kantone fallen würden. Die streitigen Strafbestimmungen von Art. 11 GRB können sich daher auch nicht auf den Vorbehalt von
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
abstützen.
cc)
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
behält weiter Übertretungen kantonaler Verwaltungsvorschriften vor und überlässt den Kantonen damit die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsstrafrechts. Als Verwaltungsstrafrecht gelten jene Strafrechtssätze, welche der Durchführung verwaltungsrechtlicher Bestimmungen dienen; die zugrundeliegende Norm ergibt sich aus einem verwaltungsrechtlichen Erlass (vgl. HAFTER, a.a.O., S. 24a). Um einen solchen handelt es sich beim angefochtenen Grossratsbeschluss. Nach der bundesverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung (
Art. 3 BV
) ist das Gesundheitswesen Sache der Kantone. Damit sind sie zur Regelung dieses Sachgebietes mittels öffentlichrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Normen befugt. Solche Bestimmungen können sich nicht nur an Medizinalpersonen wie Ärzte richten (vgl. etwa
BGE 111 Ia 184
,
BGE 109 Ia 180
), sondern ebensosehr
BGE 115 Ia 234 S. 275
das Verhalten des einzelnen regeln, soweit das Sachgebiet des Gesundheitswesens betroffen ist. Daran vermag im Lichte der bundesverfassungsrechtlichen Ordnung der Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei der Fortpflanzungsmedizin um einen Bereich des Gesundheitswesens handelt, der erst in neuester Zeit aktuell geworden ist und erst jetzt der rechtlichen Regelung bedarf. Entgegen einer in der Literatur geäusserten Auffassung handelt es sich daher beim angefochtenen Grossratsbeschluss um kompetenzmässiges kantonales Verwaltungsrecht aus dem Bereiche des Gesundheitswesens (vgl. AUBERT, a.a.O., S. 13 f.). Abgesehen von der in Erwägung 4 behandelten Rüge wird nicht vorgebracht, diese öffentlichrechtlichen Normen widersprächen dem Bundesrecht und dem Bundesstrafrecht oder dessen Sinn und Geist (vgl.
BGE 101 Ia 580
,
BGE 99 Ia 507
f.,
BGE 74 I 143
f.).
Daraus ist zu schliessen, dass die Kantone auch befugt sind, solche verwaltungsrechtliche Normen mit Strafsanktionen zu belegen. Diese Kompetenz ergibt sich sowohl aus der verfassungsrechtlichen Kompetenzausscheidung als auch aufgrund von
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
. Die entsprechenden Strafnormen im angefochtenen Grossratsbeschluss dienen der Sicherung der materiellen Bestimmungen und sind daher als Verwaltungsstrafrecht im Sinne des Strafgesetzbuches zu bezeichnen. Es kann daher nicht gesagt werden, die Möglichkeit, die angefochtenen Strafbestimmungen auf
Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
abzustützen, entfalle ohnehin (in diesem Sinne NIKLAUS SCHMID, Strafnormen gegen unerwünschte Techniken der Fortpflanzungsmedizin, in: NZZ vom 20. Januar 1988 S. 23).
Neben strafrechtlichen Normen können die Kantone zur Durchsetzung ihrer öffentlichrechtlichen Normen auch Verwaltungsmassnahmen vorsehen. Solche sind im angefochtenen Erlass nicht vorgesehen und brauchen daher nicht näher geprüft zu werden.
Demnach erweist sich die Rüge, der kantonale Gesetzgeber sei zur strafrechtlichen Ahndung generell nicht zuständig und habe durch den Erlass der Strafbestimmungen in Art. 11 GRB Art. 2 ÜbBest. BV verletzt, als unbegründet.
dd) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich demnach, dass der st. gallische Gesetzgeber grundsätzlich zum Erlass der Strafbestimmungen in Art. 11 GRB zuständig ist und demnach Art. 2 ÜbBest. BV nicht verletzt hat. Soweit mit den Beschwerden diese kantonale Kompetenz als solche angefochten wird, sind sie daher abzuweisen.
BGE 115 Ia 234 S. 276
d) In den Erwägungen 6-11 ist dargelegt worden, dass verschiedene materielle Bestimmungen des angefochtenen Grossratsbeschlusses vor der Verfassung nicht standhalten. Soweit diese Regelungen die Grundlage der Strafbestimmungen in Art. 11 GRB bilden, vermögen auch die entsprechenden Strafnormen vor der Verfassung nicht zu bestehen. In diesem Umfang sind daher die Beschwerden gutzuheissen und die Strafbestimmungen aufzuheben. Aufgrund der Beurteilung von Art. 4 lit. a GRB sind in Art. 11 lit. a GRB die Worte "oder unter Verwendung von Samenzellen eines Dritten die künstliche Insemination oder" aufzuheben. Die teilweise Aufhebung von Art. 9 GRB führt in Art. 11 lit. f GRB zur Streichung der Worte "Keimzellen und". Schliesslich hat die Verfassungswidrigkeit von Art. 4 lit. f GRB die Annullierung von Art. 11 lit. i GRB zur Folge.
13.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sind die beiden staatsrechtlichen Beschwerden im Sinne der Erwägungen teilweise gutzuheissen. Demnach sind verschiedene Bestimmungen des angefochtenen Grossratsbeschlusses aufzuheben. Im übrigen sind die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die staatsrechtlichen Beschwerden werden teilweise im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.
Der Beschluss des Grossen Rates des Kantons St. Gallen vom 24. Februar 1988 über Eingriffe in die Fortpflanzung beim Menschen wird in folgendem Umfang aufgehoben:
- Art. 4 lit. a;
- Art. 4 lit. f;
- Art. 6, insofern die künstliche Insemination mit Keimzellen des Ehemannes auf das Kantonsspital St. Gallen beschränkt wird;
- in Art. 7 die Worte "des Ehemannes" und "während der Dauer der Behandlung";
- in Art. 9 die Worte "Keimzellen und";
- in Art. 11 lit, a die Worte "oder unter Verwendung von Samenzellen eines Dritten die künstliche Insemination oder";
- in Art. 11 lit. f die Worte "Keimzellen und";
- Art. 11 lit. i;
- Art. 12.
Im übrigen werden die staatsrechtlichen Beschwerden abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
82b1dbe8-bd59-482b-87ce-6eeef00c8547 | Urteilskopf
134 V 20
4. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Patria-Stiftung zur Förderung der Personalversicherung gegen N. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_249/2007 vom 6. Dezember 2007 | Regeste
Art. 23 lit. a und
Art. 26 Abs. 1 BVG
;
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG
; Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und zeitlicher Zusammenhang zur Invalidität.
Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von
Art. 23 lit. a BVG
und der später eingetretenen Invalidität beurteilt sich nach der Arbeitsunfähigkeit resp. Arbeitsfähigkeit in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit; diese muss bezogen auf die angestammte Tätigkeit die Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens erlauben (E. 5.3). | Erwägungen
ab Seite 21
BGE 134 V 20 S. 21
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
3.1.1
Nach
Art. 23 BVG
, in der bis 31. Dezember 2004 in Kraft gestandenen Fassung, haben Anspruch auf Invalidenleistungen Personen, die im Sinne der IV zu mindestens 50 Prozent invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren. Laut dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen
Art. 23 lit. a BVG
besteht bereits bei einer Invalidität von mindestens 40 Prozent Anspruch auf Invalidenleistungen. Das vorliegend anwendbare Vorsorgereglement geht vom selben Invaliditätsbegriff aus wie die Invalidenversicherung, was unbestritten ist.
3.1.2
Gemäss
Art. 26 Abs. 1 BVG
gelten für den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen sinngemäss die entsprechenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1959 über die Invalidenversicherung (
Art. 29 IVG
). Der Eintritt des vorsorgerechtlichen Versicherungsfalles fällt somit in der Regel mit dem Beginn der einjährigen Wartezeit nach
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG
zusammen (
BGE 118 V 239
E. 3c S. 245 mit Hinweis). Im Bestreitungsfalle greift allenfalls eine auf offensichtliche Unrichtigkeit der Festsetzung der IV-Stelle eingeschränkte Überprüfungsbefugnis des Berufsvorsorgegerichts Platz (
BGE 130 V 270
E. 3.1 und 3.2 S. 273 ff.; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 45/03 vom 13. Juli 2004, E. 2.3 nicht publ. in
BGE 130 V 501
, aber publ. in: SVR 2005 BVG Nr. 5 S. 15; vgl. auch Urteil I 349/05 vom 21. April 2006, E. 2.3 und 2.4).
Vorliegend legte die IV-Stelle den Beginn der Wartezeit nach
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG
in den Juni 2001. Für diese Festsetzung war offensichtlich der Zeitpunkt der Erhöhung der Invalidenrente der Unfallversicherung ab 1. Juni 2001 aufgrund einer Zunahme der (unfallbedingten) Erwerbsunfähigkeit von 15 % auf 59 % massgebend. Das kantonale Gericht hat den Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, frei und ohne Bindung an den im IV-Verfahren festgesetzten Beginn der Wartezeit geprüft, was die Beschwerdeführerin als bundesrechtswidrig rügt. Darauf braucht indessen nicht näher eingegangen zu werden, da die Frage nicht von entscheidender Bedeutung ist (vgl. E. 5 und 6 hienach).
BGE 134 V 20 S. 22
3.2
Der Anspruch auf Invalidenleistungen der (obligatorischen) beruflichen Vorsorge setzt weiter einen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses (einschliesslich der Nachdeckungsfrist nach
Art. 10 Abs. 3 BVG
) bestandenen Arbeitsunfähigkeit und der allenfalls erst später eingetretenen Invalidität voraus (
BGE 130 V 270
E. 4.1 in fine S. 275). Der Gesundheitsschaden, der zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, muss von der Art her im Wesentlichen derselbe sein, der der Erwerbsunfähigkeit zu Grunde liegt. Diese Bedingung ist hier unbestrittenermassen erfüllt.
3.2.1
Die Annahme eines engen zeitlichen Zusammenhangs setzt voraus, dass die versicherte Person nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, nicht während längerer Zeit wieder arbeitsfähig war. Bei der Prüfung dieser Frage sind die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen, namentlich die Art des Gesundheitsschadens, dessen prognostische Beurteilung durch den Arzt sowie die Beweggründe, welche die versicherte Person zur Wiederaufnahme oder Nichtwiederaufnahme der Arbeit veranlasst haben. Zu den für die Beurteilung des zeitlichen Konnexes relevanten Umständen zählen auch die in der Arbeitswelt nach aussen in Erscheinung tretenden Verhältnisse, wie etwa die Tatsache, dass ein Versicherter über längere Zeit hinweg als voll vermittlungsfähiger Stellensuchender Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 100/02 vom 26. Mai 2003, E. 4.1, und B 18/06 vom 18. Oktober 2006, E. 4.2.1 in fine mit Hinweisen). Allerdings kann solchen Zeiten nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden wie Zeiten effektiver Erwerbstätigkeit (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 23/01 vom 21. November 2002, E. 3.3). Mit Bezug auf die Dauer der den zeitlichen Konnex unterbrechenden Arbeitsfähigkeit kann die Regel von
Art. 88a Abs. 1 IVV
als Richtschnur gelten. Nach dieser Bestimmung ist eine anspruchsbeeinflussende Verbesserung der Erwerbsfähigkeit in jedem Fall zu berücksichtigen, wenn sie ohne wesentliche Unterbrechung drei Monate gedauert hat und voraussichtlich weiterhin andauern wird. Bestand während mindestens drei Monaten wieder volle Arbeitsfähigkeit und erschien gestützt darauf eine dauerhafte Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit als objektiv wahrscheinlich, stellt dies ein gewichtiges Indiz für eine Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs dar. Anders verhält es sich, wenn die fragliche, allenfalls mehr als dreimonatige Tätigkeit als
BGE 134 V 20 S. 23
Eingliederungsversuch zu werten ist oder massgeblich auf sozialen Erwägungen des Arbeitgebers beruhte und eine dauerhafte Wiedereingliederung aber unwahrscheinlich war (
BGE 123 V 262
E. 1c S. 264;
BGE 120 V 112
E. 2c/aa und bb S. 117 f. mit Hinweisen; Urteil B 23/01 vom 21. November 2002, E. 3.3; JÜRG BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Rz. 109 S. 2043; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 279 f.; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Berufliche Vorsorge [Kommentar zum BVG und zu weiteren Erlassen], Zürich 2005, S. 91 f.).
3.2.2
Als Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, im Sinne von
Art. 23 BVG
gilt eine Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich (
BGE 130 V 97
E. 3.2 S. 99; Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 13/01 vom 5. Februar 2003, E. 4.2, und B 49/00 vom 7. Januar 2003, E. 3; vgl. auch
BGE 130 V 35
E. 3.1 S. 36 mit Hinweisen). Kann vom Versicherten vernünftigerweise verlangt werden, dass er die ihm verbliebene Arbeitsfähigkeit in einem anderen Berufszweig verwertet, ist er unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und gegebenenfalls nach einer bestimmten Anpassungszeit nach der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen, die er bei gutem Willen ausüben könnte (
BGE 114 V 281
E. 1c S. 283; vgl. auch die Legaldefinition in
Art. 6 ATSG
, welche Vorschrift im Bereich der beruflichen Vorsorge allerdings keine Anwendung findet; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 54/05 vom 6. Februar 2006, E. 1.2).
4.
4.1
Das kantonale Gericht hat festgestellt, der Kläger habe ab 29. Oktober 1992 aufgrund seiner Kniebeschwerden keine schwere körperliche Arbeit mehr verrichten können. Insbesondere sei es ihm verwehrt gewesen, weiterhin in seiner angestammten Tätigkeit zu arbeiten. Diese Einbusse an Leistungsvermögen sei während der ganzen Zeit bestehen geblieben und habe im Juni 2001 ein invalidisierendes Ausmass angenommen. Sodann sei der Kläger vom 1. Februar 1993 bis Ende Mai 1994 in einer wechselbelastenden Tätigkeit vollständig arbeitsfähig gewesen. Vom 2. Januar bis 30. November 1995 und vom 1. Oktober 1998 bis 31. Dezember 1999 - Letzteres im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms für Langzeitarbeitslose - sei er einer leidensadaptierten Verweisungstätigkeit im Rahmen eines Pensums von 50 % nachgegangen. Im
BGE 134 V 20 S. 24
Zeitraum Dezember 1995 bis Dezember 1999 habe er Arbeitslosentaggelder, berechnet auf einer Arbeitsfähigkeit von 50 %, bezogen. Diese Anstellungen zeigten auf, dass er bloss in einem zeitlich reduzierten Umfang und zudem nur für körperlich leichte Arbeiten einsetzbar gewesen sei.
Gestützt auf diesen Sachverhalt hat die Vorinstanz den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit als Folge der unfallähnlichen Körperschädigung am rechten Knie von 1991 und der 2001 eingetretenen Invalidität bejaht. Gemäss Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 35/05 vom 9. November 2005, E. 4.1.2, sei entscheidend, dass die während des Vorsorgeverhältnisses mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten seit Oktober 1992 eingetretene Arbeitsunfähigkeit von 100 % in der damals ausgeübten (angestammten) Tätigkeit ohne wesentliche Unterbrechung bis zum Eintritt der rentenbegründenden Invalidität im Juni 2001 bestanden habe. Dass der Kläger im Zeitraum Februar 1993 bis Mai 1994 in einer wechselbelastenden Tätigkeit zu 100 % arbeitsfähig gewesen sein, genüge nicht, um den zeitlichen Konnex zu unterbrechen.
4.2
Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss geltend, die Feststellung der Vorinstanz einer Arbeitsfähigkeit von lediglich 50 % auch in wechselbelastenden Tätigkeiten zwischen dem 1. Juni 1994 und Anfang 2001 sei offensichtlich unrichtig. In rechtlicher Hinsicht bringt die Vorsorgeeinrichtung vor, das Eidg. Versicherungsgericht habe im Urteil B 42/02 vom 11. Februar 2003 in einem ähnlich gelagerten Fall den zeitlichen Zusammenhang als unterbrochen betrachtet. In den Urteilen B 27/03 vom 21. September 2004 und B 1/02 vom 2. Dezember 2002 habe das höchste Gericht klar zum Ausdruck gebracht, dass es für die Frage der Unterbrechung des zeitlichen Konnexes auf die volle Arbeitsfähigkeit in der neuen Tätigkeit resp. auf die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit, welche sich auch auf eine Verweisungstätigkeit beziehen könne, ankomme. Der Beschwerdegegner sei in einer solchen Tätigkeit während vollen acht Jahren zu 100 % arbeitsfähig gewesen (1. Februar 1993 bis Juni 2001 mit einem kurzen Unterbruch von Ende Mai bis Ende Juli 1994). Somit sei der zeitliche Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Januar 1993 und der Invalidität ab 1. Juni 2002 offensichtlich unterbrochen und sie demzufolge nicht leistungspflichtig.
BGE 134 V 20 S. 25
Der Beschwerdegegner macht u.a. sinngemäss geltend, die vorinstanzliche Feststellung einer maximal 50%igen Arbeitsfähigkeit auch in wechselbelastenden Tätigkeiten ab Januar 1995 sei nicht offensichtlich unrichtig und daher für das Bundesgericht verbindlich.
5.
5.1
Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses bestandenen Arbeitsunfähigkeit und der später eingetretenen Invalidität ist unterbrochen ("rompue"), wenn der Versicherte während einer bestimmten Zeit wieder arbeitsfähig ist "de nouveau apte à travailler") resp. seine Arbeitsfähigkeit wiedererlangt ("recouvré sa capacité de travail") hat oder bei Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit ("rétablissement de la capacité de gain";
BGE 123 V 262
E. 1c S. 265 und
BGE 120 V 112
E. 2c/bb S. 118). Diese verschiedenen Formulierungen lassen einen Interpretationsspielraum offen. Der Begriff der Arbeitsfähigkeit kann sich auf die angestammte, eine gleichgeartete oder auf jede andere, allenfalls nach Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art zumutbare Tätigkeit beziehen.
5.2
Die Gerichtspraxis zeigt kein einheitliches Bild, wie die folgenden Beispiele zeigen.
5.2.1
Im Urteil B 35/05 vom 9. November 2005, SZS 2006 S. 370, war für die Frage des engen zeitlichen Zusammenhangs die Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit massgeblich. In E. 4.1.3 stellte das Eidg. Versicherungsgericht u.a. fest: "Tritt (...) in einem früheren Arbeits- und Vorsorgeverhältnis Arbeitsunfähigkeit ein und bleibt diese in Bezug auf die angestammte Tätigkeit bestehen, vermag die im Rahmen der Selbsteingliederung an einer neuen Arbeitsstelle in einer leidensangepassten Verweisungstätigkeit anfänglich während rund einem Jahr erreichte volle Arbeitsfähigkeit den sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeit und dem Eintritt der Invalidität im Verlauf eines späteren Arbeits- und Vorsorgeverhältnisses nicht zu durchbrechen, sofern der Gesundheitsschaden, der ursprünglich zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat, auch Ursache für den Eintritt der Invalidität oder der Erhöhung des Invaliditätsgrades ist." Sodann wurde im Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 49/00 vom 7. Januar 2003, SZS 2003 S. 521, der enge zeitliche Zusammenhang bei einem Versicherten, welcher bereits während des Vorsorgeverhältnisses gesundheitlich bedingt im angestammten Beruf als
BGE 134 V 20 S. 26
Hilfsschlosser zu 50 % eingeschränkt war, mit der Begründung bejaht, den medizinischen Akten seien keinerlei Hinweise auf eine zwischenzeitliche Verringerung der funktionellen Leistungseinbusse im zuletzt ausgeübten Beruf zu entnehmen (E. 4). Im Urteil B 46/06 vom 29. Januar 2007 liess nach Auffassung des Bundesgerichts die zehnmonatige Tätigkeit eines Versicherten im Rahmen eines Zwischenverdienstes als Lager-/Werkstattmitarbeiter (1. Juli 1999 bis 30. April 2000) den zeitlichen Zusammenhang zwischen der 1997 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der 2001 eingetretenen Invalidität nicht dahinfallen. "Anders verhielte es sich, wenn entweder diese Tätigkeit vom Anforderungsprofil her mit dem angestammten Beruf eines TV-Technikers im Aussendienst vergleichbar wäre oder die Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens ermöglichte" (E. 6.2; vgl. auch Urteil B 35/05 vom 9. November 2005, E. 4.1.3).
5.2.2
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wurde bei der Beurteilung des zeitlichen Zusammenhangs zwischen der während des Vorsorgeverhältnisses eingetretenen Arbeitsunfähigkeit und der späteren Erwerbsunfähigkeit auf die Arbeitsunfähigkeit resp. Arbeitsfähigkeit in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten Tätigkeit, allenfalls nach Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art, abgestellt (vgl. Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 42/94 vom 24. März 1995, E. 4c/bb; B 19/98 vom 21. Juni 2000, E. 3c; B 23/01 vom 21. November 2002, E. 3.3; B 1/02 vom 2. Dezember 2002, E. 5.2; B 27/03 vom 21. September 2004, E. 3.3, und B 54/05 vom 6. Februar 2006, E. 2; vgl. ferner die bei GABRIELA RIEMER-KAFKA, Zuständigkeit der Vorsorgeeinrichtung aufgrund von
Art. 23 BVG
: zeitliche Konnexität, in: SZS 2006 S. 370 ff. erwähnten Urteile). Dabei genügte bereits für die Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs, wenn die versicherte Person in der Lage war, eine Ausbildung zu absolvieren, die sie in gleichem Masse wie die Ausübung eines zeitlich uneingeschränkten, den Leiden angepassten Erwerbstätigkeit beanspruchte (Urteile B 18/06 vom 18. Oktober 2006, E. 4.2.1, und B 42/02 vom 11. Februar 2003, E. 2.1). Schliesslich hat das Eidg. Versicherungsgericht bei der Beurteilung des zeitlichen Konnexes zwischen der Arbeitsunfähigkeit während des Vorsorgeverhältnisses und der später eingetretenen Erwerbsunfähigkeit auch Zeiten berücksichtigt, in welcher die versicherte Person arbeitslosenversicherungsrechtlich als vermittlungsfähig im Umfang des Arbeitsausfalles in der angestammten Tätigkeit galt
BGE 134 V 20 S. 27
(Urteile B 42/94 vom 24. März 1995, E. 4c/cc und dd; B 19/98 vom 21. Juni 2000, E. 3c; B 23/01 vom 21. November 2002, E. 3.3; B 1/02 vom 2. Dezember 2002, E. 5.1, und B 42/02 vom 11. Februar 2003, E. 2.1).
5.3
Die Rechtsprechung ist dahingehend zu verdeutlichen, dass für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Sinne von
Art. 23 lit. a BVG
die Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf massgeblich ist. Der zeitliche Zusammenhang zur später eingetretenen Invalidität als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Invalidenleistungen der damaligen Vorsorgeeinrichtung beurteilt sich hingegen nach der Arbeitsunfähigkeit resp. Arbeitsfähigkeit in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit. Darunter fallen auch leistungsmässig und vom Anforderungsprofil her vergleichbare Ausbildungen. Diese Tätigkeiten müssen jedoch bezogen auf die angestammte Tätigkeit die Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens erlauben. Soweit insbesondere in den Urteilen B 35/05 vom 9. November 2005; B 49/00 vom 7. Januar 2003 und B 46/06 vom 29. Januar 2007 etwas anderes gesagt wird, kann daran nicht festgehalten werden. Der dort angewendete Begriff des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit während des Vorsorgeverhältnisses und später eingetretener Erwerbsunfähigkeit liefe auf eine Versicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos hinaus, was zumindest in jenen Fällen, wo das Vorsorgereglement vom selben Invaliditätsbegriff ausgeht wie die Invalidenversicherung, dem Gesetz widerspricht. Ebenfalls trägt diese - abzulehnende - Konzeption dem Aspekt der beruflichen Wiedereingliederung und auch der Rechtssicherheit zu wenig Rechnung (vgl. RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 373).
6.
Vorliegend war der Beschwerdegegner spätestens seit Ende Oktober 1992, somit während des Vorsorgeverhältnisses mit der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, wegen der Kniebeschwerden rechts zu 100 % arbeitsunfähig in der damals ausgeübten (angestammten) Tätigkeit. Aufgrund der Akten und insoweit unbestritten bestand indessen ab 1. Februar 1993 bis Ende Februar 1994 und wiederum vom September bis Dezember 1994 volle Arbeitsfähigkeit in leichten wechselbelastenden Tätigkeiten. Ob der Beschwerdegegner in der Zeit danach ununterbrochen auch bei solchen Tätigkeiten mindestens zu 50 % eingeschränkt war, wie das kantonale Gericht angenommen hat, ist fraglich. Dass das 1995 sowie 1998/99 effektiv geleistete Arbeitspensum lediglich 50 %
BGE 134 V 20 S. 28
betrug, lässt diesen Schluss jedenfalls nicht zu. Es fehlen denn auch entsprechende ärztliche Bescheinigungen. In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdegegner nicht geltend, er habe sich nach Ablehnung seines Leistungsbegehrens im August 1995 schon vor der aktenmässig ausgewiesenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Jahr 2000 erneut bei der Invalidenversicherung angemeldet. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offenbleiben. Im Zeitraum Februar 1993 bis Dezember 1994 bestand, wie dargelegt, während mehr als eines Jahres volle Arbeitsfähigkeit in dem Knieleiden rechts angepassten Tätigkeiten. Damit hätte der Beschwerdegegner ein rentenausschliessendes Einkommen erzielen können. Die Invaliditätsschätzung der Invalidenversicherung und auch der Unfallversicherung für 1995 ergaben einen Invaliditätsgrad von weniger als 20 %. Dass und aus welchen Gründen der Beschwerdegegner diese Arbeitsfähigkeit nicht erwerblich verwertet und er sich offenbar auch nicht bei der Arbeitslosenversicherung zum Taggeldbezug angemeldet hatte, braucht nicht weiter zu kümmern. So oder anders hat nach dem Gesagten der zeitliche Konnex zwischen der Arbeitsunfähigkeit während des Vorsorgeverhältnisses und der Jahre später eingetretenen Invalidität als unterbrochen zu gelten. Der anders lautende kantonale Entscheid verletzt Bundesrecht. | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
82b8d2d4-4257-49ea-afd0-aa41eb34eb06 | Urteilskopf
140 III 529
78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_579/2014 vom 18. August 2014 | Regeste
Art. 445 i.V.m.
Art. 314 Abs. 1 ZGB
; vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutzverfahren.
Das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist durch einen förmlichen Entscheid der Kindesschutzbehörde abzuschliessen. Für den Fall, dass die Kindesschutzbehörde vorweg eine vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Verfahrensbeteiligten trifft, schreibt das Gesetz zwingend vor, dass die Kindesschutzbehörde den Verfahrensbeteiligten gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 530
BGE 140 III 529 S. 530
A. (Beschwerdeführerin) ist die Mutter des Kindes C., geboren am 9. Mai 2014. Vor dessen Geburt informierten der mutmassliche Kindsvater und die Hebamme die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) insbesondere über die schwierigen Wohnverhältnisse, in denen die schwangere Beschwerdeführerin lebe und künftig mit dem Neugeborenen zu leben beabsichtige. An einem unangemeldeten Hausbesuch konnte die KESB mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führen, erhielt aber keinen Einblick in die Wohnverhältnisse.
Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die KESB die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort vorläufig auf. Sie platzierte das Kind per sofort vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals, errichtete eine Beistandschaft für das Kind, bezeichnete die Person des Beistands und umschrieb dessen Aufgaben. Die KESB hielt fest, dass vorliegend wegen der besonderen Dringlichkeit ein vorsorglicher Entscheid ohne Anhörung der Kindsmutter und des Kindsvaters erfolgt, dass die KESB beiden jedoch die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dass danach, falls notwendig, neu entschieden wird. Die Anhörung der Beschwerdeführerin ist am 12. Mai 2014 mündlich erfolgt. Einen Tag zuvor hatte die Beschwerdeführerin auf Einladung der KESB auch schriftlich Stellung genommen. Die Besichtigung der Wohnverhältnisse durch die KESB fand am 14. Mai 2014 im Beisein der Beschwerdeführerin statt.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid der KESB eine Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Antrag vor Bundesgericht, das auf die Beschwerde nicht eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht hängt davon ab, ob eine superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme oder eine vorsorgliche Massnahme angefochten ist.
2.1
Das Kantonsgericht hat dazu festgehalten, der Entscheid der KESB sei superprovisorisch ergangen, d.h. ohne vorgängige Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen. Diesen sei indes nachträglich gestützt auf
Art. 445 Abs. 2 ZGB
Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Mai 2014 Gebrauch gemacht habe. Die
BGE 140 III 529 S. 531
Beschwerdeführerin sei zudem am 12. Mai 2014 mündlich durch die KESB angehört worden. Die KESB habe in ihrer Vernehmlassung vom 3. Juni 2014 (im Beschwerdeverfahren) einlässlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen an den angeordneten Massnahmen festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu anlässlich der Parteiverhandlung äussern können. Den Anforderungen an die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei damit vollumfänglich entsprochen worden und die strittigen Anordnungen hätten unter den gegebenen Umständen als (ordentliche) vorsorgliche Massnahmen zu gelten.
2.2
So geht es aus folgenden Gründen nicht:
2.2.1
Mit der Marginalie "Vorsorgliche Massnahmen" bestimmt
Art. 445 ZGB
, dass die Erwachsenenschutzbehörde auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Abs. 1) und dass sie bei besonderer Dringlichkeit vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen kann, diesen gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (Abs. 2). Die Bestimmung ist im Kindesschutzverfahren sinngemäss anwendbar (
Art. 314 Abs. 1 ZGB
). Die Regelung des Verfahrens für den Erlass sog. superprovisorischer Massnahmen gemäss
Art. 445 Abs. 2 ZGB
entspricht
Art. 265 ZPO
(vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7001, 7077 zu Art. 445 und 7101 zu Art. 314). Allgemeine Prozessrechtsgrundsätze sind zu beachten.
2.2.2
Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf superprovisorische Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (
Art. 445 Abs. 1 ZGB
). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet (
Art. 445 Abs. 2 ZGB
). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der superprovisorischen Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid) folgt zwingend - nach Anhörung der
BGE 140 III 529 S. 532
Verfahrensbeteiligten - der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete superprovisorische Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt. Nicht schon mit der nachträglichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgeschlossen. Nach der mündlichen Anhörung oder nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme und nach allfälligen Beweisabnahmen (hier nach Durchführung eines Augenscheins betreffend Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin) trifft die nach
Art. 445 Abs. 1 ZGB
sachlich zuständige Behörde vielmehr den neuen Entscheid gemäss
Art. 445 Abs. 2 ZGB
über den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme, die an die Stelle der superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahme tritt (vgl. STECK, in: Erwachsenenschutz, 2013, N. 16, und AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 19 a.E., je zu
Art. 445 ZGB
; vgl. zu den Etappen im Verfahrensablauf gemäss
Art. 265 ZPO
: HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1872 S. 342).
2.2.3
Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts wird die superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme nicht dadurch zur vorsorglichen Massnahme, dass die Verfahrensbeteiligten die superprovisorische Massnahme bei der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anfechten und sich damit Gehör verschaffen, dass die KESB in ihrer Beschwerdeantwort erklärt, aus welchen Gründen sie an den superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahmen festhalten werde, und dass die Verfahrensbeteiligten zu diesen Gründen nochmals - hier mündlich - Stellung nehmen können. Die Anhörung muss gemäss
Art. 445 Abs. 2 ZGB
vielmehr durch die KESB erfolgen und findet nicht in einem Beschwerdeverfahren statt, und das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist gemäss
Art. 445 Abs. 2 ZGB
durch einen förmlichen Entscheid der KESB abzuschliessen und nicht im Beschwerdeverfahren informell beizulegen. Davon abgesehen, verletzt die kantonsgerichtliche Vorgehensweise die Verfahrensrechte der Beteiligten, wie sie durch die Bundesverfassung und die gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt, die Eröffnung und die Begründung von Entscheiden geschützt werden (Art. 238 f. ZPO i.V.m.
Art. 450f ZGB
; Botschaft, a.a.O., S. 7088). Namentlich ist eine mündliche Replik kein gleichwertiger Ersatz für das Recht, gegen den Entscheid über die vorsorgliche Massnahme innert zehn Tagen nach dessen Mitteilung eine Beschwerde zu erheben (
Art. 445 Abs. 3 ZGB
).
BGE 140 III 529 S. 533
2.3
Die KESB hat die Beschwerdeführerin zwar nach der superprovisorischen Anordnung vorsorglicher Massnahmen angehört, aber noch keinen neuen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen getroffen, wie ihn
Art. 445 Abs. 2 ZGB
"anschliessend" vorschreibt. Beschwerdegegenstand war damit vor Kantonsgericht und ist folglich auch vor Bundesgericht einzig die superprovisorische Massnahme der KESB betreffend Obhutsentzug gegenüber der Beschwerdeführerin verbunden mit der Fremdplatzierung und Verbeiständung ihres wenige Monate alten Sohnes. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
82c45178-45e0-4175-8d7b-e96b079ead6c | Urteilskopf
87 IV 45
12. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 10. Mai 1961 i.S. X. gegen Kriminalgericht des Kantons Luzern und Staatsanwaltschaft des Kantons Tessin. | Regeste
Die kantonale Strafbehörde, die erfährt, dass der Beschuldigte noch in einem oder in mehreren andern Kantonen ein Offizialdelikt begangen hat, ist verpflichtet, von Amtes wegen mit den Behörden des oder der andern Kantone zur Regelung der interkantonalen Gerichtsstandsfrage in Verbindung zu treten. | Erwägungen
ab Seite 46
BGE 87 IV 45 S. 46
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 68 und 350 StGB
ist derjenige, der mehrerer strafbarer Handlungen beschuldigt wird, in der Regel an einem gemeinsamen Gerichtsstand zu verfolgen und zu beurteilen. Daraus folgt, dass der Beschuldigte einen Anspruch darauf hat, für die verschiedenen Delikte von einem einzigen Richter beurteilt zu werden, anderseits aber auch, dass die kantonalen Strafbehörden bundesrechtlich verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass der Anspruch des Beschuldigten erfüllt werden kann. Das bedeutet, dass die mit der Durchführung eines Strafverfahrens betraute Behörde jedes Mal, wenn sie erfährt, dass der Beschuldigte noch in einem andern Kanton ein Offizialdelikt begangen hat, mit den Behörden dieses Kantons in Verbindung zu treten hat, um durch Vereinbarung oder, wenn eine solche nicht zustandekommt, durch Anrufung der Anklagekammer des Bundesgerichtes den interkantonalen Gerichtsstand zu bestimmen (PANCHAUD, Journal des Tribunaux 1959 S. 71/72). Eine solche Fühlungnahme gebietet auch die Rücksicht auf die Interessen des oder der andern beteiligten Kantone.
Im vorliegenden Falle haben die Luzerner Behörden nichts unternommen, um mit den Tessiner Behörden rechtzeitig den Gerichtsstand zu regeln, trotzdem sie seit April 1960 darüber orientiert waren, dass gegen den Gesuchsteller im Tessin eine Strafklage wegen Pfändungsbetruges, der von Amtes wegen zu verfolgen ist, anhängig war. Die Anwendung von
Art. 350 StGB
war nicht deswegen hinfällig, weil der Beschuldigte im Juni 1960 bestritt, sich der im Tessin eingeklagten Tat schuldig gemacht zu haben, und weil sein damaliger Verteidiger vorbrachte, die Tessiner Behörden hätten keine Untersuchungshandlungen
BGE 87 IV 45 S. 47
vorgenommen. Mit dem Eingang der Strafklage war die Untersuchung angehoben und der Beschuldigte verfolgt, gleichgültig, ob dieser die Tat bestritt und ob die Tessiner Behörden irgendwelche Ermittlungshandlungen durchführten oder nicht (
BGE 71 IV 59
, 167;
BGE 72 IV 95
;
BGE 75 IV 141
). Nur wenn bereits ein Gerichtsurteil oder ein Einstellungsbeschluss ergangen wäre, hätte sich den Luzerner Behörden die Frage des interkantonalen Gerichtsstandes nicht mehr gestellt.
Ebensowenig war es Sache der Luzerner Behörden, von sich aus darüber zu entscheiden, ob aus Zweckmässigkeitsgründen vom gesetzlichen Gerichtsstand abgewichen und der Beschuldigte für die mehreren strafbaren Handlungen in zwei verschiedenen Kantonen verfolgt und beurteilt werden soll. Die Befugnis, den Gerichtsstand anders als nach den gesetzlichen Normen zu bestimmen, steht nach Art. 262 f. BStP nur der Anklagekammer des Bundesgerichtes zu. Wohl hat die Rechtsprechung die gleiche Befugnis auch den Kantonen zuerkannt, aber nur unter der Voraussetzung, dass unter den zuständigen Behörden der interessierten Kantone eine Einigung erzielt wird (vgl. PANCHAUD a.a.O. S. 70 und Schweiz. Jur. Kart. Nr. 899, S. 9 Ziff. I 2, S. 10-11). Die Luzerner Behörden hätten somit, wenn sie entgegen der Regel des Art. 350 den Tessiner Fall nicht in ihr Verfahren einbeziehen wollten, rechtzeitig die Stellungnahme der Tessiner Behörden einholen sollen. Gleich ist übrigens zu verfahren, wenn sich ein Kanton zur Verfolgung eines Deliktes für örtlich unzuständig hält (
BGE 78 IV 246
).
Es war daher fehl am Platze, dem vor Kriminalgericht gestellten Gerichtsstandsbegehren des Angeklagten entgegenzuhalten, es sei verspätet. Gewiss hat die Anklagekammer entschieden, dass einem Gesuch des Beschuldigten um Bestimmung des Gerichtsstandes keine Folge zu geben ist, wenn es erst unmittelbar vor der Aburteilung gestellt wird (
BGE 72 IV 194
,
BGE 85 IV 209
Erw. 2). Diese Rechtsprechung gilt indessen dann nicht, wenn ein Kanton
BGE 87 IV 45 S. 48
in Kenntnis des Gerichtsstandskonfliktes zur gerichtlichen Beurteilung schreitet, ohne dass er ihn vorher auf dem Wege der interkantonalen Verständigung zu lösen versucht hat.
2.
...
3.
...
4.
Beim Kostenspruch ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass einerseits die Luzerner Behörden ihre Pflicht, mit den Tessiner Behörden rechtzeitig die Verbindung aufzunehmen, vernachlässigt haben und dass anderseits der Gesuchsteller schon früher die Möglichkeit gehabt hätte, in Luzern die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben und nötigenfalls die Anklagekammer des Bundesgerichtes anzurufen. Die Verfahrenskosten sind daher zur Hälfte dem Gesuchsteller und zur andern Hälfte in Abweichung von der Regel des
Art. 156 Abs. 2 OG
dem Kanton Luzern zu überbinden. | null | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82d06026-6b0f-49a3-af3e-0f58655c4bf3 | Urteilskopf
81 I 147
26. Urteil vom 15. Juni 1955 i.S. Heim gegen Amtsgericht von Luzern-Land. | Regeste
Art. 86 Abs. 2 OG
.
Bei Anfechtung eines Entscheides mit einer Rüge, die zum Gegenstand eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels (Nichtigkeitsbeschwerde) gemacht worden ist, muss sich die Beschwerde auch gegen den Rechtsmittelentscheid richten. | Erwägungen
ab Seite 147
BGE 81 I 147 S. 147
1.
Das Amtsgericht von Luzern-Land hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 15. Februar 1955 wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs gebüsst. Der Betroffene hat das Urteil wegen willkürlicher Beweiswürdigung im Sinne von § 271 f. StRV an das Obergericht weitergezogen. Er wurde mit Urteil des Obergerichtes vom 18. April 1955 abgewiesen. Gegen das Urteil des Amtsgerichtes führt Heim staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Amtsgericht zurückzuweisen. Er macht eine Verletzung von
Art. 4 BV
(willkürliche Würdigung der Beweismittel) geltend.
2.
Wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist die Beschwerde von den in
Art. 86 Abs. 2 OG
genannten Ausnahmen abgesehen erst zulässig, wenn der Beschwerdeführer die kantonalen Rechtsmittel, auch die ausserordentlichen, erschöpft hat, mit denen die gerügte
BGE 81 I 147 S. 148
Verfassungsverletzung geltend gemacht werden kann (
BGE 72 I 95
). Sonst, d.h. wenn die mit der staatsrechtlichen Beschwerde zu erhebende Rüge mit dem ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel nicht zur Geltung gebracht werden kann, muss jene sofort an den Sachentscheid angeschlossen werden, selbst wenn in andern Punkten das ausserordentliche Rechtsmittel ergriffen werden kann. Im ersten Falle kann aber gemäss der ständigen Rechtsprechung im Anschluss an den Rechtsmittelentscheid auch noch der mehr als 30 Tage zurückliegende Sachentscheid zum Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde gemacht werden, mit der Folge, dass die Aufhebung des Sachentscheides per attractionem auch diejenige des Rechtsmittelentscheides mit sich zieht. Das führt zur Frage, ob nicht die Anfechtung des Rechtsmittelentscheides unerlässliche Voraussetzung für die Beschwerde ist, oder ob dem Beschwerdeführer freigestellt werden könne, sich auf die Anfechtung des Sachentscheides zu beschränken, also z.B. materielle oder formelle Rechtsverweigerung durch den Sachrichter zu behaupten, ohne gleichzeitig den Rechtsmittelentscheid in dieser Beziehung anzufechten.
Wenn die Ausgestaltung des Rechtsmittelverfahrens es gestattet, die Rügen zu prüfen, die mit der staatsrechtlichen Beschwerde zur Geltung gebracht werden können, so stellt sich der Rechtsmittelentscheid insoweit als letzter kantonaler Entscheid dar, wie Art. 86 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 OG ihn als Voraussetzung für die staatsrechtliche Beschwerde verlangen. Es ist daher folgerichtig, die Zulässigkeit der Beschwerde davon abhängig zu machen, dass in erster Linie der Rechtsmittelentscheid zum Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde gemacht, also mit der Beschwerde geltend gemacht werde, der Rechtsmittelrichter habe willkürlich das Vorhandensein des Rechtsmittelgrundes verneint; dem Beschwerdeführer bleibt aber nach wie vor unbenommen, ausserdem auch den Sachentscheid in die Anfechtung einzubeziehen. Erweist sich dabei die Beschwerde gegenüber dem Rechtsmittelentscheid als begründet, so bedarf es einer Überprüfung
BGE 81 I 147 S. 149
des Sachentscheides nicht mehr: die Sache wird dem kantonalen Richter zu neuer Entscheidung über das Rechtsmittel zurückgewiesen. Erweist sie sich als unbegründet, so bleibt zu prüfen, ob die Beschwerde gegenüber dem Entscheid des ersten Richters begründet sei.
Der Beschwerdeführer hat sich auf die Anfechtung des Urteils des erstinstanzlichen Richters beschränkt. Dasjenige des Obergerichtes als Kassationsinstanz wird in die Anfechtung nicht miteinbezogen, weder ausdrücklich im Beschwerdeantrag, noch dem Sinne nach in der Beschwerdebegründung. Das hat zur Folge, dass auf die Beschwerde überhaupt nicht eingetreten werden kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
82d42804-5aa7-4304-b4e3-315855b80d21 | Urteilskopf
97 III 49
12. Entscheid vom 14. April 1971 i.S. M. | Regeste
Recht auf Vorausliquidation (
Art. 41 SchKG
).
Leitet der Gläubiger einer grundpfändlich gesicherten Forderung gleichzeitig für den Kapitalbetrag und die darauf verfallenen Zinsen ordentliche Betreibung ein und beruft sich der Schuldner auf sein Recht auf Vorausliquidation (
Art. 41 Abs. 1 SchKG
), so kann die Betreibung für die Zinsen gleichwohl auf dem ordentlichen Wege fortgesetzt werden (
Art. 41 Abs. 2 SchKG
).
Dispositive Natur von
Art. 41 SchKG
(Erw. 1). | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 97 III 49 S. 49
A.-
Am 1. Dezember 1970 liess M. für eine durch gekündigten Schuldbrief gesicherte Forderung von Fr. 30'000.-- und einen darauf verfallenen Zinsbetrag von Fr. 1'350.-- (beides
BGE 97 III 49 S. 50
zuzüglich 5% Verzugszins seit 11. November 1970) gegen O. ordentliche Betreibung einleiten. Dieser erhob gegen den ihm am 7. Dezember 1970 vom Betreibungsamt zugestellten Zahlungsbefehl Beschwerde, indem er sich auf
Art. 41 Abs. 1 SchKG
berief und geltend machte, er könne für die insgesamt Fr. 31'350.-- nur auf Grundpfandverwertung betrieben werden.
B.-
Der Präsident des Bezirksgerichts als untere kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut und hob die angefochtene Betreibung als Ganzes auf. Hiegegen rekurrierte die Gläubigerin M. an das Obergericht (obere kantonale Aufsichtsbehörde) und verlangte die Aufhebung des erstinstanzlichen Entscheids, soweit dieser auch die Betreibung für den aufgelaufenen Zins von Fr. 1'350.-- aufhob.
C.-
Das Obergericht wies den Rekurs am 12. März 1971 ab und bestätigte den Entscheid der untern Aufsichtsbehörde. Mehrheitlich war es der Meinung, die Wahl der Betreibungsart für grundpfändlich gesicherte Zinsen gemäss
Art. 41 Abs. 2 SchKG
stehe einem Gläubiger dann nicht zu, wenn er gleichzeitig die Kapitalforderung in Betreibung setze (was laut
Art. 41 Abs. 1 SchKG
grundsätzlich auf dem Wege der Pfandbetreibung zu geschehen habe); dies ergebe sich aus
Art. 818 ZGB
, der auch die Zinsen in die Pfandsicherung einbeziehe. Da im vorliegenden Falle die Gläubigerin für Kapital und Zinsen den ordentlichen Betreibungsweg beschritten habe, könne sie nun nicht nachträglich (nach dem Einspruch des Schuldners) im gleichen Vollstreckungsverfahren ihren Forderungsbetrag auf die Zinsen reduzieren, denn dadurch würde der Betriebene in seinen Verteidigungsrechten verkürzt.
D.-
Mit rechtzeitig eingelegtem Rekurs ans Bundesgericht hält die Gläubigerin an ihrem vor Obergericht gestellten Antrag fest.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Wer eine durch ein Pfand gesicherte Forderung in Betreibung setzen will, muss grundsätzlich eine auf Pfandverwertung gerichtete Betreibung einleiten (
Art. 41 Abs. 1 SchKG
), es sei denn, er habe mit dem Schuldner eine abweichende Vereinbarung getroffen oder er verzichte ausdrücklich und rechtzeitig auf das Pfandrecht (
BGE 93 III 15
Erw. 1 mit Hinweisen). Beschreitet er trotzdem - auch beim Fehlen solcher
BGE 97 III 49 S. 51
besonderer Voraussetzungen - den ordentlichen Betreibungsweg, so ist die Betreibung nicht etwa von Amtes wegen als unzulässig aufzuheben. Da
Art. 41 Abs. 1 SchKG
dispositiver Natur ist, bleibt es dem Schuldner anheimgestellt, ob er seinen Anspruch auf Vorausliquidation des Pfandes (sog. beneficium excussionis realis) mit Beschwerde geltend machen will (vgl. auch
Art. 85 Abs. 2 VZG
); verzichtet er darauf, wird die gewöhnliche Betreibung rechtskräftig (
BGE 58 III 59
,
BGE 63 III 129
,
BGE 73 III 15
; JAEGER, Kommentar,
Art. 41 N 2
und 151 N 2, JAEGER/DAENIKER, Praxis,
Art. 41 N 5
).
Hingegen hat der Gläubiger bezüglich grundpfandgesicherter Zinsen oder Annuitäten gemäss
Art. 41 Abs. 2 SchKG
freie Wahl, ob er Betreibung auf Pfandverwertung oder eine ordentliche Betreibung einleiten will; nur ist er an die einmal getroffene Wahl dann gebunden (
BGE 61 III 70
/71). Die unterschiedliche Behandlung pfandgesicherter Kapital- und grundpfandgesicherter Zinsforderungen ist rein vollstreckungsrechtlicher Natur. Aus dem materiellen Zivilrecht lässt sich daher zur Lösung des vorliegenden Rechtsstreits entgegen der Annahme der Vorinstanzen nichts herleiten (
BGE 63 III 127
/28).
2.
Betreibungsrechtlich stand dem Vorgehen des Gläubigers, Kapital- und Zinsforderungen gleichzeitig in Betreibung zu setzen, nichts entgegen. Auch wurde durch die Geltendmachung der beiden Forderungen in einer einzigen Betreibung nicht eine Schicksalsgemeinschaft in dem Sinne geschaffen, dass die Unzulässigkeit der gewählten Betreibungsart für die eine Forderung auch die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Betreibung für die andere bewirkte. Gleich wie der Schuldner nur hinsichtlich der einen Forderung hätte Recht vorschlagen können, hätte der Gläubiger die Möglichkeit gehabt, die Betreibung jederzeit auf eine der beiden Forderungen zu beschränken.
Es ist daher nicht einzusehen, warum die in Frage stehende Betreibung auch insoweit aufgehoben werden müsste, als sie sich auf die Zinsforderung von Fr. 1'350.-- (nebst 5% Zins seit 11. November 1970) bezieht. Von einer Einschränkung der Verteidigungsrechte des Betreibungsschuldners, der immerhin den nicht gerade auf der Hand liegenden Weg der Beschwerde erkannt und zu Recht eingeschlagen hat, kann keine Rede sein. Der Rekurs ist daher in Übereinstimmung mit der Minderheit der Vorinstanz gutzuheissen und die Fortsetzung der Betreibung
BGE 97 III 49 S. 52
- vorbehältlich eines allfällig erhobenen Rechtsvorschlags - für den Betrag von Fr. 1'350.-- nebst 5% Verzugszins zuzu lassen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs und Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses und entsprechender Aufhebung des angefochtenen Entscheides wird die verfügte Aufhebung der Betreibung auf den Forderungsbetrag von Fr. 30'000.-- beschränkt. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
82dc4e01-fd79-4a75-84a2-8451a3733d1a | Urteilskopf
123 II 134
18. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 1er avril 1997 dans la cause L. contre Chambre d'accusation du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Rechtshilfe; EUeR; Europaratsübereinkommen Nr. 141 von 1990 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten; Rückerstattung von Erträgen, die aus einer strafbaren Handlung herrühren;
Art. 74a IRSG
.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1).
Im Ausland gestohlene und in der Schweiz verkaufte Sache. Recht, das anwendbar ist, wenn eine Sache - im Hinblick auf deren Rückgabe - an einen ausländischen Staat ausgehändigt werden soll (E. 5).
Schutz des Käufers, der seinen guten Glauben glaubhaft macht (E. 6a und b). Beweislast in dieser Frage (E. 6c). Im vorliegenden Fall hat der Käufer seinen guten Glauben nicht glaubhaft gemacht (E. 6d).
Bedingungen, unter welchen eine Sache an einen um Rechtshilfe ersuchenden Staat ausgehändigt werden kann. Sowohl das Interesse des internationalen Ordre public am Schutz der Kulturgüter wie auch die für den Schutz der rechtmässigen Interessen des gutgläubigen Besitzers notwendigen Verfahrensgarantien im ersuchenden Staat müssen berücksichtigt werden (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 135
BGE 123 II 134 S. 135
Le 13 décembre 1994, le Juge d'instruction près le Tribunal de grande instance de Grasse a adressé à l'Office fédéral de la police une demande d'entraide judiciaire pour les besoins de l'enquête pénale ouverte en France pour le vol de ce tableau. Le magistrat français a requis diverses investigations, ainsi que la saisie du tableau.
Le 13 juin 1996, le Juge d'instruction genevois a ordonné la remise du tableau aux autorités françaises, ainsi que des procès-verbaux d'audition des personnes interrogées dans le cadre de son enquête.
Par ordonnance du 1er novembre 1996, la Chambre d'accusation du canton de Genève a rejeté le recours formé par L. contre la décision du 13 juin 1996. La Chambre d'accusation a considéré en bref, au regard des art. 59 al. 1 let. b et 74 al. 3 EIMP dans leur teneur de l'époque (aEIMP), que L. n'avait pas rendu vraisemblable qu'il avait acquis de bonne foi le tableau volé.
Agissant le 16 décembre 1996 par la voie du recours de droit administratif, L. demande principalement au Tribunal fédéral d'annuler l'ordonnance du 1er novembre 1996 et de déclarer la demande d'entraide "nulle et non avenue". A titre subsidiaire, il requiert que le tableau litigieux ne soit pas remis à l'Etat requérant; à défaut, une garantie devrait être fournie. Encore plus subsidiairement, L. demande à ce que la cause soit renvoyée au Juge d'instruction pour nouvelle décision au sens des considérants. Il invoque l'
art. 4 Cst.
, ainsi que les art. 5, 59 al. 1 let. b aEIMP et 74 al. 3 et 74a EIMP dans leur teneur du 4 octobre 1996, entrée en vigueur le 1er février 1997 (nEIMP). Il reproche en outre à la Chambre d'accusation d'avoir constaté les faits de manière incomplète et inexacte (
art. 105 al. 2 OJ
).
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 123 II 134 S. 136
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) La Confédération suisse et la République française sont toutes deux parties à la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale (CEEJ; RS 0.351.1), conclue à Strasbourg le 20 avril 1959, entrée en vigueur le 20 mars 1967 pour la Suisse et le 21 août 1967 pour la France. Les dispositions de ce traité l'emportent sur le droit interne qui régit la matière, soit la loi fédérale sur l'entraide internationale en matière pénale, du 20 mars 1981 (EIMP) et son ordonnance d'exécution (OEIMP), qui sont applicables aux questions non réglées explicitement ou implicitement par le droit conventionnel et lorsque le droit interne est plus favorable à l'entraide que la Convention (cf.
ATF 122 II 140
consid. 2 p. 142;
ATF 120 Ib 120
consid. 1a p. 122/123, 189 consid. 2a p. 191/192;
ATF 118 Ib 269
consid. 1a p. 271, et les arrêts cités). Dans la mesure où la demande tend à la remise à l'Etat requérant du tableau volé, il convient d'envisager aussi l'application au cas d'espèce de la Convention no 141 du Conseil de l'Europe, relative au blanchiment, au dépistage, à la saisie et à la confiscation des produits du crime (ci-après: Convention no 141; RS 0.311.53, conclue à Strasbourg le 8 novembre 1990, entrée en vigueur le 1er septembre 1993 pour la Suisse et le 1er février 1997 pour la France).
b) La révision de l'EIMP du 4 octobre 1996 et de l'OEIMP du 9 décembre 1996 est entrée en vigueur le 1er février 1997 (RO 1997 p. 114 ss et 132 ss). Conformément à l'art. 110a nEIMP, ces modifications s'appliquent à la présente procédure qui était - entre le prononcé de l'ordonnance attaquée et celui du présent arrêt - pendante au moment de l'entrée en vigueur de la novelle. Le recourant a eu l'occasion, dans sa réplique, de se déterminer sur l'application du nouveau droit au cas d'espèce.
c) Le recours, dirigé contre la décision de l'autorité cantonale de dernière instance relative à la clôture de la procédure et à la remise du tableau volé à l'Etat requérant, est recevable au regard de l'
art. 80f al. 1 EIMP
, mis en relation avec l'art. 25 al. 1 de la même loi. Le recourant, touché personnellement et directement par la mesure de saisie et de remise à l'Etat requérant du tableau dont il se prétend acquéreur de bonne foi, a qualité pour agir au sens de l'
art. 80h let. b EIMP
.
d) Le Tribunal fédéral n'est pas lié par les conclusions des parties (
art. 25 al. 6 EIMP
). Il examine librement si les conditions pour accorder l'entraide sont remplies et dans quelle mesure la collaboration internationale doit être prêtée (
ATF 118 Ib 269
consid. 2e p. 275). Il statue avec une cognition pleine sur les griefs soulevés sans être
BGE 123 II 134 S. 137
toutefois tenu, comme le serait une autorité de surveillance, de vérifier d'office la conformité de la décision attaquée à l'ensemble des dispositions applicables en la matière (
ATF 119 Ib 56
consid. 1d p. 59).
e) Lorsque, comme en l'espèce, la décision attaquée émane d'une autorité judiciaire, le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés dans la décision, sauf s'ils sont manifestement inexacts ou incomplets ou s'ils ont été établis au mépris des règles essentielles de la procédure (
art. 105 al. 2 OJ
). Cette règle s'applique aussi dans le domaine de l'entraide judiciaire (
ATF 113 Ib 257
consid. 3d p. 266;
112 Ib 576
consid. 3 p. 585). En l'occurrence, tels qu'ils sont formulés, les griefs de constatation arbitraire des faits se confondent avec ceux de violation des dispositions légales régissant la remise des objets en vue de leur restitution à l'ayant droit et la protection de l'acquéreur de bonne foi. C'est dans ce cadre qu'ils doivent être examinés.
5.
Avant d'examiner si le recourant peut opposer à l'ordonnance attaquée sa qualité d'acquéreur de bonne foi, il convient de déterminer les règles applicables en matière de remise du produit de l'infraction dans le cadre de l'entraide judiciaire internationale en matière pénale.
a) La CEEJ ne régit pas la remise d'objets représentant le produit de l'infraction (cf.
art. 1 par. 2 et 3 par. 1 CEEJ
;
ATF 120 Ib 167
consid. 3b p. 171/172;
ATF 115 Ib 517
consid. 6d p. 529;
ATF 112 Ib 576
consid. 12a p. 597).
b) aa) La Convention no 141 est une convention spéciale complétant la CEEJ au sens de l'
art. 26 par. 2 et 3 CEEJ
. La Convention no 141 a notamment pour but d'améliorer la coopération internationale en matière d'investigations, de séquestre et de confiscation de valeurs patrimoniales d'origine délictueuse (art. 7). Au sens de la Convention, le terme "bien" comprend un bien de toute nature, qu'il soit corporel ou incorporel, meuble ou immeuble, ainsi que les actes juridiques ou documents attestant d'un titre ou d'un droit sur le bien (art. 1 let. b). Cette définition n'exclut pas que des objets ou des valeurs puissent être saisis auprès de tiers auxquels ils auraient été cédés (Message du 19 août 1992, FF 1992 VI p. 8 ss, 13). La confiscation désigne une peine ou une mesure ordonnée par un tribunal à la suite d'une procédure portant sur une ou des infractions pénales, peine ou mesure aboutissant à la privation permanente du bien (
art. 1 let
. d). Il n'est pas indispensable que la confiscation soit prononcée dans une procédure pénale principale; elle peut aussi être ordonnée dans une décision de classement ou rendue au terme d'une procédure de confiscation indépendante; dans tous les cas, la procédure pénale doit
BGE 123 II 134 S. 138
répondre aux exigences de l'
art. 6 par. 1 CEDH
; des décisions de confiscation purement administratives sont exclues du champ d'application de la Convention (Message précité, p. 13). Selon l'art. 13, l'Etat saisi d'une demande de confiscation de la part de l'Etat requérant peut ou bien exécuter la décision de confiscation émanant d'un tribunal de cet Etat (ch. 1 let. a), ou bien engager une procédure indépendante de confiscation selon son droit interne, en vue de la remise à l'Etat requérant (ch. 1 let. b et ch. 2). Les procédures permettant d'obtenir et d'exécuter la confiscation au sens de cette disposition, sont régies par le droit de l'Etat requis (art. 14 ch. 1; cf. aussi l'art. 15). L'art. 18 de la Convention no 141 énumère, de façon détaillée et exhaustive, les motifs de refus de la coopération, liés à l'ordre public, à la souveraineté, à la sécurité, aux intérêts prépondérants de l'Etat requis; cette disposition prévoit aussi les exceptions tirées de la double incrimination, du principe ne bis in idem, du caractère politique ou fiscal de l'infraction, de la proportionnalité, de la prescription, du défaut et du respect des droits de la défense. Ce catalogue recouvre les motifs de refus de l'entraide prévus par l'EIMP (Message précité, p. 26). La coopération peut être ajournée pour les besoins d'investigations ou de procédures ouvertes dans l'Etat requis (art. 19). Celui-ci peut admettre partiellement la demande ou assortir son exécution de conditions (art. 20). S'agissant des droits des tiers, l'art. 22 prévoit qu'en principe, l'Etat requis reconnaît toute décision judiciaire rendue dans l'Etat requérant à ce propos (ch. 1). Toutefois, selon le ch. 2 de cette disposition, la reconnaissance du jugement étranger peut être refusée si des tiers n'ont pas eu une possibilité suffisante de faire valoir leurs droits (let. a); si la décision est incompatible avec une décision rendue dans l'Etat requis sur la même question (let. b); si elle est incompatible avec l'ordre public de l'Etat requis (let. c); si la décision a été rendue contrairement aux dispositions en matière de compétence exclusive prévues par le droit de l'Etat requis (let. d). Cette norme laisse ainsi la possibilité à l'Etat requis, en cas de doute, de statuer lui-même sur les droits revendiqués par des tiers (Message, précité, p. 29). S'agissant de la procédure, la Convention prévoit la désignation, par les parties, d'une autorité centrale (art. 23) soit, pour la Suisse, l'Office fédéral (Message précité, p. 30). L'art. 24 régit la correspondance directe entre autorités centrales, les
art. 25 et 26 la
forme et la langue des demandes, les art. 27 et 28 le contenu de celles-ci. L'art. 29 règle le concours de demandes.
Dans l'arrêté fédéral du 2 mars 1993 relatif à l'approbation de la Convention no 141, la Suisse a formulé à celle-ci quatre réserves: la
BGE 123 II 134 S. 139
première, portant sur l'art. 6 ch. 1, limite l'application de la Convention aux cas où l'infraction principale est qualifiée de crime selon l'
art. 9 al. 1 CP
; la deuxième, portant sur l'art. 21 ch. 2, exige que la notification en Suisse d'actes judiciaires se fasse par l'entremise de l'Office fédéral; la troisième, portant sur l'art. 25 ch. 3, exige l'apport d'une traduction de la demande dans l'une des langues nationales; la quatrième réserve, conformément à l'art. 32, le principe de la spécialité (RO 1993 p. 2384).
bb) Il convient de déterminer dans quelle mesure la Convention no 141 est applicable en l'espèce, compte tenu des dates auxquelles cet instrument est entré en vigueur pour la Suisse et pour la France, respectivement les 1er septembre 1993 et 1er février 1997.
Par la force des choses, la demande du 13 décembre 1994 n'a pu satisfaire aux conditions de l'art. 27 ch. 3 let. a de la Convention qui exige, pour l'application de l'art. 13 ch. 1 let. a, que l'Etat requérant complète les formalités requises pour la présentation d'une demande de coopération (art. 27 ch. 1) en joignant à celle-ci l'attestation qu'une décision de confiscation a été rendue par une autorité judiciaire de l'Etat requérant (art. 27 ch. 3 let. a ).
Cette circonstance ne saurait cependant, à elle seule, exclure toute application de la Convention au cas d'espèce. S'agissant des aspects formels de la demande d'entraide, il suffit de constater que celle-ci respecte les conditions posées par la CEEJ et l'EIMP, qui recoupent celles de l'art. 27 ch. 1 let. a de la Convention no 141. Par ailleurs, pour exécuter une demande tendant à la confiscation, sur le territoire de l'Etat requis, du produit d'une infraction (art. 13 ch. 1 let. b) - seule hypothèse entrant en ligne de compte en l'occurrence - il suffit que l'Etat requis soit compétent pour engager une procédure de confiscation selon son droit interne (art. 13 ch. 2).
c) Qu'elle soit ou non applicable au cas d'espèce, la Convention n'empêche pas la Suisse d'accorder l'entraide requise sur la base des dispositions éventuellement plus favorables de son droit interne (consid. 1a ci-dessus). Or, selon l'EIMP revisée, applicable à la présente procédure (cf. consid. 1b ci-dessus) et interprétée dans le respect de la primauté du droit international de l'entraide sur le droit interne (
ATF 122 II 140
consid. 2 p. 141), les actes d'entraide comprennent aussi la remise d'objets ou de valeurs en vue de confiscation ou de restitution à l'ayant droit (
art. 63 al. 2 let
. d nEIMP). Cette matière est réglée désormais par le nouvel
art. 74a EIMP
, relatif à la remise en vue de confiscation ou de restitution, dont la teneur est la suivante:
BGE 123 II 134 S. 140
"1. Sur demande de l'autorité étrangère compétente, les objets ou valeurs saisis à titre conservatoire peuvent lui être remis au terme de la procédure d'entraide (art. 80d), en vue de confiscation ou de restitution à l'ayant droit.
2. Les objets visés au 1er alinéa comprennent:
a. Les instruments ayant servi à commettre l'infraction;
b. Le produit ou le résultat de l'infraction, la valeur de remplacement et l'avantage illicite;
c. Les dons ou autres avantages ayant servi ou qui devaient servir à décider ou à récompenser l'auteur de l'infraction, ainsi que la valeur de remplacement.
3. La remise peut intervenir à tous les stades de la procédure étrangère, en règle générale sur décision définitive et exécutoire de l'Etat requérant.
4. Les objets ou valeurs peuvent cependant être retenus en Suisse:
a. Si le lésé a sa résidence habituelle en Suisse et qu'ils doivent lui être restitués;
b. Si une autorité fait valoir des droits sur eux;
c. Si une personne étrangère à l'infraction et dont les prétentions ne sont pas garanties par l'Etat requérant rend vraisemblable qu'elle a acquis de bonne foi en Suisse des droits sur ces objets ou valeurs ou si, résidant habituellement en Suisse, elle rend vraisemblable qu'elle a acquis de bonne foi des droits sur eux à l'étranger, ou
d. Si les objets ou valeurs sont nécessaires à une procédure pénale pendante en Suisse ou sont susceptibles d'être confisqués en Suisse.
5. Les prétentions élevées par un ayant droit sur des objets ou valeurs au sens du 4ème alinéa entraînent la suspension de leur remise à l'Etat requérant jusqu'à droit connu. Les objets ou valeurs litigieux ne sont délivrés à l'ayant droit que:
a. Si l'Etat requérant y consent;
b. Si, dans le cas du 4ème alinéa, lettre b, l'autorité y consent ou
c. Si le bien-fondé de la prétention est reconnu par une autorité judiciaire suisse.
6. Les droits de gage au profit du fisc sont réglés par l'article 60."
Cette disposition correspond pour l'essentiel au projet du Conseil fédéral (cf. son Message concernant la révision de l'EIMP, du 29 mars 1995, FF 1995 III p. 1 ss, 52/53). Le Conseil fédéral a rejeté la proposition, évoquée dans la procédure de consultation, de soumettre la décision étrangère visée à l'art. 74a al. 3 à une procédure d'exequatur. Il a en effet estimé que la réglementation proposée s'écarterait de la jurisprudence du Tribunal fédéral et qu'il suffisait que l'autorité d'exécution procède à une vérification sommaire de la décision étrangère, après s'être assurée que l'Etat requérant est un
BGE 123 II 134 S. 141
Etat fondé sur le droit et que les principes fondamentaux liés à l'ordre public suisse et la CEDH soient respectés (id. p. 13-15 et 26). Lors du débat parlementaire, le Conseil national a adopté sans discussion l'art. 74a proposé (BOCN 1995 p. 2642). Le Conseil des Etats a accepté la proposition tendant à introduire, à l'al. 3, les mots "en règle générale"; le Conseil des Etats a en revanche renoncé à modifier cette disposition en vue de subordonner dans tous les cas la remise du produit de l'infraction à l'existence d'un jugement définitif et exécutoire dans l'Etat requérant (BOCE 1996 p. 229-233, 243). Le Conseil national s'est rallié à cette solution (BOCN 1996 p. 747).
d) En conclusion, seul entre en ligne de compte l'
art. 74a EIMP
, envisagé dans la perspective d'une application par analogie de l'art. 13 ch. 1 let. b de la Convention no 141. Il est constant que le tableau litigieux est bien celui appartenant à W., dérobé dans la nuit du 24 au 25 août 1994 dans le château de Clavary. Cet objet constitue le produit de l'infraction visé à l'
art. 74a al. 2 let. b EIMP
. Le défaut d'une décision de confiscation rendue par une autorité judiciaire de l'Etat requérant n'est pas décisif: l'
art. 74a al. 3 EIMP
permet précisément de déroger à une telle exigence. Sur ce point, le droit interne, plus favorable à l'entraide que la Convention no 141, s'applique (cf. consid. 1a ci-dessus). Il reste donc à examiner s'il existe des motifs de refus de l'entraide, au sens de l'
art. 74a al. 4 EIMP
, mis en relation avec l'art. 18 de la Convention no 141; s'il convient d'ajourner l'exécution de la mesure selon les
art. 74a al. 5 EIMP
et 19 de la Convention; ou encore s'il convient de n'admettre que partiellement la demande d'entraide, en l'assortissant le cas échéant des réserves nécessaires (art. 20 de la Convention).
6.
Pour la Chambre d'accusation, le recourant n'aurait pas rendu vraisemblable la thèse selon laquelle il aurait acquis de bonne foi le tableau litigieux. Elle a considéré qu'au moment de l'achat, le recourant, homme rompu aux affaires et connaisseur d'art, ne s'était soucié ni de l'authenticité, ni de la provenance du tableau; en outre, le recourant avait pris le risque de traiter avec des inconnus et ne s'était assuré de la régularité de l'importation du tableau en Suisse que le 19 décembre 1994, soit après la conclusion de la transaction et le versement du prix convenu.
a) Selon l'
art. 74a al. 4 let
. c EIMP, l'objet peut être retenu en Suisse notamment si une personne étrangère à l'infraction, dont les prétentions ne sont pas garanties par l'Etat requérant, rend vraisemblable qu'elle a acquis de bonne foi en Suisse des droits sur cet objet.
BGE 123 II 134 S. 142
b) S'il semble établi que le recourant est étranger à l'infraction commise en France, il faut par ailleurs présumer, s'agissant d'un Etat lié par l'
art. 6 par. 1 CEDH
et soumis au contrôle subsidiaire des organes de Strasbourg, que le recourant bénéficiera dans l'Etat requérant d'une protection adéquate de ses prétentions, dans le cadre de la procédure pénale en cours ou, le cas échéant, dans une procédure, civile ou pénale, qui lui permettrait d'opposer à W., propriétaire du tableau volé, ses droits découlant d'une acquisition ultérieure de bonne foi, selon les modalités prévues par le droit français. Cette condition d'application de l'
art. 74a al. 4 let
. c EIMP faisant apparemment défaut, on peut se demander si le recourant peut invoquer cette disposition. La question peut cependant rester indécise, eu égard à l'issue de la cause.
c) Au regard de l'
art. 74a al. 4 let
. c EIMP, il appartient à l'acquéreur de rendre vraisemblable sa bonne foi. C'est sur lui qui pèse le fardeau de la preuve de son droit. L'autorité chargée de l'exécution de la mesure d'entraide, appelée à décider de la remise d'un objet en vue de sa restitution dans l'Etat requérant, se borne à examiner si les allégations de l'acquéreur sont suffisamment précises et étayées pour admettre la vraisemblance de ses prétentions. Ces principes valent aussi pour l'autorité cantonale de recours et pour le Tribunal fédéral saisi d'un recours de droit administratif pour violation de l'
art. 74a al. 4 let
. c EIMP. Cette disposition n'exige pas de l'autorité et du juge de l'entraide de déterminer si l'acquéreur est effectivement de bonne foi comme le ferait le juge civil saisi au fond. En particulier, contrairement à ce que prétend le recourant, il n'incombe pas à l'autorité d'examiner en détail l'application au cas d'espèce des art. 3 al. 2, 933 et 934 al. 2 CC qu'il invoque.
d) (Sur le vu de l'ensemble des circonstances de la cause, la Chambre d'accusation pouvait admettre que le recourant n'avait pas rapporté la preuve requise par l'
art. 74a al. 4 let
. c EIMP. Le recourant n'a pas rendu vraisemblable, au sens de l'
art. 74a al. 4 let
. c EIMP, qu'il aurait pris, avant la transaction, les précautions élémentaires dont doit s'entourer la personne prudence qui acquiert une oeuvre d'art de grande valeur. En particulier, il n'a pas démontré avoir fait à temps toutes les démarches nécessaires pour s'assurer de l'origine du tableau et de la régularité de son importation en Suisse; il n'a pas fait examiner l'oeuvre par un expert qui aurait pu en certifier la provenance, ni pris les mesures idoines pour vérifier que l'oeuvre n'était ni volée ni perdue. En outre, les conditions concrètes de la transaction, ainsi que le prix de vente - très inférieur à la valeur du tableau - n'accréditent pas la thèse du recourant).
BGE 123 II 134 S. 143
7.
a) L'entraide devant être accordée, il reste à déterminer à quel titre le tableau volé sera remis à l'Etat requérant. Selon le nouvel
art. 74a al. 3 EIMP
, la remise de l'objet saisi à titre conservatoire par l'Etat requis peut intervenir à tous les stades de la procédure étrangère, en règle générale sur décision définitive et exécutoire de l'Etat requérant. Cette disposition confère un large pouvoir d'appréciation à l'autorité d'exécution, laquelle pourra exceptionnellement remettre l'objet en l'absence d'une décision définitive et exécutoire lorsque, comme en l'espèce, la demande tend directement à la restitution de l'objet à son ayant droit, au sens de l'art. 74a al. 1 in fine EIMP. W. étant le propriétaire légitime du tableau volé, rien ne commande d'attendre l'issue de la procédure pénale ouverte dans l'Etat requérant pour procéder à une restitution à l'ayant droit. Une telle solution est au demeurant conforme au voeu du législateur d'accélérer la procédure d'entraide; elle s'inscrit de surcroît dans l'esprit et le système de la Convention no 141 (cf. notamment ses art. 8, 9, 11 à 15; ainsi que ses art. 18 et 19, a contrario).
b) De même, il n'y a pas lieu de subordonner l'exécution de la demande à des conditions particulières (art. 20 de la Convention no 141). Le recourant a bénéficié en Suisse, pour ce qui concerne le séquestre du tableau volé, des garanties procédurales offertes par l'
art. 6 par. 1 CEDH
. S'agissant des prétentions civiles qu'il pourrait faire valoir, le cas échéant, contre l'un ou l'autre des intermédiaires impliqués dans la vente successive du tableau, tant en Suisse, en France, en Italie qu'au Royaume-Uni, tous parties à la Convention no 141, le recourant peut, devant les tribunaux de ces Etats, se prévaloir du droit, garanti par l'art. 5 de cet instrument, de disposer des "recours juridiques effectifs pour préserver (ses) droits", conformément aussi aux
art. 6 et 13 CEDH
. Aucun motif lié à la protection des droits fondamentaux ne s'oppose ainsi à la restitution du tableau à l'ayant droit dans le cadre de la procédure d'entraide, en application de l'art. 74a al. 1 in fine EIMP, considéré à la lumière des normes du droit international pertinent (cf.
art. 1a et 2 let. a EIMP
; art. 5, 18 ch. 1 let. a et b, 19, 20, 22 ch. 2 let a et c de la Convention no 141).
c) Enfin, il n'incombe pas au juge de l'entraide de procéder à un examen approfondi des prescriptions du droit étranger supposées applicables. Lorsque, comme en l'espèce, la demande porte sur la restitution d'un bien culturel, le juge de l'entraide doit veiller à prendre en compte l'intérêt public international, commun à la Suisse et à la France, lié à la protection de ces biens (voir, outre la Convention no 141 précitée, pour la France: les
art. 1 let
. g, 2, 3, 13
BGE 123 II 134 S. 144
et 15 de la Convention de l'Unesco du 14 novembre 1970 concernant les mesures à prendre pour interdire et empêcher l'importation, l'exportation et le transfert de propriété illicite de biens culturels, ratifiée par elle le 7 janvier 1997; pour la France et la Suisse, les art. 3 al. 1, 4, 5 al. 1, 6, 8 et 9 de la Convention d'Unidroit sur les biens culturels volés ou illicitement exportés, du 24 juin 1995, signée par la France et l'Italie à Rome, à cette date, et par la Suisse le 26 juin 1996). Ces normes, qui relèvent d'une commune inspiration, constituent autant d'expressions d'un ordre public international en vigueur ou en formation (
art. 1a EIMP
; cf. MARTIN PHILIPP WYSS, "Rückgabeansprüche für illegal ausgeführte Kulturgüter. Überlegungen zu einem kulturpolitischen Ordre public", in: Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Band 37, Berlin, 1996 p. 201 ss, 206-208, 214 et 220 ss; cf. également PIERRE LALIVE, La Convention d'UNIDROIT sur les biens culturels volés ou illicitement exportés (du 24 juin 1995), RSDIE 7/1997 p. 13 ss, spécialement p. 32/33 et 35-40, qui met notamment l'accent sur la parenté d'inspiration de cet instrument avec le droit et la pratique suisses en la matière;
art. 3 al. 2 et 934 CC
;
ATF 122 III 1
). Ces normes, qui concrétisent l'impératif d'une lutte internationale efficace contre le trafic de biens culturels, permettent en outre de sauvegarder les garanties procédurales nécessaires à la protection des intérêts légitimes du possesseur de bonne foi (cf. consid. 5 et 6 ci-dessus). | public_law | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
82ded514-a596-4aa3-bda3-4676133cd3f3 | Urteilskopf
137 I 120
12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen IWB Industrielle Werke Basel, Bau- und Verkehrsdepartement und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_450/2010 vom 15. Dezember 2010 | Regeste
Art. 29 Abs. 2 BV
; Anspruch auf rechtliches Gehör vor Anordnung einer Liefersperre von Elektrizität wegen unbezahlter Gebühren.
Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, insbesondere Beschwerdelegitimation des Mieters gegen einen Entscheid über die Sperre der Lieferung von Allgemeinstrom für den Lift und die Warmwasseraufbereitung einer Mietliegenschaft bei Zahlungsausständen des Vermieters (E. 1 und 2).
Da auf die fragliche Lieferung von Elektrizität ein Anspruch besteht und eine Liefersperre wegen Zahlungsausständen voraussehbar und planbar ist, bedarf diese einer Verfügung. Den betroffenen Personen unter Einschluss der Mieter ist angesichts der damit verbundenen Folgen vorweg das rechtliche Gehör zu gewähren, damit sie rechtzeitig ihre Einwände vorbringen können (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 121
BGE 137 I 120 S. 121
A.
X. ist Mieter in einer Liegenschaft in Basel. Deren Eigentümer bezahlte während zwei Jahren keine Rechnungen für Allgemeinstromlieferungen der Industriellen Werke Basel (IWB; nachfolgend: Industrielle Werke). Eine Mahnfrist mit Androhung der Lieferunterbrechung bis zum 9. April 2008 liess er unbenutzt verstreichen. Den Mietern wurde die für die nächsten Tage in Aussicht genommene Unterbrechung der Energielieferung mit uneingeschriebenem Brief vom 9. April 2008 mitgeteilt. In der Folge sperrten die Industriellen Werke die Stromlieferung für den Warmwasserboiler und den Lift vom 23. April bis zum 30. Mai 2008. Die Liefersperre wurde aufgehoben, nachdem die Industriellen Werke erfahren hatten, dass in der betroffenen Liegenschaft eine schwangere Frau lebte, für welche die Sperre eine unzumutbare Härte darstellen würde.
BGE 137 I 120 S. 122
B.
Mit Eingabe vom 29. Mai 2008 erhob der Mieterinnen- und Mieterverband Basel namens und im Auftrag von X. beim damaligen Baudepartement des Kantons Basel-Stadt (heute: Bau- und Verkehrsdepartement) eine Beschwerde. Beantragt wurde unter anderem die Feststellung, dass die verhängte Liefersperre rechtswidrig sei, dass die Lieferung von Energie und Warmwasser unverzüglich wieder aufzunehmen sei und dass X. eine Entschädigung in angemessener Höhe für erlittene Schäden sowie eine Genugtuung zuzusprechen seien. Am 14. Juli 2008 trat das Baudepartement wegen erfolgter Beendigung der Liefersperre auf das Leistungsbegehren nicht ein und wies das Feststellungs- und Entschädigungsbegehren ab.
C.
Dagegen führte X. Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Basel- Stadt, der diesen am 13. Januar 2009 abwies.
D.
Mit Urteil vom 22. Januar 2010 wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht einen dagegen erhobenen Rekurs ab.
E.
Mit nicht näher bezeichneter Beschwerde vom 21. Mai 2010 an das Bundesgericht beantragt X., der Entscheid des Appellationsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die von den Industriellen Werken verhängte Liefersperre von Energie für Lift und Warmwasseraufbereitung rechtswidrig sei; eventuell sei die Sache an eine der Vorinstanzen zurückzuweisen. (...)
F.
Das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt Basel-Stadt schliesst für den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Appellationsgericht hat sich in der Sache vernehmen lassen, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. (...)
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid. Strittig ist eine Liefersperre von Elektrizität. Sie beruht auf dem basel-städtischen Gesetz vom 21. April 1988 über die Versorgung des Kantons Basel-Stadt mit Energie und Trinkwasser durch die Industriellen Werke Basel (IWB-Gesetz; im Folgenden: aIWBG). Gemäss § 24 lit. a aIWBG kann die Lieferung von Energie und Trinkwasser eingestellt werden, wenn nach der zweiten Mahnung eine rechtskräftig festgesetzte Gebühr nicht bezahlt wird, sofern die Einstellung der Lieferung für Dritte, die in keinem
BGE 137 I 120 S. 123
Benützungsverhältnis zum Kanton stehen, keine unzumutbare Härte bedeutet. Dieser Erlass wurde zwar inzwischen vom Gesetz vom 11. Februar 2009 über die Industriellen Werke Basel (IWB-Gesetz; SG 772.300; in Kraft seit dem 1. Januar 2010; nachfolgend: IWBG) abgelöst. Es ist aber zwischen den Verfahrensbeteiligten mit Grund unbestritten, dass im vorliegenden Fall noch das alte Recht anwendbar ist. Nach § 25 Abs. 1 aIWBG ist das Verhältnis zwischen Benützer und Kanton ausdrücklich öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. im Übrigen auch das Urteil des Bundesgerichts 4C_382/1995 vom 27. September 1996, in: ZBl 98/1997 S. 410; RICCARDO JAGMETTI, Energierecht, SBVR Bd. VII, 2005, Rz. 6408). Damit steht gegen den angefochtenen Entscheid grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach
Art. 82 ff. BGG
offen. Ein Ausnahmetatbestand gemäss
Art. 83 BGG
liegt nicht vor.
2.
2.1
Die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers richtet sich nach
Art. 89 Abs. 1 BGG
. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen (vgl. lit. a) und ist als direkter Adressat vom angefochtenen Entscheid bzw. der diesem zugrundeliegenden Liefersperre besonders berührt (vgl. lit. b), wobei insbesondere wesentlich ist, dass er als Mieter der fraglichen Liegenschaft selbst Einwände gegen die Einstellung der Versorgungsleistungen erheben könnte (vgl. E. 5.4 und 5.6). Der Beschwerdeführer hat sodann ein Interesse an der Aufhebung oder Abänderung des Urteils des Appellationsgerichts (vgl. lit. c). Dieses Interesse ist allerdings nicht mehr aktuell, nachdem die Liefersperre längst wieder aufgehoben worden ist. Der Beschwerdeführer macht jedoch ein bleibendes Feststellungsinteresse geltend.
2.2
Das Bundesgericht verzichtet ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die aufgeworfenen Fragen unter gleichen oder ähnlichen Umständen jederzeit wieder stellen können, eine rechtzeitige Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre und die Beantwortung wegen deren grundsätzlicher Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt (
BGE 135 I 79
E. 1.1 S. 81 mit Hinweis). Aus dem gleichen Grund hat das Appellationsgericht die Beschwerdelegitimation vor der Vorinstanz bejaht, wobei es darauf abstellte, dass unter dem neuen IWB-Gesetz, das keine ausdrückliche Grundlage mehr für eine Liefersperre enthält, eine Energiesperre wenigstens noch gestützt auf
Art. 82 OR
angeordnet werden könnte.
BGE 137 I 120 S. 124
2.3
In seiner Stellungnahme an das Bundesgericht stellt das Appellationsgericht nunmehr in Frage, ob noch von einem wesentlichen Feststellungsinteresse auszugehen sei. Insbesondere bestreite der Beschwerdeführer die Massgeblichkeit von
Art. 82 OR
, weshalb er sich auch bei der Eintretensfrage nicht darauf berufen könne. Indessen trifft es zwar zu, dass das neue IWB-Gesetz die Liefersperre nicht mehr ausdrücklich regelt. Im Hinblick auf die Einführung des neuen Rechts auf den 1. Januar 2010 änderte jedoch der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt die Verordnung vom 10. Februar 2009 betreffend die Abgabe von Elektrizität (SG 772.400; nachfolgend: IWBV). Insbesondere versah er § 53 lit. d IWBV mit dem praktisch gleichen Wortlaut wie die frühere Bestimmung von § 24 lit. a aIWBG. Unter diesen Umständen kommt es auf die Anwendbarkeit von
Art. 82 OR
gar nicht an, sondern es ist bereits aufgrund des einschlägigen öffentlichen Rechts für das bundesgerichtliche Verfahren davon auszugehen, dass sich die aufgeworfenen Rechtsfragen jederzeit erneut stellen können, ohne dass eine rechtzeitige Überprüfung gewährleistet wäre.
2.4
Der Beschwerdeführer ist mithin zur Beschwerde legitimiert.
(...)
5.
5.1
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (nach
Art. 29 Abs. 2 BV
), weil die Liefersperre nicht in der Form einer Verfügung ergangen sei und ihm als Mieter der betroffenen Liegenschaft nicht vorweg die Gelegenheit eingeräumt worden sei, sich zur vorgesehenen Massnahme zu äussern.
5.2
Strittig ist ein Lieferunterbruch der Industriellen Werke, weil der Vermieter der Liegenschaft, in welcher der Beschwerdeführer wohnt, die Gebühren für die Lieferung von Strom im Allgemeinbereich des Miethauses während rund zwei Jahren nicht beglichen hatte. Die Vorinstanz ging davon aus, bei der Liefersperre von Versorgungsleistungen der Industriellen Werke handle es sich um einen reinen Realakt, dem keine Verfügung voranzugehen habe, weshalb dem Beschwerdeführer auch nicht vorweg das rechtliche Gehör hätte gewährt werden müssen. Das erscheint allerdings fraglich.
5.3
Gemäss dem hier noch anwendbaren § 5 Abs. 2 aIWBG handelt es sich bei den Industriellen Werken um eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit selbständiger Verwaltung, aber ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Neurechtlich stellen sie ein Unternehmen des
BGE 137 I 120 S. 125
Kantons in der Form einer selbständigen, öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigener juristischer Persönlichkeit dar (§ 2 Abs. 1 IWBG). Nach § 5 Abs. 1 aIWBG bzw. neu gemäss § 1 Abs. 3 IWBG sind die Industriellen Werke mit der Energie- und Trinkwasserversorgung betraut. Dazu verfügen sie, wenigstens vorderhand, über ein entsprechendes Monopol (PHILIPPE SPITZ, Das kantonale Recht und seine Berührungspunkte mit dem Privatrecht, in: Neues Handbuch des Staats- und Verwaltungsrechts des Kantons Basel-Stadt, Denise Buser [Hrsg.], 2008, S. 937), dessen Zulässigkeit hier nicht strittig ist (vgl. dazu
BGE 132 I 282
E. 3.2 ff. S. 287 ff.; zur künftigen Entwicklung der Strommarktliberalisierung vgl.
BGE 132 I 282
E. 3.8 S. 290 f.). Neben den Grundeigentümern können auch Mieter Bezüger der Versorgungsleistungen sein. In Mehrfamilienhäusern besteht das Benützerverhältnis für den Allgemeinstrom im allen Bewohnern zugänglichen Liegenschaftsteil zum Grundeigentümer bzw. zum Vermieter und für den individuellen Verbrauch innerhalb des Mietobjekts zum jeweiligen Mieter. Die Mieter begleichen die Kosten des Allgemeinstroms als Auslagen des Vermieters direkt an diesen über den Mietzins oder durch besonders vereinbarte Nebenkosten (gemäss
Art. 257a OR
) und nicht an die Industriellen Werke. Diese unterstehen aufgrund ihres Versorgungsmonopols, aber auch wegen der Lieferpflicht gemäss Art. 6 des Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7) einem Kontrahierungszwang (
Art. 6 StromVG
ist seit dem 1. Januar 2008 in Kraft und hier daher grundsätzlich anwendbar). Aus den gleichen Gründen und zusätzlich wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur haben sie überdies alle Benützer rechtsgleich und willkürfrei zu versorgen (vgl.
Art. 35 BV
).
5.4
§ 24 lit. a aIWBG, um dessen Anwendung es hier geht, regelt die Voraussetzungen der Einstellung der Lieferung von Energie und Trinkwasser wegen Nichtzahlung der Gebühren für erfolgte Versorgungsleistungen. Dabei wird unter anderem verlangt, dass die Liefersperre für Dritte, die in keinem Benützungsverhältnis zum Kanton stehen, keine unzumutbare Härte bedeutet. Zu solchen Drittpersonen zählen hinsichtlich der Lieferung von Allgemeinstrom, unabhängig von ihrem eigenen Bezugsverhältnis mit Blick auf den von ihnen bewohnten Teil des Mietobjekts, auch Mieter.
5.5
Wird eine Liefersperre auf Seiten der Industriellen Werke beschlossen, läuft dies auf die Verweigerung einer Leistung hinaus, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht. Eine solche planbare
BGE 137 I 120 S. 126
und lediglich unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen zulässige Massnahme kann nicht durch reinen Realakt umgesetzt werden. Es trifft zwar zu, dass es sich bei der eigentlichen Unterbrechung der Lieferung, d.h. insbesondere beim Abschalten des Stromzuflusses, um einen Realakt handelt. Diesem hat aber die korrekte Anordnung voranzugehen, dass die rechtliche Verpflichtung der Industriellen Werke zur Erbringung der Versorgungsleistung bzw. der entsprechende Anspruch des Benützers als zumindest vorübergehend aufgehoben gelte, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer Liefersperre erfüllt seien. Dabei handelt es sich um einen individuell-konkreten Hoheitsakt, dem die Rechtsnatur einer Verfügung zukommt und der in der entsprechenden Form zu ergehen hat. Dies muss umso mehr gelten, als die Benützer oder sonstige massgeblich Betroffene rechtzeitig, d.h. vor Einstellung der Versorgungsleistungen, die ihnen zustehenden Einwände vorbringen können müssen, weshalb die Liefersperre nicht zulässig sein sollte. Insofern unterscheidet sich eine auf unbestimmte längere Dauer ausgerichtete Liefersperre im Sinne einer reaktiven Massnahme auf die Nichterbringung der für die Versorgungsleistung geschuldeten Gegenleistung (insbesondere die Zahlung früherer Gebühren) wesentlich von anderen nicht rechtzeitig vorhersehbaren Unterbrüchen der Versorgungsleistung. Dies trifft namentlich zu für Lieferunterbrüche, die etwa aufgrund eines Leitungsbruches auftreten können oder bei denen die Leistung kurzfristig ohne Möglichkeit der Vorwarnung eingestellt werden muss. Bei solchen aus baulichen Gründen (vgl. § 23 aIWBG) ist für die Frage der Gewährung des rechtlichen Gehörs allenfalls auf die konkrete Vorhersehbarkeit bzw. auf die vermutliche Dauer des Unterbruchs abzustellen. Demgegenüber ist die Liefersperre nach § 24 lit. a aIWBG ohne weiteres planbar und nicht von vornherein zeitlich beschränkt, weshalb sie aufgrund ihrer Rechtswirkungen einer vorausgehenden Verfügung bedarf. Dabei ist das entsprechende Verfahren unter Einschluss der Anhörung der betroffenen Personen einzuhalten.
5.6
Direkter Adressat dieser Verfügung ist der Benützer, d.h. bei der Lieferung von Allgemeinstrom der Grundeigentümer bzw. Vermieter. Von der Verfügung betroffen sind aber auch die in § 24 lit. a aIWBG ausdrücklich genannten Dritten; sie müssen insbesondere die Gelegenheit haben, den im Gesetz vorgesehenen rechtlichen Einwand vorzubringen, die Liefersperre bedeute für sie eine unzumutbare Härte. Bei Mehrfamilienhäusern hat sich daher die Verfügung
BGE 137 I 120 S. 127
betreffend den Allgemeinstrom nicht nur an den Vermieter, sondern auch an die mitbetroffenen Mieter zu richten. Dass dies uferlos und nicht mehr kontrollierbar wäre, wie das Appellationsgericht in seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht anzudeuten scheint, ist nicht ersichtlich. Verlangt ist nicht ein Einbezug aller sonst noch theoretisch möglichen Betroffenen, sondern nur der für die Industriellen Werke in voraussehbarer Weise berührten Drittpersonen, für die sich die Liefersperre möglicherweise als unzumutbare Härte auswirken kann, wozu in erster Linie die Mieter zählen. Die Industriellen Werke dürften im Übrigen regelmässig ohne weiteres Kenntnis davon haben, wer Mieter einer Liegenschaft ist, da sie auch mit diesen in einem Benützungsverhältnis stehen. Ihnen ist daher Gelegenheit zu geben, sich vor Anordnung der Liefersperre dazu zu äussern und ihre Einwände vorzubringen.
5.7
Dem Beschwerdeführer wurde, nicht anders als den anderen Mietern der fraglichen Liegenschaft, nie rechtsgenüglich die Gelegenheit eingeräumt, sich zur hier zu beurteilenden Liefersperre zu äussern. Daran ändert auch das Informationsschreiben vom 9. April 2008 nichts, nachdem das Appellationsgericht selbst festgehalten hat, dieses sei für eine rechtsunkundige, nicht vertretene Person zu wenig geeignet gewesen, Grundlage zur Wahrnehmung ihrer Rechte zu bilden. Dass der Beschwerdeführer bereits vor der tatsächlichen Einstellung der Versorgungsleistungen fachkundig vertreten war, ist nicht erstellt. Damit wurde dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör nach
Art. 29 Abs. 2 BV
verweigert. Diese Gehörsverletzung kann auch nicht als nachträglich geheilt gelten, weil der Beschwerdeführer im späteren Verfahren seine Einwände vorbringen konnte. Den Betroffenen muss die Äusserungsmöglichkeit angesichts der mit der Liefersperre verbundenen Folgen zwangsläufig vor deren Anordnung zustehen.
5.8
Da der angefochtene Entscheid die Rechtslage zur Gewährung des rechtlichen Gehörs verkennt, ist er unter Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Im Übrigen muss es allerdings bei einer entsprechenden Feststellung sein Bewenden haben, da die fragliche Liefersperre inzwischen längst wieder aufgehoben worden ist und sich die Anhörung daher auch nicht mehr mit Rechtswirkungen nachholen lässt. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
82e1be78-4588-4165-a60c-f05194f99761 | Urteilskopf
119 II 449
90. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 11 novembre 1993 dans la cause M. contre A. S.A. (recours en réforme) | Regeste
Arbeitsvertrag; Krankheit des Arbeitnehmers nach der Kündigung.
Berechnung der Kündigungsfrist nach
Art. 336c Abs. 2 OR
; Dauer und Ende der Kündigungsfrist; Parteivereinbarung (E. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 449
BGE 119 II 449 S. 449
A.-
A. S.A., à Bevaix, a engagé, dès le 3 février 1986, M. en qualité de chef du centre "masques photographiques" sis dans cette même localité. Par lettre du 26 mars 1992, A. S.A. a, pour des motifs économiques, licencié cet employé pour la date contractuelle du 30 juin suivant, l'a libéré jusqu'à cette échéance de son obligation de travailler afin de faciliter sa recherche d'un nouvel emploi et lui a proposé:
"... de prolonger le délai contractuel d'un maximum de trois mois, ceci
pour le cas où vous ne trouveriez pas d'emploi rapidement et à condition
de rester à disposition de l'entreprise en cas de besoins..."
Le 30 mars 1992, M. a renvoyé, à la demande de A. S.A., un exemplaire de cette lettre signée pour accord auquel il a joint un autre courrier
BGE 119 II 449 S. 450
indiquant qu'il acceptait les modalités de son licenciement pour autant que certaines autres conditions soient réalisées.
M. a été incapable de travailler, pour cause de maladie, du 13 avril au 15 juin 1992. Le 29 septembre suivant, il a demandé à A. S.A. de lui confirmer que le délai de congé était prolongé jusqu'au 30 novembre 1992. A. S.A. s'y est refusée et a versé, le 30 septembre, le dernier salaire de M.
B.-
Le Tribunal de prud'hommes du district de Boudry a, par jugement du 19 mars 1993, rejeté une action de M. tendant à ce que A. S.A. soit condamnée à lui payer 18'102 fr. 50, plus intérêts, à titre de salaire d'octobre à décembre 1992 et de la part du treizième salaire afférente à cette période.
Par arrêt du 11 juin 1993, la Cour de cassation civile du Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel a rejeté un recours du demandeur.
C.-
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme interjeté par le demandeur et a confirmé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Après le temps d'essai, l'employeur ne peut pas résilier le contrat lorsque le travailleur est incapable de travailler en raison d'une maladie non imputable à faute; la durée maximale de la protection varie en fonction des années de service (
art. 336c al. 1 let. b CO
). Le congé qui intervient pendant la période de protection est nul; s'il a été donné avant et que le délai de résiliation n'a pas encore expiré, ce dernier est suspendu et ne continue à courir qu'après la fin de la période de protection (
art. 336c al. 2 CO
). Lorsque les rapports de travail doivent cesser à la fin d'un mois et que ce terme ne coïncide pas avec la fin du délai de congé qui a recommencé à courir, ce délai est prolongé jusqu'à la fin du mois (
art. 336c al. 3 CO
). Selon la jurisprudence, le délai - légal ou conventionnel - de congé au sens de l'
art. 336c al. 2 CO
ne commence pas à courir à sa réception, mais il doit être calculé rétroactivement à partir de l'échéance du contrat (
ATF 115 V 437
consid. 3b et les références). Le caractère relativement impératif de l'art. 336c n'interdit pas aux parties de rompre en tout temps le contrat d'un commun accord, pour autant qu'elles ne cherchent pas par ce biais à détourner une disposition impérative de la loi (
ATF 118 II 58
consid. 2a et les références).
b) Dans la présente affaire, le délai de résiliation courait du 1er avril au 30 juin 1992. II a été suspendu du 13 avril au 15 juin 1992 en raison de la maladie du demandeur. Selon la cour cantonale, la fin des
BGE 119 II 449 S. 451
rapports de travail a été reportée au 30 septembre 1992 en raison de la prolongation du délai de congé. D'après le demandeur, en revanche, l'échéance du contrat de travail est intervenue le 31 décembre suivant. Il fonde sa thèse sur l'accord qu'il aurait passé avec la défenderesse de porter de trois à six mois le délai de résiliation, conformément à ce que celle-ci lui aurait proposé dans sa lettre du 26 mars 1992. C'est donc avec raison que les parties ont uniquement discuté le sens que devait revêtir ce courrier.
3.
a) Lorsque, comme c'est le cas en l'espèce, faute d'avoir pu établir la volonté commune et réelle des parties (
art. 18 al. 1 CO
), le juge apprécie les clauses d'un contrat en procédant à une interprétation dite objective (application du principe de la confiance), il s'agit d'une question de droit que le Tribunal fédéral peut revoir en instance de réforme (
ATF 118 II 365
consid. 1 et les arrêts cités). Selon ce principe, les déclarations de volonté relatives à un contrat s'interprètent d'après le sens qu'un destinataire pouvait et devait leur donner. On en jugera, non seulement d'après le texte et le contexte de la déclaration, mais aussi d'après les circonstances qui l'ont précédée et accompagnée (
ATF 118 II 365
consid. 1 p. 366,
ATF 117 II 273
consid. 5a,
ATF 116 II 695
consid. 2a et les arrêts cités).
b) Malgré les termes "délai contractuel" utilisés par la défenderesse dans sa correspondance du 26 mars 1992, force est d'admettre qu'elle avait uniquement en vue le déplacement du terme du 30 juin 1992 au 30 septembre suivant, à l'exclusion de toute modification du délai de résiliation (cf.
art. 335c al. 2 CO
). Le terme du 30 septembre n'a été proposé par la défenderesse que pour l'éventualité où le demandeur serait sans emploi après le 30 juin, ce qui a été le cas. Si celui-ci avait au contraire trouvé un nouvel employeur dès cette dernière date, les rapports de travail auraient pris fin, indépendamment d'une suspension légale du délai de congé, le 30 juin 1992, soit dans le délai contractuel de résiliation de trois mois. Cette circonstance permet à elle seule de considérer que le demandeur ne pouvait pas, de bonne foi, comprendre le courrier litigieux comme étant une proposition d'augmenter de trois mois le délai de résiliation de son contrat de travail.
Au surplus, la convention par laquelle les parties diffèrent, à l'occasion d'un licenciement, le terme du congé ne modifie pas le délai dans lequel celui-ci doit être donné. La résiliation du contrat de travail ayant déjà été signifiée, la prolongation de ce délai serait un non-sens. On peut encore ajouter que la précision, selon laquelle la prolongation était accordée pour un maximum de trois mois, ne pouvait
BGE 119 II 449 S. 452
pas tromper le demandeur sur la portée de leur accord. Il n'est pas nécessaire de rechercher si l'
art. 341 al. 1 CO
trouverait application en l'espèce ou si l'on est en présence d'une transaction ayant notamment pour effet de priver le demandeur du droit que lui confère l'
art. 336c CO
(cf.
ATF 118 II 58
consid. 2b p. 61 et les arrêts cités). Une modification contractuelle du délai de résiliation étant à écarter, on peut, à l'instar de la cour cantonale, retenir un licenciement intervenu dans un délai plus long que celui prévu par le contrat. En pareille situation, le délai de congé minimum est seul déterminant sous l'angle d'une résiliation en temps inopportun au sens de l'
art. 336c CO
; ainsi, le temps écoulé entre le début du délai de congé ouvert par la résiliation et le début du mois où commence le délai de congé minimum ne compte pas (AUBERT, La jurisprudence sur le contrat de travail à Genève en 1985, in SJ 108/1986 p. 298 in fine; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5e éd. 1992, n. 3 in fine ad
art. 336c CO
; WEBER, La protection des travailleurs contre les licenciements en temps inopportun, thèse Lausanne 1992, p. 155, cf. aussi p. 152 s.).
Il en découle que le demandeur ne pouvait bénéficier de la période de protection de l'
art. 336c al. 1 let. b CO
que du 1er juillet au 30 septembre 1992. Or, ce laps de temps s'est écoulé sans que survienne un facteur de suspension du délai de congé. Une prolongation des rapports de travail au-delà de cette dernière date n'est donc pas fondée. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
82e604e6-7def-471b-9183-ef0b878f9ca3 | Urteilskopf
133 IV 278
40. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public de la Confédération ainsi que Tribunal pénal fédéral (recours en matière pénale)
6B_226/2007 du 12 août 2007 | Regeste a
Art. 29 Abs. 3 und
Art. 33 BGerR
; Zuständigkeit der Strafrechtlichen Abteilung.
Die vor der Einleitung einer Voruntersuchung angeordnete Einziehung von Vermögenswerten ist ein Endentscheid, der materielles Strafrecht betrifft (E. 1.1).
Regeste b
Art. 79 und 80 Abs. 1 BGG
; Vorinstanzen.
Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig gegen einen Entscheid der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts betreffend die Einziehung von Vermögenswerten (E. 1.2).
Regeste c
Art. 81 Abs. 1 BGG
; Beschwerderecht.
Der Inhaber eines eingezogenen Bankguthabens ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt (E. 1.3). | Sachverhalt
ab Seite 279
BGE 133 IV 278 S. 279
A.
Dans le courant de l'année 1987, se présentant comme Y. et légitimant cette identité par la présentation d'un faux passeport, X., alias Z., aurait ouvert le compte A., auprès de la Citibank, à Zurich, au moyen d'un apport initial de 500'000 USD, ainsi qu'un compte B. auprès de la SBS, à Zurich.
B.
Le 11 mars 1996, X. a été condamné en Australie à neuf ans de prison pour avoir embarqué au Pakistan et tenté d'importer en Australie plus de quinze tonnes de résine de cannabis, dont cinq tonnes, d'une valeur estimée à quelque 75 millions AUSD, ont été saisies au large des côtes australiennes en 1994. Il a purgé sa peine jusqu'en 2002.
Au cours de l'instruction de cette affaire, l'autorité australienne a décerné une commission rogatoire internationale à la Suisse, dans la mesure où ses investigations montraient que le financement du trafic avait touché le compte B. Elle a prié les autorités suisses d'identifier le titulaire de cette relation bancaire. Les recherches n'ont pas été étendues à tout compte qui aurait existé au nom de Y. en Suisse et X., bien qu'interrogé à ce sujet, a toujours tu l'existence du compte A.
C.
Le 15 février 2005, muni d'un faux passeport établi au nom de Y., X. s'est présenté à la Citibank à Genève afin de disposer des fonds déposés sur le compte A. Compte tenu de l'expiration de la validité de ce passeport, le banquier a exigé des documents de légitimation valides, de sorte que X. a présenté son passeport australien portant son nom tout en précisant que son nom de naissance était Z. Ne pouvant identifier X. comme étant son client, la banque s'est opposée à sa demande.
Suite à cette visite, la Citibank a découvert que X. était l'alias utilisé par Z., l'un des plus importants trafiquants de drogue d'Australie, lié au crime organisé depuis les années 1970, notamment en relation avec une célèbre affaire de blanchiment de l'argent de la drogue par le biais de courses de chevaux. Elle a donc procédé à une dénonciation selon la LBA. Le Ministère public de la Confédération a alors ouvert une enquête de police judiciaire du chef de blanchiment d'argent, entendu X. à titre de renseignement et placé le compte A. sous séquestre pénal.
BGE 133 IV 278 S. 280
D.
Par ordonnance du 29 novembre 2006, le Ministère public de la Confédération a suspendu (classé) la procédure pénale et prononcé la confiscation et la dévolution à la Confédération suisse des valeurs patrimoniales déposées sur le compte A.
Par arrêt du 31 janvier 2007, la I
re
Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral a déclaré irrecevable le recours de X. En bref, elle lui a dénié la qualité pour recourir aux motifs que son identité demeurait incertaine et qu'il aurait ouvert, sans pouvoir le justifier, un compte sous un faux nom.
E.
X. dépose un recours en matière pénale. Il conclut, principalement, à l'annulation de l'arrêt précité et au renvoi de la cause à la Cour des plaintes pour nouvelle décision sur le fond.
Dans sa réponse, le Ministère public de la Confédération a conclu au rejet du recours. Le recourant a déposé ses ultimes observations le 18 mai 2007.
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
(...)
1.1
Selon l'art. 33 du règlement du 20 novembre 2006 du Tribunal fédéral (RTF; RS 173.110.131), la Cour de droit pénal traite notamment les recours en matière pénale qui relèvent du droit pénal matériel (let. a) et de la procédure pénale contre des décisions finales (let. b et c). Les recours en matière pénale contre les décisions incidentes relevant de la procédure pénale sont en revanche de la compétence de la première Cour de droit public (
art. 29 al. 3 RTF
).
En l'espèce, le litige porte sur la confiscation et la dévolution à l'Etat de valeurs patrimoniales que le Ministère public de la Confédération a prononcées dans le cadre de la suspension de recherches, avant l'ouverture d'une instruction préparatoire (art. 73 et 106 al. 1 de la loi sur la procédure pénale [PPF; RS 312.0]). Cette décision est finale, puisqu'elle met fin à la procédure (art. 90 de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral [LTF; RS 173.110]), et relève par ailleurs du droit pénal matériel. Le recours relève par conséquent de la compétence de la Cour de droit pénal.
1.2
Le recours en matière pénale est recevable contre les décisions prises par les autorités cantonales de dernière instance et par le Tribunal pénal fédéral (
art. 80 al. 1 LTF
). Il est, en revanche,
BGE 133 IV 278 S. 281
irrecevable contre les décisions de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral, sauf si elles portent sur des mesures de contrainte (
art. 79 LTF
).
1.2.1
Le Ministère public de la Confédération a prononcé une ordonnance de suspension de la procédure pénale et de confiscation, indiquant que celle-ci pouvait, dans un délai de 10 jours, faire l'objet d'un recours auprès de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral conformément à l'
art. 73 al. 2 PPF
. Dans son arrêt du 31 janvier 2007, cette dernière a constaté que la confiscation et la dévolution à la Confédération des valeurs patrimoniales constituaient des mesures de contrainte et semble ainsi avoir statué en application de l'art. 28 al. 1 let. b de la loi fédérale du 4 octobre 2002 sur le Tribunal pénal fédéral (LTPF; RS 173.71). Dans l'indication des voies de recours, elle a également mentionné que ses arrêts relatifs aux mesures de contrainte étaient sujets à recours devant le Tribunal fédéral, en se référant à l'
art. 33 al. 3 let. a LTPF
, alors que cette disposition transitoire n'entre cependant plus en considération depuis l'entrée en vigueur de la LTF au 1
er
janvier 2007.
1.2.2
On peut douter qu'une décision de confiscation, indépendante et finale, constitue une mesure de contrainte au sens des
art. 79 LTF
ou 28 al. 1 let. b LTPF, cette notion se référant davantage, selon la jurisprudence, aux mesures investigatrices ou coercitives prises, à titre incident, au cours du procès pénal, telles que l'arrestation, la détention, le séquestre, la fouille, la perquisition ou encore la surveillance téléphonique (cf.
art. 45 ss DPA
[RS 313.0];
ATF 131 I 52
consid. 1.2.3 p. 55;
ATF 120 IV 260
consid. 3b p. 262). Il reste que la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral statue notamment sur les plaintes dirigées contre les opérations ou les omissions du procureur général de la Confédération ou du juge d'instruction fédéral (
art. 28 al. 1 let. a LTPF
) et sur les mesures de contrainte ou les actes s'y rapportant dans la mesure où la PPF ou une autre loi fédérale le prévoit (
art. 28 al. 1 let. b LTPF
). Cette autorité a ainsi pour tâche principale de surveiller les opérations d'enquête menées par les autorités fédérales et assume avant tout des fonctions d'instruction (cf. FF 2001 p. 4156), lesquelles ne peuvent être revues par le Tribunal fédéral, sous réserve des mesures de contrainte, qui constituent des mesures graves et qui doivent par conséquent pouvoir être contrôlées au même titre que les décisions cantonales similaires (cf.
art. 79 LTF
; FF 2001 p. 4030 s.). La Cour des affaires pénales du Tribunal pénal fédéral, quant à elle, statue notamment sur les affaires qui
BGE 133 IV 278 S. 282
relèvent de la juridiction fédérale, pour autant que le procureur général de la Confédération n'en ait pas délégué l'instruction et le jugement aux autorités cantonales (
art. 26 let. a LTPF
). Elle assume ainsi les fonctions d'un juge du fond de première instance pour les affaires relevant de la juridiction fédérale (cf. FF 2001 p. 4156).
Selon cette répartition des tâches, c'est en principe, sauf par exemple en application de l'
art. 73 al. 2 PPF
(cf. consid. 1.2.1), la Cour des affaires pénales qui prononce les confiscations, dans le cadre des jugements au fond, puisque ces mesures relèvent de l'application du droit pénal matériel (
art. 69 ss CP
) et constituent dès lors plus que des simples actes relatifs à l'instruction des affaires pénales. Dans ces cas, les personnes lésées par une confiscation peuvent recourir devant le Tribunal fédéral pour faire contrôler, entre autres, la juste application des
art. 69 ss CP
. Il en va d'ailleurs de même des personnes dont les avoirs sont confisqués sur le plan cantonal. Or, aucun motif ne justifie de traiter différemment celui qui est lésé par une confiscation prononcée par la Cour des affaires pénales dans le cadre d'un jugement au fond de celui qui se voit privé de ses biens par la Cour des plaintes, qui statue sur un recours contre une décision du Ministère public de la Confédération.
Dans ces conditions, le recours en matière pénale déposé contre une décision de la Cour des plaintes, qui concerne une décision de confiscation et de dévolution à l'Etat de valeurs patrimoniales, est recevable.
1.3
Selon l'
art. 81 al. 1 LTF
, quiconque a pris part à la procédure devant l'autorité précédente ou a été privé de la possibilité de le faire et (let. a) a un intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision attaquée (let. b) a qualité pour former un recours en matière pénale. Cette disposition donne une définition générale de la qualité pour recourir en matière pénale. La liste figurant sous la let. b énumère les cas ordinaires où la condition de l'intérêt juridique à recourir est en principe réalisée. Elle n'est toutefois pas exhaustive (FF 2001 p. 4115 s.). Sous l'ancien droit de procédure, le Tribunal fédéral a déjà reconnu la qualité pour se pourvoir en nullité à celui qui s'opposait à la confiscation d'avoirs bancaires lui appartenant, admettant ainsi qu'il avait un intérêt juridiquement protégé à ce que la décision fut annulée ou modifiée (
ATF 108 IV 154
consid. 1a p. 155 s.;
ATF 122 IV 365
consid. 1a/bb p. 368;
ATF 128 IV 145
consid. 1a p. 148).
BGE 133 IV 278 S. 283
En l'occurrence, le recourant a initié la procédure devant la Cour des plaintes et conteste la confiscation d'un compte dont il prétend être le titulaire, de sorte qu'il a un intérêt juridique à l'annulation de la décision. Il convient dès lors de lui reconnaître la qualité pour recourir en application de l'
art. 81 al. 1 LTF
.
(...)
2.
Le recourant se plaint tout d'abord d'arbitraire au motif que Y. et X. sont bien la même personne et qu'il est le véritable titulaire du compte A. Il estime ensuite que la jurisprudence rendue en matière d'entraide, qui dénie, en principe, la qualité pour recourir aux personnes ayant ouvert des comptes bancaires sous un faux nom (cf.
ATF 129 II 268
et
ATF 131 II 169
), ne peut s'appliquer à la confiscation litigieuse, sous peine de le priver de son droit de propriété et de violer les
art. 29a Cst.
et 6 CEDH lui garantissant une voie de recours concrète et efficace devant une instance judiciaire impartiale et indépendante. Il prétend également que la décision entreprise viole le droit fédéral en ce qu'elle ne permet pas l'examen des conditions du droit matériel de la confiscation.
2.1
Le Ministère public de la Confédération a confisqué le compte A. dont le titulaire est Y. en application de l'art. 59 ch. 3 aCP. En substance, il a considéré que, selon le jugement du 11 mars 1996 condamnant le recourant à 9 ans de réclusion, les faits réprimés relevaient d'une organisation criminelle vouée au trafic de stupéfiants au sein de laquelle l'intéressé avait joué un rôle dirigeant, que ces incriminations correspondaient, en droit suisse, aux crimes réprimés par les art. 260
ter
CP et 19 ch. 1 et 2 LStup et que le compte A. était sous le pouvoir de l'organisation criminelle à laquelle X. avait appartenu.
La I
re
Cour des plaintes a constaté que, s'agissant de la qualité pour recourir, le fardeau de la preuve incombait à la personne qui entendait obtenir l'annulation de la décision querellée, qu'en l'espèce, le recourant n'apportait nullement la preuve qu'il était bien l'ayant droit économique des avoirs déposés sur le compte A., que la décision de confiscation prise par le Ministère public ne lui faisait dès lors subir aucun préjudice illégitime et qu'il n'avait par conséquent pas la qualité pour recourir en application des
art. 214 al. 2 PPF
et 30 LTPF. Par surabondance, elle lui a également dénié la qualité pour recourir en appliquant la jurisprudence développée en matière d'entraide, laquelle dénie, en principe, la qualité pour recourir aux
BGE 133 IV 278 S. 284
personnes ayant ouvert des comptes bancaires sous un faux nom, sur présentation de fausses pièces d'identité.
2.2
Aux termes des art. 29a, en vigueur depuis le 1
er
janvier 2007, et 30 Cst., toute personne dont la cause doit être jugée dans une procédure judiciaire a droit à ce que cette cause soit portée devant un tribunal établi par la loi, compétent, indépendant et impartial (
ATF 129 III 445
). Les
art. 6 par. 1 CEDH
et 14 par. 1 Pacte ONU II (RS 0.103.2) offrent les mêmes garanties pour les contestations de caractère civil et les accusations en matière pénale. Il faut entendre par tribunal un organe juridictionnel compétent pour résoudre un litige sur la base de normes juridiques à l'issue d'une procédure organisée. Il doit s'agir en outre d'une autorité dont l'indépendance, notamment à l'égard de l'exécutif et des parties, ainsi que l'impartialité, sont favorisées par des règles relatives au statut personnel de ses membres et à la procédure qu'elle doit suivre pour rendre ses décisions (
ATF 126 I 228
consid. 2a p. 230 s.; AUER/MALINVERNI/ HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II, Les droits fondamentaux, 2
e
éd., p. 571).
Aux termes de l'
art. 72 CP
, qui reprend l'art. 59 al. 3 aCP, le juge prononce la confiscation de toutes les valeurs patrimoniales sur lesquelles une organisation criminelle exerce un pouvoir de disposition. Les valeurs appartenant à une personne qui a participé ou apporté son soutien à une organisation criminelle (art. 260
ter
) sont présumées soumises, jusqu'à preuve du contraire, au pouvoir de disposition de l'organisation.
Les décisions en matière de confiscation, qui constituent des contestations civiles au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
(
ATF 125 II 417
consid. 4b p. 420; arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme dans la cause
Raimondo contre Italie
du 22 février 1994, Série A, vol. 281, par. 43), doivent être rendues par un juge, soit un tribunal indépendant et impartial au sens de la disposition précitée. Cela n'exclut pas qu'un organe non juridictionnel, qui ne satisfait a priori pas aux garanties constitutionnelles et conventionnelles susmentionnées, rende une décision de confiscation. Dans cette hypothèse, le justiciable doit disposer d'un recours devant un organe judiciaire indépendant, qui jouit d'une pleine cognition en fait et en droit (cf.
ATF 126 IV 107
consid. 1b/cc p. 110; arrêt 6S.561/1997 du 24 novembre 1997, publié in Revue fribourgeoise de jurisprudence [RFJ] 1998 p. 92;
ATF 108 IV 154
consid. 2 p. 157 s.; cf. arrêt de la Cour
BGE 133 IV 278 S. 285
européenne des droits de l'homme dans la cause
Linnekogel contre Suisse
du 1
er
mars 2005, par. 32).
2.2.1
En l'occurrence, le Ministère public de la Confédération a ouvert une enquête de police judiciaire du chef de blanchiment à l'encontre du recourant, a entendu ce dernier à titre de renseignement et placé le compte A. sous séquestre pénal, avant de suspendre la procédure pénale et de confisquer les valeurs en question. Cette autorité est soumise administrativement à la surveillance du Conseil fédéral (
art. 14 al. 1 PPF
), dirige les recherches de la police judiciaire, soutient l'accusation devant les tribunaux de la Confédération (
art. 15 PPF
) et est considérée comme partie à la procédure pénale fédérale (
art. 34 PPF
), de sorte qu'elle ne saurait être assimilée à un juge au sens des
art. 72 CP
et 6 par. 1 CEDH. La Cour des plaintes, quant à elle, n'est pas entrée en matière sur les griefs soulevés par le recourant et n'a pas examiné la validité de la confiscation au regard du droit fédéral, puisqu'elle a déclaré le recours irrecevable. Dans ces conditions, le recourant n'a pu soumettre sa cause à un tribunal indépendant et son recours doit par conséquent être admis.
2.2.2
Au surplus, la décision rendue par la Cour des plaintes est également arbitraire (sur cette notion cf.
ATF 131 I 57
consid. 2 p. 61) et viole le droit au sens de l'
art. 95 LTF
.
D'une part, la constatation selon laquelle le recourant n'apporte pas la preuve qu'il est bien l'ayant droit économique des avoirs déposés sur le compte A. est manifestement insoutenable. En effet, s'il est vrai que la Citibank n'a pas identifié avec certitude le recourant comme étant son client, le Ministère public l'a, en revanche, clairement identifié comme étant le titulaire du compte susmentionné, puisqu'il a confisqué ces avoirs en raison de l'appartenance de l'intéressé à une organisation criminelle. Ce lien entre les valeurs concernées d'une part et le recourant d'autre part constitue d'ailleurs une condition matérielle de la confiscation prononcée en application des
art. 72 CP
ou 59 al. 3 aCP. Partant, il n'y a pas de doute que le recourant est bien le dénommé Y., titulaire du compte A.
D'autre part, la jurisprudence rendue en matière d'entraide internationale et selon laquelle la qualité pour recourir n'est pas reconnue aux personnes ayant ouvert des comptes bancaires sous un faux nom n'est pas transposable en matière de confiscation. En effet, dans le cadre de la transmission de documents ou la remise de fonds à un Etat étranger, le titulaire des papiers ou des avoirs pourra
BGE 133 IV 278 S. 286
toujours faire valoir ses droits dans la procédure au fond menée par l'Etat requérant (cf.
ATF 129 II 268
consid. 6.1 p. 270 s.). En revanche, une décision de confiscation prononcée en droit interne prive définitivement l'intéressé de son droit de propriété. Il convient par conséquent de lui reconnaître la qualité pour recourir.
Pour ces motifs également, le recours doit être admis et la décision attaquée annulée. | null | nan | fr | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82f1c721-7cef-4c50-b1f9-f3d45a68325c | Urteilskopf
97 II 85
13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Februar 1971 i.S. Stamm gegen Sigerist & Co. | Regeste
Art. 8 Abs. 1 und 2,
Art. 66 lit. a PatG
. Patentverletzung.
1. Begriff der Nachmachung und Nachahmung einer Erfindung (Erw. 1).
2. Widerrechtliche Benützung einer patentierten Erfindung durch Nachmachen und Nachahmen von Pendeltüren mit senkrecht verschiebbaren elastischen Füllungen.
- Die besonderen Merkmale der patentierten Erfindung (Erw. 2a).
- Merkmale, welche eine Ausführungsart
- als Nachmachung (Erw. 2 b und c)
- oder als Nachahmung erscheinen lassen (Erw. 2 d und e). | Sachverhalt
ab Seite 85
BGE 97 II 85 S. 85
A.-
Die Firma Carl Sigerist & Co., die Pendeltüren aus elastischem und transparentem Material (PVC) herzustellen und zu verkaufen beabsichtigte, wandte sich gegen Ende 1961 an den Metallbauer Bruno Stamm, um die Metallteile von ihm zu beziehen. Am 22. November 1963 regelten die Parteien die sich
BGE 97 II 85 S. 86
daraus ergebende Zusammenarbeit in einem schriftlichen Vertrag.
Am 30. April 1965 meldete die Firma Sigerist beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum eine Erfindung zur Patentierung an. Das Amt erteilte ihr dafür am 15. November 1966 das Patent Nr. 424180 und veröffentlichte die Patentschrift am 13. Mai 1967. Der Patentanspruch lautet:
"Pendeltüre mit Tragrahmen und elastischer Füllung, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens längs des senkrechten Halterandes der elastischen Füllung Führungsschienen fest angebracht sind, welche in einer entsprechenden Nut des Rahmens in Längsrichtung verschiebbar gehalten sind."
Der Vorteil dieser Befestigung der elastischen Türfüllung gegenüber der vorbekannten Befestigung mittels Schrauben soll laut Patentbeschreibung darin bestehen, dass die Füllung - meistens besteht sie aus volltransparenten Kunststoffplatten, die an einem galgenförmigen Tragrahmen hangen - trotz ihres Gewichtes und grossen Ausdehnungskoeffizienten nicht zum Fliessen neigt und auch bei hoher Beanspruchung nicht ausreisst.
Die Firma Sigerist hatte bereits im Dezember 1966 durch Mittelsmänner eine von Stamm hergestellte und auf eigene Rechnung verkaufte Pendeltüre erwerben lassen und sie X. zur Begutachtung unterbreitet. X. kam am 27. Februar 1967 zum Schluss, sie verletze das Patent Nr. 424180. Die Firma Sigerist liess deshalb Stamm am 28. März 1967 verwarnen und beantragte gegen ihn am 4. April 1967 beim Bezirksrichter Schaffhausen vorsorgliche Massnahmen. Sie zog das Gesuch jedoch in der Folge angebrachtermassen zurück, weil Stamm am 10. April 1967 ein Gegengutachten des Z. eingereicht hatte. Am 10. Juli 1967 erstattete ihr X. ein zweites Gutachten. Er kam zum Schluss, das Gutachten des Z. betreffe eine andere Ausführung der Pendeltüre als sein erstes Gutachten, doch verletze auch diese zweite Ausführung das Patent Nr. 424180.
B.-
Am 28. August 1967 klagte die Firma Sigerist gegen Stamm beim Obergericht des Kantons Schaffhausen u.a. auf Feststellung der Patentverletzung.
Ende 1968 entwickelte der Beklagte eine neue Pendeltüre. Sie unterscheidet sich von seinen früheren von der Klägerin beanstandeten Erzeugnissen dadurch, dass nicht mehr eine schienen- oder wulstförmige Verdickung oder eine entsprechende
BGE 97 II 85 S. 87
Reihe von Klötzchen das waagrechte Ausgleiten des senkrechten Randes der elastischen Füllung aus dem Hohlprofil des Tragrahmens verhindert, sondern eine Reihe drehbarer runder Scheiben (Rollen) aus Metall oder PVC, die paarweise auf der Füllung angebracht sind.
Am 29. April 1969 klagte die Firma Sigerist gegen Stamm beim Obergericht des Kantons Schaffhausen insbesondere auf Feststellung, dass auch diese Ausführung der Pendeltüre des Beklagten das Patent Nr. 424180 verletze.
C.-
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen vereinigte die beiden Prozesse und hiess die Rechtsbegehren der Klägerin auf Feststellung der Patentverletzung am 10. April 1970 gut. Es warf dem Beklagten vor, er habe die Erfindung der Klägerin durch alle drei zum Gegenstand des Prozesses gemachten Ausführungen seiner Pendeltüren nachgemacht, d.h. sowohl durch die Türfüllungen mit schienen- oder wulstförmiger Verdickung als auch durch jene mit einer Reihe paarweiser Klötzchen oder einer Reihe paarweiser Rollen.
D.-
Der Beklagte erklärte gegen dieses Urteil die Berufung. Er beantragte, es aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das Bundesgericht hat die Berufung abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beklagte bestreitet nicht, dass er seine Pendeltüren gewerbsmässig ausgeführt, feilgehalten, verkauft und in Verkehr gebracht hat. Wenn er mit diesen Erzeugnissen die Erfindung der Klägerin nachgemacht oder auch bloss nachgeahmt hat, ist er daher zivilrechtlich verantwortlich (Art. 8 Abs. 1 und 2,
Art. 66 lit. a PatG
;
BGE 92 II 291
Erw. II).
Ein Erzeugnis gilt nicht nur dann als Nachmachung einer Erfindung, wenn es bis in alle Einzelheiten einem in der Patentschrift erwähnten Ausführungsbeispiel oder einer vom Berechtigten auf den Markt gebrachten Sache entspricht (BLUM/PEDRAZZINI, Das schweiz. Patentrecht, Art. 66 Anm. 9 S. 450;
BGE 92 II 292
). Zur Nachmachung genügt - und ist erforderlich -, dass im Erzeugnis des Belangten alle Merkmale verwirklicht seien, welche die Erfindung nach dem Wortlaut oder Sinn des Patentanspruches kennzeichnen, denn dieser ist für den sachlichen Geltungsbereich des Patentes massgebend (
Art. 51 Abs. 2 PatG
; BLUM/PEDRAZZINI a.a.O. S. 457 f.).
BGE 97 II 85 S. 88
Eine Nachahmung liegt vor, wenn das mit der Erfindung zu vergleichende Erzeugnis nur in untergeordneten Punkten von ihrer technischen Lehre abweicht (
BGE 92 II 292
). Untergeordnet ist eine Abweichung, wenn sie nicht auf einem neuen erfinderischen Gedanken beruht, sondern dem durchschnittlich gut ausgebildeten Fachmann durch die Lehre des Patentes nahe gelegt wird (TROLLER, Immaterialgüterrecht 2 860 ff.; BLUM/PEDRAZZINI a.a.O. S. 458 f.).
2.
Die Erfindung der Klägerin besteht laut Patentanspruch darin, dass die elastische Füllung der Pendeltüre wenigstens am senkrechten Halterand fest angebrachte Führungsschienen aufweist, die in einer entsprechenden Nut des Tragrahmens in Längsrichtung verschiebbar gehalten sind. Der erfinderische Gedanke geht dahin, die gewünschte Verschiebbarkeit der elastischen Füllung in senkrechter Richtung durch die Führungsschienen und eine sie haltende entsprechende Nut zu erreichen.
a) Unter einer Nut versteht man in der Technik wie im allgemeinen Sprachgebrauch eine längliche Vertiefung in einem Werkstück, die zur Befestigung oder Führung eines anderen Stückes dient (siehe z.B. LUEGER, Lexikon der Technik Band 11; ABC der Naturwissenschaften und der Technik; der Neue Herder; GRAF/HUBER/KRAUTH, Das kleine Lexikon der Bautechnik; der Grosse Brockhaus; Schweizer Lexikon; alle unter dem Stichwort "Nut"). Der Begriff der Nut erweckt nicht die Vorstellung eines bestimmten Querschnittes; dieser ist häufig rechteckig oder konisch, kann aber auch irgend eine andere Form haben. Auch braucht der Querschnitt der Nut mit demjenigen des befestigten oder geführten Stückes nicht notwendigerweise übereinzustimmen. Seine Gestalt hängt vorwiegend vom technischen Zwecke ab, den die Nut im einzelnen Falle erfüllt.
Die Nut an der Erfindung der Klägerin hat nur die Aufgabe, die am Rande der elastischen Türfüllung angebrachten Führungsschienen so festzuhalten, dass die Füllung nicht waagrecht aus dem senkrecht verlaufenden Arm des Tragrahmens herausgleiten kann, aber gleichwohl die Möglichkeit hat, sich in der Längsrichtung dieses Armes zu verschieben. Daher braucht sich der Querschnitt der Führungsschienen mit dem Querschnitt der Nut nicht genau zu decken. Um das waagrechte Ausbrechen der Füllung aus der Nut zu verhindern, genügt es, letztere gegen die Füllung hin enger zu machen als den Querschnitt der Führungsschienen. Das kann, aber muss nicht so geschehen, wie Figur 2
BGE 97 II 85 S. 89
der Patentbeschreibung darstellt. Das Erfordernis der Verschiebbarkeit in senkrechter Richtung sodann verträgt sich mit irgend einem Querschnitt der Nut, der die Führungsschienen aufnehmen kann, ohne sie festzuklemmen. Figur 2 skizziert wiederum nur ein Beispiel, nicht eine notwendige Form der Ausführung. Die Patentbeschreibung bezeichnet diese Figur ausdrücklich nur als Ausführungsbeispiel.
Dass im Patentanspruch von einer entsprechenden Nut die Rede ist, ändert nichts. "Entsprechend" heisst nicht, wie der Beklagte geltend macht, die Querschnitte der Nut einerseits und der Füllung samt Führungsschienen anderseits müssten übereinstimmen, sondern nur, die Nut müsse ihrem Zwecke entsprechend gestaltet sein, nämlich die Füllung mit den Schienen in der Längsrichtung des Rahmens verschiebbar lassen, sie dagegen in der Querrichtung festhalten.
Jede Nut, die diese beiden Merkmale aufweist, ist daher der Nut der patentierten Erfindung nachgemacht.
b) Der Beklagte hat den Tragrahmen aller drei Arten von Pendeltüren, die Gegenstand des Prozesses bilden, unbestrittenermassen ein und dasselbe Profil gegeben. Es hat die Form eines U, wobei die Enden der beiden Schenkel gegen innen um 1800 umgebogen sind. Zwischen den beiden umgebogenen Schenkelenden liegt die Türfüllung. Sie ist in der Längsrichtung des Rahmens verschiebbar, kann dagegen in der Querrichtung den Rahmen nicht verlassen, weil dem Rande der Füllung entlang beidseits entweder Schienen oder rechteckige Klötzchen oder drehbare runde Scheiben (Rollen, Rädchen) angebracht sind, die auf den eingebogenen Enden der beiden Schenkel des Rahmenprofils aufliegen.
Der Beklagte macht geltend, der so gestaltete Rahmen weise keine Nut auf, jedenfalls keine "entsprechende", weil das Innere des Profils des - durch Schienen, Klötzchen oder Rollen verdickten - Randes der Füllung nicht angepasst sei.
Damit verkennt er den Begriff der Nut, wie ihn der Patentanspruch der Klägerin versteht. Der ganze Raum, der zwischen den Schenkeln des Rahmens des Beklagten liegt, ist eine Nut und entspricht allen Anforderungen, die das Patent an eine solche stellt. Er bildet im Rahmen eine Vertiefung, in welcher der verdickte Rand der Türfüllung liegt. Der Ausgang der Vertiefung ist durch die umgebogenen Ränder der beiden Schenkel so verengt, dass der Rand der Türfüllung in der Querrichtung
BGE 97 II 85 S. 90
nicht aus dem Rahmen herausfällt, sich dagegen in der Längsrichtung ausdehnen kann.
Der senkrechte Arm des Türrahmens weist somit die wesentlichen Merkmale auf, die der in der Erfindung der Klägerin umschriebene Rahmen haben muss. Er ist diesem nachgemacht.
c) Der Beklagte ist bei der ersten Ausführungsart seiner Pendeltüren der Erfindung der Klägerin auch insofern gefolgt, als er den in der Nut des senkrechten Rahmenarmes verschiebbar gehaltenen Rand der Türfüllung beidseits mit Führungsschienen versehen hat. Bei dieser Art der Ausführung wurden also alle Merkmale der Erfindung der Klägerin verwirklicht; die Erfindung wurde nachgemacht.
d) Bei der zweiten Ausführungsart hat der Beklagte auf dem in der Nut des senkrechten Rahmenarmes liegenden Rand der Türfüllung beidseits statt der Führungsschienen 8-9 cm lange Klötzchen angebracht, die in bestimmten Abständen voneinander liegen. Insoweit ist er von der Erfindung der Klägerin, wie sie im Patentanspruch umschrieben wurde, abgewichen. Diese Art der Ausführung macht die Erfindung somit nicht nach.
Sie ist jedoch als Nachahmung zu würdigen. Der Beklagte hat die technische Lehre des Patentes der Klägerin angewendet. Die Klötzchen erfüllen die gleiche Aufgabe wie die Führungsschienen. Sie verhindern, dass die Türfüllung quer (waagrecht) aus der Nut des Rahmens herausgleite, lassen sie dagegen in der Längsrichtung (senkrecht) verschiebbar und dienen insoweit zu ihrer Führung. Die Abweichung von der Erfindung der Klägerin besteht nur in der Ersetzung des Merkmals "Führungsschiene" durch das äquivalente Merkmal "Führungsklötzchen". Diese Abweichung ist untergeordneter Natur. Der Beklagte vollbrachte durch sie keine erfinderische Leistung. Es lag für einen von der Lehre des Patentes der Klägerin ausgehenden Fachmann von durchschnittlicher Ausbildung nahe, statt Schienen in bestimmten Abständen voneinander Klötzchen anzubringen. Diese sind nichts anderes als eine Vielzahl kurzer Schienen, die sich in der Längsrichtung in bestimmten Abständen folgen. Man kann die ganze Reihe von Klötzchen auch als eine einzige durch Zwischenräume unterbrochene Schiene bezeichnen. Ob diese Zwischenräume einen technischen Fortschritt bedeuten, kann offen bleiben. Bemerkt sei nur, dass der Beklagte einen solchen nicht behauptet, sondern gegenteils vorbringt, die Zwischenräume wiesen im Vergleich zu den Führungsschienen Nachteile auf.
BGE 97 II 85 S. 91
Diese Nachteile, falls sie bestehen, schliessen die Nachahmung der Erfindung der Klägerin nicht aus. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb am Platze, weil das patentierte Erzeugnis der Klägerin nach der Auffassung des Beklagten keine Erfindung oder nur eine solche von geringem Wert ist. Der Beklagte hat vertraglich auf die Anfechtung des Patentes verzichtet und hat es deshalb so zu beachten wie es lautet.
e) Bei der dritten Ausführungsart hat der Beklagte die Klötzchen durch runde Scheiben (Rädchen, Rollen) von etwa 3 cm Durchmesser ersetzt, die beidseits des Randes der Türfüllung paarweise angebracht sind. Sie erfüllen die gleiche Aufgabe wie die Führungsschienen der patentierten Erfindung der Klägerin und wie die Klötzchen der zweiten Ausführungsart des Beklagten. Sie sind allerdings im Gegensatz zu den Schienen und den Klötzchen mit der Türfüllung nicht starr verbunden. Dass sie drehbar und rund sind, ändert jedoch nichts daran, dass der Beklagte auch mit dieser Ausführungsart die technische Lehre des Patentes der Klägerin, die Türfüllung durch ein an ihrem Rande angebrachtes Hindernis waagrecht in der Nut festzuhalten, aber senkrecht verschiebbar zu lassen, verwirklicht hat. Die Abweichung von der patentierten Erfindung ist von untergeordneter Bedeutung. Sie lag für den Durchschnittsfachmann nahe und bringt keine erfinderische neue Lehre. Das Obergericht stellt unwidersprochen fest, dass die Verwendung von Rollen zur Verminderung der Reibung völlig überflüssig ist, weil zwischen Türfüllung und Rahmen keine praktisch ins Gewicht fallende Reibung entsteht, wenn sich die Türfüllung ausdehnt. Der Beklagte verliert denn auch in der Berufungsschrift kein Wort über die Funktion der Rollen und über die Rollen-Variante überhaupt. Mit dieser Variante hat er wie mit seiner zweiten Ausführungsart die Erfindung der Klägerin nachgeahmt. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
82f40ca5-53a8-4da5-8b63-b6aff1a65f99 | Urteilskopf
118 Ia 305
42. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1992 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Gewaltentrennung; persönliche Freiheit;
Art. 4 und
Art. 22ter BV
; "nulla poena sine lege"; abstrakte Normenkontrolle der st. gallischen Waffenverordnung vom 5. Februar 1991.
1. Beschwerdeergänzung im zweiten Schriftenwechsel nach
Art. 93 Abs. 3 OG
(E. 1c).
2. Gewaltentrennungs- und Stimmrechtsbeschwerde (E. 1d).
3. Umfang der Prüfung kantonaler Bestimmungen durch den Verfassungsrichter bei einer abstrakten Normenkontrolle (E. 1f).
4. Bundesrechtliche Anforderungen an die Gesetzesdelegation (E. 2). Die in Art. 2 des st. gallischen Waffengesetzes vom 4. Januar 1972 zugunsten des Regierungsrates vorgesehene Übertragung der Befugnis, den Waffenbesitz und das Waffentragen zu regeln, hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand (E. 3) und bildet eine hinreichende gesetzliche Grundlage, um die persönliche Freiheit, soweit sie durch die angefochtenen Bestimmungen überhaupt berührt wird, einzuschränken (E. 4).
5. Ausnahmen von der Pflicht, einen Waffentragschein zu besitzen (E. 5).
6. Es verstösst nicht an sich gegen die Eigentumsgarantie, verbotene Gegenstände einzuziehen oder durch den Betroffenen vernichten zu lassen, solange der Vollzug im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (E. 6).
7. Die Strafbestimmungen der angefochtenen Waffenverordnung stützen sich auf ein Gesetz im formellen Sinne, welches Strafart und -mass hinreichend konkretisiert (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 306
BGE 118 Ia 305 S. 306
Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat am 5. Februar 1991 gestützt auf das Gesetz vom 4. Januar 1972 über den Handel mit
BGE 118 Ia 305 S. 307
Waffen und Munition, das Waffentragen und den Waffenbesitz (Waffengesetz, sGS 452.1) eine neue Waffenverordnung (sGS 452.15) erlassen.
Diese Regelung untersagt in Art. 5 bestimmten Personen (Jugendlichen unter 18 Jahren, Geisteskranken und -schwachen, Entmündigten usw.) den Besitz von Waffen und Munition; in Art. 6 verbietet sie grundsätzlich den Besitz von Seriefeuerwaffen (Abs. 1 lit. a), Explosivkörpern, wie Handgranaten und Bomben (lit. b), von Spring- und Fallmessern, die einhändig bedient werden können (lit. c), von Elektroschockgeräten (lit. d) und Waffen, die einen Gebrauchsgegenstand vortäuschen (lit. e), von zum Zweck der Verheimlichung konstruierten Schusswaffen (lit. f), Schalldämpfern (lit. g) sowie von Stahlruten und Schlagringen (lit. h).
Das Tragen und Mitführen von Waffen nach Art. 2 des Konkordates vom 13. Januar 1970 über den Handel mit Waffen und Munition (Konkordat; sGS 452.11; SR 514.542), d.h. vor allem von Faustfeuerwaffen und anderen Schusswaffen zu einhändigem Gebrauch, mit denen feste Geschosse, Gase oder andere Reizstoffe verschossen werden, ist bewilligungspflichtig (Art. 9 lit. a); dasselbe gilt für halbautomatische Handfeuer- und Repetierschrotwaffen sowie für Schlagstöcke (Art. 9 lit. b-d). Der Waffentragschein wird Gesuchstellern erteilt, die ein Bedürfnis, namentlich eine besondere Gefährdung von Personen oder Eigentum, glaubhaft machen (Art. 10 Abs. 1 lit. a) und Gewähr für eine sichere Handhabung der Waffe bieten (Art. 10 Abs. 1 lit. b).
Art. 17 der Verordnung bedroht mit Haft oder Busse, wer Waffen besitzt, deren Besitz verboten ist (Art. 6 in Verbindung mit Art. 17 lit. a), Waffen nach Art. 9 der Verordnung ohne Bewilligung trägt (Art. 17 lit. b) oder wer trotz Verbot Waffen oder Munition besitzt (Art. 5 in Verbindung mit Art. 17 lit. c).
Für die Bewilligung, ausnahmsweise eine verbotene Waffe zu besitzen, sieht die Verordnung eine Gebühr im Rahmen von Fr. 50.-- bis 300.-- vor (Art. 18 Ziff. 27.23). Waffen und Munition, deren Besitz verboten ist, sind unter Vorbehalt der Erteilung einer Ausnahmebewilligung innert sechs Monaten seit Vollzugsbeginn der Polizei oder berechtigten Dritten zu übergeben oder aber zu vernichten (Art. 20).
X. erhob am 30. Mai 1991 gegen die neue st. gallische Waffenverordnung staatsrechtliche Beschwerde. Er beantragt, "Art. 9 lit. b, c; Art. 10 lit. a; Art. 17 lit. a-c, Art. 18 Ziff. 27.23 und Art. 20" aufzuheben.
BGE 118 Ia 305 S. 308
Der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung ordnete am 3. September 1991 einen zweiten Schriftenwechsel an, in welchem X. neu auch Art. 6 der Waffenverordnung, insbesondere dessen lit. c, d, f und h, beanstandete. Landammann und Regierungsrat hielten an ihrem Antrag fest, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt,
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
c) Findet wie im vorliegenden Fall in Anwendung von
Art. 93 Abs. 3 OG
ausnahmsweise ein zweiter Schriftenwechsel statt, so ist eine Beschwerdeergänzung nur insoweit zulässig, als die Erwägungen der kantonalen Behörden hierzu Anlass geben. Anträge und Rügen, welche bereits in der Beschwerde selber hätten gestellt bzw. vorgebracht werden können, sind unstatthaft (vgl.
BGE 102 Ia 213
E. 1 mit Hinweis,
BGE 90 I 250
/51; HANS MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl., S. 145, Ziff. 262). Auf die Kritik des Beschwerdeführers an Art. 6 der Waffenverordnung und der damit verbundenen Ergänzung seiner Anträge ist nicht einzutreten; innert der Beschwerdefrist Versäumtes kann nicht im zweiten Schriftenwechsel nachgeholt werden.
d) Der Beschwerdeführer macht geltend, die in Art. 2 des Waffengesetzes vorgesehene Rechtssetzungsdelegation an die Exekutive entspreche einer Blankettnorm und sei unzulässig, weil sie die demokratischen Stimm- und Kontrollrechte des Bürgers illusorisch mache. Soweit sich diese Rüge nicht gegen die Verordnung, sondern gegen das Waffengesetz selber richtet und mit Argumenten begründet wird, die ausschliesslich in einer Stimmrechtsbeschwerde vorzubringen wären, weil sie den einzelnen in seiner Organstellung als Stimmbürger treffen, kann darauf nicht eingetreten werden (
BGE 105 Ia 360
E. 4b; vgl. auch
BGE 113 Ia 389
E. 1b, 395 E. 2b/dd; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 129/130; CARL HANS BRUNSCHWILER, Die Gewaltentrennung und die politischen Rechte, Die Legitimation zur Stimmrechtsbeschwerde, in: Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, Festschrift für Kurt Eichenberger, Basel/Frankfurt am Main 1982, S. 605 ff.); die Frist für die Stimmrechtsbeschwerde gegen das Waffengesetz von 1972 ist längst abgelaufen.
e) Weil die behaupteten Rechtsverletzungen nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen
BGE 118 Ia 305 S. 309
Bundesbehörde gerügt werden können (
Art. 84 Abs. 2 OG
) und hierfür auch kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung steht (
Art. 86 Abs. 2 OG
), ist auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde unter diesen Vorbehalten einzutreten.
f) Das Bundesgericht hebt im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle angefochtene kantonale Bestimmungen nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entziehen (
BGE 116 Ia 380
/81 E. 10c). Erscheint eine generell-abstrakte Regelung unter normalen Verhältnissen, wie sie der Gesetzgeber voraussetzen durfte, als verfassungsrechtlich haltbar, so vermag die ungewisse Möglichkeit, dass sie sich in besonders gelagerten Einzelfällen als verfassungswidrig auswirken könnte, ein Eingreifen des Verfassungsrichters im Stadium der abstrakten Normenkontrolle im allgemeinen noch nicht zu rechtfertigen. Wird in diesem Verfahren das Vorliegen einer Verfassungsverletzung verneint, hindert dies den Bürger nicht, eine Verfassungswidrigkeit bei der Anwendung im Einzelfall erneut geltend zu machen; ein hinreichender verfassungsrechtlicher Schutz bleibt somit gewährleistet (BGE
BGE 114 Ia 354
/55 E. 2).
2.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Gewaltenteilungs- und Legalitätsprinzips geltend. Der Regierungsrat habe in der Waffenverordnung Regelungen getroffen, welche durch das Gesetz nicht gedeckt seien; seine Verordnung ermangle in den kritisierten Punkten der gesetzlichen Grundlage. Die Beeinträchtigung verfassungsmässiger Rechte bedürfe eines Gesetzes, welches die Grundzüge der Regelung enthalte. Die "gewichtigen Einschränkungen der persönlichen Freiheit, der Eigentumsgarantie und der Strafandrohungen bezüglich des Tragens von nicht erwerbsscheinpflichtigen Waffen" sowie des Besitzes von Waffen seien "durch die Delegationsnorm von Art. 2 Waffengesetz nicht abgedeckt" und deshalb verfassungswidrig. Sie verletzten überdies Art. 54 und 65 der Kantonsverfassung vom 16. November 1890 (KV; SR 131.225).
a) Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage ist einerseits Voraussetzung der Beschränkung spezifischer Grundrechte, andererseits schützt der Grundsatz der Gewaltentrennung, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts durch sämtliche Kantonsverfassungen als Individualrecht der Bürger gewährleistet wird (
BGE 105 Ia 359
E. 3d), das Legalitätsprinzip im Zusammenhang mit der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen. Die beiden Aspekte hängen eng zusammen: Grundrechtsbeschränkungen haben auf einer gesetzlichen Grundlage zu beruhen, das heisst sie müssen sich auf eine generell-abstrakte Norm stützen, die ihrerseits materiell und
BGE 118 Ia 305 S. 310
formell verfassungsmässig ist (
BGE 108 Ia 35
E. 3a mit Hinweis; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1988, S. 351, N. 1134). Schwere Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen bedürfen in den wesentlichen Punkten einer klaren, unzweideutigen Grundlage in einem formellen Gesetz (vgl.
BGE 115 Ia 288
E. 7a); je nach Intensität der Beeinträchtigung prüft das Bundesgericht das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage im kantonalen Recht mit unterschiedlicher Kognition (
BGE 116 Ia 185
E. 3c mit Hinweisen; vgl. auch THOMAS COTTIER, Die Verfassung und das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage, Chur/Zürich 1991, S. 45 ff., Kapitel 4.3, JÖRG PAUL MÜLLER, in Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 115-118, JÖRG PAUL MÜLLER, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 105 ff.).
Die Frage der Zulässigkeit der Gesetzesdelegation ist vorweg zu prüfen. Erweist sich die Delegation bereits als verfassungswidrig, so ist die angefochtene Verordnung - zumindest in den kritisierten Punkten - schon wegen der Art ihres Zustandekommens aufzuheben, ohne dass die Verfassungsmässigkeit des Inhaltes noch geprüft werden müsste (
BGE 88 I 33
).
b) Ob und wieweit der kantonale Gesetzgeber oder ein ihm nachgeordnetes Organ seine Zuständigkeit zur Rechtssetzung an ein anderes Organ delegieren darf, ist vorab eine Frage des kantonalen Verfassungsrechts, welches hierzu aber häufig keine ausdrückliche Regelung enthält. Bundesrechtlich ist die Delegation von Rechtssetzungskompetenzen vom kantonalen Gesetzgeber an eine Verwaltungsbehörde zulässig, wenn sie nicht durch das kantonale Recht ausgeschlossen wird, sich auf ein bestimmtes Gebiet beschränkt und das Gesetz die Grundzüge der Regelung selbst enthält, soweit sie die Rechtsstellung der Bürger schwerwiegend berührt. Bei Einschränkungen von Freiheitsrechten ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung in den Anforderungen, denen die Delegation rechtssetzender Befugnisse vom Gesetzgeber an eine andere kantonale Behörde - in der Regel die Exekutive - zu genügen hat, streng (
BGE 104 Ia 340
E. 4b), doch ist die Natur des geregelten Gegenstandes und die Schwere des Eingriffes immer auch mitzuberücksichtigen (vgl.
BGE 103 Ia 381
ff. E. 6). In Abweichung von der Formulierung in jüngeren Entscheiden ist dagegen die Voraussetzung, dass die Delegation in einem Gesetz enthalten sein muss, welches der Volksabstimmung unterliegt (vgl.
BGE 115 Ia 379
E. 3a, 290 E. 7c;
BGE 112 Ia 254
E. 2a, 139 E. 3b), zu präzisieren: Die Übertragung der
BGE 118 Ia 305 S. 311
Rechtssetzungsbefugnis muss lediglich in einem formellen Gesetz vorgesehen sein; ob hierfür ein Gesetzesreferendum nötig ist, bestimmt sich indessen einzig und allein nach der kantonalen Verfassungsordnung (
BGE 118 Ia 247
E. 3b mit Hinweisen).
Das Bundesgericht prüft das Vorliegen dieser Anforderungen mit freier Kognition (
BGE 112 Ia 139
E. 3b).
c) Nach Art. 2 des Waffengesetzes kann der Regierungsrat Vorschriften über das Waffentragen und über den Waffenbesitz erlassen. Diese Regelung unterlag dem fakultativen Referendum, welches nicht ergriffen wurde. Die angefochtenen Bestimmungen der regierungsrätlichen Verordnung beziehen sich nicht als Vollzugsvorschriften zum Konkordat auf den Handel mit Waffen und Munition. Sie stützen sich auch nicht direkt auf kantonales Verfassungsrecht, sondern beruhen auf einer ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlass von gesetzesvertretenden Vorschriften. Die Zulässigkeit dieser Delegation ist zu prüfen. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Eingabe von anderen Voraussetzungen ausgeht (polizeiliche Generalklausel, Art. 54 KV und 65 KV, welche die Gesetzgebungsbefugnisse des Grossen Rates bzw. des Regierungsrates im Bereich des Gesetzesvollzuges regeln), gehen seine Vorbringen am Problem vorbei.
3.
a) Die Verfassung des Kantons St. Gallen regelt die Delegation rechtssetzender Befugnisse, d.h. die Ermächtigung von dem Gesetzgeber nachgeordneten Organen zum Erlass primärer Normen, nicht (BERNHARD NOTTER, Die St. Gallische Rechtssetzung in der Form des Gesetzes und der Verordnung, Diss. Freiburg 1967, S. 86). Die Übertragung von solchen Zuständigkeiten war indessen bereits unter der Verfassung von 1861 üblich, unter der heute geltenden von 1890 wurde diese Praxis noch ausgebaut (BERNHARD NOTTER, a.a.O., S. 82 ff.). In
BGE 88 I 33
ff. hat das Bundesgericht die Zulässigkeit des Erlasses gesetzesvertretender Bestimmungen durch den Regierungsrat im Kanton St. Gallen grundsätzlich bejaht. Aus einer im damaligen Verfahren eingereichten Liste der in verschiedenen Gesetzen vorgesehenen Delegationen ergibt sich, dass auch das Verfassungsverständnis des Grossen Rates eine solche Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen nicht ausschloss. Zwar soll das Legalitätsprinzip heute im Kanton St. Gallen wieder "deutlich strenger" gehandhabt werden (YVO HANGARTNER, Das Gesetz im st. gallischen Staatsrecht, in: ANDREAS AUER/WALTER KÄLIN (Hrsg.), Das Gesetz im Staatsrecht der Kantone, Chur/Zürich 1991, S. 289), doch lässt dies den Schluss noch nicht zu, das kantonale Recht verbiete die Übertragung rechtssetzender Befugnisse. Nach NOTTER ist es mit dem
BGE 118 Ia 305 S. 312
Gesetzesvorbehalt im st. gallischen Recht vereinbar, wenn primäre Rechtssätze durch den dazu ermächtigten Regierungsrat erlassen werden, sofern deren Inhalt und Umfang eindeutig begrenzt ist und sie sich an die im formellen Gesetz enthaltenen Grundlinien einer materiellen Regelung anlehnen, unzulässig sei lediglich eine "leere" Delegationsklausel (S. 88/89); nach HANGARTNER ist die Problematik aufgrund allgemeiner Erwägungen zur Rechtssetzung der Regierung im gewaltenteiligen Staat anzugehen (S. 289). ELMAR FLORIN KOBLER verweist zu einer über den reinen Vollzug hinausgehenden Kompetenzdelegation im Kanton St. Gallen auf die bundesgerichtliche Praxis (ELMAR FLORIN KOBLER, Die Rechtsstellung der st. gallischen Kantonsregierung, Diss. St. Gallen 1971, S. 80 f.).
b) Das Waffengesetz vom 4. Januar 1972 besteht aus drei Artikeln: Art. 1 erklärt, dass der Kanton St. Gallen dem Konkordat vom 13. Januar 1970 über den Handel mit Waffen und Munition beitritt, und ermächtigt den Regierungsrat, die hierzu erforderlichen Vollzugsvorschriften zu erlassen. Nach Art. 2 kann der Regierungsrat zudem - wie bereits ausgeführt - das Waffentragen und den Waffenbesitz regeln; Art. 3 handelt schliesslich vom Inkrafttreten des Gesetzes.
Die in Art. 2 enthaltene Delegationsnorm beschränkt sich auf dem Hintergrund des durch das Gesetz selber hergestellten Bezuges zwischen Konkordat und Verordnung durchaus auf ein bestimmtes Gebiet. Der Regierungsrat wurde nicht einfach zum Erlass von Vorschriften "über Waffen" ermächtigt, sondern lediglich zu einschränkenden Bestimmungen über den "Waffenbesitz" und das "Waffentragen", wobei der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Regelung in Weiterführung der im Konkordat getroffenen Wertungen und der bisherigen Praxis voraussetzte.
c) Das Waffentragen ist vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen (offenbar) am 25. Mai 1934 erstmals geregelt worden (Gesetzessammlung, Neue Folge, Bd. 15, S. 351). Die entsprechende Verordnung verbot, ohne Waffenschein auf dem Gebiet des Kantons Schusswaffen, Gasschusswaffen, Handgranaten, Petarden, Brandraketen, Stichwaffen (Dolche, Stilette, Stellmesser, Stockdegen und dergleichen), Schlagwaffen (Stahlruten, Schlagringe) oder andere gefährliche Waffen und zu Überfällen bestimmtes Werkzeug mit sich zu tragen oder auf andere Weise mitzuführen. Nach Art. 3 und 4 der Verordnung wurde eine Bewilligung, solche Waffen dennoch zu tragen, gutbeleumdeten Gesuchstellern erteilt, die "volle Gewähr" boten, "dass im Gebrauch der Waffe kein Missbrauch getrieben" wurde, und die wegen einer besonderen Gefährdung einer Waffe
BGE 118 Ia 305 S. 313
bedurften. In der Botschaft vom 24. April 1945 an den Grossen Rat zum Beitritt zum Konkordat vom 20. Juli 1944 über den Handel mit Waffen und Munition führte der Regierungsrat aus, der Kanton St. Gallen werde die Verordnung über das Waffentragen vom 25. Mai 1934 im wesentlichen beibehalten und die Konkordatsbestimmungen in diese aufnehmen (Amtsblatt 1945, S. 361). Die Verordnung vom 12. Dezember 1947 über den Handel mit Waffen und Munition (nGS 11-17) sah in der Folge wiederum eine Bewilligungspflicht zum Tragen und Mitführen bestimmter Waffen und anderer "zu Überfällen" geeigneten Gegenständen vor (Art. 8). Der Waffenschein durfte gutbeleumdeten Personen erteilt werden, hiervon generell ausgenommen waren Gesuchsteller, denen kein Waffenerwerbsschein abgegeben werden konnte (Art. 10). Obwohl ein Bedürfnisnachweis nicht ausdrücklich vorgesehen war, wurde er in der Praxis weiterhin verlangt (vgl. GVP/SG 1984 Nr. 72 S. 173). Art. 12 verbot unter Vorbehalt einer Ausnahmebewilligung den privaten Besitz von Maschinenpistolen, Maschinengewehren, Explosivkörpern, wie Handgranaten und Bomben, sowie von Waffen, die einen Gebrauchsgegenstand vortäuschten. In der Botschaft vom 16. März 1971 zum Gesetz über den Handel mit Waffen und Munition, das Waffentragen und den Waffenbesitz wies der Regierungsrat auf seine Waffenverordnung von 1947 hin und fasste, soweit sie mehr als Ausführungsbestimmungen zum Konkordat enthielt, kurz ihren Inhalt zusammen, bevor er erklärte, es gehe mit Art. 2 des Waffengesetzes darum, "hiefür" eine einwandfreie gesetzliche Grundlage gemäss Art. 54 der Kantonsverfassung zu schaffen (Amtsblatt 1971, S. 489). In den Verhandlungen des Grossen Rates wies der Präsident der vorberatenden Kommission darauf hin, dass sich das Konkordat von 1944 "wie auch die Waffenverordnung (...) im grossen und ganzen bewährt" hätten (ProtGR 1968/72, 1410).
d) Nach Art. 2 des Konkordates von 1970 dürfen Faustfeuerwaffen und andere Schusswaffen zu einhändigem Gebrauch, mit denen feste Geschosse, Gase oder andere Reizstoffe verschossen werden, nur gegen vorherige Abgabe eines vom Käufer eigenhändig unterzeichneten Waffenerwerbsscheines gewerbsmässig verkauft werden (Abs. 1). Als Waffen gelten auch einhändig zu bedienende Geräte, welche durch Verschiessen, zielgerichtetes Versprühen oder Zerstäuben von Reizstoffen jeder Art die menschliche Widerstandskraft oder Gesundheit beeinträchtigen und zur Benützung als Waffe oder zum Selbstschutz angeboten werden (Abs. 2). Art. 5 des Konkordates nennt verschiedene vom Waffenerwerbsschein ausgeschlossene
BGE 118 Ia 305 S. 314
Personenkategorien; Art. 8 verbietet den An- und Verkauf von Maschinenpistolen und -gewehren, von Schusswaffen, die einen Gebrauchsgegenstand vortäuschen, sowie von Spring- und Fallmessern, die einhändig bedient werden können.
Die Bestimmungen in der Waffenverordnung über den Waffenbesitz und das Waffentragen knüpfen an diese Regelung an: Art. 5 Abs. 1 verbietet grundsätzlich Personen den Waffenbesitz, denen nach Art. 5 des Konkordates kein Waffenerwerbsschein abgegeben werden darf. Art. 6, der von den verbotenen Waffen handelt, deckt sich teilweise mit Art. 8 des Konkordates; in lit. b verbietet er aber überdies den Besitz von Explosivkörpern wie Handgranaten und Bomben, d.h. von Gegenständen, die unter das eidgenössische Sprengstoffgesetz fallen (Bundesgesetz vom 25. März 1977 über explosionsgefährliche Stoffe, SR 941.41). Nach Art. 9 der Waffenverordnung bedürfen schliesslich in erster Linie das Tragen und Mitführen von Waffen nach Art. 2 des Konkordates eines Waffentragscheines.
e) Die Delegation der Rechtssetzungsbefugnis über den Waffenbesitz und das Waffentragen bezog sich damit auf ein beschränktes Gebiet; die Grundzüge der dem Regierungsrat eingeräumten Regelungskompetenz waren insofern bekannt, als die neue Waffenverordnung sich an das Konkordat anlehnen und die bisherige, bereits bekannte Normierung in diesem Bereich weiterführen sollte. Das Parlament war aufgrund der Erklärungen in der Botschaft vom 16. März 1971 hierüber im Bild; dem Stimmbürger war es ohne weiteres möglich, sich zu informieren. Wer mit der bei Erlass des Waffengesetzes geltenden Verordnungsregelung und der Möglichkeit gewisser Anpassungen an die Entwicklung der Verhältnisse, welche durch die Delegation an die Exekutive erleichtert werden sollten (vgl.
BGE 103 Ia 381
ff. E. 6), nicht einverstanden war, durfte der Delegationsnorm im Waffengesetz nicht zustimmen und hätte gegen das Gesetz das fakultative Referendum ergreifen müssen.
4.
Der Beschwerdeführer rügt - wenn auch kaum hinreichend begründet (vgl.
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
) -, die Regelung über das Waffentragen und den Waffenbesitz stelle, soweit sie nicht nur der Kontrolle diene, dass Personen, denen kein Waffenerwerbsschein abgegeben werden dürfe, auch keine Waffen trügen, eine schwere Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit dar. Der Eingriff müsse deshalb in einem formellen Gesetz vorgesehen sein.
a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schützt das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit nicht nur
BGE 118 Ia 305 S. 315
die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen. Nicht jeder beliebige Eingriff in den persönlichen Bereich des Bürgers rechtfertigt indessen die Berufung auf dieses Grundrecht. Die persönliche Freiheit hat nicht die Funktion einer allgemeinen Handlungsfreiheit; sie schützt nicht vor jeglichem physischen oder psychischen Missbehagen. Ihr Schutzbereich ist im Einzelfall angesichts von Art und Intensität der Beeinträchtigung zu bestimmen (
BGE 117 Ia 30
E. 5a).
b) In
BGE 103 Ia 171
E. 2 hat das Bundesgericht bezweifelt, dass das Verbot, Waffen auf öffentlichem Grund zu tragen, die persönliche Freiheit berühre. Das Waffentragen könne kaum als "elementare Erscheinung der Persönlichkeitsentfaltung" bezeichnet werden. Die Voraussetzung, eine Bewilligung erwerben zu müssen, um auf öffentlichem Grund und Boden eine Waffe tragen zu können, stelle die körperliche Integrität des einzelnen als solche nicht in Frage. Nach
BGE 114 Ia 290
E. 6b fällt die Unterstellung des Handels mit halbautomatischen Gewehren unter die Bewilligungspflicht nicht in den Anwendungsbereich der persönlichen Freiheit.
Die angefochtene Waffenverordnung des Kantons St. Gallen schliesst den Besitz und das Tragen von Waffen auf öffentlichem Grund und Boden nicht absolut aus. Für den Besitz an sich verbotener Waffen wie Seriefeuerwaffen, Handgranaten, Bomben usw. kann das Justiz- und Polizeidepartement Ausnahmebewilligungen erteilen; das Tragen einer Waffe im Sinne von Art. 9 der Verordnung ist dagegen lediglich - wie bisher - einer Bewilligungspflicht unterworfen. Sowohl der Besitz wie das Tragen von Waffen zum Schutz der eigenen Person - nur dieser Aspekt berührt die persönliche Freiheit - sind weiterhin möglich. Verbote und Beschränkungen auf dem Gebiet des Waffenhandels, -besitzes und -tragens sollen die Sicherheit für den einzelnen allgemein gerade erhöhen (vgl. WALTER RUDOLF HÄBERLING, Waffenhandel, Erwerb, Besitz und Tragen von Waffen aus der Sicht des Nebenstrafrechts, Diss. ZH 1990, S. 1 f.; HANS WERNER BERCHTOLD, Die Einschränkung des Waffenhandels im Dienste der Verbrechensverhütung, Diss. ZH 1945, S. 23 ff.); dass sie nicht (vollständig) durchgesetzt werden können, lässt den Besitz und das Tragen von Waffen nicht grundsätzlich und unabhängig von der konkreten Regelung unter den Schutz der persönlichen Freiheit fallen.
c) Selbst wenn die angefochtenen Bestimmungen aber die persönliche Freiheit tangieren sollten, könnte von schweren Eingriffen, welche eine Grundlage in einem formellen Gesetz erfordern würden, nicht die Rede sein.
BGE 118 Ia 305 S. 316
Nach Art. 9 der Waffenverordnung ist, über die in Art. 2 des Konkordates genannten Waffen hinaus, ein Waffentragschein für halbautomatische Handfeuerwaffen und Repetierschrotwaffen erforderlich, was der Beschwerdeführer beanstandet. Welche Waffen im Interesse der allgemeinen Sicherheit einer Tragbewilligung bedürfen, ist vorweg eine technische - nicht ein für allemal zu entscheidende - Frage, die der Gesetzgeber zur fortlaufenden Anpassung an den Regierungsrat delegieren durfte. Dass halbautomatische Handfeuerwaffen oder Repetierschrotwaffen weniger gefährlich wären als die in Art. 2 des Konkordates aufgezählten Gegenstände, weshalb an einer präventiven Kontrolle ihrer Träger kein öffentliches Interesse bestünde oder eine solche unverhältnismässig erschiene, tut der Beschwerdeführer nicht dar. Soweit er geltend macht, der Gesetzgeber habe das Tragen von halbautomatischen Handfeuerwaffen, welche "unbedenklich verkäuflich" seien, nicht verbieten wollen, weshalb auch der Regierungsrat dies nicht tun dürfe, übersieht er, dass zwischen dem Erlass des Gesetzes und der Verordnung rund 20 Jahre liegen und der Regelungsbedarf sich in einer derart langen Zeitdauer durchaus ändern kann. Der Gesetzgeber wollte dem Regierungsrat gerade in diesem Bereich einen gewissen Ermessensspielraum einräumen, was sich aus der parlamentarischen Diskussion um die Bewilligungspflicht für langläufige Waffen ergibt (Prot GR 1968/72, 1411); zu berücksichtigen ist schliesslich, dass Art. 8 der Waffenverordnung von 1947 weiter ging und schlechthin "andere zu Überfällen geeignete Gegenstände" der Bewilligungspflicht unterstellte.
Der Beschwerdeführer wendet sich auch vergeblich gegen Art. 10 Abs. 1 lit. a der Waffenverordnung, wonach der Waffentragschein nur erteilt wird, wenn der Gesuchsteller ein Bedürfnis, namentlich eine besondere Gefährdung von Personen oder Eigentum, glaubhaft machen kann. Zwar verschärft die neue Waffenverordnung in diesem Punkt die Regelung von 1947, doch verlangte die Praxis bereits bisher einen Bedürfnisnachweis, was sie mit "Sinn und Zweck der Bewilligungspflicht für das Waffentragen und daraus, dass eine zusätzliche Bewilligung hiezu erforderlich ist", begründete (GVP/SG 1984 Nr. 72 S. 173). Nachdem der Gesetzgeber mit Art. 2 des Waffengesetzes die bestehende - unter Umständen aber zu ergänzende - Waffenverordnung in einem formellen Gesetz abstützen wollte, lag es nahe, diesen Bedürfnisnachweis, welcher bereits in der Verordnung über das Waffentragen von 1934 enthalten war, wieder ausdrücklich in die neue Regelung aufzunehmen. Die Voraussetzung,
BGE 118 Ia 305 S. 317
dass ein Waffentragschein nur erteilt wird, wenn ein Bedürfnis glaubhaft gemacht ist, dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit (vgl.
BGE 103 Ia 173
E. 4); das private Interesse, die entsprechende Bewilligung zu erhalten, ist gegen dieses Interesse im Einzelfall abzuwägen (vgl.
BGE 103 Ia 175
E. 4b; vgl. E. 1f).
5.
a) Nach Art. 13 der Waffenverordnung unterliegen Personen der Waffentragscheinpflicht nicht, die eine Waffe ungeladen und mit leerem Magazin zur Teilnahme an einer militärischen oder einer privaten Schiessübung auf einer bewilligten Schiessanlage mitführen (Abs. 1 lit. b) oder eine Waffe dem Büchsenmacher bringen oder dort abholen (Abs. 1 lit. c). Der Beschwerdeführer rügt in diesem Punkt eine Verletzung des in
Art. 4 BV
enthaltenen Gleichbehandlungsgebotes; dieses verlange, "dass das Tragen von ungeladenen und gesicherten Waffen generell von der Pflicht, einen Tragschein zu haben, ausgenommen" werde. Die Regelung in Art. 13 Abs. 1 lit. b und c der Waffenverordnung stelle auf das räumliche Ankunftsziel statt auf das Gefährdungspotential ab; es erscheine aber sinnlos, "das Tragen von ungefährlichen Waffen von einer Notlage des Waffenträgers abhängig zu machen".
b) Die Pflicht, einen Waffentragschein zu besitzen, dient der Kontrolle des Tragens bestimmter Waffen in der Öffentlichkeit. Wenn der Regierungsrat aus Gründen der Praktikabilität und einer wirksamen - präventiven - Kontrolle auf die Waffentragscheinpflicht nur in wenigen begrenzten Fällen und nicht bei allen ungeladen oder gesichert in der Öffentlichkeit getragenen Waffen verzichtet hat, ist dies nicht zu beanstanden. Es erscheint durchaus sinnvoll, dass in der Öffentlichkeit - abgesehen von den in der Verordnung genannten Ausnahmen - grundsätzlich eine Waffe nur tragen soll, wer die allgemeinen Voraussetzungen hierzu erfüllt. Die vom Regierungsrat getroffene Regelung ist demnach weder sinn- oder zwecklos, noch trifft sie rechtliche Unterscheidungen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich wäre (vgl.
BGE 117 Ia 101
E. 3a,
BGE 116 Ia 116
E. 2c).
6.
a) Soweit Art. 20 der Waffenverordnung vorsieht, dass Waffen und Munition, deren Besitz verboten ist, innert sechs Monaten seit Vollzugsbeginn der Polizei oder berechtigten Dritten zu übergeben oder zu vernichten sind, macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Eigentumsgarantie (
Art. 22ter BV
) geltend. Die Beschlagnahmung rechtmässig erworbener Waffen stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar, weil die Betroffenen gezwungen würden, ihr Eigentum aufzugeben. Art. 20 der
BGE 118 Ia 305 S. 318
Waffenverordnung verletze zudem die Bestandesgarantie, da er keine Enteignungsentschädigung vorsehe.
b) Wird der Besitz bestimmter Gegenstände (zu Recht) verboten, muss zwangsläufig geregelt werden, was mit den vorhandenen Sachen geschehen soll, deren Besitz gegen das Verbot verstösst. Die Kompetenz zum Erlass einschränkender Vorschriften über den Waffenbesitz umfasst dabei auch die Befugnis, die Beseitigung bereits vorhandener unerlaubter Waffen zu verlangen bzw. entsprechende Übergangsregelungen zu treffen. Es verstösst nicht an sich gegen die Eigentumsgarantie, verbotene Gegenstände einzuziehen oder durch den Betroffenen vernichten zu lassen, solange der Vollzug im Einzelfall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Die in Art. 20 der Waffenverordnung getroffene Regelung lässt eine solche verfassungsmässige Handhabung aber durchaus zu: Art. 20 behält ausdrücklich die Erteilung einer Bewilligung nach Art. 7 vor, wonach das Justiz- und Polizeidepartement Ausnahmen vom Verbot des Waffenbesitzes gestatten kann, zudem verbietet er den Verkauf der Waffen an einen berechtigten Dritten, etwa einen Sammler, nicht. Ob, falls die umstrittene Waffe tatsächlich eingezogen wird, die Beschlagnahme eine Entschädigungspflicht auslöst, ist im Einzelfall zu entscheiden. Art. 20 der Waffenverordnung schliesst eine solche zumindest nicht aus, weshalb er auch insofern im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle nicht zu beanstanden ist (vgl. E. 1f.).
7.
Nach Art. 17 der Waffenverordnung wird unter anderem mit Haft oder Busse bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig ohne Bewilligung Waffen nach Art. 6 besitzt (lit. a), solche nach Art. 9 ohne Bewilligung trägt (lit. b) oder aber Waffen und Munition trotz Verbot besitzt (lit. c). Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Grundsatzes "nulla poena sine lege". Als schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit bedürften Strafen einer formellgesetzlichen Grundlage, welche Strafart, strafbare Sachverhalte und im Falle der Busse ihr Höchstmass festlege.
a) Der Grundsatz "nulla poena sine lege" folgt aus
Art. 4 BV
und ist dann verletzt, wenn ein Bürger wegen einer Handlung, die im Gesetz überhaupt nicht als strafbar bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt wird, oder wenn eine Handlung, wegen der ein Bürger strafrechtlich verfolgt wird, zwar im Gesetz mit Strafe bedroht ist, dieses Gesetz selber aber nicht als rechtsbeständig angesehen werden kann, oder endlich, wenn der Richter eine Handlung unter ein Strafgesetz subsumiert, die darunter auch bei weitestgehender Auslegung nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nicht subsumiert werden
BGE 118 Ia 305 S. 319
kann. Der Bundesgesetzgeber hat dieses Prinzip in
Art. 1 StGB
übernommen; weil im vorliegenden Fall indessen kantonales und nicht eidgenössisches Strafrecht zur Diskussion steht, kann sich der Beschwerdeführer im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde darauf berufen (
BGE 112 Ia 112
E. 3a).
Jede Strafe, welche einen Freiheitsentzug mit sich bringt, bedarf als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit einer klaren Grundlage in einem formellen Gesetz. Für andere Strafen genügt nach der Rechtsprechung dagegen eine Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und Gesetz hält (
BGE 112 Ia 112
E. 3b mit Hinweisen; vgl. auch RENÉ A. RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel/Frankfurt am Main 1990, S. 22 Nr. 8 B.II.c., S. 190 Nr. 59 B.II.g., S. 201 Nr. 63 B.VI.b.).
b) Art. 3 des Übertretungsstrafgesetzes vom 13. Dezember 1984 des Kantons St. Gallen (UeStG; sGS 921.1) ermächtigt den Regierungsrat ausdrücklich, für Widerhandlungen gegen seine Verordnungen und Allgemeinverfügungen Übertretungsstrafen anzudrohen. Weshalb dies im Zusammenhang mit der Waffenverordnung nicht gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer wendet unter Verweis auf die Botschaft vom 30. November 1982 zu Art. 35 des Übertretungsstrafgesetzes (Leichtfertiger Verkauf und Gebrauch von Schusswaffen; Amtsblatt 1983, S. 54 f.) zwar ein, diese Kompetenz beschränke sich nur auf Vollzugsverordnungen. Aus der von ihm zitierten Stelle lässt sich dies indessen nicht ableiten. Der Regierungsrat erklärt dort, dass das Konkordat und die Waffenverordnung "jede Übertretung ihrer Vorschriften bereits unter Strafe" stelle; erst dann folgt der Hinweis, dass von einer genaueren Umschreibung des strafbaren Verhaltens "im Hinblick auf das in Vorbereitung stehende Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition" abgesehen werden könne.
Als unbegründet erweist sich schliesslich die Kritik, es fehle eine gesetzliche Grundlage, welche die Strafart und im Falle der Busse deren Höchstmass festlege. Art. 1 UeStG verweist, soweit die kantonale Gesetzgebung nichts anderes vorsieht, auf die allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches und damit auf die in
Art. 101-109 StGB
getroffene Regelung.
Art. 101 StGB
bezeichnet als Übertretungen die mit Haft oder Busse oder mit Busse allein bedrohten Handlungen,
Art. 106 StGB
legt seinerseits den Bussenhöchstbetrag fest. Völlig ins Leere stösst das Argument, Art. 17 der Waffenverordnung enthalte keine Möglichkeit, in leichten Fällen von Strafe abzusehen; Art. 2 UeStG sieht dies ausdrücklich vor. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
82f694bf-ec58-4296-b137-9a205f8ac309 | Urteilskopf
93 I 247
31. Urteil vom 3. Mai 1967 i.S. Fischer gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Zuweisung eines unüberbauten Grundstücks zu einer der Trennung von Gemeinden dienenden Freihaltezone (Bauverbotszone). Erfordernis des öffentlichen Interesses.
Gewichtiges öffentliches Interesse an einem breiten Trenngürtel am Stadtrand von Zürich (Erw. 3 a). Bedeutung des Umstands, dass die Stadt Zürich beabsichtigt, in dem dazu bestimmten Gebiet einen Friedhof mit den dazu gehörigen Hochbauten anzulegen (Erw. 3 b, c). | Sachverhalt
ab Seite 247
BGE 93 I 247 S. 247
A.-
Das zürch. Baugesetz für Ortschaften mit städtischen Verhältnissen vom 23. April 1893 (BG) bestimmt in § 68 b in der Fassung vom 24. Mai 1959:
"In den Bauordnungen der Gemeinden dürfen im wesentlichen noch unüberbaute Gebiete mit einem dauernden Bauverbot belegt werden:
a) zur Wahrung schützenswerter Orts- und Landschaftsbilder und zur Freihaltung von Aussichtslagen;
b) zur Gliederung grösserer zusammenhängender Siedlungsgebiete, insbesondere zur Trennung von Wohn- und Industriegebieten sowie von Quartieren und Gemeinden;
c) zur Erhaltung von Freiflächen in Wohngebieten."
BGE 93 I 247 S. 248
Am 12. Juni 1963 erliess der Gemeinderat der Stadt Zürich eine neue Bauordnung (BO) mit Zonenplan. Darnach wird das gesamte Gemeindegebiet in 9 Bauzonen und die Freihaltezone eingeteilt. Über die letztere enthält die BO folgende Vorschriften:
"Art. 50. Die Freihaltezone umfasst die Flächen, die zum Schutze des Orts- und Landschaftsbildes sowie von Aussichtslagen, zur Gliederung grösserer zusammenhängender Siedlungsgebiete oder zur Erhaltung von Freiflächen in Wohngebieten der allgemeinen Bebauung entzogen sind.
Art. 52. Gebäude dürfen oberirdisch nur erstellt, erweitert oder umgebaut werden, soweit sie der Bewirtschaftung oder Bewerbung der Freiflächen dienen und dem Zonenzweck nicht widersprechen. Diese Gebäude unterliegen den Vorschriften der Wohnzone E.
Art. 51. Änderungen in der Bewirtschaftung oder Gestaltung der Grundstücke müssen mit dem Zonenzweck vereinbar sein."
Der Freihaltezone wurde u.a. das ganze noch unüberbaute Gebiet zugewiesen, das sich beidseits der nach Pfaffhausen (Gemeinde Fällanden) führenden Witikonerstrasse von den letzten Häusern von Witikon bis zur Gemeindegrenze erstreckt. Zusammen mit den nördlich und südlich an dieses Gebiet angrenzenden Wäldern entsteht dadurch ein Trenngürtel von mindestens 1 km Breite am Rande der Stadtgemeinde Zürich.
B.-
Gegen die Zuweisung dieses Gebiets zur Freihaltezone rekurrierten mehrere Grundeigentümer, darunter auch der heutige Beschwerdeführer W. Fischer mit dem Antrag, seine Parzelle Nr. 697 der Wohnzone D zuzuteilen. Diese Parzelle hält 5880 m2, ist 40-45 m breit und 130 m lang und grenzt mit der südlichen Längsseite unmittelbar an die Witikonerstrasse, während die westliche Schmalseite mit der Grenze zwischen der Freihaltezone und der Wohnzone D zusammenfällt.
Der Bezirksrat Zürich und der Regierungsrat des Kantons Zürich wiesen die Rekurse ab. In den Erwägungen des am 8. Dezember 1966 ergangenen regierungsrätlichen Entscheids wird in bezug auf den heutigen Beschwerdeführer ausgeführt: Es sei ein altes Postulat der Orts- und Regionalplanung, dass zwischen einer Grosstadt und ihren Vororten für dauernd grüne Trenngürtel freizuhalten seien. Die gesetzliche Grundlage hiefür sei in Zürich erst durch den dem BG im Jahre 1959 beigefügten § 68 b geschaffen worden. Die Festsetzung der Grenze
BGE 93 I 247 S. 249
der städtischen Bebauung und damit der Freihaltezone auf der Seite Witikons sei weitgehend eine Frage des planerischen Ermessens und hier nicht zu beanstanden. Die streitige Freihaltezone habe ihre gesetzliche Grundlage vor allem in lit. b von § 68 b BG; daneben könne sie sich auch auf lit. c dieser Bestimmung stützen, da die Anhöhen um Zürich, zu denen das fragliche Gebiet gehöre, ausnahmslos ein beliebtes Wander- und Spaziergebiet der Stadtbevölkerung seien.
C.-
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt W. Fischer den Antrag, der Beschluss des Regierungsrates vom 8. Dezember 1966 sei aufzuheben, soweit er das Grundstück Nr. 697 betrifft. Er macht Verletzung der Eigentumsgarantie und der Rechtsgleichheit (Willkür und Verweigerung des rechtlichen Gehörs) geltend und bringt zur Begründung dieser Rügen im wesentlichen vor:
a) Der angefochtene Entscheid stütze sich in erster Linie auf§ 68 b lit. b BG. Indes fehle es an einem öffentlichen Interesse am Einbezug der Parzelle Nr. 697 in den Trenngürtel. Dieser weise eine Breite von mehr als 1 km auf, weshalb die Entlassung der Parzelle aus der Freihaltezone und ihre Zuteilung zur Bauzone für den Zweck des Trenngürtels ohne jede Bedeutung sei. Dieser Zweck werde in jeder Beziehung erfüllt, wenn die Freihaltezone erst an der Ostgrenze der Parzelle Nr. 697 beginne. Dass es nicht notwendig sei, das fragliche Gebiet von jeder Bebauung freizuhalten, ergebe sich auch daraus, dass die Stadt Zürich dort einen grossen Friedhof mit mehreren Hochbauten anlegen wolle, bereits am 20. Dezember 1963 um das Enteignungsrecht hiefür nachgesucht und dieses in der Folge vom Regierungsrat auch erhalten habe. Darin, dass die Stadt Zürich auf der Parzelle Nr. 697 Friedhofgebäude errichten dürfe, der Beschwerdeführer dagegen keine Wohnhäuser, liege eine Rechtsungleichheit. Indem der Regierungsrat hierüber kurzerhand hinweggegangen sei, habe er dem Beschwerdeführer überdies das rechtliche Gehör verweigert.
b) Der Regierungsrat stütze die Zuweisung der Parzelle Nr. 697 zur Freihaltezone auch auf § 68 b lit. c BG. Indessen seien die in dieser Bestimmung umschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt und fehle es auch in dieser Beziehung am erforderlichen öffentlichen Interesse (wird näher ausgeführt).
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Zürich und der Stadtrat von Zürich beantragen Abweisung der Beschwerde.
BGE 93 I 247 S. 250
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung der Eigentumsgarantie und des
Art. 4 BV
sind erst zulässig, nachdem der kantonale Instanzenzug erschöpft worden ist (
Art. 86 Abs. 2 und
Art. 87 OG
). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da Entscheide des Regierungsrates über Zonenpläne, wie unbestritten ist und das Bundesgericht bereits in den nicht veröffentlichten Urteilen vom 2. Dezember 1964 i.S. Weidmann (Erw. 3) und vom 8. März 1967 i.S. Gemeinde Volketswil (Erw. 1) festgestellt hat, der allein in Betracht fallenden Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich nicht unterliegen.
2.
Die Einbeziehung eines Grundstücks in eine Freihaltezone stellt einen besonders schweren Eingriff in das Privateigentum dar. Ein solcher Eingriff ist mit der vom Beschwerdeführer angerufenen Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn er auf einer klaren gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und, sofern er in der Wirkung einer Enteignung gleichkommt, gegen Entschädigung erfolgt (
BGE 91 I 333
mit Hinweisen auf frühere Urteile).
Die Entschädigungsfrage wird mit der vorliegenden Beschwerde mit Recht nicht aufgeworfen, da erhobene, aber vom Gemeinwesen bestrittene Entschädigungsansprüche wegen materieller Enteignung gemäss § 183 ter zürch. EG/ZGB in dem in den §§ 32 ff. des Abtretungsgesetzes vorgesehenen Verfahren zu beurteilen sind und die Eigentumsgarantie, solange dieser Rechtsweg offen steht, nicht verletzt ist (
BGE 91 I 337
/8 und dort angeführte frühere Urteile). Ebenfalls mit Recht wird das Vorliegen einer klaren gesetzlichen Grundlage nicht bestritten, denn die streitige Freihaltezone dient im Gebiet der Liegenschaft des Beschwerdeführers in erster Linie der Trennung der Stadt Zürich von der Nachbargemeinde Fällanden und fällt daher unter § 68 b lit. b BG. Die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie bezieht sich, was die Anwendung dieser Bestimmung betrifft, lediglich auf das öffentliche Interesse.
3.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vermag nicht jedes beliebige öffentliche Interesse einen Eingriff in das Privateigentum zu rechtfertigen. Es muss sich um ein erhebliches Interesse handeln, welches das entgegenstehende private Interesse überwiegt, und es darf der Eingriff in das Privateigentum
BGE 93 I 247 S. 251
nicht weiter gehen, als es dieses öffentliche Interesse erheischt (
BGE 91 I 335
Erw. 2). Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, prüft das Bundesgericht nur dann frei, wenn dabei in erster Linie rechtliche Überlegungen anzustellen sind; stehen dagegen tatsächliche Verhältnisse im Vordergrund, so überprüft es den angefochtenen Entscheid nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (
BGE 91 I 335
Erw. 2,
BGE 92 I 282
Erw. 3).
a) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Schaffung eines Trenngürtels zwischen der Stadt Zürich und den angrenzenden Gemeinden besteht. Er glaubt jedoch, der Zweck dieses Trenngürtels werde auch dann erreicht, wenn seine Parzelle Nr. 697 für die Überbauung freigegeben werde. Wie es sich damit verhält, ist eine ausgesprochene Tat- und Ermessensfrage, die das Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtspunkt der Willkür überprüfen kann.
Wenn die Parzelle des Beschwerdeführers, die auf eine Länge von ca. 130 m an die Witikonerstrasse stösst, in die Freihaltezone einbezogen wird, erhält diese von den letzten Häusern der Strasse bis zur Stadtgrenze eine Tiefe von etwas über 1 km. Ein so breiter Trenngürtel kann nicht als übersetzt bezeichnet werden für eine Stadt mit einer Ausdehnung und Bevölkerungszahl, wie sie Zürich heute aufweist. Die Grenze der Freihaltezone an die Westseite der Parzelle Nr. 697 zu verlegen, lag auch wegen der topographischen Verhältnisse nahe, da sie dann mit der Verbindungslinie zweier von beiden Seiten gegen die Strasse vorspringender Waldungen zusammenfällt. Wenn die Stadt Zürich bei dieser Sachlage die Freihaltezone schon am ersten heute noch unüberbauten Grundstück an der Witikonerstrasse beginnen lassen will, so hält sich dieser Entscheid mindestens unter dem Gesichtspunkt der Willkür im Rahmen einer pflichtgemässen Abwägung von öffentlichen und privaten Interessen, denn das städtebauliche und sozialhygienische Interesse an einem breiten Trenngürtel am Stadtrand von Zürich ist als sehr erheblich zu betrachten.
b) Nun beabsichtigt die Stadt Zürich freilich, auf der Parzelle Nr. 697 und auf dem angrenzenden Lande einen Friedhof mit gewissen Gebäuden anzulegen. Unter diesen Umständen kann man sich fragen, ob das dem Beschwerdeführer auferlegte Bauverbot noch der Trennung von Gemeinden im Sinne von
BGE 93 I 247 S. 252
§ 68 b lit. b BG dient und nicht einem Zweck, der nicht mehr unter diese Bestimmung fällt. In
BGE 92 I 283
Erw. 3 b ist die Zuweisung von Land zu einer Grünzone mit dem Zweck, es für spätere Bauten der Gemeinde freizuhalten, mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässig erklärt worden, da das Gesetz wohl eine Grünzone, aber keine Zone für öffentliche Bauten vorsah. Etwas derartiges liegt hier indes nicht vor. Der Beschwerdeführer macht denn auch nicht geltend, dass die Stadt Zürich unter dem Vorwand der Freihaltezone eine Zone für öffentliche Bauten schaffen wolle. Vielmehr erblickt er darin, dass auf seinem Grundstück und dem benachbarten Land ein Friedhof mit gewissen Bauten erstellt werden soll, einen Beweis dafür, dass die Einbeziehung dieses Gebietes in die Freihaltezone nicht notwendig und durch das öffentliche Interesse nicht geboten sei. Dieser Einwand wäre begründet, wenn die Anlage des Friedhofs mit dem Zonenzweck unvereinbar wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Mit der Freihaltezone zur Trennung von Gemeinden soll verhindert werden, dass die Baugebiete benachbarter Gemeinden zusammenwachsen und dadurch ein ineinanderfliessendes Häusermeer entsteht. Dieser Zweck erfordert nicht, dass die dafür bestimmten Freiflächen im bisherigen Zustand verbleiben oder gar landwirtschaftlich genutzt werden. Der Trennung der Baugebiete dienen die Freiflächen auch dann, wenn darauf private oder öffentliche Parkanlagen, Spiel-, Sport- oder Campingplätze, Friedhöfe usw. erstellt werden (vgl. MEIER-HAYOZ/ROSENSTOCK, Zum Problem der Grünzone S. 13 und 90/91). Der Zweck der Trenngürtel verlangt auch nicht, dass sie völlig unüberbaut bleiben. Schon § 68 b BG rechnet mit gewissen Bauten in der Freihaltezone, denn danach müssen die zu einer solchen erklärten Gebiete nicht völlig, sondern nur "im wesentlichen" unüberbaut sein. Dass dort auch gewisse neue Bauten erstellt werden dürfen, ergibt sich aus Art. 51 BO, wonach Gebäude oberirdisch nur erstellt, erweitert oder umgebaut werden dürfen, soweit sie "der Bewirtschaftung oder Bewerbung der Freiflächen dienen und dem Zonenzweck nicht widersprechen". Diese Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut zwar auf landwirtschaftliche Gebäude zugeschnitten, lässt sich aber zwanglos und jedenfalls ohne Willkür auch auf andere Bauten anwenden wie z.B. auf Materialdepots und Umkleideräume von Sportplätzen (HINTERMANN, Die Freihaltezone, Diss. Zürich 1963 S. 105). Der Regierungsrat führt denn auch
BGE 93 I 247 S. 253
im angefochtenen Entscheid in bezug auf das einem andern Rekurrenten gehörende Land aus, die allfällige Absicht der Stadt, dort Spielplätze mit bescheidenen Hochbauten, die ausschliesslich den Bedürfnissen der aktiv Sport Treibenden dienten, einzurichten, stehe dem Einbezug dieses Landes in die Freihaltezone nicht entgegen. Entsprechendes muss für Friedhöfe und die üblicherweise dazu gehörenden Bauten (Leichenhalle, Kapelle, Gewächshäuser usw.) gelten.
Wie sich aus den Akten ergibt, wurde schon der bisherige, unweit vom Grundstück des Beschwerdeführers gelegene Friedhof von Witikon der Freihaltezone zugeteilt. Ob seine Erweiterung bis zur Witikonerstrasse bereits bei der Schaffung der Freihaltezone durch den Gemeindebeschluss vom 12. Juni 1963 ins Auge gefasst wurde (das erste Projekt datiert vom 29. Oktober 1963), ist nicht ersichtlich, kann aber dahingestellt bleiben, da ein Friedhof mit dem Hauptzweck der Freihaltezone, der Trennung zweier Gemeinden, sehr wohl vereinbar ist und sich die geplanten Bauten, die übrigens von geringer Ausdehnung und Höhe sein werden, ohne jede Willkür unter Art. 51 BO subsumieren lassen.
c) Die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der rechtsungleichen Behandlung und der Verweigerung des rechtlichen Gehörs sind unbegründet.
Die rechtsungleiche Behandlung erblickt die Beschwerde darin, dass der Stadt Zürich die Errichtung der zu einem Friedhof gehörigen Hochbauten in der Freihaltezone, unter Umständen sogar auf dem Grundstück des Beschwerdeführers, erlaubt werde, während ihm die Erstellung von Wohnbauten verweigert werde. Die Erstellung einiger weniger und kleiner Hochbauten auf dem insgesamt über 110 000 m2 haltenden, parkartig ausgestalteten Friedhof lässt sich indes in keiner Weise vergleichen mit den Wohnhäusern, die der Beschwerdeführer auf seiner 5880 m2 haltenden Parzelle errichten möchte. Von einer Verletzung der Rechtsgleichheit könnte höchstens gesprochen werden, wenn die Stadt Zürich ihrerseits in der Freihaltezone Wohnhäuser bauen wollte. Davon ist aber nicht die Rede.
Als Verweigerung des rechtlichen Gehörs rügt der Beschwerdeführer, dass sein im kantonalen Rekurs enthaltener Hinweis auf die Absicht der Stadt Zürich, in der Freihaltezone Friedhofgebäude zu errichten, vom Regierungsrat nicht berücksichtigt, sondern kurzerhand übergangen worden sei. Der Regierungsrat
BGE 93 I 247 S. 254
hat sich in der Tat mit der Frage, ob in einer Freihaltezone Friedhofgebäude erstellt werden dürfen, nicht auseinandergesetzt. Eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs liegt hierin schon deshalb nicht, weil die (übrigens wenig bestimmten) Ausführungen des Beschwerdeführers sich auf den Landschaftsschutz und damit auf lit. a von § 68 b BG bezogen, der Regierungsrat aber die Zulässigkeit der Einbeziehung des Grundstücks des Beschwerdeführers in die Freihaltezone nicht auf diese Bestimmung, sondern in erster Linie auf lit. b und daneben noch auf lit. c von § 68 b GB gestützt hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
82fba606-5e82-49a8-b158-67f8fcdf9b3d | Urteilskopf
90 I 1
1. Urteil vom 19. Februar 1964 i.S. Erben Berchtold gegen Gemeinderat von Strengelbach und Regierungsrat des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 4 BV
.
Verbot eines Kiosks an Strassenkreuzung. Begriff des Störers im Verkehrspolizeirecht (Erw. 1a). Inwiefern dürfen verkehrspolizeiliche Anordnungen in tatsächlicher Hinsicht auf Erfahrungssätze gestützt werden? (Erw. 1b). | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 90 I 1 S. 1
A.-
Am Kreuzplatz in Strengelbach münden die Ortsverbindungsstrasse OV 143 (Schleipfenstrasse) von Rothrist-Wissberg her von Westen und die Ortsverbindungsstrasse von Brittnau her von Osten in die Landstrasse Tz, die von Zofingen nach Vordemwald-Langenthal führt und der als Entlastung der Zürich-Bern-Strasse eine steigende Bedeutung zukommt. Nördlich der Kreuzung befindet
BGE 90 I 1 S. 2
sich zwischen der Landstrasse Tz und der Schleipfenstrasse das Wohn- und Geschäftshaus der Erben Berchtold, das von beiden Strassen einen gewissen Abstand einhält. Die Erben beabsichtigen, an der Südwand des Hauses auf dem Vorplatz gegen die Landstrasse einen 4 m tiefen und 3,5 m breiten Kioskanbau zu erstellen.
B.-
Auf Grund einer Einsprache der Baudirektion des Kantons Aargau lehnte der Gemeinderat von Strengelbach das Baugesuch der Erben Berchtold ab. Die Gesuchsteller erhoben dagegen Beschwerde. Der Regierungsrat hat diese am 6. September 1963 abgewiesen. Er hat dazu ausgeführt:
Der Kiosk würde in rund 6,5 m Abstand von der Landstrasse an die Strassenkreuzung zu stehen kommen. Es sei damit zu rechnen, dass zahlreiche Fahrzeugführer Kunden des Kiosks würden. Erfahrungsgemäss würden viele von ihnen am Rande der Landstrasse anhalten, also kaum 10 m vor der Kreuzung, was den Verkehr in nicht zu unterschätzendem Masse gefährden würde. Wohl beabsichtigten die Gesuchsteller, auf dem Hofraum ihres Hauses der Kundschaft Abstellraum zur Verfügung zu stellen, doch nehme sich der Fahrzeugführer, der in einem Kiosk rasch etwas kaufen wolle, im allgemeinen nicht die Mühe, einen Parkplatz aufzusuchen. Diese Erfahrung lasse sich nicht mit dem Hinweis auf das Verbot entkräften, ein Motorfahrzeug in unmittelbarer Nähe einer Strassenkreuzung anzuhalten; denn es zeige sich immer wieder, wie leicht solche Verbote übertreten würden, wenn ein besonderer Anreiz hierzu bestehe. Abgesehen davon würde auch die Benutzung der Parkplätze auf dem Grundstück der Gesuchsteller den Verkehr gefährden, weil die von Zofingen her kommenden Kunden in den meisten Fällen wieder in die Landstrasse ausfahren würden, und zwar unmittelbar in die Kreuzung hinein. Wohl könnten die Lenker durch eine Abschrankung verhalten werden, weiter westlich über die Schleipfenstrasse auszufahren. Eine solche Vorkehrung hätte aber nur zur Folge, dass
BGE 90 I 1 S. 3
die motorisierte Kundschaft wegen des ihr aufgezwungenen Umwegs noch weniger geneigt wäre, die Parkplätze zu benutzen.
Der Ansicht, um die befürchtete Verkehrsgefährdung abzuwenden, habe die Polizei sich an den fehlbaren Fahrer und nicht an den Eigentümer des Kiosks zu halten, könne nicht beigetreten werden. Wenn die Bauherrschaft in der Nähe der vielbefahrenen Landstrasse einen Kiosk aufstelle und betreibe, so nehme sie es mindestens in Kauf, dass ein Teil der Kunden sich aus Bequemlichkeit nicht an die bestehenden Abstellbeschränkungen halten werde; sie überschreite damit die Schranken, welche die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs der freien Verfügung über das Eigentum und der freien Handelstätigkeit setze. § 60 des aargauischen Gesetzes über den Strassen-, Wasser- und Hochbau (BG) vom 23. März 1859 sei daher auch dort anwendbar, wo bei lückenloser Befolgung anderer verkehrspolizeilicher Vorschriften nicht mit einer Gefährdung des öffentlichen Verkehrs zu rechnen wäre.
Der Entscheid des Gemeinderates verstosse nicht gegen die Rechtsgleichheit. Es sei zwar richtig, dass das benachbarte Postgebäude näher an der Landstrasse liege als das beim Kiosk der Fall sein würde, doch stehe dieser näher bei der Kreuzung als die Post. Der Hinweis auf verschiedene Kioske in anderen Gemeinden gehe schon darum fehl, weil deren Errichtung nicht vom Gemeinderat Strengelbach bewilligt worden sei; auch lägen die Verkehrsverhältnisse in jenen Fällen teilweise wesentlich anders als hier.
C.-
Die Erben Berchtold führen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
mit dem Antrag, es sei der Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und der Gemeinderat von Strengelbach anzuweisen, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen.
D.-
Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Gemeinderat von Strengelbach hat sich nicht vernehmen lassen.
BGE 90 I 1 S. 4
E.-
Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat in Strengelbach einen Augenschein vorgenommen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
§ 60 BG untersagt alle Vorrichtungen, die "den Verkehr und die Sicherheit auf öffentlichen Strassen" gefährden. Die Beschwerdeführer bestreiten mit Recht nicht, dass diese Vorschrift als solche verfassungsmässig ist; sie erblicken vielmehr Willkür darin, dass der Regierungsrat die Bestimmung unter Missachtung des Grundsatzes, wonach die Polizei sich an den Störer zu halten hat, auf den vorliegenden Fall angewendet habe und dass er seinen Entscheid in tatbeständlicher Hinsicht auf blosse Vermutungen statt auf Beweise stütze.
a) Der Kioskanbau, den die Beschwerdeführer erstellen möchten, wahrt einen Abstand von über 6 m vom Strassenrand. Er würde weder die Sicht behindern noch sonstwie als Bauwerk die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs gefährden. Die kantonalen Behörden rechnen jedoch damit, dass der Betrieb des Kiosks Störungen des öffentlichen Verkehrs nach sich ziehen könnte. Die Sicherheit des Verkehrs wird ihrer Ansicht nach durch das Bauvorhaben auf diese mittelbare Weise gefährdet. § 60 BG richtet sich, wie ohne Willkür angenommen werden kann, auch gegen derartige mittelbare Störungen des öffentlichen Verkehrs (vgl. ZBl 1961 S. 378 Erw. 1a). Die Bestimmung ist deshalb geeignet, die gesetzliche Grundlage für ein Verbot abzugeben, das wegen der Einwirkungen des Betriebes der Vorrichtung auf den öffentlichen Verkehr ausgesprochen wird.
Es fragt sich hingegen, ob die Anwendung des § 60 auf den vorliegenden Fall nicht gegen den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz verstosse, wonach die Polizei sich an den Störer zu halten hat. Das Bundesgericht hat sich in anderem Zusammenhang mit dieser Frage befasst und mit Urteil vom 24. Mai 1961 i.S. Roos gegen Regierungsrat des Kantons Aargau erkannt: "Stellt ein Unternehmer
BGE 90 I 1 S. 5
an einer öffentlichen Strasse einen Zigarettenautomaten auf, dann zählt er darauf, dass der Automat auch von Motorfahrzeugführern benutzt wird; er rechnet damit oder nimmt es mindestens bewusst in Kauf, dass sich ein Teil der Kunden aus Gründen der Bequemlichkeit nicht an die bestehenden Abstellbeschränkungen halten wird. Auf diese Weise überschreitet er die Schranken, welche die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs... der freien Verfügung über das Eigentum und der freien Handelstätigkeit setzt; er befindet sich ... nicht mehr in der 'gesetzmässigen Ausübung eines Rechtes', sondern wird selber zum Mitstörer" (
BGE 87 I 114
= ZBl 1961 S. 411).
Diese Erwägungen treffen grundsätzlich auch auf den vorliegenden Fall zu. Wohl ist der Kiosk nicht im selben Ausmass wie der Zigarettenautomat, von dem das angeführte Urteil handelt, auf den Zuspruch von Motorfahrzeugführern ausgerichtet; der Hauptteil der Kunden würde vielmehr aus Fussgängern bestehen, doch rechnen die Beschwerdeführer - nach den örtlichen Verhältnissen mit Grund - auch mit einer motorisierten Kundschaft. Dieser Umstand allein lässt die Beschwerdeführer indes noch nicht als Mitstörer im polizeirechtlichen Sinne erscheinen. Es müssen vielmehr genügende Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass die Benutzung des Kiosks durch Fahrzeugführer tatsächlich zu einer Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen würde. Ob das Vorliegen dieser Voraussetzung hier ohne Willkür bejaht werden konnte, wird im Folgenden zu untersuchen sein.
b) Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass Fahrzeuge, die auf der Höhe des geplanten Kiosks, also im Bereich der Kreuzung, auf der Landstrasse abgestellt werden, den Verkehr behindern. Sie betrachten es jedoch als willkürlich, dass der Regierungsrat sich nicht an die Tatsache halte, dass ein solches Vorgehen verboten sei, sondern sich von der als Erfahrung ausgegebenen Vermutung leiten lasse, zahlreiche Kunden würden die betreffende Vorschrift missachten, was umso unwahrscheinlicher
BGE 90 I 1 S. 6
sei, als auf dem Gebäudevorplatz genügend Raum vorhanden sei, um die Wagen der Kunden aufzunehmen.
Diese Einwendung schlägt nicht durch. Es liegt im Wesen der Sache, dass die Behörden sich bei der Anordnung baulicher und polizeilicher Massnahmen zur Verhütung von Verkehrsgefahren in weitem Masse auf Erfahrungssätze stützen müssen (vgl. ZBl 1961 S. 379 b). Sofern das mit der nötigen Zurückhaltung geschieht, wird dem Untersuchungsgrundsatz, der das Verwaltungsverfahren beherrscht, dadurch nicht Eintrag getan. In den Erfahrungssätzen haben andernorts ermittelte Tatsachen ihren Niederschlag gefunden, aus denen auf feststellungsbedürftige Tatsachen des zu beurteilenden Falles geschlossen wird. Diese Art der Sachaufklärung ist namentlich dann zulässig, ja geboten, wenn die festzustellenden Tatsachen nicht unmittelbar durch eigene Wahrnehmungen der Behörde, durch Urkunden oder Auskünfte Dritter (Zeugen, Gewährsleute, Sachverständige) ermittelt werden können. Das gilt auch für die Abklärung von Verkehrsgefahren. Unmittelbare Feststellungen hierüber lassen sich in der Regel erst treffen, wenn die Gefahrenlage zu einer Störung des öffentlichen Verkehrs geführt hat; die Behörde aber muss schon vorher einschreiten.
Ungeachtet dessen darf nicht leichthin angenommen werden, gewisse Beobachtungen hätten sich zu Erfahrungssätzen verdichtet. Ob das der Fall sei und ob diese auf die örtlichen Verhältnisse anwendbar seien, bleibt indes eine Sache des Ermessens. Die kantonalen Behörden, die als Fachorgane wirken, stehen den örtlichen Gegebenheiten näher als das Bundesgericht, das als Verfassungsgericht amtet. Es kommt ihm daher nicht zu, sein Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Instanzen zu setzen, welche die Verantwortung für die Sicherheit des Strassenverkehrs tragen (vgl.
BGE 83 I 150
Erw. 5). Das Bundesgericht greift vielmehr nur ein, wenn die kantonalen Behörden den Rahmen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben (ZBl 1961 S. 379 b).
BGE 90 I 1 S. 7
Der Regierungsrat des Kantons Aargau berief sich schon im Falle Roos darauf, dass eine grosse Zahl von Fahrern die Vorschriften über das Abstellen und Anhalten von Motorfahrzeugen übertreten, wenn ein besonderer Anreiz hierzu besteht. Das Bundesgericht hat die Richtigkeit dieser Erfahrung anerkannt (ZBl 1961 S. 410, in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichte Erw. b). Die kantonalen Instanzen konnten ohne Willkür davon ausgehen, dass ein Klosk den Fahrer in ähnlicher Weise wie ein Zigarettenautomat zu vorschriftswidrigem Anhalten verleiten könne. Wie der Warenbezug am Automaten nimmt der Kauf am Kiosk wenig Zeit in Anspruch; im einen wie im anderen Fall kann der Automobilist, der ausgestiegen ist, sein Fahrzeug und die Verkehrslage fast ununterbrochen im Auge behalten; er glaubt, notfalls rasch wieder am Steuer zu sein und Schwierigkeiten vermeiden zu können. Die Möglichkeit, dass manche Fahrer es unter diesen Umständen mit der Einhaltung der Parkierungsvorschriften weniger genau nehmen, ist deshalb nicht von vornherein von der Hand zu weisen (vgl.
BGE 89 IV 213
ff.). Viel wird dabei allerdings von den örtlichen Verhältnissen abhängen. Befinden sich in der Nähe Abstellplätze, die ohne Zeitverlust benutzt werden können, so ist die Versuchung zu vorschriftswidrigem Anhalten kleiner; erscheint die Lage dem Fahrzeugführer als gefährlich, dann wird er mehr an sich halten als auf einer offensichtlich gefahrlosen Strecke.
Im vorliegenden Fall mag der gegenwärtig noch schlechte Ausbau der Kreuzung den (objektiv unrichtigen) Eindruck aufkommen lassen, die einmündenden Ortsverkehrsstrassen wiesen lediglich einen geringen Verkehr auf, weshalb von diesen Seiten her keine Gefahr drohe. Das mag die Bereitschaft, Fahrzeuge im Bereiche der Kreuzung abzustellen, erhöhen. Dass die Beschwerdeführer den Kunden des Kiosks auf ihrem Land Parkplätze zur Verfügung stellen wollen, wird daran kaum Wesentliches ändern. Würde die Ausfahrt der Parkplätze so angelegt, dass der Verkehr
BGE 90 I 1 S. 8
auf der Kreuzung nicht beeinträchtigt würde, so müssten die Kunden einen Umweg in Kauf nehmen, den manche von ihnen scheuen würden.
Die einzelnen Erwägungen, auf die der Regierungsrat sich stützt, erscheinen dergestalt als sachgemäss und daher nicht willkürlich. Werden sie gesamthaft gewürdigt, so bleiben zwar Zweifel, ob der Betrieb des Kiosks wirklich eine ernst zu nehmende Gefährdung des öffentlichen Verkehrs nach sich zöge; widerlegt ist dieser Schluss indes nicht und es lässt sich nicht sagen, dass der Regierungsrat damit die weit gezogenen Grenzen seines Ermessens überschritten habe. Der Vorwurf der Willkür geht darum fehl.
2.
Die Beschwerdeführer beklagen sich ferner über eine Verletzung der Rechtsgleichheit. Von einer rechtsungleichen Behandlung kann nach der Rechtsprechung nur dann die Rede sein, wenn ein und dieselbe Behörde eine Frage ohne sachlichen Grund das eine Mal so und das andere Mal anders beantwortet (
BGE 80 I 322
Erw. 2,
BGE 88 I 4
oben,
BGE 89 I 20
Nr. 3). Die Beschwerdeführer verweisen zum Vergleich auf mehrere bestehende Kioske; sie zeigen aber nicht auf, dass der Regierungsrat die Bewilligung zur Erstellung dieser Bauten erteilt oder bestätigt habe. Die Rüge der rechtsungleichen Behandlung entbehrt insofern einer den Anforderungen des
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
genügenden Begründung. Sie kann deshalb nicht gehört werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
82ff0637-153d-4d97-9be8-58745ceceeb8 | Urteilskopf
106 IV 336
83. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Oktober 1980 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 58 Abs. 4 StGB
.
Bei der Festsetzung der Ersatzforderung des Staates ist die gesamte Situation des Betroffenen zu berücksichtigen, auch seine familienrechtlichen Verpflichtungen. | Erwägungen
ab Seite 336
BGE 106 IV 336 S. 336
Aus den Erwägungen:
3.
Aus dem Vermögen des Beschwerdeführers wurden Geldbeträge und Wertschriften beschlagnahmt. Im angefochtenen Urteil hat das Obergericht verfügt, dass die beschlagnahmten Werte, soweit sie nicht zur Deckung von Busse und Kosten verwendet werden, gemäss
Art. 58 Abs. 4 StGB
als Ersatzleistung an den Staat gehen.
a) Dass diese Anordnung ohne entsprechenden Antrag des Staatsanwaltes und daher auch ohne vorangehende Stellungnahme der Verteidigung vom Gericht getroffen wurde, könnte allenfalls als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden. Hier ist auf diese Verfahrensfrage nicht einzutreten.
b) Der Beschwerdeführer ficht die Verpflichtung zu einer Ersatzleistung an, weil die beschlagnahmten Vermögenswerte mit seiner Bereicherung aus der Tätigkeit bei der X. AG nichts
BGE 106 IV 336 S. 337
zu tun haben, sondern seinen Anteil am mütterlichen Nachlass darstellen, der ihm während des Strafverfahrens zugefallen ist. Er ist damit einverstanden, dass aus dem beschlagnahmten Gut die Busse und die Kosten gedeckt werden, stellt aber den Antrag, die verbleibenden Vermögenswerte seien ihm auszuhändigen oder direkt zugunsten der Kinder aus zweiter Ehe zu verwenden.
aa) Durch die Neufassung von
Art. 58 StGB
(gemäss Anhang I zum VStrR vom 22. März 1974) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, auch Vermögenswerte, die durch eine strafbare Handlung erlangt worden sind, einzuziehen, soweit die Einziehung zur Beseitigung eines unrechtmässigen Vorteils oder Zustandes als geboten erscheint. Gemäss Abs. 4 von
Art. 58 StGB
kann auf eine Ersatzforderung des Staates in der Höhe des unrechtmässigen Vorteils erkannt werden, wenn die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte nicht mehr vorhanden sind.
Die ratio dieser Bestimmung ist, dass der Täter nicht im Besitz unrechtmässig erlangter Vorteile bleiben soll (
BGE 104 IV 5
). Hat er sich der Vermögenswerte schon entäussert, so soll durch eine Ersatzforderung des Staates eine ungerechtfertigte Privilegierung verhindert werden.
bb) Dass der Beschwerdeführer als Leiter der X. AG einen unrechtmässigen Vorteil von mehreren hunderttausend Franken erlangte, ist unbestritten. Ebenso steht fest, dass diese deliktisch erlangten Vermögenswerte verbraucht wurden und dass folglich eine Einziehung nicht möglich ist. Das vorhandene, beschlagnahmte Gut stammt aus dem Erbteil des Beschwerdeführers am Nachlass der Mutter. Der Beschwerdeführer macht geltend, er benötige diese Vermögenswerte für den Unterhalt und die Ausbildung seiner minderjährigen Kinder aus zweiter Ehe.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Festsetzung der Ersatzforderung die gesamte Situation zu prüfen; die Verpflichtung zu Leistungen gemäss
Art. 58 Abs. 4 StGB
soll die Resozialisierung des Täters nicht gefährden (
BGE 104 IV 228
,
BGE 105 IV 21
ff.). Auch bei der Anwendung von Abs. 4 ist im Sinne von Abs. 1 lit. a zu erwägen, ob und in welchem Umfange ein finanzieller Ausgleich der unrechtmässig erlangten, nicht mehr vorhandenen Vorteile durch Zahlungen an den Staat als geboten erscheint. Von dem mit dieser Formulierung
BGE 106 IV 336 S. 338
dem Richter zugestandenen Ermessen ist unter Beachtung aller wesentlichen Gesichtspunkte pflichtgemäss Gebrauch zu machen. Zu den für diesen Entscheid beachtlichen Gesichtspunkten gehören neben den finanziellen Verhältnissen und den Erwerbsmöglichkeiten auch die familienrechtlichen Verpflichtungen. Es widerspräche der Grundtendenz des Strafgesetzbuches und der ratio legis von
Art. 58 StGB
, durch eine Ersatzforderung des Staates den Täter an der Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen gegenüber den nächsten Angehörigen zu hindern.
Art. 58 Abs. 4 StGB
beruht auf Geboten der Sozialethik (
BGE 105 IV 171
). Aber auch die Pflicht, für den Unterhalt der Familie zu sorgen, folgt aus ethischen Überlegungen, die jenen Geboten bis zu einem gewissen Masse vorgehen.
Dieser Aspekt wurde vom Zürcher Obergericht bei der Festsetzung der Ersatzforderung nicht gebührend beachtet. Es ordnete im praktischen Ergebnis die Einziehung des Restes der beschlagnahmten Vermögenswerte an, ohne zu prüfen, ob nicht zumindest ein Teil dieser Werte verfügbar bleiben sollte, um den Kindern unter Berücksichtigung der Beitragspflicht der Ehefrau und Mutter (
Art. 276 ff. ZGB
) eine bescheidene Existenz zu sichern. Die Zusprechung einer Ersatzforderung im Umfang des beschlagnahmten Vermögens ohne Berücksichtigung der familienrechtlichen Situation verletzt daher
Art. 58 StGB
. Das angefochtene Urteil ist in diesem Punkt aufzuheben. Das Obergericht hat unter Berücksichtigung der hier dargelegten Richtlinie erneut zu beurteilen, ob und in welchem Umfang eine Ersatzforderung des Staates als gerechtfertigt erscheint. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
82ff6819-fc0b-48ae-ba0b-0416e186e2be | Urteilskopf
117 Ib 156
21. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 30 août 1991 dans la cause P. contre M. et Commune de Baulmes (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 25 Abs. 1 USG
,
Art. 7,
Art. 43 und
Art. 44 Abs. 3 LSV
; Lärmschutz bei einer neuen ortsfesten Anlage.
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1).
2. Bestimmung der Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall während des Bewilligungsverfahrens für eine neue ortsfeste Anlage; die zuständige Behörde muss auch abklären, ob die Belastungsgrenzwerte eingehalten werden (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 156
BGE 117 Ib 156 S. 156
M., propriétaire d'une parcelle sur le territoire de la commune de Baulmes, en zone de village, a requis l'autorisation de construire un garage comportant un atelier de réparation pour automobiles, une installation de lavage, une station d'essence et un local d'exposition. P., propriétaire d'un bâtiment voisin, a formé opposition. La municipalité de Baulmes a délivré l'autorisation et P. a déféré cette décision à la Commission cantonale de recours en matière de constructions, qui a confirmé le permis de construire. Agissant par la voie d'un recours de droit public, P. conclut à l'annulation de la décision cantonale.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le Tribunal fédéral examine d'office et avec une pleine cognition la recevabilité des recours qui lui sont soumis (
ATF 116 Ia 179
consid. 2,
ATF 116 Ib 162
consid. 1, 237 consid. 1a, 335
BGE 117 Ib 156 S. 157
consid. 1b et les arrêts cités). En l'espèce, P. a formé un recours de droit public et il fait valoir une violation de l'
art. 4 Cst.
; ce recours est dirigé contre l'autorisation de construire un garage dont les émissions de bruit seraient excessives.
a) Jusqu'à l'entrée en vigueur de la loi fédérale sur la protection de l'environnement (LPE) le 1er janvier 1985, les mesures des cantons en matière de protection de l'environnement relevaient essentiellement de l'aménagement du territoire (
art. 3 al. 3 let. b LAT
) et de la police des constructions. Les règles concernant la limitation quantitative des nuisances étaient alors intégrées dans les dispositions des plans et des règlements d'affectation. Désormais, la protection des personnes contre les atteintes nuisibles ou incommodantes, notamment contre le bruit, est réglée par la législation fédérale (
art. 1er al. 1 LPE
). Celle-ci soumet la construction de nouvelles installations bruyantes au respect, pour les immissions prévisibles, de certaines valeurs (
art. 25 al. 1 LPE
); elle impose en outre la limitation des émissions par des mesures concernant en particulier la construction, l'équipement, le trafic et l'exploitation (
art. 11 et 12 LPE
). Les dispositions du droit cantonal et communal qui ont pour seul but la limitation quantitative des nuisances n'ont plus de portée propre dans les domaines réglés par le droit fédéral (art. 2 Disp. trans. Cst.;
ATF 116 Ib 179
consid. 1bb,
ATF 114 Ib 220
consid. 4a et les arrêts cités). En revanche, le droit fédéral laisse subsister les prescriptions cantonales en matière de protection de l'environnement qui ne font pas l'objet d'une réglementation fédérale et conservent donc une portée propre; il en est ainsi des prescriptions concernant des objectifs particuliers d'urbanisme, telles que les règles d'affectation du sol destinées à définir les caractéristiques d'une zone ou d'un quartier (
ATF 116 Ib 183
consid. 3b, 114 Ib 223 consid. 5, 352 consid. 4).
Le recourant fait valoir principalement que la zone de village est destinée "à l'habitation ainsi qu'aux activités compatibles avec celle-ci" (art. 6 al. 1 du règlement communal, RPE) et que dans cette zone, "la municipalité peut autoriser des entreprises artisanales ne portant pas préjudice au voisinage (bruits, odeurs, fumées, dangers, etc.) et ne compromettant pas le caractère des lieux" (art. 69 RPE). Les nuisances sonores du garage prévu seront à son avis excessives pour le voisinage. Ce grief doit être examiné au regard du droit fédéral de la protection de l'environnement, ce que la commission admet dans ses dernières observations.
BGE 117 Ib 156 S. 158
Selon l'
art. 97 OJ
en relation avec l'
art. 5 PA
, la voie du recours de droit administratif est ouverte contre les décisions fondées sur le droit public fédéral - ou qui auraient dû l'être -, à condition qu'elles émanent des autorités énumérées à l'
art. 98 OJ
et pour autant qu'aucune des exceptions prévues aux art. 99 à 102 OJ ou dans la législation spéciale ne soit réalisée (
ATF 116 Ib 178
consid. 1a, 252 consid. 1b,
ATF 115 Ib 350
consid. 1b). Le recours de droit administratif est recevable notamment contre les décisions fondées à la fois sur le droit cantonal ou communal et le droit fédéral directement applicable, de même que contre les décisions prises à tort en vertu du droit cantonal et communal dans les domaines régis par le droit fédéral directement applicable (
ATF 116 Ib 178
consid. 1a, 162 consid. 1a et les arrêts cités). Le recours de droit public doit donc être traité comme un recours de droit administratif pour ces griefs (
ATF 115 Ib 383
). Propriétaire d'un immeuble qu'il habite à proximité directe de la parcelle destinée à l'implantation du garage, P. a qualité pour recourir (
art. 103 let. a OJ
;
ATF 115 Ib 511
consid. c,
ATF 112 Ib 41
consid. 1a).
b) Le recourant se réfère en outre à l'art. 30 RPE, qui définit la destination de la zone industrielle "réservée aux établissements industriels, entrepôts, garages-ateliers ou industriels, ainsi qu'aux entreprises artisanales qui entraîneraient dans d'autres zones des inconvénients pour le voisinage"; il allègue que les garages-ateliers sont ainsi exclus des autres zones à bâtir et que la commission a fait preuve d'arbitraire en assimilant l'installation litigieuse à une entreprise artisanale admissible en zone de village au sens de l'art. 69 RPE. Le grief de la conformité d'une construction avec la destination d'une zone à bâtir relève matériellement du droit cantonal et communal de l'aménagement du territoire, dont l'application ne peut faire l'objet que d'un recours de droit public (
art. 34 al. 3 LAT
).
La qualité pour agir par la voie du recours de droit public se détermine exclusivement selon l'
art. 88 OJ
; il importe peu que la qualité de partie ait ou non été reconnue au recourant en procédure cantonale (
ATF 115 Ia 78
consid. 1c). En matière d'autorisation de construire, les propriétaires voisins ont qualité pour recourir au sens de l'
art. 88 OJ
s'ils invoquent la violation de dispositions qui tendent non seulement à la sauvegarde des intérêts de la collectivité, mais aussi, voire principalement, à la protection de leurs propres intérêts de voisins (
ATF 116 Ia 179
consid. 3a,
ATF 113 Ia 470
consid. 1a). Le recourant n'a pas établi qu'il se trouvait dans
BGE 117 Ib 156 S. 159
le champ de protection des règles communales fixant des conditions pour l'implantation des garages ou des entreprises artisanales, ni en quoi il serait touché par la construction d'un garage en zone de village, si ce n'est pour des motifs de protection contre le bruit; or ce dernier grief fait l'objet du recours de droit administratif. Le recours de droit public, subsidiaire (
art. 84 al. 2 OJ
), est donc irrecevable.
2.
a) Aux termes de l'
art. 25 al. 1 LPE
, de nouvelles installations fixes ne peuvent être construites que si les immissions causées par le bruit de ces seules installations ne dépassent pas les valeurs de planification dans le voisinage; l'autorité qui délivre l'autorisation peut exiger un pronostic de bruit. L'ordonnance sur la protection contre le bruit (OPB), entrée en vigueur le 1er avril 1987, précise ces exigences (
art. 7 ss OPB
). Le garage litigieux est une installation fixe au sens de ces dispositions (
art. 2 al. 1 OPB
). Les valeurs de planification sont fixées dans les annexes 3 ss OPB (
art. 23 LPE
, 40 al. 1 OPB); elles constituent un type de valeurs limites d'exposition au bruit. En matière de bruit produit par les installations industrielles ou artisanales et le trafic sur leur aire d'exploitation, l'annexe 6 OPB est applicable ("Valeurs limites d'exposition au bruit de l'industrie et des arts et métiers"); les différentes valeurs limites qu'elle fixe, en particulier les valeurs de planification, sont fonction du degré de sensibilité au bruit, au sens de l'
art. 43 OPB
, attribué au secteur touché (annexe 6 ch. 2 OPB).
b) En droit vaudois, la construction d'ateliers de réparation de véhicules (garages) est soumise à une autorisation spéciale du Département de l'agriculture, de l'industrie et du commerce (art. 120 ss de la loi vaudoise du 4 décembre 1985 sur l'aménagement du territoire et les constructions - LATC; annexe II au règlement d'application de la LATC). L'autorité cantonale statue, sans préjudice des dispositions relatives aux plans et aux règlements communaux d'affectation, sur les conditions de situation et de construction, notamment; elle fixe les mesures propres à assurer la salubrité et la sécurité, ainsi qu'à préserver l'environnement (art. 123 al. 1 et 2 LATC). En l'espèce, le département a prescrit que "les travailleurs et le voisinage seront protégés par tous les moyens qu'offre la technique contre l'effet du bruit" (ch. 16 de l'autorisation spéciale du 12 février 1990); il a intégré dans sa décision les conditions fixées par le Laboratoire cantonal, mais celles-ci ne consistent qu'en un rappel de certaines dispositions topiques de l'OPB. Ni le département, ni la
BGE 117 Ib 156 S. 160
municipalité n'ont examiné la portée de ces prescriptions pour le projet concret. Dans son prononcé, la commission cantonale s'est fondée uniquement sur le droit communal et sur sa jurisprudence relative à la notion de "préjudice pour les voisins", sans faire référence aux prescriptions fédérales.
Dans ses dernières observations au Tribunal fédéral, la commission a affirmé que le département avait précisément imposé les mesures propres à préserver l'environnement, sous réserve de la fixation d'un degré de sensibilité au bruit. Cette lacune aurait été comblée par un préavis du 8 février 1991 du Service vaudois de lutte contre les nuisances, requis par la municipalité et implicitement entériné par le département. Le degré de sensibilité III est ainsi attribué à l'immeuble du recourant et, selon la commission, il suffit d'analyser les différentes activités envisagées pour le projet critiqué pour se convaincre que les valeurs de planification ne seraient certainement pas dépassées dans le voisinage.
c) En application de l'
art. 43 al. 1 let
. c OPB, un degré de sensibilité III est à attribuer aux zones d'affectation dans lesquelles sont admises des entreprises moyennement gênantes, notamment dans les zones d'habitation et artisanales (zones mixtes) ainsi que dans les zones agricoles. La commission considère, fondée sur l'avis du service spécialisé, que la zone de village de Baulmes, définie en particulier aux art. 6 et 69 RPE, est une zone mixte au sens de la disposition précitée. Ce degré de sensibilité au bruit n'a pas été attribué dans une procédure de complément ou de modification du plan général d'affectation de la commune, conformément à l'
art. 44 al. 1 et 2 OPB
. Le degré a en revanche été déterminé dans un cas particulier par l'autorité administrative. Cependant, l'attribution des degrés de sensibilité "cas par cas", selon l'
art. 44 al. 3 OPB
, nécessite une procédure administrative complète, close par une décision au sens de l'
art. 5 PA
et à l'occasion de laquelle toutes les parties doivent être entendues (
ATF 115 Ib 351
consid. 1b). Le règlement cantonal du 8 novembre 1989 d'application de la LPE prévoit d'ailleurs, à son art. 12, que l'attribution de cas en cas des degrés de sensibilité s'effectue par l'autorité compétente pour autoriser le projet, sur préavis du Service de lutte contre les nuisances. En l'espèce, l'autorité compétente n'a pris aucune décision et le recourant n'a pas pu exercer son droit d'être entendu. La procédure cantonale a donc été irrégulière sur ce point.
BGE 117 Ib 156 S. 161
d) Pour un degré de sensibilité au bruit III - dans la mesure où celui-ci est approprié à la zone de village et, en particulier, à la parcelle du recourant -, les valeurs de planification à respecter, lors de la construction de nouvelles installations fixes, sont de 60 dB(A) le jour (de 7 à 19 heures) et de 50 dB(A) la nuit (ch. 2 annexe 6 OPB). Les immissions de bruit extérieur des installations fixes sont déterminées sous forme de niveau d'évaluation "Lr" (
art. 38 al. 1 OPB
), mesuré au milieu de la fenêtre ouverte des locaux à usage sensible au bruit (
art. 39 al. 1 OPB
) et calculé conformément aux formules du ch. 3 de l'annexe 6 OPB, qui tiennent compte de la durée et des caractéristiques des phases de bruit. En l'espèce, le Tribunal fédéral n'est pas en mesure de juger si ces valeurs seront respectées pour l'immeuble du recourant. Les autorités compétentes, en particulier le Service de lutte contre les nuisances, n'ont produit aucune estimation à cet égard; seule la commission affirme, dans ses dernières observations, que ces limites ne seraient certainement pas dépassées. Le dossier, même complété devant le Tribunal fédéral, ne comporte pas d'indications suffisantes sur le niveau des nuisances des appareils et des installations du garage (compresseur, place de lavage, etc.); les conditions d'exploitation (horaire, notamment) et les distances entre ces sources de bruit et les locaux d'habitation du recourant ne sont pas déterminées précisément. Les autorités cantonales n'ont pas non plus examiné si l'exploitation du nouveau garage était susceptible d'entraîner une utilisation accrue des voies de communication et si les conditions posées à cet égard par l'
art. 9 OPB
pouvaient être observées. Le Tribunal fédéral ne peut donc pas statuer sur le fond et vérifier le respect des prescriptions fédérales sur la protection de l'environnement (
art. 25 al. 1 LPE
et 7 al. 1 OPB).
3.
Le recours de droit administratif est ainsi bien fondé: la décision attaquée doit être annulée et l'affaire renvoyée à l'autorité intimée (
art. 114 al. 2 OJ
)... | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8300ec16-99d3-4b9a-b280-590db9421b2d | Urteilskopf
123 IV 150
23. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 2 juin 1997 dans la cause Ministère public du canton de Vaud contre G. et H. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 63 StGB
, Strafzumessung.
Der Grundsatz der Individualisierung führt im Bereich der Strafzumessung zu einer gewissen, vom Gesetzgeber beabsichtigten Ungleichheit. Sie reicht für sich allein nicht aus, um einen Ermessensmissbrauch anzunehmen. Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, für eine peinlich genaue übereinstimmung einzelner Strafmasse zu sorgen; es hat nur darüber zu wachen, dass das Bundesrecht korrekt angewandt wird, d.h. dass die Strafe festgesetzt wird innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens, einzig gestützt auf die in
Art. 63 StGB
vorgesehenen Beurteilungsmerkmale und ohne dass der Richter das ihm zustehende Ermessen missbraucht (E. 2a). | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 123 IV 150 S. 151
Dès la fin de l'année 1993, G. et H. se sont associés pour se livrer à un trafic de haschisch. En plusieurs voyages, ils ont importé des Pays-Bas au total 146 kg de cette drogue, dont 145 kg ont été revendus et 1 kg consommé; le trafic a rapporté un bénéfice net de 51'000 fr. pour G. et de 90'000 fr. pour H.
Pour ces faits, le Tribunal correctionnel du district d'Yverdon, par jugement du 8 novembre 1996, a reconnu G. et H. coupables d'infraction grave (en raison de la bande et du métier) et de contravention à la LStup.
S'agissant de fixer la peine à infliger à G., le tribunal a tenu compte à sa décharge de l'absence complète d'antécédents, des bons renseignements obtenus sur son compte, ainsi que de son redressement spectaculaire après sa libération provisoire. Afin de ne pas compromettre ses efforts sérieux et tangibles et ne pas ruiner, en provoquant une réincarcération, le redressement manifeste du délinquant, le tribunal a fixé la peine à 18 mois d'emprisonnement, assortie d'un sursis avec délai d'épreuve de 4 ans. Pour qu'il y ait une sanction immédiate, il a infligé également à l'accusé une amende de 20'000 fr. Il a par ailleurs ordonné une confiscation et mis à la charge de l'accusé une créance compensatrice de 30'000 fr. et une partie des frais de la procédure.
Pour ce qui concerne H., le tribunal a constaté, en sa faveur, qu'il avait eu une existence difficile en raison d'un handicap physique qu'il a en général cherché à surmonter avec un courage indéniable; il a cependant déjà été condamné en 1988 pour trafic de stupéfiants à 16 mois d'emprisonnement avec sursis, ce qui justifie une peine
BGE 123 IV 150 S. 152
plus sévère que dans le cas de G. Pour ne pas s'éloigner trop de celle infligée à G., la peine a été fixée à deux ans d'emprisonnement. Le tribunal a par ailleurs ordonné une confiscation et mis à la charge de l'accusé une créance compensatrice de 14'000 fr. et une partie des frais de la procédure.
Par arrêt du 20 décembre 1996, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours formé contre ce jugement par le Ministère public du canton de Vaud, qui estime que les peines prononcées sont exagérément clémentes.
Contre cet arrêt, le Ministère public du canton de Vaud s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Invoquant une violation de l'
art. 63 CP
et soutenant que les peines infligées sont exagérément clémentes, le Ministère public a conclu à l'annulation de la décision attaquée.
Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité).
2.
a) Invoquant une violation de l'
art. 63 CP
, le recourant soutient que les peines infligées sont exagérément clémentes.
Tout en exigeant que la peine soit fondée sur la faute, l'
art. 63 CP
n'énonce pas de manière détaillée et exhaustive les éléments qui doivent être pris en considération, ni les conséquences exactes qu'il faut en tirer quant à la fixation de la peine; cette disposition confère donc au juge un large pouvoir d'appréciation (
ATF 121 IV 193
consid. 2a;
ATF 120 IV 136
consid. 3a). Les éléments pertinents pour la fixation de la peine ont été exposés de manière détaillée dans les
ATF 117 IV 112
consid. 1 et
ATF 116 IV 288
consid. 2a, auxquels on peut se référer.
Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral a été conçu en vue d'assurer une application uniforme du droit fédéral par les autorités cantonales de répression (CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991 p. 61). Cette voie de recours a pour fonction de donner une interprétation uniforme aux notions contenues dans le droit fédéral et de veiller à ce qu'elles soient correctement comprises et appliquées. En revanche, lorsque le droit fédéral lui-même - comme c'est le cas pour la fixation de la peine - accorde un large pouvoir d'appréciation au juge, en vue d'individualiser la décision en fonction des circonstances concrètes du cas d'espèce, il ne s'agit précisément pas d'uniformiser et le juge ne viole pas le droit fédéral en faisant usage de la marge de manoeuvre que celui-ci
BGE 123 IV 150 S. 153
lui accorde. Il n'appartient pas à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral, saisie systématiquement par un Ministère public vigilant, d'assurer une cohérence scrupuleuse des peines entre elles, afin de ramener à une sorte de moyenne toute peine qui s'en écarterait. Un tel système serait contraire au principe de l'individualisation de la peine et supposerait des règles de calcul relativement rigides qui heurteraient la souplesse voulue par le législateur à l'
art. 63 CP
. Même s'il est vrai que la Cour de cassation examine librement s'il y a eu violation du droit fédéral, elle ne peut donc admettre un pourvoi en nullité portant sur la quotité de la peine, compte tenu du pouvoir d'appréciation reconnu en cette matière à l'autorité cantonale, que si la sanction a été fixée en dehors du cadre légal, si elle est fondée sur des critères étrangers à l'
art. 63 CP
, si les éléments d'appréciation prévus par cette disposition n'ont pas été pris en compte ou enfin si la peine apparaît exagérément sévère ou clémente au point que l'on doive parler d'un abus du pouvoir d'appréciation (
ATF 122 IV 299
consid. 2a, 241 consid. 1a;
ATF 121 IV 193
consid. 2a;
ATF 120 IV 136
consid. 3a et les arrêts cités).
S'agissant plus précisément de l'abus du pouvoir d'appréciation, il faut relever que la Cour de cassation, qui n'interroge pas elle-même les accusés ou les témoins et n'établit pas les faits, est mal placée pour apprécier l'ensemble des paramètres pertinents pour individualiser la peine; son rôle est au contraire, comme on l'a vu, d'interpréter le droit fédéral et de dégager des critères et des notions qui ont une valeur générale. Elle n'a donc en aucune façon à substituer sa propre appréciation à celle du juge de répression. Elle ne peut intervenir, en considérant le droit fédéral comme violé, que si ce dernier a fait un usage vraiment insoutenable de la marge de manoeuvre que lui accorde le droit fédéral. Les disparités en cette matière s'expliquent normalement par le principe de l'individualisation, voulu par le législateur; elles ne suffisent pas en elles-mêmes pour conclure à un abus du pouvoir d'appréciation. Ce n'est que si le résultat auquel le juge de répression est parvenu apparaît vraiment choquant, compte tenu notamment des arguments invoqués et des cas déjà examinés par la jurisprudence, que l'on peut parler d'un abus du pouvoir d'appréciation.
b) En l'espèce, il n'est pas contesté que les peines ont été fixées dans le cadre légal, en suivant les critères fixés par l'
art. 63 CP
et sans se laisser guider par des considérations étrangères à cette disposition. La seule question litigieuse est de savoir s'il y a eu abus du pouvoir d'appréciation.
BGE 123 IV 150 S. 154
L'accusé G., par appât du gain, s'est livré à un intense trafic de stupéfiants, portant sur une quantité de drogue et des sommes considérables. La gravité de sa faute est tempérée par le fait qu'il s'agit d'une drogue dite douce, qu'il n'a pas d'antécédents et que les renseignements recueillis sur son compte sont favorables. Surtout, il a été retenu qu'il avait effectué un redressement remarquable après sa mise en liberté provisoire, de sorte que sa réincarcération pour une longue période pourrait compromettre les efforts méritoires qui ont été constatés. Tenant compte de l'ensemble de ces circonstances, l'autorité cantonale a estimé que la peine adaptée à la faute - en tenant compte de son évolution favorable (
ATF 118 IV 342
consid. 2d) - se situait aux alentours de 18 mois de privation de liberté et qu'il fallait tenir compte des effets de cette limite en fixant la peine; elle est parvenue à la conclusion qu'une peine de 18 mois d'emprisonnement avec sursis pendant 4 ans, cumulée avec une amende de 20'000 fr., constituait une sanction adéquate, pour ne pas ruiner les efforts méritoires de l'intimé. Une telle analyse est conforme à la jurisprudence et ne viole pas le droit fédéral (
ATF 121 IV 97
consid. 2c;
ATF 118 IV 337
consid. 2c, 342 consid. 2f). Dans le cas cité par le recourant (
ATF 118 IV 337
), le comportement n'était certes pas identique, mais la quantité de haschisch était encore plus importante (300 kg) et une peine de 18 mois d'emprisonnement avec sursis n'a pas été jugée inadaptée, compte tenu notamment des antécédents favorables et du repentir manifesté. On ne peut donc pas dire que la peine fixée soit choquante.
En ce qui concerne H., il n'a pas été constaté un redressement comparable et il faut tenir compte de la condamnation antérieure. L'autorité cantonale a estimé qu'une peine de 2 ans d'emprisonnement était adéquate et la cour a ajouté que la peine ne devait pas trop s'éloigner de celle sanctionnant G., puisqu'ils se sont associés au même trafic. Il faut dire que la différence entre les deux est encore accentuée, en pratique, par le fait que la peine prononcée à l'égard de H. est une peine ferme qu'il doit purger. L'idée de ne pas créer un écart trop important entre deux coaccusés qui ont participé ensemble au même complexe de faits délictueux est assurément soutenable. On ne peut pas dire que la peine fixée soit choquante. L'autorité cantonale n'a donc pas abusé de son large pouvoir d'appréciation.
3.
(Suite de frais). | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
830abc89-7b0e-455b-98bf-e516407f2ea5 | Urteilskopf
109 IV 39
11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. April 1983 i.S. Dr. K. c. Dr. M. und vice-versa (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 173, 177 StGB
.
1. Aus der prozessualen Behauptungslast folgt nicht das Recht des Anwalts, schlechthin irgendwelche, die Ehre der Gegenpartei berührende und mit dem Prozessthema zusammenhängende Behauptungen aufzustellen, wenn er nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht in guten Treuen annehmen kann, dass sie den Tatsachen entsprechen und rechtsgenügend bewiesen werden können (E. 2e).
2. Wer behauptet, eine Schrift sei das Produkt grösster menschlicher Schlechtigkeit, macht sich dem Verfasser gegenüber der Ehrverletzung schuldig (E. 4a). | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 109 IV 39 S. 39
A.-
Rechtsanwalt Dr. M. hatte dem Präsidenten der Bündner Anwaltskammer den Entwurf einer Rechtsschrift eingereicht, mit welcher er Rechtsanwalt Dr. K. in der Folge einzuklagen gedachte. Wegen verschiedener darin enthaltener Äusserungen fühlte letzterer sich in seiner Ehre verletzt und reichte Klage ein. In einem Schreiben an den Adressaten der Rechtsschrift äusserte er sich über diesen Entwurf wie folgt: "Diese Schrift widerspricht in ihrem Kern den Tatsachen und stellt das Produkt grösster menschlicher Schlechtigkeit dar, die mir jemals widerfahren ist." Dieser Satz veranlasste Dr. M. seinerseits Strafklage wegen Ehrverletzung gegen Dr. K. einzureichen.
BGE 109 IV 39 S. 40
B.-
Der Kreisgerichtsausschuss Chur sprach Dr. M. und Dr. K. der üblen Nachrede schuldig und bestrafte sie mit Bussen von Fr. 1'000.-- und Fr. 100.--. Der Ausschuss des Kantonsgerichtes von Graubünden änderte den erstinstanzlichen Entscheid, indem er Dr. K. bloss der Beschimpfung gemäss
Art. 177 StGB
schuldig erklärte.
C.-
Der Kassationshof wies beide von den Parteien gegen das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden ab, soweit er darauf eintrat.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
I. Nichtigkeitsbeschwerde Dr. M.
2.
e) Nicht haltbar ist die Auffassung des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe mit der Erwägung Bundesrecht verletzt, wonach er nach den gesamten Umständen wohl begründete Veranlassung gehabt habe, aufgrund der vorhandenen Indizien Vermutungen im Sinne der gemachten Äusserungen anzustellen, er diese hingegen nicht als sichere Tatsachen hätte in der Rechtsschrift aufführen dürfen. Wohl hat jede Partei in einem Zivilprozess ein Interesse daran, die Tatsachen zu behaupten, aus denen sie die Entstehung der von ihr geltend gemachten Rechte oder den Untergang der vom Gegner behaupteten Verpflichtungen herleitet. Der Kläger, der nicht alle rechtsbegründenden Tatsachen behauptet, läuft Gefahr, mit der Klage abgewiesen zu werden (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 166 Ziff. III). Aus dieser den Kläger treffenden Behauptungslast folgt indessen nicht auch das Recht des Anwalts, schlechthin irgendwelche mit dem Prozessthema zusammenhängende Behauptungen aufzustellen, selbst wenn er nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen nicht in guten Treuen annehmen kann, dass sie den Tatsachen entsprechen und rechtsgenügend bewiesen werden können. Das muss insbesondere bei Behauptungen gelten, die schwerwiegende Angriffe auf die Ehre der Gegenpartei enthalten. Nicht nur ist hier ein erhöhtes Mass an Sorgfalt bei der Prüfung geboten, ob die Behauptung der Wahrheit entspricht und in welcher Form sie allenfalls vorgetragen werden darf (s.
BGE 105 IV 119
,
BGE 104 IV 16
), sondern es hat der Anwalt auch zu berücksichtigen, dass Beweisschwierigkeiten eine Ehrverletzung nicht zu rechtfertigen vermögen (s.
BGE 105 IV 119
/120,
BGE 104 IV 16
; v. WERRA, Der
BGE 109 IV 39 S. 41
Anwalt und die üble Nachrede, in Bulletin des SAV 1980 Heft Nr. 70 S. 8, 9). Schliesslich muss er, wenn er nach loyaler Abwägung der Gründe und Gegengründe zum Schluss gelangt, auf die ehrverletzende Äusserung nicht verzichten zu können, ohne gleichzeitig seine wohlverstandenen Mandatspflichten zu vernachlässigen, seine die Ehre der Gegenpartei berührenden Ausführungen auf das für die Wahrung der Interessen seines Klienten Notwendige beschränken und insbesondere auch in der Formulierung derselben vorsichtige Zurückhaltung üben. Dass er sich dabei allgemein eigener subjektiver Wertung ehrenrühriger Natur zu enthalten hat, die er sachlich nicht zu begründen vermag, liegt auf der Hand (v. WERRA, loc.cit. und S. 10).
Im vorliegenden Fall hat jedoch der Beschwerdeführer die eingeklagten Äusserungen überhaupt nicht in einem Prozess getan, sondern in einem der Bündner Anwaltskammer eingereichten Entwurf einer Prozesseingabe, mit welcher er Dr. K. einzuklagen gedachte, so dass es fraglich ist, ob er sich auf die Wahrung der Interessen seines Klienten C. berufen kann. Das Verfahren vor der Anwaltskammer war ein standesrechtliches Vermittlungsverfahren zwischen zwei Anwälten. Im übrigen hält die Beschwerde selbst dann nicht stand, wenn man dieses Verfahren als Vorbereitung des Schadenersatzprozesses ansehen und dem Beschwerdeführer dieselbe Stellung zugestehen wollte wie im letztgenannten Prozess. In diesem wäre es dem Beschwerdeführer keineswegs verwehrt gewesen, zur Begründung der Schadenersatzklage des C. die tatsächlichen Vorgänge um den Kauf der Aktientotalität der Firma X. AG sachlich darzulegen und namentlich auch geltend zu machen, seiner Meinung nach beständen Indizien dafür, dass Dr. K. wusste, dass die Aktien in Wirklichkeit nicht von L., sondern von der Anstalt Y. in Vaduz gekauft würden, und dass für diesen Fall eine Irreführung des C. durch Dr. K. naheliege. Auch hätte er durchaus diese Indizien nennen und entsprechende Beweise offerieren können. Damit hätte er der Behauptungslast genügt und gleichzeitig nicht mehr gesagt, als was er nach der verbindlichen Würdigung der Beweise durch die Vorinstanz in guten Treuen hätte verantworten können. Auch wäre er, indem er sich in seinen Schlüssen auf Verdächtigungen beschränkt hätte, einer Bestrafung wegen übler Nachrede in diesem Punkt entgangen (s.
BGE 102 IV 185
). Statt sich bei der vom Kantonsgericht verbindlich dargelegten unsicheren Beweislage der gebotenen Zurückhaltung zu befleissigen, hat er jedoch den Prozessgegner nicht nur im genannten
BGE 109 IV 39 S. 42
Sinne verdächtigt, sondern in seinen aus den objektiv gegebenen Tatsachen gezogenen Schlussfolgerungen in schwerwiegender Weise beschuldigt, indem er Dr. K. vorwarf, er habe beim Aktienkauf einen Partnerwechsel "ausgeheckt" und "heimlich vorbereitet" und die ihm bekannte Bewilligungspflicht des Vertrags dem C. "arglistig" verschwiegen, um seinem Klienten L. "gegebenenfalls die Möglichkeit zu verschaffen, sich, wenn das Geschäft sich doch nicht so anlasse, wie er sich dies erhoffe, auf die Nichtigkeit des Vertrags zu berufen"; er habe C. also "kräftig hinters Licht geführt", ihm überdies einen Grundpfandbestellungsvertrag "abgelistet" und ein "skandalöses" und "vertrags- und treuwidriges Verhalten" an den Tag gelegt. Damit hat der Beschwerdeführer nicht nur unzulässigerweise etwas als Tatsache hingestellt, wozu nach den Unterlagen, über welche er nach dem angefochtenen Urteil verfügte, bloss Grund zu Verdächtigungen bestand (
BGE 107 IV 35
), sondern er ist auch in der Formulierung der Äusserungen weit über das hinausgegangen, was sich nach den gesamten Umständen in guten Treuen sachlich vertreten liess. Wenn die Vorinstanz angesichts dessen zum Schluss kam, der Beschwerdeführer habe für diese schwerwiegenden Anschuldigungen den Gutglaubensbeweis nicht erbracht, hat sie Bundesrecht nicht verletzt.
f) Auf
Art. 32 StGB
könnte sich der Beschwerdeführer zu seiner Entlastung ohnehin nicht berufen, weil die Tatsache, dass der Anwalt mit seinen Äusserungen berechtigte Interessen seines Mandanten wahren will - worin sich seine Berufspflicht diesfalls erschöpft - seit der Teilrevision des StGB vom 5. Oktober 1950 nicht mehr als Rechtfertigungsgrund anerkannt ist, sondern bloss noch als Voraussetzung für die Zulassung zum Entlastungsbeweis in Betracht fällt (
BGE 82 IV 10
,
BGE 80 IV 111
; v. WERRA, a.a.O. S. 7). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers wurde in
BGE 107 IV 35
keineswegs auf
Art. 32 StGB
Bezug genommen. Soweit die Wahrung berechtigter Interessen berücksichtigt wurde, geschah dies, um die begründete Veranlassung und damit die Zulassung zu den Entlastungsbeweisen zu bejahen. Im übrigen aber hatte die Vorinstanz den im gleichen Entscheid enthaltenen Hinweis, dass der Anwalt nicht etwas als sichere Tatsachen hinstellen dürfe, wofür bloss Grund zu Verdächtigungen bestehe, als Erwägung in den Rahmen des Gutglaubensbeweises gestellt und damit jenen Entscheid richtig verstanden.
BGE 109 IV 39 S. 43
II. Nichtigkeitsbeschwerde Dr. K.
4.
a) Der Beschwerdeführer scheint den ehrverletzenden Charakter der Äusserung bestreiten zu wollen, jedoch zu Unrecht. Wer behauptet, eine Schrift sei das Produkt grösster menschlicher Schlechtigkeit, disqualifiziert damit nicht nur die Schrift selber, sondern vor allem deren Verfasser. Er ist derjenige, der die Schrift "produziert" hat, und nur er kann aus menschlicher Schlechtigkeit gehandelt haben. Wer jedoch einen andern bezichtigt, er habe aus grösster menschlicher Schlechtigkeit heraus gehandelt, der wirft ihm eine Einstellung vor, die sich mit den Eigenschaften, die ein ehrbarer Mensch haben muss, nicht vereinbaren lässt. Er setzt ihn also in seiner Ehre herab.
b) Soweit die Argumentation des Beschwerdeführers aber darauf zielt, aus der angeblichen Verhältnismässigkeit seiner Reaktion auf den Angriff des Beschwerdegegners einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln abzuleiten, ist ihm entgegenzuhalten, dass in einem Rechtsstaat ein Delikt grundsätzlich nicht mit einer ebenfalls unter das Strafrecht fallenden Tat vergolten werden darf. Nur wo die besonderen Voraussetzungen des
Art. 33 StGB
erfüllt sind, gesteht das Gesetz dem Angegriffenen das Recht zu, sich mit einer an sich den Tatbestand eines Delikts erfüllenden Handlung zur Wehr zu setzen. Im vorliegenden Fall sind jedoch die Voraussetzungen des
Art. 33 StGB
nicht gegeben, was in der Beschwerde übrigens auch nicht behauptet wird. Was aber die Bestimmungen des
Art. 177 Abs. 2 und 3 StGB
anbelangt, so handelt es sich nicht um Rechtfertigungs-, sondern um fakultative Strafbefreiungsgründe. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
830daab7-bbfe-4872-8082-04aeb8914ec5 | Urteilskopf
113 II 252
46. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 9 juillet 1987 dans la cause dame B.-K. contre B. (recours en réforme) | Regeste
Art. 249 Ziff. 2 OR
. Widerruf einer Schenkung zwischen Ehegatten.
1. Schenkungen zwischen Ehegatten können bei Scheidung widerrufen werden, wenn der Beschenkte die ihm obliegenden gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Ehegatten oder der Familie schwer verletzt hat (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 2).
2. Umstände, die einen Widerruf nach
Art. 249 Ziff. 2 OR
rechtfertigen (E. 4a). Ehebrecherische Beziehung des Beschenkten als Widerrufsgrund; Voraussetzungen (E. 4b); Beginn der Verwirkungsfrist gemäss
Art. 251 Abs. 1 OR
(E. 3).
3. Gültigkeit eines im voraus erklärten Verzichts auf das Widerrufsrecht? (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 113 II 252 S. 253
A.-
B. et K. se sont mariés le 11 janvier 1974. Le 14 mai de la même année, ils ont adopté le régime de la séparation de biens. Par acte authentique du 11 novembre 1974, sieur B. a fait don à sa femme d'une parcelle bâtie, qu'il avait achetée avant le mariage. Il s'en est toutefois réservé l'usufruit, sa vie durant, et en a stipulé le retour à son profit, pour le cas de prédécès de son épouse.
En décembre 1981, dame B. a introduit une procédure en divorce. Le 30 juin 1983, le Tribunal de première instance du canton de Genève a prononcé la dissolution du mariage; son jugement a été confirmé, pour l'essentiel, par la Cour de justice statuant le 11 mai 1984, sur appel de l'épouse.
B.-
Le 19 janvier 1983, B., agissant par l'intermédiaire de son conseil, a informé sa femme qu'il révoquait la donation qu'il lui avait faite le 11 novembre 1974. Il a ensuite ouvert, le 28 avril 1983, une action en constatation de la validité de cette révocation, motif
BGE 113 II 252 S. 254
pris d'une liaison de son épouse avec X. La défenderesse a conclu au rejet de la demande.
Par jugement du 6 décembre 1984, le Tribunal de première instance du canton de Genève a admis la validité de la révocation de la donation.
Statuant le 19 septembre 1986, sur appel de la défenderesse, la Cour de justice du canton de Genève a confirmé ce jugement.
C.-
La défenderesse interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral en concluant à l'annulation de l'arrêt de la cour cantonale et au rejet de la demande de son ex-mari.
Le Tribunal fédéral rejette le recours, dans la mesure où il est recevable, et confirme l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Dans l'arrêt
ATF 85 II 70
, le Tribunal fédéral n'a pas suivi l'opinion de la cour cantonale, fondée notamment sur l'avis de KNAPP (Le régime matrimonial de l'union des biens, No 880), d'après laquelle la défenderesse devait de toute façon restituer, en vertu de l'
art. 249 ch. 2 CO
, les bijoux qu'elle avait reçus de son ex-mari. Il a considéré qu'un conjoint, fût-il innocent, ne saurait en principe réclamer, pour cause de divorce, la restitution des présents faits à l'autre.
Cet arrêt a été diversement interprété par la doctrine. Certains auteurs y ont vu un cas d'application de l'
art. 249 ch. 2 CO
(CAVIN, La vente - L'échange - La donation, in: Traité de droit privé suisse, t. VII/1, p. 187 in fine/188, n. 5; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Bes. Teil, p. 274), alors que d'autres en ont déduit le refus - plus ou moins explicite - du Tribunal fédéral de soumettre les donations entre époux à la révocation prévue par cette disposition (BÜHLER/SPÜHLER, n. 73 ad
art. 154 CC
; GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, 7e éd., p. 361; JUCKER, Zur Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts auf Rechtsverhältnisse zwischen Ehegatten (Art. 7 ZGB), thèse Bâle 1973, p. 153); deux commentateurs, enfin, n'y ont pas trouvé de réponse à la question litigieuse (ALTHERR, Leitsätze zum Obligationenrecht, n. 2 ad
art. 249 CO
; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3e éd., p. 123, n. 4). Il apparaît ainsi nécessaire de lever l'équivoque que cette jurisprudence a créée.
BGE 113 II 252 S. 255
b) Sous réserve de cas exceptionnels tels que celui des joyaux de famille (
ATF 71 II 255
), on ne peut présumer que les donations entre époux sont faites à la condition que le lien conjugal ne soit pas rompu par le divorce (arrêt non publié Iseli, du 9 octobre 1947, consid. 1). En d'autres termes, le divorce n'est pas en soi une cause de restitution des donations. Dans la mesure où il rappelle ce principe, l'arrêt controversé doit être confirmé. Il ne pourrait l'être, en revanche, s'il fallait le comprendre en ce sens que la révocation d'une donation entre conjoints ne serait jamais possible en cas de divorce. En effet, comme le souligne à juste titre MERZ (Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1959, in: RJB 96 (1960), p. 406), on ne voit pas sur quelle règle - écrite ou non écrite - du droit de la famille une telle opinion pourrait se fonder. Elle irait du reste à l'encontre de tous les avis exprimés sur ce point dans la doctrine (en plus des auteurs susmentionnés, cf. EGGER, n. 5b ad
art. 154 CC
; GMÜR, n. 24 ad
art. 154 CC
; TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9e éd., p. 156 in fine; KEEL, Schenkungen unter Ehegatten, thèse Fribourg 1926, p. 89/90; MEIER, Der Widerruf von Schenkungen in schweizerischem Recht, thèse Zurich 1958, p. 68/69). Il est cependant douteux que le Tribunal fédéral ait adopté cette opinion dans l'arrêt précité. De fait, il paraît n'y avoir exclu l'application de l'
art. 249 ch. 2 CO
qu'en considération des circonstances du cas particulier et non pas d'une manière générale, pour toutes les donations entre époux. C'est du moins ce que l'on peut inférer des mots "nella fattispecie" ("en l'espèce"), qui figurent dans le texte original (
ATF 85 II 72
, 2e ligne) - les traductions française (JdT 1959 I 471) et allemande (Pra. 48 (1959), p. 295) ne les reprennent pas -, ainsi que de la dernière phrase de l'arrêt où sont mis en évidence les torts partagés des ex-conjoints et le défaut de qualité d'époux innocent du demandeur. Au demeurant, l'arrêt n'expose pas les raisons pour lesquelles il y aurait lieu de renoncer, par principe, à soumettre les donations entre conjoints à l'
art. 249 ch. 2 CO
.
Quoi qu'il en soit, cette jurisprudence manque de clarté. Aussi convient-il de la préciser en posant nettement que l'
art. 249 ch. 2 CO
s'applique aux donations que les époux se sont faites. Celles-ci peuvent donc être révoquées en cas de divorce, mais également durant le mariage, lorsque le donataire a gravement failli aux devoirs que la loi lui impose envers son conjoint ou sa famille.
BGE 113 II 252 S. 256
3.
Aux termes de l'
art. 251 al. 1 CO
, la révocation peut avoir lieu dans l'année à compter du jour où le donateur a eu connaissance de la cause de révocation. Cette disposition institue un délai de péremption du droit de révocation du donateur (
ATF 96 II 126
in fine; STANISLAS, Péremption et prescription en cas de révocation d'une donation, in: RSJ 74 (1978), p. 72).
En l'occurrence, la défenderesse reproche à la cour cantonale de n'avoir pas pris comme dies a quo la date à laquelle elle avait avoué sa liaison au demandeur. C'est oublier que la liaison confessée en août 1981 n'a pas cessé à ce moment-là, mais s'est au contraire poursuivie, ce que le demandeur n'a appris qu'en février 1982 à la suite de la découverte d'une lettre de l'amant de sa femme. Or, il est admis que le délai de péremption de l'
art. 137 al. 2 CC
recommence à courir chaque fois que l'époux trompé a connaissance d'un nouveau développement de la liaison de son conjoint. En effet, celui qui attend avant d'ouvrir action en divorce, dans l'espoir que le manquement sera passager, n'est pas privé pour autant de son droit de le faire s'il doit constater ultérieurement que la liaison perdure (BÜHLER/SPÜHLER, n. 68 ad Einleitung). L'application analogique de ce principe au droit de révocation du donateur permet dès lors de constater que la Cour de justice a fait partir avec raison le délai pour l'exercice de ce droit du jour de la découverte du caractère durable de la liaison et du rôle causal joué par celle-ci tant dans la rupture définitive du lien conjugal que dans la procédure en divorce intentée par l'épouse.
4.
a) L'
art. 249 ch. 2 CO
prévoit la possibilité de révoquer une donation, lorsque le donataire a gravement failli aux devoirs que la loi lui impose envers le donateur ou sa famille. Il reprend ainsi le motif d'exhérédation de l'
art. 477 ch. 2 CC
(BECKER, n. 3 ad art. 249; OSER/SCHÖNENBERGER, n. 6 ad art. 249; GUHL/MERZ/KUMMER, ibid.; CAVIN, ibid.; KNAPP, ibid.). Les principes jurisprudentiels relatifs à cette dernière disposition lui sont par conséquent applicables mutatis mutandis (cf.
ATF 106 II 306
/307 consid. 3 lettres a et b et les références). Il en résulte que la gravité du manquement allégué dépend de l'ensemble des circonstances objectives et subjectives du cas particulier. Pour en juger, il faut tenir compte, notamment, du comportement et d'une éventuelle faute concurrente du donateur, du milieu dans lequel vivent les intéressés et des conceptions qui y règnent, ainsi que de la mesure dans laquelle une atteinte a été portée aux sentiments du
BGE 113 II 252 S. 257
donateur et à la communauté familiale ou conjugale (outre les auteurs cités dans l'arrêt susmentionné, cf. BECKER, ibid.; BÜHLER/SPÜHLER, n. 74 ad art. 154; KEEL, op.cit., p. 89; JUCKER, op.cit., p. 154; MEIER, op.cit., p. 69). Dans cette appréciation, le juge jouit d'un large pouvoir; le Tribunal fédéral n'intervient que si l'instance cantonale a retenu des éléments qui ne jouent aucun rôle ou a négligé des circonstances importantes.
b) aa) La cour cantonale a vu dans la liaison adultère de la défenderesse un manquement grave au devoir de fidélité que l'
art. 159 al. 3 CC
impose aux époux. Soulignant que, malgré sa part de responsabilité dans la désunion, le mari avait néanmoins tenté d'éviter le pire en proposant à sa femme de suivre une thérapie de couple, elle a estimé que cette liaison durable de l'épouse était bien à l'origine de la rupture définitive du lien conjugal.
La défenderesse s'abstient à juste titre de contester la gravité objective de la violation du devoir légal de fidélité (voir à ce sujet les considérations pertinentes émises dans l'arrêt genevois précité, SJ 1980 p. 263/264). Il faut également lui donner raison lorsqu'elle soumet la validité de la révocation d'une donation entre époux, en cas de divorce, à l'exigence de la responsabilité exclusive ou prépondérante du donataire dans la désunion (cf.
ATF 85 II 72
in fine, déjà cité; KNAPP, ibid.; KEEL, op.cit., p. 89 in fine/90; MEIER, op.cit., p. 68 lettre b in fine). Le présent examen doit dès lors être restreint à la question de savoir si, comme elle le soutient dans son recours, les faits que la défenderesse impute à son ex-mari, ainsi que le caractère prétendument non causal de sa liaison, auraient dû amener la cour cantonale à constater que cette dernière condition n'était pas réalisée en l'espèce.
bb) En ce qui concerne les torts respectifs des époux, leur incidence sur la désunion du couple, et le moment de la survenance de celle-ci, la défenderesse se réfère aux jugements rendus dans la procédure de divorce et cite en outre quelques témoignages extraits du dossier de cette procédure. En revanche, elle ne prétend pas que les constatations de fait de l'arrêt attaqué reposeraient sur une inadvertance manifeste (art. 55 al. 1 lettre d et 63 al. 2 OJ; cf. ATF
ATF 104 II 74
consid. 3b, 114 consid. 3a et les arrêts cités) et n'indique pas en quoi l'appréciation juridique des faits retenus par la Cour de justice violerait le droit fédéral (
art. 43 al. 4 OJ
). Son recours ne satisfait donc manifestement pas à l'exigence de motivation de l'art. 55 al. 1 lettre c OJ (cf.
ATF 106 II 175
/176).
BGE 113 II 252 S. 258
Au demeurant, lorsqu'il est saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral ne peut de toute manière pas revoir les constatations de fait de l'arrêt attaqué (art. 43 al. 3, 55 al. 1 lettre c et 63 al. 2 OJ), au nombre desquelles figurent celles portant sur le rôle causal des facteurs de désunion (cf.
ATF 92 II 140
consid. 2 et les arrêts cités). En l'occurrence, ces constatations paraissent différer sensiblement de celles des deux jugements de divorce; cet état de choses n'est toutefois en rien contraire au droit fédéral, lequel n'interdisait nullement à la Cour de justice de reconsidérer le problème des faits générateurs du divorce (cf., par analogie, l'
ATF 106 II 120
consid. 2a).
Force est dès lors de tenir pour constant, sur le vu de l'arrêt entrepris, que, nonobstant la part de responsabilité incombant au mari, la cause de la rupture définitive du lien conjugal résidait en l'espèce dans la liaison durable nouée par l'épouse. Dans ces conditions, on ne saurait reprocher à la cour cantonale d'avoir violé le droit fédéral en jugeant que le manquement de la défenderesse à son devoir de fidélité était suffisamment grave pour justifier la révocation de la donation en application de l'
art. 249 ch. 2 CO
. Il apparaît au contraire qu'elle n'a négligé aucune circonstance importante dans son appréciation de la gravité de la faute de la bénéficiaire du don.
Partant, ce second moyen doit être lui aussi rejeté, si tant est qu'il soit recevable.
5.
Tirant argument du temps qui s'est écoulé entre la donation et sa révocation, ainsi que de l'absence de stipulation d'un droit de retour pour le cas de séparation des époux, la défenderesse en infère le caractère irrévocable de la donation.
Ce dernier moyen ne résiste pas non plus à l'examen. Tout d'abord, on ne voit pas en quoi les circonstances alléguées autoriseraient une telle déduction. En outre, s'agissant in casu d'une donation d'immeuble, son irrévocabilité aurait dû être stipulée en la forme authentique exigée pour la promesse de donner (
art. 243 al. 2 CO
). La validité d'une renonciation anticipée au droit de révocation prévu par l'
art. 249 ch. 2 CO
apparaît de surcroît plus que douteuse au regard des
art. 27 CC
, 19 et 20 CO (cf., sur ce point, MEIER, op.cit., p. 81 ch. 2 et, par analogie, l'
ATF 62 II 6
/7 consid. 2). Au reste, le caractère révocable ou non que les conjoints ont pu donner à la donation est aussi une question de fait, puisqu'il dépend de la volonté dite interne des parties (cf.
ATF 107 II 424
consid. 3a et les arrêts cités). On peut
BGE 113 II 252 S. 259
ajouter, pour terminer, que ce moyen n'a de toute façon pas été invoqué en appel, qu'il est donc nouveau et, par conséquent, irrecevable (art. 55 al. 1 lettre c OJ). | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
830f85cd-fab6-4ed9-a809-b3d2b0140502 | Urteilskopf
135 III 145
20. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen C.B. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_188/2008 vom 25. September 2008 | Regeste
Persönlichkeitsverletzung durch Darstellungen in einem Roman (
Art. 28 und 28a ZGB
).
Eine Persönlichkeitsverletzung, die darin besteht, dass einer Romanfigur, in der sich aufgrund der dargestellten Umstände eine Person erkennt, ein das Ansehen beeinträchtigendes Verhalten zugeschrieben wird, ist mit einer Persönlichkeitsverletzung in einem Brief zu vergleichen; insofern ist ohne Belang, ob auch andere Leser des Romans auf die betreffende Person schliessen können (E. 4.4).
Voraussetzungen für ein Verbot, einen Roman weiter zu vertreiben, und für eine Anordnung der Publikation des eine Persönlichkeitsverletzung feststellenden Urteils (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 135 III 145 S. 146
J. kam als sehr junge Frau nach X. im gleichnamigen Tal, wo sie den 33 Jahre älteren Bergbauern K.B. heiratete. Die beiden führten den landwirtschaftlichen Hof "Y.". Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor. Im Juni 2001 erlitt K.B. einen tödlichen Unfall. In der Folge konnte A. als Betriebshelfer auf dem Hof eingestellt werden. Er wohnte im gleichen Haus wie J. und ihre Kinder. C.B., Bruder von K.B., hatte schon vor dessen Tod und dann vor allem auch nachher häufig auf dem Hof mitgeholfen. Im Oktober 2001 verliess J. das X.-Tal. Als Verwalter des Hofes setzte sie A. ein, den sie im Jahre 2003 heiratete.
Im Herbst 2003 erschien der von A. verfasste Roman "Wie viel wert ist Rosmarie V.?". Er handelt von Rosmarie Vonalmen, einer jungen Frau aus dem Unterland, die auf der Suche nach dem Lebensglück in ein Schweizer Hochtal (St. Lorenztal) zieht, wo sie einen dort ansässigen Bauern heiratet. Im Roman erscheint unter anderem Sebastian ("Basti") Vonalmen, der Bruder von Rosmaries Ehemann Noldi. Er wird als triebhafter, gewalttätiger Mann dargestellt, der Rosmarie erpresst, vergewaltigt und belästigt und mit ihr ein teuflisches Spiel treibt. Auch habe er den Betriebshelfer Samuel Joss mit dem Tod bedroht.
C.B. reichte mit Eingabe vom 11. Mai 2004 beim Kreisgericht P. gegen A. Klage ein und beantragte, es sei festzustellen, dass dieser seine Persönlichkeit widerrechtlich verletzt habe, indem er in seinem Buch "Wie viel wert ist Rosmarie V.?" (an verschiedenen,
BGE 135 III 145 S. 147
einzeln bezeichneten Stellen) behauptet habe, er, C.B., habe Rosmarie V., Ehefrau des verstorbenen Bruders K.B., vergewaltigt, gedemütigt und erpresst und ihn, A., persönlich mit dem Tod bedroht. Ausserdem sei A. zu verpflichten, ihm eine Genugtuung von Fr. 10'000.- zu zahlen, ihm, A., zu befehlen, den Vertrieb des Buches sofort einzustellen, und das Urteil auf dessen Kosten je einmal in den Tageszeitungen "Sarganserländer" und "Die Südostschweiz" zu publizieren.
Mit Entscheid vom 31. Oktober 2006 wies das Kreisgericht P. die Klage ab.
C.B. erhob Berufung mit dem Rechtsbegehren, den Entscheid des Kreisgerichts aufzuheben und seine Klagebegehren gutzuheissen.
Am 8. Januar 2008 stellte das Kantonsgericht St. Gallen fest, dass A. die Persönlichkeit von C.B. im geltend gemachten Sinn widerrechtlich verletzt habe. Gleichzeitig sprach es diesem eine Genugtuung von Fr. 10'000.- zu, befahl A. unter Strafandrohung, den Vertrieb des Buches einzustellen, und ordnete an, dass das Urteil in der von ihm festgelegten Form in den Tageszeitungen "Sarganserländer" und "Die Südostschweiz" je einmal zu veröffentlichen sei.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 19. März 2008 verlangt A., den kantonsgerichtlichen Entscheid aufzuheben.
C.B. schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, und vollumfängliche Bestätigung des kantonsgerichtlichen Entscheids.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen (
Art. 28 Abs. 1 ZGB
). Eine Verletzung ist nach
Art. 28 Abs. 2 ZGB
dann widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Voraussetzung einer Persönlichkeitsverletzung im erwähnten Sinne ist, dass der Betroffene aufgrund der Verletzungshandlung - beispielsweise der Ausführungen in einem Buch wie hier - individualisiert werden kann. Zu verlangen ist zumindest, dass der Betroffene sich selbst erkennen kann (subjektive Erkennbarkeit). In gewissen
BGE 135 III 145 S. 148
Fällen ist zudem erforderlich, dass auch andere Personen erkennen können, um wen es sich handelt (dazu ANDREAS MEILI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I, 3. Aufl., N. 39 zu
Art. 28 ZGB
; THOMAS GEISER, Die Persönlichkeitsverletzung insbesondere durch Kunstwerke, Basel 1990, S. 7 Ziff. 0.19; ANDREAS BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, 3. Aufl., Basel 1999, S. 123 Rz. 498).
Der Verletzte kann die Beseitigung der bestehenden Verletzung und, falls die Störung anhält, die Feststellung ihrer Widerrechtlichkeit beantragen (
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 2 und 3 ZGB
). Ferner kann er verlangen, dass eine Berichtigung oder das Urteil Dritten mitgeteilt oder veröffentlicht werde (
Art. 28a Abs. 2 ZGB
). Vorbehalten bleiben ausserdem namentlich Klagen auf Schadenersatz und Genugtuung (
Art. 28a Abs. 3 ZGB
).
4.
4.1
Unter Hinweis auf den Entscheid der ersten Instanz geht das Kantonsgericht davon aus, die subjektive Erkennbarkeit sei gegeben. Das Kreisgericht hatte festgehalten, der Beschwerdegegner habe ausgeführt, im Buch des Beschwerdeführers werde, mit Ausnahme der "Untaten", die von ihm und seiner Mutter handelten, genau seine Familie beschrieben, wenn auch mit Decknamen; das Ganze sei keine wahre Geschichte, sondern eine ehrverletzende Schmähschrift. Weiter hatte die erste Instanz erklärt, dass der Beschwerdeführer einiges aus der Lebensgeschichte der Familie B. in sein Buch habe einfliessen lassen. Angesichts der vorhandenen Übereinstimmungen erstaune es nicht, dass sich der Beschwerdegegner in der Romanfigur "Sebastian" wiedererkannt haben wolle, und mit Bezug auf ihn sei die subjektive Erkennbarkeit zu bejahen.
Im Gegensatz zur ersten Instanz hat das Kantonsgericht auch die objektive Erkennbarkeit bejaht. Es hält fest, dass bei dieser Frage auf die nähere persönliche Umgebung des Betroffenen abzustellen sei. Massgebend sei der Kreis der Personen am Ort, wo der Verletzte einen wesentlichen Teil seines Lebens gewohnt und gearbeitet habe und wo Familienangehörige und Bekannte lebten, zu denen nach wie vor ein enger Bezug bestehe. Angesichts der vielen Übereinstimmungen zwischen Vorkommnissen in den Erzählungen im Roman des Beschwerdeführers und solchen, die sich im Leben des Beschwerdegegners zugetragen hätten, liege die objektive Erkennbarkeit für den massgeblichen Personenkreis auf der Hand: Jeder, der den Beschwerdegegner nicht nur oberflächlich kenne und
BGE 135 III 145 S. 149
einigermassen mit seinen Lebensumständen vertraut sei, müsse aus den Darstellungen im Roman auf ihn schliessen. Es genüge dabei die potentielle Erkennbarkeit. Da diese insbesondere bei den Bewohnern des X.-Tals sowie bei den nächsten Bekannten des Beschwerdegegners wie ferner auch bei Nachbarn oder Verwandten gegeben sei, habe der Beschwerdeführer mit der Streuung des Romans im X.-Tal bewusst gefördert, dass Leser aus dem massgeblichen Personenkreis den Beschwerdegegner in der Romanfigur Sebastian auch tatsächlich erkennen würden.
Die Vorinstanz gelangt alsdann auch zum Schluss, dass der Beschwerdegegner durch die von ihm geltend gemachten Passagen im Roman in seiner Ehre verletzt worden sei. Zwar treffe zu, dass der Beschwerdeführer nirgends die Verben "vergewaltigen", "demütigen" und "erpressen" dem Beschwerdegegner zugeschrieben habe. Aus dem Gesamtzusammenhang ergäben sich aber die der Romanfigur Sebastian unterstellten Tätigkeiten ohne weiteres, zumal Sebastian mehrmals als Vergewaltiger und Erpresser dargestellt werde. Ferner gehe aus dem Roman unzweifelhaft hervor, dass Sebastian Rosmarie V. in grober Art und Weise gedemütigt habe, sei doch immer wieder vom teuflischen Spiel und auch davon die Rede, dass er sein Opfer dort gehabt habe, wo er es habe haben wollen, nämlich ganz unten. Jede Beschuldigung, die geeignet sei, das Ansehen einer Person herabzusetzen, stelle eine Verletzung der rechtlich geschützten Ehre dar. Es sei offensichtlich, dass der Vorwurf der Vergewaltigung, Demütigung und Erpressung das Ansehen des Beschwerdegegners auch nach Massgabe eines Durchschnittslesers des strittigen Buches herabmindere, werde er doch mit diesen Vorwürfen mehrfach als Verbrecher dargestellt, was zweifellos persönlichkeitsverletzend sei. Aus der vom Beschwerdegegner beanstandeten Passage auf Seite 149 des Romans ("Mach, dass du vom Tal verschwindest - sonst helfe ich dir noch nach. Aber, wenn es soweit kommen muss, dann Gnade dir Gott - dann hast du die Sonne und die Sterne zum letzten Mal gesehen.") müsse der unbefangene Durchschnittsleser trotz der blumig-abstrakten Formulierung ausserdem klar den Schluss ziehen, der Beschwerdeführer unterstelle dem Beschwerdegegner, ihn mit dem Tod bedroht zu haben, was ebenfalls persönlichkeitsverletzend sei.
4.2
Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Vorinstanz zu Unrecht die subjektive Erkennbarkeit bejaht habe. Der Beschwerdegegner habe nicht nur den verstorbenen Bruder gehabt, sondern
BGE 135 III 145 S. 150
habe noch zwei weitere Brüder. Damit sei erstellt, dass aus dem angeblich entscheidrelevanten Personenkreis nicht einmal der Beschwerdegegner genau bestimmbar sei. Wie sich aus dem Beweisverfahren somit ergebe, habe ihm, dem Beschwerdeführer, nicht nachgewiesen werden können, dass er mit "Basti" den Beschwerdegegner gemeint habe. Die von der Vorinstanz angenommene subjektive Erkennbarkeit beruhe demnach bloss auf einer vagen Vermutung.
Soweit die Vorbringen des Beschwerdeführers sich gegen tatsächliche Feststellungen des Kantonsgerichts richten, sind sie in keiner Weise geeignet, diese als willkürlich erscheinen zu lassen. Ebenso wenig vermag der Beschwerdeführer darzutun, dass der angefochtene Entscheid in diesem Punkt in rechtlicher Hinsicht gegen Bundesrecht verstosse. Er begnügt sich damit, in appellatorischer Form der rechtlichen Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten durch die Vorinstanz seine eigene Sicht der Dinge gegenüberzustellen. Sein Hinweis auf die Erklärungen des Beschwerdegegners, wonach dieser mit den im strittigen Buch "Basti" zugeschriebenen Untaten nichts zu tun habe und alles erlogen sei, ist im Übrigen unbehelflich: Dass gewisse im Roman dargestellte Vorkommnisse nicht der Wirklichkeit entsprechen, ändert nichts daran, dass der Beschwerdegegner aufgrund einer Reihe anderer, mit der Realität übereinstimmender Umstände und Begebenheiten sich veranlasst sehen konnte, sich in der erwähnten Romanfigur zu erkennen.
Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass die subjektive Erkennbarkeit zu bejahen ist.
4.3
Mit den von ihm beanstandeten kantonsgerichtlichen Ausführungen, wonach verschiedene Passagen des strittigen Romans die Persönlichkeit des Beschwerdegegners in schwerer Weise verletzten, setzt sich der Beschwerdeführer ebenfalls nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (
Art. 42 Abs. 2 BGG
) genügenden Form auseinander. Auch in diesem Punkt beschränkt sich der Beschwerdeführer im Wesentlichen darauf, seine eigene Sicht der Dinge vorzutragen. Soweit er sich auf die Kunstfreiheit (
Art. 21 BV
) beruft, ist zu bemerken, dass auch der Kunstschaffende die Persönlichkeitsrechte anderer zu respektieren hat und das Interesse des Verletzten gegen das Interesse des Verletzers an der künstlerischen Betätigung abzuwägen und dabei zu berücksichtigen ist, welche Möglichkeiten dem Künstler offengestanden hätten, sein Werk ohne die
BGE 135 III 145 S. 151
Persönlichkeitsverletzung zu schaffen (
BGE 120 II 225
E. 3b S. 227). Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was die in seinem Roman enthaltenen persönlichkeitsverletzenden Stellen im Sinne dieser Rechtsprechung zu rechtfertigen vermöchte.
4.4
Verletzungen der Persönlichkeit des Beschwerdegegners im Sinne von
Art. 28 ZGB
sind nach dem Gesagten bereits aufgrund des Buchtextes als solchen gegeben. Sie sind aus dieser Sicht mit Persönlichkeitsverletzungen zu vergleichen, die beispielsweise in einem Brief enthalten sind. Ob und inwiefern auch andere Leser des strittigen Romans auf den Beschwerdegegner haben schliessen können, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Anders verhält es sich etwa bei gewissen Darstellungen in Massenmedien (dazu
BGE 132 III 641
E. 3.1 S. 644). Soweit die Beschwerde sich gegen die Annahme der Vorinstanz wendet, der Beschwerdeführer habe den Beschwerdegegner in seiner Persönlichkeit verletzt, ist sie mithin abzuweisen.
5.
Der Beschwerdeführer hält den an ihn gerichteten Befehl des Kantonsgerichts, den Vertrieb des strittigen Buchs einzustellen, für unverhältnismässig und verlangt zudem, dass von einer Publikation des Urteils in den Tageszeitungen "Sarganserländer" und "Die Südostschweiz" abzusehen sei.
5.1
Ein Vertriebsverbot setzt voraus, dass die Störung der Persönlichkeit noch andauert und es jene zu beheben vermag (MEILI, a.a.O., N. 4 zu
Art. 28a ZGB
). Ähnliches gilt für die Publikation des Urteils, deren Anordnung sich nur dann rechtfertigt, wenn die Folgen der Persönlichkeitsverletzung, d.h. die bei einer unbekannten Zahl von Dritten geschaffenen unrichtigen Vorstellungen, nur mit einer solchen Massnahme beseitigt werden können (vgl.
BGE 106 II 92
E. 4a S. 101 mit Hinweis; MARIO M. PEDRAZZINI/NIKLAUS OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl., Bern 1993, S. 157). Beide Vorkehren hangen hier somit von den Wirkungen der persönlichkeitsverletzenden Stellen im Roman des Beschwerdeführers auf aussenstehende Leser ab. Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern sich für einen solchen Leser von der Romanfigur "Sebastian" bzw. "Basti" auf den Beschwerdegegner habe schliessen lassen. Die Vorinstanz hält dafür, der für diese Frage der (objektiven) Erkennbarkeit massgebende Personenkreis sei eng zu ziehen; es müsse die Erkennbarkeit in der näheren persönlichen Umgebung des Beschwerdegegners (Wohn- und Arbeitsort während eines
BGE 135 III 145 S. 152
wesentlichen Teils des Lebens; Wohnort von mit ihm eng verbundenen Familienangehörigen und Bekannten) genügen.
5.2
Ob das gesellschaftliche Ansehen einer Person durch eine Äusserung der vorliegenden Art in einschlägiger Weise geschmälert worden ist, beurteilt sich nach einem objektiven Massstab; zu prüfen ist gemäss bundesgerichtlicher Praxis, ob das Ansehen vom Durchschnittsleser aus gesehen als beeinträchtigt erscheint, wobei die konkreten Umstände, wie etwa der Rahmen der Äusserung, in Betracht zu ziehen sind (
BGE 129 III 49
E. 2.2 S. 51;
BGE 111 II 209
E. 2 S. 211, je mit Hinweisen). Es bestehen keine Gründe, hier von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Etwas anderes vermag auch der Beschwerdegegner nicht darzutun. Der Auffassung der Vorinstanz, der Kreis der massgebenden Leser sei auf die nähere persönliche Umgebung des Beschwerdegegners zu beschränken, ist nicht beizupflichten. So erschiene es denn als unverhältnismässig, den Vertrieb der gesamten Auflage des strittigen Buches (die sich nach Angaben des Beschwerdeführers auf mindestens 2'500 Exemplare beläuft) zu verbieten, bloss weil für einen engen Personenkreis (von Eingeweihten) die massgebliche Erkennbarkeit gegeben ist. Ähnlich liegen die Dinge bei der von der Vorinstanz angeordneten Publikation des Urteils in den beiden Tageszeitungen "Sarganserländer" und "Die Südostschweiz". Hier besteht ein krasses Missverhältnis zwischen dem vom Kantonsgericht als massgebend bezeichneten Kreis von Personen, für die davon auszugehen ist, sie hätten in der Romanfigur "Sebastian" bzw. "Basti" den Beschwerdegegner erkennen können, und dem Leserkreis der beiden Zeitungen. Es ist dem Beschwerdegegner möglich und auch zuzumuten, die zum erwähnten (engen) Kreis zählenden Personen nach Bedarf persönlich zu informieren, indem er ihnen beispielsweise Einsicht in das sein Hauptbegehren schützende Urteil gewährt.
5.3
Nach dem Gesagten erscheinen sowohl der Befehl, den weiteren Vertrieb des Romans einzustellen, wie auch die durch die Vorinstanz angeordneten Urteilspublikationen als unverhältnismässig und damit bundesrechtswidrig. Hinsichtlich dieser beiden Punkte ist die Beschwerde daher gutzuheissen und das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben.
6.
Im Zusammenhang mit der zugesprochenen Genugtuung weist das Kantonsgericht darauf hin, dass der Beschwerdegegner im strittigen Roman mehrfach als Verbrecher dargestellt werde und
BGE 135 III 145 S. 153
seinen Aussagen eine grosse Betroffenheit zu entnehmen sei. Bei den Vorwürfen handle es sich um objektiv schwere Persönlichkeitsverletzungen. Die Voraussetzungen für eine Genugtuung seien daher insgesamt gegeben, wobei auch zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer durch die zielgerichtete Streuung des Romans im X.-Tal die tatsächliche Erkennbarkeit beim massgeblichen Personenkreis bewusst erhöht habe. Die beantragte Höhe von Fr. 10'000.- sei angemessen.
Der Beschwerdeführer setzt sich mit den Erwägungen der Vorinstanz nicht auseinander. Stattdessen begnügt er sich damit, jenen seine eigene Betrachtungsweise entgegenzuhalten. Seine Vorbringen vermögen die dem Beschwerdegegner zugesprochene Genugtuung weder dem Grundsatze noch ihrer Höhe nach als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. In diesem Punkt ist die Beschwerde daher abzuweisen. | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8318191a-1cb5-45aa-984d-b078115c7934 | Urteilskopf
108 Ib 479
81. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 26 mai 1982 dans la cause Desbaillets c. Genève, Grand Conseil (recours de droit public) | Regeste
Raumplanung. Änderung von Nutzungsplänen.
Art. 33 und 36 RPG
.
1. Die provisorische Festlegung des auf die Änderung von Nutzungsplänen anwendbaren Verfahrens in einem vom Genfer Staatsrat angenommenen Übergangsreglement verstösst weder gegen Bundesrecht (
Art. 36 Abs. 2 RPG
) noch gegen das Gewaltentrennungsprinzip und den Grundsatz der Übereinstimmung der Formen (E. 2).
2. Die Genfer Regelung, wonach Änderungen des Nutzungsplanes durch den Grossen Rat nach der öffentlichen Bekanntmachung, dem Einspracheverfahren und nach Anhörung der Einsprecher genehmigt werden, genügt den Anforderungen des
Art. 33 RPG
(E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 480
BGE 108 Ib 479 S. 480
Henri Desbaillets est propriétaire d'un terrain de 7632 m2, qui était tout d'abord classé en 5e zone B (agricole), mais que la loi du 6 avril 1962 a englobé dans une aire de développement de la zone 4 B protégée du village de Dardagny, ce qui autorisait le Conseil d'Etat à y faire appliquer les normes de la 4e zone rurale protégée, dans laquelle il est possible de construire des villas.
Le 30 avril 1980, le Département des travaux publics du canton de Genève a mis à l'enquête un nouveau plan qui réduisait substantiellement le périmètre de la zone de développement 4 B protégée du village de Dardagny et classait en zone agricole (5 B) le terrain de Desbaillets. Le 29 octobre 1980, le Conseil d'Etat a approuvé le projet de loi sanctionnant le nouveau plan et l'a soumis à la procédure de publication en vue d'oppositions éventuelles, en application de l'art. 3 du règlement transitoire d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire. Dans une opposition du 28 novembre 1980, Desbaillets a demandé le maintien de son terrain en zone de développement 4 B.
Le projet de loi et les oppositions ayant été soumis par le Conseil d'Etat au Grand Conseil, celui-ci les a renvoyés à l'examen de sa Commission permanente dite de développement, laquelle a entendu le recourant et son conseil et a procédé à une vision des lieux. Après avoir rejeté un amendement tendant à laisser le terrain Desbaillets en zone de développement 4 B, la Commission a proposé au Grand Conseil d'écarter l'opposition de Desbaillets et d'adopter le projet de loi.
Dans sa séance du 7 mai 1981, le Grand Conseil a évoqué la question de la constitutionnalité du règlement transitoire d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire et a discuté un amendement tendant à maintenir le terrain Desbaillets en zone de développement. Il a écarté cet amendement à une voix de majorité et a voté le projet tel qu'il résultait des débats de sa Commission.
BGE 108 Ib 479 S. 481
Agissant par la voie du recours de droit public, Henri Desbaillets demande au Tribunal fédéral d'annuler la loi du 7 mai 1981 "dans la mesure où elle emporte le rejet de l'opposition formée par le recourant à ladite loi genevoise" et d'enjoindre à l'autorité cantonale de classer son terrain en zone 4 B, en modifiant en conséquence le plan des zones approuvé par le Grand Conseil. Il allègue notamment la violation du principe de la force dérogatoire du droit fédéral (art. 2 Disp. trans. Cst.) et du principe de la séparation des pouvoirs.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant soutient que le principe de la séparation des pouvoirs a été violé et que le règlement cantonal d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, adopté par le Conseil d'Etat, n'est pas une base légale suffisante pour la procédure qui a conduit à l'adoption de la loi attaquée; il allègue aussi la violation du principe du parallélisme des formes.
a) L'
art. 36 al. 1 LAT
charge les cantons d'édicter les prescriptions nécessaires à l'application de la loi; l'al. 2 prévoit que "aussi longtemps que le droit cantonal n'aura pas désigné d'autres autorités compétentes, les gouvernements cantonaux sont autorisés à prendre des mesures provisionnelles, en particulier à prévoir des zones réservées (art. 27)".
Il est inhabituel, voire contestable dans certains cas, que le législateur fédéral délègue une compétence aux cantons en leur indiquant la façon dont ils légiféreront (cf. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, vol. I No 722 p. 275). S'agissant cependant d'une disposition contenue dans une loi fédérale, le Tribunal fédéral est lié par elle (
art. 113 al. 3 Cst.
) et ne peut pas en examiner la constitutionnalité (
ATF 101 Ib 73
consid. 3).
En l'espèce, le principe de la séparation des pouvoirs ne pourrait donc avoir été violé que si les mesures provisionnelles adoptées par le Conseil d'Etat genevois en application de l'
art. 36 al. 2 LAT
outrepassait les limites de la délégation accordée par le législateur fédéral; il en va de même du principe du parallélisme des formes.
b) Il ressort du texte même de l'
art. 36 LAT
que les mesures provisionnelles que peut édicter le gouvernement cantonal en application de cette disposition ne se limitent pas à la création de
BGE 108 Ib 479 S. 482
zones réservées (
art. 27 LAT
); il peut également instituer une protection juridique adaptée aux exigences de l'
art. 33 LAT
, c'est-à-dire adopter provisoirement des règles de compétence et de procédure (cf. Etude relative à la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, publiée en 1981 par le Département fédéral de justice et police et l'Office fédéral de l'aménagement du territoire - cité ci-après: DFJP/OFAT, Etude, p. 381, No 22 i.f.; AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, p. 127, No 36.2). La loi fédérale étant entrée en vigueur le 1er janvier 1980, le gouvernement cantonal était même tenu d'instituer une procédure conforme aux exigences de l'
art. 33 LAT
par la voie des mesures provisionnelles, dans les cantons dont le droit en vigueur ne répondait pas à ces exigences, et cela dans l'attende de l'adoption, par le législateur cantonal, d'une loi d'application définitive de la loi fédérale; cela résulte de la combinaison des al. 1 et 2 de l'
art. 36 LAT
.
c) Conformément à ces principes, le Conseil d'Etat du canton de Genève a édicté le 2 avril 1980 un "règlement transitoire d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire du 22 juin 1979", qui fixe plus particulièrement les procédures de préconsultation et d'opposition applicables en cas de modification des plans d'affectation. Ce faisant, il n'a manifestement pas outrepassé les limites de la délégation de compétence conférée par le législateur fédéral. Il s'est au contraire conformé au mandat qui lui était donné par l'
art. 36 LAT
. Aussi le grief adressé par le recourant à l'autorité cantonale d'avoir violé les principes de la séparation des pouvoirs et du parallélisme des formes et d'avoir outrepassé les limites de la délégation de compétence contenues à l'
art. 36 al. 2 LAT
doit-il être rejeté comme mal fondé.
3.
Le recourant reproche au règlement provisoire genevois du 2 avril 1980 de contrevenir au principe de la force dérogatoire du droit fédéral, plus particulièrement à l'
art. 33 LAT
.
L'
art. 33 LAT
prescrit aux cantons de mettre les plans d'affectation à l'enquête publique (al. 1) et de prévoir au moins une voie de recours "contre les plans d'affectation fondés sur la présente loi et sur les dispositions cantonales et fédérales d'exécution" (al. 2); il exige en outre qu'une autorité de recours au moins ait un libre pouvoir d'examen (al. 3 lettre b).
a) Le recourant ne prétend pas que le Grand Conseil n'aurait pas disposé d'un pouvoir de libre examen dans la décision qu'il avait à rendre au sujet de son opposition. En fait, soit le Grand
BGE 108 Ib 479 S. 483
Conseil lui-même, soit sa Commission de développement ont examiné librement la question qui leur était soumise; la proposition de l'opposant Desbaillets de maintenir son terrain en zone de développement a même fait l'objet d'un amendement exprès, sur lequel soit la Commission de développement, soit le Grand Conseil se sont prononcés.
b) Par voie de recours au sens de l'
art. 33 al. 2 LAT
, on peut entendre aussi la voie de l'opposition, comme le Conseil fédéral lui-même l'a indiqué dans son Message (FF 1978 I 1035 ad art. 34 du projet) et comme l'admet la doctrine en général (DFJP/OFAT, Etude, p. 335 No 13; AEMISEGGER, op.cit., p. 112; AUGUSTIN MACHERET, La loi fédérale sur l'aménagement du territoire, instrument de coordination, in L'Homme et son environnement, Fribourg 1980, p. 92). Cela correspond d'ailleurs à la procédure de plusieurs cantons, où les plans de zones (d'affectation selon la terminologie fédérale) sont adoptés par une autorité communale et peuvent faire l'objet d'oppositions qui sont tranchées par l'autorité cantonale (le Conseil d'Etat ou un département) compétente pour approuver ces plans, approbation qui est une condition de validité des plans (cf. notamment: Vaud, art. 35 à 38 de la loi sur les constructions et l'aménagement du territoire, du 5 février 1941; Fribourg, art. 55, 57 et 58 de la loi sur les constructions, du 15 mai 1962; Berne, art. 41 à 45 de la loi du 7 juin 1970). On ne saurait donc soutenir que le règlement provisoire genevois est contraire au droit fédéral parce qu'il prévoit une procédure d'opposition et non de recours proprement dit en matière de plans d'affectation.
c) Le recourant soutient aussi que la législation fédérale exige l'intervention d'une véritable autorité de recours, ayant une compétence juridictionnelle et appliquant le droit, alors que le Grand Conseil, organe législatif, prend le plus souvent ses décisions en opportunité, pour des motifs politiques.
Il y a lieu de relever d'abord, sur ce point, que le projet de loi soumis aux Chambres par le Conseil fédéral ne parlait pas, à l'art. 34 al. 3 lettre b (devenu l'art. 33 de la loi), d'une autorité de recours, mais d'une autorité tout court, et, dans leurs délibérations, les Chambres fédérales n'ont pas modifié le projet sur ce point; c'est la commission de rédaction qui a ajouté l'expression: "de recours". Or, cette commission ne peut pas apporter de modifications de fond, et si elle constate que de telles modifications sont nécessaires, elles doit soumettre aux Chambres
BGE 108 Ib 479 S. 484
des propositions dans ce sens (art. 32 al. 3 de la loi sur les rapports entre les deux Conseils; RS 171.11). En l'espèce, ladite commission n'a pas fait de telles propositions à propos de l'art. 34 du projet (art. 33 de la loi); il faut en conclure qu'elle n'a apporté qu'une modification rédactionnelle et que la loi n'exige pas impérativement une autorité de recours proprement dite; il suffit que les oppositions soient tranchées par l'autorité qui est chargée d'approuver le plan. C'est ce qu'a déjà admis le Tribunal fédéral dans un arrêt récent du 16 mars 1982 relatif au canton de Bâle-Campagne (
ATF 108 Ia 33
ss).
Le canton de Genève présente cette particularité que la division du territoire cantonal en zones est réglée par une loi, à laquelle sont annexés les plans délimitant les périmètres respectifs des zones (art. 10 de la loi du 25 mars 1961 sur les constructions et installations diverses - LCI). C'est donc le Grand Conseil qui a adopté les plans de zones et qui est compétent pour modifier les limites des zones (art. 12 LCI). Les garanties de procédure prévues par l'
art. 33 LAT
n'empêchent pas une telle solution, dans la mesure où les oppositions sont examinées librement par l'autorité cantonale (DFJP/OFAT, Etude, No 34 ad art. 33, p. 347). Or tel est bien le cas en l'espèce, comme on l'a vu ci-dessus (consid. 3a).
On peut ajouter que la délimitation des zones est une question qui relève surtout de la politique générale de l'aménagement du territoire. Sans doute faut-il que les restrictions découlant d'un plan de zones respectent certains principes juridiques, notamment qu'elles soient justifiées par un intérêt public. Mais le point de savoir si cette exigence est satisfaite dépend avant tout de la pesée des intérêts en présence, pesée à laquelle doit procéder l'autorité avant de rendre sa décision. Or la commission spéciale du Grand Conseil a procédé avec soin à cette pesée des intérêts et en a tenu compte dans sa proposition au Grand Conseil; on ne saurait dès lors prétendre que cette autorité soit moins apte à statuer sur les oppositions qu'une autorité cantonale d'approbation des plans de zones.
d) En conclusion, il faut reconnaître que les deux garanties essentielles de procédure qui sont en cause ici, à savoir la possibilité pour un propriétaire de faire valoir ses droits auprès d'une autorité disposant d'un pouvoir de libre examen, sont respectées par la réglementation genevoise en la matière.
Le recours doit donc être rejeté en tant qu'il soulève le grief de violation du principe de la force dérogatoire du droit fédéral. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
831a7510-8a0f-456c-af60-7a86d5247222 | Urteilskopf
104 Ib 333
53. Extrait de l'arrêt du 11 décembre 1978 en la cause Administration fédérale des contributions contre Commission genevoise de recours de l'impôt pour la défense nationale et D.S.A. | Regeste
Art. 59 und Art. 72 WStB; Ermässigung bei Beteiligungen.
1. Diese Ermässigung wird gewährt, wenn die in Art. 59 WStB genannten Bedingungen im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beteiligungserträge erfüllt sind (E. 1a).
2. Natur der Ermässigung bei Beteiligungen (E. 1b).
3. Tragweite der durch die Eidgenössische Steuerverwaltung erlassenen Weisungen (Art. 72 WStB) (E. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 334
BGE 104 Ib 333 S. 334
La société d'investissements financiers S. et la société M. S.A. ont créé en 1969 une filiale commune, la société X. S.A. En 1972, la société M. et C., détentrice du capital-actions de M. S.A., proposa à la société M. et Cie, qui détenait les actions de la société S., de racheter la participation de cette dernière au capital de X. S.A. Une convention fut passée dans ce but. Le prix des actions fut fixé à 135 000 francs. Il était convenu que, préalablement au transfert des actions, la société X. S.A. verserait à la société S. un dividende de 1 280 000 francs.
En exécution de cet accord, la société S. a reçu le montant de 135 000 francs (prix des actions) et de 1 280 000 francs (dividende).
Elle a transféré son siège dans le canton de Genève et modifié sa raison sociale, devenant la société D. S.A. L'Administration genevoise de l'impôt pour la défense nationale a considéré comme un rendement provenant d'une participation, au sens de l'art. 59 AIN, le versement de 1 280 000 francs.
Cette décision, confirmée par la Commission cantonale de recours de l'impôt pour la défense nationale, a été attaquée par l'Administration fédérale des contributions.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le présent litige porte uniquement sur la question de savoir si, dans le calcul de l'impôt sur le rendement net imposable pour la 18e période IDN, la société D. S.A. a droit à une réduction dite de holding de 46,428%. La Commission cantonale
BGE 104 Ib 333 S. 335
de recours l'a admis, acceptant ainsi l'opinion soutenue par la contribuable et confirmant le bordereau établi par l'autorité de taxation. En revanche, l'Administration fédérale des contributions le conteste, estimant que le versement de 1'280'000 fr. constitue non pas une distribution de dividende, mais une contre-prestation pour la cession d'un actif commercial - soit, en l'espèce, des actions de la filiale commune - et qu'il ne saurait dès lors être considéré comme un rendement de participation au sens de l'art. 59 de l'Arrêté du Conseil fédéral concernant la perception d'un impôt pour la défense nationale, du 9 décembre 1940 (AIN).
a) C'est à la fin du mois de mars 1973 que la société S. - devenue la société D. S.A. - a vendu ses actions de la X. S.A. Au début de la période de taxation (soit le 1er janvier 1975), elle ne possédait donc plus aucune part du capital social de l'ancienne filiale commune.
Si l'on devait s'en tenir strictement au texte de l'art. 59 al. 1 AIN, il faudrait constater que, ne réalisant pas l'une des conditions d'application dans le temps de cette disposition légale, la société D. S.A. n'aurait de toute façon pas droit à une réduction - dite de participation - de l'impôt sur le rendement pour la 18e période IDN. Mais une telle conclusion serait erronée.
Malgré le texte formel de l'art. 59 al. 1 AIN, il est admis qu'une société anonyme, à responsabilité limitée ou coopérative, a droit à cette réduction de participation si, au cours de la période de calcul, elle a reçu d'une autre société dont elle possédait au moins le 20 % du capital social - ou une participation d'au moins 2 millions de francs - une somme représentant le rendement de cette participation. La société de participation ou holding ne perd pas ce droit à la réduction de l'impôt sur le rendement prévue à l'art. 59 AIN du seul fait qu'elle a cédé cette participation pendant la période de calcul (KÄNZIG, Wehrsteuer, n. 8 ad art. 59 AIN; MASSHARDT et GENDRE, Commentaire IDN, n. 8 ad art. 59 AIN). Dans sa "notice du 31 juillet 1967 concernant le calcul de la réduction pour participations ayant une influence déterminante (art. 59 AIN)", l'Administration fédérale des contributions accepte elle-même cette interprétation très large du texte légal, en précisant que "les conditions indiquées à l'art. 59 AIN sont aussi remplies si elles ne sont pas réalisées au début de l'assujettissement, mais
BGE 104 Ib 333 S. 336
qu'elles le sont au moment de l'échéance du rendement de la participation (voir le ch. 1 3 de la notice publiée aux Archives 36 p. 22 ss et par MASSHARDT et GENDRE, op.cit., n. 13 ad art. 59 AIN).
En l'espèce, il n'est pas contesté qu'au moment de recevoir le paiement de 1'280'000 fr., la société D. S.A. possédait encore sa participation au capital social de la filiale commune X. S.A. En effet, selon l'art. 3 de la convention conclue en 1973, la vente de ces actions était subordonnée à la condition suspensive du paiement d'un dividende de 1'280'000 fr. en plus du prix de vente fixé à 135'000 fr. La disposition de l'art. 59 AIN est donc en principe applicable. La contribuable peut dès lors obtenir la réduction proportionnelle de l'impôt sur le rendement dans la mesure où ce versement constitue un rendement de participation au sens de l'art. 59 AIN.
b) En accordant un privilège fiscal aux sociétés qui participent de façon déterminante au capital social d'autres sociétés, on a voulu éviter, autant que possible, que le bénéfice provenant du capital de participation - bénéfice sur lequel une autre société paie déjà l'impôt - ait à supporter une charge économique gênante et peu équitable (voir MASSHARDT et GENDRE, op.cit., n. 1 ad art. 59 AIN). Il s'agissait d'éviter la triple imposition d'un même bénéfice (
ATF 60 I 8
; voir MASSHARDT, Besteuerung der Holding- und Beteiligungsgesellschaften in der Schweiz, Archives 36, p. 353). On ne saurait dès lors considérer comme un rendement de participation selon l'art. 59 AIN n'importe quelle prestation effectuée par la société filiale en faveur de la société de participation, mais seulement les prestations qui correspondent à un revenu déjà frappé de l'impôt (à la charge de la filiale). Tel est le cas des prestations qui constituent des distributions du bénéfice des entreprises dominées. En font spécialement partie les dividendes et les intérêts sur bons de jouissance ou titres de parts sociales, les distributions de bénéfice dissimulées et les parts au produit de liquidation, ainsi que les actions gratuites, si la société de participation les comptabilise comme rendement en l'année même où elle les reçoit (Archives 32, 277; RDAF 1964, 232). En revanche, ne constituent pas des rendements de participation au sens de l'art. 59 AIN les plus-values comptabilisées sur les participations (voir MASSHARDT et GENDRE, op.cit., n. 9 ad art. 59 AIN; KÄNZIG, op.cit., n. 8 et 9 ad art. 59 AIN).
BGE 104 Ib 333 S. 337
c) Le 31 juillet 1967, l'Administration fédérale des contributions a émis une "notice concernant le calcul de la réduction pour participations ayant une influence déterminante (art. 59 AIN) ".
Selon la jurisprudence, les directives que l'Administration fédérale des contributions arrête en vue d'assurer une taxation et une perception correctes et uniformes de l'impôt de défense nationale (art. 72 AIN) ont le caractère d'instructions de service qui ne lient ni le contribuable, ni l'autorité de taxation. Toutefois, elles constituent généralement une base valable pour la taxation de l'impôt; le Tribunal fédéral ne s'en écarte que dans la mesure où elles établissent des normes qui ne sont pas conformes aux dispositions légales applicables (Archives 44, 488 consid. 3; voir aussi KÄNZIG, op.cit., p. 464 et 465, n. 3 ad art. 72 AIN; MASSHARDT et GENDRE, op.cit., n. 1 ad art. 72 AIN). Or, en l'espèce, ni l'autorité de taxation, ni la Commission cantonale de recours, ni même la contribuable ne mettent en doute la validité des précisions contenues dans la notice précitée; dans un arrêt du 19 septembre 1975, le Tribunal fédéral l'a aussi admise, au moins à titre implicite (Archives 44, 488, consid. 3). | public_law | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
831ee57e-e5e1-4618-a7d6-3d14e46e0180 | Urteilskopf
95 II 77
13. Arrêt de la IIe Cour civile du 14 mars 1969 dans la cause G. contre B. | Regeste
Vaterschaftsklage. Erhebliche Zweifel im Sinne von
Art. 314 Abs. 2 ZGB
(Änderung der Rechtsprechung).
1. Ein kantonales Urteil, das die Beiwohnung auf Grund der Regel der violenta suspicio fornicationis bejaht, verstösst nicht gegen Bundesrecht (Erw. 1).
2. Erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten im Sinne von
Art. 314 Abs. 2 ZGB
können sich namentlich aus dem Beweis ergeben, dass die Mutter während der kritischen Zeit intime Beziehungen mit einem oder mehrern andern Männern unterhalten hat. Erforderlich ist jedoch, dass ein Dritter als Vater des Kindes ernstlich in Betracht kommt. Ohne zu verlangen, dass die Vaterschaft des Dritten ebenso wahrscheinlich sei wie jene des Beklagten, hat der Richter den Einfluss der festgestellten Tatsachen auf die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft oder Nichtvaterschaft des Beklagten zu berücksichtigen. Er hat die Frage der erheblichen Zweifel in Ansehung aller Umstände zu prüfen und zu diesem Zweck vom Additionsbeweis Gebrauch zu machen, d.h. vom Beweis durch das Zusammenfügen von Indizien, die je für sich allein nicht genügen würden, um die richterliche Überzeugung zu begründen, deren Verbindung aber den Schluss auf das Vorhandensein einer Tatsache erlaubt, handle es sich nun um die Beiwohnung oder um die Abstammung (Erw. 2 und 3).
3. Rückweisung der vorliegenden Sache an die Vorinstanz zur Würdigung der Indizien, die sich ergeben aus der wahrscheinlichen Dauer der Schwangerschaft, aus dem Reifegrad des Kindes bei der Geburt, aus dem Verhalten des Beklagten (welcher der Mutter, von der Schwangerschaft unterrichtet, Geld für eine Auskratzung gab), aus dem Verhalten zweier Arbeitskameraden des Beklagten (die behauptet hatten, der Mutter während der kritischen Zeit beigewohnt zu haben, es aber ablehnten, sich der Blutuntersuchung zu unterziehen, die ihre Vaterschaft vielleicht ausgeschlossen hätte), aus dem Verhalten der Mutter vor und während ihrer Schwangerschaft und aus der anthropobiometrischen Expertise (nach deren Schlussfolgerungen die Vaterschaft des Beklagten wahrscheinlich ist, ohne indes der Gewissheit nahezukommen), (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 79
BGE 95 II 77 S. 79
A.-
Dlle G. a accouché le 22 septembre 1964, à Neuchâtel, d'un fils auquel elle a donné le prénom de Pierre-André. Elle a désigné comme père de l'enfant B., chauffeur de camion qui s'arrêtait parfois pour la nuit à l'hôtel du Raisin, à L. où elle était serveuse.
Par demande du 28 janvier 1965, dlle G. et son fils ont intenté à B., devant le Tribunal cantonal de Neuchâtel, une action en recherche de paternité, sans effets d'état civil. La mère a conclu au paiement d'une somme de 1428 fr. 90 à titre de remboursement de ses frais de couches, ainsi que d'entretien pour quatre semaines avant et quatre semaines après la naissance de l'enfant. Celui-ci a conclu au paiement d'une pension alimentaire de 150 fr. par mois jusqu'à l'âge de 6 ans révolus, de 175 fr. par mois de 6 à 12 ans révolus et de 200 fr. par mois de 12 à 18 ans révolus.
Le défendeur a conclu au rejet de la demande.
B.-
Statuant le 7 octobre 1968, le Tribunal cantonal neuchâtelois a rejeté la demande comme mal fondée. Le jugement est motivé en bref comme il suit:
B. a cohabité avec dlle G. pendant la période légale de conception. Les demandeurs sont donc au bénéfice de la présomption de l'
art. 314 al. 1 CC
. L'expertise par l'analyse des groupes et facteurs sanguins, requise par le défendeur, n'a pas exclu sa paternité, selon le rapport déposé le 30 septembre 1965 par le Dr Hässig, directeur du Service de transfusion de la Croix-Rouge suisse, à Berne. En revanche, la présomption de
BGE 95 II 77 S. 80
paternité est détruite, en vertu de l'
art. 314 al. 2 CC
, du fait que deux tiers, les chauffeurs de camion M. et A., camarades de travail de B., ont reconnu avoir, pendant la période légale de conception, entretenu eux aussi des relations intimes avec dlle G. à l'hôtel du Raisin, à L. Ces deux témoins, domiciliés hors du canton de Neuchâtel, ont refusé de se soumettre volontairement à une expertise des sangs qui aurait pu exclure leur paternité. La plainte pénale déposée contre eux par dlle G. a abouti à une ordonnance de non-lieu, rendue le 4 mai 1966 par le Juge informateur de l'arrondissement de la Côte, à Morges, à défaut de preuve qui permît de départager la plaignante et les prévenus. Par ailleurs, l'expertise anthropobiométrique du Dr Gérard Baumann, directeur du laboratoire d'anthropobiométrie de l'Université de Genève, qui a déposé son rapport le 18 avril 1968, conclut qu'il y a 99 chances sur 100 que B. soit le père de l'enfant. Selon l'expert, un tel pourcentage permet de dire que la paternité du défendeur est probable, mais non pas qu'elle confine à la certitude, condition posée par la jurisprudence pour qu'une paternité puisse être déclarée sur le vu du résultat d'une expertise anthropobiométrique.
C.-
Dlle G. et son fils recourent en réforme au Tribunal fédéral. Ils reprennent les conclusions de leur demande.
L'intimé B. conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'
art. 314 al. 1 CC
, la paternité est présumée, lorsqu'il est prouvé qu'entre le trois centième et le cent quatrevingtième jour avant la naissance, le défendeur a cohabité avec la mère de l'enfant. En l'espèce, Pierre-André G. est né le 22 septembre 1964. L'année 1964 étant bissextile, la période légale de conception s'étendait du 27 novembre 1963 au 26 mars 1964 (cf. HEGNAUER, Berner Kommentar, Das aussereheliche Kindesverhältnis, Art. 302-327 ZGB, Berne 1969, n. 27 ad art. 314/315 CC p. 157 et tableau pour la détermination de la période légale de conception, loc.cit.). Il ressort du jugement déféré que l'intimé n'admet avoir cohabité avec dlle G. qu'avant et après la période légale de conception; il reconnaît cependant qu'il a passé une partie de la nuit du 5 février 1964 avec elle, que tous deux étaient nus et dans le même lit. Le Tribunal cantonal a considéré qu'il résultait de
BGE 95 II 77 S. 81
cet aveu une forte présomption que les deux intéressés avaient entretenu des rapports sexuels. Cette conclusion est fondée sur la règle fédérale de preuve dite violenta suspicio fornicationis (cf. RO 75 II 104). Elle ne viole pas le droit fédéral et n'est d'ailleurs pas critiquée par l'intimé.
2.
La présomption fondée sur la cohabitation durant la période légale de conception cesse, si des faits établis permettent d'élever des doutes sérieux sur la paternité du défendeur (
art. 314 al. 2 CC
). Les doutes sérieux peuvent résulter, notamment, de la preuve que la mère a entretenu, durant la période légale de conception, des relations intimes avec un ou plusieurs autres amants (RO 84 II 671). Le Tribunal fédéral a jugé que, l'exceptio plurium admise, l'action en paternité ne pouvait néanmoins être reconnue fondée que si la paternité du ou des tiers avait pu être exclue - ou celle du défendeur établie-avec une vraisemblance confinant à la certitude (RO 80 II 298, 82 II 265, 84 II 676, 89 II 68 lettre a).
Appliquant cette jurisprudence, la cour cantonale a retenu comme probantes les dépositions des témoins M. et A., lesquels ont déclaré qu'ils avaient entretenu des relations intimes avec dlle G. pendant la période légale de conception. Le Tribunal fédéral ne peut pas revoir cette décision, fondée sur l'appréciation des preuves (
art. 63 al. 2 OJ
). Les deux témoins en question ont refusé de se soumettre à l'expertise par l'analyse des groupes et facteurs sanguins. Domiciliés hors du canton de Neuchâtel, ils n'ont pas pu être contraints de subir cette analyse en vertu de l'art. 251 bis du Code de procédure civile neuchâtelois. La juridiction cantonale a considéré dès lors que leur paternité n'était pas exclue et partant que l'exceptio plurium n'était pas infirmée.
D'autre part, les juges cantonaux ont relevé que les conclusions de l'expertise anthropobiométrique, selon lesquelles la paternité du défendeur est probable à 99%, sans que, selon l'expert, cette probabilité confine à la certitude, ne permettaient pas de tenir pour apportée la preuve positive de la paternité du défendeur. Cette argumentation est conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral relative à la preuve directe de la paternité par l'expertise anthropobiologique (cf. RO 87 II 65 ss.).
3.
La décision attaquée repose, comme les arrêts cités plus haut, sur une interprétation très stricte de l'
art. 314
BGE 95 II 77 S. 82
al. 2 CC
. Les motifs développés par le Tribunal fédéral n'ont cependant pas désarmé la doctrine. Ainsi, dans les rapports sur la revision du droit de la filiation illégitime qu'ils ont présentés à l'Assemblée de la Société suisse des juristes en 1965, LALIVE (RDS 1965 II 655 ss.) et HEGNAUER (RDS 1965 II 85 ss.) ont suggéré que l'interprétation du texte légal soit assouplie, afin de parer à certains abus de l'exceptio plurium. Tout récemment, HEGNAUER (Berner Kommentar, loc.cit., n. 46 ss., ad
art. 314 et 315 CC
, p. 161 s.) a insisté sur le fait qu'aux termes de l'
art. 314 al. 2 CC
, seuls des doutes sérieux sont de nature à faire tomber la présomption de l'
art. 314 al. 1 CC
. Ces doutes sérieux ne résulteraient pas du seul fait de la cohabitation de la mère avec un tiers pendant la période légale de conception, mais uniquement du fait que, vu les circonstances, il y a des raisons sérieuses d'admettre que la cohabitation avec le tiers a conduit à la conception (n. 48, p. 162). Selon l'auteur, c'est cette interprétation de l'
art. 314 al. 2 CC
qui correspondrait à la volonté du législateur (n. 50, p. 163). HEGNAUER en arrive à la conclusion qu'il n'y a doutes sérieux au sens de l'
art. 314 al. 2 CC
que lorsque le défendeur prouve que dans les circonstances de l'espèce, le tiers entre sérieusement en considération comme père, c'est-à-dire avec une vraisemblance à peu près aussi grande que celle qui désigne le défendeur (n. 53, p. 163).
Cette interprétation du texte légal présente assurément le grand avantage que dans les cas relativement nombreux où l'on peut se demander si des tiers qui ont déclaré avoir cohabité avec la mère pendant la période critique ne sont pas des témoins de complaisance ayant pour seul but de rendre service au défendeur, c'est le défendeur et non la mère ou l'enfant qui subirait les conséquences du fait que la preuve apportée n'est pas vraiment décisive. Sans aller aussi loin que le commentateur HEGNAUER et l'arrêt zurichois auquel il se réfère (ZR1924 p. 225, no 135, cité en n. 48, p. 162), qui exigent en faveur de la paternité du tiers une vraisemblance aussi grande ou du moins une vraisemblance à peu près aussi grande que celle qui désigne le défendeur comme père, la jurisprudence doit, en tout cas, être modifiée en ce sens que, dans l'appréciation des doutes sérieux, le juge tiendra compte de l'influence des faits établis sur la probabilité de la paternité ou de la non-paternité du défendeur. La question doit être examinée en considération
BGE 95 II 77 S. 83
de toutes les circonstances (cf. RO 78 II 110). Les tribunaux seront ainsi amenés à faire un usage plus large de la preuve par addition d'indices, c'est-à-dire d'éléments qui, pris isolément, ne suffiraient pas à emporter la conviction du juge, mais dont la réunion permet de conclure à la réalité d'un fait, qu'il s'agisse de la cohabitation ou de la filiation (HEGNAUER, n. 74 ad
art. 254 CC
et n. 207 ss. ad
art. 314 et 315 CC
; LALIVE, La révision du droit de la filiation illégitime, RDS 1965 II p. 648 n. 279, p. 650 n. 284 et p. 713 n. 472; BEITZKE/HOSEMANN/DAHR/SCHADE, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis, 2e éd., 1965, p. 162 s.; cf. RO 77 II 32, consid. 3 c, 86 II 322 consid. 5, 91 II 166 où le Tribunal fédéral a cependant montré une certaine réserve; cf. en revanche l'arrêt non publié du 29 septembre 1967 dans la cause Guazzoni c. Ghinzoni et l'arrêt du 2 mars 1963 dans la cause B. c. G. (Semaine judiciaire 1964 p. 177 s.), où il a confirmé des décisions qui admettaient la preuve de la cohabitation sur la base d'une expertise anthropobiologique dont le résultat n'était pas probant à lui seul, des déclarations de la mère et d'autres indices).
4.
Si la juridiction neuchâteloise n'a pas admis en l'espèce la paternité de l'intimé, c'est parce qu'elle a tranché les questions de fait sous l'angle de la jurisprudence existante. Cette jurisprudence étant modifiée dans le sens indiqué ci-dessus, la cause doit être renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle complète ses constatations et apprécie à nouveau l'ensemble des indices qui ressortent du dossier (
art. 64 OJ
). Il conviendrait aussi de compléter les preuves, dans la mesure où la procédure neuchâteloise le permet, sur les allégations des parties qui n'ont pas été élucidées (
art. 66 OJ
).
a) Les juges cantonaux ont admis en fait que dlle G. avait entretenu des rapports sexuels avec l'intimé le 5 février 1964. L'enfant Pierre-André G. est né le 22 septembre 1964. Si l'on ne peut envisager aucune autre date pour la conception, la grossesse aurait duré 231 jours. Or les auteurs affirment qu'en l'état actuel des connaissances scientifiques, lorsque l'enfant est né au stade normal de son développement, une grossesse de moins de 230 jours n'a pas encore été observée, du moins avec certitude; elle serait en tout cas "extrêmement rare" (cf. arrêt non publié du 24 mai 1960 dans la cause Moachon c. Rieder, mentionné par SCYBOZ, JdT 1962 I 195, et les références citées: DETTLING/SCHÖNBERG/SCHWARZ, Lehrbuch der
BGE 95 II 77 S. 84
gerichtlichen Medizin, Bâle 1951, p. 323; BEITZKE/HOSEMANN/DAHR/SCHADE, op.cit., 1ere éd., Göttingen 1956, p. 33; id., 2e éd., Göttingen 1965, p. 39; NAUJOKS, Gerichtliche Geburtshilfe, Stuttgart 1957, p. 101; PODLESCHKA, Das geburtshilfliche Gutachten im Vaterschaftsprozess, Stuttgart 1954, p. 64). A défaut de constatations de fait sur le degré de développement de l'enfant à sa naissance, il n'est pas possible d'appliquer en l'espèce les tables de LABHARDT (Die Berechnung des Konzeptionstermines aus der Kindeslänge in Vaterschaftsprozessen, Schweizerische medizinische Wochenschrift, 1944, p. 128 ss.), qui du reste ont été affinées par la mise au point de nouvelles méthodes plus précises (cf. l'arrêt et les auteurs précités, notamment PODLESCHKA, op.cit., p. 96, et HOSEMANN, loc.cit., p. 59 ss.). Les recourants ont certes allégué dans leur demande que la naissance de Pierre-André G. "fut prématurée". L'intimé s'est déterminé sur cet allégué dans sa réponse, par le terme "ignoré". La cour cantonale ne s'est pas prononcée sur le fait, ni sur la portée de la détermination. Il lui appartiendra de dire si, en procédure neuchâteloise, l'ignorance équivaut à une négation et, si le fait est contesté, d'apprécier les preuves à cet égard. Dans cet examen, elle tiendra compte de la remarque des auteurs scientifiques, selon laquelle la durée de la grossesse et le degré de développement de l'enfant à sa naissance ne sont pas des données parfaitement corrélatives (cf. les auteurs précités, notamment HOSEMANN, loc.cit., p. 43 ss.). Pour autant que la procédure cantonale le permet, il serait utile de procéder à une expertise sur la durée probable de la grossesse, laquelle revêt une grande importance lorsque la mère a cohabité avec plusieurs hommes durant la période légale de conception (cf. HEGNAUER, n. 123 ad
art. 314 et 315 CC
).
b) Dans leur mémoire de demande, les recourants ont affirmé que B. avait versé 500 fr. à dlle G. pour lui permettre de faire interrompre sa grossesse. Dans sa réponse, l'intimé a nié le fait. Il a cependant versé lui-même au dossier la lettre que dlle G. lui a adressée le 2 juillet 1964 et le reçu qu'elle lui a délivré le 11 juillet 1964, reçu dont les termes sont parfaitement explicites. Interrogé le 2 février 1966 par le juge délégué à l'instruction, B. a seulement déclaré avoir versé 500 fr. à dlle G. "pour éviter des ennuis". Entendu comme témoin le 13 avril 1966 par le juge informateur de l'arrondissement de la Côte, qui instruisait l'enquête pénale pour faux témoignage contre M.
BGE 95 II 77 S. 85
et A., B. a affirmé qu'il avait appris en février 1964 que le premier avait eu des relations intimes avec dlle G. à la même époque que lui, puis, peu après, qu'il en fut de même du second. Si ces déclarations étaient exactes, on ne comprendrait pas que l'intimé ait, à première réquisition, versé 500 fr. à la jeune fille en vue d'un curetage, en juillet 1964, comme s'il n'avait aucune raison de douter de sa paternité. Il appartiendra à la juridiction cantonale d'apprécier ces preuves et de compléter ses constatations de fait à cet égard.
c) Le jugement attaqué relève que M. et A. ont refusé de se soumettre volontairement à l'expertise des sangs, qui aurait peut-être permis d'exclure leur paternité. Domiciliés hors du canton de Neuchâtel, l'art. 251 bis du code de procédure civile neuchâtelois, qui permet de contraindre des tiers à se soumettre à l'expertise des sangs, ne leur était pas applicable.
Interrogés par le juge informateur vaudois, M. et A. ont tous deux déclaré être prêts à se soumettre à une expertise des sangs. Une telle expertise n'a pas été ordonnée par le juge informateur, ce qui se comprend puisqu'il ne s'agissait pas là d'un moyen de preuve propre à établir si M. ou A. avaient ou non menti en prétendant avoir entretenu des relations sexuelles avec dlle G. En revanche, le Tribunal cantonal de Neuchâtel a, par lettre du 7 février 1966, demandé à M. (qui avait quitté la Suisse pour Marseille) et à A. s'ils seraient disposés à se soumettre à une prise de sang. Cette lettre est restée sans réponse. Le 20 mai 1968, le juge instructeur neuchâtelois a chargé le Dr Hässig, qui avait déjà analysé le sang des parties au procès, d'expertiser le sang des deux témoins prénommés. Une invitation envoyée à M. par l'intermédiaire du Consulat de Suisse à Marseille de bien vouloir se soumettre à une expertise du sang est restée sans suite. Informé de ce fait le 26 juillet 1968 par le laboratoire du Dr Hässig, le juge instructeur a demandé le renvoi du dossier, considérant que l'expertise du sang du seul A. serait sans intérêt. Il ordonna alors, le 3 septembre 1968, la clôture de la procédure.
Vu le déroulement des faits et notamment le temps qui s'est écoulé entre la déclaration de M. et A. au juge informateur vaudois et le moment où le juge instructeur neuchâtelois a mis en oeuvre la procédure d'expertise, il semble difficile de voir un indice sérieux d'abstention voulue pour rendre service à B. dans l'attitude des deux témoins, qui peut procéder d'une simple
BGE 95 II 77 S. 86
négligence. Il serait bon toutefois que la juridiction cantonale se prononce également sur ce point.
d) Les membres de la famille X. tenanciers de l'hôtel du Raisin, à L. où dlle G. était serveuse, ont déclaré que dès que cette dernière avoua son état de grossesse, elle désigna B. comme père de l'enfant à naître. Dame X. était au courant de la liaison de dlle G. qui n'a "pas eu d'autre aventure" à la connaissance du témoin. Dlle Y., autre serveuse, qui partageait la chambre de dlle G. connaissait aussi la liaison de celle-ci avec B. Elle a déclaré également que la recourante n'avait pas eu d'autre aventure à sa connaissance. Elle a précisé que dlle G. ne quittait pas la chambre quand B. n'était pas là.
La juridiction cantonale devra apprécier ces faits et dire si elle les retient ou non comme des indices favorables aux recourants. Elle se prononcera également sur les conclusions que l'on pourrait tirer des bulletins d'arrivée de B. à l'hôtel du Raisin, pour autant qu'ils aient été remplis régulièrement, ce que M. et A. ont contesté lors de leur audition comme témoins. Les trois bulletins versés au dossier par la police cantonale neuchâteloise sont datés des 6 novembre 1963, 6 février et 20 avril 1964. Seul le second bulletin se place à l'intérieur de la période légale de conception. Si l'enfant Pierre-André G. a été conçu le 6 février 1964, il est né à 7 mois 1/2, soit donc sensiblement prématuré. Or, comme on l'a vu, ce point devrait être élucidé.
e) Dans la nouvelle décision qu'elle rendra en se fondant sur les considérants qui précèdent (
art. 66 OJ
), la cour cantonale pourra, le cas échéant, tenir compte du résultat de l'expertise anthropobiométrique, si elle l'estime propre à constituer un indice qui, rapproché d'autres éléments, permettrait de tirer une conclusion quant à la paternité de l'intimé.
Supposé qu'elle déclare la demande fondée, elle se prononcera sur les prétentions des recourants en examinant, notamment, s'il n'y a pas lieu d'imputer sur la somme due à dlle G. le montant de 500 fr. qui lui a été payé par l'intimé le 11 juillet 1964.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule le jugement rendu le 7 octobre 1968 par le Tribunal cantonal de Neuchâtel et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des motifs. | public_law | nan | fr | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8320464a-6904-41ce-81c5-a889db230063 | Urteilskopf
136 II 204
19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Ehepaar A. und Mitb. gegen Gemeinde Arosa und Mitb. sowie Regierung des Kantons Graubünden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_220/2009 / 1C_221/2009 / 1C_224/2009 vom 26. April 2010 | Regeste
Neueinzonung von 2,1 ha in eine Hotelzone zur Errichtung eines Wellnesshotels; Bauzonengrösse (
Art. 15 lit. b RPG
).
Berechnung des Bauzonenbedarfs: Trendmethode (E. 6.2.1), innere Nutzungsreserven (E. 6.2.2).
Bei der Beurteilung der Bauzonengrösse darf nicht isoliert auf die Hotelzone abgestellt werden (E. 6.4).
Ist die Bauzone bereits erheblich überdimensioniert, müssen zwingende Gründe für eine weitere Bauzonenerweiterung sprechen (E. 7.1); diese sind hier nicht gegeben (E. 7.2: Standortkriterien; E. 7.3: erstmalige Ausscheidung einer Hotelzone). | Sachverhalt
ab Seite 205
BGE 136 II 204 S. 205
A.
Am 24. November 2002 beschlossen die Stimmberechtigten der Gemeinde Arosa eine umfassende Revision der Ortsplanung, welche von der Kantonsregierung am 6./8. April 2004 mit verschiedenen Auflagen und Bedingungen genehmigt wurde.
Das Gebiet Prätschli wurde überwiegend der Landwirtschaftszone, überlagert mit einer Wintersportzone, zugewiesen. Diese Zonenfestlegungen wurden von der Regierung mit dem Hinweis genehmigt, dass die Ortsplanung in diesem Bereich u.U. kurzfristig eine Änderung erfahren könne.
Anlass für diesen Hinweis war eine 2003/2004 ausgearbeitete Projektidee für die Realisierung einer rund 6 ha grossen "Wellness-Ressort-Anlage", die anfangs 2004 dem Kanton zur Vorprüfung eingereicht worden war. Aufgrund der Ergebnisse des kantonalen Vorprüfungsverfahrens wurde das Projekt überarbeitet und wesentlich redimensioniert.
BGE 136 II 204 S. 206
B.
Am 18. Dezember 2005 beschlossen die Stimmberechtigten der Gemeinde Arosa die Teilrevision der Ortsplanung. Auf einem Gebiet von 2,1 ha im Gebiet Prätschli wurde eine neue Hotelzone 4 (H4) mit Quartierplanpflicht ausgeschieden. In der neuen Zone soll ein Wellnesshotel (4-Sterne-Hotel mit ca. 200 Hotelzimmern und 24 Suiten) mit separatem Personalhaus (92 Studios) realisiert werden.
Mit dieser Planung soll dem Trend zum "Hotelbettensterben" entgegengewirkt werden. Gemäss Planungs- und Mitwirkungsbericht vom 22. Dezember 2005 gingen in Arosa innerhalb der letzten 10 Jahre rund 750 Hotelbetten verloren, weil Hotels und Pensionen geschlossen oder zu Zweitwohnungen umfunktioniert worden seien. Hinzu komme der schleichende Abbau von Hotelbetten, weil Hotelzimmer zur Komfortsteigerung zusammengelegt oder zu Personalzimmern umfunktioniert würden. Im gleichen Zeitraum sei die Zahl der Logiernächte um 20 % zurückgegangen.
C.
Gegen die beschlossene Teilrevision der Ortsplanung erhoben das Ehepaar A. und Mitbeteiligte sowie H. Planungsbeschwerde an die Regierung des Kantons Graubünden. Diese wies die Beschwerden am 21. November 2006 ab und genehmigte gleichentags die teilrevidierten Planungsmittel unter Auflagen.
D.
Gegen die Planungsbeschwerdeentscheide erhoben das Ehepaar A. und Mitbeteiligte sowie H. jeweils Rekurs an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Der regierungsrätliche Genehmigungsentscheid wurde zudem von drei Verbänden angefochten.
Am 9. Dezember 2008 hiess das Verwaltungsgericht die Rekurse teilweise gut. In Abänderung des regierungsrätlichen Genehmigungsbeschlusses ordnete es zusätzliche Massnahmen zum Schutz des Moors Riedboden an. Im Übrigen wies es die Rekurse ab.
E.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid haben das Ehepaar A. und Mitbeteiligte (1C_220/2009) sowie H. (1C_221/2009) Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben.
F.
Das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) bemängelt in seiner Vernehmlassung, dass die Vorinstanzen nicht genügend auf die Problematik der Neueinzonung trotz der bereits zu grossen Baulandreserven der Gemeinde Arosa eingegangen seien; damit hätten sie
Art. 15 RPG
verletzt. Zudem bezweifelt es die Eignung der
BGE 136 II 204 S. 207
vorliegenden Ortsplanungsrevision zur Erreichung des Ziels, das Hotelsterben in der Gemeinde Arosa zu stoppen.
G.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der privaten Beschwerdeführer gut.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
6.
Gemäss
Art. 15 RPG
(SR 700) umfassen Bauzonen Land, das sich für die Überbauung eignet und entweder weitgehend überbaut ist (lit. a) oder voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird (lit. b).
6.1
Das Gebiet Prätschli zählt nicht zum weitgehend überbauten Gebiet. Es handelt sich im Gegenteil um eine intakte Geländekammer zwischen zwei Waldgebieten (dem Arlenwald und dem Scheitabodawald), in der sich ein Flachmoor von regionaler Bedeutung (Rietboden) befindet. Das Gebiet liegt auf ca. 1900 m.ü.M., etwa 150 Höhenmeter über dem Zentrum von Arosa. Die bauliche Entwicklung beschränkte sich bisher auf den Bereich entlang der Erschliessungsstrasse zum Hotel Prätschli nahe dem Scheitabodawald.
6.2
Der Bauzonenbedarf für die nächsten 15 Jahre wird in Graubünden nach konstanter Genehmigungspraxis der Regierung aufgrund der sogenannten Trendmethode berechnet. Auszugehen ist bei dieser Bedarfsprognose vom Verhältnis der überbauten zu den innerhalb der Bauzone gelegenen noch unüberbauten Flächen. Aus der jährlichen Gegenüberstellung dieser Flächen wird die tatsächliche Beanspruchung der Baulandreserven in den vergangenen Jahren berechnet und der im Planungszeitraum zu erwartende Bedarf geschätzt.
6.2.1
Diese Methode hat das Bundesgericht als Ausgangspunkt der Bedarfsberechnung für sachlich vertretbar und zulässig erklärt (
BGE 116 Ia 339
E. 3b/aa S. 341,
BGE 116 Ia 221
E. 3b S. 231 f.; vgl. zuletzt Entscheid 1C_119/2007 vom 13. November 2008 E. 3.2.2, in: ZBl 110/ 2009 S. 315 ff.; je mit Hinweisen). Allerdings hat es stets festgehalten, dass die Raumplanung eine auf die erwünschte Entwicklung des Lands ausgerichtete Ordnung der Besiedlung verwirklichen soll (
Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG
). Die Bauzone soll sich sowohl nach der privaten Bauentwicklung richten als auch diese mit Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang begrenzen. Folglich rechtfertigt eine private Nachfrage allein keine Bauzonenerweiterung. Diese darf aber auch nicht einzig deshalb ausgeschlossen werden, weil in jüngster
BGE 136 II 204 S. 208
Zeit keine private Bautätigkeit stattfand (
BGE 116 Ia 339
E. 3b/aa S. 341). Insofern darf der bisherige Flächenverbrauch nicht einfach fortgeschrieben werden, sondern muss anhand der planerischen Zielvorstellungen kritisch hinterfragt werden (MARTIN BERTSCHI, Ausscheidung und Dimensionierung von Bauzonen, Raum & Umwelt 2002, S. 29 f.).
6.2.2
Das Konzentrationsprinzip und der Grundsatz der haushälterischen Nutzung des Bodens gebieten, die Reserven innerhalb bestehender Bauzonen zu nutzen, bevor das Siedlungsgebiet ausgedehnt wird. Bei der Bedarfsprognose müssen daher auch bisher unausgeschöpfte Nutzungsmöglichkeiten im überbauten Gebiet mitberücksichtigt werden (BERTSCHI, a.a.O., S. 29;
derselbe
, Die Umsetzung von
Art. 15 lit. b RPG
über die Dimensionierung der Bauzonen, 2001, Rz. 236 S. 108 f.). Dies gilt jedenfalls insoweit, als das Verdichtungspotenzial innerhalb des Planungshorizonts realisierbar und erwünscht ist (FELIX JOST, Grösse und Lage von Bauzonen: nach
Art. 15 RPG
und dem weiteren raumrelevanten Recht, 2000, S. 140 ff.).
Dementsprechend verpflichtet die Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV; SR 700.1) die Gemeinwesen, die Nutzungsreserven im weitgehend überbauten Gebiet festzustellen (Art. 31 Abs. 3) und der kantonalen Genehmigungsbehörde darüber Bericht zu erstatten, wie diese Reserven haushälterisch genutzt werden sollen (Art. 47 Abs. 2).
Auch der Richtplan des Kantons Graubünden vom 19. November 2002 (RIP 2000) geht davon aus, dass durch die verbesserte Nutzung und die Umstrukturierung des Gebäudebestands ein beachtlicher Teil des neuen Flächenbedarfs in der weitgehend überbauten Bauzone realisiert werden könne, weshalb es möglich sei, die Siedlungsgrenze nach aussen weitgehend zu stabilisieren (Ziff. 5.2.1 A S. 95). Der Richtplan setzt das Ziel, den Bedarf an Nutzfläche in erster Linie durch eine Siedlungsentwicklung nach innen, eine optimierte Siedlungsnutzung und Siedlungserneuerung langfristig zu sichern, und den Bodenverbrauch zu minimieren, indem das Siedlungsgebiet massvoll und gezielt erweitert wird (Ziff. 5.2.1 B S. 96).
6.3
Bei der 2004 genehmigten Totalrevision der Ortsplanungsrevision umfassten die Wohnbauzonen Arosas (Kernzonen, Dorfzonen, Wohnzonen und Wohn-Gewerbezonen) insgesamt 81,6 ha, wovon 69,1 ha (85 %) überbaut waren. Die unüberbauten Wohnbauzonen betrugen somit ca. 12,5 ha (15 %).
BGE 136 II 204 S. 209
6.3.1
Die Regierung hielt in ihrem Genehmigungsbeschluss vom 6. April 2004 fest, dass die Bautätigkeit Arosas in den Jahren vor der Ortsplanungsrevision 1988 ca. 0,9 ha pro Jahr betragen habe; dagegen seien seit der letzten Übersicht 1992 im Durchschnitt ca. 0,42 ha Bauzone pro Jahr überbaut worden. Die Bautätigkeit bzw. der Baulandverbrauch sei somit in den letzten 10 Jahren erheblich geringer gewesen als noch in den 80er Jahren. Bleibe der Wohnbauzonenverbrauch pro Jahr bei einem Wert von ca. 0,42 ha, so ergebe sich ein Baulandbedarf für die nächsten 15 Jahre von lediglich noch 6,3 ha, d.h., die ausgeschiedenen Wohnbauzonenreserven wären um ca. 6,2 ha zu gross. Es sei aber durchaus vorstellbar, dass die Wohnbautätigkeit wieder anziehe und der Jahresverbrauch an Bauland sich entsprechend vergrössere.
Die Regierung genehmigte die Planung unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Siedlungsgebiet der Gemeinde Arosa weit verstreut sei und durch die Waldsituation ohnehin eingegrenzt werde. Für eine Sanktionierung der vorliegenden Wohnbauzonen spreche auch der Umstand, dass die Regierung die bisherige Ortsplanung noch im Jahre 1989 unter Bezugnahme auf
Art. 15 RPG
genehmigt habe. Vor diesen Hintergrund liesse es sich nicht vertreten, die Gemeinde heute zur Vornahme von Bauzonenreduktionen zu verpflichten, nachdem sie die Wohnbauzonen aus der bisherigen Ortsplanung mehr oder weniger unverändert in die vorliegende Ortsplanung übernommen habe.
6.3.2
Die bessere Nutzung bestehender Bauten und Bauzonen sowie das Fördern von Umbauten waren zwei wesentliche Ziele der Ortsplanungsrevision 2002. Zu diesem Zweck wurden wesentliche Änderungen gegenüber der bisherigen Ortsplanung beschlossen: Die qualitativen Spielräume in Baugesetz und Zonenplan sowie die mögliche Bruttogeschossfläche und die Ausnützungsziffern wurden erhöht und in der Dorfzone ganz auf Ausnützungsziffern verzichtet.
6.3.3
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die unüberbauten Wohnbauzonen von Arosa gemäss Ortsplanungsrevision 2002/2004 (ca. 12,5 ha) fast doppelt so gross sind wie der nach der Trendmethode berechnete Bedarf für die nächsten 15 Jahre (ca. 6,3 ha). Hinzu kommen noch beträchtliche innere Nutzungsreserven im weitgehend überbauten Gebiet, die durch die Totalrevision der Ortsplanung noch vergrössert wurden. Die inneren Nutzungsreserven wurden bei der Bedarfsberechnung der Regierung nicht in Rechnung gestellt, kommen also noch zu den 12,5 ha an unüberbauten Baulandreserven
BGE 136 II 204 S. 210
hinzu. Unter diesen Umständen ist mit dem ARE davon auszugehen, dass die Bauzonen Arosas schon vor der Teilrevision vom 18. Dezember 2005 erheblich überdimensioniert waren, und von der Regierung im Wesentlichen nur deshalb unverändert genehmigt wurden, weil die Gemeinde auf eine Ausweitung der Bauzonen verzichtet hatte.
6.4
Das Verwaltungsgericht hielt im angefochtenen Entscheid fest, dass die zur Beurteilung stehende Teilrevision der Ortsplanung zu einer Bauzonenerweiterung von insgesamt 2,1 ha führe; dies bedeute eine Erweiterung der Bauzone um 2.6 %. Das Verwaltungsgericht (wie schon die Regierung) erachtete diese Erweiterung unter dem Aspekt der Bauzonengrösse i.S.von
Art. 15 lit. b RPG
als unproblematisch, weil damit erstmals eine Hotelzone ausgeschieden werde, welche einem gewichtigen volkswirtschaftlichen und touristischen Bedürfnis entspreche und durch einen entsprechenden Bedarf abgedeckt sei. Auch der RIP 2000 und das kommunale Leitbild verlangten nur einen Verzicht auf (Wohn-)Bauzonenerweiterungen, schlössen aber Einzonungen für Spezialbauzonen nicht aus.
6.4.1
Ist eine Planungsmassnahme auf den Baulandbedarf hin zu beurteilen, so darf nicht ausschliesslich auf das Fassungsvermögen des Baugebiets insgesamt abgestellt werden. Zusätzlich ist darauf zu achten, dass die einzelnen Teilbauzonen mit bestimmter Nutzungsdichte und besonderem Zonencharakter (einzelne Wohnzonen, Gewerbezonen, Industriezonen, gemischte Zonen usw.) derart dimensioniert sind, dass sie für die Bedürfnisse der nächsten 15 Jahre genügen (
BGE 114 Ia 254
E. 3e S. 255 mit Hinweisen).
6.4.2
Voraussetzung für eine gesonderte Behandlung einer bestimmten Teilbauzone ist allerdings, dass sie sich in der Nutzungsart und Nutzungsdichte von anderen Teilbauzonen in ausreichendem Masse unterscheidet und der mutmassliche Baulandbedarf einer Teilbauzone ohne separate Ermittlung ihres Fassungsvermögens den tatsächlichen Verhältnissen deshalb nicht gerecht würde (Entscheid 1P.218/ 2001 vom 13. August 2001 E. 6a). Im zitierten Entscheid ging das Bundesgericht davon aus, dass die reinen Wohnzonen keiner gesonderten Beurteilung bedürfen, da sie sich von den Mischzonen bezüglich Nutzungsart und Nutzungsdichte nicht in ausreichendem Mass unterscheiden; eine gesonderte Behandlung würde daher ein unzutreffendes Bild über die für den Wohnungsbau insgesamt vorhandenen Baulandreserven geben.
BGE 136 II 204 S. 211
6.4.3
Durch die streitige Teilrevision der Ortsplanung Arosas wurde erstmals eine Hotelzone ausgeschieden. Diese ist gemäss Art. 41a des Baugesetzes Arosa vom 24. November 2002 (BG/Arosa) für Gastgewerbebetriebe, Erholungsheime und Wellnessbetriebe bestimmt; Verkaufslokale, andere gewerbliche oder kulturelle Bauten und Anlagen sowie Personalhäuser sind zulässig, wenn weder sie selbst noch ihre Benutzung den Hotel- und Kurbetriebe sowie die Erholung stören. Als Gastgewerbebetriebe gelten nach Art. 41a Abs. 2 BG/Arosa Gaststätten, traditionelle Hotels, Garni-Hotels und Pensionen.
6.4.4
Wie die Gemeinde in ihrer Stellungnahme vom 22. Februar 2010 dargelegt hat, sind Hotels und sonstige Gastgewerbebetriebe aber nicht nur in der Hotelzone, sondern in
allen
Wohnzonen, wie auch in der Kern- und der Dorfzone zulässig (Art. 39 f. BG/Arosa) und werden sogar (hinsichtlich Ausnützung und Parkplätzen) gegenüber anderen Nutzungen privilegiert. Alle bestehenden Hotels Arosas befinden sich ausserhalb der Hotelzone, in einer allgemeinen Wohnbauzone. In dieser Situation verbietet es sich, bei der Beurteilung der Bauzonengrösse isoliert und ausschliesslich auf die Hotelzone abzustellen. Vielmehr müssen auch die allgemeinen Wohnbauzonen mitberücksichtigt werden. Ansonsten könnte der Grundsatz von
Art. 15 lit. b RPG
durch die Ausweisung von "Spezialbauzonen" für einzelne Wohnnutzungen, zusätzlich zu den bestehenden generellen Wohnbauzonen, umgangen werden.
Durch die hier streitige Neueinzonung von 2,1 ha werden die bereits zu grossen Baulandreserven von Arosa nochmals erweitert. Im neu eingezonten Gebiet soll ein grosses Wellness-Hotel mit separatem Personalhaus errichtet werden. Nach der Ortsplanung 2002 hätte dieser Bau in einer der bestehenden Bauzonen realisiert werden müssen. Wird statt dessen eine Neueinzonung vorgenommen, so sinkt der Bedarf an bereits eingezonten Baulandreserven, mit der Folge, dass sich diese erst recht als überdimensioniert erweisen.
7.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts sind zu gross bemessene Bauzonen nicht nur unzweckmässig, sondern gesetzeswidrig (
BGE 117 Ia 302
E. 4b S. 307 mit Hinweis). Gilt schon der Grundsatz, dass zu grosse Baugebiete nachträglich nach Möglichkeit wieder zu verkleinern sind, so gilt es umso mehr zu verhindern, dass bereits übermässig grosse Bauzonen noch weiter ausgedehnt werden.
BGE 136 II 204 S. 212
7.1
Zwar ist der Bedarf an Bauland für die nächsten 15 Jahre nicht der einzige Gesichtspunkt für die Festlegung der Bauzonen; vielmehr unterliegt die Bauzonenausscheidung wie alle Raumplanung einer gesamthaften Abwägung und Abstimmung aller räumlich wesentlichen Gesichtspunkte und Interessen (
Art. 1 Abs. 1,
Art. 2 Abs. 1 RPG
;
Art. 1-3 RPV
;
BGE 116 Ia 221
E. 3b S. 232,
BGE 116 Ia 339
E. 3b/ aa S. 341 f.;
BGE 114 Ia 364
E. 4 S. 369; FLÜCKIGER/GRODECKI, in: zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Kommentar, N. 40 und 119 f. zu
Art. 15 RPG
; BERTSCHI, Ausscheidung und Dimensionierung von Bauzonen, a.a.O., S. 31 f.; JOST, a.a.O., S. 167 ff.).
Indes bildet der nach anerkannter Methode geschätzte 15-jährige Baulandbedarf die
Obergrenze
für die Bemessung der Bauzone (Urteil 1P.87/1994 vom 28 April 1994 E. 4b, in: ZBl 96/1995 S. 91), von der nur ausnahmsweise, nach einer umfassenden Abwägung aller wesentlichen - auch regionalen und überregionalen - Interessen, abgewichen werden darf (Urteil 1P.139/1992 vom 20. Dezember 1993 E. 6d). Je grösser die bereits vorhandene Bauzone ist, desto mehr müssen die für eine Einzonung sprechenden Interessen zurücktreten (
BGE 114 Ia 364
E. 4 S. 369). Ist die Bauzone bereits erheblich überdimensioniert, müssen
zwingende
Gründe für eine weitere Bauzonenerweiterung sprechen (
BGE 102 Ia 430
E. 5b S. 436; Entscheid 1P.218/2001 vom 13. August 2001 E. 5a).
7.2
Die Neueinzonung des Gebiets Prätschli in die Hotelzone erfolgte, weil kein Standort innerhalb der Bauzone für die Ansiedlung eines Wellness-Hotels des vorgesehenen Standards und der geplanten Grösse geeignet erschien.
2004 führte die Gemeinde zusammen mit einem beauftragten Architekten eine Standortevaluation für ein Wellness-Hotel mit separatem Personalhaus durch. Aufgrund der Kriterien (u.a. zusammenhängende Fläche von 2-3 ha, gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr, direkter Zugang zum Skigebiet, gute Besonnung und Aussicht, Betroffensein möglichst weniger Grundeigentümer) wurden nur zwei Standorte (Prätschli und Alp Maran; beide ausserhalb der Bauzone) in Betracht gezogen. Alle anderen Alternativstandorte wurden aufgrund planerischer Vorgaben, fehlender Verfügbarkeit oder konkreter Gegebenheiten (z.B. unattraktive Osthanglage, unzureichende Besonnung im Winter) ausgeschieden.
Die gute Besonnung, der direkte Zugang zum Skigebiet, usw. sind zweifellos Vorteile für einen Hotelstandort; sie können aber nicht als
BGE 136 II 204 S. 213
zwingende Gründe für die Vornahme einer Neueinzonung trotz ausreichender oder sogar überdimensionierter Bauzonenreserven betrachtet werden. Grundsätzlich müssen Neubauprojekte den bestehenden Baumöglichkeiten angepasst werden, und nicht umgekehrt die Bauzonen den Standortwünschen der Investoren. Wie die Gemeinde Arosa in ihrem Entwicklungsleitbild und den Grundsätzen der Ortsplanungsrevision 2002 festgehalten hat (vgl. oben E. 6.3.2 und nicht publ. E. 8.2), müssen vorrangig bestehende Hotelbauten innerhalb der Bauzone umgebaut oder ersetzt werden.
Die Neueinzonung von unüberbautem Land zur Realisierung eines bestimmten Bauvorhabens, das sich nur ausserhalb der bestehenden Bauzonen realisieren lässt, ist nach der bundesgerichtlichen Praxis ausnahmsweise zulässig, wenn die Planung aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung gerechtfertigt erscheint und den Zielen und Grundsätzen der Raumplanung entspricht (
BGE 124 II 391
E. 2c S. 393 f.; vgl. zuletzt Urteil 1C_225/2008 vom 9. März 2009 E. 4.5 mit Hinweisen). Zu den wesentlichen Grundsätzen der Raumplanung gehört insbesondere
Art. 15 lit. b RPG
. Führt die Neueinzonung zum Entstehen oder gar zur Vergrösserung überdimensionierter Bauzonen, so muss sie mit Auszonungen einhergehen, um RPG-konform zu sein.
7.3
Als weiteren Grund für die Neueinzonung macht die Gemeinde Arosa geltend, dass die (zur Erhaltung der Hotellerie erwünschte) Einführung einer Hotelzone nur möglich sei, wenn sie unüberbautes Land ausserhalb der Bauzone betreffe; dagegen sei die Umzonung von Land aus der Bau- in eine Hotelzone aufgrund der damit verbundenen Eigentums- und Betriebsbeschränkungen problematisch.
Dieser Auffassung ist zu widersprechen: Es ist raumplanungsrechtlich zulässig und i.d.R. ohne Entschädigungsfolgen möglich, bestehende Hotelbetriebe in eine Hotelzone umzuzonen. Der Erhaltung von Hotelbauten kommt, gerade in touristisch bedeutenden Orten wie Arosa, ein grosses öffentliches Interesse zu, das regelmässig das Interesse des Grundeigentümers an einer möglichst wirtschaftlichen Nutzung seines Grundstücks (z.B. durch Umwandlung in Zweitwohnungen) überwiegt. Eine solche Umzonung stellt jedenfalls dann keine materielle Enteignung dar, wenn am Standort bereits ein (rentabler) Hotelbetrieb existiert oder zumindest die längerfristige Existenzfähigkeit eines Hotels an diesem Standort bejaht werden kann (vgl. Urteil 1P.464/2003 vom 28. Oktober 2003 E. 4.2 betr. Hotelzone der Gemeinde Sigriswil).
BGE 136 II 204 S. 214
8.
(Die Neueinzonung kann sich auch nicht auf einen kantonalen oder regionalen Entwicklungsschwerpunkt stützen und entspricht nicht dem Entwicklungsleitbild der Gemeinde.) | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
832371aa-7380-4a41-ba9b-0a685bf99aba | Urteilskopf
116 Ib 8
2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Mai 1990 i.S. Gemeinde Bösingen gegen X. und Staatsrat des Kantons Freiburg (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 97 ff. OG
, 24 und 34 RPG; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Kognition des Bundesgerichts.
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch die Verletzung des selbständigen kantonalen Verfahrensrechts gerügt werden, welches bei Ausnahmebewilligungen nach
Art. 24 RPG
angewendet wird; die Überprüfungsbefugnis richtet sich allerdings nach den für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen. | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 116 Ib 8 S. 9
Im Amtsblatt des Kantons Freiburg vom 31. März 1989 wurde ein Baugesuch von X. für eine Geflügelmasthalle in der Gemeinde Bösingen veröffentlicht. Gegen dieses Bauvorhaben erhoben verschiedene Nachbarn Einsprache (Art. 172 Raumplanungs- und Baugesetz vom 9. Mai 1983 (RPBG)). Diese Einsprachen wurden nach einer Einigungsverhandlung aufrechterhalten. Die Gemeinde Bösingen begutachtete das Vorhaben negativ und übergab die Akten dem Bau- und Raumplanungsamt des Kantons Freiburg. Am 22. Juni 1989 erteilte die kantonale Baudirektion eine "Sonderbewilligung" für den Bau der Geflügelmasthalle ausserhalb der Bauzone. Die Sonderbewilligung wurde der Gemeinde Bösingen am 28. Juni 1989 mit der folgenden Rechtsmittelbelehrung zugestellt: "Gegen vorliegenden Entscheid kann innert zwanzig Tagen nach Mitteilung beim Staatsrat Verwaltungsbeschwerde eingereicht werden." Die genannte Sonderbewilligung wurde zudem im Amtsblatt vom 30. Juni 1989 veröffentlicht mit dem Hinweis, das Dossier könne beim Bau- und Raumplanungsamt während 20 Tagen von dieser Veröffentlichung an eingesehen werden.
Die Gemeinde Bösingen erhob gegen diese Sonderbewilligung mit Eingabe vom 19. Juli 1989 Verwaltungsbeschwerde beim Staatsrat des Kantons Freiburg. Mit Beschluss vom 20. November 1989 lehnte es dieser ab, auf die Beschwerde einzutreten. Er begründete dies damit, die Beschwerde sei verspätet erhoben worden.
Gegen diesen Entscheid des Staatsrats führt die Gemeinde Bösingen Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der angefochtene Nichteintretensentscheid des Staatsrats ist in Anwendung von
Art. 24 RPG
und gestützt auf diese Bestimmung ausführendes kantonales Recht ergangen. Beim erwähnten kantonalen Ausführungsrecht handelt es sich um Art. 59 Abs. 2 RPBG in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren bei Verwaltungsbeschwerden vom 24. Mai 1961 (VVG).
BGE 116 Ib 8 S. 10
Gemäss Art. 59 Abs. 2 RPBG kann der Entscheid der Baudirektion über Sonderbewilligungen im Sinne von
Art. 24 RPG
durch den Gesuchsteller, die Gemeinde oder den Einsprecher mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist gemäss
Art. 7 Abs. 1 VVG
innert 20 Tagen nach Erhalt des angefochtenen Beschlusses anzuheben. Diese beiden Vorschriften bilden selbständiges kantonales Recht, welches als Ausführungsrecht zu
Art. 24 RPG
zu betrachten ist, soweit es in Ausnahmebewilligungsverfahren dieser Art angewendet wird und somit dem Vollzug von
Art. 24 RPG
dient. Obwohl es sich dabei, wie erwähnt, um selbständiges kantonales Ausführungsrecht zu
Art. 24 RPG
handelt, sind darauf gestützte Verfügungen wegen des Sachzusammenhangs mit
Art. 24 RPG
beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten (
Art. 34 Abs. 1 RPG
). Dabei prüft das Bundesgericht im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde frei, ob das entsprechende kantonale Ausführungsrecht sich an den bundesrechtlichen Rahmen von
Art. 24 RPG
hält. Ist das der Fall, so wird die weitere Prüfung der Anwendung dieses kantonalen Rechts zwar ebenfalls im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde durchgeführt. Soweit dabei selbständiges kantonales Recht in Frage steht, richtet sich die Kognition des Bundesgerichts indessen nach den für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen (vgl.
BGE 112 Ib 96
f.,
BGE 111 Ib 202
E. 2, nicht publizierte Urteile vom 8. November 1989 i.S. Risi E. 1c, vom 21. September 1989 i.S. Senn c. Gemeinde Fulenbach E. 2, vom 19. Dezember 1986 i.S. Gemeinde Saas E. 2c). Die Gemeinde Bösingen ist vom angefochtenen Entscheid betroffen und gemäss
Art. 34 Abs. 2 RPG
zur Beschwerde berechtigt (
Art. 103 lit. c OG
). Auf ihre fristgerecht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
83287552-47fb-44f5-b1e5-528fbfd651b0 | Urteilskopf
98 IV 241
48. Urteil des Kassationshofes vom 26. Oktober 1972 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 28 Abs. 1 und
Art. 141 Abs. 4 StGB
; Strafantrag bei Unterschlagung.
Derjenige, welchem der Besitz der Urkunde eines auf seinen Namen lautenden Checks nicht übertragen wird, ist nicht zur Stellung des Strafantrages wegen Unterschlagung berechtigt. | Sachverhalt
ab Seite 241
BGE 98 IV 241 S. 241
A.-
X. ist Inhaber eines Postfachs beim Postamt Basel 2. Infolge Irrtums eines Postbeamten wurde ihm Anfang Juli 1971 eine an Y. adressierte Sendung, welche einen auf diesen lautenden Check der Bank of New York über US-Dollar 1'841.24 enthielt, ins Fach gelegt. Obschon er wusste, dass die Sendung nicht für ihn bestimmt war, sprach er am 12. Juli 1971 beim Schweizerischen Bankverein in Basel vor, gab sich dem Kassier als Y. aus und bat um Einlösung des Checks. Nachdem die Bank fernschriftlich in New York angefragt hatte, ob Deckung bestehe, und obschon sie darauf keine schlüssige Antwort erhalten hatte, zahlte sie X. auf sein Drängen hin schliesslich am 11. August 1971 den Gegenwert des Checks im Betrag von Fr. 7'539.20 aus. X. verwendete das Geld für private Zwecke.
B.-
Am 17. März 1972 verurteilte das Strafgericht Basel-Stadt X. wegen Unterschlagung zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an welches der Verurteilte die Sache u.a. mit der Begründung weitergezogen
BGE 98 IV 241 S. 242
hatte, dass kein gültiger Strafantrag vorliege, bestätigte am 9. August 1972 den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und Strafpunkt.
C.-
X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Einstellung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Strafantrag nach
Art. 141 Abs. 4 StGB
von Y. gestellt worden ist, für welchen der Check, den der Beschwerdeführer sich angeeignet hatte, bestimmt gewesen war. Die Vorinstanz hat diesen Antrag als rechtsgültig anerkannt. Die Unterschlagung gehöre zu den strafbaren Handlungen gegen das Eigentum. Das durch
Art. 141 StGB
geschützte Rechtsgut sei also das Eigentum, und die Antragsberechtigung komme demzufolge zunächst dem Eigentümer als dessen Träger zu. Indessen sei diese systematische Einreihung der Bestimmung für das Antragsrecht nicht entscheidend (
BGE 74 IV 7
). Es sei vielmehr auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen.
Art. 141 StGB
wolle vor allem die rechtswidrige Aneignung irrtümlich bezahlten Geldes erfassen (
BGE 87 IV 119
). Tatobjekt sei im vorliegenden Fall ein auf Y. und dessen Order gestellter Check gewesen, dessen wirtschaftliche Bedeutung derjenigen des Geldes nahekomme. Da aber der Tatbestand des
Art. 141 StGB
nicht auf Wertpapiere zugeschnitten sei, müsse dem Sinn der Bestimmung durch entsprechende Auslegung Rechnung getragen werden. Nach diesem und der wirtschaftlichen Bedeutung des Checks sei es naheliegend, nicht nur den Berechtigten am Papier, als welcher hier nur der Aussteller oder die bezogene Bank in Betracht komme, sondern auch den Berechtigten aus dem Papier als den unmittelbar in seinen Vermögensrechten Verletzten zum Strafantrag befugt zu erachten. Dieser Schluss dränge sich auf, nachdem das Bundesgericht in
BGE 87 IV 117
Forderungen den beweglichen Sachen gleichgestellt habe.
Demgegenüber wendet der Beschwerdeführer ein, Y. habe die Legitimation zur Stellung des Strafantrags gefehlt, weil er nicht unmittelbar Verletzter im Sinne des Art. 141 in Verbindung
BGE 98 IV 241 S. 243
mit
Art. 28 StGB
gewesen sei. Wer antragsberechtigt sei, bestimme sich nach dem Zweck der Norm und dem von ihr geschützten Rechtsgut. Dieses sei jedoch nach
Art. 141 StGB
nur das Eigentum und nicht das Vermögen schlechthin. Eigentümer des Checks sei jedoch Y. nie gewesen, und was
BGE 87 IV 117
angehe, so sei dieses Urteil nicht unangefochten geblieben.
Die Frage, ob unmittelbar geschütztes Rechtsgut des unter den Eigentumsdelikten eingeordneten
Art. 141 StGB
in Anwendung der in
BGE 87 IV 117
ausgesprochenen Grundsätze nicht nur das Eigentum, sondern weiter das Vermögen sei und ob demgemäss im Fall der Unterschlagung eines Wertpapiers ausser dem Berechtigten am Papier, d.h. dem Papiereigentümer, auch der Berechtigte aus dem Papier als unmittelbar Verletzter zu gelten habe und zur Stellung des Strafantrages befugt erscheine, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Vorinstanz und übrigens auch der Beschwerdeführer selber haben nämlich übersehen, dass Y. zur Zeit der Unterschlagung des Checks nicht nur nicht Berechtigter am Papier, sondern auch nicht Berechtigter aus dem Papier gewesen ist.
a) Dass Y. kein Eigentum am Papier gehabt hat, wurde auch von der Vorinstanz mit der Begründung angenommen, Y. habe den Check nie in Händen gehabt. In der Tat wäre dieses Recht auch bei gültiger Indossierung des auf seine Person und deren Ordre gestellten Checks (Art. 967 Abs. 2 und 1108 Abs. 1 OR) nur übergegangen, wenn der Besitz an der Urkunde auf ihn übertragen worden wäre (
Art. 967 Abs. 1 OR
). Ob eine solche Besitzesübertragung stattgefunden habe, entscheidet sich nach den sachenrechtlichen Regeln, wobei als Besitz der reine Sachbesitz an der Urkunde zu verstehen ist (
BGE 93 II 479
; JÄGGI, Kommentar, N. 31 zu
Art. 967 OR
). Nach jenen Regeln wird im Normalfall der Besitz durch Übergabe der Urkunde übertragen, die sich in einer qualifizierten Ortsveränderung (Änderung des Gewahrsams mit Willen des Veräusserers), also in einem körperlichen Vorgang äussert. Es kann jedoch unter bestimmten Umständen die Übertragung auch ohne Übergabe des Papiers geschehen, nämlich bei offener Besitzlage (
Art. 922 Abs. 2 ZGB
), bei der Besitzwandlung (brevi manu traditio), beim Besitzeskonstitut und der Besitzesanweisung (
Art. 924 ZGB
in
BGE 93 II 480
; JÄGGI, op.cit. N. 33 ff. und 38 ff. zu
Art. 967 OR
). In casu ist weder den Akten noch dem angefochtenen
BGE 98 IV 241 S. 244
Urteil etwas zu entnehmen, was auf eine solche besondere Besitzlage und damit auf eine Besitzesübertragung ohne Übergabe des Papiers vor der Unterschlagung schliessen liesse. Vielmehr steht fest, dass der Aussteller oder die bezogene Bank den Check per Post an die Adresse des Y. abgesandt hat, was erkennen lässt, dass der Besitz an der Urkunde durch deren Übergabe übertragen werden sollte. Tatsächlich hat dann aber die Übertragung auf Y. infolge eines Irrtums der Post nicht stattgefunden. Denn für die Post ist der Absender Auftraggeber. Sie tritt deshalb während des Transports nicht als Mittlerin des Adressaten, sondern als Besitzesdienerin des Absenders auf, für den sie den Besitz an der Sendung bis zu deren Ablieferung ausübt. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der Absender Besitzer, der Adressat wird es erst mit der Inempfangnahme der Sendung (HOMBERGER, Kommentar, N. 16 zu
Art. 923 ZGB
; TUOR/SCHNYDER, ZGB, 8. A. S. 439). Da im vorliegenden Fall die Sendung irrtümlich nicht dem Adressaten, sondern dem Beschwerdeführer abgeliefert wurde, hat Y. vor der Unterschlagung des Checks durch X. am Wertpapier keinen Besitz und damit auch kein Eigentum an der Urkunde erlangt. Er ist - wie die Vorinstanz im Ergebnis richtig angenommen hat - zur Zeit der Tat nicht Berechtigter am Papier gewesen.
b) Hieraus folgt des weitern, dass Y. auch nicht Berechtigter aus dem Papier hat sein können. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz verkennt, dass gemäss
Art. 965 OR
, welche Bestimmung für alle Wertpapiere und namentlich auch für den auf eine Person und deren Ordre gestellten Check gilt, die (vertragliche) Übertragung des darin verbrieften Rechtes (nebst der Indossierung, Art. 967 Abs. 2 und 1108 Abs. 1 OR) die Übertragung des Besitzes an der Urkunde voraussetzt. Die dem Wertpapier eigene Verkörperung des Rechts in der Urkunde hat zur Folge, dass der Eigentümer der Urkunde stets mit dem Gläubiger des verurkundeten Rechts identisch ist, mit anderen Worten, das Recht am Papier und das Recht aus dem Papier immer den gleichen Träger haben (JÄGGI, op.cit. N. 306 zu Art. 965). Wo deshalb - wie im vorliegenden Fall - eine Übertragung des Besitzes und damit des Eigentums an der Urkunde nicht stattgefunden hat, da kann auch das in der Urkunde verbriefte Recht nicht seinen Träger gewechselt haben. Ist demnach Y. zur Zeit der Unterschlagung des Checks durch X. auch nicht Berechtigter aus dem Papier gewesen, so fehlte ihm
BGE 98 IV 241 S. 245
jede rechtliche Beziehung zum Handlungsgegenstand des genannten Deliktes, die ihn - selbst bei weiter Umschreibung des durch
Art. 141 StGB
geschützten Rechtsgutes (
BGE 87 IV 117
) - als unmittelbar verletzten Träger desselben erscheinen liesse. Dieser Schluss rechtfertigt sich umso mehr, als seine Forderung aus dem Grundverhältnis bestehen blieb, weil bei Fehlleistung aufgrund eines Irrtums über die Identität des Ansprechers der Schuldner grundsätzlich nicht befreit wird (JÄGGI, op.cit. N. 198 und 199 zu
Art. 966 OR
).
Somit ist Y. hier nicht antragsberechtigt gewesen. Sein Strafantrag war ungültig, weshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Der Beschwerdeführer ist bezüglich der Anklage wegen Unterschlagung entsprechend dem kantonalen Prozessrecht entweder ausser Strafverfolgung zu setzen oder freizusprechen. Eine allfällige Forstetzung der Strafverfolgung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt hängt vom kantonalen Verfahrensrecht ab.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8339b59e-34c1-4747-8347-33ed623183bd | Urteilskopf
111 IV 151
38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Juli 1985 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 259 Abs. 1 und 2 StGB
.
Art. 10 EMRK
.
1. Aufforderung zu Verbrechen bzw. Vergehen mit Gewalttätigkeit durch Aufkleben entsprechender Plakate auf öffentlichem Grund (E. 1-3).
2. Frage der verfassungskonformen und
Art. 10 EMRK
entsprechenden Auslegung (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 111 IV 151 S. 151
A.-
Am 9. Dezember 1982, 00.30 Uhr, wurde S. am Predigerplatz in Zürich von Beamten der Stadtpolizei angetroffen, als er im Begriffe war, das Plakat "Abbruchstop am Tessinerplatz!!!" auf eine Strassensignalisationstafel zu kleben. Er hatte 15 weitere gleichartige Plakate auf sich, die bereits mit Fischkleister behandelt und somit zum Aufkleben vorbereitet waren.
Der Plakattext lautete (auszugsweise):
"ES WEIHNACHTET IN DER STADT ... und so haben die aktionen der
letzten zeit - brand anschläge, scherben, buttersäure, drohungen, etc.
- in zusammenhang mit dem abbruch am TESSINERPLATZ erste erfolge
gezeigt. die geschäftlimacher der innenstadt (CITY-VEREINIGUNG), die
fürchten, dass ihr weihnachtsbusiness zum (stink-) bombengeschäft wird,
haben sich für einen abbruchstop am TESSINERPLATZ eingesetzt - bis zum
24. dezember, so wollen sie unser stillhalten erschwindeln."
BGE 111 IV 151 S. 152
"... WIR MEINEN: KEINE RUHE FUER LEERE VERSPRECHUNGEN! die angst der
ist unsere chance. LASST WEITERHIN EURE FANTASIE WALTEN!"
"AUTONOME (GEHIRN-) ZELLEN AN DIE ARBEIT!"
B.-
Am 6. April 1984 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich S. wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit (
Art. 259 Abs. 1 und 2 StGB
) sowie wegen eines weiteren Deliktes zu sechs Monaten Gefängnis, abzüglich ein Tag Untersuchungshaft, als Zusatzstrafe zu einem eigenen Urteil vom 26. April 1983.
C.-
S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.-
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit im Sinne des
Art. 259 Abs. 1 und 2 StGB
müsse so beschaffen sein, dass sie als solche schon den öffentlichen Frieden störe; sie müsse deshalb explizit auf die Begehung von Delikten gerichtet sein, und dies müsse unzweideutig und unmissverständlich schon im Wortlaut der Aufforderung zum Ausdruck kommen. Der Text des mit dem Titel "Abbruchstop am Tessinerplatz!!!" versehenen Plakats enthalte keine solche Aufforderung. Das Obergericht habe sich denn auch zur Begründung seines Urteils mit einer Konstruktion eines Gesamtzusammenhangs behelfen müssen, wobei die von ihm konstruierten Bezüge und Zusammenhänge zwischen einzelnen Passagen und die aus dem Plakat abgeleiteten Schlussfolgerungen in keiner Weise zwingend seien. Sie seien gegenteils willkürlich, was bereits mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde gerügt worden sei. Es gebe Interpretationen des Plakates, die um ein vieles vernünftiger seien.
a) Der in
Art. 259 Abs. 1 und 2 StGB
verwendete Begriff der "Aufforderung" ist kein anderer als der im verwandten Tatbestand der Aufforderung und Verleitung zur Verletzung militärischer Dienstpflicht (
Art. 276 StGB
) enthaltene. Wie das Bundesgericht in Auslegung dieser letzteren Bestimmung entschieden hat, bedarf es zur Annahme einer Aufforderung einer Äusserung von einer gewissen Eindringlichkeit, die nach Form und Inhalt geeignet ist, den Willen der Adressaten zu beeinflussen (
BGE 99 IV 94
,
BGE 97 IV 105
). Ein solcher Appell muss jedoch das Delikt, zu dessen
BGE 111 IV 151 S. 153
Begehung aufgerufen wird, nicht explizit, d.h. mit Namen nennen (Hafter, BT I S. 452; Logoz, BT II S. 559; offenbar anderer Meinung Stratenwerth, 3. Aufl., BT II S. 201). Es genügt, wenn für den unbefangenen Leser aus dem Text des Aufrufs erkennbar ist, auf was für ein Verbrechen oder Vergehen der Täter abzielt. Das aber kann sich aus dem Gesamtzusammenhang jenes Appells ergeben. Entsprechend hat denn auch der Kassationshof in einem den
Art. 276 StGB
betreffenden Anwendungsfall auf den gesamten Zusammenhang des Textes abgestellt und selbst eine in Frageform gehaltene Äusserung als Aufforderung zur Verweigerung der Militärdienstpflicht genügen lassen (nicht veröffentlichtes Urteil vom 14. Dezember 1973 i.S. F. und Kons.). Es besteht kein Grund,
Art. 259 Abs. 1 und 2 StGB
insoweit enger zu fassen.
b) Geht man vom Text des Flugblatts aus, das der Beschwerdeführer am 9. Dezember 1982 am Predigerplatz in Zürich auf eine Signalisationstafel geklebt hat, so kann kein Zweifel bestehen, dass damit namentlich zur Begehung von Brandanschlägen, Sachbeschädigungen usw., d.h. zu "Aktionen" aufgerufen wurde, wie sie nach dem ausdrücklichen Hinweis im Plakattext in "der letzten Zeit" durchgeführt wurden, um den "Geschäftemachern der Innenstadt", den "Bonzen" Angst einzujagen. Mit dem Appell an die "Autonomen (Gehirn-)Zellen", sich an die "Arbeit" zu machen, wurden die Leser eindringlich aufgerufen, erneut in gleicher oder ähnlicher Art vorzugehen, um jenen "Geschäftemachern" keine Ruhe zu lassen. Das war für den unbefangenen Leser des Textes ohne weiteres erkennbar. Dieser wurde damit - wie die Vorinstanz zutreffend annahm - zu Verbrechen bzw. zu Vergehen mit Gewalttätigkeiten zumindest gegen Sachen aufgerufen, und es wurde nicht bloss eine Billigung solcher Aktionen zum Ausdruck gebracht. Dass unter den bereits durchgeführten Aktionen auch die Verwendung stinkender Buttersäure erwähnt wurde, ändert am Gesagten nichts. Auch wenn in der Verwendung eines solchen Mittels keine Gewalttätigkeit im Sinne des Gesetzes liegen sollte, bleibt jedenfalls die Tatsache bestehen, dass der Aufruf Brandanschläge und Sachbeschädigungen einschloss, die zweifellos Delikte darstellen, zu deren Begehung nach
Art. 259 StGB
nicht ungestraft öffentlich aufgefordert werden darf.
2.
Die Aufforderung war zudem eine öffentliche, hat doch der Beschwerdeführer das Plakat in Zürich auf dem Predigerplatz auf eine dortige Strassensignalisationstafel aufgeklebt, wo es von einem unbestimmten Personenkreis gesehen und gelesen werden
BGE 111 IV 151 S. 154
konnte. Dass - wie S. meint - der Auffordernde die "Frechheit" haben müsse, selber öffentlich aufzutreten, verlangt
Art. 259 StGB
nicht. Das Gesetz spricht einzig von der öffentlichen Aufforderung, nicht auch davon, dass der Auffordernde sich bei seinem Appell persönlich einem unbestimmten Kreis von Personen zeigen müsse.
3.
Nicht erforderlich ist ferner der Nachweis, dass jemand tatsächlich von der Aufforderung Kenntnis genommen hat. Der Tatbestand des
Art. 259 StGB
umschreibt ein Gefährdungsdelikt, und dieses ist mit der Aufforderung vollendet (
BGE 97 IV 109
; Hafter, a.a.O., S. 452); eine Gefährdung des öffentlichen Friedens liegt nämlich schon darin, dass die Schrift an einer allgemein zugänglichen Stelle angebracht und damit die Möglichkeit geschaffen wird, dass ein grösserer, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängender Kreis von Personen sie sehen und lesen und durch die Aufforderung beeinflusst werden kann. Wie lange diese Möglichkeit in concreto besteht, ist ohne Belang. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts hatte der Beschwerdeführer das Flugblatt vollständig aufgeklebt, und es hing dieses jedenfalls einige Minuten lang, bis Polizeibeamte darauf aufmerksam wurden und es nach Feststellung seines Inhalts wieder entfernten.
6.
Der Einwand des Beschwerdeführers schliesslich, die Auslegung des
Art. 259 StGB
durch das Obergericht verletze das verfassungsmässige Recht der Meinungsäusserungsfreiheit und den
Art. 10 EMRK
, ist unbegründet. Die vorinstanzliche Interpretation des
Art. 259 StGB
entspricht Sinn und Zweck dieser Norm, und es ist nicht ersichtlich, inwiefern sie nicht verfassungskonform sein sollte. Der Beschwerdeführer übersieht zudem, dass die Meinungsäusserungsfreiheit grundsätzlich nur im Rahmen der jeweiligen Gesetzgebung gewährleistet ist (s.
BGE 107 IV 210
E. 2a) und dass im Rahmen der eng umschriebenen Tatbestände des StGB für eine über die teleologische Auslegung der Norm selber hinausreichende Interpretation nach der Verfassung praktisch kein Raum bleibt. Im übrigen enthält auch
Art. 10 Ziff. 2 EMRK
einen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der öffentlichen Sicherheit usw. gesetzlich vorgesehenen Strafdrohungen. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
833b0f06-e85a-4957-89a5-259afa471f4d | Urteilskopf
105 Ib 282
44. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. August 1979 i.S. Kröcher-Tiedemann gegen Bundesanwaltschaft und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (Einsprache gemäss Auslieferungsgesetz) | Regeste
Auslieferung.
Voraussetzungen für die prinzipale und akzessorische Auslieferung aufgrund des Europäischen Auslieferungsübereinkommens und des BB vom 27. September 1966 über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates.
Die akzessorische Auslieferung kann für jede Handlung bewilligt werden, die nach einer gemeinrechtlichen Bestimmung des schweizerischen Rechts strafbar ist (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 282
BGE 105 Ib 282 S. 282
Durch Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Bochum vom 17. Dezember 1973 wurde Gabriele Kröcher-Tiedemann wegen fortgesetzten Diebstahls mit Waffen, versuchten Mordes, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, unbefugter Waffenführung und schwerer räuberischer Erpressung zu einer
BGE 105 Ib 282 S. 283
Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung entfiel durch Beschluss des Bundesgerichtshofes in Strafsachen vom 3. Oktober 1974. Das Strafmass erfuhr dadurch keine Änderung.
Anlässlich eines illegalen Grenzübertritts wurde Frau Kröcher zusammen mit Christian Möller am 20. Dezember 1977 in Delsberg verhaftet, nachdem zwei Grenzwächter angeschossen worden waren. Mit Schreiben vom 21. April 1978 ersuchte der deutsche Bundesminister der Justiz um Auslieferung von Frau Kröcher zur Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten aus dem Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Bochum. Frau Kröcher erhob gegen die Auslieferung Einwendungen, die sich auf das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EAÜ) beziehen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 2 Ziff. 1 EAÜ
wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen. Für den Fall, dass das Auslieferungsersuchen mehrere verschiedene Handlungen betrifft, von denen jede mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, einige aber die Bedingung hinsichtlich des Strafmasses nicht erfüllen, so ist der ersuchte Staat gemäss
Art. 2 Ziff. 2 EAÜ
berechtigt, die Auslieferung auch wegen dieser Handlungen zu bewilligen.
Art. 2 Ziff. 3 EAÜ
ermächtigt jede Vertragspartei, deren Rechtsvorschriften die Auslieferung wegen bestimmter, unter Ziff. 1 fallender Handlungen nicht zulassen, die Anwendung des Übereinkommens auf diese strafbaren Handlungen auszuschliessen. Gemäss
Art. 2 Ziff. 4 EAÜ
notifizieren sie in diesem Falle entweder eine Liste der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung zulässig ist, oder eine Liste der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung ausgeschlossen ist. Die Schweiz, die im Auslieferungsgesetz vom 22. Januar 1892 vom Enumerationsprinzip ausgeht, hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und
BGE 105 Ib 282 S. 284
beim Generalsekretär des Europarates zum Zweck der Bezeichnung der strafbaren Handlungen, derentwegen die Auslieferung zulässig ist, die Liste der in
Art. 3 AuslG
aufgezählten Auslieferungsdelikte hinterlegt. Die Auslieferung wird von der Schweiz demnach verweigert, wenn die dem Verfolgten zur Last gelegte Handlung nicht die Merkmale einer der strafbaren Handlungen umfasst, die in der erwähnten Liste umschrieben sind (Art. 2 des BB vom 27. September 1966, zu
Art. 2 Ziff. 2 EAÜ
). Die Schweiz hat aber gleichzeitig zu
Art. 2 Ziff. 2 EAÜ
die Erklärung abgegeben, dass sie ungeachtet der Beschränkung der Auslieferung auf die in der Liste genannten Delikte die akzessorische Auslieferung für jede andere Handlung zulasse, die nach einer gemeinrechtlichen Bestimmung des schweizerischen Rechts strafbar ist (Art. 2 des BB vom 27. September 1966, zu
Art. 2 Ziff. 2 EAÜ
). Sofern hinsichtlich einer strafbaren Handlung sämtliche Voraussetzungen für die Auslieferung erfüllt sind, so kann demnach die Auslieferung auf weitere strafbare Handlungen ausgedehnt werden, selbst wenn diese nicht sämtliche ordentlichen Voraussetzungen erfüllen. Für die akzessorische Auslieferung genügt, dass die Handlung sowohl nach dem Recht des ersuchenden Staates als auch nach schweizerischem Recht strafbar ist und dass sie kein politisches, fiskalisches oder militärisches Delikt darstellt. Dass sie ein Auslieferungsdelikt sei, ist nicht erforderlich. Unerheblich ist ferner, ob sie mit einer Freiheitsstrafe oder lediglich mit Geldstrafe bedroht wird (
BGE 101 Ia 423
E. 1b, 3d).
b) Die Auszuliefernde wurde durch das Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Bochum vom 17. Dezember 1973 unter anderem wegen versuchten Mords verurteilt. Das Schwurgericht setzte für diese Tat eine Strafe von 7 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe fest. Der Auszuliefernden wird vorgeworfen, zusammen mit einem Komplizen auf drei Polizeibeamte geschossen und deren Tötung in Kauf genommen zu haben. Diese Handlung ist sowohl nach deutschem als auch nach schweizerischem Recht strafbar. Sie fällt zugleich unter die strafbaren Handlungen, für welche die Auslieferung zulässig ist, und zwar unabhängig davon, ob sie nach schweizerischem Recht als versuchter Mord oder als versuchte vorsätzliche Tötung zu erachten ist. In bezug auf diesen Sachverhalt ist daher die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit und des
BGE 105 Ib 282 S. 285
Auslieferungsdelikts offensichtlich erfüllt. Auch übersteigt die ausgesprochene Strafe das in
Art. 2 Ziff. 1 EAÜ
verlangte Mass.
c) Die Auszuliefernde wurde ferner wegen Diebstahls mit Waffen und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt. Sie hatte sich zusammen mit ihrem Komplizen, der wie sie bewaffnet war, Motorfahrzeug-Kontrollschilder widerrechtlich angeeignet und sich der Festnahme durch Polizeibeamte mit Gewalt widersetzt. Diese Handlungen sind auch nach schweizerischem Recht strafbar, und zwar die erste aufgrund von Art. 97 Ziff. 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 19. November 1958 (SVG) sowie die zweite aufgrund von
Art. 285 StGB
. Unter den Tatbestand des Diebstahls (
Art. 137 StGB
) lässt sich die Aneignung von Kontrollschildern mangels Bereicherungsabsicht nicht subsumieren; zwischen Sachentziehung (
Art. 143 StGB
) und dem Tatbestand von
Art. 99 Ziff. 1 Abs. 7 SVG
besteht unechte Gesetzeskonkurrenz. Die in Frage kommenden Straftatbestände stellen keine Auslieferungsdelikte dar. Eine prinzipale Auslieferung wäre daher nicht zulässig. Da die Auslieferung der Einsprecherin aber schon aufgrund des unter lit. b behandelten Sachverhalts zu bewilligen ist, steht einer akzessorischen Auslieferung für die hier in Frage stehenden strafbaren Handlungen nichts entgegen.
d) Die Auszuliefernde wurde sodann wegen unbefugter Waffenführung gemäss § 53 Abs. 3 des deutschen Waffengesetzes vom 19. September 1972 verurteilt. Für diesen Sachverhalt ist in der Schweiz keine Strafbestimmung des Bundesrechts gegeben. Unerlaubtes Waffentragen wird nur vom kantonalen Recht mit Strafe bedroht. Entsprechende Strafbestimmungen finden sich überdies nicht in allen Kantonen. Da unter "schweizerischem Recht", welches beim Entscheid über die beidseitige Strafbarkeit zu berücksichtigen ist, in der Regel nur das Bundesrecht zu verstehen ist, hat die Auslieferung hinsichtlich des Sachverhalts der unbefugten Waffenführung zu unterbleiben (
BGE 101 Ia 423
E. 3d). Da insoweit das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt ist, kommt auch eine akzessorische Auslieferung nicht in Frage. Die Auslieferung der Verfolgten kann deshalb nur unter Vorbehalt des Delikts der unerlaubten Waffenführung erfolgen.
BGE 105 Ib 282 S. 286
Aus dem Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Bochum, zu dessen Vollzug die Auslieferung verlangt wird, geht nicht hervor, wie sich die Verurteilung wegen unbefugter Waffenführung auf das Strafmass auswirkte. Ob sich ohne diese Verurteilung eine geringere Gesamtstrafe ergeben hätte, kann bei dieser Sachlage nicht vom Auslieferungsrichter beurteilt werden. Es obliegt dem deutschen Richter, diese Frage vor oder nach der Auslieferung zu prüfen und die Strafe gegebenenfalls neu festzusetzen. In diesem Sinne ist die Auslieferung zum Vollzug der Reststrafe aus dem erwähnten Urteil unter Vorbehalt des Delikts der unerlaubten Waffenführung zu bewilligen. - Die Anbringung eines weiteren Vorbehalts in bezug auf die Tatbestände der Bildung krimineller bzw. terroristischer Vereinigungen (§§ 129 und 129a d-StGB) ist nicht erforderlich. Das Urteil des Schwurgerichts beim Landgericht Bochum stützt sich auf keinen solchen Tatbestand. Im übrigen steht der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung einer Verfolgung der Einsprecherin wegen einer solchen, vor der Übergabe begangenen Tat entgegen (
Art. 14 EAÜ
). | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
833b4192-7092-44d4-a774-3646eccb1c6a | Urteilskopf
91 III 94
18. Arrêt du 20 novembre 1965 dans la cause Freudman. | Regeste
Art. 8 Abs. 2 SchKG
.
Im Konkurse dürfen die Gläubiger grundsätzlich alle im Besitz des Konkursamtes befindlichen Aktenstücke einsehen (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 1 und 2).
Darf das Amt einem Gläubiger, der früher Verwaltungsrat und Direktor der konkursiten Gesellschaft war, ausnahmsweise die Einsichtnahme aus dringenden Gründen der Verschwiegenheit verweigern? (Erw. 3).
Praktische Schwierigkeiten bilden keinen Grund zur Verweigerung (Erw. 4).
Unentgeltlichkeit des Beschwerde- und Weiterziehungsverfahrens (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 94
BGE 91 III 94 S. 94
A.-
Dans la faillite de Constructions Balency SA, prononcée le 1er avril 1965 à Genève, Aaron Freudman a demandé à l'office des faillites l'autorisation de consulter la comptabilité de la débitrice. Il s'est heurté à un refus. Pour l'office, le requérant se fonde sur des éléments étrangers à sa qualité de créancier; il a certes produit des créances pour 68 000 fr. en 1re classe et pour 2 743 935 fr. 40 en 5e classe; mais toutes ses productions ont été écartées à l'état de collocation, déposé le 6 octobre 1965. D'autre part, l'office invoque un impérieux devoir de discrétion: Freudman a été président du conseil d'administration et directeur général de la société faillie, avec signature individuelle,
BGE 91 III 94 S. 95
puis administrateur et directeur; ses pouvoirs ont pris fin quelques mois seulement avant l'ouverture de la faillite; or la comptabilité en question est examinée actuellement par un expertcomptable en vue de fixer la responsabilité tant civile que pénale des organes de la société faillie et principalement celle du requérant lui-même.
B.-
Freudman a porté plainte contre cette décision. Il expliquait en bref qu'il avait engagé de gros frais pour le compte de la société, à laquelle il avait remis les pièces justificatives; il se trouvait ainsi dans l'impossibilité de chiffrer exactement ses productions; il n'avait articulé que sous toutes réserves le montant de ses créances; en outre, il avait cautionné la débitrice et des tiers créanciers le recherchaient de ce fait; pour résister à ces prétentions, il devait consulter la comptabilité.
Statuant le 29 octobre 1965, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a rejeté la plainte. Elle relève que Freudman a introduit en temps utile une action en contestation de l'état de collocation, de sorte que sa demande n'est pas dépourvue d'objet; on ne saurait affirmer d'emblée, sans préjuger le sort de cette action, que la requête du plaignant repose sur d'autres motifs que son intérêt à faire reconnaître ses créances contre la société faillie; en revanche, il existe en l'espèce un impérieux devoir de discrétion, vu le rôle important que Freudman a joué comme organe de la débitrice et la procédure dirigée contre lui de ce fait; mais l'office ne peut lui opposer un refus définitif; il ne le maintiendra pas au-delà du temps nécessaire; il appréciera le motif impérieux de discrétion d'autant plus strictement que la situation exceptionnelle qui en résulte se prolongera.
C.-
Contre cette décision, Freudman recourt au Tribunal fédéral. Il conclut, avec dépens, à ce que l'office et la masse en faillite de Constructions Balency SA soient invités à mettre immédiatement à sa disposition tous les livres, toute la comptabilité et toutes les pièces qu'ils détiennent.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En vertu de l'art. 8 al. 2 LP, toute personne qui justifie de son intérêt peut consulter les registres de l'office des poursuites et des faillites. La jurisprudence reconnaît en principe cet intérêt à chaque créancier du failli. Elle a étendu la consultation aux autres pièces que détient l'office, telles que la comptabilité
BGE 91 III 94 S. 96
du débiteur et les pièces justificatives, les procès-verbaux des séances des organes de la société faillie, etc. (RO 85 III 119/120 et arrêts antérieurs cités, ainsi que RO 52 III 73 et 77). Même la discrétion à laquelle est tenue l'administration de la faillite d'une banque est limitée par les communications que prescrivent les art. 8 et 249 LP (RO 86 III 114 ss., notamment 117/18). L'office ne peut opposer un refus aux créanciers du failli que si des circonstances exceptionnelles le justifient. Il interdira la consultation, par exemple, si la requête est fondée sur des motifs étrangers à la qualité de créancier, si elle est tracassière ou si elle se heurte à un impérieux devoir de discrétion (RO 85 III 120, 86 III 118).
2.
Le fait que l'administration de la faillite a écarté les créances produites par le recourant n'est pas décisif. Comme le relève l'autorité cantonale de surveillance, du moment que Freudman a introduit en temps utile une action en contestation de l'état de collocation, on ne saurait lui dénier la qualité de créancier sans préjuger le sort du litige. Dès lors, on ne peut exclure maintenant déjà que la demande de consulter les pièces soit dictée par le souci de sauvegarder les droits découlant de cette qualité. La jurisprudence admet du reste que l'existence d'un procès entre le requérant et le débiteur failli suffit à justifier l'intérêt du premier à consulter les pièces en possession de l'office (RO 58 III 118).
3.
Il reste à examiner si le refus opposé au recourant se justifie par un impérieux devoir de discrétion. L'office l'a admis sans réserve. L'autorité cantonale de surveillance a exprimé une opinion plus nuancée. Elle suggère apparemment que l'interdiction faite au recourant de consulter la comptabilité et les pièces de la société faillie soit seulement temporaire.
L'action en responsabilité que les organes de la masse en faillite se proposent d'intenter à Freudman pour sa gestion comme administrateur de la débitrice ne constitue pas à elle seule un motif de refus. Au contraire, les parties au procès civil ont en principe le droit de prendre connaissance des pièces produites. Cette règle ne souffre d'exception que si la sauvegarde de secrets d'affaires d'une partie ou d'un tiers l'exige (cf. art. 38 PCF). L'art. 4 Cst. garantit en effet le droit d'être entendu, et partant de s'exprimer. Or la consultation du dossier est une condition de l'exercice de ce droit. Elle ne peut être limitée qu'exceptionnellement. Le refus motivé par un impérieux devoir de discrétion visera uniquement les pièces qui devraient rester secrètes
BGE 91 III 94 S. 97
(cf. message du Conseil fédéral à l'appui d'un projet de loi sur la procédure administrative du 24 septembre 1965, FF 1965 II p. 1403, et références citées, ainsi que l'art. 24 al. 2 du projet de loi, loc.cit., p. 1418).
Ni l'office ni l'autorité de surveillance ne prétendent qu'en l'espèce, des secrets d'affaires de la société faillie ou d'un tiers seraient opposables au droit du recourant. Celui-ci avait d'ailleurs accès à toute la comptabilité de Constructions Balency SA, en sa qualité d'administrateur et de directeur, jusqu'à quelques mois de l'ouverture de la faillite. L'office pourrait tout au plus l'empêcher de prendre connaissance de pièces déterminées se rapportant à la période qui a suivi sa révocation et que la sauvegarde de secrets d'affaires obligerait à tenir secrètes. En l'état, aucun indice ne permet de penser qu'il en soit ainsi.
4.
Peu importe qu'une expertise comptable soit en cours. Les difficultés pratiques ne suffisent pas pour dénier le droit de consulter des pièces à une personne qui justifie de son intérêt (RO 85 III 120). Cette consultation n'empêche pas l'expertise de continuer. L'office veillera à ce que le recourant exerce son droit sans gêner le travail de l'expert. Il prendra aussi, le cas échéant, toutes les précautions requises pour éviter que des pièces ne disparaissent du dossier lors de leur consultation.
5.
La procédure de plainte étant gratuite, y compris le recours au Tribunal fédéral, le recourant ne saurait obtenir les dépens qu'il réclame (art. 69 et 78 Tarif LP; RO 85 III 60/61, consid. 1).
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites:
Admet le recours, réforme la décision rendue le 29 octobre 1965 par l'Autorité cantonale de surveillance de Genève et ordonne à l'office des faillites de cette ville, ainsi qu'à la masse en faillite de Constructions Balency SA, de laisser consulter par Aaron Freudman les livres, la comptabilité et les pièces de la société faillie qui sont en leur possession. | null | nan | fr | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
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