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Urteilskopf 97 IV 77 21. Urteil des Kassationshofes vom 7. Mai 1971 i.S. Lötscher, Mascarin, Kaufmann, Witschi und Bohny gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
Regeste 1. Art. 64 Abs. 1 StGB . Damit dem Täter achtungswerte Beweggründe zugebilligt werden können, muss die Tat einer ethisch hochstehenden oder ethisch zu rechtfertigenden Gesinnung entsprungen sein. 2. Art. 20 StGB . Rechtsirrtum; zureichende Gründe verneint.
Sachverhalt ab Seite 78 BGE 97 IV 77 S. 78 A.- Die Basler Verkehrsbetriebe erhöhten auf 1. Juli 1969 die Tramtaxen. Gegen diese Massnahme führte ein sog. "Aktionskomitee" am 1., 2., 3., 4., 5. und 18. Juli 1969 auf verschiedenen wichtigen Strassen und Plätzen der Stadt Basel Demonstrationen durch, die jeweils die Stillegung oder eine sonstige erhebliche Störung des Tramverkehrs zur Folge hatten. Um die Tramzüge längere Zeit aufzuhalten, setzten sich Gruppen von Demonstranten auf die Tramschienen und in deren Bereich, oder sie stellten sich dem Tramzug in den Weg. Durch Plakate, direkte Anrede, zeitweise auch durch Lautsprecher und Megaphon forderten die Teilnehmer das Publikum auf, sich am sog. "Sit-in" zu beteiligen. Die Demonstranten liessen sich von ihrem Vorhaben auch nicht durch die in der Presse ergangene und von der Polizei bekanntgegebene Mitteilung abhalten, eine Störung des Tramverkehrs sei strafbar. Ebenso wirkungslos blieb eine behördliche Warnung, die einer Abordnung des "Aktionskomitees" anlässlich einer Besprechung vom 10. Juli 1969 erteilt worden war, verbunden mit dem Vorschlag, den Barfüsserplatz für eine Demonstration ohne Tramstörung zur Verfügung zu stellen. Obwohl inzwischen eine Initiative für die Einführung des unentgeltlichen Trambetriebs zustande gekommen war, beschlossen die Anführer des "Aktionskomitees", es auf eine Machtprobe mit den Behörden ankommen zu lassen. Sie riefen deshalb auf den 18. Juli 1969 nochmals zu einer Grossdemonstration auf. Diese wurde durch ein starkes Polizeiaufgebot aufgelöst. B.- Peter Lötscher, Alvise Mascarin, Ulrich Kaufmann, Jörg Bohny und Fritz Witschi sowie weitere an den Demonstrationen beteiligte Personen wurden in Strafuntersuchung gezogen. Das Strafgericht Basel-Stadt sprach am 20./22. Mai 1970 die Angeklagten Mascarin und Witschi wegen fortgesetzter, die Angeklagten Lötscher, Kaufmann und Bohny wegen wiederholter und fortgesetzter Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, schuldig und verurteilte Lötscher und Kaufmann BGE 97 IV 77 S. 79 zu je 20 Tagen, Mascarin, Bohny und Witschi zu je 15 Tagen Gefängnis. Es gewährte allen Verurteilten den bedingten Strafvollzug und setzte die Probezeit für jeden Täter auf zwei Jahre an. Ferner verfällte das Strafgericht Witschi wegen unerlaubten Betriebes eines Lautsprechers an einem Motorfahrzeug in eine Busse von Fr. 30.-. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat mit Urteilen vom 31. August und 2. Oktober 1970 die Appellationen der Verurteilten abgewiesen und die vom Strafgericht gefällten Entscheide bestätigt. C.- Die fünf Angeklagten führen Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts mit dem Antrag auf Aufhebung der Urteile des Appellationsgerichts und Rückweisung an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. Bohny macht eine Verletzung von Art. 64 StGB geltend und beantragt die Berücksichtigung achtungswerter Beweggründe, während die übrigen Verurteilten ausserdem Verzicht auf Strafe oder Strafmilderung in Anwendung von Art. 20 StGB verlangen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragt Abweisung der Beschwerden. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe ihnen keine mildernden Umstände zugebilligt und damit Art. 64 StGB verletzt. Nach dieser Bestimmung kann der Richter die Strafe u.a. mildern, wenn der Täter aus achtungswerten Beweggründen gehandelt hat. Die Frage, aus welchen Motiven ein Täter gehandelt habe, bezieht sich auf den inneren Tatbestand. Die darüber vom kantonalen Richter gemachten Feststellungen sind für den Kassationshof verbindlich und können mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis Abs. 1 BStP). Dagegen ist es eine im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren überprüfbare Rechtsfrage, ob der vom Sachrichter festgestellte Beweggrund der Täter achtenswert sei. Selbst wenn die Beweggründe der Beschwerdeführer als achtungswert anerkannt werden, ist es gemäss Art. 64 StGB dem Sachrichter überlassen, ob er die Strafe mildern will. Er hat dabei sein Ermessen pflichtgemäss anzuwenden, also weder wesentliche Faktoren zu vernachlässigen noch unwesentliche zu berücksichtigen. Der Kassationshof BGE 97 IV 77 S. 80 schreitet nur ein, wenn dieses pflichtgemässe Ermessen überschritten wird ( BGE 90 IV 154 E. 4). 2. a) Die Tat muss einer ethisch hochstehenden oder wenigstens ethisch zu rechtfertigenden Gesinnung entsprungen sein, damit dem Täter achtungswerte Beweggründe im Sinne von Art. 64 StGB zugebilligt werden können (HAFTER, Allgemeiner Teil, 2. Auflage, S. 361). Massgebend ist die Auffassung des Richters, der die Grundsätze der Ethik zu befolgen hat und das öffentliche Gewissen vertritt (THORMANN/OVERBECK, N. 5 zu Art. 64 StGB ). Ob der festgestellte Beweggrund achtungswert ist, beurteilt sich unabhängig von der Tat nach objektiven Gesichtspunkten. DasAppellationsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus, es sei denkbar, dass die Teilnahme an den Demonstrationen auf achtungswerte Beweggründe zurückzuführen sei. Dafür spreche der Unwille über die starke Taxerhöhung, der vor allem bei jungen Leuten verständlicherweise zu augenfälligen Handlungen führen konnte, was dem altersmässigen Bedürfnis nach Aktivität und Erleben von Ungewöhnlichem entspreche. Bei den Angeklagten würden diese Überlegungen aber nicht zutreffen. Die Demonstration vom 18. Juli 1969 habe Aufschluss über ihre von Anfang an vorhandenen Beweggründe gegeben. Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist es den Angeklagten bekannt gewesen, dass Geduld und Nachsicht der Behörden erschöpft waren und die Polizei beauftragt war, weitere Störungen des Trambetriebs zu verhindern. Ausserdem wussten die Angeklagten, dass die allgemeine Erregung über die Taxerhöhung bereits abgeflaut und die Initiative zur Einführung des unentgeltlichen Trambetriebes zustande gekommen war. Auch war ihnen bekannt, dass die Regierung nachdrücklich auf die Unzulässigkeit von Störungen des Trambetriebs verwiesen, den Polizeieinsatz gegen neue Behinderungen angedroht und eine bewilligte Demonstration auf dem Barfüsserplatz vorgeschlagen hatte. Hätte man für die Zeit vor dem 18. Juli 1969 im Zweifel sein und darum zugunsten der Beschwerdeführer entscheiden können, diese wollten die von ihnen als ungerecht empfundene Massnahme der Verkehrsbetriebe bekämpfen, so zeigten sie nunmehr, dass die Machtprobe mit den Behörden für sie entscheidend war. Mochten sie selbst anfänglich der Meinung sein, nur grossangelegte Demonstrationen könnten etwas erreichen, war in der Zwischenzeit die genannte BGE 97 IV 77 S. 81 Initiative nicht nur ergriffen worden, sondern bereits zustande gekommen. Verliessen sich die Beschwerdeführer anfänglich auf die entgegenkommende Zurückhaltung der Behörden, so wussten sie nunmehr, dass der Regierungsrat weitere Störungen der öffentlichen Verkehrsbetriebe nicht dulden und dass die Polizei einschreiten werde. Trotzdem haben sie solche wiederholt. Wenn die Vorinstanz ihnen deshalb ethisch hochstehende Beweggründe abspricht, hat sie damit Art. 64 StGB nicht verletzt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführer keine aktive Gewalt anwandten. Ihr passiver Widerstand war nicht weniger wirksam, musste doch die Polizei zweimal ihre Versuche, den Tramzügen die Durchfahrt freizumachen, aufgeben. Ebensowenig kann die Berufung auf das Demonstrationsrecht dazu führen, dass der Richter die Beweggründe bestimmter Demonstranten anders beurteilt, als dies sonst der Fall wäre. Die Vorinstanz hat ohne Verletzung des Art. 64 StGB aus den von ihr festgestellten Tatsachen gefolgert, die Beschwerdeführer hätten nicht aus vorwiegend achtungswerten Motiven gehandelt, im Gegensatz etwa zu andern jugendlichen Demonstranten. b) Selbst wenn mit den Beschwerdeführern anzunehmen wäre, auf Grund der Feststellungen des Appellationsgerichtes müsse angenommen werden, die Angeklagten hätten aus achtungswerten Motiven gehandelt, so wäre damit noch keine Rechtsverletzung dargetan. Art. 64 StGB stellt es in das Ermessen des Richters, ob er bei Vorliegen gewisser in dieser Bestimmung aufgezählter Voraussetzungen die Strafe mildern will. Dazu erklärt das angefochtene Urteilausdrücklich, eine Strafmilderung gegenüber den Angeklagten wäre auch dann nicht am Platze, wenn einer der Gründe des Art. 64 StGB bejaht würde. Bohny bemerkt dazu, mit einer solchen Behauptung sei es nicht getan. Die übrigen Beschwerdeführer setzen sich mit dieser Erklärung der Vorinstanz überhaupt nicht auseinander. Es wird somit nicht dargetan, inwiefern sich das Appellationsgericht einer Ermessensüberschreitung schuldig gemacht haben soll. Dass es sich mit dem einen genannten Satz begnügte, entkräftet ihre Schlussfolgerung nicht. Der Sachrichter ist nicht einmal verpflichtet, die Ablehnung der Strafmilderung ausdrücklich zu erklären. Jene kann sich aus den Umständen ergeben ( BGE 90 IV 154 E. 4). Lehnt er die Strafmilderung ausdrücklich ab, so BGE 97 IV 77 S. 82 ist er nicht gehalten, dies näher zu begründen. Der Kassationshof hat auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur dann einzuschreiten, wenn der Sachrichter die Strafmilderung aus unsachlichen Gründen verweigert oder rechtlich erhebliche Gründe nicht oder unrichtig angewandt hat. Dass dies in den vorliegenden Fällen zutreffen würde, machen die Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend. 3. Die Vorinstanz führt aus, Witschi habe bis zum Beweis von Tatsachen alle Vorhalte abgeleugnet oder einfach die Antwort verweigert. Seine Verteidigung sei eine Zwecklüge. Er lehne offensichtlich die herrschende staatliche Ordnung ab und scheine der Ansicht zu sein, den Behörden gegenüber sei alles erlaubt. Wenn das Appellationsgericht daraus auf eine ethisch nicht besonders hochstehende Gesinnung des Täters auch bei der Verübung der konkreten Tat schliesst, so macht sie sich jedenfalls keiner Rechtsverletzung schuldig. 4. Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Behörden in andern Fällen von Tramstörungen gegen die Urheber nicht strafrechtlich vorgegangen seien. Der Einwand schlägt nicht durch. Der Umstand, dass Straftaten Dritter ungesühnt bleiben, führt nicht zur Aufhebung des Strafurteils gegenüber einem zu Recht verurteilten Täter ( BGE 89 IV 135 E. 5 und 200). Darüber hinaus ist festzustellen, dass die meisten der von den Beschwerdeführern herangezogenen Vergleichsfälle anders liegen als die zur Beurteilung stehenden Tramstörungen. Fasnacht, 1. Mai-Umzug, Festumzug der Turnvereine usw. sind Veranstaltungen, die im voraus bekanntgegeben und von den zuständigen Behörden bewilligt werden. Die Verkehrsbetriebe, die Verkehrspolizei und der private Strassenbenützer können sich darauf einrichten und unter Umständen Umleitungskurse wählen. Der Verkehrsbetrieb wird durch solche Veranstaltungen zwar zu Umstellungen veranlasst, aber nicht rechtswidrig verunmöglicht. Die Beschwerdeführer dagegen hatten es nach den Feststellungen der Vorinstanz geradezu darauf angelegt, durch ihre Demonstrationen den Tramverkehrlahmzulegen oder erheblich zu stören, um damit die Fahrgäste sowie die für den Betrieb verantwortlichen Behörden herauszufordern und auf diese Weise die Öffentlichkeit wachzurütteln.Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit ist es daher nicht zu beanstanden, wenn die in den Beschwerden erwähnten "Störungen" anders behandelt wurden als die Handlungen der Beschwerdeführer. BGE 97 IV 77 S. 83 Im übrigen ist nicht einzusehen, welchen Einfluss die Unterlassung von Strafsanktionen gegen andere Tramstörer auf die Anwendung von Art. 64 StGB haben könnte. Ob die Beweggründe der Beschwerdeführer achtungswert waren oder nicht, hängt nicht vom mehr oder weniger energischen Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden gegenüber andern Störern ab. 5. Lötscher, Mascarin, Kaufmann und Witschi berufen sich auf Rechtsirrtum. Sie behaupten eine Verletzung von Art. 20 StGB durch die Vorinstanz. Der Richter kann auf Bestrafung verzichten oder die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter aus zureichenden Gründen angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt. Die Beschwerdeführer machen geltend, sie hätten angenommen, das Demonstrationsrecht gehe dem Strafgesetz vor. Ihr Verteidiger bemerkt dazu, diese Auffassung sei zwar falsch, für einen Rechtsunkundigen aber ohne weiteres vertretbar, zumal der Tramverkehr auch durch andere Strassenbenützer gestört werde, zum Beispiel durch Fuhrwerke, Fussgänger, Musikkapellen und Trachtengruppen. Dass der Tramverkehr gelegentlich auf Fuhrwerke, Umzüge usw. Rücksicht nehmen muss, hat mit der Frage, ob unter Berufung auf das Demonstrationsrecht der Tramverkehr straflos gestört werden dürfe, nichts zu tun. Dass die Beschwerdeführer aber jemals angenommen haben sollten, das Strafgesetz finde auf sie keine Anwendung, weil sie durch die Demonstrationsfreiheit geschützt seien, ist durch nichts nachgewiesen und von beiden kantonalen Gerichten verneint worden. Das Appellationsgericht stellt weiter verbindlich fest, dass die Angeklagten wiederholt und unzweideutig auf die Unzulässigkeit ihres Verhaltens aufmerksam gemacht worden sind. Die Polizei habe ausserdem am 2. Juli 1969 erfolglos versucht, einem Tramzug den Weg zu bahnen; ein zweiter Versuch sei am 3. Juli 1969 wiederum am Widerstand der Demonstranten gescheitert. Die Beschwerdeführer unterschlagen diese Ausführungen und bestreiten einfach die weitere Feststellung der Vorinstanz, dass im übrigen jedermann wisse, dass der Tramverkehr nicht gestört werden dürfe. Diese Vorbringen der Beschwerdeführer sind trölerisch. Es war nicht Sache der kantonalen Gerichte, einen behaupteten Rechtsirrtum zu widerlegen, sondern Sache der Angeklagten, BGE 97 IV 77 S. 84 die zureichenden Gründe darzutun, die eine Berufung auf Art. 20 StGB rechtfertigen könnten. Das ist in keinem Abschnitt des Verfahrens geschehen. Die Beschwerdeführer geben in ihrer Beschwerde selbst zu, von der Polizei auf die Unzulässigkeit der Betriebsstörungen hingewiesen worden zu sein. Selbst wenn sie vorher noch wider alles Erwarten im Zweifel über die Rechtslage gewesen wären, konnten sie nach dieser Belehrung durch die zuständigen Behörden nicht mehr in guten Treuen annehmen, zu ihrem Verhalten berechtigt zu sein ( BGE 88 IV 123 E. 3, BGE 86 IV 215 E. 5, BGE 83 IV 203 ). Von Rechtsirrtum kann somit nicht die Rede sein. Anders wäre es nur, wenn die Beschwerdeführer von einer der Polizei übergeordneten Behörde, beispielsweise der Staatsanwaltschaft oder dem Regierungsrat eine eindeutige Erlaubnis erhalten hätten, ihr "Sit-in" durchzuführen. Dass das der Fall gewesen sei, behaupten die Beschwerdeführer aber nicht. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen.
null
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
112a809e-7900-4408-9a7b-2681ee0c40f9
Urteilskopf 114 II 200 34. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. April 1988 i.S. B. gegen M. (Berufung)
Regeste Art. 156 Abs. 1 ZGB ; Offizialmaxime. Die Offizialmaxime gibt keinen bundesrechtlichen Anspruch auf die Einholung weiterer Gutachten, wenn sich der Richter aufgrund der bisherigen - teilweise widersprechenden - Gutachten ein zutreffendes Bild über die entscheidenden Faktoren für die Kinderzuteilung machen kann (E. 2b). Art. 156 Abs. 1 ZGB ; Kinderzuteilung im Falle der Scheidung. Weisen Vater und Mutter im übrigen gleichwertige Voraussetzungen auf, so hat bei der Zuteilung von Kindern im schulpflichtigen Alter oder kurz davor derjenige Elternteil den Vorrang, der die grössere Bereitschaft aufweist, die Kinder auf Dauer in eigener Obhut zu haben, sie unmittelbar selber zu betreuen und zu pflegen (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3). Zuteilung der Kinder an den Vater aufgrund des Kriteriums der Stabilität der Verhältnisse (E. 5).
Erwägungen ab Seite 201 BGE 114 II 200 S. 201 Aus den Erwägungen: 2. b) (...) Insbesondere begründet die Offizialmaxime keinen bundesrechtlichen Anspruch auf eine unbegrenzte Zahl von Gutachten und Obergutachten. Es wäre verfehlt, immer neue Gutachten in Auftrag zu geben in der zweifelhaften Hoffnung, am Schluss den letzten Rest unterschiedlicher Beurteilung ausräumen zu können. Der Richter kann sich seiner Aufgabe, die Meinungsäusserung des Sachverständigen auf ihre Überzeugungskraft hin zu überprüfen, nicht einfach durch einen Obergutachtensauftrag entledigen, sofern es wie hier nicht um reine Sachfragen - namentlich um die Regeln der Kunst - geht. Im vorliegenden Fall sind die massgeblichen Verhältnisse durch die Kinder- und Erwachsenengutachten jedenfalls soweit abgeklärt worden, dass sich der Sachrichter ohne Verletzung von Bundesrecht ein zutreffendes Bild über die entscheidenden Faktoren für die Kinderzuteilung machen konnte. Auf ein weiteres Gutachten durfte somit verzichtet werden. 3. Der Richter hat im Falle der Scheidung über die Gestaltung der Elternrechte und die persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern nach Anhörung der Eltern und nötigenfalls der Vormundschaftsbehörde die erforderlichen Anordnungen zu treffen ( Art. 156 Abs. 1 ZGB ). Dabei steht ihm ein weites Ermessen zu. Das Bundesgericht hat jedoch einige Regeln aufgestellt, die dem Richter den Entscheid erleichtern sollen. Oberster Grundsatz bildet danach stets das Wohl des Kindes, während die Interessen der Eltern in den Hintergrund zu treten haben. Die Kinderzuteilung ist in Würdigung der gesamten Umstände in jedem Einzelfall so vorzunehmen, dass den Bedürfnissen des Kindes entsprechend seinem Alter, seinen Neigungen und seinem Anspruch auf elterliche Fürsorglichkeit, Zuwendung und Erziehung bestmöglich entsprochen wird. Für den Entscheid stehen daher die persönlichen Beziehungen der Eltern zum Kind, ihre erzieherischen Fähigkeiten, aber auch ihre Fähigkeit und Bereitschaft, das Kind in eigener BGE 114 II 200 S. 202 Obhut zu haben und es weitgehend persönlich zu betreuen und zu pflegen, im Vordergrund ( BGE 112 II 382 ; BGE 111 II 227 ; BGE 109 II 193 f.). Auch in jüngsten Entscheiden hat das Bundesgericht betont, dass kleinere Kinder in besonderer Weise der mütterlichen Fürsorge bedürften; der unmittelbaren Betreuung der Kinder durch die Mutter komme daher vorrangige Bedeutung zu. Gleichzeitig ist aber auch darauf hingewiesen worden, dass dem Bedürfnis des Kindes nach stabilen Lebensverhältnissen Rechnung zu tragen sei ( BGE 112 II 382 ; BGE 108 II 370 ); es sei diejenige Lösung zu treffen, welche die für eine harmonische Entfaltung des Kindes in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht notwendige Stabilität der Verhältnisse gewährleiste ( BGE 111 II 227 ). a) Eine gewisse mütterliche Vorgabe bei der Kinderzuteilung infolge Scheidung ist indessen nach und nach weniger auf einen natürlichen Vorrang der Mutter gegenüber dem Vater in der Betreuung und Pflege der Kinder gestützt worden. Statt dessen ist zunehmend das Kriterium der unmittelbaren Betreuung und Pflege - der Kinder in den Vordergrund getreten. Danach sind die Kinder vorab demjenigen Elternteil zuzuteilen, der bereit ist, seine berufliche Belastung zeitlich ganz oder soweit als möglich einzuschränken, um die Obhut über die Kinder selber ausüben zu können. Wenn eine bestimmte mütterliche Vorgabe aufrechterhalten worden ist, so also vor allem wenn auch nicht ausschliesslich deswegen, weil in aller Regel die Mutter eher die Möglichkeit und Bereitschaft aufweise, im Interesse der Kinder auf vollen beruflichen Einsatz und entsprechendes Fortkommen zu verzichten. Ein eigentliches Umdenken habe nicht zuletzt angesichts von Art. 161 Abs. 3 aZGB bisher noch nicht stattgefunden, auch wenn Ansätze dazu durchaus vorhanden seien (vgl. BGE 109 II 194 ; 111 II 227 f.). In der Lehre wird der mütterliche Vorrang zumindest für Kinder im schulpflichtigen Alter - heute ebenfalls in Frage gestellt (HEGNAUER, Kinderzuteilung und Besuchsrecht als Aufgaben der Gesetzgebung, in: Kindeszuteilung, Zürich 1985, S. 155, der die Auffassung von der besonderen Qualität der Mutter-Kind- Beziehung nach dem Befund der Sozialwissenschaften als heute überholt bezeichnet; ferner DUSS-VON WERDT, Die Scheidungsfamilie, a.a.O., S. 124; SJZ 80/1984, S. 96, mit weiteren Hinweisen). b) Ob bei ganz kleinen Kindern weiterhin von einem gewissen natürlichen Vorrang der Mutter auszugehen ist, ist hier nicht zu BGE 114 II 200 S. 203 entscheiden. Für Kinder im schulpflichtigen Alter oder kurz davor ist hingegen zur Vermeidung jeglichen Anscheins einer ungerechtfertigten geschlechtsbezogenen Benachteiligung eines Elternteils bei sonst gleichwertigen übrigen Voraussetzungen statt von einer mütterlichen Vorgabe besser vom Vorrang desjenigen Elternteils zu sprechen, der aller Voraussicht nach auf die Dauer die grössere Bereitschaft aufweist, die Kinder in eigener Obhut zu haben, sie unmittelbar selber zu betreuen und zu pflegen. Dies steht im Einklang mit dem neuen Eherecht, das grundsätzlich von der Gleichberechtigung der Ehepartner ausgeht und keine feste Aufgabenteilung mehr vorsieht. Ob sich in der Rechtswirklichkeit mit dem neuen Eherecht diesbezüglich schon bald viel ändern wird, bleibt allerdings abzuwarten. Im heutigen Zeitpunkt ist jedenfalls festzustellen, dass in der weit überwiegenden Zahl der Fälle die Mutter nach wie vor eher bereit ist, ihre berufliche Entfaltung zugunsten der Kinder einzuschränken. Solange dies der Fall bleibt, werden die Kinder bei sonst gleichen Voraussetzungen weiterhin in der Regel der Mutter zuzuteilen sein. 4. Die Vorinstanz hat angenommen, die Klägerin werde eher als der Beklagte in der Lage sein, die beiden Töchter persönlich zu betreuen. Diese Zukunftsprognose findet in den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts keine sichere Stütze. Wohl hat die Klägerin ihre ausserhäusliche Erwerbstätigkeit aufgegeben, so dass sie ihren Tagesablauf nach den Bedürfnissen der Kinder ausrichten kann. Ebenso hat aber der Beklagte seine Erwerbstätigkeit eingeschränkt; er arbeitet heute nur noch an vier Tagen. Als selbständigerwerbender Architekt erfreut er sich zudem offensichtlich einer gewissen Flexibilität. Nach den Feststellungen im Urteil des Kantonsgerichts, auf das die Vorinstanz verwiesen hat, betreut er die Kinder in erheblichem Umfange selber. Nach dem unerwarteten Auszug der Klägerin habe er sein Leben tiefgreifend umgestaltet und seine Tätigkeiten im sozialen Bereich aufgegeben. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist somit davon auszugehen, dass beide Elternteile nicht nur in der Frage der Erziehungsfähigkeit, sondern auch hinsichtlich der persönlichen Betreuung der Kinder etwa gleichwertige Voraussetzungen aufweisen. 5. a) Da bei beiden Parteien in persönlicher, wirtschaftlicher und erzieherischer Hinsicht etwa die gleichen Voraussetzungen gegeben sind, ist im vorliegenden Fall auf die Stabilität der Verhältnisse abzustellen. Nach diesem Kriterium soll es nicht zu BGE 114 II 200 S. 204 unnötigen Wechseln im örtlichen und sozialen Umfeld der Kinder kommen. Einschneidende und wiederholte Wechsel der Lebensverhältnisse sind vor allem bei kleineren Kindern geeignet, deren harmonische Entwicklung zu beeinträchtigen. Die momentane Situation ist daher nicht allein entscheidend. Es ist auch danach zu fragen, welcher Elternteil aller Voraussicht nach auf längere Sicht ein dem Kindeswohl günstiges, stabiles Milieu zu bieten vermag ( BGE 112 II 382 f. mit Hinweisen; ZVW 38/1983, S. 126 und 134; SJZ 80/1984, S. 96 unten, 97 oben; ARNTZEN, Elterliche Sorge und persönlicher Umgang mit Kindern aus gerichtspsychologischer Sicht, München 1980, S. 18 f.). b) Dieser Grundsatz lässt die Waagschale hier auf die Seite des Vaters sinken. Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils betreute er die beiden Mädchen bereits während rund zweieinhalb Jahren. Das Bundesgericht hat zwar auch in seiner jüngsten Rechtsprechung betont, dass nicht einfach darauf abzustellen sei, welcher Elternteil während der oft langen Dauer des Scheidungsverfahrens die Obhut ausgeübt habe ( BGE 112 II 383 ; BGE 111 II 228 ). Hier ist der Klägerin die Obhut indes nicht durch eine vorsorgliche Massregel gegen ihren Willen entzogen worden. Sie hat diese Situation vielmehr selber verursacht, indem sie unerwartet die Familiengemeinschaft verlassen, den Beklagten zur Umstellung seiner Lebensverhältnisse gezwungen und sich in einer Vereinbarung mit der väterlichen Obhut einverstanden erklärt hat. Dieses Verhalten muss sie sich mindestens teilweise anrechnen lassen. Für den Beklagten spricht sodann eine günstigere Zukunftsprognose. Wohl wird der Klägerin im Erwachsenengutachten, das die Vorinstanz zusätzlich zu den eher negativen Gutachten und Berichten zuhanden der ersten Instanz eingeholt hat, eine positive Persönlichkeitsentwicklung bescheinigt. Das Gutachten stützt sich jedoch nur auf einen recht kurzen Lebensabschnitt, so dass daraus noch kein sicherer Schluss für die Zukunft gezogen werden kann. Die unstete Vergangenheit mit kurzfristig wechselnden beruflichen und familiären Verhältnissen lässt sich bei dieser Sachlage nicht völlig beiseite schieben. Ebenso lässt die erst kurze Dauer der dritten Ehe noch keine zuverlässige Zukunftsprognose zu. Unter diesen Umständen bietet der Beklagte die bessere Gewähr für eine Fortsetzung der bisherigen klaglosen und langjährigen Betreuung der beiden Mädchen. Im Unterschied zu BGE 112 II 382 ff., der eindeutig als Grenzfall bezeichnet worden ist, steht beim Vater auch keine einschneidende Änderung der Lebensverhältnisse BGE 114 II 200 S. 205 bevor, so dass es nicht ohnehin zu einem wesentlichen Einschnitt in die Lebensverhältnisse der Kinder kommen wird. Eine Zuteilung der Kinder an die Klägerin rechtfertigt sich somit entgegen der Auffassung der Vorinstanz unter dem Gesichtspunkt der Stabilität nicht.
public_law
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
113020ca-7085-497c-ab76-f3d0d44d3ba2
Urteilskopf 81 II 65 10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Februar 1955 i.S. Schweiz. Verbandstoff- und Wattefabriken A.-G. gegen Internationale Verbandstoff-Fabrik Schaffhausen und Mitbeteiligte.
Regeste Unlauterer Wettbewerb, begangen durch unrichtige und irreführende Angaben über die eigene Ware (Verbandwatte); Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG (Erw. 1-3). Klagelegitimation bei gegenseitigen unlauteren Wettbewerbshandlungen (Erw. 4). Urteilspublikation, Art. 6 UWG , Voraussetzungen (Erw. 5).
Erwägungen ab Seite 66 BGE 81 II 65 S. 66 1. Gegenstand des Streites der Parteien ist im Berufungsverfahren lediglich noch die Frage, ob die Beklagte dadurch unlauteren Wettbewerb gegenüber den Klägerinnen begangen habe und noch begehe, dass sie Watte, die aus einer Mischung von Baumwolle mit 10-30% Kunstfasern besteht, unter der Bezeichnung "Verbandwatte", "Coton hydrophile", "Cotone idrofilo" vertreibt. 2. Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, dass das Bundesrecht über die Herstellung und den Vertrieb von Watte als Arzneimittel bestimmte Vorschriften aufstellt. Die Schweiz. Landespharmakopöe, V. Ausgabe, deren Bestimmungen gemäss BRB vom 19. Mai 1933 (BS 4 S. 418) für die Definition, Zubereitung und Beschaffenheit von Arzneimitteln massgebend sind, umschreibt in Ziffer 416 den Begriff der Watte in folgender Weise: "Gossypium depuratum, Watte, Verbandwatte, Coton hydrophile, Cotone idrofilo: Die von anhaftenden Verunreinigungen befreiten, entfetteten und gebleichten Haare der Samenschale von Gossypiumarten (Malvaceae)." Gossypium ist die wissenschaftliche Bezeichnung des Baumwollstrauches. Nach dieser Regelung gilt somit Watte, die medizinischen Zwecken dient, als Arzneimittel. Herstellung und Vertrieb von Watte mit der genannten Zweckbestimmung BGE 81 II 65 S. 67 sind deshalb nur zulässig, wenn sie die in der Pharmakopöe festgelegten Voraussetzungen erfüllt. In diesem Umfange wird die Handels- und Gewerbefreiheit in Bezug auf Herstellung und Vertrieb von Watte durch das öffentliche Recht eingeschränkt. Die erwähnte Ordnung will nicht bloss die Beziehungen zwischen den Wattefabrikanten und ihren Kunden regeln. Sie ist vielmehr zum Schutze der Allgemeinheit getroffen worden, in erster Linie im Interesse der Kranken und Verletzten, bei deren Pflege Watte zur Anwendung gelangt. Die Regelung ist daher zwingend und kann nicht durch Vereinbarung der Beteiligten abgeändert werden. Das gilt auch für das von der Beklagten angerufene sog. Standard-Abkommen, d.h. die Vereinbarung der Wattefabrikanten und der Wiederverkäuferverbände vom 19. Mai 1925 /1. März 1952 über die Schaffung einer Standard-Vignette für Watte erster Qualität. Dieses Abkommen ist nur im Rahmen der Landes-Pharmakopöe rechtsbeständig und kann für die Auslegung der letzteren in keiner Weise massgebend sein. Ebenso kann entgegen der Meinung der Beklagten nichts darauf ankommen, ob die von den Klägerinnen vertretene und von der Vorinstanz gutgeheissene Auffassung, dass unter Verbandwatte begrifflich nur eine den Vorschriften der Pharmakopöe entsprechende Watte zu verstehen sei, von den beteiligten Fachkreisen geteilt wird oder nicht. Die Vorinstanz hat deshalb mit Grund dem Antrag der Beklagten auf Durchführung einer Expertise über diese Frage nicht stattgegeben. Gemäss Art. 2 des BRB vom 19. Mai 1933 ist der Begriff der Verbandwatte durch die einschlägigen Bestimmungen der Pharmakopöe rechtsverbindlich und abschliessend festgelegt. Daraus folgt, dass Watte als zur medizinischen Verwendung geeignet, d.h. als Verbandwatte nur angeboten und in den Handel gebracht werden darf, wenn sie den in der Pharmakopöe festgelegten Anforderungen Genüge leistet. Vor allem muss sie aus reiner Baumwolle bestehen und darf BGE 81 II 65 S. 68 keine Beimischungen von Kunstfasern enthalten. Das wird, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, übrigens auch dadurch erhärtet, dass in der Zeit der Rohstoffknappheit während des letzten Weltkrieges die Pharmakopöe vom Bundesrat ausdrücklich abgeändert werden musste, um vorübergehend die Beimischung von Ersatzstoffen, wie Zellwolle und Kunstseide, bei der Herstellung von Verbandwatte zu gestatten. Indem die Beklagte Watteerzeugnisse als arzneitauglich auf den Markt bringt, denen diese Eigenschaft nach dem geltenden Recht nicht zukommt, hat sie somit unzweifelhaft gegen die zwingenden Vorschriften der Pharmakopöe verstossen. Die darin liegende Widerrechtlichkeit wird nicht dadurch aufgehoben, dass angeblich andere Wattefabrikanten und insbesondere die Klägerin Nr. 1 die fraglichen Vorschriften in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder verletzt haben. 3. Unter dem im vorliegenden Prozess in Frage stehenden Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts betrachtet hat die Beklagte durch die Bezeichnung von Watte, die zum Teil aus Kunstfasern hergestellt ist, als Verbandwatte über ihre eigene Ware unrichtige und irreführende Angaben gemacht. Solches Vorgehen im Wettbewerb verstösst gegen Treu und Glauben und wird denn auch in Art. 1 Abs. 2 lit. b UWG als Beispiel unlauterer Wettbewerbshandlung ausdrücklich erwähnt. Die Grundsätze von Treu und Glauben sind aber insbesondere dort streng einzuhalten, wo - wie gerade hier - nicht bloss wirtschaftliche Interessen von Konkurrenzunternehmungen, sondern gesundheitliche Interessen der Allgmeinheit auf dem Spiele stehen. Entgegen der Meinung der Beklagten ist es unerheblich, dass sie ihre Mischwatte nicht als "pharmakopöe-konform", "nach Vorschrift des Arzneibuches" oder dergl. bezeichnet. Ausschlaggebend ist, dass sie die Mischwatte als Verbandwatte, d.h. als für den medizinischen Gebrauch geeignetes Erzeugnis anpreist, obwohl es den gesetzlichen Anforderungen an eine medizinische Watte in Wirklichkeit BGE 81 II 65 S. 69 nicht entspricht. Abgesehen hievon weist übrigens die Bezeichnung "Verbandwatte" auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unmissverständlich darauf hin, dass das Erzeugnis für die medizinische Verwendung tauglich sei. Dieser Eindruck wird von der Beklagten zudem noch dadurch verstärkt, dass sie auf der Verpackung der als Verbandwatte verkauften Mischwatte "Qualität A Prima" vier Bilder über die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten anbringt, auf deren einem unter dem Titel "Flawa-Watte für die Wundpflege", "Ouate Flawa pour le pansement des blessures" gerade die Pflege einer Wunde gezeigt wird. Die Beklagte wendet ein, von einer Täuschung und Irreführung ihrer Kundschaft, d.h. der Grossabnehmerverbände und deren Mitglieder, könne nicht die Rede sein, da diese bei der Schaffung des bereits erwähnten Standard-Abkommens beteiligt gewesen seien und als Fachleute wüssten, dass die billigere Verbandwatte nicht Pharmakopöe-Qualität aufweise. Dieser Einwand scheitert aber schon an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass diese Abnehmer tatsächlich getäuscht worden sind. Zudem erhellt aus den eigenen Ausführungen der Beklagten, dass ihre gegenteilige Behauptung offenbar unrichtig ist. Sie hat nach ihren Vorbringen in der Duplik des kantonalen Verfahrens für eine ihrer Mischwatten, nämlich die sog. Haushaltwatte (Qualität B) sich auf speziellen Wunsch der Apotheker und Drogisten bereit erklärt, die Bezeichnung "Verbandwatte" wegzulassen. Dieses Begehren eines Teils der Kundschaft zeigt unmissverständlich, dass sie nnter Verbandwatte ein für medizinische Zwecke geeignetes Produkt versteht und diese Bezeichnung für eine den Anforderungen der Pharmakopöe nicht genügende Haushaltwatte als ungehörig erachtete. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb für die übrigen, der Pharmakopöe ebenfalls nicht entsprechenden Mischwatten der Beklagten etwas anderes gelten sollte. Denn bei diesen handelt es sich, gleich wie bei der Haushaltwatte, um Mischungen von BGE 81 II 65 S. 70 Baumwolle und Kunstfasern. Die Beklagte schweigt sich denn auch darüber aus, inwiefern es gerechtfertigt sein soll, einen Teil ihrer Mischwatte als Verbandwatte, den andern dagegen ohne diese Bezeichnung in Verkehr zu bringen. Der Verzicht der Beklagten auf die Bezeichnung der Haushaltwatte als Verbandwatte enthält im Grunde das Zugeständnis, dass die bisherige Benennung sämtlicher Mischwatten nicht in Ordnung war und keineswegs einer einhelligen und gefestigten Auffassung der in Betracht fallenden Verkehrskreise über den Begriff der Verbandwatte entsprach, wie die Beklagte behauptet. 4. Durch die unlautere Wettbewerbshandlung, welche die Beklagte durch den Vertrieb von Mischwatte unter der Bezeichnung Verbandwatte begeht, sind die Klägerinnen als Konkurrenten der Beklagten in ihren wirtschaftlichen Interessen zweifellos gefährdet. Denn es liegt auf der Hand, dass sich die Beklagte durch diese Umgehung der auf den Vorschriften der Pharmakopöe beruhenden Ordnung der Wattefabrikation einen ungerechtsfertigten Vorsprung verschafft hat, zumal nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz die Watte der Beklagten infolge der Beimischung von Zellwolle schöner aussieht und einen höheren Glanz aufweist, so dass sie den Eindruck eines besonders guten Erzeugnisses erweckt. Auf Grund der so gegebenen Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Interessen sind die Klägerinnen gemäss Art. 2 Abs. 1 UWG zum Vorgehen gegen die Beklagte legitimiert. Was die Beklagte zur Bestreitung dieser Legitimation vorbringt, ist schon durch die Vorinstanz mit zutreffenden Ausführungen widerlegt worden. Für die von der Beklagten gegenüber der Klägerin Nr. 1 erhobene Einrede des Rechtsmissbrauches im Sinne von Art. 2 ZGB ist kein Raum. Da die Beklagte festgestelltermassen unlauteren Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin Nr. 1 gegangen hat, ist diese befugt, die ihr deswegen vom Gesetz eingeräumten Rechtsansprüche zu verfolgen. Darin, BGE 81 II 65 S. 71 dass sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, läge auch dann kein offenbarer Rechtsmissbrauch, wenn sie gemäss der Behauptung der Beklagten ihrerseits ebenfalls unlautere Wettbewerbshandlungen begangen haben sollte. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten würde dazu führen, dass das UWG keine Anwendung fände, wenn sich zwei oder mehrere Konkurrenten gegenseitig mit unlauteren Wettbewerbshandlungen bekämpfen. Es würden also ausgerechnet diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen der Wettbewerb in ganz besonderem Masse ausgeartet und das Eingreifen des Richters somit am dringendsten geboten ist. Das kann nicht der Wille des Gesetzgebers sein. Dieser geht vielmehr dahin, dass im Interesse einer wirksamen Bekämpfung des Wettbewerbsmissbrauchs in Fällen solcher Art jedem davon Betroffenen die Möglichkeit offen steht, die ihm gemäss Gesetz zukommenden Ansprüche auf dem Rechtsweg geltend zu machen (vgl. hiezu auch REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl. 112. Kapitel S. 867). Es steht daher der Beklagten frei, ihrerseits Klage aus unlauterem Wettbewerb gegen die Klägerin Nr. 1 zu erheben, wenn diese tatsächlich in gleicher oder ähnlicher Weise gegen die Vorschriften der Pharmakopöe verstossen haben sollte, wie die Beklagte behauptet. 5. Da die Beklagte nach den vorstehenden Ausführungen durch die Benennung ihrer Mischwatte-Produkte als Verbandwatte gegenüber den Klägerinnen unlauteren oder doch zum mindesten unzulässigen Wettbewerb begangen hat, ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz das auf Art. 2 Abs. 1 lit. a UWG gestützte Feststellungsbegehren zu schützen. Ebenso hat die Vorinstanz zu Recht der Beklagten die weitere Verwendung der Bezeichnung "Verbandwatte" für Watteerzeugnisse mit Kunstfasern-Beimischungen untersagt. Diese Entscheidung gilt auch für die französische und italienische Bezeichnung "Coton hydrophile", bzw. BGE 81 II 65 S. 72 "Cotone idrofilo", die nach den zutreffenden Darlegungen der Vorinstanz ebenfalls auf die medizinische Verwendbarkeit des Erzeugnisses hinweisen. Die Vorinstanz hat schliesslich auch die Publikation des Urteilsdispositivs in verschiedenen Zeitungen angeordnet. Die Beklagte beantragt, es sei selbst im Falle der Gutheissung der Feststellungs- und Verbotsklage von einer Publikation abzusehen. Die Erwägungen, von denen sich die Vorinstanz bei ihrer Entscheidung über die Urteilspublikation hat leiten lassen, stehen jedoch im Einklang mit dem Zweckgedanken des Art. 6 UWG und der Rechtsprechung des Bundesgerichts dazu (vgl. BGE 79 II 329 ). Die Beklagte hat während geraumer Zeit unter Entfaltung einer umfangreichen Reklame Mischwatte im Widerspruch zu den Vorschriften der Pharmakopöe als Verbandwatte vertrieben. Dies musste notwendigerweise eine Unsicherheit über die Tragweite der einschlägigen Vorschriften und über den Begriff "Verbandwatte" nach sich ziehen. Da diese Unsicherheit den Bereich der Gesundheitspflege betrifft, muss sie nicht nur im Interesse der benachteiligten Konkurrenten, sondern auch im Interesse der Allgemeinheit möglichst umfassend behoben werden. Hiezu genügt entgegen der Meinung der Beklagten die Mitteilung des Urteils an die Pharmakopöe-Kommission nicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar aufgeklärt werden, was am besten durch die Urteilsveröffentlichung in der von der Vorinstanz verfügten Weise erreicht wird. Gegenüber dem dargelegten weitreichenden Interesse an der Beseitigung jeder Unsicherheit ist von untergeordneter Bedeutung, ob und inwieweit die Publikation des Urteilsdispositivs sich für die Beklagte nachteilig auswirkt. Ihr Schaden wird übrigens nach der Erfahrung des Lebens entgegen ihrer jeglicher Substanzierung entbehrenden Behauptung keinesfalls ein Ausmass annehmen, das ihre Existenz in Frage zu stellen vermöchte. BGE 81 II 65 S. 73 Unerheblich ist schliesslich, ob die Beklagte die unzulässigen Wettbewerbshandlungen schuldhaft oder gutgläubig begangen hat. Wie in BGE 79 II 329 mit einlässlicher Begründung dargelegt wurde, setzt die Urteilspublikation nach Art. 6 UWG kein Verschulden des Urhebers der unzulässigen Wettbewerbshandlung voraus, sondern es genügt für sie das Bedürfnis nach der Beseitigung der durch jene hervorgerufenen Unsicherheit auf dem betreffenden Wirtschaftsgebiet.
public_law
nan
de
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Federation
11378377-304b-4282-a1ba-bc2ce5ece77f
Urteilskopf 136 IV 76 12. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Aa. und Ab. sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1038/2009 vom 27. April 2010
Regeste Fahrlässige Tötung und Gefährdung des Lebens, Konkurrenz; Art. 117, 129 und 49 Abs. 1 StGB . Wer skrupellos das Leben einer Person direktvorsätzlich gefährdet, welche in der Folge stirbt, ist sowohl wegen Gefährdung des Lebens als auch wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen, wenn er voraussieht, dass das Opfer sterben kann und er aus pflichtwidriger Unvorsicht auf den Nichteintritt des Todes vertraut. Die fahrlässige Tötung gilt das Unrecht der Gefährdung des Lebens nicht ab (E. 2.7).
Sachverhalt ab Seite 76 BGE 136 IV 76 S. 76 A. X. verunfallte am 22. Juni 2005 als Lenker eines Subaru Impreza auf der Autostrasse in Wolhusen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er sei mit einer Geschwindigkeit von 188 km/h in eine Rechtskurve gefahren und auf die Gegenfahrbahn geraten. Dort sei ihm ein BGE 136 IV 76 S. 77 korrekt fahrendes Auto (Fahrzeuglenker: B.) entgegengekommen, wobei eine Kollision habe vermieden werden können. X. sei auf seine eigene Fahrspur zurückgekommen, sei dann nach links abgetrieben worden und von der Strasse abgekommen. Seine beiden Mitfahrer C. und Ac. seien aus dem Fahrzeug geschleudert worden und auf der Unfallstelle verstorben. B. Das Kriminalgericht Luzern verurteilte X. am 5. Dezember 2008 wegen mehrfacher Gefährdung des Lebens zum Nachteil von Ac. und C., mehrfacher fahrlässiger Tötung und grober Verkehrsregelverletzung durch Überschreiten der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit auf Autostrassen zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Vom Vorwurf der Gefährdung des Lebens zum Nachteil von B. sprach es ihn frei. Das Verfahren wegen Widerhandlungen gegen das ANAG (AS 49 279) bzw. AuG (SR 142.20) stellte es mangels Anklage ein. Auf Appellation von X. bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern am 26. August 2009 das erstinstanzliche Urteil. C. Gegen dieses Urteil wendet sich X. mit Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der mehrfachen Gefährdung des Lebens zum Nachteil von Ac. und C. freizusprechen. Es sei eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren auszufällen und der bedingte Strafvollzug zu gewähren, bei einer Probezeit von 2 Jahren. Im Falle der Bestätigung des Schuldspruchs der Gefährdung des Lebens sei er mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, unter Gewährung des teilbedingten Strafvollzugs, zu bestrafen. Der zu vollziehende Strafteil sei auf 6 Monate festzusetzen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er beantragt die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. D. Die Staatsanwaltschaft sowie das Obergericht des Kantons Luzern beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Aa. und Ab. verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die kumulative Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nach Art. 117 StGB und Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB zum Nachteil der zwei BGE 136 IV 76 S. 78 verstorbenen Opfer verletze Bundesrecht. Zwischen den beiden Tatbeständen sei unechte Konkurrenz anzunehmen. Gefährdungsdelikte seien subsidiär zu Verletzungsdelikten. Die fahrlässige Tötung konsumiere die Gefährdung des Lebens, weil ausser den getöteten Personen niemand gefährdet worden sei. 2.2 2.2.1 Die Vorinstanz erachtet den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt als erwiesen. Hauptsächliche Unfallursache sei die Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Beschwerdeführer habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit, die auf der Autostrasse 100 km/h betrage, um 88 km/h überschritten. Dieses Tempo habe es nicht erlaubt, auf mögliche Hindernisse oder Gefahren, mit welchen immer zu rechnen sei, zu reagieren. Der Beschwerdeführer habe um das sehr hohe Risiko eines Unfalls mit tödlichen Folgen für die Fahrzeuginsassen gewusst. Die Pflichtwidrigkeit sei als sehr schwer bzw. krass sorgfaltswidrig einzustufen. Es habe kein Rennen stattgefunden und insofern keine Situation bestanden, in welcher der Beschwerdeführer alles andere einem Sieg untergeordnet hätte. Er habe in hohem Mass auch sich selbst gefährdet. Es bestünden keine Anzeichen, dass er dem Tod seiner beiden besten Freunde bzw. dem eigenen Tod gleichgültig gegenüber gestanden wäre. Gestützt auf das verkehrstechnische Gutachten seien die eingetretenen Folgen nicht unvermeidbar gewesen. Die Möglichkeit des ortskundigen Beschwerdeführers, mit Fahrgeschick die Kurve unfallfrei zu passieren, sei nicht ausserhalb jeder Möglichkeit gelegen. Deshalb sei der Beschwerdeführer der fahrlässigen Tötung nach Art. 117 StGB (und nicht der eventualvorsätzlichen Tötung) schuldig zu sprechen. 2.2.2 Die konkrete Lebensgefahr der beiden Opfer im Sinne von Art. 129 StGB sei zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe sich bewusst sein müssen, dass er bei der hohen Geschwindigkeit sein eigenes Leben und jenes seiner Kollegen in unmittelbare Gefahr bringe. Die Fahrt sei als skrupellos zu bezeichnen. Das Handlungsunrecht des vorsätzlichen Gefährdungsdelikts ( Art. 129 StGB ) werde durch das fahrlässige Verletzungsdelikt ( Art. 117 StGB ) nicht vollständig abgegolten, da Ersteres in subjektiver Hinsicht das grössere Unrecht berge. Zudem stelle die Gefährdung des Lebens ein Verbrechen dar, während es sich bei der fahrlässigen Tötung lediglich um ein Vergehen handle. Das Vergehen vermöge das formell schwerere Verbrechen nicht zu konsumieren. BGE 136 IV 76 S. 79 2.3 2.3.1 Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft ( Art. 117 StGB ). Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder ein Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Handlung aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung des Lebens des Opfers hätte erkennen können und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (vgl. Art. 12 Abs. 3 StGB ; BGE 135 IV 56 E. 2 und 3 S. 63 ff.). Der bewusst fahrlässig handelnde Täter weiss um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung, vertraut aber aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten werde (vgl. BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 16 f. mit Hinweisen). 2.4 Das Bundesgericht hatte sich in seiner publizierten Rechtsprechung noch nie ausdrücklich mit der Frage der Konkurrenz zwischen Art. 117 und 129 StGB zu befassen. Es stellte lediglich beiläufig und ohne materielle Prüfung der Sachlage in einem nicht angefochtenen Punkt fest, bezüglich des fahrlässig getöteten Opfers entfalle eine Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB , da dort ein Schuldspruch wegen eines Verletzungsdelikts ( Art. 117 StGB ) erfolgt sei (Urteil 6B_806/2007 vom 13. Juni 2008 E. 3.1.3). In BGE 100 IV 115 ging es darum, ob ein Täter alternativ wegen fahrlässiger Tötung oder Gefährdung des Lebens mit Todesfolge (aArt. 129 Abs. 3 StGB) zu verurteilen sei. Auch dort wurde das Verhältnis zwischen Art. 117 StGB und dem Grundtatbestand von Art. 129 StGB nicht behandelt, zumal damals ein Spezialtatbestand (Gefährdung des Lebens mit Todesfolge nach aArt. 129 Abs. 3 StGB) existierte. In einem neueren, nicht publizierten Entscheid erwog das Bundesgericht, sicheres Wissen um die unmittelbare Lebensgefahr, also um die Möglichkeit des Erfolgseintritts (Tod), sei mit sicherem Wissen um den Erfolgseintritt gerade nicht identisch, könne also sowohl mit (eventuellem) Tötungsvorsatz wie mit bewusster Fahrlässigkeit bezüglich der Todesfolge einhergehen. Art. 129 StGB erlange aber nur in diesem zweiten Fall praktische Bedeutung, denn bei Tötungsvorsatz griffen Art. 111 ff. StGB ein. Art. 129 StGB komme somit die Funktion eines Auffangtatbestands zu, wenn der Tötungsvorsatz nicht nachzuweisen sei. Eine Verurteilung wegen Art. 129 StGB falle mit anderen Worten in Betracht, wenn der Täter trotz der erkannten BGE 136 IV 76 S. 80 Lebensgefahr handle, aber darauf vertraue, die Gefahr werde sich nicht realisieren (Urteil 6S.127/2007 vom 6. Juli 2007 E. 2.3). 2.5 In der früheren Fassung lautete aArt. 129 Abs. 3 StGB: "Hat die Tat (d.h. die Gefährdung des Lebens) den Tod zur Folge gehabt, wird der Täter mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft" (AS 54 790). Damit beinhaltete aArt. 129 Abs. 3 StGB die Todesfolge, welche aus einer Gefährdung des Lebens resultieren konnte. Diese Bestimmung (sowie andere, ähnliche Bestimmungen) wurden vom Gesetzgeber gestrichen mit der Begründung, die blosse Anknüpfung an die Todesfolge verstosse gegen das Schuldprinzip. Es gebe zwischen der Fahrlässigkeit und dem (Eventual-)Vorsatz keine weitere Schuldform. Wo der Vorsatz einer Tat nicht nachgewiesen werden könne, bleibe der Täter allenfalls wegen fahrlässiger Tatbegehung strafbar (vgl. Botschaft vom 26. Juni 1985 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes, BBl 1985 II 1009 Ziff. 214.3 mit Verweis auf Ziff. 213.1). Die Botschaft schliesst damit eine echte Konkurrenz zwischen Art. 129 StGB und fahrlässiger Tötung nach Art. 117 StGB nicht aus. 2.6 Die Lehre bejaht, soweit ersichtlich, überwiegend die echte Konkurrenz zwischen der fahrlässigen Tötung nach Art. 117 StGB und der Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB (JOSÉ HURTADO POZO, Droit pénal, Partie spéciale, 2009, N. 624; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2. Aufl. 2009, N. 4 zu Art. 117 StGB und N. 5 zu Art. 129 StGB ; ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 64; PETER AEBERSOLD, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 44 zu Art. 129 StGB ; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 7 zu Art. 117 StGB ; ANDREAS DONATSCH, in: StGB, 18. Aufl. 2010, S. 245; CORNELIA MEIER, Die Lebensgefährdung, 2006, S. 63 f.; STRATENWERTH/JENNY, Schweizerisches Strafrecht, Teil I, Straftaten gegen die Individualinteressen, 6. Aufl. 2003, § 4 N. 16; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 2002, N. 36 zu Art. 129 StGB ; unklar: TRECHSEL/FINGERHUTH, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 8 zu Art. 117 StGB , wo echte Konkurrenz zu Gefährdungsdelikten verneint wird in Fällen, in denen ausser der verletzten Person niemand gefährdet wurde, bzw. N. 8 zu Art. 129 StGB , wo echte Konkurrenz zu Art. 117 grundsätzlich bejaht wird). Diese Auffassung wird damit begründet, dass das Fahrlässigkeitsdelikt das Handlungsunrecht des Vorsatzdeliktes nicht abgelte. BGE 136 IV 76 S. 81 2.7 Der objektive Tatbestand der fahrlässigen Tötung von Art. 117 StGB geht über jenen von Art. 129 StGB hinaus. Er setzt nicht nur die Gefährdung des Rechtsguts Leben, sondern dessen Verletzung, den Tod, voraus. In subjektiver Hinsicht erfordert Art. 117 StGB Fahrlässigkeit, Art. 129 StGB direkten Vorsatz sowie Skrupellosigkeit. Hinsichtlich des Wissens um die möglichen Folgen der Tat stimmen der subjektive Tatbestand von Art. 129 und Art. 117 StGB im vorliegenden Fall, wo der Beschwerdeführer mit bewusster Fahrlässigkeit handelte, zwar überein. Aufgrund seiner Fahrweise wusste der Beschwerdeführer um das hohe Risiko eines Unfalles, der damit einhergehenden Lebensgefahr und die möglicherweise tödlichen Folgen. Hingegen besteht ein massgeblicher Unterschied zwischen den beiden Delikten im Willensmoment. Während der Beschwerdeführer einerseits gerade darauf vertraute, dass sich der tatbestandsmässige Erfolg nicht verwirklicht und niemand getötet wird (subjektiver Tatbestand der fahrlässigen Tötung nach Art. 117 StGB ), fand er sich mit der unmittelbaren Lebensgefahr als notwendige Folge seiner überaus schnellen Fahrweise ab. Er erfüllt den Vorsatz der Gefährdung des Lebens und die Voraussetzungen der fahrlässigen Tötung von Art. 117 i.V.m. Art. 12 Abs. 3 StGB . Auch wenn der Tatbestand der Gefährdung des Lebens mit Todesfolge nach aArt. 129 Abs. 3 StGB abgeschafft wurde, ist kein Wille des Gesetzgebers ersichtlich, wonach der Täter nicht gleichzeitig wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen ist, sofern er die Todesfolge voraussehen konnte. Vielmehr führte der Bundesrat im Zusammenhang mit der Abschaffung der Körperverletzung mit Todesfolge aus, der Täter sei unter Anwendung der Konkurrenzvorschriften von aArt. 68 Ziff. 1 StGB sowohl wegen schwerer Körperverletzung als auch wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen, wenn das Opfer voraussehbar an den Folgen der Körperverletzung sterbe (vgl. Botschaft, BBl 1985 II 1009 Ziff. 213.1). Dasselbe muss für das Verhältnis zwischen dem Tatbestand der Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB und der fahrlässigen Tötung nach Art. 117 StGB gelten, wo die Botschaft ausdrücklich auf die Ausführungen zur schweren Körperverletzung verweist (Botschaft, BBl 1985 II 1009 Ziff. 214.3 mit Verweis auf Ziff. 213.1). Daher ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre eine echte Konkurrenz zwischen der fahrlässigen Tötung nach Art. 117 StGB und der Gefährdung des Lebens nach Art. 129 StGB zu bejahen.
null
nan
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2,010
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CH_BGE_006
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Urteilskopf 96 I 145 26. Auszug aus dem Urteil vom 27. Mai 1970 i.S. L. gegen H. und Appellationshof des Kantons Bern.
Regeste Garantie des Wohnsitzgerichtsstandes ( Art. 59 BV ). Der in gewissen kantonalen Zivilprozessordnungen für die Arrestprosequierungsklage vorgesehene Gerichtsstand des Arrestortes gilt nur im Rahmen des Art. 59 BV (Erw. 2). Begriff des" festen Wohnsitzes "im Sinne des Art. 59 BV . Der Grundsatz, dass der einmal begründete Wohnsitz bis zum Erwerb einesneuen bestehen bleibt ( Art. 24 Abs. 1 ZGB ), gilt nicht; in Betracht fällt nur ein effektiver Wohnsitz, wobei die Verhältnisse zur Zeit der Anhängigmachung der Klage massgebend sind (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 96 I 145 S. 146 A.- Die Ehegatten H. schlossen am 4. September 1968, nach der Scheidung ihrer Ehe, einen Vergleich, den das Amtsgericht Bern gemäss Art. 158 Ziff. 5 ZGB genehmigte. Gemäss diesem Vergleich übernahm die Ehefrau (jetzt Frau L.) die Liegenschaft X. in Bern und verpflichtete sich, eine Summe die nach den im Vergleich getroffenen Vereinbarungen zu berechnen ist, am 1. Juni 1969 zu bezahlen. Der Ehemann berechnete seine Gesamtforderung in der Folge auf Fr. 129'451.25. Ende April 1969 betrieb H. die Schuldnerin auf Sicherheitsleistung, doch konnte der Zahlungsbefehl an ihrer Adresse Blauenstrasse 45 in Basel nicht zugestellt werden und kam zurück mit dem Vermerk: "Schuldner ist ausgezogen laut Polizeirapport vom 13. Mai 1969". Gegen einen am 9. Juli 1969 dem Anwalt der Schuldnerin zugestellten, auf Zahlung von Fr. 129'451.25 gerichteten Zahlungsbefehl wurde für die ganze Summe Rechtsvorschlag erhoben. Darauf verlangte H., dass die Liegenschaft X. in Bern zur Sicherung seiner Ansprüche mit Arrest belegt werde. Der Gerichtspräsident IV von Bern bewilligte den Arrest am 24. Juli 1969 gestützt auf Art. 271 Ziff. 1 und 2 SchKG . Die Schuldnerin erhob Arrestaufhebungsklage, BGE 96 I 145 S. 147 wurde aber vom Gerichtspräsident IV von Bern und vom Appellationshof des Kantons Bern abgewiesen, von diesem mit Urteil vom 4. Dezember 1969. Eine hiegegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde der Schuldnerin ist vom Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tage verworfen worden. B.- Unmittelbar nach Zustellung der Arresturkunde reichte H. am 1. September 1969 beim Appellationshof des Kantons Bern Arrestprosequierungsklage ein. Der Appellationshof stellte die Klage der Beklagten am 4. September 1969 zu, setzte ihr Frist zur Beantwortung bis 26. September und forderte sie auf, innert der gleichen Frist einen Gerichtskostenvorschuss von Fr. 1000.-- zu bezahlen. Die Beklagte leistete den Vorschuss nicht, reichte aber fristgerecht eine Klageantwort ein, mit der sie - ohne sich materiell zur Sache zu äussern - den Antrag stellte, die Klage sei mangels örtlicher Zuständigkeit von der Hand zu weisen. Der Appellationshof forderte sie in der Folge ein zweites Mal zur Zahlung des verlangten Vorschusses auf und erklärte sie, als sie auch dieser Aufforderung nicht nachkam, mit Verfügung vom 2. Dezember 1969 gemäss Art. 286 bern. ZPO "säumig". Im Anschluss an diese Verfügung erhob Frau L. staatsrechtliche Beschwerde, mit der sie u.a. Verletzung des Art. 59 BV geltend machte und behauptete, sie wohne seit mindestens vier Jahren in Basel und habe den dortigen Wohnsitz nie aufgegeben. Das Bundesgericht weist diese Rüge ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Kläger begründete die örtliche Zuständigkeit des Appellationshofes mit dem Hinweis auf Art. 25 Abs. 2 bern. ZPO, wonach "die Klage auf Begründetheit einer Forderung, für welche Arrest herausgenommen ist", am Orte der Arrestnahme angebracht werden kann. Dieser Gerichtsstand des Arrestortes gilt jedoch, wie Rechtsprechung und Lehre einhellig annehmen, nur im Rahmen des Art. 59 BV ; aufrechtstehende, in der Schweiz, aber nicht im Kanton Bern wohnende Arrestschuldner brauchen sich an dem im Kanton Bern gelegenen Ort der Arrestnahme nicht auf die Arrestprosequierungsklage einzulassen ( BGE 40 I 499 , BGE 85 II 363 E. 1 a.E.; LEUCH N. 5 zu Art. 25 ZPO ; BURCKHARDT, Komm. der BV S. 564 oben; JAEGER-DAENIKER N. 11 zu Art. 278 SchKG ; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht BGE 96 I 145 S. 148 S. 83 Anm. 37 sowie internat. und interkant. Zivilprozessrecht der Schweiz S. 73 Anm. 224 und S. 186 Anm. 29 lit. a). 4. Dass die Beschwerdeführerin "aufrechtstehend" im Sinne des Art. 59 BV , d.h. zahlungsfähig sei, ist nicht streitig. Die Vermutung spricht für die Zahlungsfähigkeit ( BGE 41 I 115 ; BURCKHARDT a.a.O. S. 543; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse Nr. 852), und der Beschwerdegegner behauptet nicht und versucht noch weniger darzutun, dass die Beschwerdeführerin zahlungsunfähig sei. Zu prüfen ist einzig, ob sie im massgebenden Zeitpunkt einen "festen Wohnsitz" im Sinne des Art. 59 BV gehabt habe. Dem Beiwort "fest", das im französischen Text fehlt, kommt dabei keine Bedeutung zu (BURCKHARDT a.a.O. S. 544). a) Die Frage des Wohnsitzes ist für einen Arrestprosequierungsprozess unabhängig vom vorausgegangenen Arrestbewilligungs- und von einem allfälligen Arrestaufhebungsverfahren zu prüfen, denn es kommt auf die Verhältnisse zur Zeit der Anhängigmachung der Klage an (vgl. BGE 81 I 58 /9 und dort zitierte frühere Urteile). Wenn ein Schuldner, dessen Vermögensgegenstände wegen Fehlens eines festen Wohnsitzes gemäss Art. 271 Ziff. 1 SchKG mit Arrest belegt worden sind, nachher vor Einreichung der Arrestprosequierungsklage einen festen Wohnsitz in der Schweiz begründet, so kann er sich für diese Klage auf die Garantie des Art. 59 BV berufen. Er kann es übrigens auch, ohne dass sich die Wohnsitzverhältnisse seit der Arrestbewilligung verändert haben, so wenn er auf die Arrestaufhebungsklage verzichtet hat oder mit ihr abgewiesen worden ist. Die vorliegende Arrestprosequierungsklage ist am 1. September 1969 eingereicht worden. Es fragt sich daher, ob die Beschwerdeführerin, wie sie behauptet, in diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in Basel hatte. b) Die Beschwerdeführerin, die früher unbestrittenermassen in Basel gewohnt, ihre dortige Wohnung aber spätestens Ende Juni 1969 aufgegeben hat, hat sich für ihre Behauptung, sie habe weiterhin in Basel Wohnsitz gehabt, mit Recht weder in der vorliegenden Beschwerde noch in derjenigen gegen die Abweisung der Arrestaufhebungsklage auf Art. 24 Abs. 1 ZGB berufen, wonach der einmal begründete Wohnsitz einer Person bestehen bleibt bis zum Erwerb eines neuen Wohnsitzes. In zwei älteren Urteilen des Bundesgerichts ( BGE 32 I 80 , BGE 40 I 423 /4) ist freilich beiläufig die Meinung geäussert worden, der BGE 96 I 145 S. 149 (früher in Art. 3 Abs. 2 NAG und nun in Art. 24 Abs. 1 ZGB enthaltene) Grundsatz der Fortdauer eines einmal begründeten, aber aufgegebenen Wohnsitzes könnte bei der Anwendung des Art. 59 BV beachtet werden. Indessen ist, obwohl in BGE 32 I 80 von einer dahingehenden Rechtsprechung die Rede ist, kein Urteil zu finden, in welchem ein bloss gemäss Art. 24 Abs. 1 ZGB weiter bestehender Wohnsitz als fester Wohnsitz im Sinne des Art. 59 BV anerkannt worden wäre. Nach dem Zweck dieser Vorschrift kann nur ein effektiver Wohnsitz als fester Wohnsitz gelten und ist derjenige, der den bisherigen Wohnsitz tatsächlich aufgibt, ohne einen neuen zu begründen, als wohnsitzlos zu behandeln, sonst käme es, wie BURCKHARDT (a.a.O. S. 545 unten) zutreffend bemerkt, kaum mehr vor, dass jemand keinen festen Wohnsitz hat. Die Auffassung GULDENERS, dass Art. 24 Abs. 1 ZGB auch im Rahmen von Art. 59 BV gelte (Das internat. und interkant. Zivilprozessrecht der Schweiz S. 71 Anm. 212) ist, abgesehen von dem nach dem Gesagten nicht schlüssigen Hinweis auf BGE 32 I 80 , nicht weiter begründet und steht in einem gewissen Widerspruch zu seiner an anderer Stelle geäusserten Auffassung, Art. 24 ZGB sei nicht anwendbar, wenn "an das Fehlen eines Wohnsitzes in der Schweiz prozessuale Folgen geknüpft sind" (Schweiz. Zivilprozessrecht S. 76 Anm. 6). c) Damit ein Ort als effektiver Wohnsitz, d.h. als Lebensmittelpunkt einer Person gelten kann, ist zuallererst erforderlich, dass sie sich dort aufhalte ( BGE 86 I 15 E. 4, BGE 94 I 325 /6). Dieser Aufenthalt darf nicht in einer blossen Anwesenheit bestehen; erforderlich ist vielmehr ein "Wohnen", wozu die Benützung von Räumen gehört (EGGER, N. 20 zu Art. 23 ZGB ). Steht einer Person an einem Ort eine solche Wohngelegenheit zur Verfügung, so dauert ihr Wohnsitz an diesem Ort auch fort, wenn sie für Ferien, aus beruflichen oder sonstigen Gründen während kürzerer oder selbst längerer Zeit vorübergehend abwesend ist. Dagegen geht der Wohnsitz verloren, wenn sie mit dem Weggang auch die ihr zum Wohnen dienenden Räume aufgibt. So verhält es sich im vorliegenden Falle. Die Beschwerdeführerin hat ihre Wohnung an der Blauenstrasse in Basel spätestens Ende Juni 1969 (nach dem auf dem Zahlungsbefehl vom 30. April 1969 erwähnten Polizeirapport vom 13. Mai 1969 schon wesentlich früher) aufgegeben, ist zunächst im Juli im Tessin in den Ferien gewesen und hat anschliessend BGE 96 I 145 S. 150 bei ihren zukünftigen Schwiegereltern in Aesch/BL gewohnt, und zwar, wie sich aus der Eingabe ihres Anwaltes vom 10. Oktober 1969 an den Appellationshofergibt, noch anfangs Oktober. Damit waren alle tatsächlichen Beziehungen zu Basel abgebrochen, die es rechtfertigen könnten, diesen Ort ab 1. Juli 1969 weiterhin als ihren Wohnsitz zu betrachten. Der Umstand, dass sie sich polizeilich nicht abgemeldet hat, genügt nicht, zumal da sie weder den basel-städtischen Behörden noch dem Beschwerdegegner eine neue Adresse in Basel angegeben hat, so dass es in einer Verfügung des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 22. Juli 1969 heisst, man wisse nicht, wo die Beschwerdeführerin wohne. Mag sie auch stets die Absicht gehabt haben, nach Basel zurückzukehren, so wusste sie doch im massgebenden Zeitpunkt (1. September 1969) und noch in den 5 darauf folgenden Wochen nicht, wann sie dort eine passende Wohnung finden würde. In dieser Zeit, in welcher sie weder durch einen Arbeitsplatz noch durch eine Wohnung mit Basel tatsächlich verbunden war, hatte sie daher dort keinen Wohnsitz mehr. Dass sie, falls sich ihr Wohnsitz am 1. September 1969 nicht mehr in Basel befunden haben sollte, einen solchen anderswo begründet habe, hat sie selber nie behauptet. Somit hatte sie im massgebenden Zeitpunkt keinen Wohnsitz und ist die Beschwerde wegen Verletzung des Art. 59 BV unbegründet.
public_law
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
11420286-0d9e-42c7-840e-deda26663cb0
Urteilskopf 115 IV 180 41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Oktober 1989 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 64 letzter Absatz StGB; Strafmilderung. Art. 64 letzter Absatz StGB setzt kumulativ voraus, dass der Täter 18 bis 20 Jahre alt ist und dass er nicht die volle Einsicht in das Unrecht der Tat besass (E. 2). Ob der Jugendliche allein wegen seines Alters nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besass, stellt eine Tatfrage dar, die der Richter nach pflichtgemässem Ermessen zu beantworten hat; dabei soll er die Annahme mangelnder Einsicht nicht leichthin verneinen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 180 BGE 115 IV 180 S. 180 Der am 26. März 1967 geborene A. hat in der Zeit von Ende Januar bis anfangs März 1987 mit der damals noch nicht 16 Jahre BGE 115 IV 180 S. 181 alten Schülerin X. (geboren 1972), in Kenntnis ihres Alters, wiederholt geschlechtlich verkehrt und unzüchtige Handlungen vorgenommen. Das Bezirksgericht Zofingen verurteilte A. am 25. Februar 1988 wegen fortgesetzter Unzucht mit einem Kinde zu 4 Monaten Gefängnis bedingt. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft wies das Obergericht des Kantons Aargau am 13. April 1989 ab. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Ausfällung einer neuen Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der vorinstanzliche Schuldspruch und die Gewährung des bedingten Strafvollzugs sind nicht angefochten. Streitig ist lediglich die Strafzumessung, und auch diesbezüglich nur die Frage, ob die Vorinstanz den Strafmilderungsgrund des Art. 64 letzter Absatz StGB zu Recht oder zu Unrecht angewendet habe. Nach dieser Bestimmung kann der Richter die Strafe mildern, wenn der Täter im Alter von 18 bis 20 Jahren noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besass. 2. a) Nach der grammatikalischen Auslegung stellen, besonders wenn man den französischen und den italienischen Gesetzestext mitberücksichtigt, das Alter des Täters und die fehlende volle Einsicht in das Unrecht der Tat zwei selbständige Tatbestandselemente dar ("wenn der Täter im Alter von 18 bis 20 Jahren noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besass"; "lorsque l'auteur était âgé de 18 à 20 ans et ne possédait pas encore pleinement la faculté d'apprécier le caractère illicite de son acte"; "se il colpevole aveva compiuto gli anni diciotto ma non ancora i venti e non possedeva ancora la piena capacità di valutare il carattere illecito dell'atto"). b) Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 64 letzter Absatz StGB wird nicht klar, weshalb die fehlende volle Einsicht in das Unrecht der Tat neu in den Gesetzestext aufgenommen wurde. Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 bis 4 StGB in der Fassung vom 21. Dezember 1937 sah für die 18 bis 20 jährigen Täter vor, dass eine angedrohte lebenslängliche Zuchthausstrafe obligatorisch zu mildern und dass der Richter bei Freiheitsstrafen von bestimmter Mindestdauer nicht an diesen Strafsatz gebunden sei und bei BGE 115 IV 180 S. 182 mildernden Umständen statt auf Zuchthaus auf Gefängnis von 6 Monaten bis 5 Jahren und statt auf Gefängnis auf Haft erkennen könne. Durch die Teilrevision vom 5. Oktober 1950 wurde diese Bestimmung in dem Sinne geändert, dass für Täter zwischen dem 18. und 20. Altersjahr ganz allgemein und unabhängig von allfälligen mildernden Umständen eine Strafmilderung gemäss Art. 65 StGB möglich war. Das jugendliche Alter wurde damit ausdrücklich als selbständiger Milderungsgrund anerkannt ( BGE 95 IV 63 unten mit Verweisungen). Die spätere Teilrevision schuf dann unter dem Titel "Junge Erwachsene" eine neue Täterkategorie, nämlich die Angehörigen jener Übergangsstufe, die einerseits in der Regel nicht mehr die Schwierigkeiten der Pubertät oder Nachpubertät aufweisen, anderseits aber noch nicht den gefestigten Charakter der Erwachsenen besitzen, in ihrem Zustand aber noch positiv korrigiert werden können. Der Bundesrat schlug zunächst in den Artikeln 100 ff. StGB für die "Behandlung der 19 bis 25 jährigen" Sonderregelungen vor; Art. 100bis StGB sah bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt vor, und Art. 100 Ziff. 3 StGB ermächtigte den Richter, eine ausgefällte Strafe nach den Bestimmungen des Art. 65 StGB zu mildern. In seiner Botschaft bemerkte der Bundesrat: Die Strafmilderung stelle kein Obligatorium dar; der Richter "kann die Strafe mildern und soll es nur tun, wenn der junge Erwachsene seiner ganzen Entwicklung und seinem Charakter nach noch milder bestraft zu werden verdient" (BBl 1965 I S. 598 und 628). Die eidgenössischen Räte änderten jedoch die bundesrätliche Vorlage ab. Der Ständerat zählte unter die jungen Erwachsenen die 18 bis 25 jährigen und legte im revidierten (heute geltenden) Art. 100 StGB nur den Grundsatz nieder, dass die jungen Erwachsenen, vorbehältlich der im Gesetz umschriebenen Ausnahmen, grundsätzlich dem Erwachsenen-Strafrecht unterstehen. Die vom Bundesrat in Art. 100bis StGB vorgesehene Möglichkeit der Einweisung solcher Täter in eine Arbeitserziehungsanstalt wurde beibehalten; die in Art. 100 Ziff. 3 StGB vorgesehene Möglichkeit der Strafmilderung wurde jedoch gestrichen und als neuer letzter Absatz in Art. 64 StGB eingegliedert mit dem neuen Text: (Der Richter kann die Strafe mildern ...) "wenn der Täter wegen Minderjährigkeit noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besitzt" (Sten.Bull. 1967 SR S. 44, 67, 80 und 81). Der Nationalrat schloss sich dieser Regelung an. Der Berichterstatter Schmid führte unter anderem aus: Der Richter werde damit BGE 115 IV 180 S. 183 verpflichtet, bei der Kategorie der jungen Erwachsenen "die primäre Entscheidung zu treffen", ob eine Arbeitserziehungsmassnahme oder eine Strafe am Platze sei. Auch der französischsprachige Berichterstatter Schmitt betonte die neue Möglichkeit einer Arbeitserziehungsmassnahme, äusserte sich jedoch ebenfalls nicht, weshalb bei der Strafmilderung nebst der Altersvoraussetzung die fehlende volle Einsicht in das Unrecht der Tat neu in den Gesetzestext aufgenommen wurde (Sten.Bull. 1969 NR S. 128 und 172 f.). Die Revision von 1971 brachte also für die 18 bis 20 jährigen nicht eine Bestätigung der bisherigen, sondern eine neue Regelung. Diese Alterskategorie wurde unter die jungen Erwachsenen eingereiht, welche unter gewissen Voraussetzungen in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen werden können ( Art. 100bis StGB ) und gegen die bei Fehlen dieser Voraussetzungen eine Freiheitsstrafe auszufällen ist. Für diesen letztgenannten Fall wurde die Möglichkeit vorgesehen, dass bei den 18 bis 20 jährigen Tätern, die noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht der Tat besassen, eine Strafmilderung Platz greifen kann. In der Entstehungsgeschichte des Art. 64 letzter Absatz StGB finden sich somit Anhaltspunkte, wonach diese Bestimmung die Altersschranke und die verminderte Einsichtsfähigkeit kumulativ voraussetzt; es wird jedoch nicht ersichtlich, weshalb die alte Fassung geändert werden sollte. c) Die spärlich vorhandene Judikatur und Literatur zu dieser Frage bestätigen die grammatikalische Auslegung. In einem in der Semaine judiciaire 100/1978 (S. 260) publizierten Entscheid wurde "la condition d'âge" als die eine und "la condition d'immaturité" als "la seconde condition" für die Strafmilderung im Sinne von Art. 64 letzter Absatz StGB bezeichnet. Das Obergericht des Kantons Aargau verweigerte einem 19 1/2 jährigen Kantonsschüler die Strafmilderung mit der Begründung, es hätte von ihm erwartet werden dürfen und müssen, dass er sich über sein Tun und Lassen im Strassenverkehr Rechenschaft ablege; die Einsicht in das Unrecht der Tat wurde also ebenfalls (zumindest sinngemäss) als selbständiges Tatbestandselement behandelt (Aargauische Gerichts- und Verwaltungspraxis 1975 S. 115 f.). HANS SCHULTZ bemerkt, dass der Strafmilderungsgrund des heutigen Art. 64 letzter Absatz StGB früher in Art. 100 StGB "etwas weiter umschrieben" war (Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts II, 3. Aufl., S. 81), was mit andern Worten besagt, dass der Strafmilderungsgrund heute enger formuliert ist BGE 115 IV 180 S. 184 als früher. ALEX BRINER (Die ordentliche Strafmilderung nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch, unter besonderer Berücksichtigung der Strafmilderungsgründe des Art. 64, Diss. Zürich 1977, S. 150 f.) führt das jugendliche Alter und die beschränkte Einsicht in das Unrecht der Tat als zwei selbständige Elemente an (siehe insbesondere S. 151 lit. b: "Der Täter darf zudem nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besessen haben ..."); doch solle "der Richter bei der Annahme mangelnder Einsicht nicht allzu zurückhaltend, sondern eher etwas grosszügig sein" (S. 152). In seiner Kritik geht auch GÜNTER STRATENWERTH von der Kumulation beider Voraussetzungen aus, empfiehlt jedoch der Praxis, sich "nicht allzu eng an den Wortlaut des Gesetzes zu binden" (Schweizerisches Strafrecht, AT II, S. 262 f. N. 97). STEFAN TRECHSEL will die Strafmilderung auch dann gewähren, "wenn zwar die Einsicht vorhanden, die Fähigkeit zu einsichtsgemässem Handeln aber noch nicht voll entwickelt" war (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 64 N. 26). d) Da aufgrund der grammatikalischen Auslegung sowie der Rechtsprechung und Lehre das Alter des Täters und dessen fehlende volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat als zwei selbständige Tatbestandselemente zu betrachten sind und auch die Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges aufzeigt, vermag nur das Vorliegen beider Elemente die Strafmilderung nach Art. 64 letzter Absatz StGB zu rechtfertigen. e) Soweit die Vorinstanz aus den Ausführungen des Berichterstatters im Ständerat herauszulesen scheint, die Strafe könne wegen der Minderjährigkeit allein gemildert werden, ist ihr nicht zu folgen. Dieser hatte unter anderem vorgetragen, mit der vorgeschlagenen neuen Regelung könne die Strafe der 18 bis 20 jährigen "wie heute gemäss Art. 100 StGB gemildert werden" (Sten.Bull. 1967 SR S. 44). Die Wendung "wie heute" kann sich nicht auf die Milderung allein wegen des Alters beziehen, denn der Berichterstatter zitierte im übernächsten Satz den Gesetzeswortlaut, wonach der Richter die Strafe nur mildern kann, "wenn der Täter wegen Minderjährigkeit noch nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besitzt". Die Wendung "wie heute" bezog sich offenbar darauf, dass sowohl nach dem bisherigen Art. 100 StGB wie auch nach dem neu vorgeschlagenen (und heute geltenden) Art. 64 letzter Absatz StGB die Strafe nach Art. 65 StGB (nicht nach Art. 66 StGB ) zu mildern ist (für die frühere Regelung vgl. dazu BGE 95 IV 63 unten). BGE 115 IV 180 S. 185 3. a) Aus den übrigen Erwägungen der Vorinstanz geht jedoch hervor, dass sie zur Anwendung von Art. 64 letzter Absatz StGB nebst dem Alter von 18 bis 20 Jahren beim Täter auch eine verminderte Einsichtsfähigkeit voraussetzt. Die diesbezügliche Rüge der Beschwerdeführerin erweist sich damit als unbegründet. So führte die Vorinstanz unter Hinweis auf HANS-HEINRICH JESCHECK (Lehrbuch des Strafrechts, AT, 4. Aufl., S. 392) aus, bei jugendlichen Tätern zwischen 18 und 20 Jahren dürfe die Schuldfähigkeit im Vergleich mit erwachsenen Tätern oft als vermindert beurteilt werden, weil die Einsichtsfähigkeit nicht nur einen bestimmten intellektuellen Entwicklungsstand, sondern auch einen gewissen sittlichen Reifegrad voraussetze; der hier ins Auge gefasste gesunde Jugendliche begreife im Gegensatz zum geistig beeinträchtigten oder mangelhaft entwickelten Täter in der Regel die verletzte Norm verstandesmässig, nehme sie aber mangels sittlicher Reife nicht genügend ernst; nicht die volle Einsicht in das Unrecht der Tat habe daher z.B. ein Täter im Alter von 18 bis 20 Jahren, wenn er aus jugendlichem Leichtsinn, Sorglosigkeit, infolge mangelnder charakterlicher Festigung, mangelnder Rechenschaftsablage über die Folgen seines Tuns oder auch infolge eines typisch adoleszenzbedingten Konfliktes, aber in grundsätzlicher Kenntnis des Unrechtes der Tat delinquiere. Bei der Abgrenzung zwischen Art. 11 und 64 letzter Absatz StGB ging die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass letztere Bestimmung nur Anwendung findet, wenn das Alter des Täters die Ursache dafür ist, dass er nicht die volle Einsicht in das Unrecht der Tat besass; diese Ursache darf aber nicht krankhafter ("pathologischer") Natur sein - sonst käme Art. 11 StGB zur Anwendung - und muss demzufolge in der Regel auch nicht von einem psychiatrischen Sachverständigen festgestellt werden. Der Richter darf demnach Art. 64 letzter Absatz StGB ohne Beizug eines Psychiaters anwenden, wenn er die gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen als gegeben erachtet. Ob der Jugendliche allein wegen seines Alters nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besessen habe, muss der Richter im konkreten Fall nach pflichtgemässem Ermessen entscheiden, wobei er (angesichts der besondern Stellung der Übergangstäter) bei der Annahme der mangelnden Einsicht nicht allzu zurückhaltend, sondern eher etwas grosszügig sein sollte (ALEX BRINER, a.a.O., S. 152). Das Bundesgericht greift nach feststehender Rechtsprechung in solche Entscheide nur ein, wenn die Vorinstanz ihr Ermessen BGE 115 IV 180 S. 186 überschritten hat, d.h. wenn sie von unrichtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausging, wesentliche Umstände unberücksichtigt liess oder auf Umstände abstellte, die nicht hätten in Betracht gezogen werden dürfen. b) Die Vorinstanz stellte für den Kassationshof verbindlich fest ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ), der Beschwerdegegner sei zu seinen Eltern in einem Beziehungs- und Ablösungskonflikt gestanden und habe sich in eine feste und ausschliessliche Beziehung mit Abhängigkeitscharakter geflüchtet; nach einiger Zeit habe er den sexuellen Versuchungen, die sich zwangsläufig aus einer so intensiven Freundschaft ergeben, nicht mehr widerstehen können; seine Verfehlungen liessen sich als adoleszenzbedingt erklären und seien Ausdruck einer typischen Konfliktsituation eines heranwachsenden Jugendlichen. Die erste Instanz hat diesbezüglich festgehalten, der Beschwerdegegner habe zur Zeit der Tat offensichtlich noch nicht die nötige Charakterstärke besessen, um der Versuchung zu widerstehen; es habe ihm am Verantwortungsbewusstsein und an der Willensstärke gefehlt, sich trotz der vorhandenen Einsicht in das Unrecht der Tat entsprechend zu verhalten. Daraus den Schluss zu ziehen, der Beschwerdegegner habe wegen seiner Jugendlichkeit (in einem adoleszenzbedingten Konflikt und infolge mangelnder charakterlicher Festigung) nicht die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Jedenfalls kann der Vorinstanz nicht zur Last gelegt werden, sie habe wesentliche Umstände ausser acht gelassen oder auf Umstände abgestellt, die nicht hätten in Betracht gezogen werden dürfen. Die Beschwerdeführerin erhebt denn auch keine diesbezüglichen Rügen. c) Ob jemand die volle Einsicht in das Unrecht der Tat besitze, ist im übrigen eine Tatfrage, die im Rahmen der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Diskussion gestellt werden darf. Die Beschwerdeführerin bringt im wesentlichen nur vor, der Beschwerdegegner habe gewusst, dass Geschlechtsverkehr mit Kindern unter 16 Jahren strafbar ist; er habe sich auf die Lehrabschlussprüfung vorbereitet, bei seinen Eltern (trotz häufiger Streitigkeiten) in geordneten Verhältnissen gelebt, sei sozial vollständig integriert gewesen und habe damit die volle Einsicht in das Unrecht seiner Tat besessen. Mit diesen Ausführungen zieht die Beschwerdeführerin jedoch hinsichtlich der Einsicht in das Unrecht der Tat andere Schlüsse aus den Akten als die Vorinstanz. Damit wendet sie sich in Wirklichkeit gegen die vorinstanzliche BGE 115 IV 180 S. 187 Beweiswürdigung, was im Rahmen der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig ist ( Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ). Auf die diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeschrift ist deshalb nicht einzutreten. e) Muss aufgrund der Ausführungen des angefochtenen Urteils davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdegegner infolge seines jugendliche Alters die volle Einsicht in das Unrecht seiner Taten fehlte, dann durfte die Vorinstanz den Strafmilderungsgrund des Art. 64 letzter Absatz StGB anwenden, ohne dadurch Bundesrecht zu verletzen. Ihr Urteil hält also insofern und im Ergebnis vor dem Bundesrecht stand, so dass die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen ist.
null
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
1143221a-9ff2-49c0-aa95-04f813b79fcc
Urteilskopf 136 I 332 33. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. M. gegen Zürcher Hochschule der Künste (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_1065/2009 vom 31. August 2010
Regeste Art. 16 Abs. 2 BV ; Art. 10 EMRK ; Art. 19 UNO-Pakt II ; Art. 116 BGG ; § 49 des kantonalzürcherischen Gesetzes über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals; Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit eines öffentlich-rechtlichen Angestellten. Die gegenüber dem Dozenten einer staatlichen Hochschule wegen Verteilung eines Flugblattes an die Mitglieder des Kantonsrates verfügten Massnahmen - Verweis und Entzug einer Leitungsfunktion - stellen eine unzulässige Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit dar (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 332 BGE 136 I 332 S. 332 A. M. ist langjähriger Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste (nachfolgend: ZHdK; ehemals: Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich), zuletzt mit einem Beschäftigungsgrad von 50 % im Departement Kunst und Medien (DKM) in der Vertiefungsrichtung Bildende Kunst (VBK) des Studiengangs Medien und Kunst sowie im Studiengang Master of Fine Arts. Er hatte überdies mit einem zusätzlichen Pensum von 5 % die Leitungsfunktion im Studiengang Master of Fine Arts inne. An der Sitzung des Zürcher Kantonsrates vom 29. September 2008 wurde das Projekt für einen zukünftigen Campus der ZHdK auf dem BGE 136 I 332 S. 333 sog. Toni-Areal behandelt. Vor dieser Sitzung verteilte M. zusammen mit Studierenden, einer Assistentin sowie einer Dozentin aus dem VBK-Leitungsteam den Mitgliedern des Kantonsrats das Flugblatt "TONIE" mit folgendem Wortlaut: "Das Toni-Projekt wurde in der Zürcher Hochschule der Künste von Anfang an zur Chefsache erklärt. Eine grundsätzliche oder inhaltliche Diskussion oder gar Abstimmung fand nicht statt bzw. wurde verhindert. Eine grosse Anzahl, wenn nicht die Mehrheit der Studierenden, Assistierenden, Dozierenden dankt Ihnen für die Ablehnung zum teuren Mieterausbau dieser monströsen Zentralisierungsveranstaltung am verkehrsreichen Stadtrand." Der Leiter DKM erteilte M. am 11. November 2008 mündlich einen Verweis, über welchen eine Aktennotiz erstellt wurde. Zudem wurde der Entzug der Leitungsfunktion im Studiengang Master of Fine Arts angekündigt. Mit Änderungsverfügung vom 16. Dezember 2008 wurde mit Wirkung ab 11. Dezember 2008 die Leitungsfunktion im Studiengang Master of Fine Arts entzogen und das Anstellungsverhältnis um deren 5%igen Anteil reduziert. Mit Rekurs beantragte M., die Änderungsverfügung und der Verweis seien aufzuheben; der Entzug der Leitungsfunktion resp. die Reduktion des Beschäftigungsgrades sei rückgängig zu machen. Die Rekurskommission der Zürcher Hochschulen hiess mit Beschluss vom 14. Mai 2009 den Rekurs teilweise gut und verpflichtete die ZHdK, M. wegen Missachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör eine Entschädigung in der Höhe eines halben Monatslohns zu entrichten; im Übrigen wurde der Rekurs abgewiesen. B. Die von M. hiegegen erhobene Beschwerde nahm das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich soweit sie die Aufhebung der Leitungsfunktion betraf als Beschwerde und soweit sie den Verweis betraf als Disziplinarrekurs entgegen und wies beides mit Entscheid vom 18. November 2009 ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiärer Verfassungsbeschwerde lässt M. beantragen, der vorinstanzliche Entscheid, der Verweis vom 11. November 2008 und die Pensumsreduktion gemäss Änderungsverfügung vom 16. Dezember 2008 seien aufzuheben. Die ZHdK schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. D. Am 31. August 2010 hat die I. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt. BGE 136 I 332 S. 334 Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten tritt das Bundesgericht nicht ein. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Einziger Beschwerdegrund bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde ( Art. 115 ff. BGG ) ist die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ( Art. 116 BGG ; JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 3 zu Art. 116 BGG ; GIOVANNI BIAGGINI, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 1 zu Art. 116 BGG ). Das Bundesgericht prüft die Verletzung verfassungsmässiger Rechte jedoch nur, wenn diese Rüge gemäss den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG ausdrücklich vorgebracht und klar und detailliert begründet wird ( BGE 134 V 138 E. 2.1 S. 143; BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 444; FRÉSARD, a.a.O., N. 13 zu Art. 117 BGG ). 2.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat ( Art. 118 BGG ). Es kann davon nur abweichen, wenn die Sachverhaltsfeststellung unter Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts - einschliesslich der Verfahrensgarantien gemäss Art. 29 ff. BV (BIAGGINI, a.a.O., N. 4 zu Art. 116 BGG ) - zustande kam ( Art. 118 Abs. 2 und Art. 116 BGG ), was der Beschwerdeführer präzise geltend zu machen hat (Art. 117 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 445 mit Hinweis). 3. 3.1 Das Verteilen von Flugblättern ist eine Form der Meinungsäusserung, die in den Schutzbereich der Meinungsäusserungsfreiheit fällt (MARK VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl. 1999, Rz. 604; vgl. auch BGE 123 IV 211 E. 3b S. 215), welche der Beschwerdeführer ausdrücklich als verletzt rügt. Dieses Grundrecht wird von Art. 16 Abs. 2 BV , Art. 10 EMRK und Art. 19 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) gewährleistet. Die Meinungsäusserung des Beschwerdeführers bewirkte, dass ihm ein Verweis erteilt und er von seiner Leitungsfunktion enthoben wurde. Damit ist zu prüfen, ob durch diese Massnahmen der Beschwerdeführer in seiner Meinungsäusserungsfreiheit verletzt wurde, denn die Beschwerdegegnerin ist als staatliche Hochschule, welche staatliche Aufgaben wahrnimmt, an die BGE 136 I 332 S. 335 Grundrechte gebunden, wenn sie hoheitlich handelt ( Art. 35 Abs. 2 BV ; RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 25 ff. zu Art. 35 BV ). Das Erteilen des Verweises und die Entlassungsverfügung sind hoheitliche Handlungen. Jede Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit bedarf einer gesetzlichen Grundlage, muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein ( Art. 36 BV ). Die Konventionsgarantien enthalten ähnliche Schrankenklauseln (vgl. Art. 10 Ziff. 2 EMRK ; Art. 19 Abs. 3 UNO-Pakt II ). 3.2 Gegenüber öffentlich-rechtlichen Angestellten kann die Meinungsäusserungsfreiheit durch die Treuepflicht eingeschränkt sein, die sich auch auf das ausserdienstliche Verhalten erstreckt ( BGE 120 Ia 203 E. 3a S. 205). 3.2.1 Treuepflicht bedeutet, dass der Staatsangestellte bei der Erfüllung seiner Aufgabe über die eigentliche Arbeitsleistung hinaus die Interessen des Gemeinwesens wahrt. Entsprechend umschreibt auch § 49 des kantonalen Gesetzes vom 27. September 1998 über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals (Personalgesetz, PG/ZH; LS 177.10), die Angestellten hätten "die Interessen des Kantons in guten Treuen zu wahren". Die Treuepflicht bezweckt, die Funktionstüchtigkeit der öffentlichen Verwaltung zu sichern, indem das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Staat nicht untergraben wird (YVO HANGARTNER, Treuepflicht und Vertrauenswürdigkeit von Beamten, ZBl 85/1984 S. 385 ff., 393 f.). Als unbestimmter Rechtsbegriff muss ihre Tragweite durch Interessenabwägung bestimmt werden. Beschränkungen der Meinungsfreiheit gestützt auf die Treuepflicht sind nur zulässig, soweit sie sachlich begründet sind und in einem vernünftigen Verhältnis zu deren Zweck stehen (HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, Rz. 502; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 404 ff.; HANGARTNER, a.a.O., S. 393 f.). Wie sich auch aus § 49 PG /ZH ergibt, besteht das Treueverhältnis nur zwischen dem Staatsangestellten und dem Gemeinwesen, nicht zwischen dem Untergebenen und dem Vorgesetzten. Öffentliche Kritik gegenüber Vorgesetzten kann daher nur dann eine Verletzung der Treuepflicht beinhalten, wenn dadurch die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben des Staatsangestellten oder das Vertrauen der Allgemeinheit in das Gemeinwesen beeinträchtigt wird (vgl. BGE 120 Ia E. 3a S. 205; Urteil des Bundesgerichts P.1636/83 vom 22. Dezember 1983 E. 5c/aa, in: ZBl 85/1984 S. 315; KLEY/TOPHINKE, in: Die BGE 136 I 332 S. 336 schweizerische Bundesverfassung, Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 19 zu Art. 16 BV ; TOBIAS JAAG, Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis im Bund und im Kanton Zürich - ausgewählte Fragen, ZBl 95/1994 S. 433 ff., 456). Erfasst ist aus dem gleichen Grund nur dienstrechtlich relevantes Verhalten (MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 404 mit Hinweis auf BGE 120 Ia 203 E. 3a S. 206). Grundsätzlich ist daher öffentliche Kritik nicht ausgeschlossen, zumal dort, wo es um Entscheidungen im eigenen Tätigkeitsgebiet geht und sich die Kritik daher notwendigerweise mit einer Kritik an der Tätigkeit der Vorgesetzten verbindet (PETER HÄNNI, Das öffentliche Dienstrecht, 2. Aufl. 2008, S. 130). Jedoch gebietet die Treuepflicht dem Staatsangestellten, sich insbesondere in der Art und Weise der Kritik eine gewisse Zurückhaltung aufzuerlegen (MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 405) und erst dann an die Öffentlichkeit zu gelangen, wenn auf interne Vorstösse nicht eingegangen wurde. 3.2.2 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (nachfolgend: Gerichtshof oder EGMR) hielt zur Meinungsäusserungsfreiheit von Beamten fest: Das Recht auf freie Meinungsäusserung stellt eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft dar und ist eine der Grundvoraussetzungen für ihre Fortentwicklung und für die Selbstverwirklichung jedes Einzelnen. Die Freiheit der Meinungsäusserung, wie sie in Art. 10 EMRK verankert ist, unterliegt einer Reihe von Ausnahmen, die jedoch eng auszulegen sind, wobei überzeugend nachgewiesen werden muss, warum die Einschränkung erforderlich ist (Urteile des EGMR Guja gegen Moldawien vom 12. Februar 2008 § 69 i, Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen; Fuentes Bobo gegen Spanien vom 29. Februar 2000 § 43; De Diego Nafría gegen Spanien vom 14. März 2002 § 34; Vogt gegen Deutschland vom 26. September 1995, Serie A Bd. 323 § 52 i, auch in: EuGRZ 1995 S. 590). Diese Grundsätze gelten ebenfalls für Beamte, auch wenn es zutrifft, dass diesen aufgrund ihrer Stellung eine Pflicht zu Zurückhaltung zukommt (Urteil Guja , §§ 52, 70 f.; JENS MEYER-LADEWIG, Europäische Menschenrechtskonvention: Handkommentar, 2. Aufl. 2006, N. 18 und 36 zu Art. 10 EMRK ). Der Gerichtshof prüft, unter Berücksichtigung der Umstände jedes einzelnen Falles, ob zwischen den grundlegenden Rechten des Menschen auf freie Meinungsäusserung und dem berechtigten Interesse des Staates, sicherzustellen, dass seine Beamtenschaft in angemessener Weise die in Art. 10 Ziff. 2 EMRK aufgeführten Ziele fördert, ein gerechter BGE 136 I 332 S. 337 Ausgleich gefunden wurde. Bei der Beurteilung, ob der umstrittene Eingriff im richtigen Verhältnis zu dem oben angeführten Ziel steht, billigt der Gerichtshof den innerstaatlichen Behörden einen gewissen Ermessensspielraum zu (Urteile Wille gegen Liechtenstein vom 28. Oktober 1999, Recueil CourEDH 1999-VII § 62, auch in: EuGRZ 2001 S. 475; De Diego Nafría , § 37; Vogt, § 53). Auch gemäss der Rechtsprechung des EGMR stellen berufliche Disziplinarmassnahmen als Folge von Meinungsäusserungen Eingriffe in die Meinungsäusserungsfreiheit dar (VILLIGER, a.a.O., Rz. 604) und können sich öffentlich Bedienstete hiegegen auf Art. 10 EMRK berufen. Ein solcher Eingriff stellt eine Verletzung dieser Bestimmung dar, soweit nicht bewiesen werden kann, dass er "vom Gesetz vorgesehen" war, einen oder mehrere rechtmässige Zwecke, wie in Abs. 2 definiert, verfolgte und "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war, diese zu erreichen (Urteile Guja , §§ 55 f.; Wille , §§ 49-52; Vogt , § 45). Im Rahmen der Verhältnismässigkeit prüft der Gerichtshof namentlich, ob der Beschwerdeführer andere - wirkungsvolle - Mittel gehabt hätte, um gegen die von ihm kritisierte Situation anzugehen, insbesondere behördeninterne Vorgehensweisen (Urteil Guja , § 73 in Verbindung mit § 83). Wegen des hohen Stellenwerts, den der EGMR der Meinungsäusserungsfreiheit im Rahmen der demokratischen Meinungsbildung zumisst, lässt er Einschränkungen der Meinungsäusserung insbesondere dann nur restriktiv zu, wenn die Äusserung im Rahmen einer öffentlichen Debatte über Fragen von generellem Interesse erfolgte (Urteile De Diego Nafría , § 38; Fuentes Bobo , § 48). 3.3 Die Vorinstanz nahm an, der Beschwerdeführer habe durch die Flugblattaktion seine Treuepflicht gegenüber seiner Arbeitgeberin gemäss § 49 PG /ZH verletzt. 3.3.1 Vorerst ist festzuhalten, dass das Flugblatt in seinen Formulierungen zurückhaltend ist und keine polemischen oder verletzenden Angriffe enthält. 3.3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, da eine Diskussion über das Projekt durch die Hochschulleitung verhindert worden sei, könne ihm zum Vorneherein keine Verletzung der Treuepflicht vorgeworfen werden. Illoyal könne sich nur derjenige verhalten, von dem Loyalität infolge Mitwirkung an einem bestimmten Entscheid gefordert werden könne. Diese enge Sichtweise trifft nach dem oben Dargelegten nicht zu. BGE 136 I 332 S. 338 3.3.3 Die Beschwerdegegnerin macht in diesem Zusammenhang umgekehrt geltend, der Beschwerdeführer habe seine internen Mitwirkungsrechte nicht wahrgenommen. Sowohl als Mitglied des Senats wie auch der Hochschulversammlung hätten ihm institutionelle Mitwirkungsmöglichkeiten offengestanden, die er jedoch nicht ausgeübt habe. Daher liege bereits aus diesem Grund eine Treuepflichtverletzung vor. Die Vorinstanz begründet die Verletzung der Treuepflicht nicht mit diesem Argument, wohl aber die Rekurskommission. Deren Erwägungen sind in die Beurteilung einzubeziehen, da die Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit vom Bundesgericht frei geprüft wird. Die Rekurskommission nahm an, letztmalig sei das Projekt Toni an einer Informationsveranstaltung am 14. Mai 2008 vorgestellt worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt seien somit das Bauprojekt und sein Ausmass bekannt gewesen. Es wäre dem Rekurrenten daher zumutbar und zeitlich auch möglich gewesen, seinen abweichenden Standpunkt und seine kritische Haltung gegenüber dem Projekt zuerst intern abzuklären bzw. entsprechenden Antrag im Senat bzw. in der Hochschulversammlung, die zu allen für die Hochschule grundlegenden Fragen Stellung nehmen könne, zu stellen. Hierbei hätte das angespannte Verhältnis zur Hochschulleitung keine Rolle gespielt, da das entsprechende Organ Antragsteller gewesen wäre und nicht der Rekurrent. Dessen Behauptung, es habe keine Diskussion stattgefunden bzw. diese sei verhindert worden, stelle sich folglich als haltlos dar, da die Hochschulleitung ja gar nicht die Möglichkeit erhalten habe, allfällige Korrekturen am Projekt vorzunehmen oder bei den ihr übergeordneten politischen Gremien anbringen zu können. Zudem habe die Hochschulleitung entgegen der Ansicht des Rekurrenten keine Abstimmung durchführen müssen, da sie gehalten gewesen sei, einen politisch strategischen Entscheid mitzutragen und durchzuführen. Denn im Rahmen der Totalrevision des Fachhochschulgesetzes habe der Regierungsrat die gesamte Standortsituation der Zürcher Fachhochschule neu beurteilt und in seinem Beschluss Nr. 690/2005 vom 11. Mai 2005 den neuen Standort der künftigen ZHdK auf dem Toni-Areal genehmigt. Eine Entscheidfindung innerhalb der Schule sei somit nicht erforderlich gewesen. Mit dieser Argumentation lässt sich eine Treuepflichtverletzung nicht begründen, wovon offenbar stillschweigend auch die Vorinstanz ausging. Gemäss Darstellung der ZHdK fanden die umstrittenen Informationsveranstaltungen erst nach dem erwähnten BGE 136 I 332 S. 339 Grundsatzentscheid der Regierung vom 11. Mai 2005 statt, nämlich am 31. Mai und 21. November 2006 sowie am 14. Mai 2008, was auch ohne weiteres nachvollziehbar ist. Nun ist es aber so, dass der Beschwerdeführer primär nicht gegen Einzelheiten des Projekts war, sondern grundsätzlich den Standortentscheid als falsch erachtete, wie sich auch aus dem Flugblatt ergibt. Die Begründung der Rekurskommission zeigt somit gerade, dass keine Diskussion über das Projekt stattfinden konnte, weil eben der Grundsatzentscheid bereits gefallen war und die Hochschulleitung diesen - in Rahmen ihrer Führungsverantwortung - umzusetzen hatte. Eine Verletzung der Verpflichtung, vor dem Gang in die Öffentlichkeit zuerst intern alle Möglichkeiten auszuschöpfen (und damit eine Verletzung der Treuepflicht, vgl. E. 3.2.1 hievor), könnte man dem Beschwerdeführer aber nur vorwerfen, wenn bei einem internen Vorstoss überhaupt die Möglichkeit bestanden hätte, dass man zu einem andern Entscheid kommt. Solches ist nicht dargetan und auch nicht naheliegend. 3.3.4 Zu Recht hat die Vorinstanz nicht auf Absatz zwei des Flugblattes abgestellt, wo der Beschwerdeführer ausführte, "eine grosse Anzahl, wenn nicht die Mehrheit" der Mitarbeitenden lehne das Projekt ab. Die Rekursinstanz hatte dagegen auch darin eine Pflichtverletzung erblickt, weil die Aussage inhaltlich irreführend gewesen sei. Da keine Abstimmung stattgefunden habe, habe auch nicht objektiv gesagt werden können, eine grosse Anzahl, wenn nicht die Mehrheit sei dagegen. Bereits die unbestimmte Formulierung lässt jedoch für den unvoreingenommenen Leser erkennen, dass nicht wirklich bekannt war, wie viele Mitarbeitende dem Projekt ablehnend gegenüberstanden. Wäre dies aufgrund einer Abstimmung bekannt gewesen, hätte die Formulierung zum Beispiel gelautet, die Hälfte oder ein Drittel sei dagegen. Adressat der Flugblattaktion war zudem der Kantonsrat. Dessen Mitglieder sind sich gewohnt, dass Interessenvertreter im Rahmen des Lobbyierens ihren Standpunkt jedenfalls eher über- als untertreiben. Auch von daher war die Formulierung nicht geeignet zur Irreführung. 3.3.5 Die Vorinstanz leitet eine Treuepflichtverletzung einzig daraus ab, dass der Beschwerdeführer mit der Flugblattaktion ein besonders medienwirksames Mittel gewählt hatte, und aus dem Inhalt des Flugblattes. Sinngemäss habe der Beschwerdeführer darin der Leitung BGE 136 I 332 S. 340 nämlich vorgeworfen, sie habe die Verlegung ins Toni-Areal ohne Rücksicht auf allfällige Zustimmung oder Ablehnung der Mitarbeitenden verfolgt. Beim unbefangenen Leser könne die Formulierung - insbesondere das Wort "verhindert" - den Verdacht erwecken, die Hochschulleitung habe sich in dieser Sache pflichtwidrig verhalten. Eine solche Pflichtwidrigkeit sei jedoch nicht erkennbar. Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer der Fachhochschulleitung sinngemäss vorwarf, sie habe die Verlegung ins Toni-Areal ohne Rücksicht auf allfällige Zustimmung oder Ablehnung der Mitarbeitenden verfolgt. Eine Treuepflichtverletzung kann daraus jedoch nur abgeleitet werden, wenn dieser Vorwurf geeignet war, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Leitung und damit letztlich deren Funktionsfähigkeit zu untergraben. Das ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer wählte zwar den - medienwirksamen - Weg über eine öffentliche Aktion. Primär richtete sich der Aufruf jedoch an die Mitglieder des Kantonsrats. Diese wussten, dass in dieser Sache bereits grundsätzlich die Standortverlegung beschlossen worden war. Dass die Leitung vor diesem Hintergrund bemüht war, diesen politischen Entscheid als "Chefsache" umzusetzen, konnten sie allenfalls als mangelnde Sensibilität für die Mitarbeitenden, ebenso aber auch als Führungsstärke verstehen. Der Vorwurf einer Pflichtwidrigkeit ergibt sich daraus jedenfalls nicht. Ziel der Flugblattaktion war denn auch offensichtlich nicht, auf eine Pflichtverletzung durch die Hochschulleitung hinzuweisen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt klar von jenen Fällen, in denen ein öffentlich-rechtlicher Angestellter mit seinen Äusserungen Missstände in der Verwaltung anprangern wollte (u.a. Urteil des Bundesgerichts P.1636/83 vom 22. Dezember 1983 E. 5 mit Hinweisen, in: ZBl 85/1984 S. 315; vgl. auch BGE 108 Ia 172 E. 4b/bb und 4b/cc S. 176 f.). 3.3.6 Es ging dem Beschwerdeführer vielmehr darum, sich in einem politischen Meinungsbildungsprozess zu einem bestimmten Projekt zu äussern. Die Äusserung erfolgte im Rahmen einer demokratischen Auseinandersetzung gegenüber dem Kantonsrat, im Vorfeld von dessen Entscheidung als hiefür zuständiges Staatsorgan. Sie betraf ein Projekt, welches zumindest im Kanton Zürich von generellem Interesse war und entsprechend in der Öffentlichkeit diskutiert wurde. Die entscheidende Frage ist somit, ob der Beschwerdeführer berechtigt war, sich entgegen den klaren Intentionen der Hochschulleitung öffentlich gegen die Standortverlegung auszusprechen. Angesichts BGE 136 I 332 S. 341 der Bedeutung der Meinungsäusserungsfreiheit im demokratischen Willensbildungsprozess (vgl. E. 3.2.2 in fine hievor; siehe auch Urteil P.1636/83 vom 22. Dezember 1983 E. 5, in: ZBl 85/1984 S. 315) ist dies zu bejahen, wie auch die Vorinstanz angenommen hat. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer im Umfang von 5 % noch eine Leitungsfunktion innehatte, zumal er in der Öffentlichkeit nur durch das Flugblatt mit der ZHdK in Verbindung gebracht werden konnte, dieses aber ausschliesslich als Dozent unterschrieben hatte. 3.3.7 Der Beschwerdeführer hat somit die Treuepflicht nicht verletzt. Der deshalb ausgesprochene Verweis und der Entzug der Leitungsfunktion stellen eine unzulässige Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit dar. (...)
public_law
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de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
114d2558-e238-454f-afab-db7e7bde1e81
Urteilskopf 104 Ia 448 67. Extrait de l'arrêt du 26 avril 1978 dans la cause X. c. Chambre d'accusation du canton de Genève
Regeste Auslieferungsvertrag zwischen der Schweiz und Spanien vom 31. August 1883. - Haftbefehl gegen einen spanischen Anwalt, provisorische Haftentlassung desselben gegen Kaution; dieser war zuerst Wahlverteidiger eines Beschuldigten, wurde dann von diesem als Zeuge angerufen und in dieser Eigenschaft wegen Teilnahme an den seinem Ex-Klienten zur Last gelegten Straftaten verhaftet. - "Salvus-conductus"-Klausel.
Sachverhalt ab Seite 449 BGE 104 Ia 448 S. 449 L'avocat espagnol X., domicilié à Séville, fut autorisé à plaider devant les tribunaux genevois en faveur de l'accusé Y., contre lequel une information pénale avait été ouverte pour infractions contre le patrimoine. Y., ayant été renvoyé devant la Cour d'assises, requit, avec l'accord de son avocat X., la comparution de celui-ci devant la Cour en qualité de témoin. L'avocat X. reçut, par voie postale à son domicile sévillan, une assignation à comparaître en cette qualité à la requête de l'accusé Y. La reproduction des dispositions pénales applicables aux témoins défaillants figurant sur cette assignation avait été barrée. L'avocat X. comparut et fut entendu en qualité de témoin aux audiences de la Cour d'assises. Lors de la dernière audience, le représentant du Ministère public l'accusa d'être un faux témoin, requit l'ouverture d'une action pénale contre lui, décerna un mandat d'amener à son encontre et fit procéder à son arrestation, motivant le mandat par le fait que l'avocat X. avait été mis en cause notamment comme coauteur des infractions pour lesquelles Y. était poursuivi et qu'il avait préparé la défense de cet accusé, son client d'alors, à l'occasion de visites en prison, ces actes constituant une prévention de crimes d'escroquerie par métier, de tentatives d'escroquerie ou de complicité de ce crime. L'avocat X. fut ensuite interrogé par le juge d'instruction, qui l'inculpa de complicité d'escroquerie par métier et décerna contre lui un mandat d'arrêt. Quelques jours plus tard, la Chambre d'accusation rendit une ordonnance, décernant BGE 104 Ia 448 S. 450 contre lui un mandat de dépôt, considérant que la compétence des autorités genevoises pour le poursuivre était établie, dès lors qu'il avait une adresse professionnelle à Genève, où s'était déroulée l'activité délictueuse de l'accusé Y. et qu'il existait des indices suffisants pour présumer qu'il était complice de ces crimes. Lors de la même audience, la Chambre d'accusation, statuant sur une demande de mise en liberté provisoire sans caution, ordonna cette mesure moyennant le versement de la somme de 150 000 fr. à titre de caution. Cette somme fut déposée et l'avocat X. mis en liberté. L'avocat X. forme d'une part un recours de droit public contre l'ordonnance de la Chambre d'accusation décernant le mandat de dépôt, se plaignant en particulier de la violation de la Convention d'extradition conclue entre la Suisse et l'Espagne le 31 août 1883. Il forme d'autre part un recours de droit public contre l'ordonnance rendue par la Chambre d'accusation, ordonnant sa mise en liberté provisoire, tant sur le principe que sur le montant de la caution, en invoquant les mêmes griefs que ceux qu'il avait soulevés contre l'ordonnance décernant le mandat de dépôt. La Chambre d'accusation conclut à l'irrecevabilité des deux recours, subsidiairement à leur rejet. Le Ministère public conclut à leur rejet. Le Tribunal fédéral a admis les deux recours et a annulé les décisions attaquées. Erwägungen Extrait des motifs: 3. Invoquant l'art. XV al. 2 de la convention hispano-suisse, le recourant voit une violation de cette disposition dans le fait qu'ayant été cité en Espagne et ayant comparu volontairement à Genève, il a été poursuivi et détenu sous prétexte de complicité dans les faits qui étaient l'objet du procès où il figurait comme témoin; dès lors son arrestation et son inculpation seraient illégales. La Chambre d'accusation fait valoir que le moyen tiré de la violation de la convention n'a été ni soulevé ni invoqué devant elle. Elle ne paraît cependant pas contester de ce fait la recevabilité des recours. Effectivement, dans un recours fondé sur la violation d'un traité international, le recourant n'est pas limité dans la motivation BGE 104 Ia 448 S. 451 de son recours par les moyens de fait et de droit qu'il a invoqués devant l'autorité cantonale ( ATF 102 Ia 79 , ATF 101 Ia 534 consid. 1). Il lui est donc loisible de présenter devant le Tribunal fédéral des moyens nouveaux, qu'il n'a pas soulevés devant la Chambre d'accusation. 4. Le procureur général, dont l'argumentation est approuvée par la Chambre d'accusation, fait valoir quant au fond que l'art. XV al. 2 de la convention n'est pas applicable en l'espèce. Il développe l'argumentation suivante: L'art. XIII de la convention précise que la voie ordinaire, pour l'audition de témoins domiciliés dans l'autre Etat, est la commission rogatoire, qui doit être envoyée par voie diplomatique. L'art. XV traite du cas exceptionnel où la comparution personnelle d'un témoin est nécessaire. Dans ce cas, le gouvernement du pays auquel appartient le témoin l'invitera à se rendre à la citation qui lui sera faite (al. 1). L'alinéa 2 du même article, qu'invoque le recourant, est inséparable de l'alinéa 1; cet article, qui a été repris du Traité franco-suisse de 1869, forme d'ailleurs dans ce traité un seul paragraphe. Cette disposition a pour but d'éviter que la comparution nécessaire d'un témoin, invité par le gouvernement du pays auquel il appartient à se rendre à la citation qui lui est faite à la demande du gouvernement de l'Etat requérant, aboutisse à une extradition déguisée. Or, en l'espèce, ni le juge d'instruction ni le procureur général n'ont estimé nécessaire d'interroger le recourant sur commission rogatoire ni n'ont demandé son inculpation alors que celui-ci bénéficiait à l'époque de tous les avantages rattachés à la charge d'avocat de l'accusé Y.; le procureur général n'a pas requis la citation du recourant à l'audience de la Cour d'assises, car il estimait que sa comparution personnelle et son témoignage n'étaient nullement nécessaires. La lettre de convocation n'a pas été adressée au recourant à la requête du procureur général mais à celle de l'accusé Y., dans des délais excluant toute remise par voie diplomatique. En en prenant connaissance, le recourant a su que son audition était requise par l'accusé et non par le Gouvernement suisse. C'est en application de l'art. 270 de l'ancien Code genevois de procédure pénale (CPP) du 7 décembre 1940 que le recourant a reçu à Séville une lettre de convocation émanant du procureur général. Cette disposition fait obligation au procureur général de faire citer les témoins requis par l'accusé, pour autant que ce dernier BGE 104 Ia 448 S. 452 notifie au Parquet la liste de témoins 24 h. au moins avant l'audience. En prenant connaissance de la lettre de convocation, le recourant a su que les dispositions pénales contre les témoins ne lui étaient pas applicables, que cette convocation n'avait pas valeur d'assignation, dès lors que la transmission de la citation n'avait pas été effectuée par la voie diplomatique et qu'il n'avait pas été formellement assigné par l'autorité compétente espagnole. Ayant, d'entente avec son client, abandonné sa qualité d'avocat pour celle de témoin, il savait ne pouvoir bénéficier du "sauf-conduit légal" prévu à l'art. XV de la convention. 5. La question des garanties à fournir aux témoins qui sont appelés à comparaître dans un procès pénal se déroulant dans un Etat autre que celui où ils ont résidence ou auquel ils appartiennent a fait l'objet de nombreuses clauses insérées dans les traités d'extradition et d'entraide judiciaire. Le Traité d'alliance franco-suisse du 27 septembre 1803 a prévu à l'art. 17 - à l'instar de traités antérieurs - la possibilité pour chacun des deux Etats de citer dans les procédures criminelles pour délits graves des témoins de l'autre pays à comparaître en personne devant ses tribunaux. Mais à la demande de la Diète helvétique il a été inséré en outre dans le traité une clause aux termes de laquelle "si le témoin se trouvait complice, il serait renvoyé par-devant son juge naturel, aux frais du gouvernement qui l'aurait appelé" (Abschiede aus den Jahren 1803 bis 1813, 2e éd. 1886, p. 30, No XXI E, p. 594; cf. BILLOT, Traité de l'extradition, Paris 1874, p. 404; BEAUCHET, Traité de l'extradition, Paris 1899, p. 523-4; GARBANI, Die Auslieferung zwischen der Schweiz und Frankreich, thèse Berne 1836, p. 28-29). Cette disposition, la première du genre, a été insérée à nouveau dans le Traité franco-suisse d'extradition de 1828 (BILLOT, loc.cit.). Des dispositions analogues ont été insérées ensuite dans plusieurs traités d'extradition conclus par la Suisse avec d'autres pays, comme celui conclu avec Bade en 1808 (Abschiede, op. cit., p. 557), avec l'Autriche en 1828 (Abschiede 1828 annexe I, p. 2/3), avec la Sardaigne en 1843, avec la Bavière en 1851 (RO III p. 218) et avec l'Autriche en 1855 (RO V, p. 183); (voir LAMMASCH, Auslieferungspflicht und Asylrecht, Leipzig 1887, p. 465; VON MARTITZ, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Leipzig 1888, t. I, p. 255 n. 91). BGE 104 Ia 448 S. 453 Cette clause du salvus conductus, d'origine suisse, a été tout naturellement inscrite dans les traités afin d'éviter des extraditions déguisées. Dans la mesure où les traités fixaient les conditions dans lesquelles un pays était tenu de consentir à l'extradition de malfaiteurs dans un autre pays, il convenait d'éviter qu'un témoin, tenu de comparaître dans un autre pays, n'y fût détenu sans que les conditions de fond ou les formalités prévues pour l'extradition soient observées. Par la suite, les différents Etats ont d'une façon générale renoncé à prévoir dans leurs traités d'extradition ou d'entraide judiciaire l'obligation pour des témoins de comparaître à l'étranger, comme cela a été le cas en premier lieu dans le traité belgo-néerlandais de 1843 (cf. VON MARTITZ, loc.cit., et t. II, p. 722, et 725, no 37). On n'en a pas moins maintenu les mêmes garanties à l'égard des témoins résidant dans l'un des Etats, cités dans l'autre et y comparaissant volontairement. Le problème a fait l'objet de négociations difficiles entre la Suisse et l'Italie lors de la discussion du traité d'extradition qui devait remplacer celui qui avait été conclu avec la Sardaigne en 1843. Sur la proposition du Gouvernement suisse, il a finalement été décidé que le témoin ne pourrait jamais être contraint de paraître devant le juge étranger. Lorsque la comparution personnelle d'un témoin serait nécessaire, le gouvernement du pays dont il dépend l'engagerait à obtempérer à l'invitation; si le témoin requis consent à partir, dans aucun cas il ne pourra être arrêté ni molesté pour un fait antérieur à la demande de comparution pendant son séjour forcé dans le lieu où le juge qui doit l'entendre exerce ses fonctions ni pendant le voyage (art. 14 de la convention du 22 juillet 1868, applicable jusqu'à l'entrée en vigueur pour la Suisse et l'Italie de la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale, RS 12, p. 160, cf. FF 1868 III, p. 444-445 et 869-870). Dans le traité franco-suisse du 9 juillet 1869, le principe de la convention italo-suisse a été repris (art. 14), mais dans une formulation un peu différente, soit dans celle qui avait été prévue dans le traité franco-belge conclu peu auparavant, le 29 avril 1869 (cf. BILLOT, op. cit., p. 491), et c'est cette même formulation qui a été reprise textuellement en 1883 dans le traité hispano-suisse. Si dans la convention conclue avec l'Italie on a visé "ces témoins", c'est-à-dire ceux que leur gouvernement a invités à obtempérer à l'invitation qui leur a été faite, les BGE 104 Ia 448 S. 454 traités franco-belge, franco-suisse, belgo-suisse du 24 novembre 1869 (FF 1869 III 510), germano-suisse du 24 janvier 1874 (RS 12, p. 62), hispano-suisse, ainsi que le traité conclu avec l'Autriche-Hongrie le 10 mars 1896 (RS 12, p. 79) ne s'expriment pas de la même façon, ne faisant pas allusion à "ces témoins" mais employant une formule très générale. On a tenu à préciser dans tous ces traités que le témoin ne pourrait être poursuivi ni détenu "sous prétexte de complicité dans les faits, objets du procès où il figure comme témoin". La doctrine, se fondant sur ces traités, a souvent relevé qu'il s'agissait là d'un principe général, applicable dans les rapports d'entraide judiciaire entre Etats, mais l'opinion dominante admet que l'observation de ce principe n'est obligatoire qu'en vertu d'une clause conventionnelle spéciale (cf. BILLOT, op. cit., p. 403; FIORE, Traité de droit pénal international et de l'extradition, Paris 1880, II, p. 773-775; BERNARD, Traité théorique et pratique de l'extradition, Paris 1883, II, p. 649; LAMMASCH, op. cit., p. 865; VON MARTITZ, op. cit., I, p. 262 et II, p. 725; TÖNDURY, Die Auslieferungsverträge der Schweiz und die Bundespraxis in Auslieferungssachen, thèse Zurich 1890, p. 132; SAINT-AUBIN, L'extradition et le droit extraditionnel, Paris 1913, II, p. 946; TRAVERS, Le droit pénal international, Paris 1921, IV, p. 238 ss.; SCHULTZ, Le droit extraditionnel suisse, p. 103 n. 116). Selon LANGHARD cependant, le principe est applicable même sans clause spéciale (Das Schweizerische Auslieferungsrecht, Berne 1910, p. 124). Enfin, le principe figurant dans les différents traités rappelés ci-dessus a été inscrit sous une forme similaire dans la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale du 20 avril 1959, applicable dans les rapports entre la Suisse et les autres Etats liés par cette convention et dont ne fait pas partie l'Espagne. L'art. 12 par. 1 de cette convention est ainsi conçu: "Aucun témoin ou expert, de quelque nationalité qu'il soit, qui, à la suite d'une citation, comparaîtra devant les autorités judiciaires de la Partie requérante, ne pourra être ni poursuivi, ni détenu, ni soumis à aucune autre restriction dans sa liberté individuelle sur le territoire de cette Partie pour des faits ou condamnations antérieurs à son départ du territoire dans la Partie requise." (RO 1967 p. 875.) La même convention prévoit des dispositions analogues à celles que contiennent les traités bilatéraux, et notamment le traité hispano-suisse, en ce qui concerne la remise des actes de procédure BGE 104 Ia 448 S. 455 (art. 7) et l'invitation que doit adresser la partie requise au témoin assigné à comparaître à l'étranger (art. 10). 7. Dans le cas présent, c'est à la lumière de la convention de 1883 qu'il y a lieu d'examiner s'il était interdit aux autorités genevoises de procéder à la poursuite et à l'arrestation du recourant après que celui-ci eût comparu en qualité de témoin devant la Cour d'assises. a) Il convient de remarquer tout d'abord que, contrairement à ce que pense le procureur général, il n'apparaît pas qu'il y ait lieu d'accorder une importance décisive au fait que, d'après le texte publié au Recueil officiel, dans le traité franco-suisse de 1869, sur le modèle duquel le traité hispano-suisse a été rédigé (FF 1883 IV 550), la dernière phrase de l'art. 14, concernant le sauf-conduit du témoin, ne constitue pas un paragraphe spécial et séparé du reste de la disposition, concernant notamment l'intervention du gouvernement du pays auquel appartient le témoin. Le texte de la convention hispano-suisse doit d'ailleurs être interprété pour lui-même. b) Sans examiner pour l'instant le lien qui peut exister entre le paragraphe 2 de l'art. XV de la convention et le paragraphe 1er de cette disposition - question sur laquelle il sera revenu plus tard - il faut constater que le paragraphe 2 contient deux exigences. Il faut que le témoin: 1o soit cité dans l'autre pays, 2o comparaisse volontairement devant les juges de l'autre pays. Pour connaître la portée qu'il échet de donner à cette disposition, il convient de rechercher l'interprétation du terme "cité". Le sauf-conduit est-il réservé aux témoins qui ont été cités selon les formes prévues par la convention, c'est-à-dire selon l'art. XIV de celle-ci? Selon cette dernière disposition, lorsque la notification d'un acte de procédure paraît nécessaire, la pièce transmise par voie diplomatique ou directement au magistrat compétent du lieu de la résidence sera signifiée "à personne" par les soins du fonctionnaire compétent. Cette procédure n'a pas été suivie en l'espèce. Le recourant a été porté sur la liste de témoins du 25 novembre 1977 déposée par l'accusé Y. afin que ces témoins soient cités par le procureur général conformément à l'art. 298 aCPP gen. Cette disposition prévoit que les témoins à décharge dont les noms ont été fournis en temps utile par l'accusé doivent être cités, à la BGE 104 Ia 448 S. 456 requête de ce dernier, par le procureur général. Il appartient à celui-ci de citer l'ensemble des témoins, soit ceux dont l'audition est requise par l'accusé comme ceux qu'il entend faire citer à sa propre requête ou à celle de la partie civile ( art. 270 al. 1 CPP ). L'accusé peut d'autre part, s'il le désire, faire assigner lui-même, à ses frais, d'autres témoins, à condition d'en avoir notifié 24 h. au moins avant leur examen l'identité au procureur général ( art. 270 al. 2 et 4 CPP ). La citation du recourant a été effectuée par pli postal, sous la signature d'un huissier du procureur général qui, à la requête de ce dernier, a assigné le recourant à comparaître en personne devant la Cour d'assises, "lui déclarant que faute par lui d'y satisfaire, il sera puni conformément aux peines prévues par le code de procédure pénale". Comme cela a déjà été relevé, la mention des dispositions pénales reproduites à la fin de l'assignation a cependant été biffée. L'ancien code genevois ne fournit pas de précisions quant à la forme de la citation des témoins devant comparaître par-devant la Cour d'assises. On peut cependant admettre qu'il y a lieu d'appliquer par analogie les règles relatives à la citation des témoins devant le juge d'instruction, soit l' art. 118 CPP , aux termes duquel le juge fait citer devant lui les personnes désignées par le Procureur général, par l'inculpé, ou par la dénonciation ou la plainte, ou de toute autre manière "par un huissier ou par un agent de la force publique. Il peut aussi les convoquer par simple lettre." Au demeurant, la formule officielle imprimée qui a été notifiée au recourant prévoit que la notification a été faite sous pli postal. (On peut ajouter que dans le nouveau Code de procédure pénale du 29 septembre 1977, qui remplace avec effet dès le 3 avril 1978 le Code de 1940 applicable à la présente cause, il a été expressément prévu, à l'art. 256, que les témoins sont cités devant la Cour d'assises "par huissier, par un agent de la force publique ou par voie postale".) c) On peut laisser ouverte la question de savoir si, en fixant dans son art. XIV le mode de procéder pour la notification d'un acte de procédure d'Espagne en Suisse et vice versa, la convention a entendu régler les modalités de transmission d'une façon impérative ou si cette disposition n'a pour but essentiel que d'obliger l'Etat requis à procéder, dans les conditions prévues, à la notification à la demande de l'Etat requérant. Selon certains auteurs, les modalités de transmission sont fixées d'une BGE 104 Ia 448 S. 457 manière impérative et l'Etat requérant ne pourrait s'y soustraire (dans ce sens, en ce qui concerne le traité franco-suisse de 1869, dont l'art. 13 est reproduit littéralement dans l'art. XIV de la convention hispano-suisse, TRAVERS, op. cit., IV, p. 274, qui déclare que tous autres modes de transmission sont interdits). Dans une circulaire adressée le 17 mai 1960 aux départements cantonaux de justice et police, le Département fédéral de justice et police a attiré l'attention des autorités cantonales sur le fait que l'expédition à l'étranger d'un acte de procédure par voie postale constitue l'exécution d'un acte officiel sur le territoire d'un Etat étranger, ce qui est inadmissible du point de vue du droit international; il a relevé cependant que ne tombe pas sous le coup d'une telle interdiction la notification par la poste d'actes de procédure en matière civile émanant de tribunaux italiens, du fait que d'après la loi italienne de procédure civile la notification est parfaite par le dépôt de l'acte à la poste, de sorte que la transmission de cet acte par voie postale et sa délivrance au destinataire n'emportent pas d'effets juridiques (cf. Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1960, p. 134 ss.). De son côte, le Tribunal fédéral a statué que la notification d'un jugement constitue un acte officiel de l'autorité et que le fait d'y procéder dans un Etat étranger, serait-ce par le moyen d'une lettre recommandée, n'est pas compatible avec le principe de la souveraineté territoriale dudit Etat (ATF ATF 90 IV 53 ). Mais le Tribunal fédéral a relevé aussi, dans plusieurs arrêts, que les conventions de La Haye sur la procédure civile de 1905 et de 1954, qui ont fixé les modalités de signification des actes judiciaires à l'étranger, ne s'expriment pas sur le point de savoir quelles sont les formes auxquelles doivent se conformer les notifications d'actes judiciaires en matière civile pour déployer des effets juridiques, ce problème étant réglé par la loi de procédure de l'Etat intéressé ( ATF 102 Ia 312 /3). Dans son message relatif à l'approbation de la convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale, dont l'art. 7 prévoit les modalités de transmission d'actes de procédure, le Conseil fédéral s'est exprimé comme suit: "L'article 7 règle la remise d'actes de procédure et de décisions judiciaires en matière pénale, en s'inspirant du régime adopté dans la convention internationale de La Haye relative à la procédure civile... La convention ne se prononce pas sur la validité de la remise d'un document. Elle n'oblige pas les parties contractantes à faire procéder à cette BGE 104 Ia 448 S. 458 remise exclusivement par la voie convenue d'une requête aux autorités de l'Etat de domicile du destinataire..." (FF 1966 I 491.) La doctrine n'est cependant pas unanime à ce sujet (cf. HAUSER, Das Europäische Abkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, RPS 83/1967, p. 238). A supposer qu'en l'espèce l'on doive admettre que la convention hispano-suisse a entendu fixer les modalités de transmission d'une manière impérative, le Gouvernement espagnol, ou, le cas échéant, l'intéressé lui-même auraient peut-être pu se plaindre de l'inobservation des formalités prévues. Mais tel n'est pas le cas. Le Gouvernement espagnol n'est pas intervenu; le recourant, qui désirait lui-même comparaître, ne s'est pas plaint non plus. Si les autorités genevoises ont commis une informalité en ne respectant pas les règles prévues par la convention, elles ne peuvent elles-mêmes en tirer argument. Au surplus, en l'espèce, la notification ne pouvait entraîner pour l'intéressé l'obligation de comparaître. L'omission des formalités prive seulement l'Etat d'où la notification est issue de la faculté de demander à l'Etat de résidence du témoin d'intervenir auprès de ce dernier pour l'inviter à se rendre à la citation et de lui avancer le cas échéant les frais de voyage, selon l'art. XV, al. 1 de la convention. Mais la comparution du témoin dans le pays où se déroule le procès présuppose son "consentement". Dès lors, la citation, effectuée conformément aux règles du droit cantonal, était pleinement valable, si même elle n'entraînait pas d'obligation pour la personne citée. d) Le procureur général fait cependant valoir que le recourant n'a pas été cité à sa requête et que la convocation adressée à ce dernier ne constituait pas, pour cette raison, une citation au sens de l'art. XV al. 2 de la convention. Il se fonde sur le fait que l'acte de citation porte une mention dactylographiée dont il résulte que le témoin a été cité à la requête de l'accusé Y. Il en déduit qu'en prenant connaissance de cette lettre de comparution, le recourant a su que son audition en qualité de témoin était requise par l'accusé "et non par le Gouvernement helvétique, à la requête des autorités judiciaires genevoises, lesquelles ont toujours considéré que l'audition de l'avocat X. n'était nullement nécessaire". Il est bien exact que la citation adressée au recourant porte la mention à laquelle le procureur général se réfère, à savoir qu'il était l'un des témoins cités par le procureur général à la requête BGE 104 Ia 448 S. 459 de l'accusé. Cette mention a pour objet essentiel de constater qu'il s'agissait de l'un des témoins devant être entendus parmi ceux cités par la défense selon l' art. 294 CPP ("les témoins déposent séparément, dans l'ordre établi par le procureur général, par la partie civile et par l'accusé"). Mais pour le surplus un témoin cité à la demande de l'accusé, soit un "témoin à décharge" selon l' art. 298 CPP , se trouve dans la même situation juridique que les autres témoins cités par le procureur général. Il est tenu de se présenter lorsqu'il demeure en Suisse. Si en l'espèce les dispositions pénales applicables aux témoins ont été biffées sur la convocation, cela est dû au fait que ces dispositions ne peuvent frapper les témoins demeurant à l'étranger. L'intimé ne soutient pas que la convocation adressée au recourant aurait revêtu une teneur différente de celle qui a pu être adressée à d'autres témoins cités par le procureur général et se trouvant également domiciliés à l'étranger. Effectivement, le recourant a été entendu devant la Cour d'assises dans les mêmes conditions qu'un autre témoin. Il résulte même du procès-verbal des débats qu'il a été spécialement "averti par M. le Président des peines qu'encourt le faux témoin ( art. 307 CP )"; comme les autres témoins, il a été assermenté en conformité de l' art. 294 CPP . On ne saurait donc considérer que le recourant n'était pas un témoin cité à comparaître devant la Cour d'assises en cette qualité. 8. Mais la question principale qu'il y a lieu d'élucider est celle de savoir si la disposition de l'art. XV, 2e alinéa, de la convention hispano-suisse, prévoyant l'immunité du témoin résidant dans un des deux pays et cité dans l'autre pays s'applique à tout témoin régulièrement cité conformément à la loi du pays qui a émis la citation, ou seulement aux témoins qui, ayant été cités selon la procédure spéciale prévue à l'art. XIV, ont fait l'objet de la démarche prévue à l'art. XV, 1er alinéa, c'est-à-dire aux témoins qui ont été invités par le gouvernement du pays de résidence à déférer à la citation. a) On a vu que si le traité italo-suisse de 1868 se référait, au 2e alinéa de l'art. 14, à "ces témoins", soit à ceux qui sont visés par le 1er alinéa du même article, c'est-à-dire à ceux qui ont été invités par le gouvernement dont ils dépendent à obtempérer à l'invitation, ces termes ont été modifiés dans les traités ultérieurs, et notamment dans la convention hispano-suisse, actuellement en cause et où on a, au contraire, utilisé des BGE 104 Ia 448 S. 460 termes extrêmement généraux, sans faire référence, expressément en tout cas, aux dispositions qui précèdent: "Aucun témoin, quelle que soit sa nationalité, qui, cité dans l'un des deux pays, comparaîtra volontairement devant les juges de l'autre..." On ne saurait même employer une formulation plus générale que celle-là. Il semble donc, à la lecture de ce texte, que les rédacteurs de la convention aient voulu accorder l'immunité à toute personne qui, ayant été citée à titre de témoin, comparaît volontairement. b) Il convient cependant d'examiner cette disposition à la lumière de son origine historique. Ainsi que cela a été rappelé plus haut, le principe de l'immunité a été prévu tout d'abord à une époque où la comparution d'un témoin dans un autre pays pouvait être rendue obligatoire; il convenait dès lors d'éviter que, par ce biais, ne fût effectuée une extradition déguisée. Par la suite, l'obligation de comparaître a été supprimée et a été remplacée par l'obligation pour le gouvernement requis d'intervenir auprès du témoin pour l'engager à comparaître. On a considéré, tout naturellement, que cette intervention ne pouvait être réclamée que si la garantie de l'immunité était maintenue. C'est pourquoi il a été prévu, dans le traité italo-suisse de 1868, que les témoins auprès desquels le gouvernement est intervenu ("ces témoins") bénéficieraient de la même immunité. Cette restriction expresse quant au cercle des témoins visés a été abandonnée dans le texte des traités ultérieurs, depuis les traités franco-belge et franco-suisse de 1869, notamment dans le texte de la convention hispano-suisse présentement en cause, ainsi d'ailleurs que dans celui de la convention européenne de 1959, qui a repris la même formule: "aucun témoin ou expert, de quelque nationalité qu'il soit, qui, à la suite d'une citation, comparaîtra devant les autorités judiciaires de la Partie requérante..." (Art. 12). Il est évident que le fait de se rendre pour répondre à une citation dans un autre pays, sans y avoir été invité par le gouvernement du pays de résidence, n'enlève pas toute justification à l'exigence du sauf-conduit. En répondant à une citation qu'il a reçue en qualité de témoin et en se rendant à cet effet dans un autre pays, l'individu en question, s'il ne bénéficiait pas d'un sauf-conduit, serait privé du bénéfice des garanties résultant des traités d'extradition, et il apparaît logique de considérer qu'en déférant à cette citation, il doit être mis à l'abri d'une arrestation et de poursuites, comme le Tribunal BGE 104 Ia 448 S. 461 fédéral l'avait déjà décidé, dans les rapports intercantonaux, dans son arrêt cité plus haut (ATF 3, p. 245). Tel est d'ailleurs l'avis que le Conseil fédéral a exprimé dans son message quant à l'interprétation sur ce point de la convention européenne. ("D'après la convention, les intéressés jouissent de cette immunité quelle que soit la voie utilisée pour transmettre la citation", FF 1966 I 493.) Mais ce point, de nouveau, n'est pas admis par tous les auteurs; LOMBOIS, qui se réfère aussi bien à la convention européenne qu'aux traités bilatéraux (ainsi qu'à la loi française de 1927 sur l'extradition, qui prévoit, à son art. 33, que le Gouvernement français, saisi de la citation par voie diplomatique, engage le témoin à se rendre à l'étranger, mais la citation n'étant reçue ou signifiée qu'à la condition que le témoin ne puisse être poursuivi ou détenu pour des faits ou condamnations antérieurs), considère que l'immunité est accordée au témoin dès lors que la convocation "a été transmise par la voie de l'entraide entre Etats. Monnaie d'échange de la coopération, cette immunité profite aux individus" (Droit pénal international, Paris 1971, p. 555). c) On peut certes hésiter sur le sens exact qu'il convient de donner à l'art. XV al. 2 de la convention hispano-suisse. Mais, en tenant compte des termes de cette disposition, ainsi que de la comparaison de ce texte avec les textes antérieurs, il apparaît qu'il faut bien considérer que l'immunité qui en découle s'applique à tout témoin qui, ayant été régulièrement cité, a comparu volontairement dans l'autre pays, sans qu'il y ait lieu de se référer au mode de citation prévu à l'art. XIV ni à l'intervention du gouvernement du pays de résidence prévue à l'art. XV al. 1 d) Telle est d'ailleurs la solution qui a été admise d'une façon très générale dans le projet de loi sur l'entraide internationale en matière pénale, présenté à l'Assemblée fédérale par message du 8 mars 1976 (FF 1976 II, p. 497). La Commission d'experts qui a élaboré l'avant-projet de loi s'est exprimée comme suit à ce sujet: "Depuis longtemps, on a régulièrement prévu, dans les traités sur la matière, les sauf-conduits délivrés aux témoins et aux experts qui, venant de l'étranger, comparaissent devant les autorités de l'Etat requérant, dans une affaire pénale, en vertu d'une citation notifiée dans leur Etat de provenance. L'expérience montre que, lorsqu'un sauf-conduit n'est pas délivré, on donne rarement suite à une telle citation. On ne comprendrait BGE 104 Ia 448 S. 462 pas que cette protection ne soit accordée qu'en vertu d'un traité. La clause traditionnelle des traités n'apparaît du reste pas tout à fait suffisante. Elle ne concerne en principe que les témoins et les experts, et seulement lorsqu'ils sont en liberté. Or, des détenus peuvent aussi être des témoins..." (Rapport de la Commission d'experts, p. 61/62.) L'art. 63 du texte proposé par la Commission d'experts a été inséré par le Conseil fédéral dans l'art. 70 du projet de loi, intitulé "sauf-conduit en Suisse" et dont l'al. 1 est ainsi conçu: "Toute personne résidant habituellement à l'étranger et qui en vient pour donner suite à une citation dans une cause pénale, ne peut être l'objet de poursuite ou de restriction à sa liberté individuelle pour des actes antérieurs à son entrée en Suisse." Il s'agirait donc d'un sauf-conduit dont devrait bénéficier toute personne résidant habituellement à l'étranger et qui a été citée à comparaître à titre de témoin, d'expert ou d'inculpé et est venue à cet effet en Suisse - sauf naturellement, en ce qui concerne les inculpés, à raison des infractions mentionnées dans la citation (al. 2). Bien que la loi sur l'entraide internationale n'ait pas encore été adoptée, il semble bien qu'il faille, sur la question actuellement en cause, interpréter les traités conclus par la Suisse à la lumière du principe qui est énoncé dans le projet, à savoir l'immunité du témoin résidant à l'étranger qui s'est rendu en Suisse pour y répondre à une citation, lorsque cette citation répond aux conditions de forme prévues par le droit interne. 9. Il convient dès lors d'appliquer cette interprétation à l'espèce particulière actuellement soumise à l'examen du Tribunal fédéral. A cet effet, il faut remarquer que si, à l'audience de la Cour d'assises du 15 décembre 1977, le représentant du Ministère public a déclaré qu'il accusait le recourant d'être un faux témoin, ce n'est pas sous l'inculpation de faux témoignage que le recourant a été poursuivi et détenu - inculpation qui n'eût pas été incompatible avec les obligations assumées par la Suisse aux termes de la convention - mais bien sous celle de complicité d'escroquerie, c'est-à-dire, pour reprendre les termes de la convention, de complicité dans les faits, objets du procès où il a figuré comme témoin. Certes, l'attitude du recourant, qui, après avoir sollicité et obtenu, sans connaître la langue française, l'autorisation de plaider devant la Cour d'assises et ayant ainsi pu prendre contact avec son client Y. à la prison, a ensuite troqué la qualité de défenseur contre celle de témoin, pouvait paraître suspecte. Il n'en demeure pas moins que le Parquet ayant accepté de citer BGE 104 Ia 448 S. 463 le recourant en qualité de témoin et celui-ci, venu sur citation, ayant au surplus été entendu comme tel, le Ministère public devait dès lors respecter l'immunité accordée aux témoins par la convention. S'il estimait que le recourant était complice de l'accusé, il lui appartenait alors d'agir conformément à l'art. IX de la convention, c'est-à-dire d'inviter l'Etat espagnol à poursuivre les crimes ou délits dont le recourant pouvait être prévenu. Le fait que, d'après la loi genevoise, le procureur général paraît tenu de citer tous les témoins indiqués par l'accusé ne saurait modifier la situation juridique; les autorités genevoises ne peuvent en effet éluder l'application de la convention en raison des dispositions de la législation cantonale qui accordent des droits étendus à l'accusé en ce qui concerne l'audition des témoins et qui ne paraissent pas permettre au Président de la Cour ou au procureur général de renoncer, sans l'accord de l'accusé, à un témoin cité à la requête de ce dernier. Le risque ainsi pris par le législateur cantonal doit être pleinement assumé par le canton. 10. Il découle des considérations qui précèdent qu'en ordonnant l'arrestation et l'inculpation du recourant, les autorités genevoises ont violé l'art. XV de la convention hispano-suisse, de sorte que l'ordonnance de la Chambre d'accusation décernant mandat de dépôt doit être annulée. L'annulation de cette ordonnance entraîne par voie de conséquence celle de l'ordonnance du même jour ordonnant la mise en liberté provisoire du recourant moyennant le dépôt de la somme de 150 000 fr. à titre de caution. Le recourant ne pouvait, à l'occasion de sa venue à Genève comme témoin, être ni poursuivi ni détenu pour les faits à raison desquels il a été inculpé, de sorte que la Chambre d'accusation aurait dû le libérer purement et simplement. 11. Les recours étant admis sur cette base, il n'y a pas lieu d'examiner s'ils doivent l'être aussi, comme le recourant le requiert, sur la base de la violation du principe de la liberté personnelle, ainsi que des art. 3 et 12 Cst. gen. qui garantissent cette liberté. Au surplus, ces griefs - tout comme celui de violation de l' art. 4 Cst. - sont motivés uniquement par la violation de la convention hispano-suisse, de sorte qu'ils font double emploi avec le grief principal, qui a été amplement examiné.
public_law
nan
fr
1,978
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
11501a0a-4c77-4876-86a6-274dea9b4dcb
Urteilskopf 117 IV 270 48. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 13 septembre 1991 dans la cause D. c. L. et consorts (pourvoi en nullité)
Regeste Art. 19 und Art. 177 StGB . Beschimpfung unter dem Einfluss eines Sachverhaltsirrtums (E. 2). Art. 49 Abs. 2 OR . Richterliche Zusprechung einer Genugtuung. Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, auf die Leistung einer Genugtuung an einen Dritten (z.B. an eine wohltätige Organisation) statt an den Verletzten zu erkennen (E. 3e). Art. 277quater Abs. 2 BStP . Bedeutung der strafrechtlichen Entscheidung für den Zivilpunkt. Der Kassationshof tritt auf die Beschwerde im Zivilpunkt schon dann ein, wenn möglicherweise seine abweichende Beurteilung im Strafpunkt für die Entscheidung im Zivilpunkt von Bedeutung ist; es ist nicht erforderlich, dass insoweit Gewissheit bestehe (E. 3c und d).
Sachverhalt ab Seite 270 BGE 117 IV 270 S. 270 A.- Le 31 octobre 1989, Madame D. a vu passer près de sa maison un chasseur avec un chien. Elle l'a interpellé, lui indiquant qu'il se trouvait dans une réserve de chasse; l'homme a haussé les épaules. Peu après, un groupe de chasseurs (L. et deux équipiers) a abattu un chevreuil à 200 m environ de la maison de D. Croyant qu'ils se trouvaient dans une réserve de chasse, elle les a traités de "bande de salauds". Elle pensait aussi que le BGE 117 IV 270 S. 271 premier chasseur aperçu faisait partie de ce trio. D'autres invectives, alléguées par les membres du groupe, n'ont pas été prouvées. D. a signalé les faits à la gendarmerie, puis au surveillant de la faune; celui-ci l'a détrompée en précisant qu'il y avait eu une réserve à cet endroit, mais qu'elle n'existait plus depuis cinq ans. B.- Les trois chasseurs du groupe ont déposé plainte. Le 16 novembre 1990, le Tribunal de police a reconnu D. coupable d'injure ( art. 177 al. 1 CP ). Toutefois, en raison de son erreur sur les faits, elle a été exemptée de toute peine; en effet, elle avait cru à l'existence d'une réserve, ce qui lui avait fait apparaître le comportement des chasseurs comme répréhensible ( art. 19 et 177 al. 2 CP ). Les frais ont été partiellement mis à sa charge et des dépens par 40 francs ont été alloués. En outre, D. a été condamnée à verser 200 francs à une institution de bienfaisance, cela à titre d'indemnité pour tort moral. C.- Le 11 février 1991, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a admis le recours des plaignants et annulé le jugement de la première instance. L'autorité cantonale a considéré que, nonobstant l'erreur sur les faits dans laquelle l'auteur de l'injure se trouvait, la conduite des chasseurs n'avait rien de répréhensible. De plus, la cour cantonale a estimé que l'indemnité pour tort moral devait être allouée aux lésés, non pas à une institution de bienfaisance. Dès lors, la cause a été renvoyée à un autre tribunal de police pour nouvelle instruction et nouveau jugement. D.- D. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Elle allègue une violation des art. 19 CP , 177 CP et 49 al. 2 CO. Elle demande l'annulation de l'arrêt du 11 février 1991 sous suite de frais et dépens. E.- La cour cantonale et le Ministère public ont renoncé à présenter des observations. Les plaignants ont conclu au rejet du pourvoi avec suite de frais et dépens. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) L'arrêt attaqué revêt un aspect pénal, mais aussi civil. Le pourvoi est dirigé contre ces deux faces d'une même décision. Les conditions de recevabilité n'étant pas identiques, il s'impose BGE 117 IV 270 S. 272 d'examiner en premier lieu les griefs relatifs à l'application du Code pénal. b) La cour cantonale n'a pas mis fin à l'action pénale puisque la cause est renvoyée à un autre tribunal de police; l'arrêt attaqué constitue donc une décision incidente. Il en ressort clairement que la procédure probatoire est close et que l'état de fait est définitivement arrêté, malgré l'emploi des termes du renvoi "pour nouvelle instruction et nouveau jugement". Il apparaît que les parties auront simplement l'occasion de s'exprimer sur la quotité de la peine et de l'indemnité pour tort moral, ainsi que sur les frais et dépens avant que le tribunal ne statue. En se fondant sur un état de fait définitif, la cour cantonale a tranché des questions de droit fédéral d'une manière qui lie les autorités de première instance. En pareil cas, le pourvoi en nullité est ouvert dans la mesure où sont alléguées des violations du droit fédéral relatives aux questions déjà résolues ( ATF 111 IV 191 consid. 2, ATF 80 IV 177 ). 2. a) Saisie d'un pourvoi en nullité, la cour de céans est liée par les constatations de fait de l'autorité cantonale ( art. 273 al. 1 let. b et 277bis PPF ). D'après celles-ci, la recourante croyait que les chasseurs venaient d'abattre un chevreuil à l'intérieur d'une réserve de chasse. Contrairement à ce que paraissent soutenir les plaignants, on est en présence d'une erreur sur les faits au sens de l' art. 19 CP . L'auteur ne s'est pas trompé quant à son droit d'agir comme il l'a fait - injurier les chasseurs - mais son erreur porte sur l'existence d'une réserve de chasse. Il s'agit d'un fait, même si l'élément déterminant, c'est-à-dire une zone où la chasse est interdite, dépend de règles de droit ( ATF 82 IV 202 , consid. 2, voir ATF 115 IV 30 consid. a). b) Aux termes de l' art. 19 al. 2 CP , celui qui aura agi sous l'influence d'une appréciation erronée des faits sera jugé d'après cette appréciation si elle lui est favorable. Si la loi réprime son acte comme délit de négligence, il sera punissable pour négligence à certaines conditions ( art. 19 al. 2 CP ); cette hypothèse ne se présente pas ici, car l'infraction d'injure ne peut être réalisée qu'intentionnellement ( art. 177 CP en liaison avec l' art. 18 CP ). L' art. 19 al. 1 CP ne s'applique pas seulement lorsqu'il conduit à exclure la commission de l'infraction, mais aussi lorsque l'erreur peut avoir pour effet d'atténuer ou d'exclure la peine, BGE 117 IV 270 S. 273 obligatoirement ou à titre facultatif (LOGOZ/SANDOZ, art. 19 ch. 2 let . cc et b, p. 101/102). c) Pour savoir si une erreur sur les faits peut être favorable à l'auteur, il est nécessaire d'examiner les règles de l' art. 19 CP en liaison avec l'infraction reprochée. D'après l' art. 177 al. 2 CP , le juge pourra exempter le délinquant de toute peine si l'injurié a directement provoqué l'injure par une conduite répréhensible. Selon la jurisprudence, l' art. 177 al. 2 CP s'applique lorsque l'injure constitue une réaction immédiate à un comportement répréhensible qui a provoqué chez l'auteur un sentiment de révolte ( ATF 83 IV 151 ). En outre, il n'est pas nécessaire que le comportement répréhensible vise l'auteur des injures (STRATENWERTH, Bes. Teil I, Berne 1983 p. 144 n. 82). d) En l'espèce, il est constaté que la recourante a insulté les chasseurs en réagissant de manière immédiate au fait qu'elle croyait - ce qui la scandalisait - qu'ils venaient d'abattre un chevreuil dans une zone protégée. Abattre du gibier dans une réserve, ce qui correspond à l'erreur sur les faits de l'auteur, constitue bien un comportement répréhensible. L' art. 177 al. 2 CP est donc applicable et il appartient au juge d'apprécier s'il entend ou non faire usage de la faculté que lui offre cette disposition. En considérant que l' art. 177 al. 2 CP n'était pas applicable, pour le motif qu'en réalité les chasseurs ne se trouvaient pas sur le territoire d'une réserve, la cour cantonale a méconnu l' art. 19 al. 2 CP . A ce stade, cette autorité a en effet omis le fait que la recourante avait agi sous l'influence d'une appréciation erronée de la situation. L'arrêt attaqué doit être annulé, pour ce motif déjà. 3. a) Sur le plan des conclusions civiles, la recourante allègue une violation de l' art. 49 al. 2 CO . La cour cantonale aurait en effet considéré à tort que la réparation morale devait être versée exclusivement aux plaignants, non pas à une oeuvre de bienfaisance. A cet égard aussi, une question de droit fédéral a été tranchée de manière à lier les autorités de première instance, ce qui rend le pourvoi recevable malgré le caractère incident de la décision attaquée. b) La recourante n'indique pas la valeur litigieuse. Cela n'entraîne cependant pas l'irrecevabilité de ses conclusions civiles, car il résulte clairement du dossier que la valeur litigieuse n'est pas BGE 117 IV 270 S. 274 suffisante pour placer le pourvoi dans les conditions d'un recours en réforme ( art. 271 al. 2 PPF ; ATF 90 IV 267 consid. 1); en effet, devant le Tribunal de police les plaignants avaient demandé 300 francs à titre d'indemnité pour tort moral et obtenu qu'un montant de 200 francs soit versé à une institution de bienfaisance. Le pourvoi contre la décision civile n'est donc recevable qu'aux conditions posées par les art. 271 al. 2 et 277quater al. 2 PPF. c) La cour étant saisie en même temps du pourvoi contre la décision pénale ( art. 271 al. 2 PPF ), elle ne statue, aux termes de l' art. 277quater al. 2 PPF , sur le recours quant aux conclusions civiles que si elle déclare le pourvoi fondé quant à l'action pénale et que son arrêt puisse avoir de l'importance aussi pour le jugement des conclusions civiles. La première condition est ici remplie. Se pose encore la question de savoir si la décision en matière pénale peut avoir de l'importance aussi sur le plan civil ("auch für die Entscheidung im Zivilpunkt Bedeutung haben kann"; "e ciò possa avere importanza anche per il giudizio delle conclusioni civili"). Les termes de cette disposition montrent que le rapport entre les deux décisions n'est pas nécessairement très étroit et qu'à ce stade le Tribunal fédéral n'a pas à dire si la décision pénale doit entraîner une modification de la décision civile. d) En cas d'acte illicite, le juge détermine le mode ainsi que l'étendue de la réparation, d'après les circonstances et la gravité de la faute ( art. 43 CO ). De la jurisprudence relative à l' art. 49 CO dans son ancienne teneur, il découle qu'en général la gravité de l'atteinte à la personnalité et celle de la faute sont étroitement liées (voir ATF 95 II 502 consid. 12b). La faute propre du lésé n'exclut pas forcément la réparation. Celle-ci sera en revanche refusée en cas de provocation ( ATF 55 II 321 consid. 3). Une grave négligence peut suffire pour justifier une réparation de cette nature, mais pas un malentendu ( ATF 45 II 105 ). Ces principes demeurent valables malgré la nouvelle teneur de l' art. 49 al. 1 CO (voir FF 1982 II 704 ch. 272). En l'espèce, l'issue du pourvoi sur le plan pénal implique qu'un nouveau juge va apprécier la culpabilité de la recourante à la lumière de l'erreur sur les faits (dont la cour cantonale a méconnu la portée). Cette représentation erronée des faits devrait aussi avoir des répercussions sur l'appréciation de la faute civile; on ne saurait en tout cas l'exclure d'emblée. Or, l'arrêt attaqué est muet quant à la portée de cette erreur sur le plan civil. Rien BGE 117 IV 270 S. 275 n'indique que l'autorité cantonale aurait, sur ce point, raisonné en fonction de l'erreur sur les faits. Bien que la culpabilité et la faute civile soient régies par des règles distinctes (voir art. 53 CO ), un certain parallélisme existe en général entre elles; par exemple, on imagine mal, sauf exception, que la culpabilité soit jugée très légère et la faute civile très lourde. L' art. 277quater al. 2 PPF a notamment pour but d'éviter les contradictions entre le jugement des conclusions civiles et celui des conclusions pénales. Dès lors, il faut admettre que le jugement en matière pénale peut avoir ici de l'importance sur le plan civil. Les moyens tirés d'une violation de l' art. 49 CO sont en conséquence recevables. e) Faute d'avoir été attaqué devant l'autorité cantonale, le principe d'une réparation pour tort moral est acquis. D'après l'argumentation présentée, la cour cantonale aurait violé le droit fédéral en considérant que, selon l' art. 49 al. 2 CO , l'indemnité ne peut être allouée qu'à la personne qui a subi l'atteinte illicite, à l'exclusion d'un tiers étranger au procès. Ce grief est bien fondé. Le texte clair de l' art. 49 al. 2 CO prévoit en effet que le juge peut substituer - ou ajouter - à l'allocation de l'indemnité au lésé un autre mode de réparation. Le versement d'une somme à un tiers, telle une institution de bienfaisance, ne viole nullement le droit fédéral (R. BREHM, Berner Kommentar, Die Entstehung durch unerlaubte Handlungen, Berne 1990, Art. 49 OR n. 110 p. 381). Ainsi, le pourvoi doit être admis sur ce point également. Le nouveau juge saisi de la cause pourra condamner la recourante à verser une somme à une institution de prévoyance, à titre de réparation pour tort moral. Cela correspond à une pratique largement répandue en matière d'atteintes à l'honneur, où l'autorité de jugement s'emploie surtout - avec raison - à calmer les esprits et à trouver une issue apaisante aux conflits dont l'importance apparaît souvent très limitée une fois que les passions sont retombées. Ces considérations n'ont, semble-t-il, pas échappé au Tribunal de police. Le pourvoi est admis, l'arrêt attaqué est annulé.
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Federation
11535f49-d0f2-4e36-ab07-ce33585fc112
Urteilskopf 133 V 642 83. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Hotela Unfallversicherung gegen Z. sowie Kantonales Versicherungsgericht des Wallis (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_158/2007 vom 13. November 2007
Regeste Art. 66 Abs. 4 BGG . Unfallversicherer fallen nicht unter die Befreiung von Gerichtskosten im Rahmen von Art. 66 Abs. 4 BGG (E. 5).
Erwägungen ab Seite 642 BGE 133 V 642 S. 642 Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 f. des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG; SR 173.110]). Nach Art. 66 Abs. 1 BGG werden die Gerichtskosten in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie den mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis und, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist ( Art. 66 Abs. 4 BGG ). Es stellt sich demnach die Frage, ob dem unterliegenden Unfallversicherer die Gerichtskosten aufzuerlegen sind. BGE 133 V 642 S. 643 5.2 Bereits unter dem alten Recht durften gemäss Art. 156 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 S. 531) "dem Bund, Kantonen oder Gemeinden, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis und ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen, oder gegen deren Verfügungen in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt wird", in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden. Dieser Text findet sich bereits als Art. 156 Abs. 2 in der Botschaft des Bundesrates zum OG vom 9. Februar 1943 (BBl 1943 S. 97, 208). Er wurde mit geringen sprachlichen Änderungen aus Art. 221 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 übernommen (BBl 1893 I 1107, S. 1165). Nach der Rechtsprechung hatten Unfallversicherer unter der Herrschaft des OG in Streitigkeiten zwischen Versicherungsträgern über Leistungen aus Unfallfolgen für eine gemeinsam versicherte Person allfällige Gerichtskosten zu tragen ( BGE 126 V 183 E. 6 S. 192 mit Hinweisen). 5.3 Die Grundsätze der Kostentragungspflicht vor Bundesgericht ( Art. 66 BGG ) sind weitgehend vom bisherigen Recht übernommen worden (Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4202, 4305). Kostenpflichtig ist gemäss Art. 66 BGG grundsätzlich die unterliegende (Abs. 1) oder die unnötig Kosten verursachende (Abs. 3) Partei. Diese Regelung kennt ausdrücklich erwähnte Ausnahmen: Von den Gerichtskosten befreit sind Bund, Kantone und Gemeinden sowie - neu - die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen, sofern sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis handeln und es nicht um ihr Vermögensinteresse geht (Abs. 4). Das Bundesgericht kann die Gerichtskosten anders verteilen oder auf die Kostenerhebung verzichten, wenn es die Umstände rechtfertigen (Abs. 1 zweiter Satz). Zudem kann es auf die Erhebung der Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichten, wenn ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt wird (Abs. 2). Aus dem Vergleich des Wortlauts von Art. 156 Abs. 2 OG und Art. 66 Abs. 4 BGG wird deutlich, dass die bisher für Bund, Kantone und Gemeinden geltende Kostenbefreiung auf die Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben erweitert werden sollte. Dieser Begriff fand sich bisher bereits in Art. 159 Abs. 2 OG , so dass die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung übernommen werden kann (vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 46 zu Art. 66 BGG ). BGE 133 V 642 S. 644 5.4 In Abweichung vom bisherigen Art. 134 OG hat der Gesetzgeber sämtliche Verfahren vor Bundesgericht für kostenpflichtig erklärt und für das Sozialversicherungsrecht lediglich einen reduzierten Gebührenrahmen vorgesehen ( Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG ). 5.5 Die Hotela zählt bezüglich ihrer Tätigkeit im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung zu den mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen ( Art. 68 UVG ; vgl. für die SUVA Art. 61 ff. UVG , die als öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes jedoch dem Gemeinwesen Bund zuzuordnen ist [SEILER/ VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 45 zu Art. 66 BGG ]). Bei Leistungsstreitigkeiten erfüllt sie demnach Aufgaben in ihrem amtlichen Wirkungskreis ( Art. 70 UVG ; vgl. für die SUVA Art. 66 UVG ). Dabei verfolgt sie aber eigene Vermögensinteressen; denn die obligatorische Unfallversicherung finanziert sich durch Prämien, Erträge aus Kapitalanlagen sowie durch Einnahmen aus Regress gegen haftpflichtige Dritte und erhält von der öffentlichen Hand keine Zuschüsse, sodass jeder Versicherungsträger für sein finanzielles Gleichgewicht selbst verantwortlich ist ( Art. 89 ff. UVG , insbesondere Art. 89 Abs. 3 UVG ; vgl. auch ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 569 ff. und SEILER/ VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 54 zu Art. 66 BGG ). Dies gilt ungeachtet der Leistungsart, da das Vermögen des Versicherers sowohl bei der Ausrichtung von Geld- wie auch von Sachleistungen belastet wird und deshalb ein eigenes Vermögensinteresse zu bejahen ist. Somit fallen die Unfallversicherer im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung nicht unter den Ausnahmetatbestand von Art. 66 Abs. 4 BGG . Die unterliegende Hotela hat daher die Gerichtskosten zu tragen ( Art. 66 Abs. 1 BGG ).
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2,007
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1155e289-2fa2-4f04-b103-53b5aff32989
Urteilskopf 120 V 385 53. Urteil vom 21. September 1994 i.S. Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern, gegen J. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste Art. 15 Abs. 1 AVIG und Art. 14 Abs. 3 AVIV : Vermittlungsfähigkeit. - Ein Student gilt als vermittlungsfähig, wenn er bereit und in der Lage ist, neben dem Studium dauernd einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Dagegen ist einem Studenten, der nur für kürzere Zeitspannen oder sporadisch, namentlich während der Semesterferien, eine Erwerbstätigkeit auszuüben gewillt ist, die Vermittlungsbereitschaft und damit die Vermittlungsfähigkeit abzusprechen. - Bestätigung der unter dem alten Recht ergangenen Rechtsprechung ( Art. 13 Abs. 1 lit. c AlVG sowie Art. 24 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 AlVG ; BGE 108 V 100 ).
Sachverhalt ab Seite 386 BGE 120 V 385 S. 386 A.- J. (geb. 1960), von Beruf kaufmännischer Angestellter, holte an den Feusi-Schulen in Bern die Matura Typus E nach. Vom 30. April 1990 bis 31. März 1991 arbeitete er - mit Unterbrechungen, bei einem Arbeitspensum von anfänglich 100%, dann 50% - aushilfsweise als Verwaltungsbeamter bei der Eidg. Versicherungskasse (EVK). Ende Oktober 1991 nahm er das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bern auf. Im Juni 1992, noch vor Ende des Sommersemesters am 4. Juli 1992, meldete sich J. zur Arbeitsvermittlung sowie zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab 22. Juni 1992 (Beginn der Stempelkontrolle) an. Nach seinen Angaben suchte er bis Ende der Semesterferien am 30. Oktober 1992 eine Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung, wobei ein sofortiger Arbeitsbeginn möglich sei. Die Arbeitslosenkasse des Kantonalen Amtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), Bern, richtete ab 22. Juni 1992 Taggelder aus, stellte jedoch die Leistungen ab 15. August 1992 ein, nachdem das Arbeitsamt der Stadt Bern Zweifel an einer genügend ausreichenden Vermittlungsfähigkeit des Versicherten angemeldet hatte. Zu einer Stellungnahme hiezu aufgefordert, wies J. darauf hin, dass er ab 1. August 1992 eine befristete Anstellung gefunden habe, weshalb er "offensichtlich ausreichend vermittlungsfähig sei". Mit Verfügung vom 3. September 1992 verneinte das KIGA, Abteilung Arbeitsmarkt, die Vermittlungsfähigkeit und damit auch die Anspruchsberechtigung von J. ab 24. Juni 1992. Zur Begründung führte es im wesentlichen an: "Nicht vermittlungsfähig ist in der Regel ein Versicherter, der auf einen bestimmten Zeitpunkt anderweitig disponiert hat, und deshalb für eine neue Beschäftigung nur während verhältnismässig kurzer Zeit zur Verfügung steht BGE 120 V 385 S. 387 und praktisch keine Aussichten hat, von einem Arbeitgeber angestellt zu werden. Demnach kann sich Herr J. auch nicht auf die Annahme einer auf kurze Zeit befristeten Stelle berufen, ist doch bereits im allgemeinen Begriff der Vermittlungsfähigkeit von Artikel 15 Absatz 1 AVIG die objektive Fähigkeit und die subjektive Bereitschaft zur Annahme einer Dauerstelle vorausgesetzt. Das bedeutet, dass der Versicherte, solange er an der UNI ununterbrochen studiert und nur für die Semesterferien Arbeit sucht, die Anspruchsvoraussetzungen der Vermittlungsfähigkeit nicht zu erfüllen vermag." B.- Beschwerdeweise beantragte J. die "Bestätigung" seiner Anspruchsberechtigung. Er beanstandete die Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit durch das KIGA, wobei er sinngemäss geltend machte, er habe ab 24. Juni 1992 eine bis Ende Oktober 1992 befristete 100%-Stelle und gleichzeitig eine unbefristete 30-40%-Stelle gesucht. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bejahte die Vermittlungsfähigkeit des Versicherten ab 24. Juni 1992 und hiess die Beschwerde in dem Sinne gut, dass es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen und zu anschliessend neuer Verfügung an die Verwaltung zurückwies (Entscheid vom 18. März 1993). C.- Das KIGA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Ablehnungsverfügung (vom 3. September 1992) zu bestätigen. J. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wobei er die Zahlung eines angemessenen Zinses auf den ihm zustehenden Leistungen sowie die Rückerstattung der "Auslagen von Fr. 200.--, für rechtliche Beratung" durch das KIGA verlangt. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) beantragt Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. Streitig und zu prüfen ist die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 24. Juni 1992. Diese Frage beurteilt sich - wie im Sozialversicherungsrecht die Regel - prospektiv, d. h. von jenem Zeitpunkt aus und aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich bis zum Erlass der Ablehnungsverfügung (am 3. September 1992) entwickelt haben (BGE BGE 120 V 385 S. 388 116 V 248 Erw. 1a; ARV 1993/1994 Nr. 8 S. 57 Erw. 3, 1992 Nr. 2 S. 75 Erw. 3). 3. a) Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ist die Vermittlungsfähigkeit ( Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG ). Gemäss Art. 15 Abs. 1 AVIG ist der Arbeitslose vermittlungsfähig, wenn er bereit und in der Lage ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Zur Vermittlungsfähigkeit gehört demnach nicht nur die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinn, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, die Arbeitskraft entsprechend den persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen ( BGE 115 V 436 Erw. 2a mit Hinweisen; ARV 1993/1994 Nr. 8 S. 54 Erw. 1). Vermittlungsunfähigkeit liegt unter anderem vor, wenn ein Versicherter aus persönlichen oder familiären Gründen seine Arbeitskraft nicht so einsetzen kann oder will, wie es ein Arbeitgeber normalerweise verlangt. Versicherte, die im Hinblick auf anderweitige Verpflichtungen oder besondere persönliche Umstände lediglich während gewisser Tages- oder Wochenstunden sich erwerblich betätigen wollen, können nur sehr bedingt als vermittlungsfähig anerkannt werden. Denn sind einem Versicherten bei der Auswahl des Arbeitsplatzes so enge Grenzen gesetzt, dass das Finden einer Stelle sehr ungewiss ist, muss Vermittlungsunfähigkeit angenommen werden. Der Grund für die Einschränkung in den Arbeitsmöglichkeiten spielt dabei keine Rolle ( BGE 115 V 436 Erw. 2a mit Hinweisen; ARV 1992 Nr. 10 S. 123 Erw. 1). Diese Rechtsprechung galt grundsätzlich bereits unter der Herrschaft des alten, bis 31. Dezember 1983 gültig gewesenen Rechts ( Art. 13 Abs. 1 lit. c AlVG sowie Art. 24 Abs. 2 lit. c in Verbindung mit Art. 26 Abs. 1 AlVG ; BGE 115 V 433 Erw. 2c/bb, BGE 112 V 137 f. Erw. 3a; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. I, N. 8 zu Art. 15). b) Die Vermittlungsfähigkeit von Temporärarbeitnehmern bestimmt sich nach Art. 14 Abs. 3 AVIV . Danach gelten Versicherte, die vor ihrer Arbeitslosigkeit temporär beschäftigt waren, nur dann als vermittlungsfähig, wenn sie bereit und in der Lage sind, eine Dauerstelle anzunehmen. Unter diese Sonderbestimmung fallen diejenigen Arbeitnehmer, die sich lediglich für Arbeitseinsätze von unregelmässiger Dauer und Häufigkeit zur Verfügung stellen, aber keine feste Stelle annehmen wollen; sie haben das damit verbundene Risiko des Beschäftigungsausfalles zwischen zwei Arbeitsstellen unter dem Gesichtspunkt der Vermittlungsfähigkeit BGE 120 V 385 S. 389 grundsätzlich selber zu tragen ( BGE 110 V 212 Erw. 2a mit Hinweis, BGE 108 V 97 Erw. 1b; GERHARDS, a.a.O., N. 76 f. zu Art. 15). Die Regelung der Vermittlungsfähigkeit von Temporärarbeitnehmern gemäss Art. 14 Abs. 3 AVIV ist gesetzmässig. Sie steht im Einklang mit der Legaldefinition der Vermittlungsfähigkeit nach Art. 15 Abs. 1 AVIG und der diesbezüglichen Rechtsprechung (unveröffentlichtes Urteil B. vom 20. Oktober 1988) und wird dementsprechend vom Eidg. Versicherungsgericht auch angewendet (vgl. ARV 1991 Nr. 4 S. 27 Erw. 2, 1988 Nr. 2 S. 24 Erw. 2b). Im übrigen setzt Vermittlungsfähigkeit nach Art. 14 Abs. 3 AVIV nicht die Bereitschaft zur Annahme einer Vollzeitbeschäftigung voraus; es genügt grundsätzlich, wenn der Temporärarbeitnehmer bereit und in der Lage ist, eine Teilzeit-Dauerstelle anzunehmen (erwähntes Urteil B. vom 20. Oktober 1988). 4. a) Zur Vermittlungsfähigkeit von Studenten, welche studiumbegleitend oder zwischen einzelnen Studienabschnitten einer Erwerbstätigkeit nachgehen, hat das Eidg. Versicherungsgericht festgestellt, dass ein Student, der - allenfalls unter Inkaufnahme eines zeitlich erheblich verlängerten Studienganges - vor Eintritt der Arbeitslosigkeit im Prinzip voll erwerbstätig gewesen sei, sein Studium nebenbei absolviere und weiterhin zu voller Erwerbstätigkeit bereit und imstande wäre, als vermittlungsfähig zu gelten habe. Dagegen müsse einem Studenten, der nur bereit sei, für kürzere Zeitspannen oder sporadisch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die Vermittlungsbereitschaft und damit die Vermittlungsfähigkeit abgesprochen werden. Denn dieser Student befände sich in einer ähnlichen Lage wie jener Versicherte, der sich einer Organisation für temporäre Arbeit für eine Reihe von Arbeitseinsätzen von unregelmässiger Dauer und Häufigkeit zur Verfügung stelle, aber keine feste Stelle annehmen wolle. Er könne daher erst von dem Zeitpunkt an als vermittlungsfähig gelten, da er bereit sei, eine feste Stelle von einer gewissen minimalen Dauer anzunehmen, und dadurch seine Vermittlungsbereitschaft bekunde ( BGE 108 V 101 Erw. 2 mit Hinweis). b) Diese noch unter der Herrschaft des alten Rechts ergangene, seit Inkrafttreten des AVIG und AVIV am 1. Januar 1984 nicht mehr in Frage gestellte Rechtsprechung wird vom kantonalen Gericht abgelehnt. Nach der Legaldefinition setze Vermittlungsfähigkeit nicht voraus, dass der Versicherte in der Lage und bereit ist, eine Dauerstelle anzunehmen. Nach neuem Recht und der hierzu entwickelten Rechtsprechung sei grundsätzlich zu trennen zwischen einem Temporärarbeitnehmer und einem Versicherten, der BGE 120 V 385 S. 390 wegen der Kürze des Dispositionszeitraumes nicht in der Lage ist, eine Dauerstelle anzunehmen. Angesichts dieser Unterscheidung rechtfertige es sich nicht, einen Studenten weiterhin analog einem Temporärarbeitnehmer zu beurteilen. Vielmehr sei dieser einem Arbeitnehmer mit zeitlich eingeschränkter Disponibilität gleichzustellen. Nur eine solche Betrachtungsweise werde den unterschiedlichen Verhältnissen dieser beiden Kategorien von Arbeitsuchenden gerecht, stehe doch ein Temporärarbeitnehmer grundsätzlich durchgehend dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, möchte aufgrund seiner besonderen Lebenseinstellung aber nicht in Dauerstellen beschäftigt sein, während der Student - sofern er sich während des Semesters ausschliesslich dem Studium widmet - lediglich zu ganz bestimmten Zeiten (nämlich während der Semesterferien) einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne. c) aa) Der Begriff der Vermittlungsfähigkeit ist, wie in Erw. 3a in fine dargelegt, im neuen wie im alten Recht grundsätzlich derselbe. Der geltende Art. 15 Abs. 1 AVIG hat lediglich insofern eine "Akzentverlagerung" (GERHARDS, a.a.O., N. 8 f. zu Art. 15) gebracht, dass unter dem Gesichtspunkt der Vermittlungsfähigkeit schwergewichtig subjektive Eigenschaften des Versicherten erfasst werden sollen. Mit anderen Worten ist die Vermittlungsfähigkeit gemäss Art. 15 Abs. 1 AVIG von der objektiven arbeitsmarktabhängigen Vermittelbarkeit, wie sie insbesondere im Bereich der Präventivmassnahmen von Bedeutung ist ( Art. 59 ff. AVIG ; ARV 1993/1994 Nr. 6 S. 44 Erw. 1 mit Hinweisen), zu trennen (ARV 1992 Nr. 3 S. 79 Erw. 3a; vgl. BGE 115 V 433 Erw. 2c/bb). Für die Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit von teilweise Arbeitslosen ( Art. 10 Abs. 2 AVIG ) ist daher in zeitlicher Hinsicht massgebend, ob sie bereit und in der Lage sind, eine zumutbare Arbeit im Umfang des geltend gemachten Arbeitsausfalles, der mindestens 20% einer Vollerwerbstätigkeit betragen muss, anzunehmen ( BGE 115 V 431 f. Erw. 2c/aa, 436 f. Erw. 2c; GERHARDS, a.a.O., Fn. 6 zu N. 61 ff. zu Art. 15). bb) Im weitern gelten Versicherte, die aufgrund berufs- und arbeitsmarktspezifischer Umstände nicht in der Lage sind, eine Dauerstelle anzunehmen, nicht mehr grundsätzlich als vermittlungsunfähig. Es betrifft dies namentlich Berufe mit häufig wechselnden oder befristeten Anstellungen, wie beispielsweise Musiker, Schauspieler und Journalisten ( Art. 8 AVIV in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 AVIG ; vgl. BGE 110 V 211 ff. Erw. 2 und 3; GERHARDS, a.a.O., N. 79 zu Art. 15). Dem bei dieser Kategorie von Versicherten bestehenden erhöhten Risiko von BGE 120 V 385 S. 391 Beschäftigungslücken wird durch die Nichtanrechnung des Arbeitsausfalles während einer bestimmten Wartezeit Rechnung getragen ( Art. 6 AVIV in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 AVIG ; GERHARDS, a.a.O., N. 37 und 49 zu Art. 11). Das Eidg. Versicherungsgericht stellte jedoch schon unter der Herrschaft des alten Rechts klar, dass die Vermittlungsfähigkeit dann zu verneinen wäre, wenn der Versicherte - i.c. ein Unterhaltungsmusiker - die Möglichkeit hätte, ein Arbeitsverhältnis von voraussichtlich längerer Dauer einzugehen, er dies aber nicht wollte ( BGE 110 V 213 Erw. 2a). An diesem Grundsatz der Bereitschaft zur Annahme einer Dauerstelle als einem wesentlichen Merkmal der Vermittlungsfähigkeit hat sich, entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts, unter dem neuen Recht nichts geändert. Namentlich ergibt sich dies nicht aus dem in ARV 1991 Nr. 3 S. 22 veröffentlichten Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts, war doch in casu das arbeitslose Ehepaar G. seit beinahe 20 Jahren im Service tätig gewesen und wollte diese Tätigkeit nach einem ihren Dispositionszeitraum von viereinhalb Monaten einschränkenden dreimonatigen Auslandaufenthalt wieder aufnehmen. cc) Die Situation eines Studenten, welcher (lediglich) in den Semesterferien einer Erwerbstätigkeit nachgehen will, ist unter dem Gesichtspunkt der Vermittlungsfähigkeit durchaus mit der eines Temporärarbeitnehmers im Sinne von Art. 14 Abs. 3 AVIV (Erw. 3b) vergleichbar, indem die auf die Semesterferien beschränkte Disponibilität ein ausbildungsimmanentes und damit gewissermassen ein gewolltes Risiko darstellt, überhaupt keine Anstellung oder lediglich eine von kürzerer als der gewünschten Dauer zu finden. Es kommt entscheidend dazu, dass während der Studienzeit ganz klar die Ausbildung im Vordergrund steht, weshalb, wie das BIGA zutreffend ausführt, nur jene Studierenden am Arbeitnehmerschutz der Arbeitslosenversicherung teilhaben sollen, die als eigentliche Werkstudenten bereit und in der Lage sind, einem dauerhaften (Voll- oder Teilzeit-)Erwerb nachzugehen. Dass sich an dieser Konzeption im Rahmen der zur parlamentarischen Beratung anstehenden zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes grundsätzlich etwas ändern wird, ist aufgrund der bundesrätlichen Botschaft vom 29. November 1993 (BBl 1994 I S. 340 ff.) nicht zu erwarten. d) Nach dem Gesagten besteht kein Grund, von der unter dem alten Recht ergangenen Rechtsprechung zur Vermittlungsfähigkeit von Studenten ( BGE 108 V 100 ) abzuweichen (vgl. BGE 110 V 124 Erw. 2e mit Hinweisen). BGE 120 V 385 S. 392 5. Die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdegegners ab 24. Juni 1992 ist mit dem beschwerdeführenden KIGA dann zu verneinen, wenn er lediglich während der Semesterferien bereit und in der Lage war, Arbeit anzunehmen. Nach Lage der Akten gab der Beschwerdegegner in der "Anmeldung zur Arbeitsvermittlung" (vom 22. Juni 1992) an, nur eine bis 30. Oktober 1992 befristete Teil- oder Vollzeitbeschäftigung zu suchen. Indes hat er auf dem Kontrollausweis vom 29. September 1992 vermerkt, er suche ab Ende Oktober 1992 eine "Dauerstelle von 30-40%". In seiner Beschwerde vom 3. Oktober 1992 an das kantonale Gericht machte er sinngemäss geltend, ab 24. Juni 1992 neben einer bis Ende Oktober 1992 befristeten 100%-Stelle auch eine 30-40%-Dauerstelle gesucht zu haben. Auch wenn diese beiden Aktenstücke nach Erlass der Ablehnungsverfügung (am 3. September 1992) datieren, sind sie vorliegend zu berücksichtigen, da aufgrund der übrigen Akten nicht rechtsgenüglich auszuschliessen ist, dass der Beschwerdegegner innerhalb des massgebenden Prüfungszeitraumes (Erw. 2) tatsächlich eine Dauerstelle im Teilzeitverhältnis gesucht hatte. In diesem Sinne wird die Verwaltung die Anspruchsberechtigung des Beschwerdegegners ab 24. Juni 1992 erneut zu prüfen haben. Damit braucht das Zinsbegehren nicht behandelt zu werden. 6. (Kostenpunkt)
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1,994
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CH_BGE_007
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115d95dd-cc07-4b9c-ba55-af0f4ba5e64c
Urteilskopf 89 I 166 26. Arrêt du 1er mai 1963 dans la cause Kunz et Victor-Film SA contre Conseil d'Etat du Canton de Genève.
Regeste Art. 4 BV . Es stellt keine rechtsungleiche Behandlung dar. wenn eine kantonale Behörde ihre Praxis ändert und Nacktkulturfilme verbietet m der Annahme, diese übten auf ein gewisses Publikum einen ungesunden Reiz aus.
Sachverhalt ab Seite 166 BGE 89 I 166 S. 166 A.- Le 4 décembre 1962, le Département de justice et police du canton de Genève a interdit, de par l'art. 41 du règlement genevois du 24 novembre 1945 sur les salles de spectacle, etc., la projection, sur le territoire cantonal, du film "Les Filles du Dieu Soleil". Cette décision était ainsi motivée: "Film constituant une nette propagande pour le nudisme qui est contraire à nos moeurs et choquerait une grande partie de la population". Effectivement, la disposition précitée interdit "les spectacles contraires à la morale et à l'ordre public". Kunz, producteur du dit film, a recouru contre cette décision devant le Conseil d'Etat, mais il a été débouté, le 29 janvier 1963, en bref par les motifs suivants: En autorisant, le 5 avril 1960, la projection du film "Nous irons à l'Ile du Levant", le Conseil d'Etat a expressément réservé son attitude à l'égard de tous les autres films naturistes ou nudistes qui pourraient lui être présentés. BGE 89 I 166 S. 167 Il a interdit, trois mois plus tard, la projection des "Vacances naturistes" et des "Naturistes dans la neige"; en effet, par la réclame relative à "Nous irons à l'Ile du Levant", il a pu se rendre compte que, sous le couvert de propagande pour le nudisme et le naturisme, les films de ce genre "ont un but purement commercial". De plus dans l'autorisation donnée le 5 avril 1960, "il a méconnu l'attrait exercé par ce genre de production sur un certain public composé spécialement de jeunes, qui viennent incontestablement y chercher des sensations malsaines". Après un intervalle de deux ans, il s'estime fondé à revenir sur l'opinion précédemment exprimée et à juger plus sévèrement des films naturistes ou nudistes. B.- Kunz et la SA Victor-Film, cette dernière en qualité de distributrice des "Filles du Dieu Soleil", ont formé un recours de droit public. Ils invoquent la violation du principe de l'égalité devant la loi et demandent au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêté du Conseil d'Etat du 29 janvier 1963 et d'inviter cette autorité à permettre la projection, sur le territoire genevois, du film "Les Filles du Dieu Soleil". C.- Le Conseil d'Etat du canton de Genève conclut au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: Précédemment déjà, en 1960, Kunz a demandé par deux fois l'autorisation de projeter des films naturistes dans le canton de Genève. La première fois, le Conseil d'Etat, tout en réservant sa décision pour les cas futurs, a admis le film intitulé "Nous irons à l'Ile du Levant"; la seconde fois, il a interdit les "Vacances naturistes" et "Naturistes dans la Neige". Saisi par Kunz d'un recours de droit public dirigé contre cette interdiction et fondé sur la violation des art. 4 et 31 Cst., le Tribunal fédéral, statuant le 7 décembre 1960, a débouté le recourant pour le second de ces films, mais a annulé l'interdiction du premier. Dans son arrêt, il ne s'est pas prononcé BGE 89 I 166 S. 168 sur la conformité des "Vacances naturistes" avec l'ordre et la morale publics; il a annulé la décision attaquée, par le motif qu'elle créait une inégalité de traitement. En effet, a-t-il dit, trois mois auparavant, le Conseil d'Etat avait autorisé "Nous irons à l'Ile du Levant", qui était de la même veine et laissait au spectateur une impression de même nature; il n'a pas, dans l'arrêté portant interdiction des "Vacances naturistes", exposé quelles circonstances nouvelles justifiaient un jugement plus sévère. Dans la présente cause, les recourants n'invoquent pas l'art. 31 Cst., à savoir le principe de la liberté du commerce, qui peut être restreint par des mesures de police destinées à protéger notamment l'ordre et la moralité publics (RO 84 I 110). Ils allèguent l'arbitraire, mais leur argumentation est essentiellement fondée sur l'inégalité de traitement: ils reprochent au Conseil d'Etat de ne s'être pas conformé à l'arrêt prononcé par le Tribunal fédéral, le 7 décembre 1960, à propos des "Vacances naturistes", c'est-à-dire de n'avoir pas justifié son refus par rapport à l'autorisation accordée, en 1960, au film "Nous irons à l'Ile du Levant". Ce moyen n'est pas fondé. Sans doute la décision attaquée reproche-t-elle à tort aux recourants de poursuivre des fins essentiellement commerciales sous le couvert de propagande pour le nudisme et le naturisme. Le caractère commercial d'une exploitation et notamment d'un spectacle ne saurait être répréhensible en lui-même, du point de vue de l'ordre et de la moralité publics; il ne saurait l'être que par ses modalités ou par son objet. Mais le Conseil d'Etat ne s'en est pas tenu à cet argument. Il a constaté qu'en autorisant, en 1960, le film "Nous irons à l'Ile du Levant", il a méconnu l'attrait exercé par ce genre de production sur un certain public composé spécialement de jeunes, qui vient incontestablement y chercher des sensations malsaines. Il s'estime dès lors fondé, après deux ans, à modifier son jugement et à suivre des principes plus sévères que précédemment. Il ajoute, dans sa réponse au BGE 89 I 166 S. 169 recours, que l'autorisation accordée pour le film "Nous irons à l'Ile du Levant" constitue une exception et qu'il a interdit tous les films nudistes qui lui ont été soumis depuis 1960 - et dont il produit la liste. Cette argumentation n'est nullement insoutenable et justifie un changement de la pratique administrative. La moralité publique est un élément essentiel de l'ordre. Dans ce domaine, la responsabilité incombe au premier chef à l'autorité cantonale qui est, mieux que toute autre, à même de juger des circonstances locales. Les recourants objectent dès lors en vain que le film "Les Filles du Dieu Soleil" ne provoque pas, chez le spectateur, d'autres impressions que les "Vacances naturistes" et "Nous irons à l'Ile du Levant", précédemment autorisés. Même si tel était bien le cas, le nouvel élément d'appréciation avancé par le Conseil d'Etat n'en demeurerait pas moins décisif. On ne saurait lui reprocher de n'être soutenu par aucune preuve, notamment sur le fait que les films naturistes attireraient spécialement la jeunesse. L'autorité genevoise s'est contentée d'affirmer qu'un certain public, composé spécialement de jeunes, y vient chercher des sensations malsaines, non pas que les spectateurs sont en majorité des jeunes. Point n'est besoin de prouver une telle assertion; il est clair qu'un "certain public" peut trouver, dans les spectacles nudistes et en particulier dans la projection des films de cette catégorie, un sujet d'excitation sexuelle indésirable du point de vue de l'ordre et de la moralité publique. Les recourants reprochent en outre au Conseil d'Etat d'avoir avancé sa nouvelle argumentation sans en être convaincu, uniquement pour satisfaire aux exigences formulées par le Tribunal fédéral dans son arrêt du 7 décembre 1960. Ce grief est manifestement dénué de toute justification; il est même téméraire. Enfin, on ne saurait opposer à la décision genevoise le jugement rendu par la Cour d'appel de Bâle-Ville, le 10 juin 1962. Car les circonstances peuvent varier d'un BGE 89 I 166 S. 170 canton à l'autre. De plus, ledit jugement examine la question du point de vue de l'art. 31 Cst., règle que les recourants n'invoquent pas dans la présente espèce. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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115e923f-24e7-41b9-b7f4-3c105672d2b7
Urteilskopf 106 V 170 39. Urteil vom 30. September 1980 i.S. F_ gegen Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz und Versicherungsgericht des Kantons Bern
Regeste Art. 3 Abs. 3 KUVG . Sanktionsweise Leistungsverweigerung wegen schuldhaften Verschweigens einer Krankheit bei Eintritt in die Kasse: Der Aufnahmebewerber, der vereinzelt aufgetretene Unpässlichkeiten verschweigt, die er in guten Treuen als belanglose, vorübergehende Gesundheitsstörung betrachten durfte und nicht als Anzeichen einer bevorstehenden akuten Erkrankung einschätzen musste, begeht keine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung (Erw. 2 und 3). Art. 6bis KUVG . Soweit die Kassenbestimmungen oder die Kollektivversicherungsverträge nichts anderes vorsehen, ist der Versicherungsnehmer Schuldner der Prämien für den Kollektivvertrag (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 170 BGE 106 V 170 S. 170 A.- Der 1957 geborene F_ schloss am 15. April 1978 die Lehre als Elektronikmechaniker ab und trat am BGE 106 V 170 S. 171 17. April 1978 gemäss Dienstvertrag vom 30. März 1978 eine Stelle bei der Firma Z_ AG an. Diese Firma führt bei der Christlichsozialen Kranken- und Unfallkasse der Schweiz eine Kollektivversicherung zur Deckung krankheitsbedingten Lohnausfalls, der sich anzuschliessen F_ dienstvertraglich verpflichtet war. Die Arbeitgeberin zog ihm hiefür 1,15 Lohnprozente vom Salär ab. Nach seiner Darstellung füllte F_ am 18. April 1978 die Beitrittserklärung aus und unterzeichnete sie; im Beitrittsformular bezeichnete er sich als vollständig gesund und arbeitsfähig; er verneinte, zur Zeit an Krankheiten, Krankheitsanlagen, Gebrechen oder Missbildungen zu leiden. Am 19. April 1978 begab er sich wegen Fieber, Magenschmerzen und Übelkeit zu Dr. Y._in Behandlung, der ihn zwei Tage später zur Abklärung ins Tiefenauspital Bern einwies. Anfangs Juli 1978 konnte die Krankheit als Zytomegalie diagnostiziert werden. F_ war deswegen vom 19. April bis 25. Juni 1978 vollständig und ab dann bis 29. Juni 1978 zu 50% arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma Z_ AG wurde auf den 7. August 1978 aufgelöst, worauf F_ in die Einzelversicherung übertrat. Am 8. Juli 1978 teilte Dr. Y._dem Vertrauensarzt der Kasse auf die Frage nach dem Zeitpunkt des Krankheitsbeginns mit, dass sich F_ am 13. April 1978 fiebrig gefühlt habe und am 15. April 1978 Brechreiz aufgetreten sei. Die Kasse schloss daraus, dass F_ in der Beitrittserklärung in schuldhafter Weise eine bestehende Krankheit verschwiegen habe. Am 2. November 1978 erliess sie auf sein Begehren eine beschwerdefähige Verfügung. Darin hielt sie vorweg fest, dass F_ kein Freizügigkeitsrecht ("Quasi-Zügerrecht") zustehe, denn für Krankengeld sei er vor Eintritt in die Kasse bei einer privaten Versicherungsgesellschaft versichert gewesen. Gemäss Kollektivversicherungsvertrag mit der Firma Z_ AG habe die Kasse für die Zeit der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers aus Art. 324a OR Krankengeldleistungen auch dann zu erbringen, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten auf ein unter Versicherungsvorbehalt stehendes Leiden zurückgehe. In analoger Anwendung dieser Regelung - die Kasse verzichtete darauf, einen rückwirkenden Vorbehalt anzubringen - könne F_ 21 Taggelder beanspruchen. Weitergehende Taggeldleistungen BGE 106 V 170 S. 172 würden jedoch wegen schuldhafter Verheimlichung einer bestehenden Krankheit bei Kasseneintritt gestützt auf Art. 28 Ziff. 1 lit. e der Kassenstatuten verweigert. Mit dem erwähnten Taggeldguthaben verrechne die Kasse die Prämienbeiträge des Versicherten für die Dauer der Mitgliedschaft in der Kollektivversicherung, ebenso die ab Übertritt in die Einzelversicherung bis 31. Dezember 1978 aufgelaufenen Prämien. B.- Mit Beschwerde beantragte F_ die Aufhebung der Verfügung vom 2. November 1978 und die Bezahlung der Taggelder für die gesamte Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Bezahlung der Beiträge für die obligatorische Krankentaggeld-Versicherung sei Sache der Z_ AG. Die Prämien für die Einzelversicherung habe er bereits vor Erlass der Kassenverfügung bezahlt. Am 29. Juni 1979 wies das Versicherungsgericht des Kantons Bern das Leistungsbegehren ab. Im weiteren erkannte es, dass F_ bezüglich der Beiträge an die Kollektivversicherung und die Einzelversicherung Schuldner sei und die Kasse demzufolge Verrechnung erklären könne. Die Verrechnungsforderung sei von der Kasse aber noch zu bestimmen. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt F_, es sei die Kasse zu verpflichten, ihn per 17. April 1978 ohne jeden Vorbehalt oder anderweitige Einschränkung in die Krankentaggeld-Versicherung aufzunehmen und sämtliche Versicherungsleistungen für die vom 19. April bis 29. Juni 1978 dauernde Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Die Prämien für die Taggeldversicherung seien erst ab Eintritt in die Einzelversicherung zu verrechnen, für die davorliegende Zeit jedoch der seinerzeitigen Arbeitgeberin zu belasten... Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer beantragt, die Kasse sei zu verpflichten, ihn auf den 17. April 1978 ohne jeden Vorbehalt oder anderweitige Einschränkung in die Krankentaggeld-Versicherung aufzunehmen. Dieses Begehren ist offenbar dahin zu verstehen, dass die Kasse dem Beschwerdeführer das Zügerrecht gemäss Art. 7 Abs. 2 KUVG zu gewähren habe. Das ("Quasi"-)Zügerrecht nach Art. 7 Abs. 2 KUVG gilt jedoch nur für jene Arbeitnehmer, die bei Eintritt in den neuen Betrieb bereits bei einer anerkannten Krankenkasse gemäss Art. 1 KUVG BGE 106 V 170 S. 173 versichert waren, nicht aber für solche Personen, welche den Versicherungsschutz einer Privatversicherung genossen haben ( BGE 98 V 225 ). Der Beschwerdeführer war vor dem Beitritt zur Kasse für Taggeld bei einer privaten Gesellschaft versichert... 2. Die Beschwerdegegnerin hatte darauf verzichtet, gegen den Beschwerdeführer einen Versicherungsvorbehalt zu verfügen. Die auf Art. 28 Ziff. 1 lit. e der Kassenstatuten gestützte Leistungsverweigerung ist demnach als Sanktion zu verstehen. Nach Art. 28 Ziff. 1 lit. e der Statuten besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen für Krankheiten und Unfallschäden, welche bei der Aufnahme verheimlicht wurden. Gemäss Rechtsprechung sind derartige Bestimmungen an sich nicht bundesrechtswidrig. Im Einzelfall ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten, welcher verlangt, dass die Sanktion in einem angemessenen Verhältnis insbesondere zum Verschulden des Versicherten steht ( BGE 102 V 193 , BGE 101 V 225 , BGE 96 V 1 ; RSKV 1979 Nr. 361, 1978 Nr. 309, 1977 Nr. 305, 1975 Nr. 206, 1974 Nr. 194, 1970 Nr. 68). Diesen Grundsatz hat die Beschwerdegegnerin auch in ihren Statuten verankert. Nach Art. 28 Ziff. 2 kann die Kasse anstelle der gänzlichen Leistungsverweigerung ihre Leistungen in einem dem Grade des Verschuldens des Mitgliedes entsprechenden Verhältnis kürzen. Damit die Beschwerdegegnerin gegenüber dem Beschwerdeführer eine auf Art. 28 Ziff. 1 lit. e ihrer Statuten gestützte Sanktion verhängen darf, muss demnach der Beschwerdeführer bei der Aufnahme in die Kasse in schuldhafter Weise eine Krankheit verschwiegen haben. Die Rechtsprechung bezeichnet mit schuldhaftem Verschweigen die Tatsache, dass der Kasse eine bestehende Krankheit oder eine vorher bestandene, zu Rückfällen führende Krankheit nicht angezeigt wird, indem diese auf entsprechende Frage unerwähnt bleibt, obwohl der Versicherte davon wusste oder bei der ihm zumutbaren Aufmerksamkeit darum hätte wissen müssen ( BGE 102 V 193 , BGE 101 V 134 , BGE 98 V 135 , BGE 96 V 1 ; EVGE 1969 S. 5 und 183, 1968 S. 5, 1967 S. 123; RSKV 1979 Nr. 385 und 372, 1978 Nr. 309, 1977 Nr. 279 und 305). 3. a) Aufgrund der Akten ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer am 17. und 18. April 1978 gearbeitet und am 18. April 1978 bei seiner Arbeitgeberin die Beitrittserklärung für die Taggeldversicherung ausgefüllt und unterzeichnet hatte. BGE 106 V 170 S. 174 An diesen Tagen fühlte er sich laut eigenen Angaben gesundheitlich nicht beeinträchtigt. Es liegt nichts vor, was diese Aussage unglaubwürdig erscheinen liesse. Zwar erklärt Dr. Y._in seinem Attest vom 3. März 1979, dass sich der Beschwerdeführer am 17. und 18. April wohl nicht ganz gesund gefühlt habe, der Störung aber nicht nennenswerte Bedeutung beigemessen haben dürfte. Mehr als eine Vermutung darf in dieser nicht näher belegten Meinungsäusserung des Arztes jedoch nicht erblickt werden. Berechtigte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers ergeben sich daraus nicht. Es ist daher anzunehmen, dass er sich im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beitrittsformulars gesund glaubte. b) Laut der von Dr. Y._geführten Krankengeschichte fühlte sich der Beschwerdeführer am 13. April 1978 "fiebrig" und verspürte am 15. April 1978 Brechreiz. Es ist somit im weiteren zu prüfen, ob sich der Beschwerdeführer angesichts dieser Vorkommnisse am 18. April 1978 als gesund erklären durfte. Schuldhaft verschweigt ein Gesuchsteller die Anzeigepflicht, wenn er trotz Befragung bestehende oder vorbestandene gesundheitliche Störungen verschweigt, denen er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt Krankheitscharakter beimessen musste. Zu weit würde aber führen, wenn der Aufnahmebewerber vereinzelt aufgetretene Unpässlichkeiten, die er in guten Treuen als belanglose, vorübergehende Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens betrachten darf und bei der gebotenen Sorgfalt nicht als Erscheinungen eines ernsthafteren Leidens beurteilen muss, anzuzeigen verpflichtet wäre. Das Verschweigen geringfügiger Gesundheitsstörungen dieser Art vermag keinen Schuldvorwurf zu begründen. Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer aus dem Unwohlsein am 13. April und am 15. April 1978 auf ein bevorstehendes akutes Leiden - und wäre es auch nur eine Grippe gewesen - hätte schliessen müssen. Dass er diese verhältnismässig geringen Beschwerden anlässlich der Unterzeichnung des Beitrittsformulars als nicht weiter bedeutsame gesundheitliche Beeinträchtigung vorübergehender Natur einschätzte und sie auf den mit der Lehrabschlussprüfung verbundenen Stress und die Müdigkeit zurückführte, erscheint daher durchaus glaubhaft und vermag auch BGE 106 V 170 S. 175 der gebotenen Sorgfaltspflicht zu genügen. Wohl pflegen sich bisweilen akute Erkrankungen bereits einige Tage zuvor mit Temperatur und Müdigkeit anzumelden. Ebenso häufig zeigt sich indes dass Gesundheitsstörungen dieser Art keine akute Erkrankung nachfolgt. Und mit einer solchen hatte der Beschwerdeführer umso weniger zu rechnen, als er sich nach seinen (unwiderlegt gebliebenen) Aussagen vom 16. bis 18. April 1978 gesund gefühlt hatte. Von einer schuldhaften Anzeigepflichtverletzung des Beschwerdeführers anlässlich der Unterzeichnung der Beitrittserklärung kann demnach nicht gesprochen werden. Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits nichts vorgebracht, was diese Betrachtungsweise widerlegt oder Zweifel an ihr hinreichend zu begründen vermocht hätte. So kann etwa nicht schon zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgelegt werden, dass er das gestörte Wohlbefinden vom 13. und 15. April 1978 gegenüber Dr. Y._erwähnt hatte. Das allein lässt noch nicht den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer diesen Beeinträchtigungen massgebliche Bedeutung beigemessen hat oder hätte beimessen müssen. c) Der Beschwerdeführer hatte am 18. April 1978 das bezüglich der Krankengeldversicherung ausgefüllte und unterzeichnete Beitrittsformular nach Hause genommen, um einen allfälligen Anschluss an die (fakultative) Krankenpflegeversicherung zu prüfen. In der Folge verzichtete er jedoch auf diesen zusätzlichen Versicherungsabschluss. Am 19. April 1978 holte ein Betriebsangehöriger die Beitrittserklärung (für die Krankengeldversicherung) bei ihm ab. Es stellt sich daher die Frage, ob dem Beschwerdeführer vorgeworfen werden kann, dass er das Beitrittsformular am 19. April 1978 ohne Korrektur der am Vortag darin niedergelegten Gesundheitsdeklaration ausgehändigt hat. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erklärt der Beschwerdeführer hiezu, dass der die Beitrittserklärung abholende Betriebsangehörige eine solche Korrektur als nicht erforderlich bezeichnet habe, da er am 17. April 1978 in den Betrieb eingetreten und deshalb ab jenem Zeitpunkt versichert sei; daher müssten alle Angaben dem Stand vom 17. April 1978 entsprechen. Ob diese Rechtsbelehrung zutreffend war, kann dahingestellt bleiben. Massgeblich ist hier, dass der Beschwerdeführer als Laie in Versicherungsfragen diese Rechtsauffassung in guten Treuen als richtig einschätzen durfte und ihm weitergehende BGE 106 V 170 S. 176 Abklärungen am 19. April 1978 nicht zugemutet werden konnten. Es ist ihm daher kein Vorwurf zu machen, dass er das Beitrittsformular am 19. April 1978 vor der Übergabe nicht korrigiert hatte. Eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung liegt demnach auch in diesem Zeitpunkt nicht vor. d) Aus dem Gesagten folgt, dass die Kasse gegenüber dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sanktion verhängt hat. Sie hat demzufolge für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vom 19. April bis 29. Juni 1978 die vollen statutarischen Krankengeldleistungen zu erbringen. 4. Weder der vorliegende Kollektivversicherungsvertrag noch die Statuten der Beschwerdegegnerin bestimmen ausdrücklich, wer Schuldner der Beiträge aus dem Kollektivvertrag ist. In einem solchen Fall rechtfertigt es sich, den Arbeitgeber als Prämienschuldner zu betrachten und dem versicherten Arbeitnehmer als blossem Begünstigten keine Beitragspflicht aufzuerlegen. Kollektivversicherungsverträge der vorliegenden Art werden im wesentlichen mit dem Ziel abgeschlossen, das Risiko der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers aus Art. 324a OR versicherungsmässig abzudecken. Es erscheint daher gerechtfertigt, den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer - soweit sich aus Vertrag oder Statuten nichts anderes ergibt - gegenüber der Kasse für die Beiträge aus dem Kollektivvertrag als allein leistungspflichtig zu erklären. Hiermit wird auch berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer im Regelfall zum Versicherungsbeitritt verpflichtet ist. Art. 3 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kollektivversicherung der CKUS (in Kraft ab 1. Januar 1976) bildet keine hinreichende Grundlage, um von diesem Grundsatz abzuweichen. Nach dieser Bestimmung wird der vereinbarte Beitrag auf dem von der Kasse geschuldeten Krankengeld berechnet und erhoben, wenn bei Verträgen mit Beiträgen nach dem Lohnprozentsystem ein Unterbruch in der Lohnzahlung eintritt. Damit haben die Vertragspartner lediglich für den näher umschriebenen Anwendungsfall die Prämienberechnungsbasis und das Beitragsinkasso geregelt, zur Frage der Schuldnerstellung der am Kollektivvertrag Beteiligten aber nichts vereinbart. Ohne Belang ist im vorliegenden Zusammenhang auch, dass dem Beschwerdeführer gemäss Arbeitsvertrag ein Teil der Beiträge aus dem Kollektivvertrag vom Lohn abgezogen wird. Die arbeitsvertragliche Absprache über die Prämienverteilung lässt BGE 106 V 170 S. 177 hier das Verhältnis zwischen Kasse und Arbeitgeberfirma wie auch zwischen Beschwerdeführer und Kasse unberührt. Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer für die Dauer der Zugehörigkeit zum Kollektivversicherungsvertrag (17. April 1978 bis 7. August 1978) gegenüber der Beschwerdegegnerin nicht als Prämienschuldner betrachtet werden kann. Die Beschwerdegegnerin kann daher die in dieser Zeit für den Beschwerdeführer aufgelaufenen Kollektivversicherungs-Prämien nicht mit den von ihr zu erbringenden Taggeldleistungen verrechnen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Firma Z_ AG (7. August 1978) trat der Beschwerdeführer für ein Krankengeld von Fr. 60.-- ab 31. Tag in die Einzelversicherung über. Hinsichtlich der auf die Einzelversicherung entfallenden Beiträge hat der Beschwerdeführer seine Schuldnereigenschaft anerkannt, so dass diesbezüglich nichts mehr streitig ist.
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115e9ed6-2a39-4366-9a27-2ca9d85ae378
Urteilskopf 90 II 219 26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Mai 1964 i.S. W. gegen M. und deren Kind R.P.M.
Regeste Vaterschaftsklage. Art. 314 Abs. 2 und Art. 8 ZGB . 1. Die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtes bisher offen gelassene Frage, ob der Richter kraft Bundesrechtes verpflichtet sei, ein von der Klagpartei oder dem Beklagten verlangtes anthropologisch-erbbiologisches Gutachten anzuordnen, ist zu bejahen (Erw. 1, 2 u. 3). 2. Schranken des Prozessrechts und des materiellen Rechtes stehen der Anordnung des anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens im vorliegenden Fall nicht entgegen (Erw. 4). 3. Bevor das anthropologisch-erbbiologische Gutachten auf Antrag des Beklagten angeordnet wird, sind alle übrigen Beweismittel auszuschöpfen (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 220 BGE 90 II 219 S. 220 A.- Am 26. Mai 1960 gebar dieledige L.M., geboren 1933, eine Tochter, R. P. Mutter und Kind belangten W. auf Feststellung der Vaterschaft und bestimmte Vermögensleistungen. W. hatte die M. im Sommer 1955 kennengelernt, sich Ende 1956 verlobt und im Frühjahr 1957 mit ihr intime Beziehungen aufgenommen. Sie löste anfangs 1959 die Verlobung auf, näherte sich jedoch nach kurzer Zeit wieder W. Innerhalb der vom 31. Juli bis zum 28. November 1959 dauernden kritischen Zeit kam es zwischen den beiden am 23. August 1959 zum Geschlechtsverkehr. Schwanger geworden, verlobte sie sich mit W. ein zweites Mal an Weihnachten 1959. Auch die zweite Verlobung wurde aufgelöst. B.- Der Beklagte erhob gegenüber den Klageparteien Einrede gemäss Art. 314 Abs. 2 ZGB . Vor Bezirksgericht sagte der wegen seiner Beziehungen zur Erstklägerin einvernommene F. falsch aus; die Erstklägerin selbst verschwieg wichtige Begebenheiten. Aus einer anschliessenden Strafuntersuchung ging dann hervor, dass die Kindsmutter und F., die sich bei einem Kuraufenthalt in Degersheim-Rüti begegnet waren, auch nach dieser Begegnung noch in Verbindung blieben: Am 5. Juli 1959 folgte die Erstklägerin F. ins Hotel Vorderer Sternen am Bellevueplatz in Zürich. Auf seinem Zimmer umarmte F. sie und ersuchte um Geschlechtsverkehr. Sie verhielt sich ablehnend und verliess ihn nach wenigen Minuten. Am 8. September 1959 zogen sich beide im Hotel Krone in Adliswil in ein Doppelzimmer zurück und legten sich, nachdem er Rock und Hose, sie ihre Jupe, ausgezogen hatte, auf die Betten. Er umarmte sie und gab ihr einen Kuss; weitere Annäherungen und Geschlechtsverkehr will sie abgelehnt haben; nach einer halben Stunde verliessen sie das Zimmer BGE 90 II 219 S. 221 und die Erstklägerin fuhr mit einem Taxi nach Hause. Sie erklärten vor Gericht und in der Strafuntersuchung übereinstimmend, nie miteinander intime Beziehungen unterhalten zu haben. Das Bezirksgericht nahm an, ein Mehrverkehr der Erstklägerin mit F. sei nicht nachgewiesen. Es berücksichtigte ein serologisches Gutachten, welches den Beklagten als Vater nicht ausschloss, sowie ein Gutachten über den Reifegrad des Kindes und hiess am 22. Mai 1963 die Klage gut. C.- Das Obergericht des Kantons Zürich erhöhte die Unterhaltsbeiträge des Beklagten an das Kind von Fr. 90.- auf Fr. 120. - im Monat und bestätigte im übrigen den Entscheid der ersten Instanz. Es ging davon aus, Geschlechtsverkehr der Erstklägerin mit F. sei nicht nachgewiesen und die den Beklagten treffende Vaterschaftsvermutung nicht erschüttert. Den vom Beklagten auf dem Novawege eingebrachten Antrag, es sei ein anthropologischerbbiologisches Gutachten einzuholen, lehnte es mit der Begründung ab, die Voraussetzungen hiezu fehlten, weil weder sichere Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Mutter noch auffallende, dem Kind und F. gemeinsame Merkmale dargetan seien. D.- Der Beklagte hat Berufung an das Bundesgericht eingereicht und beantragt, die Streitsache sei zur Durchführung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens an das Obergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, das Gutachten sei zu Unrecht verweigert worden, da Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Erstklägerin bestünden. Eventuell sei überhaupt der Mehrverkehr der Mutter als nachgewiesen zu betrachten. - Die Klägerinnen begehren Abweisung der Berufung und Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat bisher die Frage offen gelassen, ob und unter welchen Voraussetzungen den Parteien im Vaterschaftsprozess von Bundesrechts BGE 90 II 219 S. 222 wegen ein Anspruch auf die Durchführung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens zustehe (vgl. BGE 87 II 286 ff.). Als taugliches Beweismittel ist es dagegen anerkannt worden; es vermag als solches den positiven und negativen Vaterschaftsnachweis zu erbringen ( BGE 82 II 266 ; BGE 87 II 72 /73). Der vorliegende Fall gibt Anlass, die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zu ergänzen. 2. Der Beklagte ist durch eine Blutuntersuchung als Vater der Zweitklägerin nicht ausgeschlossen worden. Er beruft sich auf Anhaltspunkte, die einen intimen Verkehr zwischen der Erstklägerin und F. während der kritischen Zeit als möglich erscheinen lassen, und macht geltend, wenn die Vorinstanz trotz seiner Vorbringen ein anthropologischerbbiologisches Gutachten ablehne, verunmögliche sie, die fehlende Abstammung des Kindes vom Beklagten darzutun, und verletze damit Art. 8 in Verbindung mit Art. 314 Abs. 2 ZGB . Das anthropologisch-erbbiologische Gutachten, dessen Anordnung der Beklagte verlangt, vermag nach dem Stand der fachwissenschaftlichen Forschung zuverlässige, zum Beweis der Abstammung oder Nichtabstammung geeignete Ergebnisse zu liefern. Es kann - auch in sogenannten Einmannfällen - zu einem Entscheid führen, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Vaterschaft ausschliesst oder als nachgewiesen annimmt (vgl. H. SCHADE in Beitzke, Hosemann, Dahr und Schade, Vaterschaftsgutachten für die gerichtliche Praxis, 1956, S. 103 ff., K. GERHARDT in SJZ 1959 S. 249 ff. und HARRASSER, Das anthropologisch-erbbiologische Vaterschaftsgutachten, 1957, sowie, Der gegenwärtige Stand des erbbiologischen Vaterschaftsgutachtens in NJW 1962, Heft 15, S. 659 ff.). Das anthropologisch-erbbiologische Gutachten ist wie die Blutuntersuchung durch den ihm zugeordneten Sachverhalt bestimmt, entscheidend zur Verwirklichung des materiellen Vaterschaftsrechtes beizutragen. Beide Gutachten vermögen nicht bloss erhebliche BGE 90 II 219 S. 223 Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB zu begründen sondern die fehlende Abstammung schlechthin zu beweisen. Das anthropologisch-erbbiologische Gutachten, das den Beweiswert des Blutgruppengutachtens annähernd erreichen kann, ist aus den genannten Gründen als bundesrechtliches Beweismittel anzuerkennen. Die vom Beklagten beantragte Expertise hat die Vorinstanz abzunehmen, gemäss der aus Art. 8 ZGB abgeleiteten Regel, wonach jede Partei für ein erhebliches Sachvorbringen zum Beweis mit den ihr zustehenden kantonal- oder bundesrechtlichen Mitteln zuzulassen ist (vgl. KUMMER, Kommentar, N. 76 zu Art. 8 ZGB ). 3. Wegen der Eigenart des anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens sind Bedenken gegen seine Zulassung vorgebracht worden (vgl. BGE 87 II 289 ). Sie rechtfertigen nicht, den bundesrechtlichen Anspruch auf das Beweismittel zu verweigern. a) Die Begutachtung kann in der Regel erst durchgeführt werden, wenn das Kind mindestens drei Jahre alt ist. Aus der Tatsache, dass Art. 308 ZGB eine Klagefrist von einem Jahr seit Geburt des Kindes vorschreibt, lässt sich jedoch nicht ableiten, Beweismassnahmen seien unzulässig, die den Prozess in diesem Masse verzögern. Art. 308 ZGB bezieht sich nicht auf die Dauer des Prozesses; er bezweckt nur, den Klageberechtigten im Interesse der Rechtssicherheit eine Frist zu setzen, innert der sie sich entschliessen müssen, ob sie klagen wollen oder nicht. b) Wegen der zeitraubenden Blutgruppenuntersuchung und Tragzeitgutachten erreicht das Kind oft das dritte Altersjahr, bevor die letzte kantonale Instanz das Urteil erlässt. Auch im vorliegenden Fall trifft dies zu. Das anthropologisch-erbbiologische Gutachten wird somit keine unverhältnismässige Verlängerung der bisher üblichen Prozessdauer mit sich bringen. Die sich aus der längern Prozessdauer ergebenden Nachteile, insbesondere für das auf Unterhaltsleistungen angewiesene Kind, werden durch BGE 90 II 219 S. 224 die Dienste aufgewogen, die das Gutachten den Klageparteien und dem Beklagten bei der Wahrheitserforschung leistet. c) Die neue biologische Untersuchungsmethode wird im Vergleich zur Blutuntersuchung weniger oft zu sicheren Ergebnissen führen; es gewinnt bei ihr zudem - anders als beim Blutgutachten - unter Umständen die persönliche Meinung der Sachverständigen Gewicht. Nachdem aber die Tauglichkeit des Gutachtens feststeht, kann es als Beweismittel nicht abgelehnt werden. Es bleibt dem Richter vorbehalten, seine Schlüssigkeit im Einzelfalle zu würdigen. 4. Dem bundesrechtlichen Anspruch des Beklagten, es sei das anthropologisch-erbbiologische Gutachten anzuordnen, stehen in der hier umstrittenen Vaterschaftssache keine Schranken des Prozessrechtes oder des materiellen Rechtes entgegen. a) Einschränkende kantonale Prozessvorschriften sind nicht behauptet. Nach den Ausführungen des Obergerichtes hat der Beklagte, der erst in zweiter Instanz den umstrittenen Beweisantrag gestellt hat, keine Novavorschriften des kantonalen Prozessgesetzes verletzt. b) Allgemeine Grundsätze des Prozessrechtes fordern, dass ein Beweismittelantrag vom Richter zu verwerfen ist, wenn er den Antrag als untauglich erachtet, an dem bereits feststehenden Beweisergebnis etwas zu ändern (sog. antizipierte Beweiswürdigung), wenn der Antragsteller es an genügender Substantiierung der zu beweisenden Umstände fehlen lässt oder wenn das Beweismittel wider Treu und Glauben angerufen wird (s. KUMMER, Kommentar, N. 77-80 zu Art. 8 ZGB und MERZ, Kommentar, N. 69 zu Art. 2 ZGB ). Solche Hindernisse stehen jedoch dem Anspruch des Beklagten nicht entgegen. c) Ob der Beklagte mit dem beantragten anthropologisch-erbbiologischen Gutachten nur zuzulassen sei, wenn er bestimmte Anhaltspunkte nachweist, die einen Mehrverkehr der Kindsmutter möglich erscheinen lassen, kann BGE 90 II 219 S. 225 offenbleiben. Derartige Anzeichen sind vorhanden, wollte man sie - anders als bei der Blutgruppenuntersuchung - für die Beweisabnahme voraussetzen. Wie das Urteil des Bezirksgerichtes ausführt, traf die Erstklägerin, nachdem sie F. in Degersheim-Sennrüti kennengelernt hatte, noch zweimal mit ihm zusammen. Bei der zweiten Zusammenkunft vom 8. September 1959 - also innerhalb der kritischen Zeit - folgte sie ihm aufsein Hotelzimmer, wo er sich ihr mit der Absicht näherte, geschlechtlich zu verkehren. Damit sind bestimmte Umstände, die für einen Mehrverkehr der Erstklägerin sprechen, dargetan. Jedenfalls zu weit geht die Vorinstanz, welche die Zulassung des Gutachtens vom Nachweis sicherer Anhaltspunkte abhängig macht. Bestünden sichere Anzeichen für Mehrverkehr der Erstklägerin, so wäre der Geschlechtsverkehr mit einem Dritten erwiesen, erhebliche Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB dargetan und die gesetzliche Vermutung von Art. 314 Abs. 1 ZGB entkräftet. Der Beklagte hätte dann keine Veranlassung, die Durchführung der mit erheblichen Kosten verbundenen Expertise zu beantragen. 5. Bevor das anthropologisch-erbbiologische Gutachten auf Antrag des Beklagten angeordnet wird, sind alle übrigen Beweismittel auszuschöpfen, die rascher und mit weniger grossen Kosten zu einem Vaterschaftsausschluss führen können. Dieses Gebot ist erfüllt. Durch die Blutgruppenbestimmung ist der Beklagte als Vater nicht ausgeschlossen worden. Auch die Ergebnisse des Gutachtens über den Reifegrad vermögen die beantragte Expertise nicht unerheblich zu machen. Wie das Gutachten des Kreisspitals Männedorf vom 29. November 1960 feststellt, war das Kind bei der Geburt reif. Als wahrscheinliche Konzeptionstermine gelten der 26., 25. und 24. August 1959. Der Beklagte hat zugegeben, der Erstklägerin am 23. August 1959 beigewohnt zu haben. Dieser Zeitpunkt fällt in die mittlere Dekade mit der höchsten Zeugungswahrscheinlichkeit von 40%. Der BGE 90 II 219 S. 226 8. September 1959, der Tag, an dem die Erstklägerin in Begleitung des F. das Hotelzimmer in Adliswil aufgesucht hat, fällt in die 1. Dekade (30. August bis 8. September) nach der mittleren, mit der kürzeren Schwangerschaftsdauer von 262-271 Tagen und einer Konzeptionswahrscheinlichkeit von 21,86%. Wohl steht der 8. September am Ende der Dekade und entspricht dem 262. Tag vor der Geburt, sodass die Tageswahrscheinlichkeit nicht mehr 21,86% beträgt. Die Konzeptionswahrscheinlichkeit in der nächsten Dekade weist aber immer noch einen Wert von 5,65% auf. Eine Tragzeit von 262 Tagen wäre für ein vollreifes Kind nicht abnormal kurz (vgl. BGE 69 II 285 ). Die Vaterschaft des Beklagten weist nach dem Reifegrad des Kindes eine weit grössere Wahrscheinlichkeit auf; die Zeugung des Kindes durch F. ist aber weder ausgeschlossen noch äusserst unwahrscheinlich (vgl. hiezu BGE 82 II 87 ). 6. Zur Begründung des Eventualantrages stellt der Beklagte die Behauptung auf, durch die Tatsachen, welche die Vorinstanz festgestellt habe, sei der Nachweis des Mehrverkehrs der Erstklägerin in der kritischen Zeit geleistet und es seien erhebliche Zweifel im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB begründet worden. Diese Behauptung steht jedoch im Gegensatz zu einer von der Vorinstanz getroffenen, der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogenen Feststellung. Die kantonalen Instanzenhaben nämlich festgehalten, der Nachweis des Geschlechtsverkehrs mit einem Dritten sei nicht geleistet. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 22. Oktober 1963 aufgehoben und die Sache zur Einholung des beantragten anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens an das Obergericht zurückgewiesen.
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Urteilskopf 122 I 5 2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Februar 1996 i.S. X. und Y. gegen Kantonsgerichtspräsident Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege während des Prozesses. Der in der Sache selbst angerufene zweitinstanzliche Richter darf prüfen, ob die zu Beginn des Prozesses bejahte Bedürftigkeit bestand oder noch besteht, und dem Gesuchsteller für den Fall, dass er die Verfahrenskosten selbst bezahlen kann, die unentgeltliche Rechtspflege für das weitere Verfahren entziehen (E. 4).
Erwägungen ab Seite 5 BGE 122 I 5 S. 5 Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer 1 begründet die Verletzung von Art. 4 BV damit, dass ihm der Präsident des Kantonsgerichts Schwyz die unentgeltliche Rechtspflege, die von der ersten Instanz am Anfang des Prozesses gewährt worden war, für das zweitinstanzliche Scheidungsverfahren wegen fehlender Bedürftigkeit entzogen hat. BGE 122 I 5 S. 6 a) Da der Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung primär das Recht auf Zugang zum Gericht schützt, hat das Bundesgericht entschieden, die Bedürftigkeit müsse auf Grund der wirtschaftlichen Umstände im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs beurteilt werden ( BGE 104 Ia 31 E. 4 S. 34, BGE 99 Ia 437 E. 3c S. 442; letztmals bestätigt in BGE 121 I 60 E. 2b S. 63). Diese Ansicht wird von der Lehre vorbehaltlos geteilt (HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, S. 165; GEORG MÜLLER, in: Kommentar zur BV, N. 125 zu Art. 4 BV ; CHRISTIAN FAVRE, L'assistance judiciaire gratuite en droit suisse, Diss. Lausanne 1989, S. 46 bei Fn. 7; MARC FORSTER, in ZBl 93/1992, S. 460; PIERMARCO ZEN RUFFINEN, in JdT 137/1989 I, S. 38 bei Fn. 16). Weniger Beachtung hat indessen die Frage gefunden, ob es die verfassungsrechtliche Minimalgarantie verletzt, wenn die obere Instanz dem Rechtsmittelkläger die von der ersten Instanz gewährte unentgeltliche Rechtspflege für das weitere Verfahren entzieht mit der Begründung, die Bedürftigkeit sei nicht oder nicht mehr gegeben. Da Art. 4 BV dem Bedürftigen keine definitive Übernahme der Kosten durch den Staat garantiert ( BGE 113 II 323 E. 9c S. 343, BGE 111 Ia 276 E. 2a S. 278; HAEFLIGER, a.a.O., S. 160), können die kantonalen Prozessrechte vorsehen, dass der Begünstigte subsidiäre staatliche Verfahrenshilfen ( BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12) unter Umständen verliert. Sind die Voraussetzungen, auf Grund derer die unentgeltliche Rechtspflege gewährt worden war, während des Verfahrens weggefallen, kann das Gericht die erteilte Bewilligung zurückziehen (ZEN RUFFINEN, a.a.O., S. 56; FAVRE, a.a.O., S. 71 und 145 ff.; § 80 ZPO /SZ). Auf Grund der Rechtswohltat ausbezahlte Beträge können ferner nach Erledigung des Prozesses zurückverlangt werden, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Begünstigten ausreichend verbessert hat ( § 81 Abs. 1 ZPO /SZ; vgl. Art. 152 Abs. 3 OG ; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 410 f.; MÜLLER, a.a.O., N. 128 zu Art. 4 BV ; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1982, N. zu § 91 und 92 ZPO /ZH; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 4. Aufl. 1995, N. 2 zu Art. 82 ZPO /BE). Nicht jede während des Verfahrens veränderte Voraussetzung darf zu einer Überprüfung des Entscheids über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege führen. Die Erfolgsaussichten einer Klage oder eines Rechtsmittels dürfen beispielsweise nur am Anfang des Verfahrens beurteilt werden, weil sie sich häufig nach Abschluss des Beweisverfahrens klären. BGE 122 I 5 S. 7 Könnte mit dem Entscheid über diesen Punkt zugewartet werden, würde dem Gesuchsteller die unentgeltliche Rechtspflege bei erkennbar gewordenem Verlust des Prozesses unzulässigerweise rückwirkend entzogen ( BGE 101 Ia 34 E. 2 S. 37 f.). Mit dieser Situation nicht vergleichbar ist dagegen der Fall, wo die Bedürftigkeit während des Verfahrens wegfällt, weshalb der rückwirkende Entzug nicht von vornherein verfassungswidrig zu sein braucht (vgl. BGE 111 Ia 276 E. 2a S. 278). Dazu braucht vorliegend indessen nicht Stellung genommen zu werden, hat doch der Kantonsgerichtspräsident entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers 1 die unentgeltliche Prozessführung nicht rückwirkend, sondern nur für das zweitinstanzliche Verfahren entzogen. b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers 1 gebietet die Verfassung nicht, dass die zu Beginn des Scheidungsverfahrens festgestellte Bedürftigkeit während der ganzen Dauer des Prozesses als gegeben betrachtet werden müsste. Gelangt der zweitinstanzliche Richter zur Erkenntnis, dass die Bedürftigkeit vom Vorrichter zu Unrecht bejaht worden oder dass sie nachträglich weggefallen ist, so darf er dem Begünstigten die unentgeltliche Rechtspflege inskünftig verweigern. Wäre er an den zu Beginn des Verfahrens gefällten Entscheid gebunden, bliebe nur die nachträgliche Rückforderung offen, was einen unnötigen bürokratischen Mehraufwand zur Folge hätte, an dem auch der Beschwerdeführer 1 kein Interesse haben kann. Je früher er weiss, was er zu erwarten hat, desto besser kann er das weitere Vorgehen unter dem Aspekt der drohenden Kosten planen. Darf der Staat wegen weggefallener Bedürftigkeit sogar nach Abschluss des Gerichtsverfahrens die ausbezahlten Beträge wieder zurückverlangen, muss der Richter um so mehr bereits während des laufenden Verfahrens verfassungskonform ihre weitere Ausrichtung unterbinden können. Gleich ist auch in einem Fall entschieden worden, wo die Bedürftigkeit des Gesuchstellers während des zweitinstanzlichen Verfahrens, das die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege zum Gegenstand hatte, weggefallen ist (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 21. September 1995 i.S. L., E. 5b).
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Urteilskopf 114 Ia 299 49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Juni 1988 i.S. Dr. iur. Ernst Jaberg und Simon Kohler gegen Obergericht (Anklagekammer) und ausserordentlichen Generalprokurator des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 6 Ziff. 2 EMRK ; Art. 4 BV ; Art. 200 StrV/BE; Kostenauflage bei Einstellung des Strafverfahrens. 1. Das Prinzip der Unschuldsvermutung steht der Auferlegung von Verfahrenskosten an den Angeschuldigten nicht entgegen, wenn sich aus dem Entscheid keine strafrechtliche Missbilligung seines Verhaltens ergibt. Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK in casu verneint (E. 2 und 3). 2. a) Ist eine Kostenauflage wegen unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens willkürlich? Frage offengelassen (E. 5a). b) Der Begriff des unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens i.S. der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfasst nicht nur Verletzungen zivilrechtlicher Pflichten, unter ihn füllt vielmehr jede Verletzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten (E. 5b).
Sachverhalt ab Seite 300 BGE 114 Ia 299 S. 300 Am 3. Juni 1986 erstattete der Grosse Rat des Kantons Bern gegen die damals wieder kandidierenden bzw. auf das Frühjahr 1986 zurücktretenden Regierungsräte René Bärtschi, Ernst Blaser, Gotthelf Bürki, Henri-Louis Favre, Dr. Hans Krähenbühl, Dr. Werner Martignoni, Dr. Kurt Meyer, Dr. Bernhard Müller und Peter Schmid Strafanzeige wegen "Verdacht(s) auf missbräuchliche Verwendung der Lotteriegelder im Sinne des Zwischenberichts der besonderen Untersuchungskommission vom 26. Mai 1986"; gleichzeitig hob der Grosse Rat die strafrechtliche Immunität der betroffenen Regierungsräte auf. Gleichentags eröffnete der Untersuchungsrichter II Bern die Strafverfolgung durch Einleitung einer Voruntersuchung "wegen Veruntreuung, evtl. ungetreuer Geschäftsführung, subeventuell ungetreuer Amtsführung, begangen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Lotteriegeldern der SEVA-Lotteriegenossenschaft". Am 12. November 1986 beantragten die Strafverfolgungsbehörden beim Grossen Rat die Aufhebung der Immunität auch für die Alt-Regierungsräte Erwin Schneider (Regierungsrat vom 1. Juni 1962 bis 31. Mai 1978), Dr. Ernst Jaberg (Regierungsrat vom 1. Juni 1966 bis 28. Februar 1979) und Simon Kohler (Regierungsrat vom 1. Juni 1966 bis 31. Mai 1978) "wegen Verdachts der missbräuchlichen Verwendung von Lotteriegeldern im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Regierungsräte des Kantons Bern". Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler opponierten gegen die beantragte Aufhebung ihrer Immunität im wesentlichen mit der Begründung, sie hätten sich jedenfalls nicht persönlich bereichert. Am 4. Dezember 1986 hob der Grosse Rat die Immunität der Alt-Regierungsräte Erwin Schneider, Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler auf, "allerdings klar beschränkt auf die Frage, ob Lotteriegelder zu Unrecht für Spesenzwecke verwendet wurden". Am 5. Dezember 1986 dehnte der ao. Untersuchungsrichter die Strafverfolgung BGE 114 Ia 299 S. 301 auf Erwin Schneider, Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler aus. Mit Beschluss des ao. Untersuchungsrichters von Bern, der Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland und des Generalprokurators des Kantons Bern vom 15./17. September 1987 wurde die Strafverfolgung gegen die ehemaligen bzw. amtierenden Regierungsräte René Bärtschi, Ernst Blaser, Gotthelf Bürki, Henri- Louis Favre, Dr. Ernst Jaberg, Simon Kohler, Hans Krähenbühl, Dr. Werner Martignoni, Dr. Kurt Meyer, Dr. Bernhard Müller, Peter Schmid und Erwin Schneider sowie den ehemaligen Staatsschreiber Erwin Josi aufgehoben. Mit dem Aufhebungsbeschluss wurden den Angeschuldigten, mit Ausnahme René Bärtschis, die Verfahrenskosten auferlegt, und zwar indem jedem Angeschuldigten 1/14 (Fr. 3'100.--) der gesamten Verfahrenskosten überbunden wurde. Die Ausrichtung einer Entschädigung wurde abgelehnt. Gegen den Aufhebungsbeschluss rekurrierten die von ihm Betroffenen an die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern. Diese wies die Rekurse mit Entscheid vom 30. November 1987 ab. Mit Eingabe vom 22. Januar 1988 erhoben Dr. Ernst Jaberg und Simon Kohler gegen diesen Entscheid mit getrennten Beschwerdeschriften staatsrechtliche Beschwerde. In beiden Beschwerden wird eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 4 BV geltend gemacht. Das Bundesgericht heisst die beiden staatsrechtlichen Beschwerden gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer Kohler rügt, der angefochtene Entscheid, durch den der Aufhebungsbeschluss vom 15./17. September 1987 bestätigt wurde, verletze Art. 6 Ziff. 2 EMRK , da er in Anwendung des die Kostenverlegung bei Aufhebung der Strafuntersuchung regelnden Art. 200 des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern vom 20. Mai 1928 (StrV) ergangen sei; diese Bestimmung lasse sich mit Art. 6 Ziff. 2 EMRK nicht vereinbaren. a) Art. 200 StrV sieht für den Fall der Aufhebung der Strafuntersuchung vor, dass in der Regel der Staat die Kosten der Untersuchung trägt (Art. 200 Abs. 1 StrV). Im Sinne einer Ausnahme von dieser Regel bestimmt Art. 200 Abs. 3 StrV, dass dem Angeschuldigten die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt werden können, wenn er "die Verdachtgründe, durch die das BGE 114 Ia 299 S. 302 Verfahren veranlasst wurde, durch sein eigenes, ihm zum Verschulden anzurechnendes Verhalten erregt" hat. b) Gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK wird bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Für einen nichtverurteilenden Verfahrensabschluss bedeutet dies, dass der verfahrensabschliessende Entscheid nicht den Eindruck des Bestehens strafrechtlicher Schuld erwecken darf: Schutzobjekt der Unschuldsvermutung ist in diesem Fall der gute Ruf des Angeschuldigten gegen Vermutungen, ihn treffe trotz der Nichtverurteilung strafrechtlich relevante Schuld ( BGE 112 Ia 374 E. 2b; STEFAN TRECHSEL, Struktur und Funktion der Vermutung der Schuldlosigkeit, ein Beitrag zur Auslegung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK , SJZ 77/1981, S. 338; JOCHEN A. FROWEIN, Zur Bedeutung der Unschuldsvermutung in Art. 6 Ziff. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: Recht als Prozess und Gefüge, Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, Bern 1981, S. 559 f.). Mit dem das Verfahren abschliessenden, nichtverurteilenden Entscheid verbundene Kostenauflagen sind demnach unzulässig, wenn sich aus dem Text des Entscheids eine strafrechtliche Missbilligung ergibt, die in der Kostenauflage zum Ausdruck kommt ( BGE 113 Ia 78 E. 1a, BGE 109 Ia 237 f. E. 2a, 166 E. 4c). Dabei ist für den Entscheid darüber, ob ein Kostenauflageentscheid eine von Art. 6 Ziff. 2 EMRK verpönte strafrechtliche Missbilligung enthält, entsprechend dem genannten Schutzobjekt der Unschuldsvermutung nicht auf den Eindruck abzustellen, den der Entscheid beim juristisch geschulten Leser hervorruft, sondern darauf, wie ihn das Publikum verstehen darf und muss (unveröffentlichter Bundesgerichtsentscheid vom 7. August 1986 i.S. W. und M. E. 3c). c) Art. 6 Ziff. 2 EMRK verbietet dagegen nicht generell, Nichtverurteilte kostenmässig zu belasten, sondern schliesst - wie dargelegt - lediglich eine bestimmte, besondere Art der Kostenauflage aus. Es ist folglich zulässig, den Verursacher kostenpflichtig zu erklären ( BGE 109 Ia 163 E. 4a, BGE 107 Ia 166 f.), und zwar selbst dann, wenn die Kostenpflicht ein vorwerfbares Verhalten voraussetzt ( BGE 112 Ia 373 f. E. 2a), solange dieser Vorwurf eben eine andere Grundlage als eine strafrechtliche Missbilligung besitzt ( BGE 113 Ia 77 f. E. 1a, BGE 112 Ib 455 E. 4b aa; GUIDO JENNY, Einstellung und Freispruch mit Kosten, BJM 1985, S. 7). Vorschriften wie Art. 200 StrV sind somit konventionskonform anwendbar ( BGE 113 Ia 78 E. 1a, BGE 109 Ia 237 E. 2a, 163 E. 4a). Die BGE 114 Ia 299 S. 303 Rüge der Konventionswidrigkeit von Art. 200 StrV erweist sich damit als unbegründet. 3. Beide Beschwerdeführer rügen überdies, Art. 200 StrV sei - soweit nicht bereits selbst konventionswidrig - in einer Art. 6 Ziff. 2 EMRK zuwiderlaufenden Weise angewendet worden. a) In dem durch den angefochtenen Entscheid bestätigten Aufhebungsbeschluss vom 15./17. September 1987 wird zur Begründung der Kostenauflage an die Beschwerdeführer u.a. ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten die ihnen als Regierungsräten obliegenden Abklärungs- und Überprüfungspflichten verletzt und dadurch den objektiven Tatbestand der Veruntreuung, allenfalls des Amtsmissbrauchs verwirklicht, in subjektiver Hinsicht fehle ihrem Handeln indessen die Tatbestandsmässigkeit, hätten sie doch den objektiven Tatbestand infolge Irrtums nur fahrlässig verwirklicht. Gemäss StGB sei die fahrlässige Verwirklichung eines im Gesetz umschriebenen objektiven Tatbestands nur dann strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsehe. Da das Gesetz nur die vorsätzliche Veruntreuung und den vorsätzlichen Amtsmissbrauch für strafbar erkläre, hätten sich die Beschwerdeführer nicht strafbar gemacht. Hingegen hätten sie durch die fahrlässige Verletzung der ihnen obliegenden Überprüfungs- und Abklärungspflichten die Strafuntersuchung ausgelöst. b) Der durch den angefochtenen Entscheid bestätigte Aufhebungsbeschluss wirft den Beschwerdeführern zwar Verletzungen ihrer Überprüfungs- und Sorgfaltspflichten vor. Gleichzeitig wird jedoch in - auch für den juristischen Laien - unmissverständlicher Weise festgestellt, dass diese Pflichtverletzungen nicht geeignet seien, einen strafrechtlichen Vorwurf zu begründen. Von einer Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK kann mithin nicht die Rede sein. 4. Beide Beschwerdeführer machen ausserdem geltend, die durch den angefochtenen Entscheid bestätigte Kostenauflage an sie im Aufhebungsbeschluss beruhe auf einer willkürlichen Anwendung der Kostenbestimmungen des StrV, insbesondere von Art. 200 Abs. 3 StrV. a) Nach der Praxis des Bundesgerichts hält die Auflage von Kosten an den Angeschuldigten in Anwendung einer dem Verursacherprinzip folgenden Norm wie jener des Art. 200 Abs. 3 StrV vor dem aus Art. 4 BV fliessenden Willkürverbot stand, wenn dem Angeschuldigten ein prozessuales Verschulden im engeren oder weiteren Sinn zur Last gelegt werden kann ( BGE 112 Ia 373 f. BGE 114 Ia 299 S. 304 E. 2a, BGE 112 Ib 455 E. 4b aa, BGE 109 Ia 163 f. E. 4a, b) und zwischen diesem schuldhaften Verhalten und den auferlegten Kosten ein Kausalzusammenhang besteht ( BGE 112 Ia 374 E. 2a mit Hinweisen). Dabei darf die Haftung des Angeschuldigten nicht weiter gehen, als der Kausalzusammenhang zwischen dem ihm vorgeworfenen fehlerhaften Verhalten und den Kosten verursachenden behördlichen Handlungen reicht ( BGE 112 Ib 455 f. E. 4b aa, BGE 109 Ia 163 E. 4a). b) Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung dieser durch die bundesgerichtliche Praxis entwickelten Grundsätze zur Kostenauflage bei nichtverurteilendem Verfahrensabschluss. Im Hinblick auf diese Rüge ist im folgenden zu prüfen, ob den Beschwerdeführern ein die Kostenauflage rechtfertigendes Verschulden zur Last gelegt werden kann (E. 5) und ob das ihnen zur Last gelegte Verhalten die entstandenen Untersuchungskosten im Umfang der auferlegten Kosten verursacht hat (E. 6). 5. Beide Beschwerdeführer sind der Auffassung, die ihnen im angefochtenen Entscheid zur Last gelegten Verletzungen von Abklärungs- und Überprüfungspflichten könnten nicht als prozessuales Verschulden im weiteren Sinn gemäss der bundesgerichtlichen Praxis gewertet werden. Der angefochtene Entscheid begründet die Kostenauflage an die Beschwerdeführer mit den ihnen zur Last gelegten Verletzungen beamtenrechtlicher Pflichten. Ob die Anklagekammer diese Pflichtverletzungen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als ein unter zivilrechtlichen oder als ein unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbares Verhalten qualifiziert, ist ihrem Entscheid indessen nicht zu entnehmen. Unabhängig von der Qualifikation der den Beschwerdeführern im angefochtenen Entscheid zur Last gelegten Pflichtverletzungen erscheint es als fraglich, ob das ihnen vorgeworfene Verhalten die Auflage von Verfahrenskosten zu rechtfertigen vermag. Da sich die Kostenauflage an die Beschwerdeführer bereits unter dem Gesichtswinkel der Kausalität ihres Verhaltens für die entstandenen Kosten als unhaltbar erweist (E. 6), muss die Frage indessen nicht abschliessend beantwortet werden. a) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, die die Kostenauflage bei unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbarem Verhalten zulässt, ist auf Kritik gestossen (JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 266; CLAUDE ROUILLER, La condamnation aux frais de justice du prévenu BGE 114 Ia 299 S. 305 libéré de toute peine en relation, notamment, avec la présomption d'innocence, SJZ 80/1984, S. 210 f.; JENNY, a.a.O., S. 10 f.), der das Bundesgericht in einem neuesten Entscheid Rechnung getragen hat: Ein Strafverfahren wegen unzüchtiger Veröffentlichung war mangels Unzüchtigkeit der Veröffentlichung eingestellt worden; gleichzeitig waren jedoch Kosten auferlegt worden mit der Begründung, die Veröffentlichung sei zwar nicht unzüchtig im Sinne des StGB, habe ihrer Anstössigkeit wegen jedoch Anlass zur Eröffnung der Strafuntersuchung gegeben. Das Bundesgericht erklärte die Kostenauflage im wesentlichen deshalb für unzulässig, weil der Schutz der öffentlichen Moral gegen unzüchtige Veröffentlichungen durch Art. 204 StGB gewährleistet werde, so dass ein staatlicher Immoralitätsvorwurf ausserhalb des Tatbestands von Art. 204 StGB nicht mehr zulässig sei (unveröffentlichter Bundesgerichtsentscheid vom 10. Mai 1988 i.S. D. E. 2). Nicht alles, was moralisch verwerflich ist, ist auch rechtlich verboten. Recht und Moral sind bei der Rechtsanwendung auseinanderzuhalten. Es erscheint daher als problematisch, für die Kostenfolge bei nichtverurteilendem Abschluss eines Strafverfahrens an ein rechtlich nicht verbotenes Verhalten anzuknüpfen, wird doch auf diese Weise der Angeschuldigte ohne Rechtsgrundlage belastet. Diese Überlegung spricht dafür, die mit dem angeführten Entscheid eingeleitete Verschärfung der Praxis des Bundesgerichts zur Kostenauflage bei nichtverurteilendem Verfahrensabschluss weiterzuführen und Kostenauflagen nur noch dann zuzulassen, wenn das dem Angeschuldigten zur Last gelegte Verhalten zwar nicht strafbar ist, jedoch allgemeine gesetzliche Pflichten verletzt. Durch eine solche Verschärfung der Praxis, die den Ausschluss von Kostenauflagen wegen allein unter ethischen Gesichtspunkten vorwerfbaren Verhaltens bedeuten würde, würde gleichzeitig auch dem Ausnahmecharakter der Kostenauflage an den Angeschuldigten gegenüber der Regel der Kostentragung durch den Staat besser als durch die bisherige Praxis Rechnung getragen (CLAUDE ROUILLER, a.a.O., S. 210 f.). Ob die genannte Verschärfung der bundesgerichtlichen Praxis angezeigt erscheint, kann freilich aus dem bereits erwähnten Grund offengelassen werden. b) Das Bundesgericht hat wiederholt festgestellt, die in Normen wie Art. 200 StrV vorgesehene Möglichkeit, dem Angeschuldigten die Kosten der Untersuchung aufzuerlegen, stelle eine zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für prozessuales Verschulden BGE 114 Ia 299 S. 306 dar ( BGE 109 Ia 164 E. 4a, 167 E. 2a). Dem Charakter solcher Normen als Haftungsnormen entsprechend fordert das Bundesgericht für die Rechtfertigung einer Kostenauflage ein unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbares Verhalten ( BGE 109 Ia 164 E. 4a, 238 E. 2b). Wenn auch ein Bundesgerichtsentscheid eine in dieser Hinsicht etwas missverständliche Formulierung enthalten mag ( BGE 112 Ia 374 E. 2a), liegt doch auf der Hand, dass als solchermassen vorwerfbares Verhalten nicht nur Verletzungen zivilrechtlicher Pflichten in Betracht fallen, sondern wie für die Begründung einer zivilrechtlichen Haftung jede Verletzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten ( BGE 108 II 311 E. 2b). Die Verletzung beamtenrechtlicher Pflichten fällt somit als unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbares Verhalten zur Rechtfertigung einer Kostenauflage durchaus in Betracht. Ob freilich der im angefochtenen Entscheid enthaltene Vorwurf der Verletzung solcher Pflichten eine Kostenauflage zu rechtfertigen vermag, erscheint fraglich. Die Anklagekammer wirft den Beschwerdeführern nämlich Verletzungen ihnen obliegender beamtenrechtlicher Pflichten vor, nennt jedoch keine der angeblich verletzten konkreten Verhaltensnormen. Auch diese Frage kann indessen offengelassen werden, da der angefochtene Entscheid bereits aus andern Gründen aufzuheben ist (E. 6). 6. (Es folgen Ausführungen dazu, warum die streitige Kostenauflage unter dem Gesichtspunkt des ausreichenden Kausalzusammenhangs zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den entstandenen Kosten als willkürlich erscheint.)
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Urteilskopf 80 I 205 33. Auszug aus dem Urteil vom 9. April 1954 i.S. R. gegen Rekurskommission des Kantons Bern.
Regeste Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland: Besteuerung des Angestellten einer schweizerischen industriellen Unternehmung, der sich für Zwecke der Unternehmung vorübergehend in Deutschland aufhält.
Sachverhalt ab Seite 205 BGE 80 I 205 S. 205 A.- Der Beschwerdeführer (geb. 1926), ist Mitglied des Verwaltungsrates und unterschriftsberechtigter Angestellter der Tonwarenfabrik R. AG, die bei ihrer Errichtung im Jahre 1948 die bisher als Einzelfirma geführte Unternehmung seines Vaters übernommen hatte. Er ist am Aktienkapital wesentlich beteiligt. Weitere Mitglieder des Verwaltungsrates sind sein Vater, zugleich Präsident, und sein ebenfalls in der Unternehmung arbeitender Bruder W. Der Beschwerdeführer ist ledig und lebt ordentlicherweise im Elternhause in E. BGE 80 I 205 S. 206 Im Oktober 1951 begab er sich im Auftrage der Firma zu Studienzwecken und zur Anbahnung von Geschäftsverbindungen ins Ausland. Es handelte sich hauptsächlich darum, an der Keramischen Fachschule in Höhr-Grenzhausen (Rheinland) neue Verfahren und die dazu erforderlichen Maschinen und Rohmaterialien kennen zu lernen. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer in Deutschland keine Arbeitsbewilligung hatte. Neben dem Besuche der Fachschule, an der er sich als Gastschüler einschreiben liess, galt sein Aufenthalt Betriebsbesichtigungen und der Fühlungnahme mit Lieferanten von Maschinen und Rohstoffen. Der Beschwerdeführer bezog in Höhr ein Zimmer und behielt es während der ganzen Dauer seiner Abwesenheit im Ausland bei. Von Höhr aus begab er sich zu den nämlichen Zwecken nach England (3 Wochen) und nach Amerika (ca. 4 Monate). Im August 1953 kehrte er von Höhr kommend in die Schweiz zurück. - Die Unternehmung hat ihm während der ganzen Zeit seine bisherigen Arbeitsvergütungen ausgerichtet. C.- Gegen die Wehrsteuereinschätzung für die ganze 6. Wehrsteuerperiode (1951 /1952) erhebt R. die Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn nur für 9 Monate 1951 zu besteuern. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei während der Dauer seiner Abwesenheit im Auslande in der Schweiz nicht steuerpflichtig. Er habe während der ganzen Zeit ein Zimmer in Höhr-Grenzhausen gemietet und sich auch während seinen Aufenthalten in England und Amerika beim zuständigen Konsulat in Deutschland nicht abgemeldet. Er habe nicht nur nahezu zwei Jahre in Deutschland gewohnt, sondern von dort aus in mühsamer Kleinarbeit Beziehungen mit der deutschen keramischen Industrie angebahnt, die schliesslich zu günstigen Abschlüssen für die Lieferung von Rohmaterialien und Maschinen und zu dauernden Geschäftsverbindungen geführt hätten. Man habe es nicht mit einer mehrmonatigen Geschäftsreise zu tun, sondern - man BGE 80 I 205 S. 207 dürfe wohl sagen - mit einer jahrelangen Wohnsitznahme in Verbindung mit geschäftlicher Betätigung. Der Beschwerdeführer habe im Herbst 1951 die Schweiz verlassen, um im Ausland Wohnsitz zu nehmen. Sein Aufenthalt in Deutschland sei nicht befristet gewesen, habe vielmehr von der Entwicklung der Geschäftsabsichten abgehangen. Allerdings habe er vorgehabt, nach einer unbestimmten Zeit in seine Heimat zurückzukehren. Hätte sich in Deutschland die Möglichkeit geboten, den Geschäftskreis der Fabrik R. auf Deutschland auszudehnen, so hätte sich die Wohnsitznahme des Beschwerdeführers möglicherweise auf eine Mehrzahl von Jahren ausdehnen können. Die kantonale Rekurskommission anerkenne, dass eine Behandlung als "Studierender" im Sinne des Schlussprotokolls zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, Ziff. 1 zu Art. 8, nicht zutreffe. Aber auch Ziff. 3 des Verhandlungsprotokolls vom 7. September 1940, auf die die Rekurskommission abstellen wolle, treffe nicht zu. Denn man habe es hier nicht mit einem vorübergehenden beruflichen Aufenthalt zu tun, wie er bei Monteuren, Arbeitern, Technikern einer schweizerischen Unternehmung vorkomme, die sich vorübergehend ins Ausland begeben. Der Beschwerdeführer sei beruflich nahezu zwei Jahre in Deutschland tätig gewesen und habe dort einen Wohnsitz im Sinne des Abkommens gehabt. Damit seien sowohl die Voraussetzungen für die Erfassung der Arbeitseinkünfte am Arbeitsorte selbst, wie auch diejenigen für die Besteuerung des Vermögens und der daraus fliessenden Erträgnisse erfüllt. D.- Die kantonale Rekurskommission und die eidg. Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen Erwägungen in Erwägung: 2. Die kantonale Rekurskommission geht mit Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer in der Zeit, in der er für Zwecke der Tonwarenfabrik R. im Auslande war, BGE 80 I 205 S. 208 seinen zivilrechtlichen Wohnsitz im Sinne des ZGB in E. hatte. Bis zu seiner Ausreise lebte er im Elternhause in E. E. war der Mittelpunkt seiner persönlichen und beruflichen Interessen, blieb es aber auch während seines Auslandaufenthaltes. Dieser diente Studien für Zwecke des Familienunternehmens, an dem der Beschwerdeführer persönlich beteiligt ist; er hatte seiner Natur nach rein vorübergehenden Charakter, wie denn auch von vornherein feststand, dass der Beschwerdeführer in absehbarer, wenn auch möglicherweise nicht genau festgelegter Zeit, an seinen ordentlichen Wohnort E. zurückkehren werde. Der Beschwerdeführer wollte sich gar nicht im Auslande festsetzen, sondern Kurse einer Fachschule besuchen, Betriebe der keramischen Industrie besichtigen und Geschäftsbeziehungen namentlich mit Lieferanten, anbahnen. Unter diesen Umständen kann daraus, dass er am Orte der Fachschule ein Zimmer mietete und dieses auch während seinen Reisen nach England und Amerika beibehielt, nicht auf eine Verlegung seines zivilrechtlichen Wohnsitzes geschlossen werden. Hatte aber der Beschwerdeführer während seines Auslandaufenthaltes seinen zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz, so ist er für die ganze 6. Steuerperiode wehrsteuerpflichtig, wenn einer Besteuerung nicht das Abkommen mit Deutschland für Vermeidung von Doppelbesteuerung entgegensteht. 3. Nach dem Abkommen gilt als Wohnsitz der Ort, an dem der Steuerpflichtige eine ständige Wohnung hat und regelmässig verweilt (Art. 8, Abs. 1). Liegen diese Voraussetzungen gleichzeitig in jedem der beiden Staaten vor, so gilt als Wohnsitzstaat derjenige, wo der Steuerpflichtige den Mittelpunkt seiner persönlichen und geschäftlichen Interessen hat (Art. 8, Abs. 2, Satz 1). Da der Beschwerdeführer als lediger und im Familienunternehmen am Sitze des Geschäftsbetriebes arbeitender Sohn seine ordentliche Wohnung im Elternhause am Sitze der Familienunternehmung hat und daher regelmässig dort verweilt und während seines Aufenthaltes in Deutschland BGE 80 I 205 S. 209 ein Zimmer gemietet hatte, welches er regelmässig bewohnte, treffen auf ihn während der Dauer seiner Abwesenheit im Ausland die Voraussetzungen konkurrierender Wohnsitze im Sinne von Art. 8, Abs. 2, Satz 1 des Abkommens zu. Für diesen Fall gilt - nach dem Abkommen - als Wohnsitzstaat derjenige, in dem sich der Mittelpunkt der persönlichen und geschäftlichen Interessen des Steuerpflichtigen befindet. Das ist hier unzweifelhaft - wie übrigens schon in Erw. 2 für das interne Recht festgestellt wurde - die Schweiz. Das Abkommen steht daher der angefochtenen Besteuerung jedenfalls insoweit nicht entgegen, als diese das Kapitalvermögen und Einkünfte daraus erfasst (Art. 6, Abs. 1). Für das Einkommen aus Erwerb verhält es sich nicht anders. Wenn ein unselbständig Erwerbender sich vorübergehend beruflich im andern Staate aufhält und von seinem Arbeitgeber entlöhnt wird, was hier der Fall war, so ist - wie die kantonale Rekurskommission zutreffend feststellt - das Besteuerungsrecht nach der Sonderregelung in Ziffer 3 des Verhandlungsprotokolls vom 7. September 1940 ebenfalls dem "Wohnsitzstaat" zugewiesen, also nach Art. 8, Abs. 2, Satz 1 des Abkommens dem Staate, in dem der Steuerpflichtige den Mittelpunkt seiner persönlichen und geschäftlichen Interessen hat. Der Beschwerdeführer übersieht, dass er (nach dem Abkommen) während seines Aufenthaltes im Ausland Doppelwohnsitz hatte, wobei das Besteuerungsrecht der Schweiz als dem Staate des gemäss Art. 8, Abs. 2, Satz 1 überwiegenden Wohnsitzes zukommt, der andere Staat dagegen nicht besteuern kann. Daraus erklärt sich ohne weiteres, weshalb der Beschwerdeführer in Deutschland nicht besteuert wurde, obgleich er während nahezu zwei Jahren polizeilich als Zimmermieter angemeldet war.
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Urteilskopf 106 IV 236 61. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Juni 1980 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 13 StGB . Rechtsmittel bei psychiatrischer Begutachtung. 1. Kritik an einem psychiatrischen Gutachten und an dessen Würdigung durch den kantonalen Richter ist mit staatsrechtlicher Beschwerde zu erheben. 2. Ob der Geisteszustand des Täters zur Zeit der Tat noch dem anlässlich einer früheren Begutachtung festgestellten Zustand entspreche oder nicht, ist Tatfrage, die mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgeworfen werden kann. Mit diesem Rechtsmittel kann lediglich geltend gemacht werden, wegen der Veränderung des Geisteszustandes des Täters seit der letzten Begutachtung hätte eine neue psychiatrische Expertise eingeholt werden müssen.
Sachverhalt ab Seite 237 BGE 106 IV 236 S. 237 A.- Am 28. März 1980 sprach die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich K. des wiederholten Diebstahls im Sinne von Art. 137 Ziff. 1 StGB in einem unbestimmten, zwischen Fr. 13'000.-- und Fr. 18'000.-- liegenden Deliktsbetrag, der Sachbeschädigung ( Art. 145 Abs. 1 StGB ) und des wiederholten Hausfriedensbruchs ( Art. 186 StGB ) schuldig und bestrafte ihn mit 8 Monaten Gefängnis unbedingt. Gleichzeitig beschloss das Gericht den Widerruf des K. mit Urteil vom 18. März 1977 gewährten bedingten Strafvollzugs für eine Gefängnisstrafe von 12 Monaten (abzüglich 88 Tage Untersuchungshaft). B.- K. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Urteil und Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich seien aufzuheben und die Sache sei zur Einholung eines Gutachtens im Sinne von Art. 13 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht hat wie bereits das Bezirksgericht Zürich als erste Instanz dem Angeschuldigten eine leicht verminderte Zurechnungsfähigkeit zugebilligt, die Voraussetzungen für ärztliche Behandlungsmassnahmen im Sinne von Art. 43 StGB aber verneint. Dabei stützte sich das Gericht auf ein Gutachten der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich vom 31. Mai 1977, das aus Anlass eines gegen K. durchgeführten Strafverfahrens wegen wiederholten Diebstahls, wiederholter Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch etc. eingeholt worden war. Der Gutachter hatte beim damals 21jährigen K. Schwachsinn leichten Grades (Debilität) und psychischen Infantilismus festgestellt; der infantil-debilen Persönlichkeitsstruktur könne kaum mit medizinischen Massnahmen, wohl aber mit psychagogisch-pädagogischer Führung entgegengewirkt werden. Da das Gericht diese Expertise als nach wie vor gültig erachtete, lehnte es den Antrag der Verteidigung auf eine neue Begutachtung des K. ab. 2. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird zur Hauptsache ausgeführt, das alte Gutachten, auf welches die Vorinstanz abgestellt hat, sei in Beurteilung und Schlussfolgerung zwiespältig und fragwürdig. Die neueste Entwicklung von K. liesse seine Vergangenheit und seine Persönlichkeitsstruktur in einem BGE 106 IV 236 S. 238 neuen Licht erscheinen. Die früher diagnostizierte Debilität erscheine als sehr zweifelhaft, weshalb sich eine neue Begutachtung geradezu aufdränge, vor allem im Hinblick auf die Behandlung der offensichtlichen Depressionen, welche augenscheinlich zu den letzten Delikten geführt hätten. Verschiedene Umstände vor und nach der Begutachtung liessen erneut grössten Zweifel am Grad der Zurechnungsfähigkeit in bezug auf die neuen Delikte und an der Zweckmässigkeit einer Massnahme offen. a) Soweit der Beschwerdeführer mit diesen Ausführungen Kritik an Qualität und Inhalt des Gutachtens aus dem Jahre 1977 übt und geltend macht, die Vorinstanz habe wegen der angeblichen Mängel der Expertise auf diese nicht abstellen dürfen, kann auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten werden. Ob ein Gericht die im Gutachten enthaltenen Erörterungen betreffend Einsichts- und Bestimmungsfähigkeit sowie Massnahmebedürftigkeit des Täters für überzeugend hält oder nicht und ob es dementsprechend den diesbezüglichen Schlussfolgerungen des Experten folgen oder aber eine Oberexpertise anordnen soll, ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Frage der Beweiswürdigung, die mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV (Willkür) aufgeworfen werden kann, so dass gemäss Art. 269 Abs. 2 BStP für die Nichtigkeitsbeschwerde kein Raum bleibt ( BGE 105 IV 161 , 103 Ia 57, BGE 106 IV 97 ). b) Mit der Nichtigkeitsbeschwerde kann hingegen geltend gemacht werden, es hätte ein neues Gutachten eingeholt werden müssen, weil Geisteszustand und Persönlichkeitsstruktur des Angeschuldigten sich in der seit der letzten Begutachtung verstrichenen Zeit geändert hätten, die Expertise somit nicht mehr richtig, sondern überholt sei. Denn ein Gutachten kann sich grundsätzlich nur über den Geisteszustand des Exploranden zur Zeit der vor der Begutachtung begangenen Delikte äussern. Nur insoweit, nicht auch hinsichtlich des Geisteszustandes des Täters bei den nach der Begutachtung begangenen Taten, ist es Beweismittel. Ob eine Expertise auch für diese noch gültig sei, hängt davon ab, ob und in welcher Weise sich der Geisteszustand des Täters seit der letzten Begutachtung verändert habe. Feststellungen des Sachrichters über die Weiterdauer oder eine allfällige Änderung des früheren Geisteszustandes des Täters sind tatsächlicher Natur und daher mit BGE 106 IV 236 S. 239 Nichtigkeitsbeschwerde nicht anfechtbar. Mit dieser kann nur gerügt werden, die festgestellten Veränderungen hätten zwingend eine neue Begutachtung erfordert. 3. a) Eine entscheidende Veränderung des Geisteszustandes des Täters im Zeitpunkt seiner neuen Delikte im Jahre 1979 im Vergleich zum Geisteszustand, wie er im Gutachten aus dem Jahre 1977 festgestellt wurde, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nirgendwo ausdrücklich behauptet; es wird lediglich ausgeführt, die neuen Taten des K. zeigten, dass die Schlussfolgerungen jenes Gutachtens nicht richtig gewesen seien. Immerhin deuten einige Bemerkungen des Beschwerdeführers darauf hin, dass er sich zumindest eventualiter auch auf eine Veränderung der Persönlichkeitsstruktur beruft und dass seines Erachtens auch aus diesem Grunde eine neue Expertise hätte eingeholt werden müssen. So führt er aus, die im Jahre 1977 beurteilte Diebstahlsserie habe den Anschein üblicher Verwahrlosungsdelikte eines Jugendlichen gemacht, während die heute zu beurteilenden Delikte im Gegensatz dazu eine auffallende psychische Abnormität des Täters offenbarten und gleichsam einen Aufschrei eines tief depressiv veranlagten hilflosen Menschen an die Aussenwelt darstellten. b) Die Vorinstanz hat sich in ihrem Urteil eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Gutachten aus dem Jahre 1977 auch für die von K. als 23jähriger Mann im Jahre 1979 verübten Straftaten noch Gültigkeit habe oder ob es zufolge einer entscheidenden Veränderung der Persönlichkeitsstruktur des Täters in diesen beiden Jahren überholt sei. Das Obergericht kam, ohne sich in unzulässiger Weise die Beantwortung ihm nicht geläufiger Fachfragen anzumassen, zum Schluss, die neuen Taten seien Ausdruck der Debilität und des psychischen Infantilismus des Täters, die in jenem Gutachten diagnostiziert worden waren. Alles spreche dafür, dass K. sich seit der letzten Expertise nicht wesentlich verändert habe, was übrigens auch nicht erstaunlich sei, seien doch diese neuen Straftaten nur zwei Jahre nach der Begutachtung verübt worden. In der Tat hatte die Vorinstanz keinen ernsthaften Anlass, an der unveränderten Gültigkeit der in der Expertise gezogenen Schlussfolgerungen zu zweifeln. Mit den Einbrüchen, bei denen er übrigens oft sehr ungeschickt vorging, wollte K. nach eigenen Angaben seinen Kollegen imponieren und sich selbst bestätigen; BGE 106 IV 236 S. 240 einzelne Einbrüche verübte er, weil seine Freundin ihn verlassen hatte. Diese Straftaten waren, wie im Gutachten umschrieben, Handlungen eines kindlich-naiven, leicht beeinflussbaren, stark von dem ihn jeweils bestimmenden Milieu abhängigen Mannes, der seinem kindlichen Geltungsbedürfnis mit rationalen Überlegungen kaum ausreichend entgegenzutreten vermag. Entsprach somit die Persönlichkeitsstruktur des Täters im Jahre 1979 offensichtlich der in der Expertise festgestellten, so durfte die Vorinstanz ohne Verletzung von Art. 13 StGB auf eine erneute Begutachtung verzichten. 4. ... Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
null
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Urteilskopf 100 Ia 322 47. Urteil vom 11. Dezember 1974 i.S. Heer gegen den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft.
Regeste Beamtenrecht; Gewaltentrennung, Rechtsgleichheit. Überschreitung der Verordnungsbefugnis durch den Landrat? (E. 3) Kein Anspruch auf absolute Rechtsgleichheit (E.4b). Teuerungsanpassung durch monatliche Ausgleichung verbunden mit jährlich einmaliger Nachzahlung; der Anspruch auf Nachzahlung kann jedenfalls davon abhängig gemacht werden, dass der Beamte am Ende des für die Berechnung derselben massgeblichen Zeitabschnitts noch im Dienst steht (E. 4d). Die Treueprämie weist die gleichen Merkmale auf wie die Gratifikation, weshalb sie an die Voraussetzung geknüpft werden kann, dass der Beamte am Jahresende noch im Staatsdienst steht (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 323 BGE 100 Ia 322 S. 323 A.- Gemäss § 26 Abs. 1 des Gesetzes betreffend das Dienstverhältnis der Beamten, Angestellten und Arbeiter des Staates sowie der Lehrer und Pfarrer (Besoldungsgesetz, BG) des Kantons Basel-Land vom 14. November 1944/21. Oktober 1957 ordnet der Landrat die Besoldungsklassen, Zulagen und Ferien. Er ist gehalten, die Besoldungen, Zulagen und Renten den Kosten der Lebenshaltung anzupassen (§ 26 Abs. 3 BG). Aufgrund dieses Gesetzes erliess das kantonale Parlament am 9. Januar 1969 den "Landratsbeschluss betreffend die Besoldungen, Sozial- und Teuerungszulagen an die Regierungsräte, das Staatspersonal und die Lehrer, die Entschädigung an die Gerichtsbehörden und die Beiträge an die Landeskirchen (Neuindexierung)". Danach wird dem Staatspersonal monatlich eine Teuerungszulage sowie im Dezember jeden Jahres eine Teuerungsnachzahlung ausgerichtet (§ 10 Abs. 1 lit. a und b). Am 19. Oktober 1970 erliess der Landrat den Beschluss betreffend die Ausrichtung einer Treueprämie in Form einer Weihnachtszulage an das Staatspersonal. Der Landratsbeschluss vom 9. Januar 1969 wurde in der Folge durch den Landratsbeschluss vom 15. Juni 1972 ersetzt. Hinsichtlich der Treueprämie verweist der neue Beschluss in § 12 auf jenen vom 19. Oktober 1970. § 13 regelt die Teuerungszulagen. Er übernimmt wörtlich den § 10 des Beschlusses von 1969. Sein Absatz 2 lit. b lautet: "Im Dezember jeden Jahres wird die im Jahresdurchschnitt fortgeschrittene Teuerung durch eine Nachzahlung ausgeglichen. Diese wird errechnet aufgrund des Durchschnittes der Monatsindices vom November des Vorjahres bis und mit Oktober des laufenden Jahres im Verhältnis zur Indexbasis der Gehaltszahlung des laufenden Jahres. Differenzen unter einem halben Prozent werden nicht ausgeglichen. Die Nachzahlung wird nur ausgerichtet, wenn das Dienstverhältnis Ende Dezember des betreffenden Jahres noch besteht." B.- Am 30. September 1972 trat Peter Heer nach mehr als zweijähriger Tätigkeit aus den Diensten des Kantons Basel-Land BGE 100 Ia 322 S. 324 aus. Seinem Begehren um pro rata-Auszahlung der Teuerungsnachzahlung und der Treueprämie hat die Finanzdirektion nicht entsprochen, worauf er sich nacheinander erfolglos an den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Land wandte. Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde verlangt Heer gestützt auf Art. 4 und 22ter BV und §§ 11 und 18 Ziff. 4 KV die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheides vom 5. Dezember 1973. Das Bundesgericht hat sie abgewiesen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer hat die Teuerungszulage gemäss § 13 Abs. 2 lit. a des LB vom 15. Juni 1972 bis zum 30. September 1972 erhalten. Hingegen spricht der angefochtene Entscheid ihm den Anspruch sowohl auf Teuerungsnachzahlung wie auf eine Treueprämie im Verhältnis der 1972 geleisteten Dienstmonate ab, weil er auf den 30. September 1972 (auf Seite 1 des angefochtenen Entscheides irrtümlich als 30. September 1973 bezeichnet) gekündigt hatte. Peter Heer bestreitet nicht, der diesbezügliche Entscheid des Verwaltungsgerichts stimme mit dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 lit. b des LB von 1972 (hinsichtlich der Teuerungsnachzahlung) und des § 4 des LB von 1970 (hinsichtlich der Treueprämie) überein. Doch behauptet er, diese Bestimmungen würden gegen die Verfassung des Bundes und des Kantons Basel-Land verstossen. Die Frist zur Anfechtung der beiden Beschlüsse ist zwar längst abgelaufen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Verfassungswidrigkeit einer allgemeinen Norm jedoch noch im Anschluss an eine darauf gestützte Anwendungsverfügung gerügt werden. Erweist sich dieser Vorwurf als begründet, so führt dies freilich nicht zur Aufhebung der angefochtenen Vorschrift, sondern bloss zur Kassation des angefochtenen Entscheides ( BGE 98 Ia 164 mit Verweis). 2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Entscheid bedeute eine Verletzung wohlerworbener Rechte und somit der Eigentumsgarantie ( Art. 22ter BV ). Auf die Garantie wohlerworbener Besoldungsrechte des Beamten kann sich der Beschwerdeführer nach der bundesgerichtlichen BGE 100 Ia 322 S. 325 Rechtsprechung jedoch nur dann berufen, wenn die Ansprüche Gegenstand einer in einem Gesetz enthaltenen oder individuell abgegebenen Zusicherung sind. Dass ihm gegenüber mit Bezug auf die verlangten Zulagen eine Zusicherung gemacht worden sei, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Zu prüfen ist folglich lediglich, ob die gesetzlichen Bestimmungen ihm solche Rechte einräumen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Bestimmungen, auf die sich das Verwaltungsgericht beruft, nämlich § 13 des LB von 1972, welcher dem § 10 des LB von 1969 entspricht, und § 4 des LB von 1970, schon in Kraft waren, als der Beschwerdeführer am 1. Oktober 1971 seine Tätigkeit als Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Arlesheim aufnahm. Wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, gewähren die fraglichen Vorschriften dem Beschwerdeführer keine solchen Rechte. 3. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass § 13 Abs. 2 lit. b des LB von 1972 und § 4 des LB von 1970 nicht mit dem Besoldungsgesetz übereinstimmen, und dass diese Bestimmungen das durch die Kantonsverfassung (§ 10) gewährleistete Prinzip der Gewaltentrennung verletzen. Indem § 13 Abs. 2 lit. b des LB von 1972 die Leistung der Teuerungsnachzahlung und § 4 des LB von 1970 die Zahlung der Weihnachtszulage (abgesehen von der Auflösung des Dienstverhältnisses zufolge Alters oder Invalidität) an die Voraussetzung knüpfen, dass das Dienstverhältnis Ende Jahres jeweils noch besteht, ist nach der Meinung des Beschwerdeführers das vom Volk gemäss § 11 KV angenommene Besoldungsgesetz in unzulässiger Weise geändert worden. Dadurch habe der Landrat seine ihm gemäss § 18 Ziff. 4 KV zustehende Befugnis überschritten und sich ein Recht angemasst, das einzig dem Volke zusteht. a) Das Besoldungsgesetz enthält nur Vorschriften sehr allgemeiner Art über die Beamtenbesoldung. Es regelt die Besoldung der Beamten nicht unmittelbar. Auch die Voraussetzungen und Höhe der Zulagen umschreibt es mit Ausnahme der Dienstalterszulage und dem Dienstaltersgeschenk (§§ 29 und 34) nicht näher. Es kennt die Treueprämie in Form einer Weihnachtszulage nicht; es stellt zwar das Prinzip der Anpassung von Besoldungen und Zulagen an die Lebenshaltungskosten auf (§ 26), doch sagt es nichts darüber, wie die Anpassung zu erfolgen hat. Die §§ 26 und 73 Abs. 2 BG beauftragen den Landrat ausdrücklich, BGE 100 Ia 322 S. 326 die für die Anwendung und Durchsetzung der im Gesetz aufgestellten Grundsätze insbesondere des in § 26 Abs. 3 genannten Prinzips notwendigen Verordnungen zu erlassen. Die Landratsbeschlüsse von 1972, 1970 und 1969 beruhen somit auf dem Besoldungsgesetz. b) Zu Recht behauptet der Beschwerdeführer nicht, dass diese Bestimmungen eine unzulässige Gesetzesdelegation enthalten und verfassungswidrig seien; denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts lässt § 18 Ziff. 4 KV, der dem Landrat die Befugnis zum "Erlass der zur Einführung und Vollziehung von eidgenössischen oder kantonalen Gesetzen erforderlichen Verordnungen" einräumt und bestimmt, dass diese Erlasse "niemals veränderte oder neue Bestimmungen über die Hauptsache enthalten dürfen", innerhalb der vom Gesetzgeber festgesetzten Schranken eine umfassende Gesetzesdelegation an das kantonale Parlament zu ( BGE 99 Ia 544 ). Die Frage, ob der Landrat das Gewaltentrennungsprinzip verletzt hat, hängt somit einzig davon ab, ob er die ihm eingeräumte Kompetenz dadurch missbraucht hat, dass er den Anspruch auf Teuerungsnachzahlung und Weihnachtszulage in seinen Beschlüssen von 1970 und 1972 an die Voraussetzung geknüpft hat, dass der Beamte nicht vor dem 1. Oktober aus dem Staatsdienst ausgeschieden ist. c) Im Beschluss von 1972 setzte der Landrat fest, dass sich die Anpassung der Besoldung nach dem vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit errechneten Index der Konsumentenpreise richtet. Sie erfolgt in zweifacher Hinsicht: Erstens wird monatlich eine aufgrund des Indexstandes des vergangenen Monats Oktober festgesetzte Teuerungszulage ausgerichtet. Zweitens wird zusätzlich im Dezember jeden Jahres die im Jahresdurchschnitt fortgeschrittene Teuerung durch eine Nachzahlung ausgeglichen. Diese wird errechnet aufgrund des Durchschnittes der Monatsindices vom November des Vorjahres bis und mit Oktober des laufenden Jahres im Verhältnis zur Indexbasis der Gehaltszahlung des laufenden Jahres (§ 13 Abs. 2 lit. a und b). § 26 Abs. 3 BG, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, schreibt nicht vor, dass die Anpassung an die Lebenskosten automatisch zu erfolgen habe und allen Indexschwankungen Rechnung tragen müsse. Das darin zum Ausdruck gebrachte Prinzip lässt sich nicht ohne weiteres direkt anwenden, sondern BGE 100 Ia 322 S. 327 es bedingt Ausführungsbestimmungen. Der Landrat hatte somit die rechnerische Basis festzusetzen; er tat dies, indem er als Grundlage den Landesindex der Konsumentenpreise nahm. Ferner musste er den massgeblichen Zeitabschnitt bestimmen, denn es ist kaum möglich die Besoldung monatlich den Änderungen des Indexes der Konsumentenpreise anzupassen. Schliesslich musste er Korrekturmöglichkeiten vorsehen; dies hat er getan, indem er die monatliche mit einer zusätzlichen, jährlich einmalig auszahlbaren Zulage kombiniert hat. Nachdem sich der Landrat für die Teuerungsnachzahlung ausgesprochen hatte, musste er auch über ihre nähere Ausgestaltung, insbesondere ihre Voraussetzungen befinden. Da die Teuerungsnachzahlung auf der Basis des Jahresdurchschnittes, und zwar der Monate November bis und mit Oktober, ermittelt wird, kann den Beamten, die den Staatsdienst im Laufe des Jahres verlassen haben, nicht unabhängig von ihrem Ausscheidungsdatum die gleiche Zulage entrichtet werden, selbst wenn diese pro rata temporis berechnet würde. Das kantonale Parlament musste angesichts der sich ihm bietenden verschiedenen Möglichkeiten eine Wahl treffen. Indem es sich für die erwähnten Modalitäten entschied, hat es seine Verordnungsbefugnis jedenfalls nicht überschritten, vielmehr die gesetzlichen Bestimmungen dem Sinne nach ergänzt. Die ihm vorgeworfene Verletzung der Gewaltentrennung erweist sich demnach als unbegründet. d) Hinsichtlich der Treueprämie oder Weihnachtszulage, die den Beamten aufgrund des Beschlusses vom 19. Oktober 1970 entrichtet wird, sieht das Besoldungsgesetz überhaupt nichts vor. Es lässt sich somit auch nicht sagen, der Landrat habe, indem er die Voraussetzungen für diese Zulage im Beschluss, der sie einführt, festlegte, seine Befugnis überschritten und das Prinzip der Gewaltentrennung verletzt. 4. Der Beschwerdeführer macht geltend, § 13 Abs. 2 lit. b des LB von 1972 und § 4 des LB von 1970 verstossen gegen die Rechtsgleichheit. Die Rechtsungleichheit liegt seiner Ansicht nach darin, dass ein Beamter, der auf Ende Jahr die Staatsdienste verlässt, Anspruch auf die volle Teuerungsnachzahlung und eine seinen Dienstjahren entsprechende Weihnachtszulage hat, während derjenige, der im Laufe des Jahres austritt, die erwähnten Zulagen nicht erhält. Dadurch erleide er eine Erwerbseinbusse und dies, obwohl er während der Dauer BGE 100 Ia 322 S. 328 des Beamtenverhältnisses grundsätzlich die gleichen Aufgaben erfüllt habe, wie ein Beamter, der erst auf Jahresende hin gekündigt hat. Umgekehrt empfange ein im Laufe des Jahres eingetretener Beamte eine Teuerungsnachzahlung und Weihnachtszulage im Verhältnis der geleisteten Dienstmonate. Schliesslich sei es auch so, dass ein Beamter, der den Dienst am Anfang des Jahres verlässt, eine kleinere Einbusse erleide als derjenige, der erst gegen Ende des Kalenderjahres austritt. Auch in dieser Hinsicht bestünde eine Rechtsungleichheit. a) Vorerst ist festzuhalten, dass die Landratsbeschlüsse in grundsätzlicher Weise die Voraussetzungen für die Teuerungsnachzahlung und Weihnachtszulage umschreiben und bestimmen, wer Anspruch auf sie hat, nämlich alle Staatsangestellten, die am Jahresende noch im Dienste des Kantons stehen. Im gleichen Zeitpunkt austretende Beamte werden gleich behandelt. Hingegen wird ein Unterschied gemacht zwischen Beamten mit Bezug auf ihr Austrittsdatum. b) Art. 4 BV gewährleistet keine absolute Rechtsgleichheit. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verletzt ein eine rechtsungleiche Behandlung begründender Erlass Art. 4 BV dann, wenn er zwischen mehreren zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen rechtliche Unterscheidungen trifft, die sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lassen und für die ein vernünftiger Grund nicht ersichtlich ist, oder wenn er tatsächliche Verhältnisse gleich behandelt, die voneinander wesentlich abweichen und einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen ( BGE 89 I 35 mit Verweisungen). Die vertretbare rechtliche Differenzierung hat danach an einen erheblichen tatsächlichen Unterschied zu knüpfen. Ob ein Unterschied erheblich ist, beurteilt sich im Einklang mit den beherrschenden Prinzipien der Rechtsordnung und je in Hinblick auf die konkrete zu bewältigende Situation. Diese kann gebieten, einfachheitshalber nach einem abstrakten, technischen Kriterium - beispielsweise nach dem Ort oder nach der Zeit - zu differenzieren, das den Unterschieden in der Mehrzahl der Fälle entspricht, aber Grenzfällen nicht gerecht zu werden vermag (VEB 1961 S. 29). Eine willkürliche Differenzierung braucht deswegen noch nicht vorzuliegen. Dort, wo sich die Vereinfachung in Anbetracht der zahllosen unterschiedlichen Gegebenheiten aufdrängt und die unterschiedliche Behandlung nicht zu unbilligen Resultaten führt, lässt sich jedenfalls nicht BGE 100 Ia 322 S. 329 von einer unzulässigen Rechtsungleichheit sprechen (RUCK, Schweiz. Staatsrecht, 3. Aufl., S. 84 ff.). So sehen wohl die meisten Besoldungserlasse vor, dass das Datum der Pensionierung der Beamten nicht ihrem tatsächlichen Alter entspricht, sondern demjenigen, das sie während der Dauer des Kalenderjahres erreichen, auf dessen Ende sie in den Ruhestand treten. In diesem Zusammenhang bestimmt § 43 BG, dass der Beamte das laufende Kalenderjahr, in dem er das 65. Altersjahr vollendet, beenden kann. Dass die Beamten, die am 1. Januar geboren sind, bis zum 66. Altersjahr im Dienst bleiben können, während jene, die am 31. Dezember geboren sind, an dem Tag in den Ruhestand treten müssen, an dem sie ihr 65. Altersjahr erreicht haben, bedeutet zweifellos eine Ungleichheit. Doch lässt sich diese Ungleichheit aus technischen und praktischen Gründen rechtfertigen. Es liegt ihr keine willkürliche Differenzierung zu Grunde. Ähnliche Probleme stellen sich im Steuerrecht. Die Progression verläuft nicht gleichmässig, sondern stufenweise. Innerhalb einer Klasse gilt ein und der gleiche Ansatz; nach diesem werden die der entsprechenden Klasse zugeordneten Steuersubjekte veranlagt, ohne dass innerhalb ein und derselben Klasse unterschieden würde, ob das zu besteuernde Vermögen oder Einkommen näher beim Minimum oder Maximum der Klasse liegt. c) Das Verwaltungsgericht hat die Gründe, weshalb der Teuerungsausgleich auf die in § 13 Abs. 2 lit. a und b des LB von 1972 geregelte Weise vorgenommen wird, eingehend dargelegt. Für die Ermittlung des Landesindexes der Konsumentenpreise ist eine gewisse Zeit erforderlich, so dass sich die Teuerungszulage erst im Verlauf des Monats November festlegen lässt. Darauf muss der Regierungsrat den Landrat entsprechend orientieren (§ 13 Abs. 3). Erst dann kann die Staatskasse zur Berechnung der Besoldung jedes Angestellten, welche eine Neuprogrammierung des Computers bedingt, schreiten. Im Januar des folgenden Jahres erfolgt die Lohnauszahlung nach den neuen Ansätzen. Es wäre technisch nicht möglich, jeden Monat die Teuerung neu zu ermitteln. Im übrigen würde dies bedeuten, dass auch Indexsenkungen zu berücksichtigen wären, und hätte die nachteilige Folge, dass der Arbeitnehmer nie genau wüsste, mit welchem Verdienst er im nächsten Monat rechnen könnte. Es könne der Verwaltung BGE 100 Ia 322 S. 330 auch nicht zugemutet werden, die Adressen der Ausgetretenen nachzuführen und diesen womöglich sogar in andere Erdteile Besoldungsbeträge zukommen zu lassen. Schliesslich habe der Kanton Basel-Land in Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern ein Interesse daran, die verbleibenden Arbeitnehmer zu begünstigen. d) Das System der Verbindung monatlicher Ausgleichung mit einer jährlich einmaligen Nachzahlung ist keineswegs ungebräuchlich. Auch der Bund kennt es und knüpft den Anspruch auf die einmalige Zulage an die Voraussetzung, dass der Beamte am 1. Oktober oder an einem folgenden Tag des betreffenden Jahres im Bundesdienst steht (Bundesbeschluss über die Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Bundespersonal in den Jahren 1969-1972, vom 10. Oktober 1969, SR 172.221.153.1; für die Jahre 1973 und 1974 SR 172.221.153.0). Diese Regelung beruht auf folgenden, in der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Bundespersonal für die Jahre 1965 bis 1968 (BBl II 756) zum Ausdruck gebrachten Überlegungen: "Nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlussesentwurfes haben nur Beamte und Rentner, die am 1. Oktober 1965 im Genuss von Besoldung oder Rente stehen, Anspruch auf die Zulage. Keinen Anspruch haben also die vor diesem Zeitpunkt aus andern Gründen als Invalidität, Alter oder Tod ausgeschiedenen Beamten sowie die Rentner, die gestorben sind, ohne rentenberechtigte Angehörige zu hinterlassen. Durch eine solche in allen beamtenrechtlichen Erlassen der letzten Jahre enthaltene Einschränkung lassen sich administrative Umtriebe vermeiden, und es bleibt dem Bund erspart, Personen eine Teuerungszulage nachzuzahlen, zu denen er keine Beziehung mehr hat." Die Lösung des Bundes ist hinsichtlich der Beamten, die nach dem 30. September austreten, zweifellos etwas grosszügiger als die des Kantons Basel-Land, insofern nämlich, als sie den Anspruch auf die Teuerungsnachzahlung allen Beamten gewährt, die am 1. Oktober im Dienst stehen. Doch ist dieser Unterschied im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, da der Beschwerdeführer nicht nach dem 1. Oktober ausgetreten ist. Wesentlich ist indes, dass auch der Bund als Arbeitgeber denjenigen keinen Anspruch auf Teuerungsnachzahlung gewährt, die vor dem 1. Oktober aus seinen Diensten ausgeschieden sind. BGE 100 Ia 322 S. 331 Der Beschwerdeführer verlangt die Teuerungsnachzahlung pro rata temporis, berechnet auf der gleichen Grundlage wie diejenige, auf die die am Jahresende im Dienst stehenden Beamten Anspruch haben. Damit erhebt er Anspruch auf einen die Teuerung übersteigenden Betrag, denn er hat während seiner Anstellungszeit nicht den vollen Anstieg der Teuerung zu spüren bekommen. Die Teuerungsnachzahlung für 1972 ist entsprechend § 13 Abs. 2 lit. b des LB von 1972 aufgrund des Durchschnittes der Monatsindices von November 1971 - damals stand der Index auf 123.4 - bis Oktober 1972 -Indexstand 130.7 - berechnet worden; der Durchschnitt lag bei 126.7. Der Beschwerdeführer ist jedoch Ende September, als der Index erst 129.5 erreichte, aus dem Staatsdienst ausgetreten. Seine Besoldung wurde auf der Basis des Oktober 1971 (121.8) entrichtet. Im Zeitraum von Oktober 1971 bis September 1972 ist der Index nur auf 126.3 gestiegen, was einer Teuerungsrate von 4,5% entspricht (Die Volkswirtschaft, 1972, S. 676). Gewiss, der Unterschied zwischen dem aufgrund der Monate November bis Oktober ermittelten Durchschnitt und dem aufgrund der Monate November bis September berechneten ist nicht gross, aber das Problem ist grundsätzlicher Art und würde sich auch stellen, wenn der Beschwerdeführer den Staatsdienst am Anfang des Jahres verlassen hätte. Er kann somit nicht verlangen, dass die Teuerungsnachzahlung auf der Basis des Durchschnitts der Monatsindices von November 1971 bis Oktober 1972 berechnet werde. Die relative Ungleichheit, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, würde nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil noch verschärft, es sei denn, man würde von der kantonalen Verwaltung verlangen, dass sie für jeden ausscheidenden Beamten einen speziellen Durchschnittsindex ermittle, was sich indes praktisch, wie dargetan, als kaum durchführbar erweist. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Land weist in seiner Vernehmlassung vor allem darauf hin, dass in der Teuerungsnachzahlung eine Treueprämie zu erblicken sei; dies sei der Grund, weshalb sie den Beamten vorbehalten sei, die Ende Jahr noch im Dienst stünden. Inwieweit der Kanton unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit die Teuerungsnachzahlung als Treueprämie verstehen und ob er sie Beamten, die Anfang Dezember austreten, vorenthalten darf, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. BGE 100 Ia 322 S. 332 Es lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass sich die Ungleichheit hinsichtlich der Besoldung von Beamten, die vor dem 31. Oktober aus dem Staatsdienst treten, nicht durch sachliche Gründe rechtfertigt. Eine unzulässige Ungleichheit läge wohl dann vor, wenn die finanzielle Einbusse, die der Beamte erleidet, übermässig wäre. Steigen die Lebenskosten in einem Jahr unverhältnismässig und wird diese Teuerung gegenüber den Angestellten, die im Verlaufe des Kalenderjahres austreten, nicht ausgeglichen, so liesse sich darin gegebenenfalls eine rechtsungleiche Behandlung erblicken, die mit Art. 4 BV nicht mehr vereinbar wäre. Im vorliegenden Fall erreicht die vom Beschwerdeführer erlittene Einbusse keine 5%, weshalb nicht von einer unzulässigen Rechtsungleichheit gesprochen werden kann. 5. Die Treueprämie, die gemäss Beschluss von 1970 als Weihnachtszulage entrichtet wird, beträgt im ersten Dienstjahr 50% des Novembergrundgehaltes. Sie erhöht sich mit jedem weiteren Dienstjahr um 5% bis zum Maximum von 100% (§ 2 Abs. 1 und 2). Im Eintrittsjahr und im Jahre der Auflösung des Dienstverhältnisses zufolge Alters oder Invalidität wird die Zulage pro rata ausgerichtet. Sie ist nicht geschuldet, wenn das Dienstverhältnis aus anderen Gründen bei Jahresende nicht mehr besteht (§ 4). a) Auch hier behauptet der Beschwerdeführer eine unzulässige Rechtsungleichheit. Er gibt zwar zu, dass in der Privatwirtschaft grundsätzlich nur die Arbeitnehmer Anspruch auf eine Gratifikation haben, die Ende Jahr noch im Unternehmen tätig sind und deren Vertrag ungekündigt ist. Aber er bestreitet, dass es hier um eine Gratifikation geht. Seiner Ansicht nach handelt es sich vielmehr um einen integrierenden Bestandteil der Besoldung, einen Teil des 13. Monatslohnes. Seine diesbezügliche Behauptung begründet er damit, dass die Gratifikation regelmässig vom Geschäftsergebnis abhängig ist. b) Die Gratifikation ist in Art. 322 d OR geregelt. Danach ist sie eine Sondervergütung, die der Arbeitgeber bei bestimmten Anlässen, wie Weihnachten oder Abschluss des Geschäftsjahres gewährt. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer,. dessen Arbeitsverhältnis endigt, bevor der Anlass zu ihrer Ausrichtung eingetreten ist, nur dann Anspruch auf einen verhältnismässigen Teil davon, wenn es vereinbart ist. BGE 100 Ia 322 S. 333 c) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers weist die Treueprämie die gleichen Merkmale auf wie die im OR geregelte Gratifikation. Die Gratifikation steht nicht in direktem Zusammenhang mit dem geschäftlichen Erfolg, sondern sie ist oft vertraglich verabredet und auf einen bestimmten Betrag festgelegt als 13. Monatslohn. Sie wird als Belohnung, eine zusätzliche Vergütung als Anerkennung für die geleisteten Dienste und als Ansporn für die künftige Tätigkeit betrachtet (Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967, BBl 1967 II 319/320). Die Regelung des Kantons Basel-Land entspricht der Bestimmung des OR, d.h. dem Bundesrecht. Dass die Treueprämie den vor Ende Jahr aus dem Staatsdienst Ausgeschiedenen nicht ausbezahlt wird, bedeutet somit keine unzulässige rechtsungleiche Behandlung. 6. Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, die Lösung des Kantons Basel-Land verletze Art. 4 BV insofern, als sie das Kündigungsrecht beschränke, indem der Beamte, der im Laufe des Jahres aus dem Staatsdienst austreten möchte, eine finanzielle Einbusse erleide. Dieser Einwand entbehrt jeglicher Grundlage. Das Kündigungsrecht wird durch die Bestimmung über die Teuerungszulage und Treueprämie in keiner Weise beeinträchtigt. Der Beamte kann seinen Wunsch, den Staatsdienst zu verlassen, unter Beobachtung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten jederzeit verwirklichen (§ 42 BG). Die finanziellen Folgen, die eine während des Kalenderjahres erfolgte Kündigung zeitigt, bedeuten, wie oben dargetan, keine unzulässige Rechtsungleichheit.
public_law
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
117297ed-0296-4f7d-82e3-207c760a14c7
Urteilskopf 122 III 118 24. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. März 1996 i.S. Z. Versicherungsgesellschaft gegen X. AG (Berufung)
Regeste Art. 6 VVG ; Auslegung vorformulierter Bestimmungen eines Versicherungsvertrags. Das Antragsformular kann Bestandteil des Versicherungsvertrags werden (E. 2b). Wird in diesem Formular auf die Anzeigepflicht von Gefahrstatsachen bei Vertragsschluss hingewiesen und enthalten die allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) eine Klausel, welche die Folgen der Verletzung der Anzeigepflicht von während des laufenden Vertrages veränderten Gefahrstatsachen mit Art. 6 VVG vergleichbar regelt, kann nur eine klar verfasste Vertragsbestimmung die Folgen der Verletzung der anfänglichen Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer nachträglich mildern (E. 2c/aa). Äussert sich eine Norm der AVB zur Verletzung der Anzeigepflicht, ist anhand ihres Inhalts und ihrer systematischen Stellung im Regelwerk zu prüfen, ob damit die Anzeigepflicht von Gefahrstatsachen bei Abschluss des Vertrages oder danach geregelt wurde (E. 2c). Bundesrecht ist verletzt, wenn für die Auslegung von AVB direkt die auf Zweifelsfälle zugeschnittene Unklarheitsregel herangezogen wird (E. 2d).
Sachverhalt ab Seite 119 BGE 122 III 118 S. 119 Roger Y. stellte im August 1992 für die X. AG schriftlich Antrag auf Abschluss einer Haftpflicht-, Vollkasko- und Unfallversicherung für ein Mercedes-Cabriolet 500 SL. Die Z. Versicherungsgesellschaft fertigte die entsprechende Police im Oktober 1992 aus. Wegen Diebstahls des versicherten Autos im April 1993 verlangte die X. AG die Versicherungssumme. Im Juli 1993 teilte die Z. Versicherungsgesellschaft der X. AG mit, sie verweigere die Auszahlung, weil im Antragsformular die Frage nach dem häufigsten Lenker falsch beantwortet worden sei. Die X. AG bestritt das nicht, machte aber geltend, der Verkaufsagent der Versicherungsgesellschaft habe erklärt, er bringe den Antrag schneller durch, wenn statt des damals 24 Jahre alten Roger Y. eine ältere Person als häufigster Lenker angegeben werde. Auf Klage der X. AG verpflichtete das Handelsgericht des Kantons Zürich die Z. Versicherungsgesellschaft mit Urteil vom 22. September 1995 zum Ersatz des Zeitwertes des Autos im Betrag von Fr. 120'000.--. BGE 122 III 118 S. 120 In teilweiser Gutheissung der Berufung der Beklagten hebt das Bundesgericht das Urteil des Handelsgerichts auf und weist die Streitsache zwecks Abklärung noch offener Punkte an dieses zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Wenn der Anzeigepflichtige beim Abschluss des Versicherungsvertrages eine erhebliche Gefahrstatsache unrichtig mitgeteilt hat und der Versicherer binnen vier Wochen nach Kenntnisnahme von der Verletzung der Anzeigepflicht den Rücktritt erklärt, ist er an den Vertrag nicht gebunden ( Art. 6 VVG ; SR 221.229.1). Auf der Rückseite des Antragsformulars verwies die Beklagte auf diese Bestimmung und informierte die Klägerin, dass sie bei Verschweigung von wesentlichen Gefahrstatsachen "vom Vertrag zurücktreten kann". Die "Gemeinsamen Bestimmungen" der allgemeinen Versicherungsbedingungen für Motorwagen (AVB) regeln nebst anderem Beginn, Geltungsbereich und Dauer des Vertrages und gelten für alle Varianten der Fahrzeugversicherung (Art. 2 AVB). Art. 5 AVB, der die Überschrift "Gefahrsveränderung" trägt, verpflichtet den Versicherungsnehmer, während des laufenden Vertrages eine Gefahrserhöhung oder -verminderung schriftlich mitzuteilen. Kündigt die Versicherungsgesellschaft darauf den Vertrag nicht binnen 14 Tagen, erstreckt sich die Versicherung auch auf das mitgeteilte Risiko (Abs. 1). Unterlässt der Versicherungsnehmer die Mitteilung der Risikozunahme, ist die Gesellschaft an den Vertrag nicht gebunden (Abs. 2). Umgekehrt sichert diese für den Fall der angezeigten Risikoverminderung eine Prämienreduktion zu (Abs. 3). Art. 13 AVB mit dem Titel "Folgen bei vertragswidrigem Verhalten" lautet wie folgt: "Verletzt der Versicherte die Anzeigepflicht oder verstösst er gegen das Gebot der Vertragstreue, so entfällt die Leistungspflicht der Gesellschaft, es sei denn, der Versicherte weise nach, dass die Vertragsverletzung unverschuldet gewesen sei oder auf den Schaden bzw. die Rechtsstellung der Gesellschaft keinen Einfluss ausgeübt habe". Nebst den gemeinsamen Bestimmungen enthält der geschlossene Versicherungsvertrag noch besondere Klauseln zur Haftpflichtversicherung (Art. 101 ff. AVB), zur Kaskoversicherung (Art. 201 ff. AVB) und zur Unfallversicherung (Art. 301 ff. AVB). Nach Ansicht der Vorinstanz ist Art. 13 AVB unklar formuliert und muss daher zu Lasten der Beklagten als deren Verfasserin interpretiert werden. Weil sich diese Bestimmung somit auch auf die Anzeigepflicht von BGE 122 III 118 S. 121 Gefahrstatsachen bei Abschluss des Vertrages beziehe und das Rücktrittsrecht somit davon abhängig mache, dass die Verschweigung der Gefahrstatsache durch die Klägerin sich nicht auf den Diebstahlsschaden ausgewirkt habe, scheitere der Rücktritt der Beklagten an den allgemeinen Versicherungsbedingungen. Denn das in Art. 6 VVG enthaltene Rücktrittsrecht dürfe in Übereinstimmung mit Art. 98 Abs. 1 VVG zu Gunsten der Klägerin eingeschränkt werden. Daher habe die Beklagte die Versicherungsleistung zu erbringen, weshalb weitere strittige Punkte nicht geklärt werden müssten. Die Beklagte macht eine Verletzung von Bundesrecht geltend mit der Begründung, die Unklarheitsregel sei vor den anderen Auslegungsmitteln angewendet worden. Bei richtiger Auslegung von Art. 13 AVB und unter Berücksichtigung weiterer Vertragsbestimmungen werde klar, dass mit Art. 13 AVB nur die Anzeigepflicht nach Eintritt des Schadens geregelt worden, mithin Art. 6 VVG im Gegensatz zu der im angefochtenen Entscheid vertretenen Ansicht durch den Vertrag nicht verdrängt worden sei. Weil sich die Beklagte den Rücktritt bei falschen Angaben zu erheblichen Gefahrstatsachen auf der Rückseite des Antragsformulars unter Hinweis auf Art. 6 VVG vorbehalten habe, sei es unsinnig anzunehmen, sie habe mit Art. 13 AVB dieses Recht einschränken wollen; die Vorinstanz verkenne, dass dieser Vermerk auch Vertragsinhalt geworden sei. a) Vorformulierte Vertragsbestimmungen sind grundsätzlich nach den gleichen Regeln wie individuell verfasste Vertragsklauseln auszulegen. So erfolgt denn auch bei den allgemeinen Versicherungsbedingungen die Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens nach dem Vertrauensgrundsatz. Dabei hat der Richter vom Wortlaut auszugehen und zu berücksichtigen, was sachgerecht erscheint. Er orientiert sich dabei am dispositiven Recht, weil derjenige Vertragspartner, der dieses verdrängen will, das mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen muss. Schliesslich und subsidiär müssen mehrdeutige Klauseln nach der Unklarheitsregel gegen den Versicherer als deren Verfasser ausgelegt werden ( BGE 119 II 368 E. 4b, BGE 118 II 342 E. 1a, BGE 117 II 609 E. 6c, BGE 115 II 264 E. 5a, BGE 112 II 245 E. II/1c S. 253 f., BGE 109 II 213 E. 2b und c). b) Art. 5 Abs. 2 AVB statuiert für den Fall der nicht mitgeteilten Risikozunahme während des laufenden Vertrages nichts anderes, als was Art. 6 VVG für die Anzeigepflicht bei Abschluss des Vertrages vorsieht, wobei die Beklagte im ersten Fall und anders als nach Art. 6 VVG offenbar den Rücktritt nicht erklären muss. Art. 5 Abs. 2 AVB ergänzt offensichtlich BGE 122 III 118 S. 122 Art. 6 VVG für während der Vertragsdauer eingetretene Veränderungen von Gefahrstatsachen. Dass auf diese Bestimmung bereits auf dem Antragsformular hingewiesen wird, leuchtet ein, enthält doch der Antrag die Willenserklärung der Klägerin auf Abschluss des Vertrages, weshalb es sachrichtig ist, sie als Versicherungsnehmerin schon in diesem Stadium darauf hinzuweisen, dass erhebliche Gefahrstatsachen anzuzeigen sind. Die Ansicht des Handelsgerichts, der Inhalt des Versicherungsvertrages dürfe bloss auf Grund der Police und der darin vorbehaltenen AVB ermittelt werden, macht daher schon aus praktischen Gründen wenig Sinn, würde doch ein Hinweis auf Art. 6 VVG in den AVB nichts mehr nützen, weil vorbestehende Gefahrstatsachen in der Phase des Vertragsschlusses angegeben werden müssen. Überdies zieht die Vorinstanz den Antrag zu Unrecht nicht in ihre Betrachtungen ein. Denn der Versicherungsvertrag kommt spätestens mit der Zustellung der Police (konkludente Annahme) zustande mit der Folge, dass der Antrag jedenfalls dann Vertragsbestandteil wird, wenn er wie hier alle wesentlichen Vertragspunkte enthielt und diese auch in die Police aufgenommen wurden, die infolgedessen keiner Berichtigung bedurfte ( Art. 1 OR sowie Art. 1 Abs. 4, Art. 4 Abs. 1, Art. 11 f. und 100 VVG; BGE 112 II 245 E. II/1 S. 251 ff.; ALFRED MAURER, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1995, S. 211 bis 217 und 220 f.; ROELLI/KELLER, Kommentar zum VVG, Bd. I: Allgemeine Bestimmungen, 2. Aufl. 1968, S. 30 ff., 34, 44 f., 46 und 51 f.; MORITZ KUHN, Grundzüge des Schweizerischen Privatversicherungsrechts, S. 85 und 123; BERNARD VIRET, Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1991, S. 87 ff. und 97; WILLY KOENIG, SPR VII/2, S. 497 ff., 505 f., 508 und 512 f.; WILLY KOENIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1967, S. 67 ff. und 76 f.). Auch wenn hier der Hinweis im Antragsformular auf Art. 6 VVG für die Auslegung beachtet werden muss, ist damit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Klägerin in den AVB im nachhinein Konzessionen für den Fall nicht angezeigter Gefahrstatsachen gemacht worden sind. c) Bei der Interpretation breit angelegter allgemeiner Vertragsbestimmungen muss der systematischen Auslegung erhebliches Gewicht beigemessen werden (ROELLI/KELLER, a.a.O., S. 462 bei Fn. 3; allgemein KRAMER/SCHMIDLIN, N. 219 zu Art. 1 OR und GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Bd. I, 6. Aufl. 1995, Rz. 1'210 und 1'241 S. 230 und 235). aa) Das Handelsgericht findet Art. 5 AVB keiner Erwähnung wert und begründet die Pflicht der Beklagten, den Schaden zu decken, damit, der unklar abgefasste Art. 13 AVB müsse auch auf die Anzeigepflicht bei BGE 122 III 118 S. 123 Abschluss des Vertrages angewendet werden. Weil die Tatsache, wer häufigster Lenker eines Autos sei, keinen Einfluss auf den Schaden wegen Diebstahls habe, sei der Beklagten der Rücktritt verbaut. Betrachtet man den Hinweis im Antragsformular auf Art. 6 VVG und Art. 5 AVB (vgl. Art. 28 VVG ) im Zusammenhang, so ergibt sich für die Anzeigepflicht von Gefahrstatsachen bei und nach Abschluss des Vertrages ein einheitliches und schlüssiges Bild. Die Beklagte soll sich von der Pflicht der Schadloshaltung befreien können, wenn die Klägerin eine Gefahrstatsache, die das Versicherungsrisiko erhöht, unabhängig davon verschweigt, ob diese bei Abschluss des Vertrages bestand oder erst nachher eintrat. Warum bei diesem Befund für die Anzeigepflicht bei Abschluss des Vertrages in Abweichung von Art. 6 VVG und im Gegensatz zu Art. 5 AVB etwas anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich; der Vertrag enthält keinen Hinweis, der den Schluss zuliesse, die Parteien hätten das im Antrag unter Hinweis auf Art. 6 VVG erwähnte Rücktrittsrecht nachträglich einschränken wollen. Weltfremd erscheint das Argument des Handelsgerichts, es stehe der Beklagten etwa aus sozialpolitischen oder werbetechnischen Gründen frei, der Klägerin eine gegenüber dem Gesetz verbesserte Stellung einzuräumen. Erstens lässt sich der Rechtsprechung entnehmen, dass erfahrungsgemäss Verfasser allgemeiner Vertragsbestimmungen dazu neigen, die eigene Position zu Lasten des weniger gewandten Vertragspartners zu verbessern ( BGE 119 II 443 E. 1 und 2). Zweitens ist Werbung durch Entgegenkommen in allgemeinen Vertragsbestimmungen von vornherein kaum wirksam, ist doch notorisch, dass diese häufig nicht gelesen werden (ZELLER, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, OR Bd. I/1, herausgegeben von Honsell/Vogt/Wiegand, N. 60 zu Art. 18 OR ; KRAMER/SCHMIDLIN, N. 210 zu Art. 1 OR ). bb) Auch die Ansicht des Handelsgerichts, Art. 13 AVB regle die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers von Gefahren sowohl bei Abschluss des Vertrages als auch bei Eintritt eines Schadens, überzeugt nicht, ist doch nicht einzusehen, warum die Vorinstanz auch in diesem Punkt entgegen der Rechtsprechung und ohne Beachtung anderer Auslegungsmittel direkt die Unklarheitsregel anwendet, indem sie sich fast ausschliesslich mit der Bedeutung des Wortes "Anzeigepflicht" befasst. Art. 13 AVB steht am Schluss der den Vertragsinhalt allgemein umschreibenden Bestimmungen unter dem Titel "Folgen bei vertragswidrigem BGE 122 III 118 S. 124 Verhalten". In dieser Klausel selbst ist vom "Versicherten", von "Vertragsverletzung", von "Vertragstreue" und von "Schaden" die Rede; alles Elemente, die einen abgeschlossenen Vertrag und im Kontext den Eintritt des versicherten Ereignisses voraussetzen. Einzig das Wort "Anzeigepflicht" lässt sich im Sinne von Art. 6 VVG verstehen. Gerade das darf aber nicht überbewertet werden, weil auch Art. 38 VVG von der "Anzeigepflicht" bei Eintritt des versicherten Ereignisses spricht und in den AVB zu den einzelnen Leistungsbündeln des Versicherungsvertrags im Zusammenhang mit der Schadenmeldepflicht an die Beklagte konsequent auch das Wort "Anzeige" gebraucht wird (je Abs. 1 von Art. 109, 216 und 311 AVB). Dabei springt ins Auge, dass auch diese Bestimmungen am Schluss der jeweiligen materiellen Regelungen, jedoch unter dem Titel "Obliegenheiten im Schadenfall" stehen; ferner dass in ihnen, mit Ausnahme von Art. 216 Abs. 1 und 3 AVB, keine Sanktionen für eine Verletzung der Schadenanzeigepflicht vorgesehen sind, wofür gerade Art. 13 AVB in offensichtlicher Anlehnung an Art. 38 VVG die Rechtsfolgen regelt. Dafür, dass Art. 13 AVB nicht nur primär, sondern sogar ausschliesslich die Sanktionen im Fall der Verletzung der Anzeigepflicht nach Abschluss des Versicherungsvertrages normiert, spricht ferner, dass sowohl in dieser Bestimmung als auch in Art. 109 Abs. 4 AVB von "Vertragstreue" die Rede ist. d) Die systematische Auslegung der AVB nach dem Vertrauensprinzip muss somit zum Schluss führen, dass der Beklagten das Rücktrittsrecht nach Art. 6 VVG zusteht. Indem sich das Handelsgericht nicht an die Stufenfolge der Auslegungsgrundsätze gehalten hat, wonach die Unklarheitsregel erst bei Versagen aller übrigen Auslegungsgrundsätze herangezogen werden darf, hat es Bundesrecht verletzt ( BGE 118 II 342 E. 1a, BGE 112 II 245 E. II/1c S. 254, 109 II 213 E. 2c S. 219). Muss der angefochtene Entscheid somit aufgehoben werden, braucht zur Auslegungsregel, wonach eine Vertragsklausel bei Zweifeln über ihren Sinn nach Massgabe des dispositiven Rechts auszulegen ist, nicht Stellung genommen zu werden; dies auch deshalb, weil das Handelsgericht mit seiner Auslegung der AVB die rechtliche Stellung der Klägerin im Vergleich zum dispositiven Recht nicht eingeschränkt, sondern verbessert hatte (KRAMER/SCHMIDLIN, N. 109 zu Art. 1 OR ; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 1'230 und 1'232 S. 233; ZELLER, a.a.O., N. 54 zu Art. 18 OR ; ebenfalls dort BUCHER, N. 64 zu Art. 1 OR ; MAURER, a.a.O., 162 f.; ROELLI/KELLER, a.a.O., S. 456 ff., insbes. 463).
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Urteilskopf 101 V 177 36. Extrait de l'arrêt du 6 juin 1975 dans la cause de Boulloche contre Caisse cantonale genevoise de compensation et Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants
Regeste Berechnung der vom Nichterwerbstätigen geschuldeten persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge ( Art. 10 Abs. 1 AHVG und Art. 28-29 AHVV ). - Die Grundlage dieser Berechnung umfasst nebst dem Vermögen der Ehefrau grundsätzlich auch dasjenige der minderjährigen Kinder sowie deren Einkünfte (Erw. 1). - Bewertung der Nutzniessung in diesem Bereich (Erw. 1). - Kapitalisierung der durch die Steuerbehörde pauschal ermittelten Vermögenseinkünfte.
Erwägungen ab Seite 178 BGE 101 V 177 S. 178 Extrait des considérants: 1. En vertu de l'art. 10 al. 1 ancien LAVS, les assurés n'exerçant aucune activité lucrative payaient en 1972 une cotisation de 40 fr. à 2'000 fr. par an. A ce montant s'ajoutaient les cotisations complémentaires AI/APG. En 1973, ces assurés payaient une cotisation AVS de 78 fr. à 7'800 fr. plus 8 fr. à 800 fr. pour l'assurance-invalidité et 4 fr. à 400 fr. pour les APG (art. 10 al. 1 nouveau LAVS, 3 al. 1 LAI, 27 al. 2 LAPG). Ils devaient verser de plus une participation aux frais d'administration. Conformément au mandat que lui confère la loi, le Conseil fédéral a édicté les prescriptions complémentaires relatives au calcul des cotisations AVS de la catégorie d'assurés en question. A l'art. 28 RAVS, il a institué une échelle de cotisations fondée sur la fortune de l'assuré, à laquelle s'ajoutent les revenus annuels sous forme de rente multipliés par 30. Aux termes de l'art. 29 RAVS: 1) La fortune des personnes n'exerçant aucune activité lucrative est déterminée par les autorités fiscales cantonales. La procédure prévue aux articles 22 à 27 est applicable par analogie. Le jour déterminant pour le calcul de la fortune est fixé conformément aux prescriptions correspondantes de la législation sur l'impôt pour la défense nationale; ces dispositions sont également applicables pour l'évaluation de la fortune. 2) La détermination du revenu acquis sous forme de rente incombe aux caisses de compensation, qui s'assurent à cet effet, dans la mesure du possible, la collaboration des autorités fiscales du canton de domicile. Attendu que l'art. 10 al. 1 LAVS prévoit que, dans les limites qu'il impose, la cotisation est fixée selon la condition sociale de l'assuré, le Tribunal fédéral des assurances a déclaré incluse dans la fortune déterminante la fortune de l'épouse de l'intéressé, lorsque ce dernier en retire un avantage, ce qui est censé être le cas (RO 98 V 92 consid. 2-4). Il doit en être de même de la fortune des enfants mineurs, pour des motifs analogues. Il faut donc approuver le chiffre 266 al. 1 des directives sur les cotisations des travailleurs indépendants et des non-actifs, édictées par l'Office fédéral des assurances sociales et valables dès le 1er janvier 1970, qui met sur le même pied les biens de l'épouse et ceux de l'enfant (cf. RCC 1969, p. 340). BGE 101 V 177 S. 179 Une communication fiscale fondée sur la taxation extraordinaire des étrangers sans activité lucrative (impôt à forfait selon les dépenses annuelles) ne lie pas la caisse de compensation, qui n'en tiendra compte que si elle n'est pas en mesure d'établir la situation véritable de l'assuré (RO 100 V 202; RCC 1973, p. 398, 1968, p. 272). Le rendement de la fortune ne doit pas être assimilé à un revenu sous forme de rente et capitalisé comme tel, lorsque le montant de la fortune est connu ou que la caisse de compensation peut l'établir (RCC 1965, p. 93; dans le même sens, chiffre 266 al. 2 des directives). Quant au revenu provenant d'un usufruit, il ne constitue pas, lui non plus, une rente; le capital soumis à usufruit est ajouté à la fortune déterminante (RCC 1969, p. 340, 1953, p. 214; directives, chiffre 266 al. 1). 2. La Caisse cantonale genevoise de compensation a capitalisé en le multipliant par 30 le revenu de la fortune du recourant que l'administration cantonale des impôts lui a communiqué. Il en est résulté une fortune déterminante de ... fr., à laquelle correspondait la cotisation maximum aussi bien selon le barème en vigueur en 1972 que selon celui de 1973. Or, il n'est pas établi qu'il fût pratiquement impossible de connaître la fortune réelle du recourant en date du 1er janvier 1971, premier jour de la période de taxation de l'IDN qui précédait immédiatement la période de cotisation 1972/1973 (art. 29 al. 1 RAVS et chiffre 276 des directives). Il a fourni sur sa situation à la fin de 1971 des renseignements qu'il pourrait sans doute donner pour le début de l'année et que l'administration apprécierait. Cette méthode serait conforme aux principes rappelés au considérant 1 ci-dessus. Ce n'est que si elle se révélait inutilisable que la caisse devrait recourir à la capitalisation du revenu forfaitaire évalué par l'autorité fiscale pour l'année 1971, conformément à la jurisprudence citée plus haut. Pour être utilisable, cette estimation devrait avoir été faite en application de l'art. 18bis AIN et non selon le droit cantonal, comme le voudrait le recourant. Le dossier n'indiquant pas le montant de ce revenu, l'instruction devrait être complétée sur ce point.
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Urteilskopf 111 IV 189 48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Oktober 1985 i.S. Eidg. Zollverwaltung gegen F. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste 1. Art. 268 Ziff. 1 BStP ; anfechtbarer Zwischenentscheid. Der in einem Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen das Zollgesetz ergangene Beschluss einer letzten kantonalen Instanz, mit welchem die Sache zum Erlass einer neuen Tarifierungsverfügung an die Eidg. Zollrekurskommission zurückgewiesen wird, stellt einen mit eidg. Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbaren Zwischenentscheid dar (E. 2). 2. Art. 77 Abs. 4 VStrR ; Begriff der Verwaltung. Die Eidg. Zollrekurskommission gehört nicht zur Verwaltung im Sinne von Art. 77 Abs. 4 VStrR , sondern ist eine verwaltungsunabhängige Rechtspflegeinstanz, deren Tarifierungsentscheide den Strafrichter binden (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 190 BGE 111 IV 189 S. 190 A.- F. liess durch sein Unternehmen, die X. AG, von Dezember 1978 bis Mai 1979 rund 1300 t des Stärkeproduktes "Bindex-N" in die Schweiz einführen. Die Zolldeklaration erfolgte jeweils gestützt auf eine Tarifauskunft der Oberzolldirektion vom September 1978, derzufolge das Produkt unter die Zolltarif-Nummer 3819.50 fiel und zum Normalzollansatz von Fr. 1.50 pro 100 kg brutto zu verzollen bzw. als EG-Ware zollfrei war. Als die Zollorgane feststellten, dass F. das Produkt im Inland als Futtermittel bzw. -zusatz verkaufte, unterstellten sie es der Tarif-Nummer 2307.20 mit der Folge, dass es zu Fr. 20.-- pro 100 kg zu verzollen war. Ihre Nachverzollungsverfügung über total Fr. 272'788.60 wurde von der Eidg. Zollrekurskommission mit dem rechtskräftig gewordenen Entscheid vom 8. Mai 1981 geschützt. B.- Am 23. Februar 1983 verurteilte das Bezirksgericht Andelfingen F. wegen Zollübertretung (Art. 74 Ziff. 6 in Verbindung mit Art. 75 Ziff. 2 ZG ) und Bannbruchs (Art. 76 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 ZG ) zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten und zu einer Busse von Fr. 30'000.--. Mit Beschluss vom 1. Oktober 1984 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Akten an die Eidg. Zollrekurskommission zum neuen Entscheid über die Tarifierungsfrage zurück, wobei es BGE 111 IV 189 S. 191 in den Erwägungen bemerkte, das Verfahren bleibe bei der Kammer bis zum Eingang des neuen Entscheides pendent und es werde dannzumal über den weiteren Gang sowie über die Kosten- und Entschädigungsfrage zu entscheiden sein. C.- Mit Eingabe vom 12. Oktober 1984 führt die Oberzolldirektion eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichtes sei aufzuheben und es sei der Fall durch dieses Gericht zu beurteilen, ohne dass von der Eidg. Zollrekurskommission ein neuer Entscheid verlangt bzw. auf einen solchen neuen Entscheid abgestellt werde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gegenstand der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde können nach Art. 268 Ziff. 1 BStP nur Urteile sein. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung fallen darunter nicht bloss strafrechtliche Haupturteile, sondern auch Vor- und Zwischenentscheide über für den Ausgang der Sache präjudizielle Fragen. Keine Urteile im Sinne dieser Bestimmung sind Verfügungen, die den Gang des Verfahrens betreffen (z.B. selbständige Beschlüsse über die Zulässigkeit einer Beweismassnahme; BGE 68 IV 113 ff., BGE 102 IV 37 E. 1 mit Verweisungen, BGE 103 IV 59 ). Entsprechend wurde die Zulässigkeit des Weiterzugs von kantonalen letztinstanzlichen Vor- und Zwischenentscheiden an das Bundesgericht davon abhängig gemacht, dass die kantonalen Behörden eine Frage des Bundesrechts von grundlegender Bedeutung verbindlich und endgültig entschieden haben (vgl. BGE 80 IV 178 , BGE 68 IV 113 ). Diese Voraussetzung erachtete der Kassationshof insbesondere als gegeben, wo es um die Gewährung des bedingten Strafvollzugs ( BGE 68 IV 113 ), die Gültigkeit des Strafantrags ( BGE 102 IV 37 ) die Frage der Verjährung und der Verantwortlichkeit ( BGE 68 IV 115 ) ging (vgl. auch HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts S. 310). Vorliegend hat das Obergericht gefunden, der Entscheid der Eidg. Zollrekurskommission über die Tarifierung der Ware und die Höhe der geschuldeten Zollabgaben sei nicht ein Erkenntnis eines unabhängigen Gerichts, sondern ein Entscheid der Verwaltung, der gemäss Art. 77 Abs. 4 VStrR wegen offensichtlicher Gesetzesverletzung nicht verbindlich sei; es setzte deshalb die Hauptverhandlung aus und wies die Sache zum neuen Entscheid an die Zollrekurskommission zurück. Damit hat die Vorinstanz BGE 111 IV 189 S. 192 sowohl bezüglich der Stellung der Eidg. Zollrekurskommission als auch hinsichtlich der Tarifierung nach Zollgesetz Fragen des Bundesrechts entschieden. Mit ihrem Beschluss, wonach für die Beurteilung allfälliger von F. begangener Widerhandlungen gegen das Zollgesetz nicht auf den rechtskräftigen Entscheid der Eidg. Zollrekurskommission vom 8. Mai 1981 abgestellt werden könne und müsse, hat sie über eine materiellrechtliche Präjudizialfrage von grundlegender Bedeutung geurteilt und nicht bloss eine prozessleitende Verfügung getroffen. Dabei handelt es sich um einen in dieser Sache endgültigen Entscheid, kann das Obergericht doch - wie auch das Kassationsgericht des Kantons Zürich annimmt - darauf nicht zurückkommen. Die Bemerkung des Obergerichts, das Verfahren werde bis zum Eintreffen einer neuen Tarifierungsverfügung der Eidg. Zollrekurskommission pendent gehalten, ändert am Gesagten nichts. Die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Vor- und Zwischenentscheide setzt nur voraus, dass über die damit beurteilte Frage ein endgültiger Entscheid vorliegt, nicht aber, dass dadurch auch das ganze Verfahren abgeschlossen werde. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss ergibt sich im übrigen auch aus Sinn und Zweck der vom Kassationshof entwickelten Rechtsprechung. Mit der Zulassung von Beschwerden gegen Vor- und Zwischenentscheide sollte verhindert werden, dass ein Strafprozess durch alle Instanzen hindurch materiell behandelt wird, wiewohl Zweifel über eine Präjudizialfrage eidg. Rechts bestehen ( BGE 70 IV 131 ). Wie in den vorstehend aufgeführten - vom Bundesgericht entgegengenommenen - Fällen müsste in concreto ein Nichteintretensentscheid des Kassationshofs je nach Ausgang des Verfahrens vor Eidg. Zollrekurskommission zu einem nicht verantwortbaren Leerlauf führen (vgl. dazu BGE 68 IV 114 ). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Eidgenössischen Zollverwaltung ist demnach einzutreten. 3. Nach Art. 77 Abs. 4 VStrR ist der rechtskräftige Entscheid über die Leistungs- oder Rückleistungspflicht für das Gericht verbindlich; handelt es sich um einen Entscheid der Verwaltung und findet das Gericht, er beruhe auf offensichtlicher Gesetzesverletzung oder auf einem Ermessensmissbrauch, so setzt es die Hauptverhandlung aus und weist die Akten zum neuen Entscheid an die beteiligte Verwaltung zurück. Im vorliegenden Fall steht einzig zur Entscheidung, ob die Eidg. Zollrekurskommission, welche als Beschwerdeinstanz über die BGE 111 IV 189 S. 193 Tarifierung der vom Beschwerdegegner eingeführten Ware befunden hatte, als verwaltungsunabhängige Rechtspflegeinstanz anzusehen ist oder im Sinne der vorgenannten Bestimmung zur Verwaltung gehört. Danach bestimmt sich, ob der Tarifierungsentscheid für das Obergericht verbindlich ist oder nicht. a) Der Gesetzesentwurf des Bundesrates sah entsprechend der Praxis zum früheren Art. 305 Abs. 2 BStP schlechthin die Verbindlichkeit rechtskräftiger Entscheide über die Leistungs- und Rückleistungspflicht für das Gericht vor (Art. 81 Abs. 4 des Gesetzesentwurfs; BBl 1971 I 1014/1053). Demgegenüber schlug die Kommission des Nationalrats in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 292 StGB vor, dass der gemäss Art. 73 ff. VStrR mit der Beurteilung von Verwaltungsstrafsachen befasste Strafrichter die Verfügung der Verwaltung, die nicht letztinstanzlich an ein Verwaltungsgericht weitergezogen werden kann, auf offensichtliche Rechtsverletzung und Ermessensmissbrauch überprüfen könne (Amtl.Bull. N 1973 I S. 489 ff.; BGE 98 IV 106 ). Der Gedanke fand seinen Niederschlag in Art. 77 Abs. 4 Satz 2 VStrR . Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob Entscheide der Eidg. Zollrekurskommission Entscheide der Verwaltung seien. b) Unter der Herrschaft des ehemaligen Art. 101 lit. b OG entschied das Bundesgericht, dass die Eidg. Zollrekurskommission eine für die Verwaltungsrechtspflege besonders eingesetzte Instanz sei, die u.a. Beschwerden gegen die Festsetzung des Zolls letztinstanzlich beurteile, also gleiche Aufgaben erfülle wie das Bundesgericht als Verwaltungsgerichtshof in bezug auf andere öffentlichrechtliche Abgaben; sie habe daher neben diesem als Verwaltungsgericht im Sinne des Art. 299 BStP (inzwischen aufgehoben durch Ziff. 2 des Anhangs zum VStrR) zu gelten ( BGE 88 IV 94 E. 3). Mit der Revision des OG von 1968 wurden dann allerdings die Entscheide der Rekurskommissionen des Bundes grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterstellt (Art. 98 lit. c). Das rechtfertigt es indessen nicht, ihre Tätigkeit derjenigen der Verwaltung gleichzustellen. Dies ist schon im Hinblick auf Art. 105 Abs. 2 OG nicht am Platz ( BGE 97 I 480 ; s. auch Art. 74 lit. c VwVG ). Dazu kommt, dass in Art. 100 lit. h OG Verfügungen über die Veranlagung der Zölle, soweit diese von der Tarifierung oder von der Gewichtsbemessung abhängt, ausdrücklich von der Anfechtbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgenommen wurden ( BGE 106 Ib 271 , BGE 102 Ib 228 f.). BGE 111 IV 189 S. 194 Der hier in Frage stehende Entscheid der Eidg. Zollrekurskommission betraf jedoch gerade die Tarifierung der vom Beschwerdegegner eingeführten Ware und war damit ein letztinstanzlicher (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 96), was die Vorinstanz übersehen hat. Freilich gibt auch diese Feststellung noch kein zweifelsfreies Kriterium für die zur Entscheidung stehende Frage ab, auch wenn sie die Folgerung, es erfülle die genannte Kommission auf diesem beschränkten Gebiet die gleiche Aufgabe wie das Bundesgericht als Verwaltungsgerichtshof in bezug auf andere öffentlichrechtliche Abgaben, in die Nähe rückt. c) Diese Erkenntnis wird zur Gewissheit, wenn man die gesetzliche Ordnung der Eidg. Zollrekurskommission des näheren überprüft. Der sechste Abschnitt des Zollgesetzes regelt die Organisation des Zolls. Unter einem ersten Titel werden die Zollbehörden aufgeführt (Bundesrat, Finanz- und Zolldepartement, Zollverwaltung) und in einem dritten Titel die Rekurskommission gesondert behandelt. Aus dem dortigen Art. 141 ZG (Fassung vom 24.6.1977) ergibt sich zwar, dass der Bundesrat die Zollrekurskommission bestellt, ihre Organisation regelt und ihre Mitglieder ernennt. Die genannte Bestimmung hebt aber anderseits auch ausdrücklich hervor, dass die Kommission von der Verwaltung unabhängig ist und ihre Mitglieder nicht der Bundesverwaltung angehören dürfen. Diese Grundsätze werden in der Verordnung über verschiedene Rekurskommissionen vom 3. September 1975 (VVRK; SR 831.161) nochmals wiederholt und präzisiert. Insbesondere ist darin vorgesehen, dass der Präsident, die Vizepräsidenten und die Richter für eine feste Amtsdauer von vier Jahren gewählt werden, dass die Kommission - mit Sitz in Lausanne - nur administrativ der Aufsicht des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) untersteht und dass sie "bei Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit... unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" ist ( Art. 3 VVRK ). Auch wird das aus Gerichtsschreibern, juristischen Sekretären usw. bestehende Sekretariat vom EDI auf Antrag des Präsidenten der Kommission bestellt ( Art. 9 VVRK ), und es sind die Gerichtsschreiber in ihrer Tätigkeit nur dem Präsidenten gegenüber verantwortlich ( Art. 10 Abs. 2 VVRK ). Damit wurde den vom Bundesrat 1965 in seiner Botschaft über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde (BBl 1965 II S. 1278) geäusserten Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der "Spezialverwaltungsgerichte" des Bundes Rechnung getragen, denn wenn nach dieser Regelung der Bundesrat BGE 111 IV 189 S. 195 auch die Richter wählt, so steht doch die den Charakter eines Gerichts im wesentlichen kennzeichnende, aus der Trennung der Gewalten fliessende sachliche Unabhängigkeit der Kommission ausser Frage. Die Rekurskommission ist hinsichtlich ihrer rechtsprechenden Tätigkeit hierarchisch weder dem Bundesrat noch einem Departement unterstellt; sie hat weder von der einen noch der anderen Seite bezüglich ihrer Entscheide Weisungen entgegenzunehmen. Ihre Mitglieder werden für eine feste Amtsdauer gewählt und haben damit eine Entfernung aus dem Amt durch den Bundesrat oder ein Departement nicht zu befürchten. Auch gelten für sie die Bestimmungen über den Ausstand ( Art. 12 VVRK in Verbindung mit Art. 59 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren), was eine weitere Sicherung ihrer Unabhängigkeit darstellt. Sodann hat die Kommission ihre Entscheide in einem gesetzlich geregelten Verfahren zu fällen, in welchem die allfällig auftretende Verwaltung dem Privaten gleich- und nicht übergeordnet ist, und schliesslich kann sie gleich einem Gericht Bundesverordnungen auf ihre Rechtsmässigkeit überprüfen, wozu Beamte der Bundesverwaltung grundsätzlich nicht befugt sind (GRISEL, Traité de droit administratif, 1984, II S. 973). Alles in allem erweist sich damit die Eidg. Zollrekurskommission, die zweifelsfrei ausserhalb der Verwaltung steht, zumindest als eine gerichtsähnliche Instanz, deren Entscheide keine solche der "Verwaltung" im Sinne des Art. 77 Abs. 4 VStrR sind. d) Dass der historische Gesetzgeber mit der Einführung des Art. 77 Abs. 4 Satz 2 VStrR etwas anderes gewollt hätte, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Vielmehr sprechen die in den parlamentarischen Beratungen sich findenden Hinweise gegen die Annahme, Beschwerdeentscheide der Eidg. Zollrekurskommission hätten als Entscheide der Verwaltung für den Strafrichter unverbindlich erklärt werden sollen (vgl. das Votum Kaufmann, wo von "Verfügungen untergeordneter Funktionäre und Verwaltungsbeamter" gesprochen wird oder das Votum Aubert (als Berichterstatter) in dem auf die "simple décision administrative", die "décisions de l'administration, qui sont passées en force parce qu'elles n'ont pas été attaquées par voie de recours" und die deshalb "ne seront pas absolument soustraites au réexamen du juge"; Amtl.Bull. N 1973 I S. 490/491). 4. War aber nach dem Gesagten der hier in Frage stehende Entscheid der Zollrekurskommission über die Tarifierung der vom Beschwerdegegner eingeführten Ware kein Entscheid der Verwaltung, BGE 111 IV 189 S. 196 dann war er für das Gericht verbindlich ( Art. 77 Abs. 4 Satz 1 VStrR ). Indem die Vorinstanz das Gegenteil annahm und die Sache zu neuer Entscheidung an die Eidg. Zollrekurskommission zurückwies, verstiess sie gegen Bundesrecht. Die Sache ist deshalb an das Obergericht zurückzuweisen, damit es unter Zugrundelegung des Tarifierungsentscheides der Eidg. Zollrekurskommission urteile.
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Urteilskopf 114 IV 14 5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Mai 1988 i.S. I. gegen M. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 177 StGB ; Beschimpfung einer Kollektivgesellschaft. Eine Kollektivgesellschaft kann Trägerin der Ehre und damit im Ehrverletzungsprozess aktivlegitimiert sein (E. 2a). Juristische Personen und die Kollektivgesellschaft sind auch bei Beschimpfungen, die nur ihnen gegenüber erhoben wurden, aktivlegitimiert (E. 2b).
Erwägungen ab Seite 15 BGE 114 IV 14 S. 15 Aus den Erwägungen: 2. a) Nach ständiger, unangefochtener Rechtsprechung können auch juristische Personen Träger der Ehre und damit im Ehrverletzungsprozess aktivlegitimiert sein ( BGE 71 IV 36 f., BGE 96 IV 148 ff., BGE 108 IV 21 f.).. Umstritten ist, ob auch weitere Kollektive ohne juristische Persönlichkeit geschützt sind. Das Bundesgericht hat dies bisher abgelehnt ( BGE 69 IV 81 ff.; vgl. auch BGE 96 IV 149 ), doch ist die Frage aufgeworfen worden, ob der strafrechtliche Ehrenschutz entsprechend deutscher Lehre und Rechtsprechung (SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, StGB Kommentar, 23. Aufl. Vorbemerkungen zu den § 185 ff. N 3; DREHER/TRÖNDLE, StGB Kurzkommentar, 42. Aufl., § 185 N 18 ff.) auf alle eine soziale Funktion erfüllende Personengesamtheiten ausgeweitet werden sollte (vgl. die Nachweise bei SCHUBARTH, Kommentar Art. 173 N 46 ). Die Frage braucht hier nicht vertieft erörtert zu werden. Mit den kantonalen Instanzen ist anzunehmen, dass jedenfalls Kollektivgesellschaften Träger der Ehre sein können. Dafür spricht, dass diese gleich wie juristische Personen rechts- und prozessfähig sind. Zu Recht weist das Appellationsgericht darauf hin, dass das Bundesgericht bisher offengelassen hat, ob eine juristische Person in einem Ehrverletzungsprozess auch wegen Beschimpfung aktivlegitimiert ist ( BGE 108 IV 22 ; vgl. auch BGE 96 IV 149 , der einerseits davon ausgeht, die der juristischen Person zustehende Ehre sei durch Art. 177 StGB geschützt, andererseits offenlässt, ob eine Verletzung des Ehrgefühls, wie bei der Beschimpfung typisch, möglich sei). Der Strafgerichtspräsident ist stillschweigend davon ausgegangen, die Aktivlegitimation der juristischen Person beziehungsweise der Kollektivgesellschaft sei auch bei einer Beschimpfung nach Art. 177 StGB gegeben. Das Appellationsgericht will diese Auffassung offenbar nicht generell in Frage stellen, verlangt jedoch, dass die verletzende Äusserung eine gewisse Schwere aufweise. BGE 114 IV 14 S. 16 b) Den Tatbestand der Beschimpfung erfüllt, wer jemanden "in seiner Ehre angreift". Das Bundesgericht hat angenommen, dass Äusserungen, die ausschliesslich an den Verletzten selbst gerichtet worden sind, nur dessen Ehrgefühl betreffen können ( BGE 77 IV 98 E. 1, BGE 96 IV 149 ). Dagegen ist eingewandt worden, besser wäre es, die Ehre einheitlich im Sinne des Anspruchs einer Person auf Geltung zu verstehen (REHBERG, Strafrecht III, 4. Aufl., S. 129 - im Anschluss an STRATENWERTH, BT I, S. 118 ff.; ebenso NOLL, BT I, S. 105). Der vorliegende Fall zeigt, dass die Beschränkung des Beschimpfungstatbestandes auf eine Verletzung des subjektiven Ehrgefühls fragwürdig ist, wenn der Verletzte eine juristische Person oder eine Kollektivgesellschaft darstellt, da der Begriff des subjektiven Ehrgefühls auf die natürliche Person zugeschnitten ist. In den zitierten Entscheiden sollte mit dem Hinweis auf das subjektive Ehrgefühl jedoch nur zum Ausdruck gebracht werden, worin der Unterschied besteht zwischen ehrverletzenden Äusserungen gegenüber dem Verletzten selbst und solchen, die auch gegenüber Dritten erhoben werden. Dass ehrverletzende Äusserungen jedenfalls gegenüber kleineren Kollektiv- oder Familienaktiengesellschaften ebenso strafwürdig sind, wie wenn sie gegenüber einer natürlichen Person gemacht werden, kann nicht in Abrede gestellt werden. Würde man die Klage der Kollektivgesellschaft nicht zulassen, dann müsste zumindest die Klage eines betroffenen Gesellschafters möglich sein. Da jedoch vielfach keiner von diesen direkt oder nur vage angesprochen ist, bestünde kein effektiver Rechtsschutz gegen ehrverletzende Äusserungen. Dies spricht dafür, die Aktivlegitimation der juristischen Person beziehungsweise der Kollektivgesellschaft auch bei Beschimpfungen, die nur gegenüber dem Verletzten selbst gemacht worden sind, prinzipiell zu bejahen.
null
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
1181c260-4a88-4dee-869d-cb03fc4119d7
Urteilskopf 122 I 294 39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. September 1996 i.S. Erbengemeinschaft Marcuard gegen Yvonne Hausammann, Einwohnergemeinde Muri, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; Streitigkeit über "zivilrechtliche Ansprüche" in der Nutzungsplanung. Ist im Rahmen der Nutzungsplanung umstritten, ob ein Gebot zur Einzonung bestimmter Flächen in die Bauzone besteht, so handelt es sich dabei um eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 3e). Das Berner Verwaltungsgericht ist verpflichtet, auf eine Beschwerde gegen eine Nichteinzonung einzutreten (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 295 BGE 122 I 294 S. 295 Die Erben Marcuard sind Eigentümer des weitgehend nicht überbauten, eine Fläche von knapp 60'000 m2 umfassenden Gebiets Aarwil in Muri. Im kommunalen Zonenplan aus dem Jahre 1973 war das gesamte Gebiet Aarwil der Landhauszone zugewiesen mit der Auflage, dass eine Überbauung nicht vor 1987 erfolgen dürfe. 1980 wurde das Gebiet einer Zone mit besonderen Vorschriften zugewiesen und im Einvernehmen mit den Eigentümern mit einem Bausperrvertrag belegt. Im Rahmen der ersten Etappe der Ortsplanungsrevision erfolgte im Jahre 1990 die Einweisung von rund 1,3 ha des Gebiets Aarwil in ein Ortsbildschutzgebiet; für die übrige Fläche wurde eine Landwirtschaftszone festgelegt. Eine Beschwerde der Erbengemeinschaft Marcuard gegen diese Festsetzungen wurde vom Regierungsrat des Kantons Bern am 5. März 1991 mit Rücksicht auf die in der Gemeinde hängige zweite Etappe der Ortsplanungsrevision sistiert. An der Urnenabstimmung vom 6. Juni 1993 verabschiedeten die Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Muri die zweite Etappe der Ortsplanungsrevision. Im Gebiet Aarwil wurde für eine Teilfläche entlang des angrenzenden, bereits überbauten Gebiets eine Bauzone mit der Bezeichnung "Zone mit Planungspflicht Aarwil" festgesetzt. Am 20. Juli 1994 genehmigte das kantonale Amt für Gemeinden und Raumordnung die Zonenordnung und wies die Einsprache von Yvonne Hausammann - mit ihrer Parzelle Nr. 1126 direkte nördliche Anstösserin der neu ausgeschiedenen "Zone mit Planungspflicht Aarwil" - als unbegründet ab. Gegen diese Plangenehmigung wehrte sich Yvonne Hausammann mit Erfolg bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern, welche deren Beschwerde am 17. Oktober 1995 guthiess und der Einzonung der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" die Genehmigung verweigerte. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat auf eine Beschwerde der Erbengemeinschaft Marcuard gegen den Nichtgenehmigungsentscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion mit Urteil vom 6. Februar 1996 nicht ein, weil es sich bei der umstrittenen Nichteinzonung nicht um einen Fall handle, für welchen Art. 6 Ziff. 1 EMRK "die Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht verlange" (Art. 61a Abs. 3 lit. a des kantonalen Baugesetzes vom 9. Juni 1985; BauG). BGE 122 I 294 S. 296 Gegen das Verwaltungsgerichtsurteil vom 6. Februar 1996 führt die Erbengemeinschaft Marcuard staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 4 BV . Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG steht die Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht gegen Plangenehmigungsbeschlüsse der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion offen, soweit die EMRK die Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht verlangt, namentlich zur Bestreitung des Enteignungsrechts. Mit dem von den Beschwerdeführern beanstandeten Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 wird kein Enteignungsrecht erteilt. Die Beschwerdeführer machen geltend, sie hätten gestützt auf Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG und Art. 6 Ziff. 1 EMRK trotzdem Anspruch darauf, dass die Zulässigkeit der umstrittenen Zonenplanmassnahme vom kantonalen Verwaltungsgericht überprüft werde. Der angefochtene Nichteintretensentscheid verletze daher Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 4 BV . a) Wird mit einer staatsrechtlichen Beschwerde eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend gemacht, so prüft das Bundesgericht vorerst die Auslegung und Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts auf Willkür. Mit freier Kognition beurteilt es daraufhin, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK vereinbar ist ( BGE 114 Ia 50 E. 2b S. 52; BGE 117 Ia 170 E. 1, mit Hinweisen). b) Bei der Überprüfung von Zonenplänen ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unter Umständen möglich, dass das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde eine Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügende richterliche Kontrolle erlaubt ( BGE 120 Ia 19 E. 4c S. 30; BGE 119 Ia 411 E. 5 S. 419 ff.; BGE 117 Ia 497 E. 2c-e S. 501 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993, S. 476). Diese Rechtsprechung, die auf das in BGE 117 Ia 497 ff. publizierte Urteil betreffend die Gemeinde Oberschrot zurückgeht, steht nach der Praxis der Strassburger Organe mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Einklang (VPB 58/1994 Nr. 102; Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 11. April 1996 i.S. Fondation Croix-Etoile c. Suisse zur Publikation bestimmt in VPB 60/1996, Heft IV). Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK allenfalls erforderliche materielle Prüfung der Angelegenheit durch das BGE 122 I 294 S. 297 Bundesgericht, da der Sachentscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 damals nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde, sondern lediglich mit kantonaler Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten wurde. Dieses Rechtsmittel ist, wie das Verwaltungsgericht willkürfrei darlegt, nach Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG zulässig, wenn Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf die Streitsache Anwendung findet. Es ist somit vorliegend mit freier Kognition (s. vorne E. 2a) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf den Nichtgenehmigungsentscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 zu Recht verneint hat. 3. Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innert angemessener Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das unter anderem über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Die Frage, ob Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf eine Nichteinzonung von Land in die Bauzone anwendbar ist, hat das Bundesgericht bisher noch nie beantworten müssen. a) Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Urteil aus, die Strassburger Organe wendeten Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Bereich der Raumplanung dann an, wenn die von einer Planung betroffenen Grundeigentümer konkrete Beschränkungen bestehender Nutzungsrechte oder mit der Plangenehmigung verbundene Rechtsverluste beanstandeten (RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern 1995, S. 139 ff., insbes. S. 142, 148). Im vorliegenden Verfahren stehe indessen nicht ein Fall zur Diskussion, in welchem der Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion über die Nutzungsplanfestsetzung für die betroffenen Grundeigentümer Nutzungseinbussen oder Rechtsverluste zur Folge habe. Die Beschwerdeführer würden denn auch selbst nicht behaupten, das Gebiet Aarwil habe in den vergangenen Jahrzehnten jemals baureifes Land im enteignungsrechtlichen Sinn dargestellt. Eine Nichteinzonung ohne (materielle) Enteignungswirkung wie sie hier vorliege, sei in der Strassburger Praxis jedoch noch nie als Tatbestand, der zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK berühre, betrachtet worden. Auch die bundesgerichtliche Praxis habe sich bisher an die Rechtsprechung der Strassburger Organe gehalten und die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK im Zusammenhang mit Nichteinzonungsfällen noch nie ausdrücklich bejaht. BGE 122 I 294 S. 298 Sollten - so das Verwaltungsgericht weiter - nicht mehr nur konkrete Einbussen bestehender Nutzungsrechte bzw. Rechtsverluste, sondern auch (theoretisch) mögliche Nutzungsmehrungen, auf welche in der schweizerischen Planungsrechtsordnung kein materieller Rechtsanspruch bestehe, als individuelle vermögenswerte Interessen bzw. als zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK anerkannt und der daraus fliessenden Rechtsweggarantie unterstellt werden, so bedinge dies einen Paradigmenwechsel im schweizerischen Planungsrechtsverständnis. Art. 6 Ziff. 1 EMRK dürfe indessen nicht als "Hebel" verwendet werden, um neue innerstaatliche Ansprüche zu schaffen (MARK E. VILLIGER, Probleme der Anwendung von Art. 6 Abs. 1 EMRK auf verwaltungs- und sozialgerichtliche Verfahren, in AJP 2/95 S. 163 ff., MARK E. VILLIGER, Handbuch der EMRK, 1993, S. 225 Rz. 377; ferner HEINER WOHLFAHRT, in AJP 11/95 S. 1421 ff.). Die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf den Nichtgenehmigungsentscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 sei deshalb zu verneinen. b) Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Entscheid der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion vom 17. Oktober 1995 zugrunde, mit welchem die von den Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Muri an einer Urnenabstimmung verabschiedete und vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung genehmigte zweite Etappe der kommunalen Ortsplanungsrevision in bezug auf die Festsetzung einer Bauzone mit Planungspflicht im Gebiet Aarwil nicht genehmigt wurde. Es ist unbestritten, dass mit der zweiten Etappe der Ortsplanungsrevision von Muri eine Begrenzung der Bauzone auf das in Art. 15 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) vorgesehene Mass angestrebt wurde und dass der Nutzungsplan erst mit der Genehmigung durch die zuständige kantonale Behörde verbindlich wird ( Art. 26 RPG , Art. 61 BauG). Der Genehmigungsentscheid des Amts für Gemeinden und Raumordnung unterliegt nach Art. 61a Abs. 1 BauG der Beschwerde an die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion, die über die Plangenehmigung unter Vorbehalt der Beschwerde an das Verwaltungsgericht endgültig entscheidet. Die vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung genehmigte Festsetzung der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" wurde aufgrund des Nichtgenehmigungsentscheids der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion nicht verbindlich im Sinne von Art. 26 Abs. 3 RPG . Insoweit kann auch dem Verwaltungsgericht darin zugestimmt werden, dass es sich vorliegend nicht BGE 122 I 294 S. 299 um eine Auseinandersetzung über konkrete Einbussen bestehender Nutzungsrechte bzw. Rechtsverluste handelt. Den Beschwerdeführern stand mangels rechtlicher Verbindlichkeit der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" jedenfalls noch kein konkreter Rechtsanspruch auf eine dieser Planfestsetzung entsprechende Grundstücksnutzung zu. Dies wird im wesentlichen auch nicht bestritten. c) Die Beschwerdeführer vertreten indessen die Ansicht, es bedürfe aufgrund von Art. 6 Ziff. 1 EMRK einer gerichtlichen Überprüfung, ob die "Zone mit Planungspflicht Aarwil" von der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion zu Recht nicht genehmigt wurde. Sie machen geltend, es handle sich entgegen den Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht um eine Streitigkeit über bloss theoretisch mögliche Nutzungsmehrungen, sondern um eine ernsthafte Auseinandersetzung über bauliche Nutzungsmöglichkeiten, die von den Stimmberechtigten der Einwohnergemeinde Muri festgelegt und vom kantonalen Amt für Gemeinden und Raumordnung in erster Instanz genehmigt worden seien. Erst die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion habe die "Zone mit Planungspflicht Aarwil" auf Beschwerde einer Nachbarin hin nicht genehmigt. Damit liege hier eine Streitigkeit über die den Grundeigentümern im Gebiet der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" zustehenden Grundstücksnutzungen und folglich über ihre konkreten individuellen zivilrechtlichen Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vor. d) Weder das Bundesgericht noch die Strassburger Organe haben die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf Streitigkeiten über öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkungen generell auf Fälle beschränkt, in welchen konkrete Einbussen bestehender Nutzungsrechte bzw. Rechtsverluste zur Diskussion stehen. Zwar ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass die Mehrheit der Angelegenheiten, in denen die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bejaht wurde, Anordnungen betrafen, die eine Beschränkung bestehender Nutzungsrechte bewirkten (s. ANDREAS KLEY-STRULLER, Der Anspruch auf richterliche Beurteilung "zivilrechtlicher Streitigkeiten" im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss Art. 6 EMRK , in AJP 1/1994, S. 23 ff., insbes. S. 29 mit Hinweisen). Dies bedeutet jedoch nicht, dass in allen Fällen, die nicht direkt einen Verlust von bestehenden Nutzungsrechten zum Gegenstand haben, das Vorliegen einer Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verneint werden müsste. So hat das BGE 122 I 294 S. 300 Bundesgericht in BGE 120 Ib 136 ff. und in BGE 120 Ib 224 ff. hervorgehoben, dass ein Anspruch des Grundeigentümers auf umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz auch bei drohender materieller Enteignung besteht (vgl. weiter BGE BGE 118 Ia 372 E. 6 S. 381 ff.; BGE 119 Ia 88 E. 4b S. 94 und die Übersicht über die Rechtsprechung in diesem Urteil E. 3b S. 92 f. sowie in BGE 120 Ia 209 E. 6b S. 213 f.). Eine materielle Enteignung kann nicht nur vorliegen, wenn der bisherige Gebrauch des Grundeigentums wegfällt, sondern auch, wenn eine voraussehbare künftige Nutzung untersagt oder besonders stark eingeschränkt wird ( BGE 121 II 417 E. 4a S. 423 mit Hinweisen). So wurde denn auch in BGE 121 II 417 ff. das Vorliegen einer materiellen Enteignung bei einer Nichteinzonung bejaht. e) Ein Entscheid über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK liegt vor, wenn eine Zonenplanung direkte Auswirkungen auf die Ausübung der Eigentumsrechte der Grundeigentümer hat. Dass Nichteinzonungen direkte Auswirkungen auf die zivilrechtlichen Ansprüche oder Verpflichtungen der Grundeigentümer haben können, zeigt sich insbesondere in Fällen, in welchen umstritten ist, ob den Grundeigentümern nach dem geltenden Raumplanungsrecht ein Anspruch auf Einzonung ihres Landes in eine Bauzone zusteht. Solche Ansprüche können sich zunächst daraus ergeben, dass Land, das nach den gesetzlichen Vorschriften in die Bauzone gehört, grundsätzlich in eine solche Zone einzuweisen ist. Bei der Festsetzung der Nutzungsplanung haben die Planungsbehörden indessen ungeachtet des Umstands, ob die bisherige Planung den Anforderungen von Art. 15 RPG entspricht, nicht allein der Begriffsumschreibung gemäss Art. 15 RPG zu folgen, sondern auch die übrigen im Bundesrecht und im kantonalen Recht enthaltenen Zonierungsgrundsätze optimal zu berücksichtigen. Sie haben alle Interessen, öffentliche und private, zu beachten und gegeneinander abzuwägen. Der Grundeigentümer hat dabei zwar grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass sein Land im Rahmen einer revidierten Nutzungsplanung in der Bauzone verbleibt (vgl. BGE 119 Ia 362 E. 5a S. 372; 118 Ia 151 E. 4b S. 157, je mit Hinweisen). Als Ausnahme von dieser Regel hat das Bundesgericht jedoch aufgrund der im Planungsrecht anwendbaren Grundsätze schon in verschiedenen Fällen ein Einzonungsgebot bejaht (vgl. BGE 115 Ia 350 E. 3f/dd S. 356 f., 333 ff.; BGE 113 Ia 457 ff.; Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1987 in ZBl 90/1989 S. 363 ff.). Zudem hat sich im Zusammenhang mit Verfahren betreffend materielle Enteignung gezeigt, dass die Beschränkung der baulichen Nutzung von Grundstücken - auch bei BGE 122 I 294 S. 301 Nichteinzonungen - eine Entschädigungspflicht des planenden Gemeinwesens bewirken kann ( BGE 121 II 417 ff.; BGE 122 II 326 E. 6c S. 334; Urteil des Bundesgerichts vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993 S. 251 ff. E. 6d). Soweit über die Einzonung oder Nichteinzonung von Land in eine Bauzone befunden wird, liegt darin nach dem Gesagten auch ein Entscheid über den Anspruch des Grundeigentümers auf bauliche Nutzungsmöglichkeiten. Insoweit werden somit bereits im Planungsentscheid zivilrechtliche Ansprüche des Grundeigentümers im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK beurteilt. Dass im Anschluss an die Planfestsetzung bzw. -genehmigung in gewissen Fällen ein Anspruch auf Entschädigung wegen materieller Enteignung besteht, ändert nichts am Umstand, dass bereits mit dem Entscheid über die Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung der Nutzungsplanung die zulässige Grundstücksnutzung festgelegt und damit auch über ein allfälliges planungsrechtliches Einzonungsgebot entschieden wird. Dies gilt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in welchem ein vom kommunalen Planungsträger und der erstinstanzlichen Plangenehmigungsbehörde anerkanntes, planungsrechtliches Einzonungsgebot umstritten ist. f) Diese Beurteilung steht mit der Rechtsprechung der Strassburger Organe im Einklang. Zwar liegt noch kein Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vor, der sich mit der hier vorliegenden Problematik im einzelnen befasst. Die Europäische Menschenrechtskommission (EKMR) geht indessen allgemein davon aus, dass der Ausgang eines Verfahrens über Nutzungspläne auch zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK betrifft, wenn ein Grundeigentümer öffentlichrechtliche Normen anruft, um eine Beeinträchtigung seiner mit dem Grundbesitz verbundenen Eigentumsrechte zu verhindern. Demzufolge wendete die Strassburger Kommission Art. 6 Ziff. 1 EMRK auf den Zonenplan einer Bündner Gemeinde (vgl. VPB 58/1994 Nr. 102) sowie auf einen Quartierplan nach Waadtländer Recht an (zur Publikation in VPB 60/1996 Heft IV bestimmter Entscheid der EKMR vom 11. April 1996 i.S. Fondation Croix-Etoile c. Suisse, mit Hinweisen auf die Urteile des EGMR vom 25. November 1994 i.S. Ortenberg gegen Österreich, Serie A no 295-B, Ziff. 28, und vom 22. November 1995 i.S. Bryan gegen Vereinigtes Königreich, Serie A no 335-A, Ziff. 31). 4. a) Wie vorne in E. 3c erwähnt, beanstanden die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall, dass die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des BGE 122 I 294 S. 302 Kantons Bern am 17. Oktober 1995 die Festsetzung der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" nicht genehmigte. Inhaltlich bedeutet diese Nichtgenehmigung, dass das Gebiet der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" nach Auffassung der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion aus Gründen des Landschaftsschutzes vor jeder Überbauung freigehalten werden soll und den Grundeigentümern kein planungsrechtlicher Einzonungsanspruch zusteht. Diese Entscheidung hat nach den Ausführungen in E. 3e hiervor direkte Auswirkungen auf die Rechte der Grundeigentümer. Dies gilt unbesehen darum, dass die Bauzone nach dem alten Zonenplan von Muri mit Blick auf die Anforderungen von Art. 15 RPG zu gross war und das bisher nicht überbaute Gebiet der "Zone mit Planungspflicht Aarwil" seit dem 1. Januar 1988 deshalb nicht in einer der Raumplanungsgesetzgebung entsprechenden Bauzone lag (Art. 35 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 36 Abs. 3 RPG ; BGE 121 II 417 E. 3b mit Hinweisen). Soweit es in der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Auseinandersetzung darum geht, gestützt auf planungsrechtlich relevante Normen eine Beeinträchtigung des von den Beschwerdeführern behaupteten Einzonungsanspruchs zu vermeiden, ist das Vorliegen einer Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu bejahen. Ob sich die Beschwerdeführer zu Recht auf einen Einzonungsanspruch berufen, ist im Rahmen der materiellen Prüfung der Angelegenheit zu beurteilen. b) Es ergibt sich somit, dass die vorliegende Auseinandersetzung über das Einzonungsgebot betreffend die "Zone mit Planungspflicht Aarwil" einer gerichtlichen Überprüfung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bedarf. Die bernische Rechtsordnung sieht einen gerichtlichen Rechtsschutz auf kantonaler Ebene vor, wenn in Anwendung der EMRK eine Anrufung des Richters ermöglicht werden muss (Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG). Ein solcher Anspruch wird noch nicht in allen Kantonen der Schweiz gewährt. Soweit eine entsprechende kantonale Bestimmung (noch) fehlt, gewährleistet das Bundesgericht nach der von der Strassburger Kommission bestätigten "Oberschrot-Praxis" (s. vorne E. 2b) in bestimmten Fällen ausnahmsweise einen Art. 6 Ziff. 1 EMRK genügenden Rechtsschutz. Wenn jedoch, wie hier, das kantonale Recht in Anwendung der EMRK die Beurteilung durch ein unabhängiges kantonales Gericht vorschreibt (s. Art. 61a Abs. 3 lit. a BauG), ist dieses verpflichtet, auf eine Beschwerde wegen Verletzung eines planungsrechtlichen Einzonungsgebots einzutreten. BGE 122 I 294 S. 303 5. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht auf die kantonale Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Erben Marcuard zu Unrecht nicht eingetreten ist. Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
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nan
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Urteilskopf 123 IV 23 4. Urteil der Anklagekammer vom 10. Februar 1997 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste Art. 350 StGB und Art. 351 StGB , Art. 263 BStP ; Festsetzung des Gerichtsstandes. Triftige Gründe, aus denen ausnahmsweise vom gesetzlichen Gerichtsstand abgewichen werden kann, liegen vor, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt. Wenn mehr als zwei Drittel einer grösseren Anzahl von vergleichbaren Straftaten auf einen einzigen Kanton entfallen, ist dies in der Regel der Fall. Diese Vermutung gilt jedoch nicht absolut, sondern muss ihrerseits einer Überprüfung vor allem nach prozessökonomischen Gesichtspunkten standhalten. Wenn die Untersuchung am Ort des gesetzlichen Gerichtsstandes sozusagen beendet ist, rechtfertigt sich in der Regel ein Abweichen von diesem Gerichtsstand nicht mehr.
Sachverhalt ab Seite 24 BGE 123 IV 23 S. 24 B. und O. wird vorgeworfen, 17 Diebstähle und einen Versuch dazu begangen zu haben. Einem Rapport der Stadtpolizei Bern vom 17. Oktober 1996 ist zu entnehmen, die beiden hätten im Juli 1996 in Antwerpen/B beschlossen, sich nach Zürich zu begeben, um dort Diebstähle zu begehen. Von Zürich aus seien sie jeweils zum selben Zweck nach Bern gefahren. Die erste Verfolgungshandlung wurde am 25. Juli 1996 durch die Stadtpolizei Bern vorgenommen. Die Täter hatten einen abgestellten Reisebus aufgebrochen und aus der Tasche einer Reiseteilnehmerin Deliktsgut im Wert von Fr. 6'800.-- behändigt. Zunächst gelang ihnen die Flucht, doch wurde O. anhand einer Identitätskarte, die sich in einem zurückgelassenen Veston befand, zur Verhaftung ausgeschrieben und zusammen mit B. (sowie einer Drittperson) am folgenden Tag in St. Gallen im Anschluss an den dort verübten Diebstahlsversuch festgenommen und am 12. September 1996 ins Regionalgefängnis Bern überführt. O. gab an, von Anfang August bis zur Festnahme in St. Gallen gemeinsam mit B. täglich einen Diebstahl in Zürich verübt zu haben. Vom 24. September bis 4. Oktober 1996 befanden sich die beiden bei den Zürcher Behörden und wurden dort befragt. Dabei konnten ihnen sechs Diebstähle, die in der Stadt Zürich begangen worden waren, zugeschrieben werden. Weiter sollen sie in Zürich noch einige weitere Diebstähle zum Nachteil "unbekannter Car-Chauffeure" BGE 123 IV 23 S. 25 verübt haben, über die auch sonst "keine weiteren Angaben vorhanden" sind. Auf den Kanton Bern, wo sich die Angeschuldigten seit dem 4. Oktober 1996 wieder im Regionalgefängnis befinden, entfallen insgesamt drei Diebstähle. Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses entfallen von den insgesamt 17 Diebstählen deren 14 auf den Kanton Zürich und die übrigen drei auf den Kanton Bern. B.- Der Generalprokurator des Kantons Bern gelangt an die Anklagekammer des Bundesgerichts und beantragt, es seien die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich für berechtigt und verpflichtet zu erklären, die B. und O. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, es sei das Gesuch des Kantons Bern abzuweisen und dieser berechtigt und verpflichtet zu erklären, die den beiden Angeschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Der Gesuchsteller anerkennt, dass gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB an sich die Zuständigkeit der bernischen Behörden gegeben wäre, da an diesem Ort die Untersuchung zuerst angehoben worden ist. Er beruft sich aber auf Art. 263 BStP , wonach die Anklagekammer des Bundesgerichts die Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen anders als in Art. 350 StGB bestimmen kann. Er macht geltend, das Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit der beiden Angeschuldigten liege offensichtlich im Kanton Zürich. 2. a) Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten verübter strafbarer Handlungen, die mit der gleichen Strafe bedroht sind, verfolgt, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird ( Art. 350 Ziff. 1 StGB ). Da diese Regelung gelegentlich unbefriedigend ist, sieht Art. 263 BStP vor, dass die Anklagekammer des Bundesgerichts die Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen anders als in Art. 350 StGB bestimmen kann. Dabei hat sich die Anklagekammer vom Sinn, den der Gesetzgeber dabei im Auge hatte, nämlich die richtige und die rasche Anwendung des materiellen Rechts zu ermöglichen, leiten zu lassen (ERHARD SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, Bern 1987, N. 405). Insbesondere aus Zweckmässigkeits-, Wirtschaftlichkeits- und prozessökonomischen BGE 123 IV 23 S. 26 Gründen kann ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand gerechtfertigt sein ( BGE 121 IV 224 E. 3a mit Hinweisen; SCHWERI a.a.O. N. 407 f. und 421). Es geht darum zu verhindern, dass die Anwendung der gesetzlichen Regelung zu besonderen prozessualen Schwierigkeiten führt (SCHWERI a.a.O. N. 408 mit Hinweis). Die Anklagekammer setzt für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand triftige Gründe voraus ( BGE 121 IV 224 E. 3a mit Hinweisen). Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt, wobei es allerdings nicht genügt, dass auf einen Kanton einige wenige Delikte mehr als auf einen anderen entfallen, sondern das Übergewicht muss so offensichtlich und bedeutsam sein, dass sich das Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand geradezu aufdrängt (BGE BGE 117 IV 87 E. 2a; SCHWERI, a.a.O. N. 421 ff., je mit Hinweisen). Wenn mehr als zwei Drittel einer grösseren Anzahl von vergleichbaren Straftaten auf einen einzigen Kanton entfallen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass in diesem Kanton ein Schwergewicht besteht, welches es rechtfertigt, vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen. Diese Vermutung gilt jedoch nicht absolut, sondern muss ihrerseits einer Überprüfung vor allem nach prozessökonomischen Gesichtspunkten standhalten (SCHWERI a.a.O. N. 421 in fine). Insbesondere sollen grobe Verfahrensverzögerungen und deshalb nach Möglichkeit ein unnötiger prozessualer Aufwand verhindert werden. Wenn die Untersuchung am Ort des gesetzlichen Gerichtsstandes sozusagen beendet ist, rechtfertigt sich in der Regel ein Abweichen von diesem Gerichtsstand nicht mehr (SCHWERI a.a.O. N. 469). b) Der Gesuchsteller macht zur Hauptsache geltend, im vorliegenden Fall entfielen rund 82% der Diebstähle auf den Kanton Zürich und der bisher in diesem Kanton errechnete Deliktsbetrag betrage ca. Fr. 10'830.-- gegenüber Fr. 8'200.-- im Kanton Bern. Zudem seien die Straftaten im Kanton Zürich noch gar nicht alle geklärt, und es drängten sich dort insbesondere in bezug auf die Straftaten zum Nachteil unbekannter Car-Chauffeure weitere Abklärungen auf. Dagegen bringt die Gesuchsgegnerin im wesentlichen vor, der Deliktsbetrag der den Angeschuldigten in den beiden Kantonen "mit hinreichender Substantiierung" vorwerfbaren Taten betrage je zwischen ca. Fr. 8'000.-- und Fr. 9'000.-- und sei somit in etwa gleich. Im übrigen sei der bei weitem gewichtigste Fall mit einem Deliktsbetrag BGE 123 IV 23 S. 27 von Fr. 6'800.-- im Kanton Bern begangen worden. Weitere Untersuchungen im Kanton Zürich (z.B. hinsichtlich der maximal ca. acht Chauffeurtaschen) seien nicht erfolgversprechend und folglich auch nicht angezeigt. Die notwendig erscheinenden Abklärungen seien vom Berner Untersuchungsrichter bereits veranlasst und von den Zürcher Behörden rechtshilfeweise erledigt worden. Weiter falle unter dem Gesichtswinkel der Prozessökonomie in Betracht, dass das Verfahren bisher nach der bernischen Prozessordnung in Bern geführt worden sei und die Angeschuldigten von Berner Anwälten verteidigt würden. c) Im vorliegenden Fall sprechen Zweckmässigkeits- und prozessökonomische Gesichtspunkte gegen ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand, obwohl von der Anzahl der in Frage stehenden Straftaten her gesehen ein Übergewicht im Kanton Zürich besteht. Der Gesuchsgegnerin ist beizupflichten, dass nicht ersichtlich ist, welche Untersuchungshandlungen noch nötig sein könnten. O. hat zunächst zwar angegeben, sie hätten von Anfang August bis zur Festnahme in St. Gallen "täglich" einen Diebstahl in Zürich verübt. Dazu wurde er in Zürich befragt, und die Einvernahme führte zum Ergebnis, dass heute sechs konkrete Diebstähle in der Stadt Zürich abgeklärt sind und der Verdacht besteht, dass die beiden noch maximal acht Diebstähle von Chauffeurtaschen begangen haben sollen, über die aber keine weiteren konkreten Erkenntnisse und insbesondere keine Anzeigen der Geschädigten vorhanden sind, weshalb es z.B. unmöglich ist, diese zu befragen. Auch der Gesuchsteller vermag keine konkreten Untersuchungshandlungen zu nennen, die noch erforderlich wären. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Untersuchung im wesentlichen abgeschlossen ist. Die Beschwerdegegnerin verweist im übrigen zu Recht darauf, dass bereits bernische Anwälte als amtliche Verteidiger bezeichnet sind und sich auch schon mit dem Fall befasst haben. Fürsprecher X. als Verteidiger von O. hat z.B. Einsicht in die Akten genommen und diese am 14. Oktober 1996 an den Untersuchungsrichter zurückgeschickt. Dies gilt auch für Fürsprecher Y. als Verteidiger von B., der überdies, wie sich aus seinem Schreiben vom 23. September 1996 ergibt, mit seinem Mandanten gesprochen und in dessen Auftrag den Antrag gestellt hat, mit der Familie in Chile telefonieren zu können. Schliesslich haben beide Verteidiger an je einer Einvernahme der Angeschuldigten teilgenommen. Es ist also nebst dem Umstand, dass die Untersuchung mehr oder weniger abgeschlossen ist, zu berücksichtigen, dass bereits zwei Verteidiger BGE 123 IV 23 S. 28 bestimmt und bis zu einem gewissen Grad eingearbeitet sind (vgl. dazu SCHWERI a.a.O. N. 476, der diesem Umstand jedenfalls dann kein Gewicht beimisst, "wenn sich (das Untersuchungsverfahren) noch im Anfangsstadium befindet"). Im Hinblick auf eine optimale Weiterführung und Beendigung des Verfahrens wäre es geradezu kontraproduktiv, wenn vom gesetzlichen Gerichtsstand im jetzigen Zeitpunkt noch abgewichen würde. Am Rande mag auch noch darauf hingewiesen werden, dass die weitaus gewichtigste Straftat im Kanton Bern begangen wurde. Die Täter erbeuteten Deliktsgut in Höhe von Fr. 6'800.-- und verursachten am Reisecar durch das Aufbrechen des Schlosses überdies einen Sachschaden von ca. Fr. 1'000.--. Die übrigen Delikte weisen einen viel geringeren Deliktsbetrag auf und wurden alle ohne Gewaltanwendung verübt. Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Bern werden berechtigt und verpflichtet erklärt, die B. und O. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
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CH
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Urteilskopf 122 I 279 38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Oktober 1996 i.S. Geschäftsvereinigung Limmatquai und Touring Club der Schweiz, Sektion Zürich gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich sowie Stadt Zürich gegen Geschäftsvereinigung Limmatquai, Stadt Zürich, Touring Club der Schweiz, Sektion Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 und Art. 37 Abs. 2 BV , persönliche Freiheit; Gemeindeautonomie; Zulässigkeit von Parkierungsgebühren. Art. 37 Abs. 2 BV gewährleistet die Gebührenfreiheit nur für den Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs und der Zweckbestimmung der öffentlichen Fläche (E. 2a-c). Für ein nicht mehr gemeinverträgliches Parkieren dürfen Gebühren verlangt werden, unabhängig davon, ob in der Nähe unentgeltliche Parkplätze zur Verfügung stehen (Änderung der Rechtsprechung) (E. 2d). In städtischen Gebieten kann ein Parkieren von mehr als 30 Minuten als gebührenpflichtiger gesteigerter Gemeingebrauch betrachtet werden (E. 2e). Parkierungsgebühren berühren die persönliche Freiheit nicht (E. 3). Es verletzt die Rechtsgleichheit nicht, wenn Parkierungsgebühren nur für einige zusammenhängende Gebiete einer Stadt eingeführt werden (E. 5). Die Zürcher Parkierungsgebühr verletzt das Äquivalenzprinzip nicht (E. 6). Der Regierungsrat verletzt die Autonomie der Stadt Zürich, wenn er die Umschreibung des örtlichen Geltungsbereichs der Parkierungsgebühr wegen angeblicher Verletzung der Rechtsgleichheit aufhebt (E. 8).
Sachverhalt ab Seite 280 BGE 122 I 279 S. 280 Am 25. September 1994 nahmen die Stimmberechtigten der Stadt Zürich "Vorschriften über die Parkierungs- und Parkuhrkontrollgebühren" an. Diese lauten wie folgt: Art. 1 Das mehr als 30 Minuten dauernde Parkieren auf mit Parkuhren oder zentralen Parkuhren versehenen Parkplätzen gilt in den in Art. 2 umschriebenen Gebieten als gebührenpflichtiger gesteigerter Gemeingebrauch. Art. 2 Die Innenstadt wird wie folgt begrenzt: (Umschreibung der Gebietes). Das Zentrum von Oerlikon wird wie folgt begrenzt: (Umschreibung des Gebiets). BGE 122 I 279 S. 281 Der Stadtrat wird ermächtigt, die Ausdehnung dieser Gebiete auf einzelne Strassen im Grenzbereich der Entwicklung anzupassen. Art. 3 Für das bis zu 30 Minuten dauernde Parkieren in der Innenstadt und im Zentrum von Oerlikon wird eine blosse Parkuhrkontrollgebühr von Fr. -.50 erhoben. Art. 4 Für das mehr als 30 Minuten dauernde Parkieren in der Innenstadt und im Zentrum von Oerlikon beträgt die Parkierungsgebühr Fr. 1 und die Parkuhrkontrollgebühr Fr. -.50 für jeweils 30 Minuten. Art. 5 In den übrigen Gebieten der Stadt Zürich wird eine blosse Parkuhrkontrollgebühr von Fr. -.50 für 1 Stunde erhoben. Art. 6 Der Stadtrat wird ermächtigt, diese Gebühren jeweils der Teuerung anzupassen, wenn sie seit der letzten Festlegung um mindestens 10% vom Zürcher Index der Konsumentenpreise abweichen. Art. 7 Für das Bedienen der Parkuhren sind die bundesrechtlichen Bestimmungen massgebend. Das Festlegen der Höchstparkierungsdauer und der Betriebszeit der Parkuhren liegt in der Zuständigkeit des Polizeiamtes. Art. 8 Diese Vorschriften treten auf den vom Stadtrat zu bestimmenden Zeitpunkt in Kraft. Auf diesen Zeitpunkt werden sämtliche mit ihnen im Widerspruch stehenden Bestimmungen und Beschlüsse aufgehoben. Art. 9 Zuwiderhandlungen werden mit Polizeibusse bestraft. Gegen diesen Gemeindebeschluss erhoben die Geschäftsvereinigung Limmatquai und 21 Mitbeteiligte sowie die Sektion Zürich des Touring Clubs der Schweiz und vier Mitbeteiligte zunächst erfolglos Gemeindebeschwerde an den Bezirksrat des Bezirks Zürich und anschliessend Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Dieser hiess mit Beschluss vom 8. November 1995 die Rekurse im Sinne der Erwägungen teilweise gut und hob die Art. 2 Abs. 1 und 2 des Gemeindebeschlusses, welche den örtlichen Geltungsbereich der Regelung festlegen, auf. Im übrigen wies er die Rekurse ab. Der Regierungsrat erwog, dass in stark frequentierten Zentrumsgebieten der Stadt Zürich ein Parkieren von mehr als 30 Minuten als gesteigerter BGE 122 I 279 S. 282 Gemeingebrauch qualifiziert werden könne und demzufolge die beanstandete Gebühr grundsätzlich zulässig sei. Hingegen stellte er fest, dass auch innerhalb des bezeichneten Innenstadtgebiets Blaue Zonen bestünden, auf denen ein gebührenfreies Parkieren bis zu 90, bzw. - über die Mittagszeit - bis zu 150 (recte 180) Minuten erlaubt sei. Das führe zu rechtsungleichen Zuständen, indem im gleichen Gebiet oder Strassenzug ein kürzeres oder längeres Parkieren als Gemeingebrauch betrachtet werde, je nachdem, ob der Platz als Blaue Zone signalisiert oder mit Parkuhren versehen sei. Die Umschreibung des örtlichen Geltungsbereichs der angefochtenen Regelung sei deshalb aufzuheben. Es stehe indessen der Stadt frei, in sich geschlossene, den Kriterien gemäss Art. 4 BV genügende Kernzonen auszuscheiden, in denen die angefochtene Regelung angewendet werden könne. Die Kosten des Rekursverfahrens von Fr. 5'185.-- wurden zu acht Neunteln den Rekurrenten auferlegt und die Stadt Zürich verpflichtet, den Rekurrenten je zusammen pauschal eine Umtriebsentschädigung von Fr. 550.-- zu bezahlen. Die Geschäftsvereinigung Limmatquai und 21 Mitbeteiligte (Beschwerdeführergruppe 1) erheben staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 37 Abs. 2 BV , der persönlichen Freiheit, der Rechtsgleichheit und des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips mit dem Antrag, den Entscheid des Regierungsrates insoweit teilweise aufzuheben, als er die Parkgebührenverordnung der Stadt Zürich bestätigt. Die Sektion Zürich des Touring Clubs der Schweiz und vier Mitbeteiligte (Beschwerdeführergruppe 2) erheben staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 37 Abs. 2 und Art. 4 BV mit dem Antrag, den Beschluss des Regierungsrates insoweit aufzuheben, als damit die Rekurse gegen die Vorschriften über die Parkierungs- und Parkuhrkontrollgebühren abgewiesen und den Beschwerdeführern Kosten des Rekursverfahrens auferlegt werden bzw. eine bloss reduzierte Parteientschädigung zugesprochen wird. Die Stadt Zürich erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie und von Art. 4 BV . Sie beantragt, Ziff. III des Regierungsratsbeschlusses insoweit aufzuheben, als Art. 2 Abs. 1 und 2 des Gemeindebeschlusses aufgehoben werden; im übrigen sei der Regierungsratsbeschluss zu bestätigen. Eventualiter beantragt sie, den Beschluss des Regierungsrates nur insoweit aufzuheben, als er die neuen Vorschriften in bezug auf den Postleitzahlenkreis 8001 aufgehoben hat, wodurch Art. 2 Abs. 1 auf den eigentlichen Innenstadtbereich redimensioniert würde. BGE 122 I 279 S. 283 Das Bundesgericht weist die staatsrechtlichen Beschwerden der Geschäftsvereinigung Limmatquai und Mitbeteiligte und des Touring Clubs der Schweiz, Sektion Zürich, und Mitbeteiligte ab und heisst diejenige der Stadt Zürich gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführergruppen 1 und 2 rügen eine Verletzung von Art. 37 Abs. 2 BV , da es unzulässig sei, bereits ab einer Parkdauer von 30 Minuten Parkplatzbenützungsgebühren zu erheben. a) Gemäss Art. 37 Abs. 2 BV dürfen für den Verkehr auf Strassen, die im Rahmen ihrer Zweckbestimmung der Öffentlichkeit zugänglich sind, keine Gebühren erhoben werden. Diese Bestimmung garantiert ein verfassungsmässiges Individualrecht, dessen Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann ( BGE 89 I 533 E. 4a S. 537; BGE 112 Ia 39 E. 1a S. 40 f.). b) Gemäss ständiger Praxis und einhelliger Lehre gewährleistet Art. 37 Abs. 2 BV die Gebührenfreiheit nur für den gemeinverträglichen Verkehr bzw. den Verkehr im Rahmen des Gemeingebrauchs ( BGE 89 I 533 E. 4c S. 538 f.; BGE 112 Ia 39 E. 1b S. 41; FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 234; ADRIAN HAAS, Staats- und verwaltungsrechtliche Probleme bei der Regelung des Parkierens von Motorfahrzeugen auf öffentlichem und privatem Grund, insbesondere im Kanton Bern, Diss. Bern 1994, S. 27, 79; TOBIAS JAAG, Gemeingebrauch und Sondernutzung öffentlicher Sachen, ZBl 93/1992 S. 145-168, 160 f.; TOBIAS JAAG, Gebührenpflichtiges Parkieren auf öffentlichem Grund, AJP 1994 S. 179-187, 183; PETER KÜTTEL, Das Strassenrecht des Kantons St. Gallen, Diss. St. Gallen 1969, S. 97 f.; MARTIN LENDI, Kommentar zur Bundesverfassung, Rz. 22 zu Art. 37; ROGER MARCO MEIER, Verkehrsberuhigungsmassnahmen nach dem Recht des Bundes und des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1989, S. 190; WALTER MÜLLER, Die öffentliche Strasse und ihre Benutzung nach aargauischem Verwaltungsrecht, Diss. Freiburg 1973, S. 66 f.; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. I, Bern 1984, S. 35). Dazu gehört nach der Praxis auch das kurzfristige Parkieren, weshalb dafür höchstens eine Kontrollgebühr verlangt werden darf ( BGE 112 Ia 39 E. 1b S. 42 und E. 2b/c S. 45 f., mit Hinweisen). Eine darüber hinaus gehende Benützung der Strassen stellt gesteigerten Gemeingebrauch dar, dessen Regelung - unter Vorbehalt anderer verfassungsmässiger Rechte - in der alleinigen Kompetenz BGE 122 I 279 S. 284 der Kantone (bzw. allenfalls der nach kantonalem Recht dafür zuständigen Gemeinden) steht ( BGE 108 Ia 111 E. 1b S. 113; ZBl 85/1984 S. 276 ff.). Die Kantone können dafür auch Benützungs- oder Lenkungsabgaben erheben (GYGI, a.a.O., S. 235 f.; HAAS, a.a.O., S. 79, 88, 114 ff.; JAAG, a.a.O. [1992] S. 161, a.a.O. [1994] S. 185; KÜTTEL, a.a.O., S. 98; LENDI, a.a.O., Rz. 22; PIERRE MOOR, Droit administratif, Vol. III, Bern 1992, S. 294; SCHAFFHAUSER, a.a.O., S. 35, 239; HUGO WERREN, Zur rechtlichen Analyse der Parkplatzbenützung, Diss. Zürich 1986, S. 39). c) Der Verkehr ist sodann gemäss Art. 37 Abs. 2 BV nur im Rahmen der Zweckbestimmung gebührenfrei. Ob und wie weit eine bestimmte Fläche für den Verkehr zweckbestimmt wird, richtet sich nach dem Recht des Gemeinwesens, dem die Hoheit über die öffentlichen Sachen zusteht. Es gibt keinen bundesverfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass bestimmte Verkehrsanlagen gebaut oder bestimmte Flächen dem Verkehr zur Verfügung gestellt werden. Das Gemeinwesen ist verfassungsrechtlich auch nicht verpflichtet, die bestehenden Strassenflächen im bisherigen Umfang dem Verkehr zu erhalten ( BGE 89 I 533 E. 4d S. 540; VPB 51.51 S. 307 f.). Es steht ihm - abgesehen von den Durchgangsstrassen und unter Vorbehalt anderer verfassungsmässiger Rechte - frei, eine Fläche, die bisher dem Verkehr gewidmet war, einer anderen Zweckbestimmung zuzuführen ( Art. 37bis Abs. 2 BV ; Art. 3 Abs. 3 SVG ; ZBl 96/1995 S. 508, E. 2 und 3; ZBl 85/1984 S. 276 ff.; ZBl 83/1982 S. 138 E. 1a; VPB 51.51 S. 302; VPB 44.24 S. 106; HAAS, a.a.O., S. 11, 82 ff.; MEIER, a.a.O., S. 50 ff., 122 ff.), wodurch die entsprechende Fläche aus dem Geltungsbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Gebührenfreiheit fällt. Art. 37 Abs. 2 BV legt nicht eine bestimmte Verkehrspolitik fest und schliesst nicht aus, dass das Gemeinwesen zum Beispiel aus städteplanerischen, wohnhygienischen oder umweltpolitischen Gründen die dem rollenden oder ruhenden Verkehr zur Verfügung stehende Fläche reduziert, um so das Verkehrsaufkommen zu beeinflussen (vgl. MEIER, a.a.O., S. 111 f.). Zulässig ist auch, das Parkieren auf öffentlicher Strasse völlig zu untersagen (VPB 44.24 S. 106 f.); gefordert wird einzig, dass - solange eine Fläche dem allgemeinen Verkehr zur Verfügung steht - dieser gebührenfrei sein muss. d) Das Bundesgericht hat in seiner früheren Praxis den Grundsatz aufgestellt, dass die Einführung einer Parkplatzgebühr nur zulässig sei, wenn in angemessenem Abstand genügend Parkplätze unentgeltlich zur Verfügung stehen ( BGE 89 I 533 E. 4d S. 541; BGE 94 IV 28 E. 3 S. 31; BGE 100 IV 98 E. 2 S. 100). In BGE 112 Ia 39 E. 1b S. 42 f. liess es offen, ob an diesem BGE 122 I 279 S. 285 Erfordernis festzuhalten sei. Die frühere Praxis wird in der neueren Lehre überwiegend kritisiert (HAAS, a.a.O., S. 88; JAAG a.a.O. [1992] S. 161, [1994] S. 183 f.; LENDI, a.a.O., Rz. 22; MEIER, a.a.O., S. 192 ff.; MOOR, a.a.O., S. 294; MÜLLER, a.a.O., S. 177 f.; WERREN, a.a.O., S. 40 f.). In der Tat vermengt sie zwei Fragen, die zu trennen sind: Ist das Parkieren gemeinverträglich, so sind Gebühren (allenfalls vorbehältlich geringer Kontrollgebühren) unzulässig, unabhängig davon, ob in der Nähe weitere Parkplätze zur Verfügung stehen oder nicht. Soweit das Parkieren den Gemeingebrauch übersteigt, dürfen hingegen Gebühren auch dann erhoben werden, wenn in der Nähe keine unentgeltlichen Parkplätze zur Verfügung stehen; die gegenteilige Auffassung würde darauf hinauslaufen, dass indirekt das Gemeinwesen doch verpflichtet wäre, Verkehrsflächen für gesteigerten Gemeingebrauch zur Verfügung zu stellen, was aber nach dem Gesagten nicht der verfassungsrechtlichen Lage entspricht. Die Frage, ob eine Parkierungsgebühr im Sinne einer Benützungs- oder Lenkungsabgabe zulässig sei, beurteilt sich somit einzig danach, ob das Parkieren als schlichter oder als gesteigerter Gemeingebrauch zu beurteilen ist (ebenso HAAS, a.a.O., S. 88, 114; JAAG, a.a.O. [1994] S. 184; LENDI, a.a.O., Rz. 22; MEIER, a.a.O., S. 193 ff.; MÜLLER, a.a.O., S. 179 f.). e) Es ist somit zu prüfen, ob die von der Stadt Zürich mit einer Benützungsgebühr belegte Parkierungszeit von mehr als 30 Minuten zum Gemeingebrauch gehört oder bereits gesteigerten Gemeingebrauch darstellt. aa) Zum gebührenfreien Verkehr gehört nach ständiger Praxis nicht nur der rollende, sondern in gewissem Umfang auch der ruhende Verkehr ( BGE 81 I 177 E. 6b S. 190; BGE 89 I 533 E. 4c S. 538 f.; BGE 112 Ia 39 E. 1a S. 41). Das Bundesgericht hat dies damit begründet, dass der rollende Verkehr in der Regel die Erreichung eines Zieles zum Zweck habe und daher auch die Vornahme der mit diesem Zweck verbundenen Vorrichtungen zum gemeingebräuchlichen Verkehr gehöre ( BGE 89 I 533 E. 4c S. 539). Das Anhalten und kurzfristige Stationieren sei somit notwendige Ergänzung des rollenden Verkehrs ( BGE 81 I 177 E. 6b S. 190). Es hat indessen nicht allgemeingültig festgelegt, bis zu welcher Zeitdauer das Parkieren noch als Gemeingebrauch bezeichnet werden kann. 1955 hielt es eine Gebühr für ein mehr als 15 Minuten dauerndes Parkieren für zulässig ( BGE 81 I 177 E. 6b S. 191). 1963 bezeichnete es als zum Gemeingebrauch gehörig auch das ungefähr einstündige Abstellen von Fahrzeugen, um einen Arzt- oder Kundenbesuch zu BGE 122 I 279 S. 286 tätigen oder Einkäufe zu machen, nicht aber ein Parkieren während der halb- oder ganztägigen Arbeitszeit oder während der ganzen Nacht ( BGE 89 I 533 E. 4c S. 539; ebenso BGE 108 Ia 111 E. 1b S. 113). In einem nicht publizierten Entscheid aus dem Jahre 1991 wies es darauf hin, dass nebst der Zeitdauer auch die örtlichen Gegebenheiten einen Einfluss auf die Abgrenzung zwischen kurzfristigem und Dauerparkieren haben; je nachdem könnten bereits Höchstparkierungszeiten von 15 bis 30 Minuten die Regel sein; eine obere Grenze für das Kurzparkieren dürfte bei 120 Minuten anzusetzen sein (nicht veröffentlichtes Urteil i.S. F. vom 1. Juli 1991, E. 4b). bb) Auch in der Lehre wird darauf hingewiesen, dass sich die Abgrenzung zwischen gemeingebräuchlichem und Dauerparkieren nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse festlegen lässt (JAAG, a.a.O. [1992] S. 153, [1994] S. 185; MEIER, a.a.O., S. 193 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 162 ff.; WERREN, a.a.O., S. 30). Dabei ist den zuständigen Behörden ein gewisser Ermessensspielraum in der Beurteilung der örtlichen Gegebenheiten zuzubilligen (KÜTTEL, a.a.O., S. 89; MÜLLER, a.a.O., S. 88). Als obere Grenze des gemeinverträglichen Parkierens wird in der älteren Lehre unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Praxis eine Dauer von einer Stunde bezeichnet (MÜLLER, a.a.O., S. 163, 176). Die neuere Lehre ist jedoch mehrheitlich der Ansicht, dass in städtischen Zentrumsgebieten bereits eine Parkierungsdauer von mehr als 15 bis 30 Minuten als gesteigerter Gemeingebrauch zu betrachten sei (HAAS, a.a.O., S. 81; JAAG, a.a.O. [1992] S. 153, JAAG, [1994] S. 186; MEIER, a.a.O., S. 61, 193; WERREN, a.a.O., S. 32 f.; für städtische Gebiete auch MÜLLER, a.a.O., S. 179 f.). cc) Kriterium für die Abgrenzung zwischen schlichtem und gesteigertem Gemeingebrauch ist insbesondere die Gemeinverträglichkeit der Nutzung; gemeinverträglich ist eine Nutzung dann, wenn sie von allen interessierten Bürgern gleichermassen ausgeübt werden kann, ohne dass andere an der gleichen Nutzung übermässig behindert werden (HAAS, a.a.O., S. 81; JAAG, a.a.O. [1992] S. 152; KÜTTEL, a.a.O., S. 74, 85 f.; WERREN, a.a.O., S. 29). Dabei ist nicht ausschlaggebend, dass - wie die Beschwerdeführergruppe 2 vorbringt - jedes auch nur minutenlang anhaltende Fahrzeug jedem anderen verunmöglicht, auf genau demselben Parkplatz ebenfalls anzuhalten, sondern massgebend ist, ob im fraglichen Bereich gesamthaft eine gleichartige Benützung durch alle Interessierten praktisch sichergestellt werden kann (MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, BGE 122 I 279 S. 287 5. Aufl., Basel 1976, Nr. 118.B.I.a S. 827). Unerheblich ist auch entgegen einer in der älteren Literatur zum Teil vertretenen Ansicht (KÜTTEL, a.a.O., S. 89; MÜLLER, a.a.O., S. 163) das individuelle Motiv des Parkierenden zur Inanspruchnahme eines Parkplatzes (HAAS, a.a.O., S. 81; JAAG, a.a.O. [1994] S. 185). Die Parkierungsdauer, die als noch gemeinverträglich bezeichnet werden kann, ergibt sich vielmehr aus dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage an Parkplätzen. Eine Tätigkeit, die gemeinverträglich ist, solange sie nur von wenigen ausgeübt wird, kann bei häufigerem Vorkommen zum gesteigerten Gemeingebrauch werden (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts i.S. A. vom 20. Dezember 1990, E. 3b). Je mehr Verkehrsteilnehmer einen Parkplatz benützen wollen, desto kürzer wird die Zeit, die jeder einzelne beanspruchen kann, ohne den übrigen Verkehrsteilnehmern die gleiche Benützung zu verunmöglichen, solange die Zahl der Parkplätze nicht vergrössert wird, wozu aber das Gemeinwesen nicht bundesverfassungsrechtlich verpflichtet ist (vorne E. 2c). dd) Der Regierungsrat geht im angefochtenen Entscheid davon aus, dass im Zentrum von Zürich ein erhebliches Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Parkgelegenheiten bestehe. Bei einer solchen Sachlage ist es dem Gemeinwesen nicht verwehrt, die Dauer des noch als gemeinverträglich zu betrachtenden Parkierens zu verkürzen, um Angebot und Nachfrage nach öffentlicher Parkierungsfläche ins Gleichgewicht zu bringen. Die Beschwerdeführergruppen 1 und 2 bestreiten die tatbeständlichen Annahmen des Regierungsrates nicht, sondern räumen selber ein, dass Parkplätze in Zürich Mangelware darstellen, und begründen ihre Einwendungen mit der - wie dargelegt - unzutreffenden Argumentation, dass ein Nachfrageüberhang es nicht rechtfertige, die als gemeingebräuchlich zu betrachtende Zeit zu verkürzen, bzw. dass es Aufgabe des Gemeinwesens sei, "genügend" Parkplätze zur Verfügung zu stellen. Es ist daher nicht dargetan, inwiefern die Auffassung des Regierungsrates in diesem Punkt verfassungswidrig sein soll. Aus diesen Gründen erweist es sich als zulässig, in den fraglichen Gebieten der Stadt Zürich ein Parkieren von mehr als 30 Minuten als gesteigerten Gemeingebrauch zu bezeichnen. Art. 37 Abs. 2 BV wird durch die Erhebung einer entsprechenden Benützungsgebühr nicht verletzt. ee) Liegt demnach keine Verletzung der Strassenfreiheit vor, stösst auch die damit verbundene Rüge der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips ins Leere. Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist zwar ein BGE 122 I 279 S. 288 verfassungsmässiges Prinzip, aber kein verfassungsmässiges Recht, dessen Verletzung der einzelne selbständig, ohne Zusammenhang mit der Anrufung eines besonderen Grundrechts geltend machen kann (ZBl 95/1994 S. 264, E. 2b; ZBl 89/1988 S. 462, E. 2; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. Bern 1994, S. 69; KARL SPÜHLER, Die Praxis der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, S. 143). 3. Die Beschwerdeführergruppe 1 rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit. Die persönliche Freiheit schützt nach der Praxis des Bundesgerichts alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung bilden; sie hat jedoch nicht die Funktion einer allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die sich der einzelne gegenüber jedem staatlichen Akt, der sich auf seine persönliche Lebensgestaltung auswirkt, berufen kann ( BGE 120 Ia 126 E. 7a S. 145, 147 E. 2a S. 149, je mit Hinweisen). Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer wird durch die Parkgebührenregelung der Stadt Zürich die Innenstadt nicht für gewisse Teile der Bevölkerung zur verbotenen Zone, sondern nur das Parkieren einer nicht übermässigen Gebühr unterworfen. Von einer Verletzung der persönlichen Freiheit kann keine Rede sein. 5. Die Beschwerdeführergruppe 1 rügt eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots, indem einige Gebiete, in denen der Parkplatzbedarf ebenso hoch sei wie in der Innenstadt, nicht der neuen Parkgebührenregelung unterstellt worden seien. a) Die Stadt Zürich hat die Parkplatzbenützungsgebühren nicht für das ganze Stadtgebiet, sondern nur für einen Teil davon eingeführt. Es liegt in der Natur einer solchen Regelung, dass die Gebiete, in denen diese gelten soll, irgendwie bezeichnet und von anderen Gebieten abgegrenzt werden müssen. Dem Rechtsgleichheitsgebot kann insoweit - wie in der Raumplanung - nur eine abgeschwächte Bedeutung zukommen. Verfassungsrechtlich genügt, dass die Grenzziehung sachlich vertretbar, das heisst nicht willkürlich ist. Das Gebot der Rechtsgleichheit fällt insoweit mit dem Willkürverbot zusammen ( BGE 114 Ia 254 E. 4a S. 257; BGE 118 Ia 151 E. 6c S. 162, je mit Hinweisen). b) Die Stadt Zürich hat die Parkierungsgebühr für zusammenhängende Gebiete in der Innenstadt und in Oerlikon eingeführt. Eine solche Abgrenzung erscheint als sachlich haltbar und ist nicht willkürlich. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass in diesen Gebieten generell eine grosse Nachfrage nach Parkplätzen besteht, sondern bringen nur vor, in einigen anderen, nicht unter die neue Regelung fallenden Gebieten sei die BGE 122 I 279 S. 289 Nachfrage ebenso gross. Es bietet indessen sowohl für die Stadt als auch für die Verkehrsteilnehmer Vorteile, wenn nach klar abgrenzbaren Bereichen festgelegt wird, wo die Regelung gilt und wo nicht. Dass damit einige Strassen, in denen eine ebenso grosse Nachfrage nach Parkplätzen besteht, ausserhalb des Geltungsbereichs fallen oder umgekehrt, ist nicht willkürlich. 6. Die Beschwerdeführergruppe 1 rügt eine Verletzung des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips. a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bedürfen öffentliche Abgaben der Grundlage in einem formellen Gesetz. Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur Festlegung einer Abgabe an den Verordnungsgeber, so muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand und die Bemessungsgrundlage selber festlegen, doch können diese Anforderungen für gewisse Arten von Kausalabgaben gelockert werden, wenn das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt wird ( BGE 121 I 230 E. 3e S. 235, 273 E. 3a S. 274 f., je mit Hinweisen). Diese Prinzipien haben somit auch den Charakter eines Surrogats für eine ungenügende gesetzliche Grundlage ( BGE 121 I 230 E. 3e S. 235, mit Hinweisen). Mit formellgesetzlicher Grundlage ist es demgegenüber zumindest bei Benützungsgebühren für gesteigerten Gemeingebrauch zulässig, Abgaben zu erheben, die einen Mehrertrag abwerfen ( BGE 104 Ia 113 E. 3 S. 116; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Zürich 1993, S. 490 Rz. 2052; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Aufl. Basel 1991, S. 582 Rz. 2826 und S. 622, Rz. 3042; MEIER, a.a.O., S. 195 f.; RENÉ RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 110.B.IV, S. 339). b) Vorliegend besteht eine formell-gesetzliche Grundlage, nachdem die Stimmberechtigten der Stadt Zürich die Vorlage angenommen haben. Die Frage des Kostendeckungsprinzips stellt sich daher nicht mehr. c) Das Äquivalenzprinzip bedeutet, dass die Abgabe nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss ( BGE 121 I 230 E. 3g/bb S. 238). Dafür kann namentlich auf Vergleiche mit privatwirtschaftlich angebotenen Gütern abgestellt werden (ebenda). Hinzu kommt, dass die Parkierenden nicht etwa hoheitlich verpflichtet werden, die Gebühr zu BGE 122 I 279 S. 290 bezahlen; vielmehr steht es ihnen frei, auf private Parkplätze auszuweichen (und allenfalls dort einen privatrechtlich festgelegten Preis zu bezahlen), öffentliche Verkehrsmittel zu benützen oder sonstwie auf die Benützung gebührenpflichtiger öffentlicher Parkplätze zu verzichten. Sollte die von der Stadt festgelegte Gebühr höher liegen als der Marktwert der Parkplatzbenützung, würde eine erhebliche Zahl von Verkehrsteilnehmern darauf verzichten. Somit besteht ein gewisser Mechanismus, der die Abgabenhöhe nach marktwirtschaftlichen Prinzipien reguliert (vgl. BGE 121 I 230 E. 3g/dd S. 239). Soweit das Äquivalenzprinzip anwendbar ist, ist es jedenfalls nicht verletzt. 8. Die Stadt Zürich rügt eine Verletzung ihrer Gemeindeautonomie, indem der Regierungsrat willkürlich angenommen habe, durch die Festlegung des Geltungsbereichs der Gebührenregelung werde die Rechtsgleichheit verletzt. a) Der Regierungsrat anerkennt, dass die Gemeinde in der Regelung des gesteigerten Gemeingebrauchs autonom ist. Er wirft ihr einzig vor, von ihrer Autonomie in verfassungswidriger Weise Gebrauch gemacht zu haben. b) Demgegenüber stellt die Beschwerdeführergruppe 2 die Autonomie der Stadt Zürich in Abrede. Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt ( BGE 120 Ia 203 E. 2a S. 204; BGE 120 Ib 207 E. 2 S. 209; BGE 119 Ia 113 E. 2 S. 115; BGE 118 Ia 446 E. 3b S. 453, mit Hinweisen). Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung des kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus ( BGE 119 Ia 285 E. 4b S. 294 f., mit Hinweisen). Im einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht, wobei das Bundesgericht die Anwendung des Gesetzesrechts nur auf Willkür hin überprüft ( BGE 121 I 155 E. 4 S. 159; BGE 120 Ia 203 E. 2a S. 204). Da es vorliegend nicht um eine funktionelle Verkehrsanordnung, sondern um die Regelung des gesteigerten Gemeingebrauchs geht, ist der Hinweis der Beschwerdeführergruppe 2 auf die bundesrechtliche Ordnung der BGE 122 I 279 S. 291 Strassensignalisation unbehelflich. Ebensowenig schliesst § 1 des kantonalen Strassengesetzes eine kommunale Autonomie aus; diese Bestimmung legt nur fest, dass das Gesetz Anwendung findet auf Strassen, die dem Gemeingebrauch gewidmet sind, sagt aber nichts aus über die Regelung des gesteigerten Gemeingebrauchs. Es ist somit davon auszugehen, dass die Stadt Zürich in dieser Frage autonom ist. c) Ist eine Gemeinde in einem Sachbereich autonom, kann sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde insbesondere dagegen wehren, dass eine kantonale Behörde in einem Rechtsmittel- oder Genehmigungsverfahren ihre Prüfungsbefugnis überschreitet oder die den betreffenden Sachbereich ordnenden kommunalen, kantonalen oder bundesrechtlichen Normen falsch anwendet. Dabei überprüft das Bundesgericht die Anwendung von eidgenössischem oder kantonalem Verfassungsrecht frei ( BGE 120 Ia 203 E. 2a, S. 204; BGE 119 Ia 214 E. 3a S. 218, mit Hinweisen). d) Der Regierungsrat begründet seine Auffassung damit, dass auch innerhalb des in Art. 2 des Gemeindebeschlusses bezeichneten Gebietes Blaue Zonen bestünden, auf denen das Parkieren während 90 bzw. - über die Mittagszeit - während 150 (recte 180) Minuten zulässig sei. Es gehe jedoch nicht an, das Parkieren von beispielsweise einer Stunde Dauer auf ein und demselben Teilstück eines Strassenzuges je nachdem als gemeingebräuchlich oder als gesteigerten Gemeingebrauch zu bezeichnen. e) Diese Auffassung beruht auf einer Überspannung des Rechtsgleichheitsprinzips. aa) Dem Rechtsgleichheitsprinzip kann bei Massnahmen im Bereich der Verkehrsplanung nur eine abgeschwächte Bedeutung zukommen (VPB 51.51 S. 307 f.; MEIER, a.a.O., S. 130 f.; vgl. auch E. 5a). Es ist gerichtsnotorisch, dass es in vielen Ortschaften der Schweiz in ein und demselben Quartier einerseits gebührenpflichtige Parkfelder (mit Parkuhren), andererseits Parkplätze mit Blauer (oder Roter) Zone sowie Gratisparkplätze ohne jegliche Begrenzung gibt. Die Rechtsauffassung des Regierungsrates hätte zur Konsequenz, dass die Parkplatzregelungen vieler Gemeinden als verfassungswidrig bezeichnet werden müssten. Sie stünde nicht nur im Widerspruch zur Rechtswirklichkeit, sondern trifft auch nicht zu. In der Ausgestaltung des gesteigerten Gemeingebrauchs geniesst das Gemeinwesen eine erhebliche Freiheit. Wenn es dafür auf einigen Plätzen eine Gebühr verlangt, so folgt daraus nicht eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, für alle anderen Plätze gleichermassen eine Gebühr zu erheben. Es steht ihm BGE 122 I 279 S. 292 grundsätzlich frei, auch innerhalb eines bestimmt umgrenzten Gebietes die einen Parkplätze unentgeltlich, die anderen jedoch nur gegen Gebühr zur Verfügung zu stellen. Das braucht nicht rechtsungleich zu sein, sondern kann im Gegenteil ein zweckmässiges Mittel darstellen, um in einem städtischen Gebiet eine adäquate Feinsteuerung des Parkplatzangebots zu erreichen. bb) Das Bundesgericht hat in seiner früheren Praxis als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Parkuhrgebühren verlangt, dass in angemessenem Abstand unentgeltliche Parkplätze vorhanden seien (vorne E. 2d). Das hatte zur notwendigen Folge, dass in ein und demselben Stadtgebiet nebst gebührenpflichtigen auch gebührenfreie Parkplätze errichtet wurden. Wenn auch an dieser Anforderung nach dem Vorstehenden nicht mehr festgehalten wird, so kann doch nicht behauptet werden, das Bundesgericht habe mit jener Praxis geradezu etwas Verfassungswidriges verlangt. cc) Eine Rechtsungleichheit läge erst dann vor, wenn durch die Gebührenregelung bestimmte Benützergruppen ohne sachlichen Grund privilegiert oder benachteiligt würden. Solches wirft der Regierungsrat der Stadt indessen nicht vor. Im Gegenteil hält er ausdrücklich fest, es sei für seine Beurteilung unerheblich, dass gesteigerter Gemeingebrauch bei Parkfeldern innerhalb von Blauen Zonen nur bestimmten Berechtigten, nämlich den Inhabern von Parkkarten nach Massgabe der Parkkartenvorschriften, bewilligt werde. Ein solches System, welches dazu dient, den Anwohnern bestimmte Parkvorrechte einzuräumen, erscheint in der Tat als mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar, da die tatsächliche Situation von Anwohnern und Nichtanwohnern unterschiedlich ist, was jedenfalls in stark belasteten städtischen Gebieten eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt (ZBl 92/1991 S. 266 E. 4c; HAAS, a.a.O., S. 92 ff.; MEIER, a.a.O., S. 136-144.). Von dieser verfassungsrechtlich zulässigen Anwohnerprivilegierung abgesehen, werden durch die Parkplatzregelung der Stadt Zürich aber nicht bestimmte Personengruppen bevorzugt oder benachteiligt; die Regelung gilt für alle Verkehrsteilnehmer gleichermassen. Es wird keine sachlich unhaltbare Unterscheidung nach bestimmten Benützergruppen getroffen (vgl. ZBl 83/1982 S. 138 E. 4). Der blosse Umstand, dass in einigen Strassen innerhalb des Geltungsbereichs der neuen Regelung neben Parkplätzen mit Parkuhren auch Blaue Zonen bestehen, kann deshalb nicht als Verletzung der Rechtsgleichheit betrachtet werden. BGE 122 I 279 S. 293 f) Indem der Regierungsrat zu Unrecht den Beschluss der Gemeinde Zürich (teilweise) als verfassungswidrig bezeichnet und aufgehoben hat, hat er deren Autonomie verletzt, so dass sein Beschluss insoweit aufzuheben ist.
public_law
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1,996
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Federation
11881a8a-5f97-4e68-a4ad-21ffb5c00790
Urteilskopf 106 Ib 145 24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Juli 1980 i.S. Bank X. gegen Eidg. Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Behandlung ungewöhnlicher Bankgeschäfte ( Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG ; Art. 9 Abs. 3 BankV ; Anhang II lit. C BankV). 1. Banken sind nach Art. 9 Abs. 3 BankV verpflichtet, bei ungewöhnlichen Geschäften von allen Vertragspartnern schriftliche Erklärungen über Absicht und Begründung des gewählten Vorgehens zu verlangen und sich über deren Wahrheitsgehalt zu vergewissern. Frage offengelassen, ob eine Bank, die im Verhältnis zu ihren Eigenmitteln für sehr hohe Beträge Wertschriftengeschäfte mit liechtensteinischen Anstalten tätigt, noch Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG bietet (E. 2). 2. Berührt ein Geschäft das Vermögen einer Bank nicht, so ist es als Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II lit. C BankV zu betrachten, auch wenn es von den Parteien durch eine Mehrzahl kombinierter Verträge begründet und nicht als Auftrag bezeichnet wird (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 106 Ib 145 S. 146 Am 14. April 1977 erstattete die Bank X. der Eidg. Bankenkommission eine Risikoverteilungsmeldung. Verschiedene Erkundigungen der Eidg. Bankenkommission ergaben in der Folge, dass zwei liechtensteinische Anstalten der Bank X. Auftrag erteilt hatten, die Gründerrechte verschiedener liechtensteinischer Anstalten, die Aktien einer liechtensteinischen Gesellschaft sowie ein Aktienpaket eines Konzerns zu verkaufen. Die Aufträge sind von einem Direktor der Bank X. unterzeichnet, der gleichzeitig Verwalter der betreffenden Anstalten ist. Die Bank X. übernahm die Titel selbst. In einer Vereinbarung vom selben Tag mit der liechtensteinischen Gesellschaft Y. verpflichtete sich die Bank X., dieser die Titel zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu übertragen und zwar zum selben Preis, den die Bank X. bezahlt hatte. Zur Sicherstellung der Kaufpreisschuld wurde die eine Hälfte des Preises auf einem Konto der Gesellschaft Y., die andere Hälfte auf einem Konto der Anstalt Z., einer der verkaufenden liechtensteinischen Anstalten, bei der Bank X. blockiert. Die Titel wurden der Anstalt Z. zur Sicherstellung verpfändet. Zur Übertragung der Titel wird die Gesellschaft Y. nach der Vereinbarung die zweite Hälfte des Kaufpreises an die Bank X. leisten, die ihrerseits das verpfändete Guthaben der Anstalt Z. freigeben soll, worauf die Anstalt Z. die verpfändeten Titel der Gesellschaft Y. auszuliefern hat. BGE 106 Ib 145 S. 147 Der Termin für diese Übertragung wurde mehrfach hinausgeschoben. Die wirtschaftlichen Hintergründe der Transaktion sind im Laufe der Abklärungen nur teilweise durchsichtig geworden. Mit Entscheid vom 7. März 1979 verfügte die Eidg. Bankenkommission, die Rechte und Pflichten der Bank X. aus den am 14. April 1977 der Bankenkommission gemeldeten und noch in Kraft stehenden Verträgen seien ab sofort gemäss den Bestimmungen der Bankengesetzgebung über die buchhalterische Behandlung von Treuhandgeschäften ordnungsgemäss zu verbuchen, jedoch nicht in die Bilanz aufzunehmen (Anhang II zur BankV, SR 952.02). Ausserdem wies die Eidg. Bankenkommission die Bank X. in dieser Verfügung darauf hin, dass sie in Zukunft bei derartigen ungewöhnlichen Geschäften mit grösserer Sorgfalt vorzugehen habe. Das Bundesgericht hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Bank X. gegen diese Verfügung abgewiesen, aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 2. a) Schon aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG ergibt sich klar, dass die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit einer Bank nur erteilt - bzw. belassen - werden kann, wenn die mit der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Die Verantwortlichen einer Bank haben sich - entsprechend dem Hauptzweck des Gesetzes im Interesse der Gläubiger - über gute Berufskenntnisse auszuweisen und müssen fähig sein, die Geschäfte der Bank sachkundig und sorgfältig zu führen (vgl. BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum BankG N. 16-18 zu Art. 3-3ter). Aber die fachlichen Fähigkeiten genügen nicht. Die Interessen der Gläubiger sind auch gefährdet, wenn die mit der Verwaltung und Geschäftsführung einer Bank betrauten Personen des Vertrauens ihrer Kunden und des Publikums nicht mehr würdig sind (vgl. zum Begriff des "guten Leumunds" eines Revisors BGE 99 Ib 110 E. 5 und eines Direktors unveröff. Entscheid vom 16. Juni 1978 i.S. B., E. 3 b, c). b) Die Eidg. Bankenkommission hat im vorliegenden Fall aufgrund der Mitteilung der Beschwerdeführerin vom 14. April 1977 weitere Auskünfte und Belege über das umstrittene Geschäft zuerst von der Revisionsstelle und dann direkt von der BGE 106 Ib 145 S. 148 Beschwerdeführerin verlangt. Da diese die Fragen der Bankenkommission nur teilweise, und oft auch mit Verspätung, beantwortete, haben die Abklärungen fast zwei Jahre gedauert. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die lange Dauer der Untersuchung nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Bankenkommission gezögert hätte, einzugreifen; sie ist im Gegenteil der fehlenden Bereitschaft der Beschwerdeführerin zuzuschreiben, umfassend Auskunft zu erteilen. Es ist übrigens fraglich, ob eine Bank noch Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG bietet, wenn sie für sehr hohe Beträge - im Verhältnis zu ihren Eigenmitteln - Wertschriftengeschäfte mit liechtensteinischen Anstalten tätigt, deren rechtliche Existenz überhaupt schon zweifelhaft ist und die jedenfalls praktisch keinerlei Gewähr für ihre Solvenz bieten. Im vorliegenden Fall haben überdies hohe Funktionäre der Beschwerdeführerin die umstrittenen Rechtsgeschäfte zwischen Bank und beteiligten Anstalten im Namen und für Rechnung der betreffenden Anstalten unterzeichnet. Nach schweizerischem Recht sind aber sowohl der Vertrag mit sich selbst wie die Doppelvertretung wegen der Gefahr der Benachteiligung einer Vertragspartei grundsätzlich untersagt und ein Rechtsgeschäft ist deshalb nach der Rechtsprechung in der Regel nichtig, wenn der Vertreter einer Partei gleichzeitig Vertreter oder Organ der Gegenpartei ist ( BGE 99 Ia 9 E. 3 d, BGE 95 II 452 E. 5 jeweils mit Hinweisen). Schliesslich scheinen die verschiedenen, an der Transaktion beteiligten Anstalten jedenfalls zum Teil derselben Person zu gehören. Es erscheint deshalb fraglich, ob sich der Zweck des Geschäftes nicht darin erschöpft, den wirklichen Eigentümer der Titel noch anonymer zu machen - ein Ziel, dessen Rechtmässigkeit zum vorneherein als zweifelhaft erscheint. Die Eidg. Bankenkommission hat sich unter diesen Umständen zu Recht gefragt, ob die Voraussetzung einwandfreier Geschäftstätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG noch erfüllt sei. c) Die Bankenkommission hat der Beschwerdeführerin in der angefochtenen Verfügung in Erinnerung gerufen, dass zwar auch ungewöhnliche Geschäfte einer Bank nicht verboten sind, "sofern sie dabei die Sorgfaltspflicht und die Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit nicht verletzt". Die Bank ist in einem solchen Fall gemäss Art. 9 Abs. 3 BankV verpflichtet, von allen ihren Partnern schriftliche Erklärungen zu verlangen, BGE 106 Ib 145 S. 149 aus denen Absicht und Begründung des gewählten ungewöhnlichen Vorgehens klar hervorgehen; sie hat sich ausserdem über den Wahrheitsgehalt dieser Erklärungen zu vergewissern. Dieses Vorgehen soll sachkundigen Dritten, in erster Linie der Revisionsstelle, aber auch der Bankenkommission, ermöglichen, die Geschäfte aufgrund aussagekräftiger Unterlagen zu überblicken und namentlich zu beurteilen, ob die Voraussetzung einwandfreier Geschäftstätigkeit gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG noch erfüllt ist ( Art. 19 Abs. 1 BankG , Art. 23bis ff. BankG ). Da die Bankenkommission in der angefochtenen Verfügung darauf verzichtet hat, der Beschwerdeführerin oder ihren Organen die Bewilligung zur Ausübung der Geschäftstätigkeit zu entziehen, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt wären. Es genügt festzuhalten, dass der Eidg. Bankenkommission jedenfalls kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass sie der Beschwerdeführerin die Grundsätze des Art. 9 Abs. 3 BankV in Erinnerung gerufen hat. 3. Die unmittelbare Kontrolle der Buchführung obliegt in erster Linie den Revisionsorganen ( BGE 103 Ib 356 E. 7 a, BGE 99 Ib 110 E. 5). Nach Art. 23ter Abs. 1 BankG ist die Eidg. Bankenkommission jedoch zum Einschreiten berechtigt bzw. verpflichtet, wenn sie Verstösse gegen die Bilanzierungsvorschriften oder andere Missstände erfährt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hat die Eidg. Bankenkommission im vorliegenden Fall zu Recht einen Verstoss gegen die Bilanzierungsvorschriften angenommen. Die Bilanz soll den Beteiligten, d.h. grundsätzlich den Gesellschaftsorganen und den Gesellschaftern, einen möglichst sicheren Überblick über die wirtschaftliche Lage eines Geschäftes verschaffen. Es gilt deshalb der Grundsatz, dass bei der Bilanzierung von Geschäftsvorgängen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gegenüber der juristischen der Vorrang gebührt (vgl. G.-C. BOURQUIN, Le principe de sincérité du bilan, Genève 1976, S. 322, R. PATRY, Die kaufmännische Buchführung, in Schweizerisches Privatrecht Bd. VIII/1 S. 187 Ziff. 3, G. BEELER, Schweizerisches Buchführungs- und Bilanzrecht, Zürich 1956 S. 22). Die Bankbilanz dient nicht nur der Orientierung der Gesellschafter selbst, sondern soll auch den Bankgläubigern und überhaupt dem Publikum sowie der Aufsichtsbehörde einen sicheren Einblick in die wirtschaftliche Lage der BGE 106 Ib 145 S. 150 Bank vermitteln (KLEINER, Die Gesetzgebung über das Bankwesen in Bund und Kantonen, 2. Aufl. Zürich S. 43, BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O. N. 28-32 zu Art. 6). Bankbilanzen haben aus diesem Grunde neben den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen noch den besonderen Gliederungsvorschriften der Bankengesetzgebung zu genügen. Nach Anhang II lit. C Abs. 4 BankV sind Treuhandgeschäfte ordnungsgemäss zu verbuchen, jedoch nicht in die Bilanz aufzunehmen. Unter Treuhandgeschäften sind nach Anhang II lit. C Abs. 5 BankV zu verstehen: "Anlagen und Kredite, welche die Bank in eigenem Namen, jedoch auf Grund eines schriftlichen Auftrags ausschliesslich für Rechnung und Gefahr des Kunden tätigt oder gewährt. Der Auftraggeber trägt das Währungs-, Transfer- und Delcredererisiko, ihm kommt der volle Ertrag des Geschäfts zu; die Bank bezieht nur eine Kommission." Dem Treuhandgeschäft ist wesentlich, dass der Treuhänder zwar juristisch als Berechtigter, namentlich als Eigentümer, erscheint, jedoch im Interesse, auf Rechnung und Gefahr eines Dritten handelt; das Vermögen des Treuhänders wird deshalb weder durch die treuhänderische Berechtigung vermehrt noch durch allfällige Verpflichtungen aus Treuhandgeschäften vermindert. Die Vorschrift über die buchhalterische Behandlung von Treuhandgeschäften will im Interesse der Bilanzwahrheit und -klarheit verhindern, dass Geschäfte in der Bilanz aufgeführt werden, die die Vermögenslage der Bank nicht berühren. Die Bilanz soll nicht durch derartige indifferente Geschäfte in unvertretbarem Masse aufgebläht werden, denn dadurch erscheint weder die Bilanzsumme im eigentlichen Verhältnis zur Bedeutung der Bank, noch wird die Struktur von Aktiven und Passiven unverzerrt dargestellt. Dass das Treuhandverhältnis rechtlich als Auftrag zu qualifizieren ist ( BGE 99 II 396 E. 6) bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass kein Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II lit. C BankV vorliegen kann, wenn die Parteien ihr Treuhandverhältnis durch eine Mehrzahl kombinierter Verträge begründen und ihr Verhältnis nicht als Auftrag bezeichnen. Nach dem Zweck der Vorschrift über die Behandlung von Treuhandgeschäften gemäss der Bankengesetzgebung ist vielmehr zu untersuchen, ob das betreffende Geschäft als solches die Vermögenslage der Bank berührt, oder ob die Bank zwar in ihrem Namen, jedoch ausschliesslich auf Rechnung und Gefahr ihres Kunden handelt. Berührt das Geschäft das Vermögen der Bank nicht, BGE 106 Ib 145 S. 151 so liegt ein Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II BankV vor. Die Beschwerdeführerin betont, es entstehe ihr aus der umstrittenen Transaktion kein Risiko. Das Geschäft selbst bietet ihr auch keinerlei Gewinnchancen. Ihr Interesse daran beschränkt sich auf die Kommissionen. Da die Kaufpreissumme bei der Beschwerdeführerin blockiert ist, während gleichzeitig die Titel der Anstalt Z. verpfändet sind, wird auch das Haftungssubstrat für die übrigen Bankgläubiger nicht verändert. Da überdies die dem Geschäft zugrundeliegenden Verträge schriftlich vorliegen, ist auch der Beweis für das Vertragsverhältnis erbracht (vgl. BODMER/KLEINER/LUTZ, a.a.O. N. 67 zu Art. 6). Die Beschwerdeführerin hält somit die Titel ausschliesslich für Rechnung und Gefahr ihres Kunden in ihrem Eigentum, ohne dass dadurch ihre Vermögenslage beeinflusst würde, was als Treuhandgeschäft im Sinne von Anhang II lit. C BankV zu betrachten ist; sie durfte das umstrittene Geschäft nicht in die Bilanz aufnehmen. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen der Bankenkommission waren somit erfüllt; da sich die Bankenkommission darauf beschränkt hat, für die Zukunft die separate Aufführung der Titel zu verlangen, kann ihr auch kein qualifizierter Ermessensfehler vorgeworfen werden.
public_law
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
11893b28-ac39-48ed-a0ac-5f0866e53d5e
Urteilskopf 83 IV 82 22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1957 i.S. Lüdi gegen Statthalteramt Uster.
Regeste Art.17 Abs.2MFG. Wann befindet sich der Führer "in einem andern Zustand, der ihn in der Beherrschung des Fahrzeugs behindert"?
Erwägungen ab Seite 82 BGE 83 IV 82 S. 82 Der Führer darf die Sicherheit des Verkehrs nicht durch Übermüdung oder einen andern Zustand, der ihn in der Beherrschung des Fahrzeugs behindert, gefährden (Art. 17 Abs. 2 MFG). Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Bestimmung sei nicht erfüllt, weil er nach den Feststellungen des Einzelrichters weder ausgesprochen übermüdet noch ausgesprochen angetrunken gewesen sei und von einem "andern Zustand" nur gesprochen werden könne, BGE 83 IV 82 S. 83 wenn narkotische Mittel, Rauschgifte, Unwohlsein, Krankheit, grosses Schlafbedürfnis, Schwächegefühle, grosser Hunger oder Durst den Führer in der Beherrschung des Fahrzeugs beeinträchtigten. Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten. Da Art. 17 Abs. 2 MFG die Sicherheit des Verkehrs gewährleisten will, kann die Anwendbarkeit der Bestimmung objektiv nur vom Zustande abhangen, in dem der Führer sich befindet, gleichgültig, welche Vorgänge ihn verursacht haben. Jede Aufzählung von Ursachen in der Literatur (vgl. STREBEL Art. 17 N. 65; STADLER Art. 17 N. 5) hat nur den Sinn von Beispielen, und insbesondere kommt nichts darauf an, ob der die Sicherheit des Verkehrs gefährdende Zustand nur eine einzige oder ob er eine Mehrheit von Ursachen habe. Daher ist unerheblich, ob der Beschwerdeführer trotz des Alkoholgehaltes seines Blutes das Fahrzeug noch sicher hätte führen können, wenn er vollständig ausgeruht gewesen wäre, und ob anderseits das Schlafbedürfnis nicht so gross war, dass es einen vollständig nüchternen Führer in der Beherrschung des Wagens behindert hätte. Es genügt, dass der Beschwerdeführer sowohl unter dem Einfluss des Alkohols, als auch des erhöhten Schlafbedürfnisses stand. Dass beide Ursachen zusammen ihm die sichere Führung des Fahrzeuges nicht mehr erlaubten, ist nicht zu bezweifeln. Der Alkoholgehalt des Blutes war mit 0,8-0,9 Gewichtspromille so beträchtlich, dass man sich fragen könnte, ob der Beschwerdeführer sich nicht sogar schon in angetrunkenem Zustande befand. Auch muss die in festlicher Gesellschaft verbrachte Nacht, der am Nachmittag des Vortages nur zwei bis drei Stunden Schlaf vorausgegangen waren, den Beschwerdeführer bedeutend ermüdet haben. Die höchstens anderthalbstündige Ruhe, die er sich gegen Morgen gönnte, kann seine Kräfte nicht genügend wiederhergestellt haben, zumal ihr eine Kette von Wirtshausbesuchen auf dem Fusse folgten, die neue Ermüdung brachten. Dass der Zustand des Beschwerdeführers sich BGE 83 IV 82 S. 84 durch Schwanken oder sonstwie geäussert habe, ist nicht nötig. Die Gefahr eines Versagens am Steuer, z.B. wegen Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit, war dennoch wesentlich erhöht. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht bestraft worden.
null
nan
de
1,957
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
118a0a7a-85a7-4d7b-8f20-6e9384158a9c
Urteilskopf 137 I 195 19. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft E. und Betreibungsamt F. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_791/2010 vom 23. März 2011
Regeste Art. 29 Abs. 2 BV , Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; Anspruch auf rechtliches Gehör, Replikrecht. Die Wahrnehmung des Replikrechts als Teilaspekt des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK setzt die Zustellung der von den übrigen Verfahrensbeteiligten eingereichten Eingaben voraus. Hat das Gericht eine solche Eingabe nicht zugestellt, befindet sie sich jedoch bei den Akten, kann die Rechtsmittelinstanz die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht mit dem blossen Verweis auf die Möglichkeit der Akteneinsicht heilen (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 195 BGE 137 I 195 S. 195 A. Die Ehegatten A. und B. sowie C. und D. (nachfolgend Beschwerdeführer) sind Stockwerkeigentümer mit Sonderrecht an einer BGE 137 I 195 S. 196 4 1⁄2- beziehungsweise 3 1⁄2-Zimmerwohnung. Sie sind alle Mitglieder der Stockwerkeigentümergemeinschaft E. (nachfolgend Beschwerdegegnerin). Mit "beschwerdefähiger Verfügung" vom 22. Juli 2010 kündigte das Betreibungsamt F. den Beschwerdeführern im Rahmen mehrerer Betreibungsverfahren die Durchführung der Schätzung ihrer Stockwerkeigentumsanteile auf den 26. August 2010, 09.00 Uhr, an. B. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an das Bezirksgericht Dielsdorf als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Mit Verfügung vom 16. August 2010 forderte das Bezirksgericht das Betreibungsamt zur ("obligatorischen") Vernehmlassung und die Beschwerdegegnerin zur Einreichung einer Beschwerdeantwort auf. Die Beschwerdegegnerin und das Betreibungsamt reichten jeweils am 27. August 2010 eine Beschwerdeantwort beziehungsweise Vernehmlassung ein. In seinem Beschluss vom 7. September 2010 trat das Bezirksgericht auf die Beschwerde nicht ein. C. Die Beschwerdeführer gelangten mit Rekurs vom 17. September 2010 an das Obergericht des Kantons Zürich als obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Neben der Aufhebung des bezirksgerichtlichen Beschlusses verlangten sie insbesondere Einsicht in die Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin beziehungsweise in die Vernehmlassung des Betreibungsamtes und die Einräumung einer Frist zur Beschwerdeergänzung. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2010 hiess das Obergericht den Rekurs in einem Nebenpunkt teilweise gut. Im Übrigen wies es den Rekurs ab, soweit es darauf eintrat. D. Dem Bundesgericht beantragen die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde vom 11. November 2010 insbesondere die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses (mit Ausnahme einer Dispositivziffer). Das Obergericht und das Betreibungsamt haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut, soweit es darauf eintritt, hebt die Dispositivziff. 1, 3 und 5 des angefochtenen Urteils auf und weist die Sache insoweit zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen BGE 137 I 195 S. 197 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführer rügen hauptsächlich eine Verletzung ihres Replikrechts als Ausfluss ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. 2.2 Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Dessen Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides ( BGE 135 I 279 E. 2.6.1 S. 285). Diese Rüge ist deshalb vorweg zu behandeln. 2.3 2.3.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Garantie umfasst auch das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können (sog. Replikrecht: BGE 133 I 98 E. 2.1 S. 99). Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass die fragliche Eingabe der Partei zugestellt wird. Das Bundesgericht hat wiederholt festgehalten, dass den Verfahrensbeteiligten ein Anspruch auf Zustellung von Vernehmlassungen zusteht, unabhängig davon, ob diese Eingaben neue und erhebliche Gesichtspunkte enthalten. Das Gericht muss vor Erlass seines Urteils eingegangene Vernehmlassungen den Beteiligten zustellen, damit diese sich darüber schlüssig werden können, ob sie sich dazu äussern wollen oder nicht ( BGE 133 I 100 E. 4.5 S. 103 f. mit Hinweisen; BGE 133 I 98 E. 2.2 S. 99; BGE 132 I 42 E. 3.3.2-3.3.4 S. 46 f.; Urteile 4D_111/2010 vom 19. Januar 2011 E. 2.1; 6B_181/2009 vom 29. September 2009 E. 2; 5A_411/2007 vom 29. November 2007 E. 4.2 f., in: ZBGR 2009 S. 254 f.; vgl. auch die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Schaller-Bossert g egen Schweiz vom 28. Oktober 2010 § 39 f. und Nideröst-Huber gegen Schweiz vom 18. Februar 1997, Recueil CourEDH 1997-I S. 101 § 24). 2.3.2 Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und BGE 137 I 195 S. 198 soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (vgl. zum Ganzen: BGE 136 V 117 E. 4.2.2.2 S. 126 f.; BGE 133 I 201 E. 2.2 S. 204 f.). 2.4 Das Obergericht hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass das Bezirksgericht die Beschwerdeführer weder über die von der Beschwerdegegnerin eingereichte Beschwerdeantwort noch die Vernehmlassung des Betreibungsamtes orientiert noch ihnen diese beiden Eingaben zugestellt habe. Die Beschwerdeführer hätten damit "aktenkundlich" erst mit dem bezirksgerichtlichen Beschluss vom 7. September 2010 von der Existenz dieser beiden Eingaben erfahren. Gestützt auf diese Tatsachenfeststellungen schloss das Obergericht auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführer durch das Bezirksgericht. Da es selbst aber über die gleiche Kognition wie das Bezirksgericht verfüge, werde dieser nicht besonders schwere Mangel im obergerichtlichen Verfahren geheilt, indem die Beschwerdeführer "umfassend zu hören" seien. Entgegen dem Rekursantrag sei aber die Zustellung der beiden fraglichen Eingaben an die Beschwerdeführer nicht geboten, nachdem sie spätestens mit dem bezirksgerichtlichen Entscheid Kenntnis von den Eingaben erhalten hätten und ihnen stets das Recht auf Akteneinsicht zugestanden habe. 2.5 Die Beschwerdeführer wenden dagegen ein, der vorliegend in Frage stehende Verfahrensfehler sei besonders schwer und damit eine Heilung durch die Rechtsmittelinstanz von vornherein ausgeschlossen. Selbst wenn jedoch eine Heilung durch das Obergericht möglich gewesen wäre, könne diese nicht mit dem blossen Verweis auf das Akteneinsichtsrecht der Beschwerdeführer erfolgen, sondern hätte das Obergericht die fraglichen Eingaben von sich aus zustellen müssen. 2.6 Das Obergericht hat zutreffend auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Bezirksgericht geschlossen, da dieses den Beschwerdeführern die Vernehmlassung des Betreibungsamtes und die Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin nicht zustellte (obwohl es diese Eingaben zudem in seinem Entscheid ausführlich berücksichtigte). BGE 137 I 195 S. 199 Eine Heilung dieses Mangels durch das Obergericht - das über dieselbe Kognition verfügt wie das Bezirksgericht - hätte nun aber vorausgesetzt, dass diese beiden Eingaben den Beschwerdeführern zugestellt worden wären und sie sich dazu hätten äussern können. Nur so hätte der aus dem Replikrecht fliessende Anspruch auf Zustellung der Vernehmlassungen gewahrt werden können (vgl. E. 2.3.1 oben). Dies war aber vorliegend nicht der Fall. Das Obergericht durfte die festgestellte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Beschwerdeführer nicht mit dem reinen Verweis auf die Möglichkeit der Akteneinsicht heilen. Die Argumentation des Obergerichts läuft zudem darauf hinaus, dass die Beschwerdeführer ihr Recht auf Akteneinsicht innerhalb der Rechtsmittelfrist hätten wahrnehmen müssen. Statt einer Replik hätten sie sogleich die Rekursschrift unter Berücksichtigung der Argumente in den beiden Eingaben des Betreibungsamtes und der Beschwerdegegnerin einreichen müssen. Angesichts der Rechtsmittelfrist von zehn Tagen ( Art. 18 Abs. 1 SchKG ) wären damit den Beschwerdeführern im Ergebnis nur wenige Tage verblieben, um auf die fraglichen Eingaben reagieren zu können, was ohnehin unzureichend wäre (vgl. Urteil 2C_794/2008 vom 14. April 2009 E. 3.5). Indem das Obergericht den Beschwerdeführern die Vernehmlassung und Beschwerdeantwort nicht zustellte, verletzte es (wie bereits das Bezirksgericht) ihren Anspruch auf rechtliches Gehör beziehungsweise hat es die vorangegangene Verletzung durch das Bezirksgericht nicht geheilt. 2.7 Der angefochtene Entscheid (Ziff. 1, 3 und 5 des Dispositivs) ist aus den dargelegten Gründen aufzuheben, ohne dass die von den Beschwerdeführern überdies geltend gemachten Rügen noch zu prüfen wären. Eine Heilung dieses Verfahrensmangels im bundesgerichtlichen Verfahren ist nicht angezeigt. Sofern der Vorinstanz eine Missachtung formeller Verfahrensgarantien vorgeworfen werden muss, bildet die Kassation ihres Entscheides weiterhin die Regel, zumal die Rechtsunterworfenen grundsätzlich Anspruch auf Einhaltung des Instanzenzuges haben (Urteil 8C_241/2007 vom 9. Juni 2008 E. 1.3.2).
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2,011
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Urteilskopf 107 III 136 31. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 19. November 1981 i.S. Konkursmasse B. AG (Rekurs)
Regeste Art. 250 SchKG und Art. 66 KOV . Schliesst die Konkursverwaltung in einem Kollokationsprozess einen Vergleich, so können die Gläubiger den dadurch abgeänderten Kollokationsplan mittels Klage anfechten. Ist der abgeänderte Kollokationsplan in Rechtskraft erwachsen, darf die zweite Gläubigerversammlung darauf nicht mehr zurückkommen.
Sachverhalt ab Seite 136 BGE 107 III 136 S. 136 A.- In einem Kollokationsprozess schlossen die Parteien, nämlich der Kanton X., die Einwohnergemeinde Y., die römischkatholische Kirchgemeinde Z. und die Schweiz. Eidgenossenschaft einerseits sowie die Konkursmasse B. AG anderseits, am 25. Mai 1981 einen Vergleich, wonach die Konkursmasse die Forderungen der Kläger bis zur Höhe von Fr. 95'700.-- bzw. Fr. 24'300.-- anerkannte und sich bereit erklärte, diese Forderungen als pfandgesichert in das Lastenverzeichnis aufzunehmen. Sie gab ausdrücklich zu Protokoll, dass diese Zugeständnisse unter Vorbehalt aller Gläubigerrechte stünden. Werde die Kollozierung von einem Gläubiger bestritten, so habe die Steuerverwaltung des Kantons X. das Recht, die gesamten Forderungen, d.h. Fr. 292'106.85 bzw. Fr. 74'147.75 im Kollokationsprozess als pfandgesichert geltend zu machen. BGE 107 III 136 S. 137 Entsprechend diesem Vergleich wurden die Forderungen der Kläger in die Lastenverzeichnisse aufgenommen. Der abgeänderte Kollokationsplan wurde ordnungsgemäss neu aufgelegt und publiziert, ohne dass er von einem Gläubiger angefochten wurde. B.- Die zweite Gläubigerversammlung vom 28. August 1981 im Konkurs über die B. AG lehnte den fraglichen Vergleich ab, worauf das Konkursamt F. das Friedensrichteramt U. anwies, den Klägern im Kollokationsprozess die Weisung zuzustellen. Die Einwohnergemeinde Y., die römisch-katholische Kirchgemeinde Z., der Kanton X. und die Schweiz. Eidgenossenschaft erhoben gegen diesen Beschluss der zweiten Gläubigerversammlung Beschwerde bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Diese hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 2. Oktober 1981 gut und hob den angefochtenen Beschluss der zweiten Gläubigerversammlung sowie die Anweisung des Konkursamtes an das Friedensrichteramt U. auf. C.- Die Konkursmasse B. AG führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und auf die Beschwerde der Rekursgegner sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Die kantonale Aufsichtsbehörde beantragt Abweisung des Rekurses. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: Die Rekurrentin stellt sich auf den Standpunkt, die Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde sei verspätet eingereicht worden. Nachdem die zweite Gläubigerversammlung am 28. August 1981 stattgefunden habe, sei die Beschwerdefrist am 7. September 1981 abgelaufen. Die vom 8. September 1981 datierte Beschwerde an die kantonale Aufsichtsbehörde sei damit eindeutig verspätet erhoben worden. Es trifft zwar zu, dass die Frist für die Anfechtung von Beschlüssen der Gläubigerversammlung in der Regel auch für Gläubiger, die an der Versammlung nicht teilgenommen haben, mit dem Versammlungsdatum zu laufen beginnt ( BGE 81 III 29 , BGE 48 III 191 /192). Doch gilt dies nur für Beschlüsse, zu deren Fassung die Gläubigerversammlung zuständig ist. Im vorliegenden Fall fehlte der zweiten Gläubigerversammlung jedoch die Kompetenz, den abgeänderten und in Rechtskraft erwachsenen Kollokationsplan BGE 107 III 136 S. 138 ihrerseits wieder abzuändern. In der Regel liegt die Vertretung der Masse in einem gegen diese gerichteten Kollokationsprozess allein bei der Konkursverwaltung. Entgegen der Auffassung der Rekurrentin ist diese auch befugt, einen Vergleich abzuschliessen (FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. Bd. II S. 154, und JAEGER, N. 3 zu Art. 253 und N. 8 zu Art. 250 SchKG ). Dabei hat sie gemäss Art. 66 KOV vorzugehen. Dass der Vergleich unter dem Vorbehalt aller Gläubigerrechte abgeschlossen wurde, hat nur den Sinn, dass die andern Gläubiger den durch den Vergleich abgeänderten Kollokationsplan mittels Kollokationsklage anfechten konnten. Die Frist für diese Klage begann mit der Neuauflage des Kollokationsplanes und deren Publikation zu laufen. Im vorliegenden Fall hatten die Gläubiger von dieser Klagemöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, weshalb der abgeänderte Kollokationsplan in Rechtskraft erwuchs. Die zweite Gläubigerversammlung durfte nun nicht mehr darauf zurückkommen. Die Rekurrentin befindet sich im Irrtum, wenn sie meint, der Vergleich könne nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung rechtsgültig werden. Die Rekursgegner mussten daher auch nicht damit rechnen, dass die Gläubigerversammlung unter dem Traktandum "Erteilung von Prozessvollmacht" auf bereits in Rechtskraft erwachsene Kollokationsverfügungen zurückkommen werde. Man kann sich fragen, ob der betreffende Beschluss der Gläubigerversammlung nicht geradezu nichtig sei, was auch die Vorinstanz angedeutet hat. Auf jeden Fall aber konnte die Beschwerdefrist für die Rekursgegner bei dieser Sachlage erst mit dem Zeitpunkt beginnen, in welchem sie von diesem gesetzwidrigen Beschluss der zweiten Gläubigerversammlung Kenntnis erhielten. Das war nach dem angefochtenen Entscheid am 4. September 1981 der Fall, so dass die Beschwerdefrist mit der am 8. September bei der Vorinstanz eingereichten Beschwerde eingehalten war. Wohl hätte sich die Konkursverwaltung die Genehmigung des Vergleichs durch die zweite Gläubigerversammlung vorbehalten können. Das hätte aber im Vergleich vom 25. Mai 1981 ausdrücklich festgehalten werden müssen. Nachdem sich die Konkursverwaltung für das Vorgehen gemäss Art. 66 KOV entschlossen hatte, blieb für einen abweichenden Beschluss der zweiten Gläubigerversammlung kein Raum mehr. Die Vorinstanz hat daher den Beschluss vom 28. August 1981 mit Recht aufgehoben. Ob eine paulianische Anfechtung Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, ist bei dieser Sachlage nicht mehr zu prüfen. Das hätten sich die BGE 107 III 136 S. 139 Konkursverwaltung vor Abschluss des Vergleichs und die Gläubiger während der neuen Frist zur Anfechtung des abgeänderten Kollokationsplanes überlegen müssen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
null
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1,981
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Urteilskopf 108 II 434 83. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 28 septembre 1982 dans la cause Blein contre Mercadier et Continentale (recours en réforme)
Regeste Art. 45 Abs. 3 OR . Berechnung des Versorgerschadens des Ehemannes, wenn dessen Ehefrau im Haushalt tätig war. 1. Festsetzung des wirtschaftlichen Wertes der von der Ehefrau zugunsten des Ehemannes im Haushalt geleisteten Arbeit (E. 3). 2. Anrechnung der Aufwendungen, die der überlebende Ehegatte wegen des Todes einspart (E. 4). 3. Kapitalisierung der Rente mittels eines Faktors, der zwischen den Faktoren der Aktivitäts- und Mortalitätstafeln von Stauffer/Schaetzle liegt (E. 5b). 4. Herabsetzung der Rente wegen Aussicht auf Wiederverheiratung im vorliegenden Fall verneint (E. 5c).
Sachverhalt ab Seite 435 BGE 108 II 434 S. 435 A.- Berthe Blein, née le 9 juin 1913, est décédée le 10 octobre 1976 des suites d'un accident de circulation causé par la faute exclusive de Pierre Mercadier, assuré en responsabilité civile auprès de la Continentale S.A. Son mari, François Blein, né le 4 février 1913, est retraité des Transports publics genevois depuis 1975. Les prétentions de François Blein consécutives à cet accident ont été réglées par transaction, sauf une indemnité réclamée à titre de perte de soutien. B.- François Blein a conclu au paiement par Mercadier et la Continentale, solidairement, de 81'600 francs avec intérêts à 5% dès le 10 octobre 1976 à titre d'indemnité pour perte de soutien. Le Tribunal de première instance du canton de Genève a rejeté la demande par jugement du 16 octobre 1980, confirmé le 5 mars 1982 par la Cour de justice, sous réserve des dépens qu'elle a compensés. C.- Le demandeur recourt en réforme au Tribunal fédéral en reprenant ses conclusions de première instance. Les défendeurs proposent le rejet du recours. Le Tribunal fédéral admet le recours et condamne les défendeurs, solidairement, à payer au demandeur la somme de 81'600 francs avec intérêt à 5% dès le 10 octobre 1976. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Sans dénier à l'épouse la qualité de soutien de son mari au sens de l' art. 45 al. 3 CO , notamment lorsqu'elle tient le ménage, les juridictions cantonales considèrent qu'en l'espèce, le demandeur n'a pas dû réduire son train de vie depuis le décès de son épouse et qu'il n'a pas besoin d'une indemnité pour vivre dans les mêmes conditions que si son soutien n'était pas décédé. BGE 108 II 434 S. 436 Le demandeur conteste les bases sur lesquelles la cour cantonale a fondé cette appréciation, à savoir l'estimation de la part du revenu global des époux - 45% - qui était consacrée à l'entretien de dame Blein d'une part, de la valeur économique du travail ménager de la défunte - 600 francs par mois - d'autre part. Selon lui, les dépenses épargnées du fait du décès de l'épouse sont de l'ordre de 3'000 francs par an, alors que la valeur de l'activité ménagère de dame Blein peut être estimée à 1'000 francs par mois. La perte subie s'élève donc à au moins 8'000 francs par an, correspondant à la somme capitalisée de 81'600 francs réclamée en justice. 2. a) Selon la jurisprudence, l'épouse est le soutien de sa famille ou de son mari, au sens de l' art. 45 al. 3 CO , même si elle ne fait que tenir son ménage; elle n'est cependant considérée comme le soutien de son mari que dans la mesure où la contribution qu'elle apporte par son travail à l'entretien du foyer dépasse ce qu'elle reçoit de son mari, de sorte que son décès contraint ce dernier à réduire son train de vie ( ATF 101 II 260 consid. 1a). Le but du droit de la responsabilité est en effet d'assurer le maintien de la situation antérieure et de ne pas obliger les survivants à réduire considérablement leur train de vie ( ATF 102 II 93 ). Dans l'application de ces principes à des cas concrets, le Tribunal fédéral a d'abord admis que dans les milieux bourgeois le mari ne pouvait prétendre à une indemnité pour perte de soutien en cas de décès d'une épouse se consacrant exclusivement au ménage, les prestations réciproques des époux se compensant généralement ( ATF 82 II 39 s.). Mais il a corrigé cette façon de voir par la suite, non seulement pour le cas des milieux urbains modestes, mais aussi pour les milieux urbains bourgeois et les milieux campagnards, en raison de la hausse des salaires ( ATF 102 II 94 ). b) Pour juger si le survivant a droit à une indemnité destinée à lui permettre de conserver son ancien niveau de vie, on doit d'abord évaluer la valeur économique des prestations que le défunt aurait fournies sans le décès au survivant, soit, dans le cas du décès d'une épouse ménagère, la valeur économique que représentait pour le mari l'activité de son épouse au ménage. On se référera pour cela, ainsi que l'a fait la cour cantonale, au coût des services de la personne que l'on devrait engager pour remplacer au mieux la défunte, le fait que la personne soutenue n'a pas engagé de femme de ménage depuis le décès de son épouse n'étant pas BGE 108 II 434 S. 437 déterminant (ZEN-RUFFINEN, La perte de soutien, Berne 1979, pp. 87 et 93). De la valeur ainsi fixée, il faut déduire les dépenses épargnées du fait du décès de l'épouse. Il s'agit non pas de la part du budget du ménage qui était employée par la défunte, mais des dépenses qui ont disparu ensuite du décès et qui dégrèvent le budget du survivant. En effet, certaines dépenses sont fixes et, en dépit du décès, continuent de grever le budget du survivant (cf. ZEN-RUFFINEN, op.cit., p. 92); l'expérience enseigne que les frais d'entretien d'une personne seule sont plus élevés que la part de frais afférente à cette personne au sein du ménage. Le montant déterminant pour l'indemnisation de la perte de soutien est celui dont le survivant a besoin pour vivre dans les mêmes conditions que si son soutien n'était pas décédé prématurément (arrêt du Tribunal fédéral non publié du 18 juillet 1956 dans la cause Pouly Transports S.A. c. Lovis, résumé au JdT 1958 I 253 s.). 3. a) Pour fixer la valeur économique de ce que représentait pour le mari l'activité de l'épouse au ménage, il faut déterminer d'abord à combien d'heures de travail cette activité correspond. A défaut de données précises propres au cas particulier, qui sont souvent très difficiles à fournir et ne peuvent raisonnablement être exigées, on se référera à l'expérience générale de la vie, fondée autant que possible sur les études ou statistiques existant dans ce domaine. Parmi celles-ci, la doctrine suisse récente accorde à juste titre une certaine valeur à une étude d'ANNA REGULA BRÜNGGER publiée en 1977 (Die Bewertung des Arbeitsplatzes in privaten Haushalten), bien que l'enquête à la base de cette étude n'ait porté que sur sept ménages, de types différents (cf. ZEN-RUFFINEN, op.cit., p. 88, et le résumé que BUSSY donne de cette étude in Festschrift Assista, 1979, p. 162 ss). Cette étude relève notamment que la durée hebdomadaire du travail de la ménagère est de 39 heures dans le cas du ménage d'époux âgés sans enfants, alors qu'elle n'est que de 20-21 heures dans le cas du ménage de célibataire, du jeune ménage sans enfants et du ménage de veuve (ou de veuf) (BRÜNGGER, op.cit., p. 63). En Allemagne, il existe des statistiques et tabelles destinées à apprécier la valeur du travail ménager selon l'ampleur de la famille et le mode de vie (SCHULZ-BORCK/HOFMAN, Schadenersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt, Karlsruhe 1978). Selon ces statistiques, le temps nécessaire aux activités ménagères dans un ménage de deux personnes au mode de vie BGE 108 II 434 S. 438 modeste ou moyen se situe entre 22 et 34 heures par semaine (voir l'ouvrage précité, p. 13, tabelle 1). La perte du bénéfice de l'activité ménagère de l'épouse que subit le mari devenu veuf, soit sa perte de soutien, n'équivaut pas simplement à la valeur du travail qu'effectuait la défunte dans le ménage, puisque ce travail comportait une part d'activité destinée à l'épouse elle-même. Mais comme une bonne partie du travail n'est pas proportionnée au nombre de personnes du ménage, le temps de travail ménager nécessaire au survivant est très supérieur à la moitié du temps de travail nécessaire au couple. Selon l'ouvrage allemand précité, le temps de travail ménager, après le décès de l'épouse, dans le cas d'un ménage préexistant de deux personnes, se réduit de quelque 5 à 7 heures par semaine; suivant le mode de vie, il passe de 22,6 à 17,9 heures par semaine, et de 33,9 à 27 heures par semaine (SCHULZ-BORCK/HOFMAN, op.cit., p. 5, n. 2.1.3, et p. 13, tabelle 1). b) La Cour de justice estime que le montant de 600 francs par mois fixé par le premier juge comme valeur économique de l'activité ménagère de dame Blein n'est pas manifestement insuffisant, vu les circonstances; en effet, relève l'arrêt attaqué, ce montant "représente environ 40 heures de travail d'une femme de ménage, soit 10 heures par semaine, à raison d'un salaire horaire net de 15 francs, ce qui peut être considéré comme constituant une aide suffisante pour sieur Blein, vu les travaux ménagers qu'il peut assurer seul". c) L'estimation des juridictions cantonales, fondée sur 10 heures par semaine de travail de femme de ménage, se situe nettement en dessous des données ressortant des statistiques existantes et ne correspond pas à la réalité. S'agissant d'un ménage de personnes de 63 ans aux ressources relativement modestes et disposant d'un petit appartement, on peut admettre, en se référant aux statistiques précitées, que le temps de travail ménager qui aurait été nécessaire au demandeur, sans l'accident, est de l'ordre de 25 heures par semaine. Compte tenu d'une part de l'aide au ménage commun que l'on pouvait attendre du demandeur, retraité depuis peu et sachant cuisiner, eu égard d'autre part aux moeurs et conceptions traditionnelles des personnes de la génération du demandeur quant à la primauté de la femme dans l'activité ménagère, la perte de soutien ménager subie par le demandeur est arrêtée à 18 heures par semaine. Ce temps de travail représente 936 heures par an, soit 78 heures par mois. BGE 108 II 434 S. 439 d) Quant à la valeur de ce travail, il y a lieu de partir du coût des services d'une personne pouvant remplacer le mieux possible la défunte. Mais, contrairement à la pratique suivie jusqu'ici par le Tribunal fédéral, le salaire qui serait dû pour une femme de ménage ou une gouvernante ne peut pas être retenu sans autre. On doit prendre en considération un montant plus élevé correspondant à la qualité du travail de l'épouse ménagère qui se distingue de celui d'une aide extérieure par un apport nettement supérieur d'initiatives, de décisions, de choix, d'attention et de disponibilité, qui valorisent considérablement son travail. Les chiffres retenus par BUSSY (Festschrift Assista, p. 169), qui se réfère à l'étude de REGULA BRÜNGGER, apparaissent dès lors trop bas, même pour la période 1976-1977 qui doit être prise en considération ici. Un salaire horaire de 10 francs à 12 francs correspond à celui d'une femme de ménage ou d'une gouvernante à l'époque; compte tenu de la qualité du travail de l'épouse ménagère, il y a lieu de retenir un montant horaire de 15 francs pour fixer la valeur de son activité. La perte de soutien subie par le demandeur, avant déduction des dépenses évitées par le décès de l'épouse, s'élève ainsi à 1'170 francs par mois (78 heures à 15 francs). 4. Le calcul exact des frais épargnés au demandeur du fait du décès de sa femme postulerait la connaissance de données concrètes et précises relatives aux divers postes de dépenses du ménage d'abord, puis du veuf. A défaut de telles données, qui ne peuvent toujours être exigées, on doit aussi se fonder sur l'expérience générale de la vie et sur les renseignements d'ordre général dont on dispose. Il ressort des estimations figurant dans l'ouvrage de ZEN-RUFFINEN (op.cit., p. 79) que pour un ménage disposant d'un revenu de 32'000 francs, entièrement dépensé, les dépenses passent après le décès d'un des époux de 100% au total à 58,63%, plus les impôts et taxes. Au regard des divers postes inventoriés par l'auteur, cette estimation apparaît conforme à la réalité. Comme les impôts et taxes ne semblent pas devoir être inférieurs à 7%, cette estimation équivaut à une diminution de dépenses de l'ordre de 35% du revenu antérieur au décès. Il y a lieu de s'en tenir en l'espèce à ce taux de 35%, faute d'éléments concrets qui permettraient de retenir que certaines dépenses fixes sont proportionnellement plus importantes ici que dans l'exemple théorique auquel on se réfère. Ainsi, pour pouvoir vivre dans les mêmes conditions que si son épouse n'était pas BGE 108 II 434 S. 440 décédée prématurément, le demandeur doit pouvoir disposer, après le décès, d'un revenu équivalent à 65% du revenu commun. Les frais épargnés au demandeur par le décès qui doivent être déduits de la perte de soutien correspondent donc à la différence entre ces 65% du revenu du couple et le nouveau revenu du demandeur seul. 5. a) Selon la jurisprudence, la perte de soutien doit être calculée de façon abstraite au jour du décès ( ATF 101 II 351 s., ATF 99 II 211 , ATF 97 II 131 et les arrêts cités). Sans doute ne peut-on raisonnablement ignorer, dans l'appréciation de la perte de soutien, les faits postérieurs à la mort du soutien, mais le juge doit faire preuve de retenue dans la prise en considération de ces faits (mêmes arrêts). En l'espèce, les revenus du demandeur et de son épouse consistaient en une pension de retraite et en une rente AVS. Il était donc relativement aisé d'en supputer l'évolution future au moment du décès. Selon les constatations de l'arrêt attaqué, le revenu du demandeur a passé à 1'950 francs par mois après le décès de dame Blein, en octobre 1976, alors que le couple touchait 2'700 francs, compte tenu de la rente extraordinaire AVS de l'épouse; à partir du moment, prévisible, où le couple aurait eu droit à une rente de couple AVS, soit en 1978, son revenu global aurait passé à 2'500 francs, alors que dès lors le demandeur seul n'a plus touché qu'un peu moins de 2'000 francs. Comme ces derniers chiffres se rapportent à une situation peu éloignée du décès et valable pour tout l'avenir prévisible, c'est sur eux qu'il convient de se fonder pour arrêter le montant des frais épargnés au demandeur à la suite du décès de sa femme, qui devra être imputé sur la perte de soutien brute. Le montant nécessaire au demandeur pour vivre dans les mêmes conditions qu'avant le décès de sa femme est ainsi arrêté à 1'625 francs (65% des 2'500 francs de revenu du couple), ce qui représente une différence de 375 francs par rapport au revenu de 2'000 francs touché par le demandeur depuis le décès de sa femme. Après imputation de cette somme sur le montant de 1'170 francs fixé comme perte de soutien brute (consid. 3d in fine ci-dessus), la perte de soutien nette subie par le demandeur s'élève à 795 francs par mois, soit 9'540 francs par an. On arrive à un résultat identique si, à partir des mêmes montants, on considère le revenu nécessaire au demandeur pour conserver son train de vie antérieur (1'625 francs par mois, soit BGE 108 II 434 S. 441 65% de 2'500 francs), qu'on y ajoute les 1'170 francs représentant la perte de soutien due au décès de l'épouse (ce qui donne 2'795 francs de besoins totaux du demandeur) et qu'on en déduit son revenu postérieur au décès (2'000 francs). b) La perte annuelle ainsi arrêtée justifie l'octroi d'une rente immédiate, capitalisée au taux de 3 1/2% selon les tables de Stauffer/Schaetzle, pour une personne soutenue de sexe masculin âgée de 64 ans et un soutien féminin de 63 ans, l'âge déterminant étant celui qui correspond au plus proche anniversaire de la naissance ( ATF 96 II 367 ). Dans l'arrêt ATF 102 II 90 ss, le Tribunal fédéral a capitalisé la rente due en cas de perte de soutien à la suite du décès d'une épouse ménagère sur la base des tables d'activité de Stauffer/Schaetzle (consid. 3a in fine, p. 95: référence à la table 27). Cette solution ne peut être confirmée, car elle ne tient pas compte du fait que l'activité ménagère de la plupart des femmes s'exerce jusqu'à un âge avancé. Contrairement à ce que soutient SZÖLLÖSY (L'évaluation du dommage résultant de l'invalidité dans divers pays européens, Traduction Robert-Tissot, Zurich 1974, p. 263), les facteurs limitatifs de l'activité sur lesquels reposent les tables d'activité et dont résulte la différence entre les coefficients de mortalité et d'activité pèsent, dans ce cas, d'un poids trop lourd au regard de la réalité. On ne saurait en revanche, compte tenu des limites naturelles de toute activité humaine, aller jusqu'à appliquer les tables de mortalité, comme le préconise BUSSY (Festschrift Assista, p. 171). La nature de l'activité ménagère et l'expérience de la vie justifient que l'on se fonde sur une moyenne ou sur une moyenne pondérée entre les coefficients de mortalité et d'activité applicables au cas particulier (par exemple dans la proportion de 2 pour le coefficient de mortalité à 1 pour le coefficient d'activité). En l'espèce, le coefficient est de 7,94 selon la table 27 (activité) et de 9,96 selon la table 35 (mortalité). La moyenne représente un coefficient de 8,95, tandis que la moyenne pondérée donne un coefficient de 9,29 (7,94 + 2 x 9,96 / 3), déterminant pour la capitalisation de la rente annuelle de 9'540 francs allouée au demandeur. Dans le premier cas, celui-ci a droit à un montant capitalisé de 85'383 francs (9540 x 8,95), et dans le second cas de 88'626 francs (9540 x 9,29). c) Il ne se justifie pas d'opérer une réduction des prestations dues au demandeur en raison de ses chances théoriques de remariage. En effet, même à l'égard de personnes plus jeunes, la BGE 108 II 434 S. 442 jurisprudence fait preuve de retenue dans l'application des taux théoriques de réduction ressortant de la table 60 de Stauffer/Schaetzle. Elle part certes desdites tables, mais les corrige en fonction des particularités du cas concret ( ATF 102 II 96 , ATF 101 II 264 ). Les éléments de fait survenus entre le décès du soutien et le jugement peuvent être pris en considération dans un certaine mesure pour apprécier la situation concrète (cf. ATF 91 II 224 s. consid. 4; OFTINGER, Haftpflichtrecht I, p. 243 ss; ZEN-RUFFINEN, op.cit., p. 110 ss). Compte tenu en l'espèce de l'âge du demandeur, du taux théorique de réduction de 12% pour chances de remariage à l'âge de 64 ans, et du fait qu'aucun élément postérieur au décès de l'épouse n'a été reconnu comme indice d'une intention ou d'une possibilité de remariage, il y a lieu de faire abstraction de cet élément et de ne pas opérer de réduction. d) Le demandeur conclut au paiement de 81'600 francs avec intérêt à 5% dès le 10 octobre 1976, à titre d'indemnité pour perte de soutien. Cette somme doit lui être allouée, en capital et intérêt, puisqu'elle est inférieure au montant auquel il pourrait prétendre aussi bien avec l'application d'un coefficient fondé sur une moyenne entre les tables de mortalité et d'activité qu'avec l'application d'un coefficient fondé sur une moyenne pondérée. La question de la moyenne applicable peut donc rester indécise.
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nan
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Federation
1197637b-f8aa-4e16-9cad-42e97ce7f574
Urteilskopf 122 II 289 39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 31. Mai 1996 i.S. A. und K.-S. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG , Art. 4 und 7 ANAG , Art. 133 Abs. 1, Art. 255, 256 und 392 Ziff. 2 ZGB , Art. 1 Abs. 1 lit. a BüG sowie Art. 8 Ziff. 1 und 2 EMRK ; Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für eine Ausländerin, die mit einem Schweizer eine Scheinehe eingegangen ist und ein Kleinkind hat, das während der Ehe geboren wurde. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Möglichkeit der Berufung auf Art. 7 ANAG - im Hinblick auf die Beziehung zum Ehemann - und auf Art. 8 EMRK - im Hinblick auf die Beziehung zum Kind - bejaht; insbesondere gilt ein Kind, das während der Scheinehe einer Ausländerin mit einem Schweizer geboren wird, als solches des Ehemannes und erhält daher das Schweizer Bürgerrecht (E. 1). Kriterien für die Annahme einer Scheinehe; Bejahung einer solchen im vorliegenden Fall (E. 2). Verstoss gegen Art. 8 EMRK verneint, insbesondere weil es dem Kind zumutbar ist, seiner Mutter ins Ausland zu folgen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 290 BGE 122 II 289 S. 290 Die 1969 geborene S., Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien (Republik Serbien und Montenegro), reiste am 5. März 1992 mit einem Visum für einen Besuchsaufenthalt von höchstens drei Monaten in die Schweiz ein. Am 2. Juni 1992 heiratete S. den 1961 geborenen Schweizer Bürger K., woraufhin sie am 2. Juli 1992 die Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges erhielt. K.-S. arbeitete an verschiedenen Stellen im Gastgewerbe. Mit Strafverfügung vom 29. März 1993 bestrafte der Amtsstatthalter von Luzern-Stadt K.-S. wegen Diebstahls mit drei Tagen Gefängnis bei bedingtem Vollzug. In der Folge fiel sie auch durch einen Verstoss gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften und durch die mehrfache Verwicklung in tätliche Auseinandersetzungen auf. Im Frühjahr 1994 verdichtete sich bei den zuständigen Behörden des Kantons Luzern der Verdacht, es handle sich bei der Ehe K.-S. um eine Scheinehe. Am 9. März 1994 sagte K. aus, S. nur geheiratet zu haben, weil ihm dafür Fr. 20'000.-- versprochen worden seien; die Ehegatten hätten nie zusammen gewohnt und nie eine eheliche Gemeinschaft geführt. Daraufhin verweigerte die Fremdenpolizei des Kantons Luzern K.-S. am 30. März 1994 die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung und setzte ihr eine Ausreisefrist bis zum 2. Juni 1994. Dagegen führte K.-S. am 20. April 1994 Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Luzern. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung erteilt. Am 5. September 1994 zog K. seine Aussage, wonach er mit S. eine Scheinehe eingegangen sei, zurück. Am 18. Oktober 1994 brachte K.-S. die Tochter A. zur Welt. Am 29. August 1995 fällte der Regierungsrat folgenden Entscheid: BGE 122 II 289 S. 291 "1. Die Beschwerde wird abgewiesen und die angefochtene Verfügung der Fremdenpolizei vom 30. März 1994 wird bestätigt. 2. K.-S., geb. 17. Juli 1969, hat den Kanton Luzern bis 30. November 1995 zu verlassen. ..." Gegen diesen Entscheid erhoben die Tochter A. (Beschwerdeführerin 1) sowie die Mutter K.-S. (Beschwerdeführerin 2) am 5. Oktober 1995 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie stellen folgende Anträge: "1. Ziff. 1 und 2 des Rechtsspruches des angefochtenen Entscheides seien aufzuheben und die Fremdenpolizei des Kantons Luzern sei anzuweisen, der Beschwerdeführerin Ziff. 2 die Aufenthaltsbewilligung B zu verlängern. 2. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen; die Fremdenpolizei des Kantons Luzern sei anzuweisen, der Beschwerdeführerin Ziff. 2 eine provisorische Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu erteilen. ..." In ihren Vernehmlassungen schliessen das Militär-, Polizei- und Umweltschutzdepartement des Kantons Luzern sowie das Bundesamt für Ausländerfragen auf Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 30. Oktober 1995 erteilte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde in dem Sinne aufschiebende Wirkung, als K.-S. bis zum Abschluss des bundesgerichtlichen Verfahrens im Kanton Luzern bleiben kann; im übrigen wies er das Gesuch ab. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und BGE 122 II 289 S. 292 Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt ( BGE 122 II 1 E. 1a; BGE 120 Ib 257 E. 1a; je mit Hinweisen). b) Nach Art. 7 Abs. 1 ANAG in der Fassung vom 23. März 1990 hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung; der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Für die Eintretensfrage ist einzig darauf abzustellen, ob formell eine eheliche Beziehung besteht; anders als bei Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101; vgl. dazu BGE 109 Ib 183 ; BGE 120 Ib 6 E. 1; BGE 118 Ib 145 E. 4; BGE 116 Ib 353 E. 1b) ist dagegen nicht vorausgesetzt, dass die Ehe intakt ist und tatsächlich gelebt wird. Es kommt daher in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Ehegatten überhaupt je zusammengelebt haben oder nicht ( BGE 121 II 97 E. 2; 119 Ib 417 E. 2c; BGE 118 Ib 145 E. 3d S. 151). Im vorliegenden Fall lebt die Beschwerdeführerin 2 getrennt von ihrem schweizerischen Ehemann. Die Ehe besteht aber weiterhin; soweit bekannt, ist bisher auch kein Scheidungsverfahren eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin 2 hat somit im Hinblick auf ihre eheliche Beziehung gestützt auf Art. 7 ANAG , nicht aber gestützt auf Art. 8 EMRK , grundsätzlich Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung. c) Eine Gesetzesbestimmung, die einem Elternteil Anspruch auf Anwesenheit bei seinem in der Schweiz ansässigen Kind vermitteln würde, kennt das schweizerische nationale Recht nicht, dies im Unterschied zum umgekehrten Fall, wo unter Umständen ein gesetzlicher Anspruch bestehen kann (vgl. Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie BGE 119 Ib 91 E. 1b; BGE 118 Ib 153 E. 1b). Hingegen garantiert Art. 8 Ziff. 1 EMRK den Schutz des Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der nahe Verwandte mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat; wird ihm selber die Anwesenheit in der Schweiz untersagt, kann dies Art. 8 EMRK verletzen. Nach der Rechtsprechung setzt die Annahme eines gefestigten Anwesenheitsrechts mindestens einen festen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung voraus ( BGE 122 II 1 E. 1e; BGE 119 Ib 91 E. 1c; vgl. auch BGE 111 Ib 161 E. 1a). BGE 122 II 289 S. 293 Soweit im übrigen eine familiäre Beziehung im beschriebenen Sinn tatsächlich gelebt wird und intakt ist, wird das der zuständigen Behörde durch Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt. In solchen Fällen ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seiner hier anwesenden Angehörigen zulässig ( BGE 109 Ib 183 ; BGE 122 II 1 E. 1e; BGE 120 Ib 1 E. 1d, 6 E. 1, 16 E. 3a und 257 E. 1c; je mit Hinweisen). Die Behörden des Kantons Luzern ziehen in Zweifel, dass es sich bei der Beschwerdeführerin 1 um das gemeinsame Kind der Beschwerdeführerin 2 und deren Ehemann handelt; wahrscheinlicher sei die Vaterschaft eines Dritten ausländischer Nationalität. Nach Art. 255 ZGB gilt jedoch bei einem Kind, das während der Ehe geboren wird, der Ehemann als Vater; gemäss Art. 133 Abs. 1 ZGB tritt diese Rechtsfolge selbst dann ein, wenn eine Ehe als ungültig erklärt wird und weder der Ehemann noch die Mutter gutgläubig waren. Die Vaterschaft braucht somit nicht bewiesen zu werden. Sodann ist unerheblich, ob die Ehegatten zur Zeit der Zeugung oder der Geburt in gemeinsamem Haushalt leben oder nicht (CYRIL HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 4. Aufl., Bern 1994, S. 42, Rz. 5.06). Zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind besteht kein Kindesverhältnis, solange nicht - nach erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes - die Vaterschaft durch Anerkennung oder Urteil feststeht ( BGE 108 II 344 E. 1a). Anfechtungsklage können nur der Ehemann oder das Kind führen, letzteres jedoch nur, sofern während seiner Unmündigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat ( Art. 256 ZGB ); die Mutter ist, auch als Vertreterin des Kindes, von der Klage ausgeschlossen ( BGE 108 II 344 E. 1a; HEGNAUER, a.a.O., S. 47, Rz. 6.07 und 6.08). Für das urteilsunfähige Kind muss die Vormundschaftsbehörde handeln, indem sie ihm einen Beistand nach Art. 392 Ziff. 2 ZGB beigibt ( BGE 108 II 344 E. 1a; HEGNAUER, a.a.O., S. 47, Rz. 6.07). Wird die Vaterschaft nicht angefochten, greift die gesetzliche Vermutung selbst bei Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass ein anderer Mann als der Ehegatte der leibliche Vater sein könnte (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 1994 i.S. F., E. 2a). Im vorliegenden Fall haben bis anhin weder der Ehemann der Beschwerdeführerin 2 noch das Kind die Vaterschaft angefochten. Als Vater der Beschwerdeführerin 1 gilt somit von Gesetzes wegen der Ehemann der Beschwerdeführerin 2. Gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts BGE 122 II 289 S. 294 (Bürgerrechtsgesetz, BüG; SR 141.0) ist ein Kind, dessen Eltern miteinander verheiratet sind und dessen Vater oder Mutter Schweizer Bürger ist, von Geburt an Schweizer Bürger. Da der gesetzliche Vater der Beschwerdeführerin 1 Schweizer Bürger ist, hat auch diese das Schweizer Bürgerrecht und damit ein gefestigtes Anwesenheitsrecht in der Schweiz. Die Beschwerdeführerin 2 kümmert sich um ihre Tochter und sorgt für sie. Die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist somit intakt und wird gelebt. Beide Beschwerdeführerinnen haben daher im Hinblick auf ihre Mutter-Kind-Beziehung gestützt auf Art. 8 EMRK grundsätzlich einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin 2 im Sinne von Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG . d) Demnach ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. Die Frage, ob die Bewilligung zu verweigern sei, weil einer der in Art. 7 ANAG vorgesehenen Ausnahmetatbestände, ein zulässiger Eingriff in Art. 8 EMRK oder ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot vorliegt, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (vgl. dazu BGE 119 Ib 417 E. 2d; 118 Ib 145 E. 3d S. 151). 2. a) Nach Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers dann keinen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen. Diese Bestimmung ist dem früheren Art. 120 Ziff. 4 ZGB betreffend die sogenannte Bürgerrechtsehe nachgebildet, welcher mit der am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Revision des Bürgerrechtsgesetzes vom 23. März 1990 seine Grundlage verlor und aufgehoben wurde (AS 1991 1042). Dem ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers wurde aber, wie bereits dargelegt, im revidierten Art. 7 Abs. 1 ANAG ein Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eingeräumt. Da die Gefahr, diese Vorschrift könnte durch Eingehung einer blossen Scheinehe umgangen werden, in gleicher Weise besteht wie im Falle des früheren Bürgerrechtserwerbs durch Heirat, wurde für solche "Aufenthalts- bzw. Niederlassungsehen" in Art. 7 Abs. 2 ANAG ein ähnlicher Missbrauchstatbestand geschaffen, wie er in Art. 120 Ziff. 4 ZGB für die früheren Bürgerrechtsehen vorgesehen war ( BGE 121 II 1 E. 2a, 97 E. 3a; BGE 119 Ib 417 E. 4a). BGE 122 II 289 S. 295 b) Dass Ehegatten mit der Heirat nicht eine eheliche Lebensgemeinschaft begründen, sondern die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern umgehen wollen, entzieht sich in der Regel dem direkten Beweis und kann diesfalls, wie das bereits früher bei der Bürgerrechtsehe zutraf (vgl. dazu BGE 98 II 1 ), nur durch Indizien nachgewiesen werden. Ein solches Indiz lässt sich darin erblicken, dass dem Ausländer die Wegweisung drohte, etwa weil er ohne Heirat keine Aufenthaltsbewilligung erhalten hätte oder sie ihm nicht verlängert worden wäre. Für das Vorliegen einer Ausländerrechtsehe können sodann die Umstände und die kurze Dauer der Bekanntschaft sprechen sowie insbesondere die Tatsache, dass die Ehegatten eine Wohngemeinschaft gar nie aufgenommen haben. Dasselbe gilt, wenn für die Heirat eine Bezahlung vereinbart wurde. Dass die Begründung einer wirklichen Lebensgemeinschaft gewollt war, kann umgekehrt nicht schon daraus abgeleitet werden, dass die Ehegatten während einer gewissen Zeit zusammenlebten und intime Beziehungen unterhielten; ein derartiges Verhalten kann auch nur vorgespiegelt sein, um die Behörden zu täuschen ( BGE 121 II 1 E. 2b, 97 E. 3b; BGE 119 Ib 417 E. 4b; BGE 98 II 1 E. 2c; PETER KOTTUSCH, Scheinehen aus fremdenpolizeilicher Sicht, in: ZBl 84/1983, S. 432 f.; SUSANNE DIEKMANN, Familienrechtliche Probleme sogenannter Scheinehen im deutschen Recht unter Einbeziehung des österreichischen und schweizerischen Zivilrechts, Frankfurt a.M. 1991, S. 174 f.). c) Die Beschwerdeführerin 2 erhielt im Frühjahr 1992 ein dreimonatiges Besuchervisum aufgrund eines Einladungsschreibens eines anderen Schweizers als ihres späteren Ehemannes. Ohne die Eheschliessung am 2. Juni 1992 hätte sie die Schweiz nur wenige Tage nach dem Hochzeitstermin wieder verlassen müssen, da der bewilligte dreimonatige Aufenthalt abgelaufen wäre. Die Ehe wurde nach lediglich kurzer oder zumindest flüchtiger Bekanntschaft geschlossen. Selbst wenn die Beschwerdeführerin 2 ihren Ehemann schon einige Jahre vorher kennengelernt haben sollte, wie sie behauptet, unterhielt sie auch nach eigenen Angaben mit ihm vor ihrer Einreise in die Schweiz nur einen losen Kontakt. Eine engere Beziehung vor der Heirat konnte somit höchstens drei Monate gedauert haben. Der Ehemann lebte nach der Hochzeit wie vorher weiterhin bei seinem Vater; in der eigentlichen ehelichen Wohnung wurde er gemäss polizeilichen Ermittlungen nie angetroffen. Wie sich aus den Akten ergibt, unterhielt die BGE 122 II 289 S. 296 Beschwerdeführerin 2 auch nach der Heirat enge Beziehungen mit verschiedenen anderen Männern. Im August und Oktober 1993 gab die Mutter des Ehemannes den Behörden die Auskunft, diesem sei für die Heirat die Bezahlung von Fr. 20'000.-- versprochen worden; das Geld habe er allerdings nie erhalten. Der Ehemann selber bestätigte dies bei einer Befragung am 9. März 1994; er sagte auch aus, nie mit der Beschwerdeführerin 2 zusammen gewohnt und mit ihr keine intimen Beziehungen unterhalten zu haben. Diese Aussage widerrief er am 5. September 1994. Das entsprechende Schriftstück scheint allerdings nicht von ihm selber verfasst, sondern bloss unterschrieben worden zu sein; wie es sich damit genau verhält, kann jedoch offenbleiben. Beim Ehemann handelt es sich um einen labilen und offenbar leicht beeinflussbaren Menschen, der wegen Epilepsie zu 100% invalid ist und eine Rente der Invalidenversicherung bezieht. Er scheint dem Alkohol zuzusprechen. Wie er selber ausgesagt hat, lebt er "auf kleinem Fuss" und liess er sich durch die Aussicht auf eine für ihn erhebliche Geldsumme verführen. Damit entspricht er typischerweise - auch nach den Erfahrungen aus anderen Fällen - der Zielgruppe von Schweizern, die von Ausländern für Gefälligkeitsehen ausgesucht werden. d) Die gesamten Umstände des Eheschlusses und der Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin 2 und ihrem Gatten sprechen somit eindeutig für das Vorliegen einer Scheinehe. Das erhöht auch in entscheidendem Masse die Glaubhaftigkeit der Aussage des Ehemannes vom 9. März 1994 und lässt seinen späteren Widerruf als unglaubwürdig erscheinen. Die vorhandenen Indizien lassen einzig den Schluss zu, dass die Beschwerdeführerin 2 und ihr Ehegatte nicht die Absicht hatten, eine wirkliche Ehe zu führen, sondern dass mit dem Eheschluss die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer umgangen werden sollten. Damit steht der Beschwerdeführerin 2 gestützt auf Art. 7 ANAG kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu ( Art. 7 Abs. 2 ANAG ). 3. a) Die Beschwerdeführerinnen rügen, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 8 EMRK . Die Vorinstanz wendet dagegen ein, die Berufung der Beschwerdeführerinnen auf Art. 8 EMRK sei rechtsmissbräuchlich. Bei der Beschwerdeführerin 2 ist dem ohne weiteres zu folgen, stützt sie sich doch auf ihre Beziehung zum Kind, um die fremdenpolizeilichen Folgen der Scheinehe und damit Art. 7 Abs. 2 ANAG zu umgehen; dieses Vorgehen verdient keinen Schutz. Könnte die landesrechtliche Regelung von Art. 7 Abs. 2 ANAG , die letztlich einen Rechtsmissbrauchstatbestand sanktioniert, durch die Zeugung eines Kindes BGE 122 II 289 S. 297 und die daran anknüpfende Anrufung von Art. 8 EMRK unterlaufen werden, würde sie ihres Gehaltes entleert. Es erweist sich daher als rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beschwerdeführerin 2, die den Tatbestand von Art. 7 Abs. 2 ANAG unmittelbar erfüllt und die entsprechenden gesetzlichen Folgen ohne weiteres zu tragen hat, auf Art. 8 EMRK beruft. Schwieriger verhält es sich im Hinblick auf die Beschwerdeführerin 1, die einen selbständigen Anspruch aus Art. 8 EMRK geltend macht. Immerhin fragt sich, ob der Rechtsmissbrauchstatbestand von Art. 7 ANAG nicht auch im Hinblick auf ein während der Scheinehe geborenes Kind durchschlägt, wenn auf dem Umweg über Art. 8 EMRK doch wieder versucht wird, zu einer Anwesenheitsbewilligung für denjenigen Ausländer zu gelangen, der zu diesem Zweck bereits die Scheinehe eingegangen ist. Wie es sich damit verhält, kann im vorliegenden Fall aber offenbleiben; selbst wenn das Verhalten der Mutter nicht zu verhindern vermöchte, dass Art. 8 EMRK aus Sicht der Tochter Anwendung fände, hätte das nicht die obligatorische Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung an die Beschwerdeführerin 2 zur Folge. b) Nach der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Lehre garantiert die Europäische Menschenrechtskonvention kein Recht auf Aufenthalt in einem Konventionsstaat. Das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens kann nur dann angerufen werden, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme zur Trennung von Familienmitgliedern führt. Ein staatlicher Eingriff in das Recht auf Familienleben liegt indessen nicht vor, wenn es den Familienangehörigen zumutbar ist, ihr Familienleben im Ausland zu führen; ist es dem in der Schweiz anwesenheitsberechtigten Familienmitglied in diesem Sinne zumutbar, mit dem Ausländer, dem eine fremdenpolizeiliche Bewilligung verweigert worden ist, auszureisen, ist Art. 8 EMRK somit von vorneherein nicht verletzt. Unter dieser Voraussetzung kann daher auch eine umfassende Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK unterbleiben (vgl. dazu BGE 116 Ib 353 E. 3b und c; BGE 111 Ib 1 E. 2b; BGE 110 Ib 201 E. 2a; Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 19. Februar 1996 i.S. Gül, N. 38 ff., vom 20. März 1991 i.S. Cruz Varas, N. 87 f., sowie vom 28. Mai 1985 i.S. Abdulaziz, Cabales und Balkandali, N. 66 ff.; ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 208 f.; JACQUES VELU/RUSEN ERGEC, La convention européenne des droits de l'homme, Brüssel 1990, N. 675; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen BGE 122 II 289 S. 298 Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, S. 331, Rz. 564; LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 8 EMRK , N. 415 ff.). Im Schrifttum wird zwar auch die Auffassung vertreten, die Frage der Zumutbarkeit der Ausreise bilde (zwingend) lediglich einen Bestandteil einer umfassenden Interessenabwägung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK (so etwa STEPHAN BREITENMOSER, Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in der Schweizer Rechtsprechung zum Ausländerrecht, in: EuGRZ 1993, S. 544 ff.; PETER MOCK, Convention européenne des droits de l'homme, immigration et droit au respect de la vie familiale, in: AJP 1996, S. 541 ff.; PETER MOCK, Mesures de police des étrangers et respect de la vie privée et familiale, in: ZSR 112/1993 I, S. 95 ff.; vgl. dazu auch die abweichende Meinung der Richter Martens und Russo im Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 19. Februar 1996 i.S. Gül), doch bleibt dieser Unterschied in den Lehrmeinungen im vorliegenden Fall ohne Auswirkung auf das Ergebnis. c) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass einem Kind zugemutet werden kann, seinen Eltern bzw. dem für ihn sorgenden Elternteil ins Ausland zu folgen, wenn es sich noch in einem anpassungsfähigen Alter befindet (vgl. VILLIGER, a.a.O., S. 334, Rz. 568). Bei einem Kleinkind ist dies - besondere Umstände vorbehalten - der Fall. Auch die schweizerische Staatsangehörigkeit schliesst die Zumutbarkeit einer Ausreise ins Ausland nicht aus (vgl. etwa BGE 120 Ib 6 E. 4c S. 15). Dies gilt erst recht, wenn das Kind noch keine zwei Jahre alt ist und abgesehen vom Bürgerrecht keine weiteren Beziehungen zur Schweiz aufweist, wie das im vorliegenden Fall zutrifft. Namentlich bleibt das Verhältnis zum gesetzlichen Vater unter dem Gesichtspunkt von Art. 8 EMRK völlig belanglos, nachdem zwischen Vater und Kind keine persönliche Beziehung besteht, geschweige denn aktiv gelebt wird. Die Beschwerdeführerin 2 stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Nach eigenen Angaben wuchs sie in Deutschland auf und sollen verschiedene Angehörige in weiteren europäischen Ländern leben. Ob die Beschwerdeführerinnen in eines dieser Länder ausreisen können, ist unbekannt, kann jedoch offenbleiben. Selbst wenn die einzig sichere Ausreisedestination Rest-Jugoslawien (Republik Serbien und Montenegro) BGE 122 II 289 S. 299 wäre, könnte eine Ausreise in dieses Land nicht als für die Beschwerdeführerin 1 unzumutbar gelten. Entgegen der Darlegung in der Beschwerdeschrift war Rest-Jugoslawien selber nicht unmittelbar in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt Ein Aufwachsen in angemessenen Verhältnissen erscheint auch für ein Kleinkind schweizerischer Nationalität nicht als ausgeschlossen. Im übrigen trägt die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht vor, die Tochter sei inzwischen im (ausländischen) Pass ihrer Mutter eingetragen, so dass eine Ausreise ins Ausland auch von daher problemlos erfolgen könne. d) Demnach ist nicht ersichtlich, dass die Beziehung zwischen den Beschwerdeführerinnen nur in der Schweiz gelebt werden kann. Die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung für die Mutter führt daher nicht zur Trennung der Beschwerdeführerinnen. Selbst wenn ein Eingriff in das Recht auf Familienleben gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK zu bejahen wäre, würde das private Interesse der Beschwerdeführerinnen, ihr Familienleben in der Schweiz zu führen, nicht überwiegen; ein allfälliger Eingriff in das entsprechende Grundrecht wäre daher - auch angesichts des bisherigen Verhaltens der Beschwerdeführerin 2 - ohne weiteres im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK gerechtfertigt. Damit hält der angefochtene Entscheid vor der Europäischen Menschenrechtskonvention stand.
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Urteilskopf 103 II 170 30. Urteil der II. Zivilabteilung als staatsrechtliche Kammer vom 15. Juli 1977 i.S. B. gegen Vormundschaftsbehörde X. und Regierungsrat des Kantons Bern
Regeste Art. 420 Abs. 2 ZGB ; Beschwerderecht des Dritten. Die Verneinung des Beschwerderechts des Dritten gegen einen Beschluss der Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 177 Abs. 3 ZGB , womit die Genehmigung eines Interzessionsgeschäftes der Ehefrau des Schuldners mit dem Dritten verweigert wurde, ist nicht willkürlich.
Sachverhalt ab Seite 170 BGE 103 II 170 S. 170 Mit Vertrag vom 17. Mai 1973 verpflichtete sich B., dem Unternehmer G. ein Darlehen von Fr. 100'000.-- zu 8% Zins zu gewähren. G. verpflichtete sich, dem Darlehensgeber einen BGE 103 II 170 S. 171 Schuldbrief von Fr. 100'000.--, lastend im 2. Rang auf einer Liegenschaft, die zur Hälfte im Eigentum seiner Ehefrau steht, als Sicherheit zu übergeben. Die Parteien unterliessen es aus Unkenntnis, die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zur Verpfändung des am 1. Dezember 1973 an B. übergebenen Schuldbriefs einzuholen. Am 29. März 1974 schlossen B. und die Eheleute G. hingegen einen formellen Pfandvertrag, der am 11. April 1974 der Vormundschaftsbehörde zur Genehmigung unterbreitet wurde. Diese verweigerte jedoch mit Beschluss vom 15. Mai 1974 ihre Zustimmung. Zur Begründung ihres Entscheides führte sie im wesentlichen an, dass G. über die finanzielle Lage seines Betriebes, für dessen Verbindlichkeiten das Darlehen aufgenommen worden war, nicht genügend Auskunft erteilt habe. Doch sei der Geschäftsgang nach seinen Angaben in den letzten zwei Jahren schlecht gewesen. Nachdem in der Zwischenzeit eine Steigerungspublikation gegen G. erschienen sei (die allerdings später wieder zurückgezogen wurde), müsse angenommen werden, dass die wirtschaftliche Lage des Familienunternehmens alles andere als gut sei. Eine Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zur Errichtung und Verpfändung des Schuldbriefes läge daher nicht im Interesse der Ehefrau des Darlehensnehmers. Gegen den Beschluss der Vormundschaftsbehörde reichte der Gläubiger B. beim Regierungsstatthalter eine Beschwerde ein, die dieser mit Entscheid vom 2. April 1976 abwies, weil er B. als zur Beschwerdeführung nicht legitimiert betrachtete. Auch der Regierungsrat des Kantons Bern, welcher von B. angerufen wurde, stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Dritter, der eigene Interessen vertrete, nicht zur Erhebung einer Vormundschaftsbeschwerde im Sinne von Art. 420 ZGB befugt sei, und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 19. Januar 1977 ab. B. erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Er beruft sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach nicht nur die Ehefrau, sondern auch interessierte Dritte um die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde im Sinne von Art. 177 Abs. 3 ZGB nachsuchen können. Daraus zieht er den Schluss, dass Dritte auch zur Beschwerdeführung gemäss Art. 420 ZGB , der jedermann, der ein Interesse habe, das Beschwerderecht einräume, befugt sein müssen. BGE 103 II 170 S. 172 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann ( Art. 84 Abs. 2 OG ). Die Verweigerung der Genehmigung eines Interzessionsgeschäftes gemäss Art. 177 Abs. 3 ZGB durch die Vormundschaftsbehörde ist keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne der Art. 44 ff. OG , sondern gehört in den Bereich der nichtstreitigen Rechtssachen (GULDENER, Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, S. 1 und 12). Die Berufung an das Bundesgericht ist in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich unzulässig (GULDENER, a.a.O., S. 89). Desgleichen entfällt die Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 68 OG . Auf die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde kann daher eingetreten werden. 2. Art. 420 Abs. 1 ZGB gesteht dem Bevormundeten, der urteilsfähig ist, sowie jedermann, der ein Interesse hat, das Recht zu, gegen Handlungen des Vormundes bei der Vormundschaftsbehörde Beschwerde zu führen. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung kann sodann gegen Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde binnen zehn Tagen nach deren Mitteilung bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden. Es ist im vorliegenden Fall unbestritten, dass der Entscheid, mit dem die Vormundschaftsbehörde in Anwendung von Art. 177 Abs. 3 ZGB die Genehmigung eines Verpflichtungsgeschäftes einer Ehefrau zugunsten ihres Ehemannes verweigert hat, gemäss Art. 420 ZGB mit Beschwerde an die Aufsichtsbehörde angefochten werden kann (LEMP, N. 83 zu Art. 177 ZGB ; GULDENER, a.a.O., S. 86). Hingegen stellt sich die Frage, wer als interessierter Dritter im Sinne dieser Bestimmung zu betrachten und damit zur Weiterziehung des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde legitimiert sei. Insbesondere besteht Uneinigkeit darüber, ob der Gläubiger des Ehemannes befugt sei, gegen einen die Genehmigung gemäss Art. 177 Abs. 3 ZGB verweigernden Beschluss der Vormundschaftsbehörde Beschwerde zu erheben, auch wenn er damit nur eigene Interessen wahrnehmen will. In der Lehre finden sich dazu nur wenige und meist unbestimmte BGE 103 II 170 S. 173 Äusserungen. GULDENER, a.a.O., S. 85/86, hebt hervor, die Formulierung in Art. 420 ZGB wolle nicht besagen, dass die Beschwerde jedem zustehe, dessen persönliche Interessen verletzt seien. Die Beschwerde diene vor allem der Wahrung der Interessen des Mündels; grundsätzlich könne daher mit ihr nur die Verletzung der Interessen des letzteren gerügt werden. Allerdings könne sich der Beschwerdeführer, auch wenn er nicht der eigentliche Schutzbefohlene sei, gegen die Verletzung eigener Interessen zur Wehr setzen, sofern diese bei der Entscheidung mitzuberücksichtigen seien. Dies treffe für den Ehemann zu, wenn die Genehmigung eines Interzessionsgeschäftes der Ehefrau in Frage stehe. KAUFMANN, N. 13 und 14 zu Art. 420 ZGB , erklärt, die weite Fassung des Gesetzeswortlautes bedürfe einer dem Zwecke der Beschwerde gerecht werdenden Auslegung. Da mit der Beschwerdeerhebung eine richtige Amtsführung der vormundschaftlichen Organe erreicht werden wolle, würden nur solche Interessen dazu berechtigen, die überhaupt durch die Vormundschaft geschützt werden sollen. Das seien in erster Linie die Interessen des Mündels selbst, sodann auch diejenigen seiner Familie und seiner Umgebung. Daraus folgert KAUFMANN, dass sicher jeder, der im Interesse des Mündels (im weitesten Sinne) handle, zur Beschwerde legitimiert sei. Oft würden aber Dritte nur scheinbar im Interesse des Mündels handeln und tatsächlich nur egoistische Interessen vertreten; dann seien sie zur Beschwerdeführung nicht legitimiert. EGGER, N. 17, 18 und 20 zu Art. 420 ZGB , hält fest, dass jedermann, der ein berechtigtes Interesse habe, zur Beschwerde gemäss Art. 420 ZGB befugt sei. Berechtigt sei jedes schutzwürdige Interesse, d.h. jede verständige, sachliche Bezogenheit. Diese könne materieller oder ideeller Art sein. Immerhin müsse jeweils ein Interesse in bezug auf die Angelegenheit, die Gegenstand der Beschwerde bilde, vorhanden sein. Ein eigenes Interesse des Beschwerdeführers genüge nur, wenn ihm das Vormundschaftsrecht einen Anspruch einräume. Dritten stehe die Beschwerde zu, wenn sie sich auch noch nach der Entmündigung durch die Art der Führung der Vormundschaft in ihrer Sicherheit gefährdet sehen. Im übrigen verweist EGGER auf den Zweck des Rechtsmittels, der in der Wahrung der Mündelinteressen liege. Wenn der Vormund oder die vormundschaftliche Behörde die Genehmigung eines BGE 103 II 170 S. 174 Vertrages verweigere, stehe das Einspracherecht nur dem Mündel zu und nicht dem Vertragspartner, auch nicht einem Angehörigen, der damit nur seine eigenen Interessen wahren wolle. Demgegenüber ist LEMP, N. 83 zu Art. 177 ZGB , der Auffassung, dass auch der Gläubiger zur Beschwerde gemäss Art. 420 Abs. 2 ZGB legitimiert sei, ohne aber dafür eine Begründung zu geben. Diesen wenigen Lehrmeinungen über den Umfang des in Art. 420 ZGB vorgesehenen Beschwerderechts lässt sich jedenfalls soviel entnehmen, dass die angeführten Autoren das Recht des Dritten zur Anfechtung von Beschlüssen der Vormundschaftsbehörde durchwegs einschränken. Das Rechtsmittel soll in erster Linie dazu dienen, die vormundschaftlichen Behörden zu einem gesetzgemässen Verhalten und zur Wahrung der Interessen desjenigen, für den sie tätig werden müssen, anzuhalten. Eine ähnliche Zurückhaltung bei der Umschreibung des Beschwerderechts des Dritten ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch in der Rechtsprechung zu Art. 420 ZGB festzustellen. Das Bundesgericht hat sich zwar noch nie direkt zu der hier aufgeworfenen Frage geäussert. Indessen hat es in BGE 64 II 180 erklärt, aus Art. 420 ZGB lasse sich keineswegs ein Beschwerderecht für jeden Interessierten herleiten. Eine andere Auffassung des Bundesgerichts lässt sich auch nicht BGE 40 II 318 entnehmen, auf den sich der Beschwerdeführer beruft. In diesem Entscheid wird festgehalten, Art. 177 Abs. 3 ZGB wolle vor allem die Ehefrau gegen sich selbst und gegen ihren Ehemann schützen, d.h. es soll verhindert werden, dass die Ehefrau, ihrer Zuneigung zu ihrem Ehemann und seinen Beeinflussungen nachgebend, Verpflichtungen eingehe, die ihr Vermögen gefährden würden. Das Bundesgericht fügt hinzu, es wäre Sache des Beklagten gewesen, für die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zur Vereinbarung, die er mit der Ehefrau des Schuldners getroffen hatte, besorgt zu sein. Aus dieser Bemerkung folgert nun der Beschwerdeführer, wenn der Dritte berechtigt sei, die Genehmigung des Interzessionsgeschäftes einzuholen, so müsse er auch legitimiert sein, gegen die Verweigerung dieser Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde Beschwerde zu führen. Dieser Schluss drängt sich jedoch keinesfalls auf. Auch wenn der Dritte bei der Vormundschaftsbehörde selber um Erteilung der Genehmigung BGE 103 II 170 S. 175 nachsuchen kann, so heisst das noch lange nicht, dass ihm bei Verweigerung der Genehmigung, weil sie nicht im Interesse der Ehefrau liegt, ein Beschwerderecht zum Zwecke der Durchsetzung seiner persönlichen Interessen zustehen müsse. Schliesslich weisen auch die in den angefochtenen Entscheiden zitierten kantonalen Urteile nicht in eine andere Richtung. So hat das Waadtländer Kantonsgericht in einem Entscheid vom 28. Februar 1951 das Beschwerderecht gegen die Verweigerung der Genehmigung eines Interzessionsgeschäfts auf die Ehegatten beschränkt und den dritten Vertragspartner ausdrücklich davon ausgeschlossen (ZVW Bd. 7 (1952) S. 20/21; vgl. auch ZVW Bd. 3 (1948) S. 78, Bd. 22 (1967) S. 153 und Bd. 27 (1972) S. 158). 3. Der Berner Regierungsrat hat sich im angefochtenen Entscheid die von der Rechtsprechung und Lehre vorgenommene einschränkende Auslegung des Beschwerderechts gemäss Art. 420 ZGB zu eigen gemacht. Er folgt damit der allgemein vertretenen Auffassung, wonach die in Art. 177 Abs. 3 ZGB vorgesehene Genehmigung von Verpflichtungsgeschäften der Ehefrau mit Dritten zugunsten ihres Ehemannes durch die Vormundschaftsbehörde einzig dem Schutze der Ehefrau zu dienen hat ( BGE 40 II 320 , BGE 53 II 367 ; LEMP, N. 40 zu Art. 177 ZGB ; GMÜR, N. 33 zu Art. 177 ZGB ; GAMPERT, Les actes juridiques entre époux, Diss. Lausanne 1924, S. 104 f.; DELESSERT, La responsabilité des autorités tutélaires en droit suisse, Diss. Lausanne 1931, S. 89 f.). Auf keinen Fall hat die Vormundschaftsbehörde nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift auch die Interessen des am Geschäft beteiligten Dritten zu berücksichtigen. Wenn der Regierungsrat daraus den Schluss gezogen hat, dass dem Dritten, der offensichtlich nur eigene Interessen verfolgt, die - wie hier - den Interessen der Ehefrau geradezu entgegengesetzt sind, kein Beschwerderecht zustehen könne, so lässt sich dies mit guten Gründen vertreten. Der Beschwerdeführer scheint zu übersehen, dass im vorliegenden Verfahren vom Bundesgericht nicht geprüft werden kann, ob die von den kantonalen Behörden vertretene Auffassung richtig oder falsch sei. Die hier einzig zulässige staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV kann ihrem Wesen nach nicht die Aufgabe eines ordentlichen Rechtsmittels übernehmen, das zu einer freien Überprüfung BGE 103 II 170 S. 176 der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfrage führen würde. Es ist dem Bundesgericht vielmehr lediglich erlaubt zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid gegen das Willkürverbot verstösst. Willkür liegt indessen nur vor, wenn ein Entscheid nicht nur unrichtig, sondern offensichtlich unhaltbar ist, weil er mit sachlichen Gründen schlechterdings nicht zu rechtfertigen ist oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft ( BGE 97 I 352 , 96 I 627, BGE 93 I 6 /7 und BGE 90 I 139 E. 2). Das trifft aber nach dem Ausgeführten auf den angefochtenen Entscheid keinesfalls zu. Auch die Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die Auffassung des Berner Regierungsrates als willkürlich erscheinen zu lassen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 123 III 165 28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. November 1996 i.S. C. gegen M. (Berufung)
Regeste Freiwillige öffentliche Versteigerung; Wegbedingung der Sachgewährleistung ( Art. 234 Abs. 3 OR ). Auslegung von Auktionsbedingungen, insbesondere der Freizeichnungsklausel, und die Bedeutung von Beschreibungen im Auktionskatalog (E. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 165 BGE 123 III 165 S. 165 Am 25./26. Oktober 1991 veranstaltete C. zusammen mit weiteren Personen die "1. Internationale Swatch-Auktion" in Luzern. An diesem Anlass sollte auch ein Exemplar der in geringer Stückzahl hergestellten Swatch "OIGOL ORO" des Künstlers Mimmo Paladino versteigert werden. Diese Uhr wurde im Auktionskatalog wie folgt beschrieben: Nr. NAME ZUSTAND KAT. S. RICHTPREIS 347 GX 113 MIMMO PALADINO ***** 171 44'000.- Mit Widmung auf Garantie, Signatur auf Garantie und Schachtel BGE 123 III 165 S. 166 Unter dem Titel "Qualitätsbezeichnung" wird vorne im Auktionskatalog auf die Auktionsbedingungen auf S. 62 hingewiesen und die im Katalog mit Sternen bezeichnete Rubrik "Zustand" wie folgt erläutert: ***** Fabrikneue Uhr (Watch in mint condition, nuova di fabbrica, montre sortant d'usine) **** Fabrikneue Uhr, Specials ohne Originalverpackung (Mint condition, special models without original packaging, Nuovo di fabbrica, modello speciale senza custodia originale, montre sortant d'usine, exécution spéciale sans emballage d'origine) *** Getragen, guter Zustand (Second-hand, good condition, Usato, in buono stato, portée, en bon état) ** Getragen mit sichtbarer Abnützung (Second-hand, some wear, Usato, usura visibile, porteé, usure visible) * Dummy (Dummy, Senza alcun valore di collezione (Dummy), Dummy) Nach den auf der letzten Katalogseite abgedruckten "Auktionsbedingungen" anerkennt der Auktionsteilnehmer unter anderem was folgt: "9. Die Beschreibungen im Katalog entsprechen bestem Wissen und Gewissen und dem Stand im Zeitraum der Abfassung der Katalogtexte. Durch die Ausstellung in der Schalterhalle der Schweizerischen Kreditanstalt Luzern ist die Gelegenheit geboten, sich über den Zustand der Uhren Rechenschaft zu geben. Reklamationen der Käufer nach erfolgtem Zuschlag können keine Berücksichtigung finden. 10. Der Auktionator übernimmt die Garantie für die Echtheit der Uhren. Der Nachweis einer Fälschung ist vom Käufer innert 4 Wochen zu erbringen. Sollte sich herausstellen, dass eine Fälschung vorliegt, so wird der Auktionator den Zuschlag aufheben und den Kaufpreis zurückerstatten. Voraussetzung dafür ist, dass die Uhr sich in demjenigen Zustand befindet, in dem (recte: sie) sich zur Zeit des Zuschlages befunden hat. ..." Am zweiten Tag der Auktion ersteigerte M. die Swatch "OIGOL ORO" zum Preis von Fr. 38'000.-- zuzüglich einer Auktionskommission von Fr. 3'800.--. Etwa ein halbes Jahr danach soll eine Prüfung gezeigt haben, dass die Swatch "OIGOL ORO" nicht fabrikneu war und ihr Wert nur einem Bruchteil desjenigen einer fabrikneuen Uhr entsprach. BGE 123 III 165 S. 167 In der Folge erhob M. Klage gegen C. und beantragte, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe der von ihm anlässlich der "1. Internationalen Swatch-Auktion" vom 25./26. Oktober 1991 in Luzern ersteigerten Swatch "OIGOL ORO" den Betrag von Fr. 41'800.-- nebst Zins zu 5% seit dem 26. Oktober 1991 zurückzubezahlen. Das Amtsgericht Luzern-Stadt wies die Klage mit Urteil vom 30. März 1995 ab. Im vom Kläger angehobenen Appellationsverfahren sprach das Obergericht des Kantons Luzern am 6. Februar 1996 die Klagebegehren zu. Der Beklagte gelangt mit eidgenössischer Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung der Klage, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Hinsichtlich der Swatch "OIGOL ORO" hat die Vorinstanz für erwiesen erachtet, dass deren Qualitätsangabe im Katalog als "Fabrikneue Uhr/Watch in mint condition" objektiv falsch war. Sie hat in der Folge geprüft, ob in dieser Zusicherung, die gemäss Auktionsbedingungen "nach bestem Wissen und Gewissen und dem Stand im Zeitraum der Abfassung der Katalogtexte" erfolgte, eine absichtliche Täuschung gelegen habe, für welche der Beklagte gemäss Art. 234 Abs. 3 OR haften würde. Dazu hat sie ausgeführt, der Beklagte, der die Qualitätsbezeichnung "Fabrikneue Uhr" ohne eigene Sachkenntnis in den Auktionskatalog aufgenommen und die eingelieferte Swatch "OIGOL ORO" vorgängig nicht auf allfällige Abnützungserscheinungen oder Gebrauchsspuren hin kontrolliert habe, habe sich nachlässig verhalten. Absichtliches Verhalten im Sinne von Art. 28 OR liege jedoch nur vor, wenn der Täuschende die Unrichtigkeit des Sachverhalts kenne (SCHWENZER, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 2. Aufl., 1996, N. 11 zu Art. 28 OR ). Zudem habe sich der Beklagte, als er diese Swatch der höchsten Qualitätsstufe zuordnete, auf entsprechende Angaben des Einlieferers verlassen und die falsche Qualitätsangabe nicht aufs Geratewohl gemacht, so dass insoweit kein Eventualvorsatz gegeben sei. Allerdings ist nach Ansicht der Vorinstanz die Zusicherung "fabrikneu" mit Rücksicht auf Ziffer 9 der Auktionsbedingungen in einem anderen Lichte zu sehen. Bestem Wissen und Gewissen entsprächen nur solche Angaben, die aufgrund eigener Fachkenntnis oder Überprüfung gemacht werden. Wer aber BGE 123 III 165 S. 168 ohne eigene Fachkenntnis oder Überprüfung Angaben Dritter einfach übernehme und im Auktionskatalog als "bestem Wissen und Gewissen" entsprechende Angaben ausgebe, nehme zumindest in Kauf, dass sie falsch sein und Dritte zum Ersteigern eines Gegenstandes verleiten könnten. Sie hat dem Beklagten deshalb eventualvorsätzliches Handeln vorgeworfen und das Vorliegen einer absichtlichen Täuschung bejaht. An diesem Ergebnis vermöge nichts zu ändern, dass durch die Ausstellung der Uhren in der Schalterhalle der Schweizerischen Kreditanstalt Luzern Interessierten die Gelegenheit geboten worden sei, sich über deren Zustand Rechenschaft zu geben, und dass daher gemäss Ziffer 9 der Auktionsbedingungen Reklamationen der Käufer nach erfolgtem Zuschlag keine Berücksichtigung mehr finden könnten. 3. Der Beklagte wirft der Vorinstanz vor, aus der Formulierung der Freizeichnungsklausel zu Unrecht auf einen Eventualvorsatz geschlossen, Inhalt und Umfang der Wegbedingungsklausel falsch interpretiert zu haben. Er habe mit aller nur wünschbaren Deutlichkeit klar gemacht, dass lediglich für die Echtheit der Uhren Gewähr übernommen werden könne und die Interessenten deswegen gebeten seien, sich selbst über den Zustand der Objekte zu vergewissern. Wenn der Verkäufer erst nach Abschluss des Vertrages von der Unrichtigkeit seiner Angaben erfahre, liege kein dolus in contrahendo vor (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 41 zu Art. 28 OR ). a) Die Auslegung von Willenserklärungen nach dem Vertrauensprinzip überprüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren frei ( BGE 121 III 118 E. 4b/aa mit Hinweisen; BGE 119 II 449 E. 3a). Massgebend ist, wie sie der Empfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste. Dabei ist stets der Gesamtzusammenhang im Auge zu behalten, d.h. die einzelnen Bestimmungen eines Vertrages oder die Äusserungen einer Vertragspartei dürfen nicht von ihrem Kontext losgelöst werden, sondern sind aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, N. 106 zu Art. 1 OR mit weiteren Hinweisen). An die Feststellungen der Vorinstanz hinsichtlich äusserer Umstände und des inneren Willens der Parteien ist das Bundesgericht gebunden ( BGE 115 II 264 E. 5a). b) Im vorliegenden Fall lässt schon Ziffer 9 der Auktionsbedingungen für sich allein betrachtet keine Zweifel an Bedeutung und Umfang der Freizeichnungsklausel offen: Die Beurteilung des Zustandes der zur Versteigerung gelangenden Gegenstände wird voll und ganz dem Käufer überlassen. Hierfür beansprucht der BGE 123 III 165 S. 169 Auktionator volle Freizeichnung. Mit der Formulierung, "die Beschreibungen im Katalog entsprechen bestem Wissen und Gewissen zur Zeit der Abfassung der Katalogtexte", bringt er gerade nicht zum Ausdruck, der Käufer könne sich auf dessen Richtigkeit verlassen, sondern er betont im Gegenteil die Unsicherheit der Angaben, indem er sie zum einen zeitlich relativiert, zum andern den Bieter zu eigener Kontrolle einlädt und deutlich macht, dass der Käufer in dieser Hinsicht sein Angebot auf eigene Verantwortung unterbreitet. Noch deutlichere Konturen erhält die Freizeichnung gemäss Ziffer 9 der Auktionsbedingungen im Zusammenhang mit der anschliessend in Ziffer 10 abgegebenen Garantie für die Echtheit der Uhren. Dort erklärt der Auktionator zunächst deren bedingungslose Übernahme, gibt aber anschliessend die Obliegenheiten des Käufers für die Geltendmachung der Wandelung bekannt. Im Vergleich dazu erscheint die Berufung auf bestes Wissen und Gewissen als Hinweis auf eine Distanzierung vom Kataloginhalt, womit angetönt wird, dass der Verfasser darin von dritter Seite Erfahrenes wiedergibt. Sie drückt gerade nicht aus, dass sich der Auktionator ein eigenes Bild vom Zustand des Einlieferungsgegenstandes gemacht hat und bereit ist, sich dabei behaften zu lassen. Darüber hinaus lassen sich die unterschiedlichen Zusicherungen bezüglich Design(er) oder Zustand der Uhr den betreffenden Rubriken im Katalog eindeutig zuordnen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt jeglicher Zweifel über den Umfang der Gewährleistung ausgeschlossen ist. Ist davon auszugehen, dass die Berufung auf bestes Wissen und Gewissen und die Ablehnung der Haftung für die Zustandsbeschreibung im Katalog als Hinweis auf deren Unzuverlässigkeit verstanden werden mussten, kann daraus von vornherein kein Inkaufnehmen eines auf falschen Angaben beruhenden Kaufsentschlusses erblickt werden, wie die Vorinstanz dem Beklagten zu unterstellen scheint und damit auf eine Täuschungsabsicht mit Eventualvorsatz geschlossen hat. Wusste der Beklagte nicht, dass die Angabe im Katalog, die "OIGOL ORO" sei fabrikneu, unrichtig war, - wie die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hat ( Art. 63 Abs. 2 OG ) - bleibt für den Vorwurf absichtlicher Täuschung im Sinne von Art. 28 OR , der bewussten Erweckung einer falschen Vorstellung im Verhandlungspartner mit dem Zweck, ihn zum Vertragsschluss zu bewegen (vgl. SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 16 zu Art. 28 OR ), kein Raum (vgl. auch BGE 120 III 136 E. 2 am Anfang). BGE 123 III 165 S. 170 4. In rechtlicher Hinsicht ist unter den Parteien nicht streitig, dass die Swatch-Auktion eine öffentlich angekündigte freiwillige Versteigerung im Sinne von Art. 229 Abs. 2 OR war, auf welche nebst den Vorschriften von Art. 229 ff. OR jene des Kaufvertrages Anwendung finden. In den Auktionsbedingungen kann jede Gewährleistung mit Ausnahme der Haftung für absichtliche Täuschung ausgeschlossen werden ( Art. 234 Abs. 3 OR ), was in der Sache der Regelung von Art. 199 OR entspricht. Von dieser Freizeichnungsmöglichkeit machen die Veranstalter von Auktionen in der Regel Gebrauch, indem sie in den Auktionsbedingungen die Sachmängelhaftung wegbedingen, um klarzustellen, dass in der katalogmässigen Beschreibung der Auktionsgegenstände keine Zusicherung bestimmter Eigenschaften liegt (vgl. HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Aufl., 1995, S. 170; HANS-PETER KATZ, Sachmängel beim Kauf von Kunstgegenständen und Antiquitäten, Diss. Zürich 1973, S. 55). In einem unveröffentlichten Urteil vom 27. Oktober 1987 hat das Bundesgericht mit Blick auf BGE 109 II 24 f. zur Frage, wie sich die Beschreibungen in Katalogen von Kunstauktionen zu Freizeichnungsklauseln verhalten, ausgeführt, angesichts der Vielfalt des angebotenen Auktionsguts dürfe das bietende Publikum nicht ohne weiteres davon ausgehen, der Auktionator habe die einzelnen Gegenstände näher überprüfen können und übernehme mit ihrer Beschreibung zugleich die Garantie der Echtheit. Die Beschreibung im Auktionskatalog solle in erster Linie die zur Versteigerung gelangenden Gegenstände darstellen und den Interessenten den Entscheid darüber erleichtern, ob und bis zu welcher Höhe sie mitbieten wollen. Ferner komme dem Kaufpreis im Rahmen der Versteigerung nicht der gleiche Stellenwert wie bei einem gewöhnlichen Kauf zu. Er werde durch das Gebot des Bieters und weniger durch den Ausruf des Auktionators bestimmt. Selbst ein Kataloghinweis auf ein Expertengutachten vermochte im beurteilten Fall angesichts der Klarheit der Freizeichnungsklausel nach Treu und Glauben keine Echtheitszusicherung zu begründen. Diese Grundsätze lassen sich ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen; umso mehr, als nicht der Ausschluss der Echtheitsgarantie, sondern lediglich jener der Garantie für den im Katalog beschriebenen Zustand der zugeschlagenen Objekte in Frage steht, über den sich der Käufer anlässlich der Vorbesichtigung selbst informieren kann. Wie sich aus den Ausführungen zur absichtlichen Täuschung (Erwägung 3b hiervor) ergibt, ist offensichtlich, welcher BGE 123 III 165 S. 171 Sinn Ziffer 9 der Auktionsbedingungen beizumessen ist. Die Bezeichnung des Qualitätszustandes der angebotenen Uhren im Katalog erfolgte ohne Gewähr, lediglich entsprechend dem Wissensstand der Anbieter bei Drucklegung, während die "Echtheit" gemäss der Rubrik "Namen" zugesichert wurde. Dass die Versteigerungsbedingungen nicht in gehöriger Weise öffentlich kundgetan worden wären, wie es Art. 234 Abs. 3 OR erfordert, hat die Vorinstanz nicht festgestellt. Wenn sie unter den gegebenen Umständen einzig "angesichts der professionellen Aufmachung des Katalogs" dem Kläger zubilligt, er habe auf eine Garantie für die Richtigkeit aller Angaben im Katalog schliessen dürfen, verkennt sie die Bedeutung des Vertrauensprinzips und verletzt damit Bundesrecht. 5. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Beklagte, dem keine absichtliche Täuschung vorzuwerfen ist, die Haftung für den vom Kläger geltend gemachten Qualitätsmangel gültig wegbedungen hat. Die Berufung ist deshalb gutzuheissen und die Klage abzuweisen, ohne dass die weiteren Rügen des Beklagten zu behandeln sind.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
11a06c10-53c0-40e5-b149-1c95421fa64a
Urteilskopf 102 IV 120 30. Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1976 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
Regeste BRB über die Feststellung der Angetrunkenheit von Strassenbenützern. 1. Art. 4 Abs. 3. Die Begutachtung des Ergebnisses der Blutanalyse ist alternativ "in Zweifelsfällen" und "auf Verlangen des Verdächtigten" vorgesehen (Erw. 1b). 2. Art. 4 Abs. 4. Der Sachverständige hat seine Schlussfolgerungen zu begründen (Erw. 1c). 3. Art. 3 Abs. 1. Der Arzt hat nur die im Formular gemäss Anhang II zum BRB verlangten medizinischen Feststellungen zu treffen (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 121 BGE 102 IV 120 S. 121 A.- R. fuhr am 10. Juni 1975 um 19 Uhr zur Behandlung eines Ischias-Syndroms von seinem Wohnort Bottmingen nach Bad Bellingen (BRD), wo er sich bis 20.30 oder 21 Uhr im Thermalbad aufhielt. Anschliessend kehrte er im ausserhalb von Bellingen gelegenen Restaurant "Schwanen" ein und blieb dort bis 00.15 Uhr. Zwischen 22 und 22.30 Uhr trank er auf den nüchternen Magen ein kleines Bier und ein Viertel Weissherbst. Darauf ass er Spargeln mit Mayonnaise und als Dessert eine Omelette. Dazu trank er zwei Viertel Weisswein und nach dem Dessert, um 23.40 Uhr, einen Kaffee mit einem grossen Weinbrand. Um 00.15 Uhr verliess er das Restaurant und diskutierte bis 00.40 Uhr vor diesem mit Kurgästen. Darauf setzte er sich ans Steuer seines Wagens und fuhr nach Basel. Nachdem er dort mit hoher Geschwindigkeit durch die Klybeckstrasse und von dieser mit laut quietschenden Pneus rechts in die Dreirosenstrasse gefahren war, seine Fahrt in Richtung Gross-Basel fortgesetzt hatte und dort auf dem Luzernerring zwischen Flughafen- und Burgfelderstrasse abwechselnd auf beiden Fahrspuren gefahren war, wurde er von der Polizei um 01.20 Uhr angehalten. Er roch nach Alkohol. Der um 01.35 Uhr durchgeführte Atemlufttest ergab eine Blutalkohol-Konzentration von 0,8%o und die Analyse der um 02.20 Uhr erhobenen Blutprobe durch den Gerichtschemiker eine solche von 0,9%o. Der Gerichtsarzt errechnete für den Zeitpunkt der inkriminierten Fahrt bei Annahme vollständiger Resorption des genossenen Alkohols einen Blutalkoholwert von schätzungsweise 1,05%o, entsprechend einer mittelgradigen Angetrunkenheit mit individuell je nach Alkoholtoleranz verschieden starken Störungen. B.- Der Polizeigerichtspräsident von Basel-Stadt verurteilte R. wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und vorschriftswidrigen Motorfahrens zu 10 Tagen Gefängnis. Das Appellationsgericht bestätigte am 12. Mai 1976 dieses Urteil, wobei es den Antrag des R. auf Durchführung einer Oberexpertise über den Grad der Angetrunkenheit ablehnte. BGE 102 IV 120 S. 122 C.- R. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt hat sich innert Frist nicht zur Beschwerde vernehmen lassen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 4 Abs. 3 des BRB vom 14. Februar 1968 über die Feststellung der Angetrunkenheit von Strassenbenützern. Die Vorinstanz habe trotz seines Begehrens zum Ergebnis der Blutanalyse kein Gutachten eingeholt. Der Bericht des Gerichtsarztes sei nicht ein Gutachten. a) Im Anschluss an die Vorschriften, dass die Blutanalyse von einem Institut vorgenommen werden muss, das die erforderlichen Einrichtungen besitzt und für eine zuverlässige Untersuchung Gewähr bietet (Abs. 1), und dass die Analyse nach zwei grundlegend verschiedenen Methoden zu erfolgen hat und bei wesentlichem Abweichen der Resultate voneinander zu wiederholen ist (Abs. 2), schreibt Art. 4 BRB in Absatz 3 vor, dass zum Ergebnis der Blutanalyse auf Verlangen des Verdächtigten und in Zweifelsfällen das Gutachten eines gerichtlich-medizinischen Sachverständigen einzuholen sei. Da für den Richter einzig der Blutalkoholgehalt des Beschuldigten im Zeitpunkt der Fahrt von Belang ist, ist "Ergebnis der Blutanalyse" nicht allein das Resultat des chemischen oder physikalischen Trennungsverfahrens, sondern auch dessen sachverständige Auswertung im Hinblick auf jenen Zeitpunkt, d.h. eine allfällige Rückrechnung, denn sie gehört jenem gerichtlich-medizinischen Wissensbereich an, für welchen das Gesetz den Richter an den Fachmann verweist. b) Gemäss Art. 4 Abs. 3 BRB hat der Richter ein Gutachten einzuholen "auf Verlangen des Verdächtigten und in Zweifelsfällen". Nach dem Wortlaut der Bestimmung ist das Begehren des Beschuldigten ein selbständiger Grund zur Einholung einer Expertise, der alternativ zu den Zweifeln des Gerichtes gegeben sein kann und nicht nur zusammen mit diesen, ansonst auch der Zweifel des Richters nicht genügen würde, wenn ein Begehren des Beschuldigten fehlt. Für die dem Wortlaut folgende Auslegung spricht auch die Entwicklungsgeschichte. BGE 102 IV 120 S. 123 Bei der Beratung des Art. 55 Abs. 3 SVG unterrichtete der Vertreter des Bundesrates den Nationalrat über die vorgesehenen Vollzugsvorschriften, denen zufolge "auf Antrag des Beschuldigten... eine Kontrollanalyse, eventuell in einem Labor nach Wahl des Beschuldigten durchgeführt" werde (Sten.Bull. NR 1957 S. 219 oben). Nach einer Mitteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 26. August 1976 hatte denn auch der erste Entwurf der Ausführungsvorschriften folgendes vorgesehen: "Vom Ergebnis der Analyse ist dem Verdächtigten innert 5 Tagen seit der Feststellung Kenntnis zu geben. Dieser kann innert 10 Tagen seit Erhalt der Mitteilung eine Kontrolluntersuchung durch ein anerkanntes Institut oder ein Laboratorium seiner Wahl verlangen". In der weiteren Bearbeitung des Entwurfs wurde auf die Fristen verzichtet, am Grundsatz einer Begutachtung auf Begehren des Beschuldigten aber festgehalten und dieses als selbständiger Grund dem Zweifel des Gerichtes an die Seite gestellt. Der Gesetzgeber hat somit die Begutachtung des Ergebnisses der Blutanalyse aus zwei alternativen Gründen vorgesehen, mit der Folge, dass einem Begehren des Beschuldigten zu entsprechen ist, auch wenn der Richter selber keine Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses hegt. c) Der Beschwerdeführer hat vor Appellationsgericht ein solches Begehren gestellt, ohne damit gehört zu werden. Wohl war der sich in einem Satz erschöpfende Untersuchungsbericht des Gerichtschemikers, der einen Blutalkoholgehalt von 0,9%o verzeichnete, vom kantonalen Polizeidepartement dem Gerichtsarzt zur Prüfung überwiesen worden. Dessen Bericht besteht jedoch seinerseits bloss in drei Sätzen und gelangt zum Schluss, dass "bei Annahme vollständiger Resorption des genossenen Alkohols" sich ein Blutalkoholwert von schätzungsweise ungefähr 1,05%o ergebe, "entsprechend der Annahme eines Zustandes mittelgradiger Angetrunkenheit mit individuell je nach Alkoholtoleranz verschieden starken Störungen". Dieser Bericht ist jedoch kein Gutachten im Sinne des Art. 4 BRB. Nach Absatz 4 dieses Artikels hat nämlich der Sachverständige seine Schlussfolgerungen zu begründen. Daran fehlt es hier. Wohl erklärt der Gerichtsarzt, dass nach dem Polizeirapport die Blutentnahme eine Stunde nach dem kritischen Zeitpunkt erfolgt sei, weshalb sich für die Zeit der BGE 102 IV 120 S. 124 Fahrt ein Wert von 1,05%o ergebe. Indessen legt er nicht dar, worauf er seine Annahme einer vollständigen Resorption des genossenen Alkohols stützt. Da er aber diesem Moment entscheidende Bedeutung beimisst, hätte er seine Annahme begründen und überdies die Art der Rückrechnung erläutern müssen. Da der vom Gesetzgeber dem Beschuldigten gewährte Anspruch auf gutachtliche Überprüfung des Ergebnisses der Blutanalyse sich seiner Natur nach in den Rahmen des rechtlichen Gehörs im weiteren Sinne einfügt, ist dem Begehren um Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache zur Einholung einer Expertise stattzugeben unbekümmert darum, ob Aussicht besteht, dass die Behebung des Mangels zu einer sachlichen Änderung des angefochtenen Urteils führen wird. Das Appellationsgericht wird einen geeigneten Experten oder ein spezialisiertes Institut mit der Begutachtung gemäss Art. 4 Abs. 3 BRB zu beauftragen haben. Insoweit ist somit die Beschwerde gutzuheissen. 2. Dagegen ist sie offensichtlich unbegründet, soweit sie geltend macht, der ärztliche Untersuchungsbericht enthalte entgegen Art. 3 BRB keine objektiven medizinischen Feststellungen betreffend die Angetrunkenheit des Beschwerdeführers. Gemäss Art. 3 Abs. 1 BRB hat der mit der Blutentnahme beauftragte Arzt zwar den Verdächtigten zusätzlich auf die medizinisch feststellbaren Anzeichen von Angetrunkenheit zu untersuchen, die Untersuchung aber anhand des Formulars gemäss Anhang II vorzunehmen. Er hat somit nicht irgendwelche medizinischen Feststellungen zu treffen, sondern nur diejenigen, die im genannten Formular verlangt werden. Das aber ist geschehen; einmal entspricht das verwendete Formular in allen Teilen dem im Anhang II zum BRB vorgesehenen (SR 741, 172), und zum andern hat der Arzt alle darin gestellten Fragen pflichtgemäss beantwortet, was der Verteidiger hätte erkennen können. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts-Ausschusses des Kantons Basel-Stadt vom 12. Mai 1976 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
null
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de
1,976
CH_BGE
CH_BGE_006
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11a94199-0047-41f3-98bb-1379678fba5b
Urteilskopf 103 II 127 21. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung als staatsrechtliche Kammer vom 17. März 1977 i.S. Roth gegen J. Ruckstuhl AG
Regeste Art. 344a Abs. 1 OR . Es ist nicht willkürlich anzunehmen, dass die vorübergehende Verlängerung eines Lehrvertrages, die dem Lehrling das Bestehen einer Nachprüfung ermöglichen soll, nicht von der Einhaltung der Schriftform abhängig ist.
Erwägungen ab Seite 127 BGE 103 II 127 S. 127 Aus den Erwägungen: 2. Das Appellationsgericht stellt unangefochten fest, dass der Beschwerdeführer - nachdem er am 30. September 1975 nur den praktischen Teil der Lehrabschlussprüfung bestanden BGE 103 II 127 S. 128 hatte - von der J. Ruckstuhl AG über den ersten Prüfungstermin hinaus weiterbeschäftigt wurde, um ihm damit den weiteren Schulbesuch und die Nachprüfung im Frühjahr 1976 zu ermöglichen. Daraus folgern beide kantonalen Instanzen, der Beschwerdeführer sei weiterhin Lehrling im Sinne der massgebenden Bestimmungen geblieben; durch die Weiterbeschäftigung hätten die Parteien den Lehrvertrag verlängert. Demgegenüber macht die Beschwerde geltend, dass wie der Vertrag selbst auch seine Verlängerung hätte schriftlich vereinbart werden müssen. In Ermangelung dieser Form sei der Beschwerdeführer für die Zeit nach dem September 1975 nicht mehr als Lehrling einzustufen, sondern habe nach dem Gesamtarbeitsvertrag für das Heizungs- und Lüftungsgewerbe Anspruch auf den Lohn eines C-Monteurs. Der schriftliche Lehrvertrag der Parteien sieht eine Lehrzeit vom 17. April 1972 bis zum 16. Oktober 1975 vor. Das entspricht der Forderung von Art. 344a Abs. 1 und 2 OR , wonach der Lehrvertrag schriftlich sein und unter anderem die Ausbildungsdauer regeln muss. Wird ein Arbeitsverhältnis trotz Ablauf einer festen Vertragsdauer fortgesetzt, so kommen nicht die allgemeinen Bestimmungen über die Abänderung eines Vertrages ( Art. 12 OR ), sondern die besonderen Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts, namentlich des Einzelarbeitsvertrages, zum Zuge, die ergänzend auch auf den Lehrvertrag anwendbar sind ( Art. 355 OR ). Nach Art. 335 Abs. 2 OR bewirkt die stillschweigende Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der bestimmten Vertragsdauer dessen Verlängerung auf unbestimmte Zeit. Die kantonalen Behörden durften deshalb durchaus annehmen, dass eine vorübergehende Verlängerung des Lehrvertrages, welche dem Lehrling das Bestehen einer Nachprüfung ermöglichen sollte, nicht von der Einhaltung der Schriftform abhängig ist, zumal eine solche Verlängerung dem Zweck des Lehrvertrages entspricht. Im übrigen nimmt selbst das Gesetz gegebenenfalls sogar dann ein Lehrverhältnis an, wenn überhaupt kein gültiger Lehrvertrag abgeschlossen worden ist ( Art. 320 Abs. 3 OR , Art. 15 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung; vgl. auch VISCHER in Schweiz. Privatrecht, VII/1 S. 432). Auch rechnen einzelne Bestimmungen des von den Parteien abgeschlossenen schriftlichen Lehrvertrages mit einer Verlängerung der vertraglich festgesetzten Lehrzeit bei BGE 103 II 127 S. 129 Vorliegen besonderer Umstände. Eine Auslegung dieses Lehrvertrages, die dahin geht, dass das vereinbarte Vertragsverhältnis zumindest im gegenseitigen Einvernehmen über die vereinbarte Dauer hinaus verlängert werden könne, wenn das zur Erreichung des Lehrziels notwendig sein sollte, ist vertretbar, ja drängt sich sogar auf. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Beschwerdeführer im Herbst 1975 wenigstens die praktische Teilprüfung bestand. Weder das Gewerbliche Schiedsgericht noch das Appellationsgericht verfielen deshalb in Willkür, als sie eine gültige Verlängerung des Lehrvertrages annahmen; der Beschwerdeführer rügt zu Unrecht eine Verletzung von Art. 4 BV .
public_law
nan
de
1,977
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CH_BGE_004
CH
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11b135fa-6186-401c-9e60-3d50c9b4f2c7
Urteilskopf 80 II 362 57. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. November 1954 i. S. Wwe Carocari gegen Carocari und Konsorten.
Regeste 1. Wann ist eine Prorogation auf das Bundesgericht im Sinne von Art. 41 lit. c Abs. 2 OG auch beim Fehlen eines Gerichtsstandes in der Schweiz wirksam? Art. 2 Abs. 2 BZP (Erw. 1). 2. Das Bundesgericht ist nur zur Beurteilung der Rechtsbegehren zuständig, auf die sich die Prorogation bezieht (Erw. 2). 3. Was kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein? Art. 25 BZP (Erw. 3). 4. 'Rechtliches Interesse an sofortiger Feststellung' (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 362 BGE 80 II 362 S. 362 A.- Am 30. Januar 1953 starb in Basel der dort wohnhaft gewesene Bauunternehmer Lorenzo Carocari, italienischer Nationalität. Er hinterliess seine Witwe (die Klägerin) und drei Kinder (die Beklagten), alle in Basel wohnhaft, als gesetzliche Erben. Die Erben sind darüber einig, dass die erbrechtliche Auseinandersetzung nach dem italienischen Recht als dem Heimatrecht vor sich zu gehen habe. Auf die vorweg zu erledigenden güterrechtlichen Ansprüche möchte dagegen die Witwe das schweizerische Recht als Recht des Wohnsitzes angewendet wissen (wonach ihr an dem sehr beträchtlichen ehelichen Vorschlag BGE 80 II 362 S. 363 ein Drittel zustehe), während die Kinder auch in dieser Hinsicht das italienische Heimatrecht für anwendbar halten (das der Witwe keinen Vorschlagsanteil einräume). B. - Um diese Streitfrage rechtsverbindlich entscheiden zu lassen, schlossen die Parteien am 21. Juni 1954 einen Prorogationsvertrag, lautend: '1. Die Parteien vereinbaren, die Frage, ob auf die zur Ermittlung des Nachlasses von Herrn Lorenzo Carocari, verstorben am 30. Januar 1953 in Basel, vorzunehmende güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches oder des Codice civile italiano anwendbar sind, dem Bundesgericht als einzige Instanz gemäss OG Art. 41 c zur Entscheidung zu unterbreiten. 2. Die Parteien sind übereingekommen, dass die ordentlichen und ausserordentlichen Kosten des Verfahrens dem Nachlass des Herrn Lorenzo Carocari sel. belastet werden sollen.' C.- Gestützt auf diese Vereinbarung reichte die Witwe beim Bundesgericht die vorliegende Klage ein mit den Rechtsbegehren: '1. Es sei festzustellen, dass auf die zur Ermittlung des Nachlasses von Herrn Lorenzo Carocari ... vorzunehmende güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches anwendbar sind. 2. Es sei der Klägerin demgemäss aus dem ehelichen Vermögen der Betrag von Fr. 87'110.85 als Vorschlagsanteil vorweg zuzusprechen.' Demgegenüber stellten die Beklagten das Rechtsbe gehren: 'Es sei festzustellen, dass für die zur Ermittlung des Nachlasses ... vorzunehmende güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des schweizerischen Zivilgesetzbuches nicht, sondern diejenigen des italienischen Rechtes zur Anwendung gelangen, und dass demnach der Klägerin kein Vorschlagsanteil zusteht.' Die Beklagten wollen nur die Frage des anzuwendenden ehelichen Güterrechtes durch das Bundesgericht entscheiden lassen. Sie widersetzen sich einer Beurteilung des von der Klägerin (in eventuellem Sinne, laut der Klagebegründung) erhobenen Leistungsbegehrens, das in der Prorogationsvereinbarung nicht enthalten sei. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung seien die Beklagten nicht von ihrem Standpunkt abgewichen, dass allfällige Streitigkeiten BGE 80 II 362 S. 364 über den Nachlass des Lorenzo Carocari nur von italienischen Gerichten, und zwar nach italienischem Rechte, zu beurteilen seien. Einer materiellen Entscheidungsbefugnis des Bundesgerichtes vermöchten sie daher nicht zuzustimmen. Demgemäss haben sie ihr Rechtsbegehren in der Hauptverhandlung dahin verdeutlicht, 'das Bundesgericht habe unter Feststellung, dass auch die güterrechtlichen Verhältnisse der Beurteilung durch die italienischen Gerichte unterstehen, auf den vorliegenden Streitfall materiell nicht einzutreten.' Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 41 lit. c Abs. 2 OG kann das Bundesgericht von beiden Parteien 'an Stelle der kantonalen Gerichte' als einzige Instanz angerufen werden, wenn der Streitwert wenigstens Fr. 10'000.-- beträgt. Die letztere Voraussetzung ist hier erfüllt. Da sodann das Bundesgericht nur 'an Stelle der kantonalen Gerichte' angerufen werden kann, muss nach eidgenössischem oder kantonalem Recht ein Gerichtsstand in der Schweiz begründet sein, was denn auch Art. 2 Abs. 1 des Bundeszivilprozessgesetzes vom 4. Dezember 1947 ausdrücklich bestimmt. An dieser Voraussetzung würde es vorerst fehlen, wenn der italienische Gerichtsstand, wie ihn Art. 17 Abs. 3 des Niederlassungs- und Konsularvertrages zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 für Streitigkeiten zwischen den Erben eines in der Schweiz verstorbenen Italieners 'hinsichtlich seines Nachlasses' vorsieht, auf Ansprüche des überlebenden Ehegatten aus ehelichem Güterrecht auszudehnen sein sollte. Wie dem aber auch sei, ist Prorogation eines von dieser staatsvertraglichen Norm abweichenden Gerichtsstandes zulässig ( BGE 65 I 125 ). Und die vorliegende Prorogation ist vom Bundesgericht nach Art. 2 Abs. 2 BZP zu beachten, da die Klägerin ihren Wohnsitz in der Schweiz hat. 2. Indessen fallen nur die Rechtsbegehren in Betracht, für welche die Prorogation erfolgt ist. Für andere Begehren ist die Zuständigkeit des Bundesgerichtes als einziger BGE 80 II 362 S. 365 Instanz nicht begründet. Der in der Vereinbarung vom 21. Juni 1954 formulierten Streitfrage nach dem anzuwenden den Rechte entspricht das erste, nicht aber das zweite Klagebegehren (aufLeistung von Fr. 87'110.85). Die Beklagten widersetzen sich denn auch dessen Beurteilung durch das Bundesgericht. Freilich bringen sie selber den materiellen Inhalt des italienischen Gesetzes zur Geltung, indem sie mit ihrem Gegenbegehren feststellen lassen wollen, 'dass der Klägerin demnach kein Vorschlagsanteil zusteht'. Das wäre aber nach Ansicht beider Parteien die unabweisliche Folge der Anwendung des italienischen Gesetzes und hat somit nicht die Bedeutung eines besondern Begehrens. Die Beklagten haben im übrigen keinen Zweifel darüber bestehen lassen, dass sie sich an den Wortlaut der Prorogationsvereinbarung halten und eine Befugnis des Bundesgerichts zu materieller Entscheidung nicht anerkennen wollen. 3. Bei dieser Sachlage erhebt sich die Frage, ob überhaupt Rechtsbegehren im wahren Sinne des Wortes vorliegen. Eine gerichtliche Entscheidung muss (abgesehen von der sog. freiwilligen oder nichtstreitigen Gerichtsbarkeit) im Ausspruch der Rechtsfolge bestehen, die sich nach dem Gesetze als Rechtswirkung eines Tatbestandes ergibt (vgl. STEIN, Grundriss des Zivilprozessrechts und des Konkursrechts, § 63 II). Insbesondere kann eine gerichtliche Feststellung nach Art. 25 BZP (entsprechend dem Inhalt anderer Gesetze sowie gemäss der herrschenden Lehre) nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses betreffen (ähnlich § 92 der zürcherischen und Art. 174 der bernischen ZPO; vgl. auch § 256 der deutschen ZPO). Der Begriff des Rechtsverhältnisses wird etwa umschrieben als 'ein durch die Herrschaft der Rechtsnormen über einen konkreten Tatbestand als Rechtsfolge dieses Tatbestandes entstandenes rechtliches Verhältnis einer Person zu einer andern Person oder zu einem Sachgut' (so STEIN/JONAS, Die ZPO für das Deutsche Reich, 14. Auflage I S. 699) oder 'die aus einem konkreten Tatbestand entstandene BGE 80 II 362 S. 366 Rechtsbeziehung einer Person zu einer andern Person oder zu einer Sache' (SCHöNKE, Zivilprozessrecht, 5. Aufl. S. 145) oder 'jede aus den Rechtsnormen sich ergebende Beziehung einer Person zu einer andern Person oder zu einer Sache, sowie die einzelnen daraus fliessenden rechtlichen Folgen, Ansprüche und Verpflichtungen' (LEUCH, N. 2 zu Art. 174 der bernischen ZPO). Es muss sich danach um den Bestand oder Inhalt und Umfang von Rechten oder Pflichten handeln, die durch das Urteil festgelegt oder abgegrenzt werden sollen. Dagegen kann nicht eine blosse Rechtsfrage ohne die an sie zu knüpfende Rechtsfolge zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Denn damit wäre eben noch nicht über Rechte und Pflichten entschieden, also kein materiellrechtliches Urteil gefällt, wie es auch das Feststellungsurteil sein muss. Im vorliegenden Falle, wo eine Prorogation auf das Bundesgericht nur für eine Rechtsanwendungsfrage vereinbart worden ist und die Beklagten die italienischen Gerichte für eine materielle Entscheidung als allein zuständig halten, bestünde nicht einmal Gewähr für Beachtung der nachgesuchten Entscheidung durch das allenfalls hernach um materielle Entscheidung angegangene Gericht. 4. Die (von Anwälten verfasste) Prorogationsvereinbarung kann, zumal angesichts der Stellungnahme der Beklagten, nicht wohl ausdehnend dahin ausgelegt werden, es werde ein eigentliches, d.h. materiellrechtliches Feststellungsurteil darüber verlangt, ob der Witwe aus Güterrecht ein Vorschlagsanteil zustehe. Liesse sich indessen die Prorogation auch so auslegen, so würde es an den besondern Voraussetzungen einer Feststellungsklage mangeln, die Art. 25 BZP dahin formuliert, dass der Kläger ein rechtliches Interesse an sofortiger Feststellung haben müsse. Es besteht kein schutzwürdiges Interesse, die Frage nach einer Vorschlagsbeteiligung, zudem nur grundsätzlich, ohne ziffermässige Bestimmung, vorweg entscheiden zu lassen. Nichts würde die Parteien hindern, sogleich die ganze güterrechtliche Auseinandersetzung zu gerichtlichem BGE 80 II 362 S. 367 Austrag zu bringen, also die Frage des Vorschlagsanteils nach Grundsatz und Betrag, aber auch die Ersatzansprüche für Eingebrachtes und die zur Zeit noch streitigen Sondergutsansprüche. Auf diesem Wege liesse sich ein vollstreckbares Urteil erzielen. Dass der Vorschlagsanteil der Witwe besonders gefährdet sei und deshalb möglichst rasch vorweg durch Urteil festgestellt werden sollte, ist nicht dargetan. übrigens ist nicht einzusehen, was in dieser Hinsicht mit einer bloss grundsätzlichen Feststellung gewonnen wäre. Endlich lässt sich für die Zulässigkeit einer solchen Feststellung nichts daraus herleiten, dass einem Feststellungsurteil mitunter gestützt auf zuverlässige Parteierklärungen, namentlich seitens behördlicher Organe, die praktische Wirkung eines Leistungsurteils beigemessen werden darf (vgl. BGE 50 II 51 ff.; LEUCH, N. 3 zu Art. 174 der bernischen ZPO, S. 175 unter Mitte der 2. Auflage). Denn abgesehen davon, dass die Beklagten ein Urteil mit materiellrechtlicher Wirkung gar nicht wollen, wäre eine bloss grundsätzliche Feststellung keineswegs geeignet, die güterrechtliche Auseinandersetzung zum Abschluss zu bringen oder auch nur den der Witwe allenfalls zukommenden Anteil am ehelichen Vorschlage festzusetzen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Klage wird nicht eingetreten.
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Urteilskopf 114 Ib 163 25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Dezember 1988 i.S. X. gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Wohnsitzpflicht für Beamte; Art. 8 Abs. 1 BtG . - Niederlassungsfreiheit und Wohnsitzpflicht für Beamte (E. 3a). - Einem Bundesbeamten ist die Ermächtigung zum auswärtigen Wohnen zu erteilen, wenn sich das auswärtige Wohnen nicht nachteilig auf den Dienst und dessen Besorgung auswirkt (E. 3b und c). - Wohnsitzpflicht des Beamten und Familienwohnsitz (E. 4). - Die Verweigerung der Ermächtigung zu auswärtigem Wohnen darf nicht den Charakter einer Disziplinarmassnahme haben (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 164 BGE 114 Ib 163 S. 164 X. steht seit Juni 1986 im Dienste des Sekretariats der Eidgenössischen Bankenkommission. Zunächst blieb er mit seiner Familie am bisherigen Wohnort in Basel und fuhr täglich mit dem Zug zur Arbeit nach Bern. Am 20. Juli 1987 verlegte er den Wohnsitz in die Nähe von Bern. Da sich der Zustand des dort gemieteten Hauses nicht als befriedigend erwies, die Kinder sich in der Schule nicht wohl fühlten und nachbarschaftliche Beziehungen fehlten, wollte X. mit seiner Familie wieder in die Altstadt von Basel zurückkehren, wo er enge familiäre und freundschaftliche Beziehungen hat. Er ersuchte daher am 20. März 1988 die Eidgenössische Bankenkommission um die Ermächtigung, den Wohnsitz nach Basel zu verlegen. Mit Verfügung vom 25. April 1988 wies die Bankenkommission das Gesuch ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bewilligung zur Wohnsitznahme ausserhalb des Wohnkreises des Dienstortes (25 Agglomerationsgemeinden in einem Umkreis von ca. 15 km um Bern) sei nur mit Zurückhaltung zu erteilen. Mit Wohnsitz Basel wäre der Gesuchsteller nach der von ihm vorgesehenen Bahnbenützung täglich 12 1/2 Std. von zu Hause abwesend. Das würde sich auf seine Arbeit negativ auswirken. Zudem vermöchten Leistung und Verhalten des Gesuchstellers nicht zu befriedigen; die Qualität der Arbeit sei zwar gut, doch lasse die Speditivität und damit die Quantität zu wünschen übrig. Gemäss Rechtsmittelbelehrung führte X. am 27. Juni 1988 Beschwerde beim Bundesrat mit den Begehren, die Verfügung vom 25. April sei aufzuheben und es sei ihm das Wohnen in Basel, ohne gleichzeitige Zimmermiete im Wohnkreis Bern, zu bewilligen. Gleichzeitig vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wäre das richtige Rechtsmittel. Dieser Auffassung schloss sich nachträglich auch die Bankenkommission an, worauf das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Beschwerde an das Bundesgericht überwies. BGE 114 Ib 163 S. 165 Die Bankenkommission schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 18. August 1988 wies der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung das Gesuch des Beschwerdeführers um vorsorgliche Massnahmen ab. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Art. 45 BV garantiert jedem Schweizer die Niederlassungsfreiheit. Dieses Freiheitsrecht steht grundsätzlich auch den Beamten zu. Es kann jedoch durch Gesetz eingeschränkt werden, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Gegenüber der Bundesgesetzgebung kann das Bundesgericht die letztgenannten Voraussetzungen im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung in Betracht ziehen. b) Die beamtenrechtlichen Regelungen der Kantone kennen hinsichtlich der Residenzpflicht verschiedene, mehr oder weniger grosszügige Lösungen. Viele der Gründe, die im kantonalen (oder kommunalen) Recht für die Residenzpflicht angeführt werden (z.B. zivile und politische Inkorporation in das Gemeinwesen, welchem der Beamte angehört; unter Umständen auch fiskalische Interessen), hätten für das Beamtenrecht des Bundes zur Folge, dass der Bundesbeamte überall in der Schweiz wohnen könnte. Wenn Art. 8 Abs. 1 BtG bestimmt, der Beamte habe an dem ihm von der Wahlbehörde angewiesenen Dienstort zu wohnen, sofern ihn die zuständige Amtsstelle nicht zur Verlegung des Wohnsitzes an einen andern Ort ermächtigt, kann damit nur gemeint sein, dass die besonderen Dienstverhältnisse das Wohnen am Ort erfordern. Gemäss Art. 7 Abs. 2 BO 1 (SR 172.221.101) ist denn auch die Ermächtigung zu erteilen, wenn das auswärtige Wohnen sich nicht nachteilig auf den Dienst und die Dienstbesorgung auswirkt. Das ergibt sich schliesslich aus der Botschaft des Bundesrates vom 18. Juli 1924 (BBl 1924 III S. 24). Sowohl das Beamtengesetz wie auch die Beamtenordnung 1 wurden kürzlich revidiert. Die soeben erwähnten Bestimmungen blieben jedoch unverändert. Entgegen der Auffassung, welche offenbar von der Bankenkommission vertreten wird, lässt sich deshalb aus der Gesetzesrevision von 1986 für die Wohnsitzpflicht des Beamten nichts ableiten. BGE 114 Ib 163 S. 166 c) Viele - und vor allem höhere - Bundesbeamte wohnen nicht an ihrem Dienstort oder in dem zugehörigen Rayon. Aus dem in der Beschwerdebeilage eingereichten Brief des Eidgenössischen Personalamtes vom 26. Mai 1988 ergibt sich, dass auf die spezifischen Bedürfnisse des Amtes abgestellt wird, wobei solche unter Umständen auch dadurch erfüllt werden können, dass der Beamte unabhängig von Familienwohnsitz am Dienstort ein Zimmer unterhält, um für Einsätze während der Woche, soweit es seine Aufgaben erfordern, zur Verfügung zu stehen. 4. Die Wahl des Familienwohnsitzes hängt nicht allein vom Willen des Ehemannes ab. In erster Linie entscheiden die Interessen der Familie darüber, ob eine Trennung zwischen Familienwohnsitz und Wochenaufenthalt des Ehemannes notwendig ist, wenn dessen Anwesenheit an seinem Dienstort erforderlich ist. Der Beschwerdeführer scheint sich - um der angefochtenen Verfügung für die Dauer des Beschwerdeverfahrens zu genügen - vorübergehend für eine solche Lösung entschieden zu haben, indem er in Bern eine Mansarde mietete. Die Bankenkommission stützte ihren Entscheid indessen nicht darauf, dass die Anwesenheit des Beschwerdeführers am Dienstort wegen der Besonderheit seiner Funktion notwendig sei. Sie ging vielmehr davon aus, die lange Reisezeit von Basel nach Bern und die entsprechende Dauer der täglichen Trennung von der Familie ermüde und belaste den Beschwerdeführer derart, dass seine Arbeitsleistungen darunter leiden. Eine ähnliche - oder noch schwerere - Belastung könnte auch durch die wochenlange Trennung von der Familie eintreten. Der Beamte hat jedoch selbst zu entscheiden, welche Unannehmlichkeiten er im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg in Kauf nehmen will. Zeigt sich tatsächlich, dass er wegen des auswärtigen Wohnsitzes keine genügenden Leistungen erbringt, kann der Arbeitgeber ihn als ultima ratio vor die Alternative stellen, seine persönlichen Verhältnisse entsprechend anzupassen oder sich einen andern Arbeitsplatz zu suchen (wobei er notfalls entlassen oder nicht wiedergewählt würde). Das hat aber nichts mit der Residenzpflicht am Dienstort zu tun, sondern betrifft die subjektiven Bedingungen, welche für die Weiterführung eines Beamtenverhältnisses von Bedeutung sind. 5. a) Die Beurteilung hängt auch davon ab, welches Verkehrsmittel der Beamte benützt und ob er die Reisezeit sinnvoll ausnützen kann. Der Beschwerdeführer kann einen Intercity-Zug Basel ab 7.00 Uhr mit Ankunft in Bern um 8.09 Uhr und einen BGE 114 Ib 163 S. 167 solchen Bern ab 17.51 Uhr mit Ankunft in Basel um 19.00 Uhr benützen, was ihm die Einhaltung der Blockzeit ermöglicht. Die Fahrzeit kann er sinnvoll mit der Lektüre von Fachliteratur ausfüllen. Wenn ihm dies auch keinen Anspruch auf Kürzung der Arbeitszeit verschafft, so verwendet er die tägliche Reisezeit doch im Interesse seines Amtes. Da überdies keine Notwendigkeit der Anwesenheit am Dienstort ausserhalb der Arbeitszeit besteht und die Reiseverhältnisse durchaus im Rahmen heutiger Pendlergewohnheiten liegen, kann aus diesem Grunde die Ermächtigung zum auswärtigen Wohnen nicht verweigert werden. b) Wohnsitzanforderungen wären allenfalls auch dann gerechtfertigt, wenn dadurch eine Entwicklung verhindert werden kann, die zu disziplinarischen Auseinandersetzungen und zur Auflösung des Dienstverhältnisses führen könnte. Im Bericht des Direktors des Sekretariats an die Bankenkommission vom 18. Mai 1988 über die mündliche Eröffnung des ablehnenden Beschlusses betreffend Wohnsitzverlegung wurde ausgeführt, weniger die Frage der Wohnsitzverlegung als vielmehr Leistung und Verhalten des Beschwerdeführers hätten zu einer Diskussion geführt. Allgemein sei die Kommission mit ihm wenig zufrieden; es sei sogar der Gedanke an eine Nichtwiederwahl geäussert worden. Die Qualität der Arbeit sei zwar gut, dagegen liessen die Speditivität und damit die Arbeitsquantität deutlich zu wünschen übrig. Dafür wurden mehrere Beispiele angeführt, die aber alle aus der Zeit stammen, da der Beschwerdeführer den Wohnsitz in Bern hatte. Demgegenüber hatte der Beschwerdeführer die Probezeit, als er noch in Basel wohnte, zur vollen Zufriedenheit absolviert, was zum Antrag auf definitive Anstellung vom 10. Dezember 1986 führte mit der Bemerkung: "Das Sekretariat ist mit den Leistungen von Herrn X. sehr zufrieden." Für die restliche Zeit der "Pendlerperiode" sind aktenmässig keine Beanstandungen ausgewiesen, mit Ausnahme von Tabellen über "Bearbeitungsstand Revisionsberichte per Ende Monat April 1987 - August 1988". Diese sind aber hinsichtlich der tatsächlichen Leistungen schwer interpretierbar und geben insbesondere keinen Aufschluss darüber, ob die Leistungen während - und damit wegen - des Pendelns schlechter gewesen wären als nachher. Wenn schon auf subjektive Momente abgestellt werden soll, wäre auch zu untersuchen, ob die Leistungsfähigkeit nicht gerade durch Belastungen während der Wohnungssuche für Bern und nachher durch die unglücklichen Verhältnisse am ungeliebten neuen BGE 114 Ib 163 S. 168 Wohnort beeinträchtigt wurde. Wenn Beanstandungen wirklich am Platz waren, ist nicht auszuschliessen, dass sich die Situation bessern könnte, sobald der Beschwerdeführer seine Wohnsituation wieder zu seiner Zufriedenheit geregelt hat. Jedenfalls dürfen solche allgemein gehaltenen Beanstandungen, auch wenn sie zum Gedanken an eine Nichtwiederwahl geführt haben möchten, nicht zum Anlass von Massnahmen betreffend Wohnsitzpflicht genommen werden, solange ein Kausalzusammenhang zwischen Mängeln der Arbeit und auswärtigem Wohnsitz nicht nachgewiesen ist. Die Verweigerung der Ermächtigung zu auswärtigem Wohnen darf nicht den Charakter einer Disziplinarmassnahme haben.
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CH_BGE_003
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Urteilskopf 88 I 11 3. Auszug aus dem Urteil vom 11. April 1962 i.S. Ziegler gegen Grosclaude und Appellationshof des Kantons Bern.
Regeste Art. 4 BV . Rechtliches Gehör. Bei der Anordnung vorsorglicher Massnahmen braucht den Parteien nicht der volle Rechtsschutz eines ordentlichen Prozessverfahrens gewährt zu werden. Anforderungen an die Glaubhaftmachungdes Anspruchs des Gesuchstellers (Erw. 5 a). Beweislastverteilung (Erw. 5 b). Fristansetzung zur Anhebung des ordentlichen Prozesses (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 12 BGE 88 I 11 S. 12 Aus dem Tatbestand: Der Verleger Dr. Louis Grosclaude schloss am 28. Januar 1948 in Paris mit dem Kunstmaler Fernand Léger einen Vertrag, worin dieser sich verpflichtete, Illustrationen zum Buch "Les Illuminations" von Arthur Rimbaud auszuführen. Der Vertrag bestimmt im letzten Absatz: "Tous les droits concernant l'édition et l'illustration appartiennent sans restriction à l'éditeur. Les esquisses préalables avant l'illustration définitive, seront la propriété de l'éditeur". Léger starb im Jahre 1955. Sein Nachlass gelangte an die Erben. Die Kunsthandlung Klipstein & Kornfeld in Bern veranstaltete am 9. und 10. Juni 1961 eine Auktion, worin unter anderm das Original von Légers Umschlagsentwurf zum genannten Buch im Auftrag der Zürcher Galerieinhaberin Renée Ziegler versteigert werden sollte. Als Grosclaude durch den Auktionskatalog davon Kenntnis erhielt, meldete er gestützt auf den erwähnten Vertrag seinen Anspruch auf die Zeichnung an; er verlangte auf Grund von Art. 326 Ziff. 3 der bernischen ZPO, das Kunstwerk sei als vorläufige Massnahme bis zum rechtsgültigen Entscheid über den Hauptpunkt in richterlichen Gewahrsam zu nehmen. Der Gerichtspräsident III von Bern BGE 88 I 11 S. 13 hiess das Gesuch gut, nahm das Bild gegen Leistung einer Sicherheit von Fr. 5'000.-- durch Grosclaude in gerichtlichen Gewahrsam und setzte Renée Ziegler eine Frist von zwei Monaten an, um im Sinne von Art. 332 ZPO eine Schadenersatzklage gegen Grosclaude anzuheben, wobei er ihr androhte, dass die Sicherheit im Säumnisfalle dem Gesuchsteller freigegeben werde. Renée Ziegler appellierte gegen diese Verfügung. Die III. Zivilkammer des Appellationshofs des Kantons Bern bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid. In den Erwägungen wird ausgeführt, Grosclaude habe durch Vorlegung des Vertrags vom 28. Januar 1948 dargetan, dass er das Eigentum an der streitigen Zeichnung beanspruchen könne. Renée Ziegler behaupte demgegenüber, sie habe die Zeichnung von einem Dritten gekauft und gutgläubig zu Eigentum erworben. Die Abklärung dieser Frage werde Sache des Hauptprozesses sein. Im Verfahren betreffend einstweilige Verfügung genüge es, dass Grosclaude seinen Anspruch glaubhaft gemacht habe. Eine Nichtigkeitsklage im Sinne des Art. 359 ZPO , die Renée Ziegler dagegen erhob, hat das Plenum des Appellationshofs abgewiesen. Renée Ziegler führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV . Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Die Beschwerdeführerin ficht die Annahme der kantonalen Instanzen, der Beschwerdegegner habe einen Anspruch auf die streitige Zeichnung glaubhaft gemacht, als willkürlich an. Sie beklagt sich über eine Missachtung der Art. 8 und 932 ZGB sowie über eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs, die sie darin erblickt, dass die kantonalen Instanzen auf leere Behauptungen des Beschwerdegegners abgestellt hätten, während sie ihre Beweisanerbieten grundlos abgelehnt hätten. a) Da ein ordentliches Prozessverfahren sich oft über längere Zeit erstreckt, kann es notwendig werden, schon BGE 88 I 11 S. 14 vor Eintritt der Rechtskraft des Endurteils einer Partei vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Dieses Ziel verfolgen die einstweiligen Verfügungen oder vorsorglichen Massnahmen (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 381). Ihrem Zweck entsprechend müssen diese rasch, ja unter Umständen schlagartig getroffen werden. Deshalb ist es nicht möglich, den Parteien beim Erlass einstweiliger Verfügungen den vollen Rechtsschutz eines ordentlichen Prozessverfahrens zu gewähren. Das geht umso eher an, als die vorsorglichen Massnahmen nur vorläufige Geltung haben und sie das Gericht im ordentlichen Verfahren in keiner Weise binden (GULDENER, a.a.O., S. 388 Ziff. IV; LEUCH, N. 3 zu Art 326 ZPO ). Die kantonalen Instanzen haben sich im vorliegenden Fall auf Art. 326 Ziff. 3 lit. a ZPO gestützt. Danach kann der Richter "als vorsorgliche Massnahme eine einstweilige Verfügung treffen, sofern ihm glaubhaft gemacht wird, dass der Erlass einer solchen sich aus einem der folgenden Gründe rechtfertigt:... (3.) zum Schutze von andern als auf Geld- oder Sicherheitsleistung gerichteten fälligen Rechtsansprüchen, wenn bei nicht sofortiger Erfüllung (a) ihre Vereitelung oder eine wesentliche Erschwerung ihrer Befriedigung zu befürchten ist". Diese Vorschrift begnügt sich demnach damit, dass der Anspruch und dessen Gefährdung glaubhaft gemacht wird. Das heisst einmal, dass der Richter nicht von der Richtigkeit der aufgestellten tatsächlichen Behauptungen überzeugt zu werden braucht, sondern dass es genügt, ihm auf Grund objektiver Anhaltspunkte (ZbJV 80 S. 416) den Eindruck einer gewissen Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein der in Frage kommenden Tatsachen zu vermitteln, ohne dass er dabei den Vorbehalt preisgeben müsste, dass die Verhältnisse sich auch anders gestalten könnten (vgl. GULDENER, a.a.O., S. 342 A. 24; JAEGER, N. 11 zu Art. 82 SchKG ; STEIN/JONAS/SCHÖNKE/POHLE, 18. Aufl., N. III/2 zu § 294 dZPO). Ob sich die "Glaubhaftmachung" auch auf die rechtliche Begründetheit des Anspruchs beziehe, ist BGE 88 I 11 S. 15 umstritten. Während LEUCH (N. 3 zu Art. 326 ZPO ) die Annahme vertritt, der Richter habe "restlos" abzuklären, ob der Anspruch unter den glaubhaft gemachten tatsächlichen Voraussetzungen Bestand habe, neigt die Praxis dazu, um der erforderlichen Raschheit des Verfahrens willen sich (wenigstens in schwierigen Rechtsfragen) auf eine summarische Prüfung zu beschränken (vgl. ZR 47 Nr. 96 S. 214). b) Der als verletzt bezeichnete Art. 8 ZGB findet nur Anwendung auf die dem Bundesprivatrecht unterstehenden Rechte und Rechtsverhältnisse ( BGE 79 II 405 ). Im Bereich ihres eigenen Rechts können die Kantone frei über die Beweislast befinden ( BGE 82 II 127 ). Das gilt insbesondere für prozessrechtliche Entscheidungen wie den Erlass einstweiliger Verfügungen (KUMMER, N. 56 zu Art. 8 ZGB ). Dass der bernische Gesetzgeber die in Art. 8 ZGB niedergelegten Grundsätze über die Folgen der Beweislosigkeit sinngemäss auch auf diesem Gebiet angewendet wissen wollte, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Entgegen ihren Einwendungen schliessen die Art. 930 ff. ZGB richterliche Sicherungsmassnahmen von der Art der einstweiligen Verfügung nicht aus. Die Eigentumsvermutung des Art. 930 ZGB ist wie die Vermutung des guten Glaubens beim Erwerb einer beweglichen Sache (Art. 3 Abs. 1, 714 Abs. 2, 933 ZGB) widerlegbar. Dem kantonalen Prozessrecht ist es nicht versagt, dafür vorzusorgen, dass das Eigentum des Ansprechers im Falle des Unterliegens des Besitzers nicht gefährdet sei. c) (Ausführungen darüber, dass die Annahme, der Anspruch des Beschwerdegegners sei glaubhaft gemacht, nicht willkürlich ist.) 6. Die Beschwerdeführerin wirft den kantonalen Instanzen vor, sie hätten den Bestand der einstweiligen Verfügung entgegen Art. 330 Abs. 1 ZPO nicht davon abhängig gemacht, dass der Beschwerdegegner innert bestimmter Frist den Hauptprozess um das Eigentum an BGE 88 I 11 S. 16 der Zeichnung anhebe. Das Plenum des Appellationshofs hat die entsprechende Eìnwendung abgewiesen mit der Begründung, der Beschwerdeführerin laufe eine Frist zur Einreichung einer Schadenersatzklage; in diesem Verfahren habe sie Gelegenheit, ihre Rechte am streitigen Bild darzutun; ausserdem stehe es ihr frei, gegen den Beschwerdegegner auf Feststellung ihres Eigentums an der Zeichnung zu klagen. Die Beschwerdeführerin ficht diese Stellungnahme als willkürlich an. Sie macht geltend, die Eigentumsvermutung der Art. 930 ff. ZGB wolle gerade diese prozessuale Schlechterstellung des Besitzers verhindern. Diese Rüge ist begründet. Die Beschlagnahmung einer Sache beim Besitzer auf Grund der blossen Glaubhaftmachung des Eigentums des Gesuchstellers lässt sich nur rechtfertigen, wenn dafür gesorgt wird, dass dieser seinen Anspruch beförderlich vor dem ordentlichen Richter geltend macht (vgl. GULDENER, a.a.O., S. 388 A. 29). Art. 330 Abs. 1 der bernischen ZPO bestimmt in diesem Sinne, bei Erlass der einstweiligen Verfügung sei dem Gesuchsteller "gegebenenfalls" eine angemessene Frist anzusetzen, um den Hauptprozess anzuheben, ansonst die vorsorgliche Massnahme dahinfalle. Der Vorbehalt "gegebenenfalls" bringt nicht zum Ausdruck, dass es im freien Belieben des Richters stehe, ob er die Klagefrist ansetzen wolle oder nicht; er weist vielmehr auf Sonderfälle hin. Wie LEUCH (N. 1 zu Art. 330 ZPO ) betont, ist die Klagefrist auch ohne Parteiantrag in allen Fällen anzusetzen "wo der Hauptprozess zur definitiven Entscheidung über den Anspruch des Gesuchstellers geboten erscheint und seitens des Gesuchsgegners erwartet werden darf"; eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn es sich nicht mehr darum handeln kann, die durch die einstweilige Verfügung geschaffene Sachlage zu ändern, sondern der unterlegene Gesuchsgegner praktisch bloss noch Schadenersatz verlangen kann. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die BGE 88 I 11 S. 17 III. Zivilkammer des Appellationshofs erklärt im Dispositiv ihres Entscheids, das Bild werde im gerichtlichen Gewahrsam behalten "bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Klage gegen die Erben des Fernand Léger auf Verschaffung des Eigentums an dieser Zeichnung". Dass dem Beschwerdegegner nicht gleichzeitig Frist zur Erhebung der Eigentumsklage angesetzt worden ist, hat zur Folge, dass der gerichtliche Gewahrsam unbestimmt lange aufrecht erhalten werden müsste oder die Beschwerdeführerin gezwungen wäre, ihrerseits den ordentlichen Prozess einzuleiten. Die erste Alternative verträgt sich schlechthin nicht mit der Natur einer vorsorglichen Massnahme, die stets zeitlich begrenzt sein muss; die zweite Alternative aber führt zu einer Vertauschung der Parteirollen, die der Eigentumsvermutung zuwiderläuft, auf welche die Beschwerdeführerin sich als Besitzerin des Bildes berufen kann. Da die Vermutung für ihr Eigentum an der Zeichnung spricht, hat sie Anspruch darauf, ihr Recht im Prozess verteidigen zu können; die Klage ist daher gegen sie zu richten. Im Verlauf des Hauptprozesses wird sich zeigen, ob zur Klärung präjudizieller Vorfragen gegen die Erben Léger vorgegangen werden müsse und ob der Hauptprozess bis zum Ausgang dieses Verfahrens zu sistieren sei. Die angefochtenen Entscheide sind demgemäss insofern willkürlich, als sie dem Beschwerdegegner keine Frist zur Anhebung des Hauptprozesses gegen die Beschwerdeführerin ansetzen und sie ihm für den Unterlassungsfall nicht das Dahinfallen der einstweiligen Verfügung androhen. Sie sind in diesem Punkte als verfassungswidrig aufzuheben.
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Urteilskopf 89 I 464 67. Urteil vom 20. November 1963 i.S. Graf gegen Gemeinderat Hemmental und Regierungsrat des Kantons Schaffhausen.
Regeste Eigentumsgarantie; Natur- und Heimatschutz. 1. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts mit Bezug auf die gesetzliche Grundlage von Massnahmen des Natur- und Heimatschutzes (Erw. 2). 2. Inwiefern kann Gemeinderecht die gesetzliche Grundlage für Eigentumsbeschränkungen bilden? (Erw. 3b). 3. Bedeutung der Genehmigung von Gemeinderecht durch eine kantonale Behörde (Erw. 3a, b). 4. Auslegung und Anwendung von Art. 96 des schaffhausischen EG ZGB. Frage des öffentlichen Interesses (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 465 BGE 89 I 464 S. 465 A.- Das schaffhausische EG ZGB bestimmt in Art. 96, dass geschichtlich oder künstlerisch wertvolle Bauten oder Bauteile, Geschichts- und Naturdenkmäler sowie bedeutende Aussichtspunkte nach Möglichkeit zu schützen und zu erhalten sind (Abs. 1); Vorkehrungen baulicher oder sonstiger Art, zum Beispiel das Anbringen von Firmatafeln, Reklamebildern und dergleichen, die geeignet sind, ein charakterisches Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild zu verunstalten oder zu beeinträchtigen, haben die Gemeinderäte zu untersagen (Abs. 2). Das kantonale Baugesetz (BauG) vom 8. September 1936 ermächtigt die Gemeinden, Bauordnungen aufzustellen (Art. 2) und darin nach ihren Bedürfnissen besondere Vorschriften, namentlich auch über die Erhaltung von Bau-, Kunst- und Naturdenkmälern sowie über den Schutz der Landschafts-, Orts- und Strassenbilder zu erlassen (Art. 4). Die Bauordnungen bedürfen der Genehmigung des Regierungsrates (Art. 2), der im öffentlichen Interesse die Gemeinden zur Aufstellung oder Änderung von Bauordnungen anhalten kann (Art. 3). Unter Berufung auf Art. 4 BauG und "im Bestreben, die Naturschönheiten des Randengebietes der Allgemeinheit zu erhalten", erliess die Gemeindeversammlung von Hemmental am 5. Oktober 1945 eine Bauordnung (BOH), deren Art. 1 die Neuerstellung von Wochenendhäusern in der Gemarkung Hemmental untersagt. Am 24. November 1961 hob die Gemeindeversammlung die Bauordnung auf, wobei sie dem Gemeinderat aufgab, ihr bis zum 30. April 1962 eine neue Bauordnung vorzulegen. Im Auftrag des Gemeinderates stellten zwei Mitarbeiter des Regionalplanungsbureaus des Kantons Zürich im Einvernehmen mit dem Kantonsbaumeister, dem kantonalen Forstamt und dem juristischen Beamten der Baudirektion des Kantons Schaffhausen den Entwurf zu einer "Verordnung über das Randengebiet in der Gemarkung der Gemeinde Hemmental" BGE 89 I 464 S. 466 mit einem zugehörigen Zonenplan auf. Ziff. 5 des Verordnungsentwurfs sah für die sogen. "Schutzzone" ein vollständiges Bauverbot vor. Nach dem Zonenplan sollte unter anderem der obere Teil des Hanges, der sich von der bewaldeten Kuppe des Oberberg-Kapf in südöstlicher Richtung gegen das Gehrentobel und den Dorfkern senkt, in die "Schutzzone" fallen. B.- Rudolf Graf möchte auf den aneinander grenzenden Grundstücken GB Nr. 820 und 820 a im Gehrentobel, die er am 23. Januar 1962 gekauft hat, ein Ferienhaus bauen. Am 6. Februar 1963 ersuchte er den Gemeinderat von Hemmental um die Erteilung der Baubewilligung. Der Gemeinderat lehnte das Gesuch am 1. April 1963 ab mit der Begründung, die BOH, deren Aufhebung der Regierungsrat noch nicht genehmigt habe, verbiete die Neuerstellung von Wochenendhäusern; die zu überbauenden Grundstücke lägen überdies gemäss der im Entwurf vorliegenden Randenverordnung in der Bauverbotszone. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat den Rekurs, den Graf dagegen erhob, am 3. Juli 1963 abgewiesen. Der Regierungsrat hat dazu ausgeführt, gemäss Art. 2 BauG trete eine Bauordnung erst in Kraft, wenn der Regierungsrat sie genehmigt habe. Umgekehrt bedürfe auch die Aufhebung einer Bauordnung der Genehmigung des Regierungsrates, da sonst Art. 3 BauG "zwecklos, ja sogar widersinnig" wäre. Die Bauordnung der Gemeinde Hemmental sei demnach heute noch geltendes Recht. Die Abweisung des streitigen Baugesuches lasse sich auf Art. 1 BOH stützen, der in Art. 4 BauG und in Art. 96 Abs. 2 EG ZGB seine gesetzliche Grundlage finde. Die Verweigerung der Baubewilligung lasse sich aber auch unmittelbar auf Art. 96 Abs. 2 EG ZGB gründen. Die Grundstücke des Beschwerdeführers lägen in einem Gebiet, das nach dem Entwurf für die neue Randenverordnung der Gemeinde Hemmental zur Schutzzone gehöre. Dieser Entwurf scheide die überbaubaren und die unüberbaubaren Flächen nach jenen Gesichtspunkten aus, die sich gemäss BGE 89 I 464 S. 467 dem Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 1956 in Sachen Vereinigung Sonnenkreis Schaffhausen aus Art. 96 Abs. 2 EG ZGB ableiten liessen. C.- Graf führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben. Der Gemeinderat von Hemmental hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Regierungsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde. D.- Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat die Baugrundstücke und deren Umgebung in Augenschein genommen. E.- Die Gemeindeversammlung von Hemmental hat die Vorlage auf Erlass der Randenverordnung samt Zonenplan am 16. November 1963 verworfen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Prozessuales). 2. Die angefochtene Verweigerung der Baubewilligung stellt eine öffentlich-rechtliche Beschränkung des Eigentums dar. Ein solcher Eingriff ist mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn er auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und, sofern er in der Wirkung einer Enteigung gleichkommt, gegen Entschädigung erfolgt ( BGE 89 I 384 mit Verweisungen). Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage. Das Bundesgericht auferlegt sich bei Beurteilung dieser Rüge eine gewisse Zurückhaltung; es überprüft die Auslegung und Anwendung der kantonalen (und kommunalen) Gesetze und Verordnungen, welche die kantonalen Instanzen zur Stützung des angefochtenen Eingriffs herangezogen haben, im allgemeinen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und der rechtsungleichen Behandlung ( BGE 84 I 172 /173 mit Verweisungen, BGE 85 I 89 /90, BGE 88 I 84 , BGE 89 I 104 , 191). Es lässt indessen diese Zurückhaltung fallen, wenn die angefochtene BGE 89 I 464 S. 468 Beschränkung ausserordentlich tief in die Rechte Privater eingreift und sie wesentlich über das hinausgeht, was bisher in der Schweiz als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung üblich war ( BGE 74 I 156 ; BGE 76 I 336 ; BGE 77 I 218 ; BGE 78 I 428 ; BGE 81 I 29 ; BGE 84 I 173 , 175; BGE 85 I 231 ; BGE 88 I 84 , 175/76; BGE 89 I 104 , 191/92; ZBl 1961 S. 72 Erw. 2, 1962 S. 309/10). Diese Rechtsprechung bezieht sich entgegen dem in BGE 84 I 175 und BGE 89 I 191 /92 Gesagten nicht nur auf die Schaffung von Grünzonen und Landwirtschaftszonen in städtischen oder halbstädtischen Gebieten, sondern ganz allgemein auf alle öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen nicht herkömmlicher Art von besonderer Schwere (vgl. BGE 81 I 31 betreffend Hotelzone, BGE 85 I 231 betreffend Auflage zur Erstellung von Parkplätzen bei Neubauten, BGE 88 I 176 betreffend Beschränkung des Hausabbruchs, BGE 89 I 104 betreffend Freihaltung von Skipisten, ZBl 1961 S. 76 ff. betreffend Kurzone und Richtplan). Massnahmen des Natur- und Heimatschutzes gehören im allgemeinen zu den herkömmlichen Eigentumsbeschränkungen ( BGE 84 I 175 , ZBl 1962 S. 309); doch stellt die Belegung ausgedehnter Gebiete mit einem Bauverbot einen ausserordentlich weitgehenden Eingriff in das Privateigentum dar. Das Bundesgericht überprüft die gesetzliche Grundlage einer derartigen Anordnung deshalb ohne die erwähnten Einschränkungen (Urteil vom 8. Februar 1956 i.S. Vereinigung Sonnenkreis Schaffhausen, Erw. 3). 3. Der Gemeinderat stützte die Ablehnung des streitigen Baugesuches auf Art. 1 BOH und den Entwurf zu einer Verordnung über das Randengebiet der Gemeinde Hemmental, der Regierungsrat auf Art. 1 BOH und Art. 96 Abs. 2 EG ZGB. a) Die Gemeindeversammlung von Hemmental hat am 24. November 1961, also vor Einreichung des vorwürfigen Baugesuches, die Aufhebung der BOH beschlossen. Der Regierungsrat hält dafür, die BOH gelte so lange weiter, bis er deren Aufhebung genehmigt habe, was bisher nicht BGE 89 I 464 S. 469 geschehen sei. Diese Folgerung lässt sich nicht etwa auf Art. 2 BauG stützen, der die Genehmigung des Regierungsrates nur für die Aufstellung der Gemeindebauordnungen vorsieht. Durch die Genehmigung werden dieses Bauordnungen nicht zu kantonalen Recht (FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., S. 119 A. 69; STAUBER, Autonomie und autonome Satzungen der Schaffhauser Gemeinden, S. 102/3); sie bleiben vielmehr Gemeinderecht, weshalb es grundsätzlich Sache der Gemeinden ist, über deren Aufrechterhaltung zu befinden. Eine Schranke erwächst dieser Befugnis allerdings aus Art. 3 BauG, wonach der Regierungsrat "im öffentlichen Interesse" Gemeinden zur Aufstellung oder Änderung von Bauordnungen anhalten kann. Wie das öffentliche Interesse die Aufstellung oder Änderung einer Bauordnung erfordern kann, so kann es unter Umständen auch die Aufrechterhaltung einer einmal erlassenen Ordnung erheischen. Da dem Ermessen der Gemeinde auf diesem Gebiet ein grosser Spielraum belassen ist (STAUBER, a.a.O., S. 111) und ihr freier Wille nicht weiter eingeschränkt werden darf, als das zur Erreichung der im Baugesetz angestrebten Ordnung unumgänglich ist (BÜTIKOFER, Die Rechtssetzungsbefugnis der Gemeinden, S. 137), dürfte der Regierungsrat jedoch selten dazu kommen, eine Gemeinde entgegen ihrem Willen zur Aufrechterhaltung ihrer Bauordnung zu verhalten. Es erheben sich darum Zweifel, ob es sich im Hinblick auf diese wenigen Ausnahmefälle rechtfertige, allgemein die Aufhebung einer Bauordnung von der Zustimmung des Regierungsrates abhängig zu machen, und ob Art. 3 BauG wirklich ohne den Vorbehalt einer solchen Genehmigung "zwecklos, ja sogar widersinnig" wäre, wie der angefochtene Entscheid meint. Die Frage kann indessen offen gelassen werden, da die BOH sich ihrerseits, wie sich im Folgenden ergeben wird, nicht im Rahmen des Gesetzes hält und sie deshalb auch dann nicht zur Verweigerung des Baugesuches des Beschwerdeführers herangezogen werden könnte, wenn sie noch in Kraft stände. BGE 89 I 464 S. 470 b) Um über eine gesetzliche Grundlage zu verfügen, muss eine Eigentumsbeschränkung sich auf ein Gesetz im materiellen Sinne, das heisst auf eine generell-abstrakte Norm ( BGE 88 I 176 ) stützen, die ihrerseits sowohl materiell als auch formell verfassungsmässig ist (vgl. BGE 84 I 172 Erw. 3; ZBl 1961 S. 72 Erw. 3, 1963 S. 436 Erw. 3). Autonome Satzungen, welche die Gemeinde kraft einer ihr in der Verfassung gewährleisteten Rechtsetzungsbefugnis aufgestellt hat, sind formell verfassungsmässig; sie kommen daher als gesetzliche Grundlage für Eigentumsbeschränkungen in Betracht (vglBGE 23 II 1521, BGE 85 I 232 ; ZBl 1961 S. 73 mit Verweisungen, 1960 S. 164; IMBODEN, Schw. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, S. 275 N. I). Sofern die Eigentumsbeschränkung dagegen der Materie nach zum übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde gehört, benötigt sie eine doppelte Grundlage: das kommunale Recht, worauf sie sich unmittelbar stützt, muss seinerseits auf einer Ermächtigung durch ein kantonales Gesetz beruhen, Eigentumsbeschränkungen dieser Art einzuführen ( BGE 74 I 156 , BGE 76 I 336 , BGE 78 I 427 /28, BGE 81 I 29 Erw. 3; ZBl 1961 S. 73). Gemäss Art. 2 BauG sind die Gemeinden befugt, für ihr ganzes Gebiet oder einzelne Teile davon über die Bestimmungen des Baugesetzes hinausgehende Bauordnungen aufzustellen. Ob der Erlass solcher Bauvorschriften zum übertragenen oder zum eigenen Wirkungskreis der schaffhausischen Gemeinde gehöre, kann dahingestellt bleiben, da die Gemeinde, wie die Entwicklung und der heutige Stand der Gesetzgebung zeigen, auch im zweiten Falle nur innerhalb der Grenzen, die ihr in den kantonalen Gesetzen (namentlich in Art. 4 BauG und in Art. 96 EG ZGB) gezogen sind, Recht setzen darf (STAUBER, a.a.O. S. 111). Die BOH wurde - wie die im Urteil vom 8. Februar 1956 i.S. Vereinigung Sonnenkreis Schaffhausen überprüfte Bauordnung der Gemeinde Merishausen - unter Berufung auf Art. 4 BauG erlassen. Nach dieser Bestimmung können die Gemeinden in ihren Bauordnungen unter BGE 89 I 464 S. 471 anderem Vorschriften aufstellen "über die Erhaltung von Bau-, Kunst- und Naturdenkmälern und den Schutz der Landschafts-, Orts- und Strassenbilder". Art. 96 EG ZGB zählt unter den Schutzobjekten ebenfalls Naturdenkmäler und Landschaftsbilder auf. Das Bundesgericht hat im erwähnten Urteil erkannt, dass unter "Naturdenkmälern" nur verhältnismässig begrenzte Gegenstände von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung zu verstehen sind, wie zum Beispiel Findlinge, eigentümliche geologische Formationen, seltene Bäume, aussergewöhnliche Baumbestände, nicht dagegen weite Landstriche von grosser Ausdehnung; es hat sodann entschieden, dass der "Schutz der Landschaftsbilder" sich auf bestimmte zusammenhängende, einen einheitlichen Anblick bietende Objekte beschränkt, wie etwa ein See- oder Flussufer, einen Weiher mit Umgelände, eine Berg- oder Hügelkuppe und den Ausblick von einem Aussichtspunkt, der als Ganzes durch ein auf die nächste Umgebung gelegtes Bauverbot erhalten werden kann. Art. 4 BauG und Art. 96 EG ZGB lassen dergestalt nur das Verbot bestimmter störender Vorkehrungen zu, nicht aber ein Bauverbot, das sich nicht auf die Bewahrung bestimmter Schutzobjekte beschränkt, sondern in allgemeiner Weise ganze Gemeindeteile erfasst. Art. 1 BOH untersagt die Erstellung von Wochenendhäusern auf dem ganzen Gebiet der Gemeinde Hemmental. Dieses allgemeine Bauverbot geht klarerweise über das nach Art. 4 BauG und Art. 96 EG ZGB Zulässige hinaus: es ist insofern unrechtmässig. Dass der Regierungsrat die BOH genehmigt hat, ändert daran nichts: Da der Regierungsrat selber an Verfassung und Gesetz gebunden ist, vermag er durch seine Genehmigung die einer Gemeindesatzung anhaftende Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit nicht zu beheben (Urteil vom 6. Mai 1959 i.S. Frutig, Erw. 2; FLEINER, a.a.O., S. 119 A. 70; BÜTIKOFER, a.a.O., S. 136; STAUBER, a.a.O., S. 103; für die ausserkantonale Rechtsprechung vgl. IMBODEN, a.a.O., S. 334 Nr. 76; MBVR Bd. 22 Nr. 140 S. 386, Bd. 33 Nr. 44 S. 114 und Nr. 45 S. 115; ZBl 1959 S. 537 Erw. 1, 1960 S. 333, 1961 BGE 89 I 464 S. 472 S. 44 Erw. 6). Die Verweigerung der streitigen Baubewilligung liesse sich daher selbst dann nicht auf die BOH stützen, falls diese mangels Genehmigung ihrer Aufhebung durch den Regierungsrat formell noch in Kraft stände. c) Der Gemeinderat vermeinte, das streitige Bauverbot ferner auf den Entwurf zu einer Verordnung über das Randengebiet in der Gemarkung Hemmental stützen zu können, deren Ziff. 5 in der "Schutzzone" (die auch die Grundstücke des Beschwerdeführers umfassen sollte) "Bauten aller Art" untersagen wollte. Diese Betrachtungsweise geht fehl. Noch nicht in Kraft stehendes Recht vermag nicht die Grundlage für ein staatliches Handeln abzugeben. Denkbar ist jedoch, dass besondere gesetzliche Vorschriften dem werdenden Recht eine bestimmte Vorwirkung einräumen. So ermächtigen die meisten kantonalen Baugesetze die Bewilligungsbehörden, im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Änderung der Rechtsgrundlagen die Behandlung eines Baugesuches zurückzustellen, bis der neue Plan oder das revidierte Baurecht in Kraft steht ( BGE 87 I 510 ). Art. 16 und 23 des schaffhausischen BauG sehen diese Möglichkeit mit Bezug auf Bebauungspläne und Quartierpläne vor. Ob diese Bestimmungen sinngemäss auch auf Satzungen von der Art der in Frage stehenden Heimatschutzverordnung anwendbar seien, kann offen bleiben, weil der Gemeinderat und der Regierungsrat sich nicht auf Art. 16 und 23 BauG berufen haben, ihr Entscheid nicht den Sinn einer bloss einstweiligen Verweigerung der Baubewilligung hat (vgl. ZBl 1963 S. 527 Erw. 3) und der Entwurf zur Schutzverordnung inzwischen von den Stimmberechtigten der Gemeinde verworfen worden ist. 4. Der Regierungsrat hat die Ablehnung des Baugesuches zusätzlich mit dem Hinweis auf Art. 96 Abs. 2 EG ZGB begründet. Der Beschwerdeführer behauptet mit Recht nicht, diese Gesetzesbestimmung sei an sich mit der Eigentumsgarantie oder mit Art. 4 BV unvereinbar; er bestreitet einzig, dass die Verweigerung der von ihm BGE 89 I 464 S. 473 nachgesuchten Baubewilligung sich auf diese Vorschrift stützen lasse. a) Das ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil der Regierungsrat Art. 96 Abs. 2 EG ZGB "nur im Zusammenhang" mit dem Entwurf zu einer Schutzverordnung nenne. Richtig verstanden, geht der angefochtene Entscheid von der angeführten Gesetzesbestimmung aus; er findet in dem auf fachmännischer Vorarbeit beruhenden Verordnungsentwurf lediglich die Bestätigung dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 96 Abs. 2 EG ZGB im vorliegenden Falle erfüllt sind. Es trifft auch nicht zu, dass diese Vorschrift schon laut Urteil vom 8. Februar 1956 i.S. Vereinigung Sonnenkreis Schaffhausen als gesetzliche Grundlage für das streitige Bauverbot ausser Betracht falle. Das Bundesgericht hat im genannten Entscheid erkannt, Art. 96 Abs. 2 EG ZGB erlaube es den Gemeinden nicht, ganze Landstriche unter ein allgemeines, die Lage und die Ausgestaltung der einzelnen Bauvorhaben nicht berücksichtigendes Bauverbot zu stellen; es hat es dagegen ausdrücklich als zulässig erklärt, auf Grund dieser Vorschrift ein bestimmtes Bauvorhaben zu untersagen, das ein schönes Landschaftsbild zu verunstalten oder zu beeinträchtigen droht. Falls der Beschwerdeführer behaupten möchte, nach Art. 96 Abs. 2 EG ZGB könne nicht eine Baute als Ganzes, sondern nur die Ausgestaltung einzelner Bauteile zum Schutze des Landschaftsbildes untersagt werden, so wäre diese Rüge unbegründet. Nach der genannten Vorschrift haben die Gemeinderäte "Vorkehren baulicher oder sonstiger Art, z.B. das Anbringen von Firmatafeln, Reklamebildern und dergleichen, die geeignet sind, ein charakteristisches Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild zu verunstalten oder zu beeinträchtigen", zu verbieten. Es liegt auf der Hand, dass ein "charakteristisches Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild" durch die Erstellung ganzer Bauten stärker "verunstaltet" oder "beeinträchtigt" BGE 89 I 464 S. 474 werden kann als durch die blosse Ausgestaltung von Bauteilen. Entsprechend muss sich die Abwehr einrichten. Das Gesetz gibt dem Gemeinderat die Mittel dazu in die Hand, indem es ihm gestattet, gegen "Vorkehren baulicher oder sonstiger Art" einzuschreiten. Diese weite Formel erfasst Hochbauten und das äussere Bild beeinflussende Tiefbauten (Abgrabungen, Aufschüttungen), ganze Häuser so gut wie Hausteilc und ausserhalb der Bauten befindliche Einrichtungen. Die beispielsweise Aufzählung der "Firmatafeln, Reklamebilder und dergleichen" bezieht sich auf die "sonstigen Vorkehren"; sie unterstreicht die umfassende Bedeutung der Schutzmassnahmen. b) Beim Entscheid darüber, ob im Einzelfall ein schutzwürdiges "Orts-, Strassen- oder Landschaftsbild" vorliege, darf die Bewilligungsbehörde sich nicht auf ihr subjektives Empfinden verlassen; sie hat vielmehr nach objektiven und grundsätzlichen Kriterien zu urteilen. Entsprechendes gilt für die Beantwortung der Frage, ob eine "Verunstaltung" oder "Beeinträchtigung" des Orts-, Strassen- oder Landschaftsbildes zu befürchten sei. Der Masstab muss dabei in Anschauungen gefunden werden, die in weiteren Kreisen verbreitet sind und die zudem Anspruch auf eine gewisse Allgemeingültigkeit erheben dürfen; das Denken und Fühlen einzelner Personen, die aesthetisch besonders empfindlich sind oder einer ausgefallenen Geschmacksrichtung huldigen, fällt hierbei ebenso wenig in Betracht wie jene jeder Differenzierung entbehrenden überkommenen Vorstellungen, die sich vielerorts als "öffentliche Meinung" oder "Volksempfinden" auszugeben pflegen. Auch so steht dem Ermessen der Bewilligungsbehörde jedoch ein weiter Spielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn die kantonalen Instanzen den Rahmen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben ( BGE 82 I 108 mit Verweisungen, BGE 87 I 517 ; MBVR Bd. 61 S. 371; ZBl 1963 S. 437/38). Da der angefochtene Entscheid sich über diesen Punkt nicht näher ausspricht, wurden die Behörden am Augenschein eingeladen, ihren Standpunkt darzulegen. Der BGE 89 I 464 S. 475 Beschwerdeführer erhielt im Sinne von Art. 93 Abs. 2 OG Gelegenheit, diese Stellungnahme zu beantworten. Die Behördevertreter erhoben hinsichtlich der Erschliessung des Baulandes (vgl. Art. 46, Art. 52 Abs. 3 und 4, Art. 63 Abs. 5 BauG) keine Einwendungen. Der Vertreter des Regierungsrates führte aus, die projektierte Baute sei an sich nicht unschön; bliebe sie allein, so würde die Gegend kaum verunstaltet; das Landschaftsbild würde aber erheblich beeinträchtigt, falls am dortigen Südhang mehrere solche Bauten erstellt würden, was sich aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung nicht verhindern liesse, wenn das Baugesuch des Beschwerdeführers genehmigt würde. Zu prüfen ist daher lediglich, ob der Regierungsrat mit sachlich vertretbaren Gründen zur Auffassung habe gelangen können, der Hang, auf dem der Beschwerdeführer sein Ferienhaus erstellen möchte, sei Teil eines schönen Landschaftsbildes, das verunstaltet oder beeinträchtigt würde, wenn die Halde mit Wochenendhäusern überbaut würde. Der Randen ist ein Tafelgebirge von 100 km2 Grundfläche, das sich bis zu einer Höhe von 924 m erhebt. Er bildet geologisch betrachtet das Bindeglied zwischen der Schwäbischen Alb und dem Schweizer Tafeljura südlich des Rheins. Es handelt sich um eine eigenartige, geschlossene Landschaft, die ihr besonderes und schönes Gepräge vor allem durch die stark bewaldeten Talhänge und die parkartigen Hochflächen mit den einsamen Randenwiesen und der reichhaltigen seltenen Flora erhält. Die Schweizerische Kommission zur Erstellung einer Liste der zu erhaltenden Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung hat denn auch den Randen in ihr Verzeichnis aufgenommen. Der Randen ist darüber hinaus das Ziel zahlreicher Wanderer, namentlich aus der Stadt Schaffhausen und den umliegenden Ortschaften, die hier Ruhe und Erholung suchen. Der Reiz der zum grossen Teil noch unberührten Randenlandschaft wird in den letzten Jahren immer mehr durch den Bau von Wochenendhäusern und die überhandnehmende BGE 89 I 464 S. 476 Motorisierung des Ausflugsverkehrs gefährdet. Seit Jahren sind deshalb Bestrebungen im Gange, das Bild der Landschaft und ihre Pflanzenwelt zu schützen. Nach dem Gesagten fehlen indessen im Kanton Schaffhausen bisher die gesetzlichen Grundlagen, um ausgedehnte Landstriche vor der Überbauung und sonstigen Beeinträchtigung zu bewahren. Wie das Bundesgericht im erwähnten Urteil i.S. Vereinigung Sonnenkreis Schaffhausen erkannt hat, ermöglichen Art. 96 EG ZGB und Art. 4 BauG es lediglich, eigentümliche geologische Formationen, seltene Bäume, aussergewöhnliche Pflanzenbestände und bestimmte zusammenhängende, einen einheitlichen Anblick bietende Objektive von besonderem Schönheitswert vor der Verunstaltung oder Beeinträchtigung durch Vorkehrungen baulicher oder sonstiger Art zu schützen. Das Forstamt des Kantons Schaffhausen hat festzustellen versucht, welche Gebiete nach Massgabe der bundesgerichtlichen Auslegung von Art. 96 EG ZGB und Art. 4 BauG unter Bauverbot gestellt werden könnten. Das Ergebnis dieser ernsthaften und eingehenden Untersuchungen ist in einem Entwurf "Bauverbotszonen Randen" niedergelegt. Wenn der Entwurf auch keine Gesetzeskraft hat, so kommt ihm doch als Meinungsäusserung eines Fachmannes die Bedeutung eines - freilich nur verwaltungsinternen - Gutachtens zu. In diesem Sinne ist der Entwurf hier zu würdigen. Der Entwurf schlägt vor, den oberen Teil des Hanges, der sich von Oberberg-Kapf in südöstlicher Richtung gegen das Gehrentobel senkt und auf dem auch der Bauplatz liegt, mit einem Bauverbot zu belegen. Der Augenschein hat gezeigt, dass ernsthafte Gründe für diesen Vorschlag sprechen. Der von Hecken und lichtem Gehölz durchsetzte Hang unter der Waldkuppe des Oberberg-Kapf bildet den für das Randengebiet kennzeichnenden Abschluss des schönen Landschaftsbildes, das sich dem Betrachter vom Klosterfeld aus darbietet. Über diese Hochebene führt der wichtigste und von Schaffhausen aus am meisten begangene Wanderweg zum Randen, was BGE 89 I 464 S. 477 das öffentliche Interesse an Schutzmassnahmen erhöht (vgl. BGE 87 I 517 ). Würde das Bauvorhaben des Beschwerdeführers bewilligt, so könnten aus Gründen der rechtsgleichen Behandlung ähnliche Bauten auf den Nachbarparzellen nicht untersagt werden; es wäre zu befürchten, dass der weithin sichtbare Hang binnen kurzem mit Wochenend- und Ferienhäusern überstellt würde. Die Landschaft des Klosterfeldes würde damit den ihr eigenen Reiz der Weite und Unberührtheit verlieren. Der Regierungsrat hat mithin den Rahmen pflichtgemässen Ermessens nicht überschritten, wenn er aus der Besorgnis, dass eine Überbauung des Hanges das schöne Landschaftsbild ernstlich beeinträchtigen würde, das Baugesuch des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 96 Abs. 2 EG ZGB abgelehnt hat. Ohne eine Verletzung der Rechtsgleichheit behaupten zu wollen, hat der Beschwerdeführer am Augenschein geltend gemacht, die einzelnen Randengemeinden (insbesondere Hemmental, Merishausen, Siblingen) folgten mit Bezug auf die Zulassung von Bauten im Randengebiet ganz verschiedenen Grundsätzen, was zeige, dass die Schutzwürdigkeit nicht nach objektiven Gesichtspunkten beurteilt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie dargelegt, bleibt den Bewilligungsbehörden auch bei Anlegung objektiver Massstäbe ein Spielraum des Ermessens offen, was die Verschiedenheit der getroffenen Lösungen erklärt. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass in der Regel nur ein Teil der an sich schützenswerten Gebiete unter Schutz gestellt werden kann. Bei dieser Auswahl stellt sich die Frage des öffentlichen Interesses, die je nach den örtlichen Verhältnissen verschieden beantwortet werden wird (vgl. BGE 87 I 517 ). Der Einwand des Beschwerdeführers ist deshalb nicht geeignet, den Entscheid des Regierungsrates als unsachlich erscheinen zu lassen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,963
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
11bc35a2-38af-4095-9698-76ee30fe0d80
Urteilskopf 103 IV 176 52. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 30 septembre 1977 dans la cause Ministère public du canton de Vaud contre K. et consort
Regeste Art. 251 StGB . Die in Art. 957 OR vorgeschriebene Buchhaltung ist von Gesetzes wegen Mittel zum Beweis zivilrechtlicher Verhältnisse, unabhängig davon, welchen besonderen Zwecken sie dem Buchführungspflichtigen dient. Art. 251 StGB ist daher auch anwendbar, wenn eine Fälschung ausschliesslich zum Zweck der Steuerhinterziehung vorgenommen wird.
Erwägungen ab Seite 176 BGE 103 IV 176 S. 176 Extrait des considérants: 2. a) En qualité d'administrateur délégué de la Société X., K. a ouvert, en septembre 1962, auprès de la société Y., un compte numéroté pour l'exploitation duquel il avait la signature individuelle. Il a utilisé ce compte, alimenté par les débiteurs de la première société, principalement à fournir des compléments de rétribution "hors fiscalité" tant à lui-même qu'à C., le président du conseil d'administration. Ce "compte noir" était géré en dehors de la comptabilité de la société et sans apparaître dans les livres de celle-ci. Selon l'autorité cantonale, un tel procédé réaliserait sans doute objectivement l'infraction de faux dans les titres, mais, d'une part, le dessein de porter atteinte aux intérêts pécuniaires de tiers ne serait pas suffisamment établi et, d'autre part, la caisse noire aurait été constituée et exploitée pour abuser le fisc en permettant à ses bénéficiaires d'éluder les BGE 103 IV 176 S. 177 impôts sur le revenu. Une falsification de document destinée exclusivement à tromper le fisc ne serait pas réprimée par l' art. 251 CP , mais seulement par les dispositions pénales particulières du droit fiscal. b) Le Ministère public fait valoir que lorsqu'un écrit est objectivement destiné par la loi ou par sa nature à servir de preuve, comme la comptabilité même non commerciale, cette destination et non le but poursuivi par l'auteur, entraîne l'application du droit commun à l'exclusion du droit fiscal cantonal ou fédéral. Ce point de vue, conforme à une jurisprudence déjà ancienne et qui n'a pas été démentie ( ATF 101 IV 57 consid. 1b et cit.), est justifié. La comptabilité que doivent tenir les personnes qui ont l'obligation de faire inscrire leur raison au registre du commerce ( art. 957 CO ) est destinée par la loi à servir de preuve dans les relations de droit civil, indépendamment des buts particuliers que peut lui assigner celui qui la tient (cf. arrêt précité ATF 101 IV 57 consid. 1c et cit.). L' art. 251 CP est donc applicable en cas de falsification de cette comptabilité, même si elle n'est intervenue que dans un dessein de fraude fiscale. Lorsque les mouvements d'argent d'une entreprise s'effectuent en partie par l'intermédiaire d'un compte noir, hors comptabilité, cela représente objectivement, comme le relève l'autorité cantonale, un faux dans les titres. Comme, sur le plan subjectif, l'art. 251 réprime l'infraction non seulement lorsque l'auteur a voulu porter atteinte aux intérêts pécuniaires d'autrui ou au droit d'autrui, mais également lorsqu'il a entendu procurer à lui-même ou à un tiers un avantage illicite (voire dans le domaine fiscal), il est sans intérêt de savoir si l'existence d'un dommage causé à autrui est suffisamment établie, dès lors que la volonté d'éluder une part de l'impôt sur le revenu, qui n'est pas contestée, suffit à réaliser l'élément subjectif de l'infraction.
null
nan
fr
1,977
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
11c53c54-f3c1-4183-8a76-3d6038980588
Urteilskopf 117 II 458 85. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. August 1991 i.S. M. gegen L. (Berufung)
Regeste Art. 18 Abs. 1 BMM . Pflicht des Vermieters, Mietzinserhöhungen zu begründen. Die Begründung einer Mietzinserhöhung hat klar zu sein. Der Vermieter kann Mietzinsherabsetzungsansprüche des Mieters, die sich aus Senkungen des Hypothekarzinses ergeben, nicht stillschweigend mit Erhöhungsfaktoren verrechnen. Er muss vielmehr ausdrücklich darauf hinweisen, dass er die Hypothekarzinsveränderungen als abgegolten betrachte. Das gilt auch, wenn sich der Vermieter auf Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit beruft.
Sachverhalt ab Seite 459 BGE 117 II 458 S. 459 A.- L. ist seit 1. Juli 1985 Mieter einer 4 1/2-Zimmerwohnung in Rapperswil. Der Nettomietzins betrug anfänglich Fr. 910.-- monatlich. Am 11. März 1988 erwarb M. die Liegenschaft, wobei er das Mietverhältnis mit L. übernahm. Auf den 1. April 1989 erhöhte M. den monatlichen Mietzins auf Fr. 1'020.--. Mit amtlichem Formular vom 12. Dezember 1989 kündigte er unter Berufung auf Hypothekarzinsanstieg, Teuerung und allgemeine Kostensteigerungen eine weitere Erhöhung des Mietzinses an, wonach dieser mit Wirkung auf den 1. April 1990 auf Fr. 1'195.-- angehoben werden sollte. B.- Nachdem L. Einsprache erhoben hatte und im Schlichtungsverfahren keine Einigung zustandegekommen war, klagte M. bei der Gerichtskommission See auf Feststellung der Nichtmissbräuchlichkeit der Erhöhung. Mit Urteil vom 20. September 1990 erklärte die Gerichtskommission die Mietzinserhöhung im Umfange von Fr. 85.-- auf neu Fr. 1'105.-- netto pro Monat zuzüglich Nebenkosten als zulässig und wies die Klage im übrigen ab. Auf Berufung beider Parteien bestätigte die Rekurskommission des Kantonsgerichts St. Gallen diesen Entscheid am 22. Februar 1991. C.- Das Bundesgericht weist die vom Kläger gegen das kantonsgerichtliche Urteil eingelegte eidgenössische Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist vor Bundesgericht einzig noch, ob sich der Kläger zur Rechtfertigung der angezeigten Mietzinserhöhung auf einen Hypothekarzinsanstieg von 5% auf 6% oder bloss von 5 1/2% auf 6% berufen könne. Die Rekurskommission hält in tatsächlicher Hinsicht fest, bei Mietbeginn habe der Mietzins auf einem Hypothekarzinsfuss von 5 1/2% beruht. Die Senkung des Zinssatzes anfangs 1987 und im Sommer 1988 um je 1/4% habe keine Auswirkungen auf den Mietzins gehabt. Die am 12. Dezember 1988 mitgeteilte - erste - BGE 117 II 458 S. 460 Mietzinserhöhung auf den 1. April 1989 habe der Kläger einzig mit einer teilweisen Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit begründet, ohne anzumerken, dass er durch diesen Erhöhungsfaktor den aus der Hypothekarzinssenkung von 5 1/2% auf 5% resultierenden Herabsetzungsanspruch des Mieters als kompensiert betrachte. Nach Ansicht der Rekurskommission durfte daher der Beklagte nach Treu und Glauben davon ausgehen, der Mietzins basiere weiterhin auf einem Hypothekarzinsfuss von 5 1/2%. Der Kläger könne folglich zur Rechtfertigung der Mietzinserhöhung gemäss Mitteilung vom 12. Dezember 1989 lediglich eine Hypothekarzinserhöhung von 5 1/2% auf 6% geltend machen. Der Kläger rügt, die Auffassung der Rekurskommission verletze Art. 15 Abs. 1 lit. b und Art. 18 BMM sowie Art. 9 VMM . Er stellt sich auf den Standpunkt, dass der Erhöhungsgrund der Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit sämtliche seit der letzten Mietzinsfestsetzung eingetretenen Veränderungen mitumfasse, und zwar - kompensatorisch - auch allfällige Herabsetzungsansprüche des Mieters. a) Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Begründungspflicht des Vermieters ( Art. 18 Abs. 1 BMM ). Danach bildet die in der Mitteilung der Mietzinserhöhung angegebene Begründung Teil der Willenserklärung des Vermieters, die dieser so gegen sich gelten lassen muss, wie der Mieter sie in guten Treuen verstehen konnte ( BGE 106 II 168 E. 4a, 360 E. c). Die Begründung hat dabei klar zu sein. Sie soll dem Mieter erlauben, sich ein Bild über Tragweite und Berechtigung der Mietzinserhöhung zu machen, und ihm damit die Entscheidungsgrundlagen dafür verschaffen, ob er Einsprache erheben will oder nicht. Unzulässig sind deshalb insbesondere stillschweigende Vorbehalte bezüglich nicht ausgeschöpfter Erhöhungsgründe ( BGE 111 II 204 E. 1; BGE 106 II 360 E. c). An dieser Rechtsprechung ist trotz der von einem Teil der Lehre daran geübten Kritik (RAISSIG/SCHWANDER, Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, 4. Aufl., S. 139 ff.; BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans les secteurs locatifs, S. 29 f.; zustimmend hingegen TRÜMPY, MP 1989, S. 149; GMÜR/PREROST/TRÜMPY, Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl. 1986, S. 97) festzuhalten. Dem Vermieter darf zugemutet werden, Mietzinserhöhungen klar zu begründen. Der Rekurskommission ist uneingeschränkt darin beizupflichten, dass dieselben Grundsätze auch für die Verrechnung von BGE 117 II 458 S. 461 Mietzinssenkungsansprüchen des Mieters mit Erhöhungsfaktoren zu gelten haben. Der Vermieter hat in der Begründung der Mietzinserhöhung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er die zu einem früheren Zeitpunkt nicht in Form einer Mietzinsreduktion weitergegebene Senkung des Hypothekarzinses als abgegolten betrachte. Nur auf diese Weise kann der Mieter, der grundsätzlich einen Anspruch auf Berücksichtigung des niedrigeren Hypothekarzinses hat ( Art. 19 BMM ), die geforderte Klarheit und damit die Grundlage für seinen Entscheid erhalten, ob er den angezeigten Mietzins als missbräuchlich anfechten will oder nicht. Vom Mieter kann nicht verlangt werden, dass er ohne entsprechende Angaben im amtlichen Formular in einer Mietzinserhöhung auch noch eine stillschweigende Verrechnung von Herabsetzungsansprüchen erblickt. Ebensowenig darf er der Gefahr ausgesetzt werden, dass ihm der Vermieter bei einer späteren Mietzinserhöhung vorhält, er habe die bei der vorgängigen Erhöhung stillschweigend vorgenommene Kompensation akzeptiert. Das gilt entgegen der Meinung des Klägers auch, wenn sich der Vermieter auf Anpassung an die Orts- und Quartierüblichkeit ( Art. 15 Abs. 1 lit. a BMM ) beruft. Der Kläger überschätzt die Tragweite dieses Mietzinserhöhungsgrundes. Die gesetzliche Regelung zum missbräuchlichen Mietzins beruht auf verschiedenen Motiven, die teilweise in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Die Missbrauchsgesetzgebung will einerseits verhindern, dass der Vermieter auf Kosten des Mieters eine übersetzte Rendite erwirtschaftet (Grundsatz der Kostenmiete). Auf der anderen Seite gilt jedoch ein Mietzins, der sich im Rahmen der orts- und quartierüblichen Mietzinse hält (Grundsatz der Marktmiete), selbst dann nicht als missbräuchlich, wenn damit der zulässige Ertrag überstiegen wird ( BGE 112 II 155 ). Im weiteren will die Missbrauchsgesetzgebung aber auch dem Grundsatz von Treu und Glauben Rechnung tragen. Soweit nicht bestimmte Erhöhungsgründe ausdrücklich vorbehalten worden sind, darf sich der Mieter deshalb darauf verlassen, dass der bisherige Mietzins dem Vermieter einen sowohl zulässigen wie auch genügenden Ertrag verschafft. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet mithin die Grundlage der sogenannten relativen Berechnungsmethode, wonach die Zulässigkeit einer Mietzinserhöhung ausgehend vom bisherigen Mietzins aufgrund der seit der letzten Mietzinsfestsetzung eingetretenen Veränderungen beurteilt wird ( BGE 111 II 203 f. mit Hinweisen). Damit werden, wie ZIHLMANN (Das neue BGE 117 II 458 S. 462 Mietrecht, S. 126 und 161; vgl. auch Appellationsgericht/BS, in MP 1990, S. 103) zutreffend ausführt, gleichzeitig auch der Anrufung von sogenannten absoluten Erhöhungsgründen - ungenügende Nettorendite ( Art. 14 BMM ), ungenügender Bruttoertrag einer neueren Baute ( Art. 15 Abs. 1 lit. c BMM ), Angleichung an die Ortsüblichkeit ( Art. 15 Abs. 1 lit. a BMM ) - in einem laufenden Mietverhältnis Schranken gesetzt. Der Vermieter kann diese Faktoren nur insoweit geltend machen, als sich die Verhältnisse seit der letzten Mietzinsfestsetzung verändert haben. Insoweit werden die absoluten Erhöhungsgründe, wenn sie in einem laufenden Mietverhältnis angerufen werden, zu relativen, d.h. sie können nicht eine von Grund auf neue Mietzinsfestlegung, sondern lediglich eine Anpassung des bisherigen Mietzinses aufgrund der in der Zwischenzeit eingetretenen Veränderungen rechtfertigen. Fehl geht daher einerseits der Vorwurf des Klägers, die Vorinstanz habe verkannt, dass die Anpassung an die orts- und quartierüblichen Mietzinse als absoluter Erhöhungsgrund zu qualifizieren sei. Bedeutet die Angleichung an die Ortsüblichkeit keine umfassende Neufestlegung des Mietzinses, so ergibt sich daraus anderseits aber auch, dass dieser Erhöhungsgrund nicht, wie der Kläger behauptet, zwangsläufig sämtliche übrigen Mietzinserhöhungs- und -reduktionsfaktoren mitumfasst; dies um so weniger, wenn der Vermieter - wie im vorliegenden Fall - lediglich eine teilweise Anpassung an die orts- und quartierüblichen Mietzinse geltend macht. Der Mieter muss nach Treu und Glauben insbesondere nicht davon ausgehen, mit der Erhöhung seien zugleich auch Mietzinsreduktionsansprüche aufgrund von Hypothekarzinssenkungen abgegolten. b) Der aus der Hypothekarzinssenkung von 5 1/2% auf 5% resultierende Mietzinssenkungsanspruch des Beklagten darf demnach nicht als durch die vom Kläger vorgenommene Anpassung des Mietzinses an die Orts- und Quartierüblichkeit stillschweigend kompensiert betrachtet werden. Die Vorinstanz hat es dem Kläger deshalb zu Recht verwehrt, die erneute Mietzinserhöhung mit einem Hypothekarzinsanstieg von 5% auf 6% zu rechtfertigen. Berücksichtigt werden darf nur die Erhöhung des Hypothekarzinses von 5 1/2% auf 6%. Damit erweist sich der angefochtene Entscheid als richtig.
public_law
nan
de
1,991
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
11cceea0-988a-4e01-9f03-cd10da6f413b
Urteilskopf 115 V 147 22. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1989 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen M. und Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Regeste Art. 24 Abs. 1 und 25 Abs. 1 UVG, Art. 36 UVV : Integritätsentschädigung bei Beeinträchtigung des Sehvermögens. Für die Beurteilung des Integritätsschadens ist nicht der - mittels Brille oder Kontaktlinsen - korrigierte, sondern der unkorrigierte Visus massgebend.
Erwägungen ab Seite 147 BGE 115 V 147 S. 147 Aus den Erwägungen: 1. Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität, so hat er gemäss Art. 24 Abs. 1 UVG Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung. Die Bemessung der Integritätsentschädigung richtet sich laut Art. 25 Abs. 1 UVG nach der Schwere des Integritätsschadens. Diese beurteilt sich nach dem medizinischen Befund. Bei gleichem medizinischen Befund ist der Integritätsschaden für alle Versicherten gleich; er wird abstrakt und egalitär bemessen. Die Integritätsentschädigung der Unfallversicherung unterscheidet sich daher von der privatrechtlichen Genugtuung, mit welcher der immaterielle Nachteil individuell unter Würdigung der besonderen Umstände bemessen wird. Es lassen sich im Gegensatz zur Bemessung der Genugtuungssumme im Zivilrecht (vgl. BGE 112 II 133 Erw. 2) ähnliche Unfallfolgen miteinander vergleichen und auf medizinischer Grundlage allgemeingültige Regeln zur Bemessung des Integritätsschadens aufstellen; spezielle Behinderungen des Betroffenen durch den Integritätsschaden bleiben dabei unberücksichtigt. Die Bemessung des Integritätsschadens hängt somit nicht von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab; auch geht es bei ihr nicht um die Schätzung erlittener Unbill, sondern um die medizinisch-theoretische Ermittlung der Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität, wobei subjektive Faktoren ausser acht zu lassen sind ( BGE 113 V 221 Erw. 4b mit Hinweisen). BGE 115 V 147 S. 148 2. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob der Beschwerdegegner für die unfallbedingte Visusverminderung des rechten Auges eine Integritätsentschädigung beanspruchen kann. Dies hängt davon ab, ob bei der Ermittlung eines Integritätsschadens auf den unkorrigierten oder den - mittels Brille oder Kontaktlinsen - korrigierten Visus abzustellen ist. a) Die Vorinstanz entschied, dass der unkorrigierte Visus massgebend sei. Die abstrakt-egalitäre Bemessung des Integritätsschadens nach dem medizinischen Befund schliesse aus, dass Hilfsmittel, auf die der Versicherte zum Ausgleich von körperlichen Schädigungen oder Funktionsausfällen Anspruch hat, bei der Feststellung des Integritätsschadens mit berücksichtigt werden. Während bei Hilfsmitteln der materielle Ausgleich des Schadens im Vordergrund stehe, bezwecke die Integritätsentschädigung in erster Linie den Ausgleich immaterieller Nachteile. Die beiden Leistungsarten ergänzten sich und stünden nicht in einem Prioritäts- oder Subsidiaritätsverhältnis, wie dies im Bereich der Invalidenversicherung für Eingliederungsmassnahmen und Rentenleistungen zutreffe. Dementsprechend habe der Umstand, dass ein anatomisches oder funktionelles Defizit durch Hilfsmittel mehr oder weniger vollständig ausgeglichen werden kann, nicht eine Reduktion der Integritätsentschädigung zur Folge. Ein Anlass, bei Augenschädigungen von diesen Grundsätzen abzuweichen, bestehe nicht. b) Zur Begründung ihres Standpunktes, für die Bemessung eines Integritätsschadens sei auf den korrigierten Visus abzustellen, macht die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) im wesentlichen geltend, dass bei der Korrektur einer Visusverminderung durch Brille oder Kontaktlinse mit der Wirkung einer Normalsichtigkeit nicht von einer starken Beeinträchtigung der körperlichen Integrität die Rede sein könne. Brille und Kontaktlinse zur Korrektur einer verminderten Sehkraft seien nicht Hilfsmittel im eigentlichen Sinne. Substanzverluste könnten durch Exo- und Endoprothesen nur behelfsmässig ersetzt werden, während die Visusbeeinträchtigung eines morphologisch intakten Auges, bei dem kein makroskopischer Substanzverlust besteht, mittels Brille oder Haftschale im Idealfall vollständig behoben werden könne. Das Tragen einer Brille oder von Kontaktlinsen sei weder augenfällig noch stark beeinträchtigend und werde - im Unterschied zu anderen medizinischen Hilfsmitteln - im Alltagsleben nicht mehr als Gebrechen oder erhebliche Integritätseinbusse empfunden. Würde die Notwendigkeit, zur Korrektur der Sehkraft eine Brille BGE 115 V 147 S. 149 oder Kontaktlinsen zu verwenden, als entschädigungspflichtig im Sinne von Art. 24 f. UVG angenommen, so käme dies einer Qualifizierung von 45% der schweizerischen Bevölkerung, entsprechend dem Anteil der Brillen- und Haftschalenträger, als erheblich Integritätsgeschädigten gleich. Im Vergleich zu Hörapparaten, deren Verwendung mit wesentlichen Nachteilen verbunden sei, liege ein qualitativer Unterschied vor. In ihrer Stellungnahme vom 2. November 1988 machen die Augenärzte Dres. med. A. und B. von der SUVA-Abteilung Unfallmedizin sodann u.a. geltend, das Abstellen auf generell unkorrigierte Visuswerte würde zu kaum lösbaren Vollzugsproblemen führen; die unkorrigierte Sehschärfe sei als Mass der Sehleistung ungeeignet, weil sie im Gegensatz zur allgemein üblichen Bestimmung der korrigierten Sehschärfe nicht standardisiert und demzufolge nicht zuverlässig reproduzierbar sei. Des weitern erörtern sie medizinische Probleme, die sich im Zusammenhang mit der Feststellung von Integritätsschäden bei verschiedenen Augenleiden ergeben. 3. a) Der Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 UVG , welcher für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung in erster Linie massgebend ist ( BGE 113 V 109 Erw. 4a mit Hinweisen), ist klar: Der Anspruch auf eine Integritätsentschädigung setzt voraus, dass der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen oder geistigen Integrität erleidet. Eine solche Schädigung besteht meistens in einem anatomischen, funktionellen, geistigen oder psychischen Defizit (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 414). Entscheidend ist somit, ob der Versicherte eine derartige Schädigung erlitten hat. Ob diese dank einem Hilfsmittel mehr oder weniger vollständig ausgeglichen werden kann mit der Folge, dass sie sich im täglichen Leben nicht mehr oder nur noch in geringem Masse nachteilig auswirkt, ist hingegen unerheblich. Die gegenteilige Auffassung verkennt den Zweck der Integritätsentschädigung, durch eine pekuniäre Leistung einen gewissen Ausgleich zu bieten für körperliche Schmerzen, Leid, verminderte Lebensfreude, Beeinträchtigung des Lebensgenusses und ähnliche Ursachen seelischen Unbehagens (MAURER, a.a.O., S. 413 f.; vgl. auch BGE 113 V 222 oben); diese Beeinträchtigungen bestehen unabhängig von Ausgleichsmöglichkeiten durch Hilfsmittel. b) Die von der SUVA vorgetragenen Argumente, mit welchen für Augenschäden eine Abweichung vom Grundsatz der abstrakten und egalitären Bemessung der Integritätsentschädigung aufgrund BGE 115 V 147 S. 150 des medizinischen Befundes (Erw. 1 hievor) postuliert wird, indem auf die korrigierte Visusverminderung abgestellt und somit individuellen Besonderheiten (Verträglichkeit von Kontaktlinsen u.ä.) Rechnung getragen würde, sind nicht stichhaltig. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) zutreffend bemerkt, ändert die Möglichkeit, einen Visusverlust mittels Brille oder Kontaktlinsen ganz oder teilweise zu korrigieren, nichts an der Tatsache, dass die Augenschädigung von einem bestimmten Grad an eine erhebliche Schädigung der körperlichen Integrität darstellt. Der Umstand, dass wenigstens ein Teil der von Unfallfolgen betroffenen Versicherten keiner gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt ist, hat ebenfalls keinen Einfluss auf das objektive Ausmass einer Behinderung. Als verfehlt erweist sich die Auffassung der SUVA, der Integritätsschaden bestehe in der Notwendigkeit, eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen, und diese Korrekturmittel seien nicht als eigentliche Hilfsmittel zu betrachten. Als Integritätsschaden gilt die Beeinträchtigung der Integrität. Die Notwendigkeit, Kontaktlinsen oder eine Brille zu tragen, ist lediglich eine Folge dieses Schadens. Praxisgemäss ist unter einem Hilfsmittel ein Gegenstand zu verstehen, dessen Gebrauch den Ausfall gewisser Teile oder Funktionen des menschlichen Körpers zu ersetzen vermag ( BGE 112 V 15 Erw. 1b, BGE 101 V 269 Erw. 1b; ZAK 1986 S. 341 Erw. 1b). Dass dies auf Brillen und Kontaktlinsen zutrifft, kann nicht ernstlich bestritten werden, weshalb diese denn auch vom Eidgenössischen Departement des Innern in die im Anhang zur HVUV enthaltene Hilfsmittelliste (Ziff. 7.01 und 7.02) aufgenommen wurden (vgl. ferner Art. 21 Abs. 1 IVG und Ziff. 7 HVI-Anhang). Dass beinahe die Hälfte der schweizerischen Bevölkerung auf eine Brille oder Kontaktlinsen angewiesen und damit erheblich in ihrer Integrität geschädigt ist, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde des weiteren vorgebracht wird, mag zutreffen, ist jedoch im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang, handelt es sich doch dabei zum grössten Teil nicht um unfallbedingte Augenleiden. Im übrigen führt das BSV in seiner Vernehmlassung zu Recht aus, dass die Häufigkeit eines Schadens diesen keinesfalls mindert. Unerheblich ist auch der Hinweis auf die "Beurteilungspraxis der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft in Fragen von Visusschädigungen". Denn bei der Frage, ob die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung gemäss Art. 24 UVG erfüllt sind, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die vom Richter und nicht vom Mediziner zu beurteilen BGE 115 V 147 S. 151 ist. Aus dem gleichen Grund ist dem Beweisantrag der SUVA, es sei bei der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft ein Gutachten über die bisherige augenärztliche Beurteilungspraxis in der allgemeinen Unfallversicherung und die Empfehlungen zur Integritätsschätzung im UVG einzuholen, nicht stattzugeben. Da in der Stellungnahme der Abteilung Unfallmedizin der SUVA vom 2. November 1988 im wesentlichen medizinische Aspekte erörtert und keine neuen rechtlich relevanten Argumente vorgetragen werden, erübrigt es sich, auf diese Eingabe näher einzugehen. Die von den Augenärzten angedeuteten Vollzugsprobleme beim Abstellen auf unkorrigierte Werte vermögen an der Tatsache, dass die von der SUVA befürwortete Basis (korrigierter Visus) einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, nichts zu ändern.
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CH_BGE_007
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Federation
11da6a1b-5076-4d60-bc64-9c342785863b
Urteilskopf 91 II 81 12. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Juli 1965 i.S. W. H. Spross gegen J. H. Spross und B. Spross.
Regeste Klage auf Untersagung des Eheabschlusses ( Art. 111 ZGB ). 1. Diese Klage wird gegenstandslos - wenn die Brautleute während der Hängigkeit des Rechtsstreites die Ehe im Ausland eingehen (Erw. 1), - ebenso, wenn einer der Verlobten während der Hängigkeit des Rechtsstreites stirbt, sei es auch erst nach Einlegung der Berufung an das Bundesgericht (Erw. 4). 2. Kann die Eheuntersagungsklage nach Art. 111 ZGB in eine Ehenichtigkeitsklage nach Art. 120 ff. ZGB umgewandelt werden? (Erw. 3). 3. Welche Rechtsbehelfe hat der Einsprecher, um sich der Anerkennung der im Ausland geschlossenen Ehe zu widersetzen? (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 82 BGE 91 II 81 S. 82 A.- Josef Hugo Spross, geboren 1894, von und wohnhaft in Zürich, und Bertha Schnider, geboren 1897, von Basel und Langenbruck BL, wohnhaft in Zürich, meldeten am 8. November 1963 beim Zivilstandsamt Zürich ihr Eheversprechen an. Während der Verkündigungsfrist erhob ein Sohn aus erster Ehe des Bräutigams, Werner Hansjörg Spross, gegen die beabsichtigte Eheschliessung Einspruch mit der Begründung, der Bräutigam sei geisteskrank und daher nicht ehefähig. Da die Verlobten den Einspruch nicht anerkannten, reichte er beim Bezirksgericht Zürich Klage auf Untersagung des Eheabschlusses ein. B.- Während der Hängigkeit der Klage reisten die Brautleute nach England und liessen sich am 19. Juni 1964 vor dem Zivilstandsamt von Thanet (Kent) trauen. C.- Infolgedessen schrieb das Bezirksgericht Zürich am 9. Oktober 1964 die auf Untersagung des Eheabschlusses gehende Klage als gegenstandslos geworden ab. Den Rekurs des Klägers hat das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 24. Februar 1965 abgewiesen. Laut der Begründung tritt das Obergericht der Auffassung des Bezirksgerichts bei. Es erklärt ferner, "dass die Klage nach ZGB 111 nicht in eine Nichtigkeitsklage nach ZGB 120 konvertiert werden kann". D.- Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, am 12. März 1965 eingereichte Berufung des Klägers an das Bundesgericht mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und das Gericht anzuhalten, den Prozess an Hand zu behalten. E.- Der Erstbeklagte Josef Hugo Spross starb am 13. März 1965. Hierauf verfügte die Direktion des Innern des Kantons Zürich am 15. März 1965 die Eintragung der in England erfolgten Eheschliessung im Familienregister von Zürich. Der Kläger focht BGE 91 II 81 S. 83 diese Eintragung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an, die noch hängig ist. Im Hinblick auf die Testamentseröffnung ermittelte das Bezirksgericht Zürich (der Einzelrichter in nichtstreitigen Rechtssachen) als gesetzliche Erben des Josef Hugo Spross die Beklagte Nr. 2 sowie die beiden Söhne aus erster Ehe, nämlich Hugo Rolf Spross, geboren 1922, und den Kläger. In einem Testament vom 31. Dezember 1964 hatte der Erblasser die beiden Söhne als erbunwürdig bezeichnet und zudem unter Grundangabe gemäss Art. 477 ZGB enterbt. Den dem Sohn Hugo entzogenen Pflichtteil hatte er dessen drei durch ihn vertretenen unmündigen Kindern zugewendet; die überlebende Ehefrau hatte er für den Restnachlass als Universalerbin eingesetzt. Die enterbten Söhne stellten eine Testamentsanfechtung in Aussicht, weshalb das Bezirksgericht eine amtliche Erbschaftsverwaltung anordnete und einstweilen keine Erbbescheinigung ausstellte. F.- Die Beklagtschaft beantragt Abweisung der Berufung. G.- Zur Präsidialverfügung vom 1. Juni 1965 lassen sich die Parteien in folgender Weise vernehmen: Die Klägerschaft verweist auf die vorderhand geltende testamentarische Erbfolge. Sie beabsichtigt das Testament nicht anzufechten bis zur Erledigung des vorliegenden Prozesses. Die Beklagtschaft legt als Ausweis für den ehelichen Stand der Beklagten Nr. 2 einen Familienschein vor. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klage auf Untersagung des Eheabschlusses nach Art. 111 ZGB leitet eine - nicht vermögensrechtliche - Zivilrechtsstreitigkeit ein, die gemäss Art. 44 OG Gegenstand einer Berufung an das Bundesgericht bilden kann. Fraglich ist indessen, ob es hier zu einem oberinstanzlichen kantonalen Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG gekommen ist. Jedenfalls hat man es nicht mit einem materiellen Entscheide zu tun; vielmehr haben die kantonalen Gerichte die Klage ohne Prüfung ihrer Begründetheit wegen des mittlerweile in England erfolgten Eheabschlusses als gegenstandslos geworden abgeschrieben. Unter Umständen kommt zwar einem Erledigungsbeschlusse gleichfalls die Eigenschaft eines Endentscheides zu: dann nämlich, wenn er die endgültige Ablehnung eines zivilrechtlichen Anspruchs bedeutet (vgl. BGE 83 II 544 ff. Erw. 1). Hier ist BGE 91 II 81 S. 84 aber nicht ein Anspruch, der an und für sich noch zu Recht bestehen könnte, aus einem äussern Grunde als erloschen befunden worden. Im Gegenteil beruht der Erledigungsbeschluss der Vorinstanzen auf der Feststellung, dass die Untersagungsklage wegen des im Ausland erfolgten Eheabschlusses ihren Sinn und Zweck verloren habe. Das trifft denn auch zu. Die Untersagungsklage des Art. 111 ZGB richtet sich gegen einen erst bevorstehenden, beabsichtigten Eheabschluss. Sie will eine solche Trauung - einstweilen, solange das Verfahren dauert, und endgültig, wenn die Klage gutgeheissen wird - verhindern (vgl. GÖTZ, Komm., Nr. 4 Abs. 2 und N. 5 zu Art. 111 ZGB ). Lassen sich nun aber die Brautleute, während gegen sie eine solche Untersagungsklage hängig ist, im Auslande trauen, so haben sie ihr Ehevorhaben unabhängig von dem in der Schweiz eingeleiteten Verfahren verwirklicht. Das in der Schweiz gestellte Verkündungsgesuch wollen und können sie nun nicht weiter verfolgen, und die von einem Einsprecher erhobene Klage auf Untersagung des Eheabschlusses entbehrt hinfort des Angriffsobjektes. Der Trauung im Auslande, wofür kein schweizerisches Ehefähigkeitszeugnis gemäss Art. 171 ZStV verlangt worden war, konnte diese Klage nicht wirksam vorbeugen. 2. Der Umstand, dass der Kläger die im Ausland geschlossene Ehe mit Hinweis auf Art. 7f Abs. 1 NAG als nichtig betrachtet, vermag daran nichts zu ändern. Grundsätzlich ist eine im Ausland geschlossene Ehe von Schweizerbürgern, wenn ihr formgültiger Abschluss amtlich bescheinigt ist, wie es hier zutrifft, als gültig anzusehen, bis sie allenfalls gerichtlich als ungültig erklärt wird (vgl. BECK, Komm. zum SchlT des ZGB, N. 99 zu Art. 7f NAG ; BGE 60 II 1 ff.). Eine Frage für sich ist, ob es dem Kläger gelingen wird, auf dem Weg der von ihm erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Streichung des bereits eingetragenen Eheabschlusses in schweizerischen Zivilstandsregistern zu erwirken. Wie immer jenes Beschwerdeverfahren ausgehen mag, wird die Untersagungsklage nicht wieder aufleben (was nicht etwa der Erledigungsbeschluss als solcher ausschliessen würde, denn er schafft nicht materielle Rechtskraft; vgl. LEUCH, N. 3 zu Art. 203 der bernischen ZPO). Hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde keinen Erfolg, so ist damit einer Ehenichtigkeitsklage (nach Art. 121 ZGB , allenfalls auch nach ausländischem Recht, vgl. BGE 60 II 6 /7 Erw. 1c) nicht vorgegriffen. Ob dem Kläger ausserdem eine Registerberichtigungsklage BGE 91 II 81 S. 85 nach Art. 45 Abs. 1 ZGB zustünde, und ob er dazu eine hinreichende Veranlassung finden könnte, ist hier nicht zu prüfen (vgl. BGE 87 I 468 /69 Erw. 2). 3. Der Kläger hält allerdings dafür, die kantonalen Gerichte hätten den Eheuntersagungsprozess gerade dazu an Hand behalten sollen, um ihm Gelegenheit zu bieten, seine Klage in eine Ehenichtigkeitsklage umzuwandeln. Dieser Standpunkt findet jedoch im Bundesrecht keine Stütze. Es handelt sich um zwei verschiedene Klagen, mögen auch mitunter dieselben Tatsachen zur Begründung der einen wie der andern angerufen werden ( Art. 108 und 109 ZGB einerseits, Art. 120 ZGB anderseits). Zur Geltendmachung der Nichtigkeit der Ehe sind übrigens auch andere Personen berechtigt als diejenigen, welche seinerzeit gegen das Ehevorhaben durch Einspruch und Untersagungsklage aufgetreten waren (vgl. Art. 121 ZGB ). Ob es mit der bundesrechtlichen Ordnung überhaupt vereinbar wäre, den Prozess auf Untersagung des Eheabschlusses durch Klageänderung in einen Ehenichtigkeitsprozess überzuführen, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls lässt sich aus dem Bundesrecht kein Anspruch auf dahingehende Klageänderung herleiten. 4. Vollends müsste die Eheuntersagungsklage, wenn es nicht schon vorher geschehen wäre, durch ein erst seit dem angefochtenen Beschluss des Obergerichts eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden sein: durch den Tod des Bräutigams, also des Beklagten Nr. 1. Wäre es nämlich nicht zum Eheabschluss im Auslande gekommen, und wäre die Untersagungsklage in kantonaler Instanz durch materielles Urteil abgewiesen worden, so hätte sie seither durch jenes neue Ereignis ihren Sinn und Zweck verloren (übrigens ebenso, wenn ein die Klage gutheissendes Urteil des Obergerichts von den Brautleuten weitergezogen worden wäre). Denn infolge des Todes des Bräutigams liesse sich das Ehevorhaben nun ohnehin keineswegs mehr verwirklichen. So wenig wie eine während der Hängigkeit der Scheidungsklage durch den Tod eines Ehegatten aufgelöste Ehe noch geschieden werden kann ( BGE 46 II 178 , BGE 51 II 539 , BGE 76 II 254 ; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. A., S. 328 N. 108), so wenig kann es nach dem Tod eines Verlobten noch zum Eheabschluss kommen; bei einer solchen Sachlage ist daher auch einer auf Untersagung dieses Rechtsaktes gehenden Klage keine weitere Folge zu geben. Solche Tatumstände, welche das Prozessrechtsverhältnis selbst berühren, sind, selbst wenn sie BGE 91 II 81 S. 86 erst seit dem angefochtenen kantonalen Urteil eingetreten sind, im Berufungsverfahren vor Bundesgericht noch zu berücksichtigen. Sie fallen nicht unter das Verbot neuer Vorbringen nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG , da sie nicht zur Ergänzung der materiellen Urteilsgrundlage dienen, sondern dem ganzen Streitverhältnis die Grundlage entziehen (vgl. BGE 33 II 32 /34 Erw. 5, BGE 39 II 799 Erw. 3, BGE 72 II 346 /47 Erw. b; WEISS, Berufung, S. 158/59; BIRCHMEIER, N. 8 b cc zu Art. 55 OG , S. 205 und 590 unten). Da indessen die vorliegende Klage wegen des im Ausland erfolgten, amtlich bescheinigten Eheabschlusses schon in kantonaler Instanz gegenstandslos geworden war, hat es beim Nichteintreten auf die Berufung sein Bewenden. Auf die mit und nach dem Tode des Beklagten Nr. 1 komplex gewordene Rechtslage und die unabgeklärte endgültige Erbfolge ist immerhin durch Zustellung des gegenwärtigen Urteils auch an alle ausser den verbliebenen Prozesspareiten noch in Betracht fallenden Interessenten Rücksicht zu nehmen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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1,965
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11e8ed95-1a27-4c12-82b2-be5b026bb31a
Urteilskopf 95 II 456 63. Arrêt de la Ire cour civile du 28 mai 1969 dans la cause Sodibel SA contre Sodip SA
Regeste Firmen von Aktiengesellschaften. Verwechslungsgefahr. Art. 951 Abs. 2 und 956 Abs. 2 OR. 1. Ob eine Verwechslungsgefahr vorliege, ist eine Rechtsfrage (Erw. 1). 2. Diese Gefahr besteht schon, wenn sie sich nach den besonderen Umständen des Falles wahrscheinlich auswirken wird (Erw. 1). 3. Grundsätze, nach denen zu prüfen ist, ob eine Verwechslungsgefahr bestehe (Erw. 2). 4. Vergleichung der beiden Firmen "Sodip" und "Sodibel" (Erw. 3). 5. Ein Verbot, das für den Fall der Verletzung die in Art. 292 StGB vorgesehenen Strafen androht, muss diese Strafen ausdrücklich erwähnen; das Bundesgericht ergänzt auf Berufung hin den Urteilsspruch in diesem Punkte, nötigenfalls von Amtes wegen (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 457 BGE 95 II 456 S. 457 A.- Sodip SA est inscrite au registre du commerce depuis 1930 sous la raison sociale suivante: "Sodip SA société pour la distribution de produits chimiques, pharmaceutiques et de parfumerie." A la fin de l'année 1967, une autre société s'est fait inscrire sous la raison sociale "Sodibel SA". Elle avait le but suivant: "Vente, achat, représentation et distribution de tous produits cosmétiques et capillaires". La première demanda à la seconde de modifier sa raison sociale de manière à éviter les confusions; ce fut en vain. Elle ouvrit alors action, demandant au juge de prononcer que la raison sociale de la défenderesse Sodibel SA était une imitation illicite de la sienne, imitation dont l'emploi constituait un acte de concurrence déloyale; elle requérait en outre l'interdiction de cet usage et la radiation au registre du commerce, le tout sous la menace des peines prévues par l'art. 292 CP. Sodibel SA conclut au déboutement. B.- Le 14 février 1969, la Cour de justice de Genève a déclaré Sodibel SA coupable d'atteinte aux intérêts personnels de Sodip SA, d'imitation illicite de cette dernière raison sociale et de concurrence déloyale. Elle a en outre interdit à la défenderesse de faire usage de la raison sociale inscrite par elle, lui a ordonné de faire radier ladite raison au registre du commerce, le tout sous la menace des peines prévues par l'art. 292 CP. C.- Sodibel SA a recouru en réforme. Elle concluait à l'annulation de l'arrêt attaqué et au déboutement de l'intimée. D.- Sodip SA a conclu au rejet du recours et à la confirmation de l'arrêt entrepris. BGE 95 II 456 S. 458 E.- A l'audience de ce jour, les parties ont déclaré qu'elles renonçaient à plaider tout en maintenant les conclusions qu'elles avaient prises dans leurs mémoires. Erwägungen Considérant en droit: 1. Dans le cas de la société anonyme, la raison sociale qui ne contient pas de noms de personnes doit se distinguer nettement de toute autre raison déjà inscrite en Suisse (art. 951 al. 2 CO). Lorsque le titulaire d'une telle raison subit un préjudice du fait qu'un tiers en use indûment, il peut demander au juge de mettre fin à cet usage et, en cas de faute, réclamer des dommages-intérêts (art. 956 al. 2 CO). Il a donc un droit préférable et peut exiger que le créateur d'une raison nouvelle la choisisse de manière à éviter tout danger de confusion avec la sienne. La question que pose l'existence d'un tel danger de confusion relève du droit. Le Tribunal fédéral, saisi d'un recours en réforme, en connaît donc librement (art. 43 al. 1 OJ). Le risque de confusion existe non pas seulement lorsque des confusions se sont effectivement produites, mais déjà lorsqu'il s'en produira vraisemblablement, vu les circonstances particulières du cas (arrêt Schweizer Skischule Zermatt, du 13 mars 1956, RO 82 II 154 et les arrêts cités). 2. Pour savoir si un danger de confusion existe, on comparera les deux raisons commerciales dans leur ensemble. Cependant, lorsqu'elles contiennent des éléments qui frappent plus que les autres, on les tiendra aussi pour plus importants (arrêt Pavag, du 14 juin 1966, RO 92 II 95, consid. 2). Du reste, le public tend, par abréviation, à n'user que de ces éléments-là (arrêt Pavag, précité, consid. 4). S'il s'agit de noms de fantaisie, on témoignera de plus de rigueur car, dans ce domaine, la liberté du choix est particulièrement grande. Les dispositions légales sur les raisons de commerce tendent non pas à réglementer la concurrence, mais à garantir des confusions, d'une part le titulaire de la raison plus ancienne, vu les droits attachés à sa personne et l'ensemble de ses intérêts commerciaux, d'autre part le public lui-même. De ce principe découlent deux conséquences principales. Premièrement, il peut y avoir danger de confusion au sens de la loi alors même que les titulaires des deux raisons de commerce n'ont pas leur siège dans le même lieu et, par la nature de leurs affaires, n'entrent BGE 95 II 456 S. 459 pas en concurrence (arrêt Pavag, précité, consid. 1; arrêt Rubinstein, du 9 mai 1967, RO 93 II 44, consid. 2 a). A contrario, on sera d'autant plus sévère que, par leur similitude, le siège et les affaires des sociétés rendent les méprises plus probables (arrêts précités). Secondement, le public que la loi veut garantir du risque de confusion comprend, outre la clientèle des deux entreprises, non seulement les personnes privées qui ont affaire avec elles, ainsi les personnes en quête d'emplois, mais encore les autorités et les services publics, par exemple les postes (arrêt Rubinstein, précité, consid. 1a). Enfin, il ne suffit pas que l'on distingue les raisons lorsqu'on les lit ou les entend nommer l'une à la suite de l'autre; il faut, bien plus, que le souvenir permette de les différencier suffisamment. L'action fondée sur l'art. 956 al. 2 CO se justifie, alors même que l'analogie des raisons en cause ne suggère que l'existence d'une relation, soit juridique, soit économique, entre les entreprises (arrêts précités). 3. Dans la présente espèce, les vocables "Sodip" et "Sodibel" sont des noms de fantaisie. Les deux entreprises ont leur siège à Genève et elles ont, partiellement tout au moins, le même but. De plus, comme la cour cantonale le constate souverainement, la seconde jouit de la notoriété. Conformément aux principes rappelés ci-dessus, ces circonstances appellent une appréciation particulièrement sévère du risque de confusion. Sans doute, comme l'allègue la recourante, faut-il mettre en regard, généralement, l'impression d'ensemble que font les raisons en cause pour juger de ce risque. Mais il n'en reste pas moins que les deux vocables "Sodip" et "Sodibel" constituent l'élément frappant des raisons sociales et sont décisifs dans la mémoire des personnes qui doivent pouvoir les distinguer. Les éléments explicatifs ajoutés à son nom par l'intimée ne peuvent jouer qu'un rôle négligeable dans la mémoire des intéressés. C'est en vain que la recourante prétend le contraire: elle se heurte, ce faisant, aux principes de la jurisprudence. Si l'on compare les deux vocables "Sodip" et "Sodibel", on doit admettre avec la Cour de justice et par les mêmes motifs - auxquels il suffit de renvoyer - qu'ils prêtent à confusion. Si le premier a deux syllabes seulement, tandis que le second en a trois, l'élément qui les caractérise l'un et l'autre consiste dans le préfixe "Sodi", qui est identique pour chacune des parties. BGE 95 II 456 S. 460 La recourante voudrait précisément que l'on fasse abstraction de ces deux syllabes pour ne considérer que les terminaisons, qui diffèrent sensiblement dans les deux raisons sociales: car, dit-elle, ces premières syllabes ont un sens générique, constituant l'abréviation du terme "société de distribution". Mais il est clair que, pour la plupart des personnes qui entrent en contact avec les deux sociétés, le préfixe "Sodi" n'a aucun sens. Il est du reste si peu commun que la recourante n'a pu trouver en Suisse que quatre autres sociétés qui l'ont utilisé pour créer des raisons de fantaisie; encore avaient-elles pour but des activités différentes. La recourante, enfin, ne saurait arguer de l'arrêt Pharmacal SA c. Pharmac SA, rendu par la cour de céans le 14 mars 1950 (non publié). Car ces deux raisons, dont la coexistence fut jugée admissible, étaient manifestement dérivées du mot "pharmacie". Or ce terme désigne une branche d'activité commune et, partant, nul ne saurait se l'approprier par une transformation de fantaisie pour en faire une raison sociale exclusive. Le cas diffère essentiellement de celui de "Sodip" et "Sodibel", qui ne font pas allusion de manière généralement intelligible à un certain genre d'activités. 4. Par son arrêt, la Cour de justice a interdit à la défenderesse de faire aucun usage de la raison sociale "Sodibel" dans l'exploitation de son entreprise et cela "sous menace des peines prévues à l'art. 292 CPS". Elle n'a pas précisé quelles sont ces peines. Or, selon la jurisprudence de la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral, à défaut d'une telle précision, le contrevenant à l'interdiction n'est punissable de par la disposition précitée que s'il connaissait néanmoins les peines qu'elle fixe (RO 86 IV 28). Le dispositif doit donc être complété d'office (RO 83 II 261, consid. 6) par la mention expresse de ces peines. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours, confirme l'arrêt attaqué, ajoute cependant au troisième alinéa du dispositif, après la mention de l'art. 292 CP, ces mots: soit les arrêts ou l'amende.
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11eae2c7-638a-400a-9445-60e4e9bcc338
Urteilskopf 139 V 234 32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Pensionskasse des Bundes PUBLICA gegen B. und viceversa (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_687/2012 / 9C_691/2012 vom 1. Mai 2013
Regeste Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz ; Art. 39 Abs. 1 und Art. 40 VRAB ; Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 (in Kraft gestanden bis 30. Juni 2008); Besitzstandsgarantie bei (teilweisem) Kapitalbezug. Die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz gilt nicht nur und so weit, als eine Altersrente bezogen wird, sondern kommt auch bei einem teilweisen Kapitalbezug im Rahmen von Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 zum Tragen (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 235 BGE 139 V 234 S. 235 A. B. arbeitete seit 1998 im Bundesamt X. Sie war bei der Pensionskasse des Bundes PKB (seit 1. März 2001: Pensionskasse des Bundes PUBLICA; nachfolgend: Publica) berufsvorsorgeversichert. Diese vollzog auf den 1. Juli 2008 den Wechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat. Im selben Monat teilte die Publica der Versicherten mit, sie habe nach Art. 25 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 2006 über die Pensionskasse des Bundes (PUBLICA-Gesetz; SR 172.222.1) Anspruch auf eine Besitzstandsgarantie. Ihre garantierte jährliche Altersrente betrage Fr. 56'371.30. Ende Februar 2009 ging B. in Pension. Entsprechend ihrem Gesuch um Kapitalauszahlung vom 23. November 2008 richtete ihr die Publica ab 1. März 2009 eine jährliche Altersrente von Fr. 30'005.40 sowie eine einmalige Kapitalabfindung in der Höhe von Fr. 278'703.90 aus. B. Am 20. Juli 2011 liess B. beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern Klage gegen die Publica einreichen mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr eine zusätzliche Kapitalauszahlung in der Höhe von Fr. 84'378.20, eventualiter von Fr. 44'385.10 auszurichten und diese mit Wirkung ab dem heutigen Datum mit 5 % zu verzinsen. Die Publica beantragte in ihrer Antwort die Abweisung der Klage. Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels hielten die Parteien an ihren Standpunkten fest. Mit Entscheid vom 5. Juli 2012 hiess die Sozialversicherungsrechtliche Abteilung des bernischen Verwaltungsgerichts die Klage teilweise gut. Es wies die Publica an, der Klägerin eine zusätzliche Kapitalabfindung von Fr. 21'285.60 zuzüglich Zins von 3 % vom 5. März 2009 bis 31. Dezember 2011 und von 2,5 % ab 1. Januar 2012 auszurichten. Im Übrigen wies es die Klage ab. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Publica, der Entscheid vom 5. Juli 2012 sei aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. BGE 139 V 234 S. 236 B. hat ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht mit den Rechtsbegehren, der Entscheid vom 5. Juli 2012 sei insoweit aufzuheben, als ihr nicht mehr als Fr. 21'285.60 zugesprochen worden seien, und die Publica sei zu verpflichten, eine zusätzliche Kapitalzahlung von Fr. 63'092.60, eventualiter von Fr. 23'099.50 auszurichten, zuzüglich Zins von 3 % vom 5. März 2009 bis 31. Dezember 2011 und von 2,5 % ab 1. Januar 2012 auf den nachzuzahlenden Beträgen. B. (im Verfahren 9C_687/2012) und die Publica (im Verfahren 9C_691/2012) beantragen jeweils die Abweisung der Beschwerde der Gegenpartei. Das kantonale Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen haben auf eine Stellungnahme bzw. auf eine Vernehmlassung verzichtet. In einer weiteren Eingabe hat sich B. zur Vernehmlassung der Publica geäussert. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Art. 25 PUBLICA-Gesetz lautet wie folgt: "Alle aktiven Versicherten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes das 55., aber noch nicht das 65. Altersjahr vollendet haben, haben Anspruch auf eine statische Besitzstandsgarantie im Umfang von 95 Prozent der nach bisherigem Recht im Alter von 62 Jahren erreichbaren Altersrente, mindestens aber auf die Altersleistungen nach diesem Gesetz. Erfolgt die freiwillige vorzeitige Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr, so wird der garantierte Anspruch versicherungsmathematisch gekürzt. Die aus der Besitzstandsgarantie resultierenden Kosten trägt PUBLICA." B. gehört der Übergangsgeneration im Sinne von Art. 25 PUBLICA-Gesetz an, was unbestritten ist. 4. 4.1 Die Vorinstanz ist aufgrund des Wortlauts (Anspruch auf "Besitzstandsgarantie" nicht auf "Altersrente") sowie der Materialien (Botschaft vom 23. September 2005 über die Pensionskasse des Bundes [PUBLICA-Gesetz und Änderung des PKB-Gesetzes]; BBl 2005 5829 ff.) zum Ergebnis gelangt, Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz bezwecke die Wahrung des leistungsmässigen Status der Übergangsgeneration und beschränke sich damit nicht auf eine Garantie der altrechtlichen Rente. Die Garantie komme unabhängig davon zum BGE 139 V 234 S. 237 Tragen, ob die versicherte Person die Altersrente oder den (teilweisen) Kapitalbezug gewählt habe (vgl. Art. 39 und 40 des Vorsorgereglements vom 15. Juni 2007 für die Angestellten und die Rentenbeziehenden des Vorsorgewerks Bund [VRAB; SR 172.220.141.1]). Hingegen erfolge die in Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz vorgesehene - gerade deshalb gesondert geregelte - versicherungsmathematische Kürzung des garantierten Besitzstandes bei einer vorzeitigen Pensionierung vor dem Alter 62 nach dem neuen, seit 1. Januar 2008 geltenden Recht. Das Auslegungsergebnis hat die Vorinstanz rechnerisch wie folgt umgesetzt: (1) Nach bisherigem Recht berechnete jährliche Altersrente bei Rücktritt im Alter 62 (62 Jahre und 0 Monate [62/0]): Fr. 56'371.30 (95 % von Fr. 59'317.- [zuzüglich Fr. 20.15 aus dem Ergänzungsplan]) (2) Altersguthaben im Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung Ende Februar 2009 im Alter 60/2 (Eintritt Versicherungsfall am 1. März 2009; Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 E. 3.2): Fr. 811'879.50 Berechnung: - Reglementarisch mögliches bzw. effektiv vorhandenes Altersguthaben im Alter 60/2 (gemäss Schreiben der Publica vom 7. Oktober 2010, ausgehend vom Altersguthaben von Fr. 720'809.60 am 1. Juli 2008; inkl. Ergänzungsplan): Fr. 754'273.10; - Reglementarisch mögliches Altersguthaben im Alter 62/0 am 1. Januar 2011: Fr. 864'275.50; - Zur Finanzierung der statisch garantierten altrechtlichen Altersrente im Alter 62/0 benötigtes Altersguthaben: Fr. 925'637.10; - Differenzbetrag (Fr. 61'361.60) diskontiert mit technischem Zinssatz 3,5 % auf den Rücktrittszeitpunkt 60/2 (Garantiekapital): Fr. 57'606.40; Altersguthaben im Rücktrittszeitpunkt (Fr. 754'273.10 + Fr. 57'606.40). (3) Höhe der Kapitalabfindung bei einer ausbezahlten jährlichen Altersrente von Fr. 30'005.40: Fr. 299'989.50 Berechnung: - Mit dem Altersguthaben im Zeitpunkt der vorzeitigen Pensionierung Ende Februar 2009 von Fr. 811'879.50 finanzierbare (volle) Altersrente (bei einem Umwandlungssatz von 5,861666 % [Anhang 3 VRAB]): Fr. 47'589.65; - Einmalig auszubezahlendes Kapital ([(Fr. 47'589.65 - Fr. 30'005.40)/ Fr. 47'589.65] x Fr. 811'879.50). 4.2 Die Berechnung der Höhe der einmaligen Kapitalabfindung der Publica unterscheidet sich in einem einzigen Punkt von derjenigen der Vorinstanz: In Schritt (3) wird an Stelle des Altersguthabens im BGE 139 V 234 S. 238 Rücktrittszeitpunkt (Fr. 811'879.50) das reglementarisch mögliche bzw. das effektiv vorhandene Altersguthaben im Alter 60/2 (Fr. 754'273.10) verwendet. Daraus ergibt sich die Summe von Fr. 278'703.90. Die Publica begründet diese Differenz im Wesentlichen damit, dass nach zutreffender Gesetzesauslegung lediglich die Altersrente, nicht jedoch der Kapitalbezug unter die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz falle. 4.3 B. wiederum vertritt im Gegensatz zu Vorinstanz und Publica den Standpunkt, dass auch die in Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz vorgesehene versicherungsmathematische Kürzung bei freiwilliger vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr von der Besitzstandsgarantie in Satz 1 erfasst werde und somit ebenfalls nach bisherigem Recht vorzunehmen sei. Ihre Berechnung sieht wie folgt aus: (1) Garantierte jährliche Altersrente bei Pensionierung im Alter 62/0: Fr. 56'371.30. (2) Garantierte jährliche Altersrente bei Rücktritt mit Alter 60/2: Fr. 51'283.85 (berechnet unter Berücksichtigung der Kürzung wegen vorzeitigem Rücktritt um 4,4 % [Art. 33 Abs. 4 der Verordnung vom 25. April 2001 über die Versicherung im Kernplan der Pensionskasse des Bundes (PKBV 1; AS 2001 2327), in Kraft gestanden bis Ende Juni 2008] und der statischen Besitzstandsgarantie von 95 %). (3) Höhe des Kapitalbezugs bei einer ausbezahlten jährlichen Altersrente von Fr. 30'005.40: Fr. 363'081.70 ([Fr. 51'283.85 - Fr. 30'005.40] x 1/0,05861666 [Umwandlungssatz gemäss Anhang 3 VRAB]). Für den Fall, dass die versicherungsmathematische Kürzung nach Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz nicht nach dem alten Recht vorzunehmen sei, ist nach Auffassung von B. die vorinstanzliche Berechnung zu modifizieren, sodass sich ein Kapital von Fr. 323'088.61 (ausgegangen von einer garantierten jährlichen Altersrente von Fr. 48'939.45) ergebe. 5. 5.1 PUBLICA-Gesetz, PKBV 1 und VRAB sind öffentlich-rechtliche Erlasse. Deren Bestimmungen, insbesondere Art. 25 PUBLICA-Gesetz , sind somit nach den Regeln der Gesetzesauslegung zu interpretieren ( BGE 138 V 98 E. 5.1 S. 102; BGE 133 V 314 E. 4.1 S. 316 mit Hinweisen). Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Deutungen möglich, sind weitere BGE 139 V 234 S. 239 Auslegungselemente heranzuziehen, neben der Entstehungsgeschichte der Norm, wie sie sich namentlich aus den Materialien ergibt, deren Zweck sowie die Bedeutung, die ihr im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Lediglich dann kann allein auf den Wortlaut abgestellt werden, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergibt. Sind mehrere Interpretationen denkbar, soll jene gewählt werden, welche die verfassungsrechtlichen Vorgaben am besten berücksichtigt ( BGE 138 II 107 E. 5.2 S. 107 f.; BGE 138 V 17 E. 4.2 S. 20; BGE 131 III 33 E. 2 S. 35; je mit Hinweisen). 5.2 Der Wortlaut von Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz spricht vom Anspruch auf eine Besitzstandsgarantie. Der Anspruch bezieht sich somit nicht unmittelbar auf die Altersrente nach bisherigem Recht, wie die Vorinstanz insoweit richtig erkannt hat. Die bei der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigende Überschrift zu dieser Bestimmung "Garantie der Altersrenten für die Übergangsgeneration" zeigt indessen, wie die fragliche Wendung zu verstehen ist. Danach besteht für den genannten Versichertenkreis eine statische Besitzstandsgarantie im Umfang von 95 Prozent der nach bisherigem Recht im Alter von 62 Jahren erreichbaren Altersrente (vgl. auch Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 E. 4.1). Mit anderen Worten ist dieser Anspruch Gegenstand der Besitzstandsgarantie. Dieses Verständnis ergibt sich auch aus der bundesrätlichen Botschaft, wo etwa von betragsmässig garantiertem Besitzstand bzw. garantierter Rente die Rede ist (BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz und 5914 Ziff. 4.1.1.6). Dabei bedeutet statische Besitzstandsgarantie, dass die (nach bisherigem Recht erreichbare) Altersrente grundsätzlich aufgrund des zuletzt (ab 1. Januar 2008) ausbezahlten Lohnes festgesetzt wird (Botschaft, a.a.O.; Art. 13 Abs. 1 und Art. 32 f. PKBV 1; SVR 2010 BVG Nr. 29 S. 112, 9C_869/2009 E. 2.3). Dass Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz von erreichbarer und nicht von erworbener Altersrente spricht, wie in Art. 32 und Art. 33 Abs. 3 PKBV 1 , ist damit zu erklären, dass es diesen mit dem Leistungsprimat eng verknüpften Begriff im neuen System des Beitragsprimats nicht mehr gibt. 5.3 Aus dem Vorstehenden kann indessen nicht gefolgert werden, dass die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz nur und so weit gilt, als eine Altersrente bezogen wird, die (altrechtliche) einmalige Kapitalabfindung gemäss Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 mithin nicht darunter fällt. Gegenteils widerspräche es dem Grundgedanken der Garantie (Schutz der Erwartungshaltung insbesondere BGE 139 V 234 S. 240 der aktiven Versicherten der Übergangsgeneration, mit 62 Jahren und 40 Versicherungsjahren mit vollem Rentengenuss in Pension gehen zu können; BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz; vgl. auch AB 2006 N 825 [Votum Heim]), diesbezüglich nach der Form des Bezugs der Altersleistung zu unterscheiden. Laut Botschaft sollen "die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes 55-, aber noch nicht 65-jährigen Versicherten noch von den geltenden günstigeren Modalitäten des vorzeitigen Altersrücktritts einschliesslich der Überbrückungsrente Gebrauch machen können" (Botschaft, a.a.O.). Der Kapitalbezug ist eine solche Modalität des Rentenanspruchs (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 74/03 vom 29. März 2004 E. 3.3.2), auf die sich die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz somit ebenfalls erstreckt. Die Kapitalabfindung nach Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 entspricht denn auch wertmässig dem nicht bezogenen Teil der Altersrente, berechnet anhand der versicherungstechnischen Unterlagen der Pensionskasse. Im Übrigen räumt auch die Publica ein, dass in der Botschaft die Begriffe Altersrenten und Altersleistungen, worunter nach bisherigem und nach neuem Recht sowohl die Altersrente als auch die Kapitalabfindung fallen (vgl. Überschriften 5. Kapitel 2. Abschnitt [ Art. 32 ff. PKBV 1 ] und Art. 33 und 35 PKBV 1 sowie 6. Kapitel 1. Abschnitt [ Art. 36 ff. VRAB ] und Art. 39 f. VRAB), nicht immer präzise verwendet werden. Schliesslich fehlen Anhaltspunkte, dass die bereits nach bisherigem Recht bestehende Möglichkeit eines Kapitalbezugs (bis höchstens die Hälfte der Altersrente; Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 ) im Rahmen von Art. 25 PUBLICA-Gesetz eingeschränkt werden sollte, wie auch die Vorinstanz festgestellt hat. Nach dem Berechnungsmodell der Publica führt nun aber jeder Kapitalbezug wertmässig zu einer Verschlechterung in dem Sinne, dass das Garantiekapital bei der Ermittlung der garantierten Altersrente, nicht aber bei der Bestimmung der Höhe des Kapitals berücksichtigt wird. Dieses bemisst sich nach dem effektiv vorhandenen Altersguthaben im Zeitpunkt der (vorzeitigen) Pensionierung und kann selbst bei einem Rücktritt im Alter 62 nicht mehr betragen (vorne E. 4.1 und 4.2). Damit werden die Versicherten der Übergangsgeneration in ihrer Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Bezugsform der Altersleistungen (Altersrente, Kapitalabfindung) eingeschränkt, was nicht dem gesetzgeberischen Willen entspricht. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Kosten der Besitzstandsgarantie nach Art. 25 PUBLICA-Gesetz , welche gemäss Satz 3 von der Publica zu tragen sind, ein ständiges Thema im BGE 139 V 234 S. 241 Gesetzgebungsverfahren waren. Dabei ging es indessen ausschliesslich um die Ausgestaltung der Garantie, statisch oder dynamisch (Berücksichtigung der Lohnerhöhungen [infolge Stufenanstiegs, Beförderung, Teuerungszulagen und allgemeiner Reallohnerhöhungen] bis zur vorzeitigen Pensionierung; SVR 2010 BVG Nr. 29 S. 112, 9C_869/2009 E. 2.3), sowie um den Umfang des Anspruchs, 95 oder 100 Prozent (Protokolle der vorberatenden Staatspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat vom 26./27. Januar, 23./24. Februar, 30./31. März und 19./20. Oktober 2006; BBl 2005 5879 zu Art. 26 E-PUBLICA-Gesetz und 5914 Ziff. 4.1.1.6; AB 2006 N 824 f.). Die für die Finanzierung der Übergangsregelung von Art. 25 PUBLICA-Gesetz an sich ebenfalls bedeutsame Frage, ob bei der Besitzstandsgarantie nach der Bezugsform (Altersrente, Kapitalabfindung) zu differenzieren sei, war demgegenüber kein Diskussionsthema. 5.4 Die Publica bringt vor, im Unterschied zur geltenden Regelung ( Art. 40 Abs. 2 VRAB ) habe unter dem früheren Recht höchstens die Hälfte der Altersrente als Kapitalabfindung bezogen werden können ( Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 ). Die Auslegung von Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz durch die Vorinstanz habe zur Folge, dass eine versicherte Person nach dem nun anwendbaren neuen Recht einen Kapitalbezug von 100 % tätigen und sich den ganzen Garantiebetrag bar ausbezahlen lassen könnte. Damit ergäbe sich eine Konstellation, die nach Leistungsprimat nie möglich gewesen sei. Indessen besteht - nach dem bisher Gesagten folgerichtig - eine Besitzstandsgarantie lediglich im Rahmen von Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 , d.h. bei einem Kapitalbezug von höchstens der Hälfte der Altersrente, was auch hier zur Diskussion steht. Im Übrigen gehen die Vorinstanz und auch die Parteien bei ihren Berechnungen von der nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz garantierten (im Alter 62 erreichbaren, um 5 % gekürzten) Altersrente aus (vorne E. 4.1-4.3). Im Weitern verweist die Publica auf Art. 107 VRAB ("Wiederbeschäftigung von Bezügerinnen und Bezügern einer überführten Altersrente") und Art. 108 VRAB ("Garantie nach Artikel 25 PUBLICA-Gesetz"). Indessen vermag sie nicht überzeugend darzutun, inwiefern unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Auslegung von Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz eine (möglichst) rechtsgleiche Behandlung der weiterbeschäftigten Bezüger einer Altersrente und der Personen, welche ein Kapital mit Garantie bezogen haben, soweit BGE 139 V 234 S. 242 diesbezüglich überhaupt sachliche Identität angenommen werden kann, nicht möglich sein soll. Die Gesetzmässigkeit von Art. 107 Abs. 3 und Art. 108 Abs. 2 VRAB im Besonderen steht im Übrigen nicht auf dem Prüfstand. Schliesslich ergibt sich nichts zu Gunsten der Publica daraus, dass nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz die Versicherten der Übergangsgeneration mindestens Anspruch auf die Altersleistungen nach diesem Gesetz haben. Im Gegenteil spricht dies dafür, dass bei einem teilweisen Kapitalbezug die Rente und das Kapital unter die Besitzstandsgarantie fallen. Mit Altersleistungen sind begrifflich Altersrente und/oder Kapitalabfindung gemeint (vorne E. 5.3). 5.5 Die Besitzstandsgarantie nach Art. 25 Satz 1 PUBLICA-Gesetz gilt somit nicht nur und so weit, als eine Altersrente bezogen wird, sondern kommt auch bei einem teilweisen Kapitalbezug im Rahmen von Art. 35 Abs. 1 PKBV 1 zum Tragen. 6. 6.1 Gemäss Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz ist der in Satz 1 garantierte Anspruch bei freiwilliger vorzeitiger Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr versicherungsmathematisch zu kürzen. Nach welchem Recht und wie die Kürzung vorzunehmen ist, wird nicht gesagt. 6.1.1 Nach Auffassung der Vorinstanz hat der Gesetzgeber dadurch, dass er die Kürzung im zweiten Satz besonders geregelt hat, ohne weiteres klargestellt, dass sie gerade nicht Bestandteil des im ersten Satz garantierten Besitzstandes ist, mithin nicht nach altem Recht erfolgt. Da es in dem nach dem Beitragsprimat ausgestalteten Vorsorgereglement (VRAB) systembedingt an einer Kürzungsmöglichkeit fehle, sei daher mit Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz eigens eine (neurechtliche) Grundlage dafür geschaffen worden. 6.1.2 Die Publica weist in ihrer Vernehmlassung (im Verfahren 9C_691/2012) darauf hin, die von ihr vorgenommene versicherungsmathematische Kürzung sei eine Berechnungsmethode, die vom Pensionskassenexperten für den in Art. 25 PUBLICA-Gesetz genannten Fall ausgearbeitet worden sei. 6.1.3 B. vertritt den Standpunkt, die Kürzung sei nach bisherigem Recht, d.h. nach Massgabe von Art. 33 Abs. 4 PBKV 1 vorzunehmen (offengelassen im Urteil 9C_769/2009 vom 9. April 2010 E. 4.2). Nach dieser Bestimmung wird die Altersrente bzw. der Betrag der erworbenen Altersrente im Zeitpunkt der Pensionierung um 0,2 BGE 139 V 234 S. 243 Prozent pro Monat vor Alter 62 gekürzt. Die Berechnungsmethode der Publica führe zu einer überproportionalen Kürzung der garantierten Altersrente bei vorzeitiger Pensionierung vor Alter 62. Sie sei von den Betroffenen auch nicht nachvollziehbar, da die Berechnung des zwischen dem Zeitpunkt der Pensionierung und dem Alter 62 geäufneten Altersguthabens ebenso wie die Diskontierung des Garantiekapitals ein sachfremdes dynamisches Element enthielten (Projektionszinssatz bzw. technischer Zinssatz von 3,5 %, fiktive Lohnerhöhung von 1,5 %). Daraus resultiere eine kleinere Altersrente, was aufgrund der statischen Besitzstandsgarantie im Beitragsprimat umgekehrt sein sollte. Die von der Publica angewendete Methode der versicherungsmathematischen Kürzung nach Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz sei zudem weder den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bekannt gewesen noch jemals irgendwo publiziert worden. Sie lasse sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen. 6.2 In BGE 139 V 230 hat das Bundesgericht entschieden, dass (auch) die versicherungsmathematische Kürzung des garantierten Anspruchs (von 95 Prozent der nach bisherigem Recht im Alter von 62 Jahren erreichbaren Altersrente) gemäss Art. 25 Satz 2 PUBLICA-Gesetz nach dem bisherigem Recht vorzunehmen ist. Anwendbar ist somit Art. 33 Abs. 4 PBKV 1. Nach dieser bis 30. Juni 2008 in Kraft gestandenen Vorschrift ist die Altersrente bzw. der Betrag der erworbenen Altersrente bei Pensionierung vor dem vollendeten 62. Altersjahr um 0,2 Prozent pro Monat vor Alter 62 zu kürzen. Es kann an dieser Stelle auf die bundesgerichtlichen Ausführungen in BGE 139 V 230 E. 5 verwiesen werden. Es besteht aufgrund der Vorbringen der Parteien kein Anlass zu Ergänzungen oder Präzisierungen.
null
nan
de
2,013
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
11eb2cdb-476e-4743-b97b-cb7d3e72a45a
Urteilskopf 122 III 229 41. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 23 avril 1996 dans la cause P. et consorts contre Etat de Vaud (procès direct)
Regeste Direktprozess; Streitwert bei subjektiver Klagenhäufung. Die Regelung in Art. 47 Abs. 1 OG kann nicht auf den Direktprozess ausgeweitet werden. Daher muss die Zuständigkeit des Bundesgerichts als einzige Instanz für jede einzelne von Streitgenossen erhobene Klageforderung im Sinn von Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP gegeben sein (E. 2b). Werkeigentümerhaftung ( Art. 58 OR ). Natürliche Kausalität; rechtmässiges Alternativverhalten. Begriff des rechtmässigen Alternativverhaltens (E. 5a/aa). Massgebende Kriterien für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit eines Werkes (E. 5a/bb). Der mangelhafte Unterhalt eines Werkes kann als kausale Schadensursache ausgeschlossen werden, wenn feststeht, dass auch bei richtigem Unterhalt des Werkes weder der Schadenseintritt verhindert, noch dessen Auswirkungen gemindert worden wären (E. 5b).
Sachverhalt ab Seite 230 BGE 122 III 229 S. 230 A.- a) Le Nozon est un cours d'eau qui prend sa source à Vaulion et se jette dans le Talent, après avoir parcouru 22 km. Dans sa partie inférieure, entre Orny et le Talent, sa pente est peu prononcée, ce qui a pour conséquence une capacité d'évacuation relativement faible. En 1854 encore, l'Entreprise de dessèchement des marais de l'Orbe a commencé des travaux sur le trajet du Nozon. Un endiguement a été exécuté sur une longueur de 6390 m à l'amont de la jonction avec le Talent. Ces travaux ont permis d'absorber les crues courantes. Les inondations de la plaine par débordement des cours d'eau ont cessé, sauf conditions météorologiques exceptionnelles. Cependant, la plaine est demeurée marécageuse, car les eaux de pluie et de drainage ne pouvaient pas s'en écouler. Deux canaux ont alors été construits: le canal occidental, sur la rive gauche de l'Orbe/Thielle, et le canal oriental, successeur de l'Entreroches, sur la rive droite. Un assainissement, de type "gravitaire", de cette région a été entrepris. Les eaux de drainage ont été amenées directement jusqu'au canal oriental, en passant par-dessous le Nozon. Les eaux récupérées à un niveau supérieur à celui des digues ont seules été conduites au Nozon. Les drainages "gravitaires" ont provoqué un abaissement du niveau de la plaine constituée en grande partie de tourbe. La pratique de l'agriculture a contribué au tassement des terres. Le niveau de la plaine a ainsi baissé d'environ 1 m à 1,5 m. Un affaissement des digues s'est aussi produit. Le tassement des tourbes a entraîné une modification de la pente des drains. Une mare, tout d'abord temporaire puis permanente, s'est formée entre la route Orbe-Orny et le Nozon. Des stations de pompage ont été mises en place. Le Nozon a enregistré des crues de plus en plus fréquentes. Les parties reconnaissent que l'urbanisation du bassin versant a joué un rôle dans cette augmentation. Elles ne sont pas d'accord, en revanche, en ce qui concerne l'incidence de l'adjonction des eaux de pompage. Le niveau des eaux du Nozon se situe en général à environ 40 cm du sommet des berges; il est maîtrisé, sauf sur le tronçon des "Marais-Villars", entre les BGE 122 III 229 S. 231 hectomètres 26 et 53, où se trouvent les fonds des demandeurs. Les débordements chroniques dans ce secteur ont pour origine, selon l'Etat de Vaud, l'abaissement du niveau de la plaine conjugué avec l'augmentation des débits résultant de l'urbanisation et, dans une moindre mesure, des stations de pompage. Les demandeurs en voient la cause dans la déformation du profil en long du Nozon et dans son mauvais état d'entretien. b) Sous l'effet de fortes crues, le Nozon a très largement débordé les 14 et 15 février, les 27 et 28 juin et encore le 1er juillet 1990. Il en est résulté l'inondation d'installations et de cultures propriété de P. et consorts. D'autres débordements se sont encore produits, le 6 janvier 1982 et le 22 décembre 1991, mais ils n'ont pas donné lieu à des prétentions de la part des demandeurs. Enfin, l'expert fait état de deux débordements survenus en 1993, soit en cours de procédure, lesquels ne sont pas litigieux. B.- Par mémoire du 23 août 1991, les demandeurs ont introduit, devant le Tribunal fédéral, une action en responsabilité dirigée contre l'Etat de Vaud. P. y conclut à ce que le défendeur soit condamné à lui payer 6'841 fr.60, plus intérêts. Par la suite, il a augmenté ses conclusions de 1'093 fr. Les deux autres demandeurs concluent, respectivement, à l'allocation de 27'000 fr. et de 236'481 fr., intérêts en sus. Dans sa réponse du 14 février 1992, le défendeur conclut au rejet des conclusions prises contre lui. La procédure probatoire a été ouverte le 9 juillet 1992. Une expertise a été ordonnée et confiée à M. Paul Meylan, ingénieur civil EPF/SIA, à Lausanne. Par ordonnance du 13 juillet 1995, la procédure probatoire a été close et les parties invitées à déposer un résumé écrit de leurs moyens. Les demandeurs l'ont fait le 4 septembre 1995 et le défendeur, le 20 octobre 1995. C.- Aux débats principaux de ce jour, les avocats des parties ont maintenu leurs conclusions précédentes au terme de leurs plaidoiries. Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevables les conclusions de P. et rejeté celles des deux autres demandeurs. Erwägungen Extrait des considérants: 2. b) La valeur litigieuse est déterminée par les conclusions de la demande ( art. 36 al. 1 OJ ). Les prétentions de deux des trois demandeurs sont supérieures à 8'000 fr. Les conclusions de P., en revanche, BGE 122 III 229 S. 232 n'atteignent pas ce montant. Des demandeurs qui font valoir des prétentions de même nature reposant sur une cause matérielle et juridique essentiellement de même nature ne peuvent les joindre dans une seule demande et agir en qualité de consorts que si la compétence du Tribunal fédéral est donnée à l'égard de chacune d'elles ( art. 24 al. 2 let. b PCF ; cumul subjectif, consorité formelle). Cette dernière exigence est limitée aux procès directs, l' art. 47 al. 1 OJ l'ayant délibérément exclue en matière de recours en réforme ( ATF 103 II 41 consid. 1c p. 46). La réglementation de l' art. 47 al. 1 OJ peut-elle néanmoins être étendue aux procès directs? BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege, n. 7 ad art. 41 OJ ), en se référant à l' ATF 27 II 328 consid. 2 p. 360, propose d'appliquer cette disposition par analogie. POUDRET (COJ, n. 3.3 ad art. 41, p. 67) estime, au contraire, qu'il convient de s'en tenir au principe selon lequel la compétence du Tribunal fédéral doit être donnée à l'égard des prétentions de chaque demandeur. La référence faite par le premier auteur ne peut être retenue car, si l'arrêt cité applique certes directement les dispositions de l'OJ, il est antérieur à la loi de procédure civile fédérale du 4 décembre 1947. Il ressort du Message accompagnant le projet de cette loi (FF 1947 I 1021) que son système a été expressément voulu, la distinction étant nettement faite entre les prétentions de divers demandeurs issues d'une même cause ( art. 24 al. 2 let. a PCF ) et celles de demandeurs n'ayant aucun lien juridique entre eux avant le procès mais qui, comme dans la présente cause, s'unissent uniquement pour agir ensemble en justice ( art. 24 al. 2 let. b PCF ). Le principe de l'économie du procès conduit, il est vrai, à se demander s'il ne serait pas opportun de permettre à P. de faire dire le droit sur sa prétention dans le même procès que les deux autres demandeurs. Cependant, s'il fallait admettre l'addition des diverses prétentions, il serait possible de soumettre au Tribunal fédéral, par la voie du procès direct, des prétentions dont aucune, prise séparément, ne pourrait l'être. Ce serait aller à l'encontre de la volonté du législateur. L'action de P. doit dès lors être déclarée irrecevable. 5. Il reste à déterminer le rôle causal du défaut d'entretien de l'ouvrage dans la survenance du dommage. a) aa) Pour conclure à sa libération des fins de la présente action en paiement, le défendeur fait valoir, entre autres arguments, que le dommage allégué par les demandeurs se serait produit de la même manière si l'ouvrage litigieux avait été entretenu correctement. En d'autres termes, l'Etat de Vaud soutient que le dommage serait survenu même en l'absence du BGE 122 III 229 S. 233 chef de responsabilité invoqué par les demandeurs. Il soulève, ce faisant, le problème du comportement de substitution licite, de la solution de rechange conforme au droit ou encore du succédané légal, pour tenter de rendre, par ces trois expressions interchangeables, ce que les auteurs de langue allemande appellent "das rechtmässige Alternativverhalten". Cette notion n'est pas étrangère à la jurisprudence du Tribunal fédéral. Ainsi, dans l' ATF 115 II 440 , il a été jugé qu'en cas d'inexécution d'un contrat par omission, la partie contractante en faute peut être admise, sous certaines conditions, à faire valoir que, même si elle avait rempli ses obligations conformément au contrat, son cocontractant n'en aurait pas moins subi un dommage identique. La même faculté a été reconnue, dans un arrêt non publié du 24 avril 1990 (cause 4C.217/1988, consid. 3c), à un travailleur qui avait violé positivement le contrat en détournant des anciens collègues de travail, avant de quitter son employeur, et en les faisant embaucher par la société qu'il venait de créer; le défendeur a été autorisé à démontrer que, pour partie, le dommage allégué par le demandeur se fût produit même dans l'hypothèse où il eût exécuté toutes ses obligations contractuelles, étant donné que, en l'absence d'une clause de prohibition de faire concurrence, rien ne l'eût empêché d'obtenir, par des moyens licites, le transfert de ses ex-collègues dans sa propre entreprise. Plus récemment, en matière de responsabilité de l'Etat pour l'activité médicale hospitalière, le Tribunal fédéral est entré en matière sur l'objection du consentement hypothétique du patient après avoir conclu à la violation du devoir d'informer incombant au médecin ( ATF 117 Ib 197 consid. 5c p. 208). S'agissant de la responsabilité du propriétaire d'un ouvrage, et plus précisément de celle d'une collectivité publique pour défaut de signalisation, il n'a pas exclu la prise en considération de l'objection de la défenderesse voulant que la présence du signal "Hauteur maximale" n'eût pas retenu le chauffeur du véhicule endommagé de s'engager sous une voûte trop basse pour ledit véhicule, mais il y a vu un problème de causalité naturelle dont la solution ne pouvait pas être critiquée par la voie du recours en réforme ( ATF 108 II 51 consid. 3 p. 54 in limine, 103 II 240 consid. 4a). La notion de comportement de substitution licite et l'objection correspondante, qui sont une création de la doctrine et de la jurisprudence allemandes, ont également trouvé un certain écho chez quelques auteurs suisses (cf. surtout, parmi d'autres, BERNHARD STUDHALTER, Die Berufung des präsumtiven Haftpflichtigen auf hypothetische Kausalverläufe - BGE 122 III 229 S. 234 Hypothetische Kausalität und rechtmässiges Alternativverhalten, thèse Zurich 1995, passim et p. 171 ss, avec de nombreuses références; voir aussi: GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. II, 6e éd., n. 2722; REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, n. 644 ss; KRAMER, Die Kausalität im Haftpflichtrecht: Neuere Tendenzen in Theorie und Praxis, in: RJB 123/1987, p. 289 ss, 292 ss). Cette notion se distingue des notions de causalité hypothétique et de causalité outrepassante en ce sens que, contrairement à ces dernières, qui font appel à des circonstances externes, généralement postérieures à la survenance du dommage, et sur lesquelles le responsable n'a pas de prise, elle fait intervenir, à titre de solution de rechange, le propre comportement du responsable, mais un comportement conforme au droit (STUDHALTER, op.cit., p. 180/181; GAUCH/SCHLUEP, ibid.). Elle n'a rien à voir non plus avec la causalité cumulative et la causalité alternative (sur ces notions, introduites par VON TUHR, cf. DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, 2e éd., n. 29 ad § 4 et la référence à l'auteur allemand). La doctrine ne traite pas les actes et les omissions sur le même pied lorsqu'elle cherche à quoi rattacher, d'un point de vue théorique, l'objection tirée du comportement de substitution licite (sur la problématique, cf. STUDHALTER, op.cit., p. 205 ss et p. 243 ss). En ce qui concerne les premiers, elle considère, tour à tour, ladite objection comme un aspect de la causalité naturelle, voire de l'évaluation du dommage, ou, dans sa majorité, comme un problème mettant en jeu le but protecteur (Schutzzweck) de la norme violée, respectivement la relation existant entre le comportement contraire au droit et le dommage subséquent (relation d'illicéité, Rechtswidrigkeitszusammenhang), ces deux dernières notions étant d'ailleurs souvent utilisées l'une pour l'autre. Il n'y a pas lieu de s'attarder sur cette querelle doctrinale dès lors que le défendeur se voit reprocher en l'espèce des omissions, soit le défaut d'entretien suffisant de l'ouvrage dont il est propriétaire. A l'égard de celles-ci, les opinions convergent pour constater qu'entre l'acte omis et le résultat constaté, le rapport de cause à effet est nécessairement hypothétique, de sorte qu'à ce stade déjà il convient de se demander si le dommage serait survenu au cas où l'intéressé aurait agi conformément au droit. En d'autres termes, le juge doit d'emblée supputer les incidences concrètes de l'acte omis pour décider si l'omission a porté à conséquence dans le cas concret, ce qui suppose qu'il recherche, au préalable, en fonction du but protecteur de la disposition légale (ou du principe juridique) entrant en ligne de compte et des circonstances propres à la BGE 122 III 229 S. 235 cause en litige, quel eût été l'acte à ne pas omettre in casu. Rapportée au problème de la responsabilité du propriétaire d'un ouvrage, cette démarche consiste, en premier lieu, à faire le départ entre un ouvrage défectueux et un ouvrage exempt de défauts, sur le vu des circonstances de fait pertinentes, puis à examiner si le propriétaire, en accomplissant en temps utile les actes nécessaires au maintien de l'ouvrage litigieux dans un état correspondant au niveau de construction ou d'entretien requis dans le cas d'espèce, eût empêché la survenance du dommage qui est survenu. En cas de réponse affirmative, l'existence d'un lien de causalité naturelle entre l'omission et le dommage qui s'est produit devra être admise et la responsabilité du propriétaire de l'ouvrage reconnue. Dans l'hypothèse inverse, la responsabilité dérivant de l' art. 58 CO devra être exclue, faute d'un tel lien. bb) Pour juger du caractère défectueux ou non d'un ouvrage, il y a lieu de se baser sur le but qui lui a été assigné. Un ouvrage est donc défectueux s'il ne répond pas à ce que l'on attend de lui. Par "on", il faut entendre, non pas le propriétaire de l'ouvrage, mais le public en général et ses utilisateurs en particulier. Il ne suffit pas qu'un ouvrage soit adapté à l'usage prévu, dans l'esprit et aux yeux de son propriétaire, autrement dit qu'il soit subjectivement conforme à sa destination. Encore faut-il qu'il satisfasse aux exigences objectives que tout ouvrage similaire devrait remplir dans des circonstances identiques. Ainsi, à supposer qu'un cours d'eau doive être aménagé objectivement pour résister à des crues d'un temps de retour de 30 ans, son propriétaire ne pourra pas objecter qu'il a jugé suffisante une résistance à des crues d'un temps de retour de 10 ans seulement et qu'il a dimensionné l'ouvrage en fonction de cet intervalle. La raison en est que le défaut d'un ouvrage donné se détermine à l'aide d'un critère objectif, en considération de ce qui peut se passer, selon l'expérience de la vie, au lieu en question ( ATF 96 II 36 ). Mais la réciproque est également vraie: le critère objectif s'applique aussi lorsque le propriétaire de l'ouvrage a pris des mesures de sécurité dépassant celles qui étaient objectivement commandées pour l'ouvrage considéré. En pareille hypothèse, l'existence d'un défaut ne pourra être admise que si l'ouvrage en question ne répond plus aux exigences de sécurité qui peuvent être raisonnablement fixées pour une telle installation. En juger autrement reviendrait à pénaliser le propriétaire qui en fait davantage que ce que la loi lui impose. Ce serait étendre, sans raison valable, le champ d'application de l' art. 58 CO . Semblable extension ne se justifierait, à la rigueur, que si elle pouvait se fonder sur des BGE 122 III 229 S. 236 assurances spécifiques fournies par contrat ou être commandée par la nécessité de protéger la confiance éveillée à cet égard chez une personne déterminée par le propriétaire de l'ouvrage. Rien de tel n'est cependant allégué en l'espèce par les demandeurs. Aussi, pour reprendre l'exemple précité, si, d'un point de vue objectif, un ouvrage du même type que l'ouvrage litigieux doit supporter des crues susceptibles de se reproduire tous les 10 ans, le propriétaire qui a dimensionné son ouvrage afin qu'il résiste à des crues d'un temps de retour de 30 ans n'engagera, en principe, pas sa responsabilité fondée sur l' art. 58 CO tant et aussi longtemps qu'il maintiendra ledit ouvrage dans un état tel qu'il ne soit pas affecté par des crues d'un temps de retour de 10 ans au plus. b) Selon les constatations de fait de la Cour de céans, fondées sur les conclusions de l'expert judiciaire, le temps de retour de la crue du 15 février 1990 était de 50 ans au moins et celui de la crue de juin/juillet 1990 supérieur à 100 ans. Dans son état initial, soit celui de 1951, le tronçon du Nozon en cause pouvait absorber des crues d'un temps de retour d'environ 100 ans, alors qu'au moment où le dommage allégué est survenu, il ne pouvait plus retenir que des crues d'un temps de retour de quelque 14 ans en raison de son entretien défectueux. Sur la base des indications de l'expert tirées de l'étude de P. Chausson et M. Boussekine, il faut admettre que l'ouvrage litigieux, surdimensionné à l'origine, n'aurait pas pu être qualifié de défectueux, eu égard à la nature des fonds à protéger, s'il avait pu absorber des crues d'un temps de retour de 30 ans. Pour le surplus, il ne ressort pas de l'expertise que l'importance quantitative des crues ait eu une quelconque incidence sur l'ampleur du dommage subi par les demandeurs. Il s'ensuit qu'un ouvrage dimensionné de manière à contenir des crues d'un temps de retour de 30 ans, soit un ouvrage exempt de défauts, n'aurait pas empêché la survenance du dommage qui s'est effectivement produit, ni n'en aurait réduit les effets. En d'autres termes, si le défendeur avait adopté un comportement conforme au droit, le résultat eût été le même. Il n'y a donc pas ici, entre l'omission contraire à la loi et le dommage constaté, la relation de cause à effet nécessaire qui permettrait d'attribuer celui-ci à celle-là, comme c'eût été le cas si le dommage subi par les demandeurs avait été le fait de crues d'un temps de retour égal ou inférieur à 30 ans. Par conséquent, l'action en paiement ouverte contre l'Etat de Vaud ne peut qu'être rejetée, étant donné l'absence de caractère causal des omissions relevées.
null
nan
fr
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CH
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11f20a9d-366f-438e-8dea-614677cb1a07
Urteilskopf 125 I 182 19. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Februar 1999 i.S. Association du Transport Aérien International (IATA) gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Emissionsabhängige Landegebühr für den Flughafen Zürich. Die emissionsabhängige Landegebühr verstösst weder gegen eidgenössisches Luftfahrt- und Umweltrecht (E. 2) noch gegen das Übereinkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (SR 0.748.0) (E. 3). Die Abgabe ist eine Lenkungskausalabgabe; sie hat als solche eine genügende gesetzliche Grundlage in Art. 39 LFG und verletzt das Kostendeckungsprinzip nicht (E. 4). Sie verletzt auch nicht die Handels- und Gewerbefreiheit, die Rechtsgleichheit oder das Willkürverbot (E. 5 und 6). Kostenfolgen (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 183 BGE 125 I 182 S. 183 Gestützt auf die Gebührenordnung vom 1. November 1993 für den Flughafen Zürich werden für Landungen auf dem Flughafen Zürich Gebühren erhoben. In der ursprünglichen Version bemassen sich diese Gebühren nach dem Höchstabfluggewicht des Flugzeugs und einem nach verschiedenen Klassen abgestuften Lärmzuschlag. Am 20. August 1997 beschloss der Regierungsrat des Kantons Zürich eine Änderung der Gebührenordnung. Dadurch wurden die in Art. 5 der Gebührenordnung enthaltenen gewichtsabhängigen Gebühren um durchschnittlich 5% reduziert. Dafür wurde ein neuer Art. 5c eingefügt, welcher wie folgt lautet: «Auf dem Flughafen Zürich wird ein Emissionszuschlag zur geschuldeten Landegebühr erhoben. Der Zuschlag richtet sich nach der Klasseneinteilung der Triebwerke und ist in Prozenten der gewichtsabhängigen Landegebühren wie folgt festgelegt: Emissionsklassen Zuschlag in % der gewichtsabhängigen Landgebühr Klasse I 40% Klasse II 20% Klasse III 10% Klasse IV 5% Klasse V Kein Zuschlag BGE 125 I 182 S. 184 Massgebend für die Zuteilung der Strahltriebwerke in die Emissionsklassen ist der Triebwerksemissionsfaktor TEF. Dieser ist der Quotient der Schadstoff-Fracht im Lande- und Startzyklus (LTO-Zyklus) geteilt durch den Triebwerkschub. Datengrundlage für die Schadstoff-Fracht sind die Emissionsdatenblätter der International Civil Aviation Organisation (ICAO). Die Klasseneinteilung ergibt sich aus Anhang IIa. Massgebend für die Zuteilung der Wellentriebwerke (Turbopropeller-, Kolbenmotoren- und Helikoptertriebwerke) in die Emissionsklassen ist der Triebwerksemissionsfaktor TEF. Dieser ist der Quotient der Schadstoff-Fracht im Lande- und Startzyklus (LTO-Zyklus) geteilt durch die Triebwerksleistung. Datengrundlage für die Schadstoff-Fracht sind die Emissionsdatenblätter der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) oder der Herstellerfirma. Die Klasseneinteilung ergibt sich aus Anhang IIb. Neue oder nachträglich umgerüstete Triebwerke, für die keine Emissionsdatenblätter vorliegen, werden bis zur entsprechenden Vorlage der Emissionsklasse III zugeteilt. Der Emissionszuschlag entfällt in denjenigen Fällen, in denen keine gewichtsabhängigen Landegebühren zu entrichten sind.» Schliesslich wurde durch eine Änderung von Art. 14 der Gebührenordnung die Transferpassagiergebühr reduziert. Die Änderung wurde auf den 1. September 1997 in Kraft gesetzt. Die Association du Transport Aérien International (IATA) erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss vom 20. August 1997 aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV). a) Die aus Art. 2 ÜbBest. BV abgeleitete derogatorische Kraft des Bundesrechts ist ein verfassungsmässiges Individualrecht ( BGE 123 I 221 E. II.3d S. 238, 313 E. 2b S. 317, mit Hinweisen). Der Einzelne kann sich gestützt darauf dagegen wehren, durch bundesrechtswidrige kantonale Erlasse beschwert zu werden. b) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften beim Erlass der neuen Gebührenordnung. BGE 125 I 182 S. 185 Das durchgeführte Vernehmlassungsverfahren habe entgegen der Vorschrift von Art. 35 Abs. 1 der Verordnung vom 23. November 1994 über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL; SR 748.131.1) nicht sechs, sondern nur knapp drei Monate gedauert; sodann sei die vorgesehene Änderung in Verletzung von Art. 35 Abs. 2 VIL nicht im Informationszirkular für die Luftfahrt (AIC) bekannt gegeben und die beschlossene Änderung entgegen Art. 34 VIL nicht im Luftfahrthandbuch (AIP) veröffentlicht worden. aa) Die Beschwerdeführerin rügt damit nicht einen inhaltlichen Widerspruch zwischen der angefochtenen kantonalen Regelung und dem Bundesrecht, sondern eine Verletzung spezieller bundesrechtlicher Verfahrens- und Publikationsvorschriften beim Erlass der angefochtenen Regelung. Darin liegt an sich keine Verletzung verfassungsmässiger Rechte, die mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden könnte. Jedenfalls führen aber solche Mängel nicht zu einer Bundesrechtswidrigkeit des streitigen Erlasses als solchen und damit nicht automatisch zu seiner Aufhebung, sondern, sofern der Mangel behebbar ist, allenfalls zu seiner einstweiligen Nichtanwendung, bis der entsprechende Mangel behoben ist (vgl. BGE 120 Ia 1 E. 4f S. 10). bb) Art. 35 Abs. 1 VIL lautet in deutscher Sprache: «Will der Flughafenhalter die Flughafengebühren ändern, so orientiert er sechs Monate vor dem Inkrafttreten der vorgesehenen Änderung das Bundesamt und hört die betroffenen Flughafenbenützer an». Grammatikalisch bezieht sich dabei die Frist von sechs Monaten nicht zwingend auf die Anhörung der Benützer. Dasselbe gilt für die italienische Fassung («Se l'esercente dell'aeroporto intende modificare le tariffe, ne informa sei mesi prima dell'entrata in vigore delle modifiche, l'ufficio e consulta gli utenti dell'aeroporto in questione»). Demgegenüber ergibt sich aus der französischen Version sprachlich eindeutig, dass auch die Anhörung der Benützer sechs Monate vor dem Inkrafttreten erfolgen muss («Lorsque l'exploitant de l'aéroport veut modifier les tarifs, il en informe l'office et consulte les usagers concernés six mois avant l'entrée an vigueur des modifications»). Indessen kann offen bleiben, welche Sprachversion zutreffend ist; selbst wenn die französische Fassung zu Grunde gelegt wird, erweist sich die Rüge der Beschwerdeführerin als unbegründet: Die Verordnung legt nämlich nicht fest, in welcher Form die Anhörung zu erfolgen hat. Auch aus der französischen Fassung ergibt sich sodann nicht, dass die Vernehmlassungsdauer sechs Monate betragen müsse, sondern nur, dass die Anhörung sechs Monate vor dem Inkrafttreten erfolgen müsse. BGE 125 I 182 S. 186 Vorliegend orientierte der Kanton bereits im September 1996 an einer Sitzung des Airline Operators Committee, welches die in Zürich vertretenen Luftfahrtgesellschaften umfasst, über die beabsichtigte Einführung einer Emissionsabgabe, wobei auch eine Diskussionsmöglichkeit bestand. Ferner wurde am 14. November 1996 im Informationszirkular für die Luftfahrt (AIC) auf die beabsichtigte Einführung von Emissionsabgaben auf dem Flughafen Zürich hingewiesen. Sodann wurde das Board of Airline Representatives in Switzerland an einer Sitzung vom 6. März 1997 über die vorgesehenen Emissionsabgaben informiert; vorgängig war eine Broschüre verteilt worden, welche das Gebührenkonzept detailliert vorstellte. Schliesslich wurde am 12. Mai 1997 das offizielle Vernehmlassungsverfahren eröffnet, an welchem sich unter anderem auch die Beschwerdeführerin mit einer Eingabe beteiligte. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, das durchgeführte Konsultationsverfahren habe die in der Verordnung festgelegten Anhörungsrechte der Interessierten verletzt. Dass der Regierungsrat schliesslich anders entschieden hat als von der Beschwerdeführerin beantragt, verletzt diese Rechte nicht. cc) Gemäss Art. 34 VIL lässt der Flughafenhalter die Flughafengebühren im Luftfahrthandbuch (AIP) veröffentlichen. Vorliegend erfolgte diese Veröffentlichung unbestritten in der AIP-Ausgabe vom 30. September 1997, mithin erst einen Monat nach Inkrafttreten. Es ist ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit, dass rechtsetzende Erlasse grundsätzlich vor ihrem Inkrafttreten publiziert werden müssen ( BGE 120 Ia 1 E. 4b S. 8; BGE 104 Ia 167 E. 2 S. 169 f.; vgl. Art. 6 Publikationsgesetz vom 21. März 1986, SR 170.512). Ausnahmsweise ist freilich eine rückwirkende Inkraftsetzung eines Erlasses zulässig, wenn die Rückwirkung ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, sie zudem zeitlich mässig und durch triftige Gründe gerechtfertigt ist, keine stossenden Rechtsungleichheiten zur Folge hat und keinen Eingriff in wohlerworbene Rechte darstellt ( BGE 122 V 405 E. 3b/aa S. 408; BGE 119 Ia 254 E. 3b S. 258). Vorliegend ergibt sich klar aus dem Text der angefochtenen Änderung, dass sie am 1. September 1997 in Kraft treten soll. Das ist eine zeitlich mässige Rückwirkung, die weder stossende Rechtsungleichheiten schafft noch in wohlerworbene Rechte eingreift. Fraglich könnte sein, ob sie aus triftigen Gründen erfolgt, kommt es doch für die Erreichung des Zwecks nicht wesentlich darauf an, ob die Regelung einen Monat früher oder später in Kraft tritt. Nachdem aber bereits in der AIC-Information vom 14. November 1996 darauf hingewiesen BGE 125 I 182 S. 187 worden war, dass die Regelung auf den 1. September 1997 in Kraft treten werde, den Interessierten der wesentliche Inhalt bereits vorgängig durch das Konsultationsverfahren bekannt war und die angefochtene Regelung zudem am 21. August 1997 im AIC publiziert wurde, kann vorliegend darauf verzichtet werden, insoweit die Beschwerde gutzuheissen, was ohnehin höchstens zur Folge haben könnte, dass das Inkrafttreten der angefochtenen Regelung um einen Monat hinausgeschoben würde (vgl. vorne E. 2b/aa). c) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 39 des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (LFG; SR 748.0) und Art. 32 VIL . aa) Gemäss Art. 39 Abs. 2 LFG (in der Fassung vom 18. Juni 1993, in Kraft seit 1. Januar 1995, AS 1994 3010) berücksichtigt der Flugplatzhalter bei der Gestaltung der Flugplatzgebühren auch die unterschiedliche Lärmerzeugung und Schadstoffemission der Luftfahrzeuge. Nach Art. 32 Abs. 2 VIL sind emissionsarme Luftfahrzeuge bevorzugt zu behandeln. Die angefochtene Regelung bezweckt gerade, diese Vorgabe zu erfüllen, was grundsätzlich nicht bundesrechtswidrig ist. Bundesrechtswidrig wäre im Gegenteil ein Gebührensystem, welches auf die Emissionen keine Rücksicht nimmt. bb) Die Beschwerdeführerin bringt freilich unter Hinweis auf die Botschaft zur Revision des Luftfahrtgesetzes (BBl 1992 I 607, 626) vor, die Einführung der emissionsabhängigen Gebühren stehe unter der Voraussetzung, dass entsprechende gesicherte Unterlagen bestehen und eine Abstufung notwendig sei. Es bestünden jedoch keine zuverlässigen Daten, welche die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Emissionsabgabe begründeten. Diese Rüge geht offensichtlich fehl. Art. 39 Abs. 2 LFG verlangt zwingend und sowohl für den Kanton Zürich als auch für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 113 Abs. 3 BV ) die Berücksichtigung der Schadstoffemissionen bei der Ausgestaltung der Gebühren, ohne dies an besondere Voraussetzungen zu knüpfen. Es versteht sich, dass die Ausgestaltung des emissionsabhängigen Gebührensystems sich soweit möglich auf wissenschaftliche Daten über die Schädlichkeit der Emissionen und die Wirksamkeit der Massnahmen abstützen soll. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass die emissionsabhängige Abstufung erst dann zulässig wäre, wenn diese Daten mit letzter wissenschaftlicher Genauigkeit und Zuverlässigkeit vorliegen, wäre doch sonst überhaupt nie eine emissionsabhängige Abgabe möglich. cc) Unverständlich ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die angefochtene Gebührenordnung bevorzuge in Widerspruch zu BGE 125 I 182 S. 188 Art. 32 VIL die emissionsarmen Flugzeuge nicht, da keine Rückerstattung vorgesehen sei. Durch die angefochtene Regelung wird die gesamte Landegebühr für die schadstoffärmsten Flugzeuge (Klasse V) um 5% reduziert, für die Klasse IV bleibt sie unverändert und für die übrigen Klassen wird sie abgestuft erhöht. Darin liegt gerade die von Art. 32 Abs. 2 VIL geforderte Bevorzugung der emissionsarmen Flugzeuge. dd) Dass es für einige Flugzeugtypen technisch nicht möglich ist, neue, emissionsarme Motoren zu verwenden, kann an der Zulässigkeit dieser Ordnung nichts ändern. Lenkungsabgaben bezwecken gerade, Anreize zu schaffen für technische Erneuerungen, die bisher nicht eingeführt wurden bzw. sonst möglicherweise nicht verwirklicht würden. Hinzu kommt, dass die angefochtene Regelung nicht die Einführung emissionsarmer Motoren vorschreibt, sondern diese bloss finanziell bevorzugt. Dass dadurch Fluggesellschaften bevorteilt werden, die bisher bereits solche Triebwerke verwendet haben, ist gerade der Sinn der angefochtenen Regelung. Es liegt in der Natur aller rechtlichen Vorschriften, dass sie diejenigen härter treffen, die sich bisher nicht schon so verhalten haben, wie die Regelung neu vorsieht. Daraus auf die Unzulässigkeit von Vorschriften zu schliessen, würde jede staatliche Gesetzgebung verunmöglichen. ee) Auf die im Zusammenhang damit vorgebrachte Rüge, die angefochtene Regelung sei diskriminierend bzw. fiskalisch motiviert, ist im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen einzugehen (E. 3b und 4h/i). d) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von eidgenössischem Umweltrecht; die Triebwerksemissionen von Flugzeugen seien durch die Verordnung vom 10. Januar 1996 über die Emissionen von Luftfahrzeugen (VEL; SR 748.215.3) festgelegt, welche auf Anhang 16 des Übereinkommens vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicago-Übereinkommen; SR 0.748.0; AS 1971 1305) verweise. Diese Emissionsbegrenzung genüge den Anforderungen von Art. 11 Abs. 2 des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01). Weitergehende Massnahmen dürften daher nur nach Massgabe von Art. 31 ff. der Luftreinhalteverordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1) eingeführt werden. Die Voraussetzungen dafür seien jedoch nicht erfüllt, da der Bundesrat die fraglichen Abgaben abgelehnt habe und die zürcherischen Behörden den Nachweis nicht erbracht hätten, dass die Immissionen übermässig seien. aa) Diese Rüge ist schon deshalb unbegründet, weil Art. 39 LFG , BGE 125 I 182 S. 189 welcher die emissionsabhängigen Flugplatzgebühren verbindlich vorschreibt, jünger ist als Art. 11 USG und dieser Bestimmung daher vorgeht. bb) Im Übrigen wären Art. 11 USG und Art. 31 ff. LRV offensichtlich nicht verletzt. Nach den von der Beschwerdeführerin nicht substantiiert bestrittenen Angaben des Beschwerdegegners sind im Gebiet des Flughafens Zürich die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid und Ozon überschritten (vgl. auch BGE 124 II 293 E. 22 und 24, S. 339 und 341). Die Emissionen müssen deshalb weiter reduziert werden (Art. 11 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 13, 14 und 44a USG ; Art. 31 ff. LRV ; BGE 124 II 75 E. 7b S. 83, 272 E. 4a S. 279, 293 E. 24 S. 341). Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat am 19. Juni 1996 einen Massnahmenplan im Sinne von Art. 31 ff. LRV erlassen, welcher unter anderem die Einführung der hier streitigen Abgaben vorsieht (vgl. BGE 124 II 293 E. 24a S. 342). Die Massnahmenpläne bedürfen keiner bundesrätlichen Genehmigung, weshalb es unerheblich ist, ob der Bundesrat die Abgabe ablehnt oder nicht. Auch ein Antrag an den Bundesrat nach Art. 34 Abs. 1 LRV ist nicht erforderlich, nachdem Art. 39 LFG die Einführung der emissionsbezogenen Gebühren dem Flugplatzhalter, vorliegend also dem Kanton Zürich, ausdrücklich zur Pflicht macht. Dass der Emissionszuschlag nur einen kleinen Teil der gesamten Luftverunreinigung zu beeinflussen vermag, stellt seine Rechtmässigkeit nicht in Frage, wäre doch sonst praktisch jede Umweltschutzmassnahme unzulässig. Es gibt kaum Massnahmen, die für sich allein einen wesentlichen Teil der Umweltbelastung vermeiden könnten. Das Ziel der Luftreinhaltung kann nur mit einer Kombination zahlreicher verschiedener Massnahmen erreicht werden, die je für sich nicht ausschlaggebend sind, aber gesamthaft die Immissionen auf das zulässige Mass zu reduzieren bezwecken (vgl. BGE 120 Ib 436 E. 2c/cc S. 445). cc) Unbehelflich ist die Kritik der Beschwerdeführerin, wonach die Ausgestaltung der streitigen Abgabendifferenzierung auch auf die Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) Bezug nehme, die Luftreinhalteverordnung aber dafür keine Immissionsgrenzwerte enthalte und es deshalb per definitionem keine übermässigen VOC-Immissionen im Sinne des Umweltrechts geben könne. Die unter anderem durch den Luftverkehr emittierten VOC sind zusammen mit Stickstoff Vorläuferstoffe für die Bildung von Ozon (vgl. Bundesamt für Zivilluftfahrt/Bundesamt für Militärflugplätze, Die Auswirkungen der Luftfahrt auf die Umwelt, Synthese, Mai 1993, S. 50 ff.; BGE 121 I 334 E. 11a S. 350), für welches die BGE 125 I 182 S. 190 Luftreinhalteverordnung Immissionsgrenzwerte festlegt (Anhang 7 LRV). Die Reduktion der VOC-Emissionen ist geeignet, die übermässige Ozonbelastung zu reduzieren. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Abstufung der Klassen auch auf die VOC-Emissionen Bezug nimmt. dd) Dass die auf VOC-Emissionen basierende Ausgestaltung der Landegebühr deshalb unzulässig sei, weil bereits Art. 35a USG eine Lenkungsabgabe auf VOC enthalte, ist unzutreffend: Die im Luftverkehr verwendeten Treibstoffe sind von dieser Lenkungsabgabe befreit ( Art. 35a Abs. 3 lit. a USG ). Auch gibt es für kantonale Lenkungsabgaben keine Art. 41ter Abs. 2 BV entsprechende Bestimmung, wonach eine Befreiung von bundesrechtlichen Abgaben eine gleichgeartete kantonale Abgabe unzulässig machen würde. ee) Die Rüge, die angefochtene Massnahme verstosse gegen Art. 11 Abs. 2 USG , weil sie technisch nicht möglich und wirtschaftlich nicht tragbar sei, stösst schon deshalb ins Leere, weil die vorliegend zum Tragen kommenden verschärften Emissionsbegrenzungen nach Art. 11 Abs. 3 USG über die in Art. 11 Abs. 2 enthaltenen Kriterien hinaus erfolgen müssen ( BGE 124 II 272 E. 3d/cc S. 278 f.; BGE 120 Ib 436 E. 3b S. 454; ANDRÉ SCHRADE/THEO LORETAN, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl. 1998, N. 43 und 43a zu Art. 11). ff) Schliesslich verstösst die Abgabe auch nicht gegen Art. 12 USG : Diese Bestimmung ist nur abschliessend für die direkt auf das Umweltschutzgesetz gestützten Massnahmen ( BGE 120 Ib 436 E. 2a/aa S. 440 f.), schliesst aber weitere, auf andere Bestimmungen gestützte Vorkehren nicht aus (vgl. BGE 123 I 175 E. 3f S. 190 f.; BGE 121 I 334 E. 4c und 7, S. 343 und 346; BGE 119 Ia 378 E. 9b S. 388 f.; SCHRADE/LORETAN, a.a.O., N. 10 zu Art. 12; THEO LORETAN, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl. 1998, N. 27 zu Art. 44a). 3. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Bestimmungen des Chicago-Übereinkommens und entsprechender Bestimmungen in bilateralen Luftverkehrsabkommen. a) Eine Beschwerde wegen Verletzung von Staatsvertragsrecht im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. c OG ist nur zulässig, wenn die staatsvertragliche Bestimmung, deren Verletzung gerügt wird, direkt anwendbar ist. Das ist dann der Fall, wenn die Norm inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheids zu bilden ( BGE 124 III 90 E. 3a S. 91; BGE 120 Ia 1 E. 5b S. 11; je mit Hinweisen). b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die emissionsabhängige Abgabe führe zu einer unzulässigen Diskriminierung. BGE 125 I 182 S. 191 aa) Nach Art. 15 Chicago-Übereinkommen muss jeder Flughafen, der den inländischen Luftfahrzeugen zur öffentlichen Benutzung offen steht, auch den Luftfahrzeugen aller anderen Vertragsstaaten unter einheitlichen Bedingungen offen stehen. Die Gebühren, die für die Benutzung der Flughäfen auferlegt werden, dürfen für Luftfahrzeuge, die im internationalen Fluglinienverkehr eingesetzt sind, nicht höher sein als die Gebühren für entsprechende inländische Luftfahrzeuge. Diese Bestimmung ist hinreichend klar, um direkt angewendet zu werden, räumt sie doch einen Rechtsanspruch auf diskriminierungsfreie Behandlung ein (vgl. BGE 118 Ib 367 E. 6 S. 377; 112 Ib 183 E. 3). Auf die Rüge ist daher einzutreten. bb) Die angefochtene Regelung behandelt sämtliche Luftfahrtgesellschaften gleich. Eine rechtliche Diskriminierung liegt klarerweise nicht vor. cc) Eine Regelung, welche rechtlich unterschiedslos gilt, kann unter Umständen eine unzulässige faktische Diskriminierung darstellen, wenn sie im Ergebnis ausländische Unternehmen benachteiligt, ohne dass sich das durch einen sachlichen Grund rechtfertigen lässt (vgl. im Bereich technischer Handelshemmnisse BGE 118 Ib 367 E. 6b S. 378). Das kann auch bei ökologisch motivierten Abgaben der Fall sein (OLE KRISTIAN FAUCHALD, Environmental Taxes and Trade Discrimination, London 1998, S. 215 ff.). Eine Diskriminierung liegt jedoch nicht immer schon dann vor, wenn verschiedene Rechtsunterworfene durch eine bestimmte staatliche Massnahme faktisch unterschiedlich betroffen werden, müsste doch sonst praktisch jede Rechtsvorschrift als diskriminierend betrachtet werden (vgl. BGE 118 Ib 367 E. 6b S. 379; BGE 112 Ib 183 E. 3b). dd) Art. 15 des Chicago-Übereinkommens bezweckt, Diskriminierungen zwischen in- und ausländischen Luftfahrtunternehmen zu verhindern (vgl. Günter Heuberger, Die Luftverkehrsabkommen der Schweiz, Diss. Zürich 1992, S. 488). Dasselbe gilt für die in verschiedenen bilateralen Luftverkehrsabkommen enthaltenen Diskriminierungsverbote. Die Beschwerdeführerin macht indessen nicht geltend, durch die angefochtene Regelung würden spezifisch schweizerische Unternehmen gegenüber ausländischen bevorzugt. Sie räumt im Gegenteil ein, dass auch die grösste schweizerische Luftfahrtgesellschaft Emissionsabgaben zu bezahlen hat und dass praktisch alle Gesellschaften von der Abgabe betroffen sind. Sie weist bloss generell darauf hin, kleinere oder finanzschwächere Gesellschaften würden durch die angefochtene Regelung benachteiligt oder könnten Zürich nicht mehr anfliegen, da nur grosse und BGE 125 I 182 S. 192 wirtschaftlich starke Luftfahrtgesellschaften in der Lage seien, ihre Flotte den neuen Abgaben anzupassen. Art. 15 des Chicago-Übereinkommens bezweckt indessen nicht den Schutz von kleineren gegenüber grösseren Unternehmen. Dass sich Abgaben für unterschiedliche Rechtsunterworfene je nach deren wirtschaftlicher Stärke unterschiedlich auswirken, liegt in ihrer Natur und stellt keine unzulässige Diskriminierung dar. Der Emissionszuschlag kann somit nicht als diskriminierend betrachtet werden. c) Die Beschwerdeführerin rügt, die angefochtene Regelung widerspreche den Empfehlungen des Rates der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). aa) Gemäss Art. 54 lit. l Chicago-Übereinkommen kann der Rat der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO-Rat) gemäss den Bestimmungen des Kapitels VI dieses Übereinkommens internationale Normen und Empfehlungen annehmen. Von diesen Normen kann freilich gemäss Art. 38 Chicago-Übereinkommen mindestens im Sinne einer Verschärfung abgewichen werden (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 3. September 1986 i.S. B., E. 2b; VPB 44.127 S. 595 f.; WERNER GULDIMANN, Luftverkehrspolitik, Zürich 1996, S. 66; PETER BALTENSPERGER, Untersuchung der luft- und verkehrspolizeilichen Befugnisse des Flughafenhalters, Diss. Basel 1984, S. 46). Das gilt umso mehr für die Empfehlungen, die schon grundsätzlich nicht rechtlich verbindlich sind (zit. Urteil vom 3. September 1986, E. 2b). Ihre Missachtung kann von vornherein keinen Verstoss gegen Völkerrecht im Sinne von Art. 113 Abs. 1 Ziff. 3 BV bzw. Art. 84 Abs. 1 lit. c OG darstellen. bb) Die von der Beschwerdeführerin zitierte «Council Resolution on Environmental Charges and Taxes» vom 9. Dezember 1996 enthält Empfehlungen über Umweltabgaben, aber keine Normen, wozu übrigens der ICAO-Rat auf Grund von Art. 37 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 54 lit. l Chicago-Übereinkommen kaum zuständig wäre. Es erübrigt sich daher, die Vereinbarkeit der angefochtenen Regelung mit dieser Resolution zu prüfen. d) Die Beschwerdeführerin leitet aus Art. 15 des Chicago-Über einkommens ab, die Emissionsabgaben müssten einen Bezug zu den durch die Emission verursachten Kosten haben, was vorliegend nicht erstellt sei. Auf diese Rüge kann im Zusammenhang mit dem gebührenrechtlichen Kostendeckungsprinzip eingegangen werden (hinten E. 4h/i). Weitergehende Anforderungen an das Kostendeckungsprinzip ergeben sich aus dem Chicago-Übereinkommen jedenfalls nicht. BGE 125 I 182 S. 193 e) Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich eine Verletzung von Anhang 16 des Chicago-Übereinkommens. Dieser Anhang lege Standards und Prüfverfahren für Triebwerksemissionen fest. Die angefochtene Regelung verletze diesen Anhang, da sie andere Werte festlege. Es kann offen bleiben, ob Anhang 16 überhaupt unmittelbar anwendbar ist, denn die angefochtene Regelung steht offensichtlich nicht im Widerspruch dazu, selbst wenn - was übrigens fraglich erscheint (vgl. GULDIMANN, a.a.O., S. 66) - strengere Vorschriften unzulässig sein sollten. Sie schreibt nämlich nicht verbindlich tiefere Emissionsgrenzwerte vor. Die polizeirechtliche Festlegung bestimmter Grenzwerte schliesst nicht aus, dass freiwillige zusätzliche Massnahmen zur Emissionsreduktion finanziell gefördert werden und dass dazu auf andere Kriterien abgestellt wird als auf die polizeirechtlich massgebenden. Wie die Beschwerdeführerin selber vorbringt, gibt es bisher keine ICAO-Normen als Grundlage für die Bemessung von Emissionsabgaben. Die angefochtene Regelung kann daher auch keine solchen Normen verletzen. 4. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Gewaltentrennung bzw. des Legalitätsprinzips im Abgaberecht. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedürfen öffentliche Abgaben der Grundlage in einem formellen Gesetz. Delegiert das Gesetz die Kompetenz zur rechtssatzmässigen Festlegung einer Abgabe an den Verordnungsgeber, so muss es zumindest den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand und die Bemessungsgrundlagen selber festlegen ( BGE 124 I 247 E. 3 S. 249, mit Hinweisen). Diese Anforderungen können, was die Vorgaben über die Abgabenbemessung betrifft, für gewisse Arten von Kausalabgaben gelockert werden, wenn das Mass der Abgabe durch überprüfbare verfassungsrechtliche Prinzipien (Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip) begrenzt wird ( BGE 124 I 11 E. 6a S. 19; BGE 123 I 248 E. 2 S. 249, 254 E. 2a S. 255; je mit Hinweisen). Das gilt insbesondere für kostenabhängige Benützungsgebühren, zumal wenn die vom Staat erbrachte Leistung einen Handelswert aufweist ( BGE 121 I 230 E. 3e S. 236 und E. 3g/aa S. 238). Die Anforderungen, die an die gesetzliche Grundlage gestellt werden, sind nach der Natur der in Frage stehenden Leistung zu differenzieren ( BGE 121 I 230 E. 3g/aa S. 238, mit Hinweisen). Sie sind namentlich dann geringer, wenn die Abgabe ein Entgelt für die freiwillige und kommerzielle Benützung einer Einrichtung darstellt, welche nach marktwirtschaftlichen Prinzipien reguliert wird ( BGE 122 I 279 E. 6c S. 289 f.; BGE 121 I 230 E. 3g/dd S. 239). BGE 125 I 182 S. 194 b) Die Landegebühr wird gemäss den Art. 4 ff. der Gebührenordnung erhoben für den Anflug mit nachfolgender Landung eines Luftfahrzeuges auf dem Flughafen Zürich. Es handelt sich demnach um eine Abgabe, welche der Flugzeughalter für die Benützung des Flughafens bezahlt, mithin um eine Benützungsgebühr (REGULA DETTLING-OTT, Zulassungszwang auf schweizerischen Flughäfen, Bulletin der Schweizerischen Vereinigung für Luftrecht 2-1992, S. 1-50, 12; HEUBERGER, a.a.O., S. 487 f.; TOBIAS JAAG, Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, Zürich 1997, S. 193). Die Beschwerdeführerin stellt selber die Landegebühr als solche nicht in Frage und bestreitet ihren Charakter als Benützungsgebühr nicht grundsätzlich. Sie kritisiert einzig den Emissionszuschlag: Dieser stelle eine Lenkungssteuer dar. Er verfolge einen fiskalischen Zweck und entspreche weder einer Gegenleistung des Flughafens noch den Massnahmen, die flughafenseitig zur Reduktion der Luftverunreinigung getroffen würden. Er müsse deshalb in Bezug auf die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage den steuerrechtlichen Grundsätzen genügen. c) Unstreitig verfolgt der Emissionszuschlag einen Lenkungszweck. Das schliesst indessen seine Charakterisierung als Benützungsgebühr nicht aus. In der Lehre werden die Lenkungsabgaben unterteilt in Lenkungssteuern, Lenkungskausalabgaben und reine Lenkungsabgaben (MICHAEL BEUSCH, Lenkungsabgaben im Strassenverkehr. Eine rechtliche Beurteilung der Möglichkeiten zur Internalisierung externer Umweltkosten, Diss. Zürich 1999, S. 102 f.; TOBIAS JAAG/HELEN KELLER, Zur Verfassungsmässigkeit einer Energieabgabe, URP 1998, S. 319-363, 327 f.; XAVIER OBERSON, Droit fiscal suisse, Basel 1998, S. 7 f.; HANSJÖRG SEILER, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, 2. Aufl. 1999, N. 13 Vorbemerkungen zu Art. 35a-35c; KLAUS A. VALLENDER/RETO MORELL, Umweltrecht, Bern 1997, S. 168 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist für die Qualifizierung einer Abgabe nicht auf ihren Zweck, sondern auf ihre Natur abzustellen. Die Lenkungsabsicht ist dafür nicht ausschlaggebend. Sowohl Steuern als auch Kausalabgaben können eine Lenkungskomponente haben (vgl. BGE 122 I 279 E. 2d S. 285; BGE 101 Ia 182 E. 2 S. 185). So mag beispielsweise die gewichts- oder mengenabhängige Kehrichtgebühr auch eine Reduktion der Abfallmenge bezwecken, was aber an ihrer Rechtsnatur als Gebühr nichts ändert (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 28. Januar 1998 i.S. F., E. 2; Xavier Oberson, Les taxes écologiques et le partage des compétences de leur mise en oeuvre entre la Confédération et les cantons, ASA 60 S. 225-244, 233 f.). BGE 125 I 182 S. 195 d) Dementsprechend sind auch die verfassungsmässigen Grundsätze des Abgaberechts für Lenkungsabgaben differenziert anzuwenden: Für Lenkungssteuern gelten die steuerrechtlichen Grundsätze, für Lenkungskausalabgaben die kausalabgaberechtlichen (SEILER, a.a.O., N. 24 Vorbemerkungen zu Art. 35a-35c). Auch wenn der angefochtene Emissionszuschlag einen Lenkungszweck verfolgt, können daher die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage, wie vorne (E. 4a) ausgeführt, gelockert werden, soweit die Gebühr als kostenabhängige Benützungsgebühr ausgestaltet ist und das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip eingehalten sind. Zwar gilt das Kostendeckungsprinzip grundsätzlich nicht für Lenkungsabgaben ( BGE 121 I 230 E. 3e S. 236; RDAF 1993 346, E. 2d). Das schliesst jedoch nicht aus, dass eine Lenkungskausalabgabe trotzdem das Kostendeckungsprinzip einhält und alsdann die Anforderungen an die gesetzliche Grundlage wie für andere Kausalabgaben gesenkt werden können. e) Der Emissionszuschlag hat, wie die Landegebühr überhaupt, keine formellgesetzliche Grundlage im kantonalen Recht. Eine solche Grundlage kann jedoch im Bundesrecht erblickt werden: Nach Art. 39 Abs. 1 LFG hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt die Aufsicht über die von den öffentlichen Flugplätzen erhobenen Benützungsgebühren. Damit legt das Bundesgesetz zwar nicht ausdrücklich eine Gebührenpflicht fest, aber es geht implizit davon aus, dass Flughafengebühren erhoben werden (vgl. auch BGE 109 Ib 308 E. 6b S. 316). Dasselbe ergibt sich auch aus dem internationalen Recht (Art. 15 Chicago-Übereinkommen). Nach Art. 19 Abs. 1 lit. b VIL enthält sodann die Flugplatzbetriebskonzession das Recht, Flughafengebühren festzusetzen, und die Art. 32-35 VIL enthalten weitere Vorschriften über die Flughafengebühren. f) Diese gesetzlichen Grundlagen sind angesichts der Natur der in Frage stehenden Gebühren ausreichend: Die Flughafengebühr ist ein Entgelt für die freiwillige und kommerzielle Inanspruchnahme einer kostspieligen Infrastruktur. Es versteht sich von selbst, dass ein Flughafenhalter diese Infrastruktur nicht unentgeltlich zur Verfügung stellt. Dass vorliegend der Flughafen von einem Kanton betrieben wird, kann daran nichts ändern. Das gilt umso mehr, als der Flugplatz zu einem erheblichen Teil von Unternehmen benutzt wird, die nicht im Kanton Zürich ihren Sitz haben und deshalb auch nicht mit ihren Steuern zur Finanzierung des Flughafens beitragen. Der Verzicht auf die Erhebung von Flugplatzgebühren käme der Subventionierung einer kommerziellen Tätigkeit kantonsfremder Unternehmen BGE 125 I 182 S. 196 gleich, wofür keine gesetzliche Grundlage bestünde. Die Landegebühr hat somit jedenfalls eine hinreichende gesetzliche Grundlage, soweit sie als kostenabhängige Benützungsgebühr ausgestaltet ist. g) Das gilt prinzipiell auch für den Emissionszuschlag, denn dieser ist dem Grundsatz nach in Art. 39 Abs. 2 LFG auf formellgesetzlicher Ebene festgelegt. Fraglich könnte höchstens sein, ob die konkrete zürcherische Ausgestaltung des Zuschlags unzulässig ist, weil sie das Kostendeckungs- oder Äquivalenzprinzip verletzt und der Gebühr den Charakter einer kostenabhängigen Benützungsgebühr nimmt. h) Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, der Ertrag der gesamten Flugplatzbenützungsgebühr diene fiskalischen Zwecken oder werde als allgemeine Einnahme des Kantons verwendet. Sie bringt bloss vor, der Ertrag des Emissionszuschlags werde nicht ausschliesslich für Massnahmen verwendet, die der Reduktion der Luftbelastung dienen. Das wird jedoch durch das Kostendeckungsprinzip nicht verlangt. Dieses bedeutet nicht, dass in jedem Einzelfall die Gebühr für eine bestimmte Tätigkeit genau den dadurch verursachten Kosten entspricht, sondern bloss, dass die Gesamteingänge an Kausalabgaben den Gesamtaufwand für den betreffenden Verwaltungszweig nicht oder nur geringfügig überschreiten dürfen, wobei auch angemessene Abschreibungen und Rückstellungen zu berücksichtigen sind ( BGE 124 I 11 E. 6c S. 20; BGE 121 I 230 E. 3f S. 236 f.; BGE 120 Ia 171 E. 2a S. 174; je mit Hinweisen). Vorliegend verlangt das Kostendeckungsprinzip somit nicht, dass die für die einzelne Flugzeuglandung erhobene Gebühr genau die dadurch verursachten Kosten deckt. Es ist vielmehr eingehalten, wenn die Gesamteinnahmen aus den Flugplatzgebühren die Kosten, die dem Kanton aus dem Flugplatzbetrieb anfallen, nicht überschreiten. Diese Gesamtsumme muss alsdann nach einem bestimmten Verteilschlüssel auf die einzelnen Gebührenpflichtigen aufgeteilt werden. Diese Aufteilung liegt innert gewisser verfassungsmässiger Schranken - namentlich des Äquivalenzprinzips - weitgehend im Ermessen der zuständigen Behörden. Verfassungsrechtlich sind im Interesse der Praktikabilität auch Schematisierungen und Pauschalierungen zulässig ( BGE 124 I 193 E. 3e S. 197; BGE 120 Ia 171 E. 2a S. 174; BGE 109 Ia 325 E. 5 S. 329; Urteil des Bundesgerichts vom 28. Oktober 1996 i.S. C., URP 1997 39, E. 4a). Für die Aufteilung der gesamten Landegebühren auf die einzelnen Landungen sind verschiedene Kriterien denkbar. Ursprünglich bemass sich die Gebühr einzig nach Abfluggewicht. Auch dieses steht nicht in direktem Zusammenhang BGE 125 I 182 S. 197 mit den durch die einzelne Landung verursachten Kosten, sondern ist einfach einer neben mehreren denkbaren Zurechnungsgesichtspunkten. Später wurde dieses Kriterium ergänzt durch dasjenige der Lärmbelastung und jetzt durch das weitere Kriterium der verursachten Emissionen. Diese Kriterien sind nicht weniger sachlich haltbar als dasjenige des Abfluggewichts. Der Emissionszuschlag ist nicht eine besondere Abgabe, sondern ein Kriterium neben andern für die Bemessung der gesamten Landegebühr. i) In diesem Lichte trifft die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu, der Ertrag des Emissionszuschlags dürfe ausschliesslich zur Deckung von Luftreinhaltemassnahmen im Zusammenhang mit Emissionen des Flugbetriebs verwendet werden. Auch die gewichtsabhängige Komponente der Flugplatzgebühr wird nicht nur verwendet zur Finanzierung von Aufgaben, die einen direkten Bezug zum Abfluggewicht haben. Sie dient vielmehr der Finanzierung der gesamten Aufwendungen, mit Einschluss derjenigen, die nicht vom Abfluggewicht abhängig sind. Wenn nun die Gebühr nicht mehr wie früher einzig nach dem Kriterium des Gewichts, sondern auch nach der Umweltbelastung bemessen wird, ist nicht einzusehen, weshalb der entsprechende Anteil der Abgabe ausschliesslich für umweltbezogene Aufgaben verwendet werden dürfte. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin darüber, dass der Ertrag des Emissionszuschlags nicht ausschliesslich zur Finanzierung von Luftreinhaltemassnahmen verwendet werde, sind deshalb nicht erheblich. Dass die Landegebühr als Gesamtes das Kostendeckungsprinzip verletze und ihr Ertrag fiskalisch verwendet werde, wird nicht geltend gemacht. Der blosse Umstand, dass der Kanton allenfalls eine Erhöhung der Gebühren ins Auge fasst, verletzt jedenfalls das Kostendeckungsprinzip nicht. Gesamthaft erweist sich damit die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage als unbegründet. 5. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit. a) Damit sie zu dieser Rüge überhaupt legitimiert ist, muss die Mehrzahl oder doch eine Grosszahl ihrer Mitglieder zur entsprechenden Rüge befugt sein (vorne E. 1b/bb). Weitaus die meisten Mitglieder der Beschwerdeführerin sind Gesellschaften mit Sitz im Ausland, so dass sich die Frage stellt, ob ausländische juristische Personen sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen können. Das Bundesgericht hatte diese Frage in neuerer Zeit noch nie zu beantworten (vgl. René Rhinow, Kommentar BV, Rz. 99 zu BGE 125 I 182 S. 198 Art. 31). Nach der Rechtsprechung können sich ausländische natürliche Personen auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, soweit sie fremdenpolizeilich uneingeschränkt auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt zugelassen sind, das heisst wenn sie eine Niederlassungsbewilligung besitzen oder gestützt auf Art. 7 ANAG oder allenfalls einen Staatsvertrag einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung haben ( BGE 123 I 19 E. 2, 212 E. 2, je mit Hinweisen ; 47 I 45 E. 2 S. 50 f.). Ein Teil der Lehre möchte diese Praxis auf ausländische juristische Personen analog anwenden; diese könnten sich demnach auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen, soweit sie nicht fremdenpolizeilichen Einschränkungen unterworfen sind, bzw. soweit sie einen Rechtsanspruch darauf haben, in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit auszuüben (LEO SCHÜRMANN, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3. Aufl., Bern 1994, S. 37 f.). Andere Autoren vertreten hingegen die Ansicht, ausländische juristische Personen könnten nicht Träger der Handels- und Gewerbefreiheit sein (ETIENNE GRISEL, Liberté du commerce et de l'industrie. Volume I, Bern 1993, S. 154; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts. Bd. 2, Grundrechte, Zürich 1982, S. 40, 132; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel 1998, S. 109). Die Frage kann vorliegend offen bleiben, da sich die Rüge der Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit ohnehin als unbegründet erweist. b) Zunächst ist fraglich, ob überhaupt eine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit vorliegt. Lenkungsabgaben sind kein Verbot: Die mit der Abgabe belastete Tätigkeit bleibt rechtlich zulässig. Insoweit die Lenkungsabgabe eine Steuerung des Wirtschaftsgeschehens bezweckt oder bewirkt, kann sie allerdings faktische Auswirkungen auf die Ausübung der Handels- und Gewerbefreiheit haben. Nicht jede staatliche Massnahme, die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit hat, stellt jedoch eine Einschränkung dieses Grundrechts dar (BEUSCH, a.a.O., S. 188 ff.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind faktische Auswirkungen staatlicher Massnahmen nur zurückhaltend als Grundrechtsbeeinträchtigung zu qualifizieren, um eine Ausuferung des Grundrechtsschutzes zu vermeiden (vgl. BEUSCH, a.a.O., S. 186, 190). So wurden Steuern mit Lenkungszweck, die bloss indirekt die Entwicklungsmöglichkeiten eines Gewerbes begrenzen können, vom Bundesgericht bisher nicht unter dem Aspekt von Art. 31 BV geprüft ( BGE 101 Ia 269 E. 8b S. 280). Dasselbe gilt für allgemeine Steuern, selbst wenn sie eine Erschwerung des Konkurrenzkampfs zur Folge BGE 125 I 182 S. 199 haben ( BGE 99 Ia 638 E. 6 S. 647). Unzulässig sind besondere Gewerbesteuern, wenn sie prohibitiv sind ( BGE 114 Ib 17 E. 5a S. 23; Pra 1998 130 713, E. 3e/bb). Desgleichen können Lenkungsabgaben eine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit darstellen, wenn die Abgabe so hoch ist, dass die betreffende Tätigkeit nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann (vgl. BGE 118 Ib 241 E. 5 S. 249; BEUSCH, a.a.O., S. 197), oder wenn sie eine eigentliche wirtschaftspolitische Zielsetzung hat (XAVIER OBERSON, Les taxes d'orientation, Diss. Genf 1990, S. 238 ff.). Hingegen stellt die Erhebung von Verwaltungs- oder Benützungsgebühren im Rahmen des Kostendeckungsprinzips keine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit dar (vgl. BGE 87 I 29 E. 3 S. 30 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 14. November 1991, publiziert in RDAT 1992 II 26 58, E. 6; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Nachtrag bis 1994, Basel 1995, Bd. II, S. 884 Rz. 1944; OBERSON, a.a.O., S. 229 f.; RHINOW, a.a.O., Rz. 217 zu Art. 31). Demnach ist auch eine kostenabhängige Lenkungskausalabgabe keine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit. Hinzu kommt, dass die Handels- und Gewerbefreiheit keinen Anspruch auf Benützung eines Flughafens für die kommerzielle Nutzung gibt ( BGE 117 Ib 387 E. 6c/bb S. 394 f.; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., S. 102). Auch deshalb stellen Abgaben, welche diese Benützung wirtschaftlich erschweren, keine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit dar. c) Selbst wenn die Abgabe im Hinblick auf ihren Lenkungszweck eine Einschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit wäre, könnte sie nicht als unzulässig betrachtet werden: Solche Einschränkungen sind erlaubt, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig und rechtsgleich sind und keine wirtschaftspolitische Zielsetzung haben ( BGE 123 I 212 E. 3a S. 217, 259 E. 2b S. 260, mit Hinweisen). Eine genügende gesetzliche Grundlage liegt vor (vorne E. 4). Die Massnahme verfolgt ein schutzwürdiges öffentliches Interesse, ist sie doch durch Bundesgesetz verbindlich vorgeschrieben. Zudem sind polizeilich oder umweltpolitisch motivierte Massnahmen grundsätzlich mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar ( BGE 123 I 212 E. 3a S. 217). Dass sie - wie praktisch jede staatliche Massnahme - gewisse Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit haben, macht sie nicht zu einer unzulässigen wirtschaftspolitischen Massnahme (ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Aufl., Zürich 1998, S. 473 f., Rz. 1411); Lenkungsabgaben BGE 125 I 182 S. 200 führen im Gegenteil idealtypisch zu einer Verbesserung der Wettbewerbssituation, indem sie durch Internalisierung externalisierter Kosten Wettbewerbsverzerrungen ausgleichen (BEUSCH, a.a.O., S. 7 ff., 156; SEILER, a.a.O., N. 28 zu Art. 35a). d) Die Beschwerdeführerin erachtet den Emissionszuschlag als unverhältnismässig, da er nicht geeignet sei, den angestrebten Zweck zu erreichen. Sie bringt indessen selber vor, gewisse Luftfahrtgesellschaften könnten infolge der Abgabe den Flughafen Zürich nicht mehr anfliegen; sie räumt damit ein, dass die Abgabe durchaus eine Wirkung haben kann. Dass dadurch weltweit gesehen die Schadstoffemissionen nur unwesentlich beeinflusst werden können, ist nicht erheblich: Der Emissionszuschlag hat in erster Linie zum Zweck, die übermässigen Immissionen im Raum Zürich zu reduzieren. In Bezug auf das Verhältnismässigkeitsprinzip im engeren Sinne ist zu bemerken, dass die angefochtene Regelung nicht zwingend die Einführung schadstoffarmer Triebwerke verlangt. Der Halter kann auf eine Umrüstung verzichten, wenn es für ihn wirtschaftlich vorteilhafter ist, die Abgabe zu bezahlen. e) Der Emissionszuschlag stellt auch keine Ungleichbehandlung der Gewerbegenossen dar. Nach dem aus Art. 31 BV abgeleiteten Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen sind Massnahmen unzulässig, welche den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren bzw. nicht wettbewerbsneutral sind ( BGE 121 I 129 E. 3b S. 132, 279 E. 4a S. 285). Der Staat darf insbesondere nicht bei der Benutzung öffentlichen Grundes oder öffentlicher Einrichtungen einzelnen Gewerbetreibenden gegenüber ihren Konkurrenten ungerechtfertigte wirtschaftliche Vorteile verschaffen ( BGE 121 I 129 E. 3d S. 135, 279 E. 6b S. 287) oder aus wirtschaftspolitischen Gründen unternehmerische Entscheide der einzelnen Gewerbetreibenden beeinflussen ( BGE 121 I 129 E. 4b S. 137). Hingegen stellen Abgaben, die von allen Marktteilnehmern gleichermassen erhoben werden, grundsätzlich keine Ungleichbehandlung der Gewerbegenossen dar (vgl. Pra 1998 130 713, E. 3e/cc). Desgleichen sind polizeilich oder umweltpolitisch gerechtfertigte Massnahmen im Lichte von Art. 31 BV zulässig, auch wenn sie dazu führen, dass die Marktteilnehmer dadurch nach Massgabe ihrer unterschiedlichen Umweltbelastung unterschiedlich belastet werden. Art. 31 BV garantiert nicht eine absolute faktische Gleichbehandlung oder Chancengleichheit der Konkurrenten ( BGE 121 I 129 E. 3d S. 135; Pra 1998 1 1, E. 1b/cc). BGE 125 I 182 S. 201 Die vorliegend streitige Gebühr wird von allen Luftfahrtgesellschaften nach den gleichen Grundsätzen erhoben. Im Unterschied zu der in BGE 121 I 129 zu beurteilenden Abgabedifferenzierung bezweckt sie nicht, zwecks Lenkung des Wirtschaftsgeschehens unternehmerische Entscheide zu beeinflussen, die nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten den einzelnen Unternehmen zustehen sollen, sondern sie bezweckt den Schutz von Umweltgütern, die gerade keinen Marktwert haben und deshalb in marktwirtschaftlich orientierten unternehmerischen Entscheiden sonst nicht berücksichtigt werden. Dass sich die Abgabe für verschiedene Wirtschaftssubjekte je nach der durch sie verursachten Umweltbeeinträchtigung unterschiedlich auswirkt, stellt keine unzulässige Ungleichbehandlung dar, sondern ist gerade der legitime Zweck der Massnahme. f) Die Handels- und Gewerbefreiheit wird somit durch die angefochtene Emissionsabgabe nicht verletzt. 6. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots, indem die Emissionsabgabe nicht nach der effektiv emittierten Menge von Schadstoffen berechnet werde. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine gewisse Schematisierung und Pauschalierung von Abgaben zulässig, insbesondere unter Berücksichtigung des zur Erhebung erforderlichen Verwaltungsaufwandes (vorne E. 4h). Der Emissionszuschlag ist als Zuschlag zur gewichtsabhängigen Gebühr ausgestaltet. Das entspricht den Anforderungen der Praktikabilität und kann auch nicht als sachfremd betrachtet werden. Wohl mag es - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - zur Folge haben, dass zwei Flugzeuge mit gleichem Triebwerk unterschiedliche Abgaben bezahlen, weil sie ein unterschiedliches Abfluggewicht aufweisen. Das kann jedoch nicht als Verletzung der Rechtsgleichheit betrachtet werden, zumal die Triebwerksemission nicht nur vom Triebwerktyp, sondern auch vom Abfluggewicht abhängig ist. Aus dem gleichen Grund ist es auch sachgerecht, dass für unterschiedlich eingestufte Flugzeuge auf Grund des unterschiedlichen Abfluggewichts unter Umständen eine gleich hohe Abgabe zu bezahlen ist. Im Übrigen hätte der von der Beschwerdeführerin angestrebte Verzicht auf den Emissionszuschlag erst recht zur Folge, dass die Gebühr nicht proportional zu den effektiven Emissionen ist. Gleiches trifft zu hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin beanstandeten Reduktion des Emissionszuschlags um 50% für Inlandflüge. Diese ist ein blosser Reflex der auch für die gewichtsabhängige Gebühr geltenden Reduktion (Art. 6 BGE 125 I 182 S. 202 der Gebührenordnung), deren Rechtmässigkeit die Beschwerdeführerin nicht in Frage stellt. b) Dass schliesslich diejenigen Triebwerke, für die noch keine Emissionsdatenblätter vorliegen, in die mittlere Klasse eingestuft werden, kann ebenfalls nicht als sachwidrig oder rechtsungleich betrachtet werden. Es ist dem Inhaber des Flugzeugs unbenommen, die entsprechenden Datenblätter beizubringen, wenn er eine Einstufung in die Klassen IV oder V anstrebt. c) Die Rüge der Willkür hat neben den bereits behandelten Aspekten keine selbständige Bedeutung mehr. 7. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG ). Eine Parteientschädigung an den obsiegenden Kanton wird nicht ausgerichtet ( Art. 159 Abs. 2 OG , analog), obschon er im bundesgerichtlichen Verfahren durch einen Anwalt vertreten wird. Eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigt sich nur bei kleineren und mittleren Gemeinwesen, die über keinen Rechtsdienst verfügen und daher auf einen Anwalt angewiesen sind. Bei einem Kanton ist das in der Regel - und so auch hier - nicht der Fall (vgl. dazu näher JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Vol. V, Bern 1992, Art. 159 N. 3, S. 161 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 29. Januar 1996 i.S. W., publiziert in ZBl 98/1997 S. 210, E. 6).
public_law
nan
de
1,999
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
11f338e8-5830-41b8-9801-d3ea6b5f82f0
Urteilskopf 80 IV 109 20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Juni 1954 i.S. Hinden gegen Wachter.
Regeste Art. 173 StGB . Nach der neuen Fassung dieser Bestimmung ist die Wahrung öffentlicher oder berechtigter privater Interessen nicht mehr an sich Rechtfertigungsgrund. Nichtzulassung des Beweises nach Art. 173 Ziff. 2 wegen Handelns mit Schädigungsabsicht.
Sachverhalt ab Seite 109 BGE 80 IV 109 S. 109 Die Eheleute Ernst und Olga Hinden-Nater haben seit langem mit ihren Nachbarn, den Eheleuten Theodor und Rosa Wachter-Hemmer, deren Sohn René Wachter und dem Schwiegersohne der Frau Wachter, BGE 80 IV 109 S. 110 Justin Comte, Streit. Ein Strafverfahren vor dem Strafgericht des Kantons Basel-Land, in dem alle sechs Genannten der Körperverletzung beschuldigt waren, endete am 10. Juli 1952 damit, dass die Parteien gegenseitig ihre Strafanträge zurückzogen. Im Vergleich verpflichtete sich Theodor Wachter, Olga Hinden Fr. 60.- zu bezahlen. Justin Comte versprach dem Ernst Hinden Fr. 20.-. Alle Beteiligten erklärten, inskünftig einander in Ruhe lassen zu wollen. Am 4. August 1952 setzte B., der Vertreter der Eheleute Hinden, dem Theodor Wachter und dem Justin Comte durch Schreiben an ihren Anwalt Frist bis 10. August 1952, um die versprochenen Beträge zu bezahlen. Am 6. August 1952 um 20.15 Uhr wurde René Wachter beim Vertreter der Eheleute Hinden wegen dieser Fristansetzung telephonisch vorstellig. Da der Angerufene das Gespräch vorzeitig abbrach, schrieb ihm René Wachter noch am gleichen Abend in gereiztem Tone einen Brief. B. beantwortete ihn am 9. August 1952, indem er René Wachter ungehöriges Vorgehen vorwarf und erklärte, er werde am 12. August Betreibung anheben, wenn die im Vergleich versprochenen Beträge bis dahin nicht bezahlt seien. B. will den Brief des René Wachter vom 6. August und seine Antwort vom 9. August dem Ernst Hinden am 9. August 1952 zur Kenntnis gebracht haben. Er erklärt, Ernst Hinden sei dadurch in grosse Erregung geraten, zumal René Wachter ihn auch sonst schikaniert und ihm zuleide gelebt habe, wo er nur konnte. Das sei der Grund, weshalb er sich am 11. August 1952 schriftlich an die Eidgenössische Militärversicherung gewandt habe. Dieses Schreiben Hindens an die Militärversicherung lautet: "Betr. Militärpatient Wachter René... Unterzeichneter macht folgende Meldung bezügl. ob. Patienten: BGE 80 IV 109 S. 111 Das private Verhalten resp. Leben dieses Herrn dürfte mit den Satzungen der Versicherung nicht in Einklang zu bringen und einer völligen Gesundung hinderlich sein. Das fast allabendliche Heimkommen gegen Mitternacht und noch später (resp. früh), das zufällige Antreffen von Damen (16 jährige), die man mit dem eigenen Wagen generös heimfährt, um vor dem Hause dann darin mit dieser bis 1 1/2 zu plauschen, lässt andere Schlüsse zu. Ebenso das sich erbrechen dieses Herrn, über die Terrasse in den Hof, am Sonntagmorgen um 1 1/2 Uhr dürfte andern Umständen, als der Gesundheit dienlich, beizumessen sein. Die weitere Nachbarschaft musste die Vermittlung der Polizei in Anspruch nehmen, um diesem Herrn beizubringen, das Wagentürenzuschlagen zu mitternächtlicher Zeit abzugewöhnen. Ist es Ihnen bekannt, dass auch seine Schwester, Frau A. Comte-Koster, die zwar im gleichen Hause, aber im eigenen Haushalt wohnt, am gleichen Übel leidet und bereits zum 2ten Male sich zur Erholung in Davos resp. Arosa befindet. Dass ebenso deren beide Kinder deswegen schon fort waren? Im Interesse der Allgemeinheit und diesem Patienten im besondern dürfte eine bezügl. Kontrolle nur von Nutzen sein. Die Nachbarn:... und andere mehr können weitere bezügl. Auskunft geben. Ebenso stehe ich sowie meine Frau für weitere Auskünfte bereit. In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Meldung dienlich gewesen zu sein, verbleibt mit vorzüglicher Hochachtung: E. Hinden-Nater." Auf Klage des René Wachter erklärte das Obergericht des Kantons Basel-Land Ernst Hinden wegen dieses Schreibens und anderer Äusserungen der wiederholten üblen Nachrede und der Beschimpfung schuldig und verurteilte ihn zu Fr. 150.-- Busse. Hinden führte Nichtigkeitsbeschwerde. Der Kassationshof des Bundesgerichts wies sie ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei nicht strafbar, weil er den Brief an die Militärversicherung in Wahrung öffentlicher Interessen geschrieben habe; es liege in öffentlichem Interesse, wenn eine zuständige Behörde von Missständen Kenntnis erhalte und dank der Anzeige zum Rechten sehen könne. Die Wahrung öffentlicher Interessen ist jedoch nicht an sich Rechtfertigungsgrund; sie öffnet dem Täter lediglich den Weg zum Beweis, dass seine Äusserung der Wahrheit entspreche oder dass er ernsthafte Gründe gehabt habe, sie in guten Treuen für wahr zu halten BGE 80 IV 109 S. 112 ( Art. 173 Ziff. 2 StGB ). Zu diesem Beweise ist der Beschwerdeführer aber nicht zuzulassen; denn die Vorinstanzen stellen verbindlich fest, dass er die Tat in Schädigungsabsicht begangen hat, worunter sie seinen durch die langjährige Feindschaft hervorgerufenen Willen verstehen, dem Beschwerdegegner Schaden zuzufügen. Diese Feststellung deckt sich mit der vom Beschwerdeführer selbst aufgestellten Behauptung, dass der Briefwechsel vom 8./9. August 1952 und die Schikanen des Beschwerdegegners ihn stark aufgeregt und ihm Anlass gegeben hätten, den Brief vom 11. August 1952 zu schreiben. War dem so, so handelte der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 173 Ziff. 3 StGB ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht, dem Beschwerdegegner Übles vorzuwerfen. Diese Absicht macht den in Art. 173 Ziff. 2 vorgesehenen Beweis unzulässig. Auch die Berufung auf Wahrung berechtigter privater Interessen versagt. Abgesehen davon, dass dieser Rechtfertigungsgrund, den die Rechtsprechung unter der Herrschaft des alten Textes des Art. 173 StGB anerkannte, seit 5. Januar 1951 nicht mehr gilt (nichtveröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 17. April 1952 i.S. Lugeon), handelt nicht in Wahrung berechtigter Interessen, wer, wie der Beschwerdeführer, die Tat vorwiegend in der Absicht begeht, dem andern Übles vorzuwerfen ( BGE 78 IV 33 ).
null
nan
de
1,954
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
11f51c9f-682c-4178-8d2c-e6e31a34eaee
Urteilskopf 101 IV 364 86. Entscheid der Anklagekammer vom 2. Dezember 1975 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Meichtry, X., Schöb, Hochedez und Divine Light Zentrum
Regeste Art. 69 Abs. 3 BStP . Diese Bestimmung vermittelt der Anklagekammer schon für das Ermittlungsverfahren die ausschliessliche Befugnis, bis zur Hauptverhandlung über die Zulässigkeit der Durchsuchung versiegelter und verwahrter Papiere zu befinden (Praxisänderung).
Sachverhalt ab Seite 364 BGE 101 IV 364 S. 364 A.- Am 8. Oktober 1975 wurden auf die Häuser von Regierungsrat Stucki und Rechtsanwalt Dr. Hauser in Winterthur Sprengstoffanschläge verübt. Josef Meichtry, X., Verena Schöb und Martine Hochedez, die dem Divine Light Zentrum (DLZ) in Winterthur nahestehen, werden beschuldigt, sich an diesen Anschlägen beteiligt zu haben. Am 9. und 20. Oktober 1975 führte die Kantonspolizei Zürich im Auftrag der Bundesanwaltschaft in den Liegenschaften des DLZ Hausdurchsuchungen durch, in deren Verlauf verschiedene Gegenstände beschlagnahmt wurden, unter anderem ein Ordner, verschiedene Aktennotizen, vierzehn BGE 101 IV 364 S. 365 Fotos und ein Karteikasten. Erhard Finger, der an den Hausdurchsuchungen als Vertreter des DLZ teilnahm, verlangte, dass diese Papiere versiegelt werden, welchem Begehren entsprochen wurde. B.- Mit Eingaben vom 4. und 12. November 1975 stellte die Bundesanwaltschaft das Gesuch, die Anklagekammer habe gemäss Art. 69 BStP über die Zulässigkeit der Durchsuchung der versiegelten Papiere zu entscheiden. Der Beschuldigte X. äusserte sich nicht zu diesem Gesuch. Die Beschuldigten Meichtry und Schöb beantragten dessen Abweisung. Das DLZ führte in seiner Vernehmlassung aus, die verschiedenen Aktennotizen könnten entsiegelt und auf ihre Erheblichkeit für das Bundesstrafverfahren geprüft werden. Mit Bezug auf die übrigen versiegelten Gegenstände beantragte das DLZ ebenfalls die Abweisung des Gesuches. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 69 Abs. 3 BStP sind Papiere, gegen deren Durchsuchung der Inhaber Einsprache erhebt, zu versiegeln und zu verwahren. Über die Zulässigkeit der Durchsuchung entscheidet bis zur Hauptverhandlung die Anklagekammer des Bundesgerichts. In BGE 96 IV 88 wurde die Meinung vertreten, das in Art. 69 Abs. 3 BStP vorgesehene Recht der Anklagekammer, über Einsprachen gegen die Durchsuchung von Papieren zu entscheiden, gelte im Ermittlungsverfahren nicht. An dieser Auffassung kann nicht festgehalten werden. Vor Einleitung der Voruntersuchung sind zur Beschlagnahme und Durchsuchung der Bundesanwalt und die nach kantonalem Recht zuständigen Beamten der gerichtlichen Polizei berechtigt; sie haben dabei u.a. die Art. 65 bis 70 BStP zu beachten ( Art. 73 Abs. 1 BStP ). Aus Art. 69 Abs. 3 BStP folgt, dass sie die beschlagnahmten Papiere versiegeln und verwahren müssen, wenn der Betroffene gegen die Durchsuchung Einsprache erhebt. Keine Gesetzesbestimmung erlaubt dem Bundesanwalt, die Entsiegelung bzw. Aufhebung der Verwahrung der fraglichen Papiere von sich aus anzuordnen. Ginge man mit BGE 96 IV 88 davon aus, die Anklagekammer könne im Stadium des Ermittlungsverfahrens noch nicht entscheiden, müssten die betreffenden Papiere bis zur Eröffnung der Voruntersuchung BGE 101 IV 364 S. 366 versiegelt bzw. verwahrt bleiben. Das kann indessen nicht der Sinn des Gesetzes sein. Art. 69 Abs. 3 BStP wurde sodann erlassen, um den Rechtsschutz des Betroffenen zu verbessern und ihm die Möglichkeit zu geben, sich gegen Eingriffe der gerichtlichen Polizei und der Untersuchungsbehörden in seine Privatsphäre bei einer unabhängigen richterlichen Instanz zu wehren. Da die Gegenstände, die als Beweismittel erheblich sein können, in der Regel im Ermittlungsverfahren beschlagnahmt werden, würde der angestrebte Rechtsschutz in den meisten Fällen fehlen, wenn im Ermittlungsverfahren der Bundesanwalt über die Entsiegelung befinden und der Betroffene nicht an die Anklagekammer gelangen könnte. Dies konnte der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Art. 69 Abs. 3 BStP begründet im übrigen nicht ein Recht ganz allgemein gegen irgendwelche Anordnungen der Ermittlungsorgane Beschwerde zu führen, und er unterstellt den Bundesanwalt auch nicht der Aufsicht der Anklagekammer. Die fragliche Bestimmung vermittelt der Anklagekammer jedoch die ausschliessliche Befugnis, bis zur Hauptverhandlung über die Zulässigkeit der Durchsuchung versiegelter und verwahrter Papiere zu befinden. Diese Befugnis muss demnach schon für das Ermittlungsverfahren gelten (vgl. auch STÄMPFLI, Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege, Anm. 2 zu Art. 69). Die Anklagekammer ist somit zur Behandlung des vorliegenden Gesuches zuständig. 2. Über das bei der Entsiegelung zu beachtende Verfahren enthält das Gesetz keine weitern Vorschriften. Nach dem Wortlaut von Art. 69 Abs. 3 BStP entscheidet die Anklagekammer lediglich "über die Zulässigkeit der Durchsuchung". Auch bei der Beratung des Gesetzes war in den Eidgenössischen Räten lediglich die Frage diskutiert worden, wem "la décision sur l'admissibilité (de la perquisition)" zustehe bzw. wer zu befinden habe "sur la question de savoir si la perquisition est admissible ou non" (Sten.Bull. SR 1932 S. 646, NR 1933 S. 894, SR 1934 S. 9). Die Anklagekammer hat im Entsiegelungsverfahren keine umfassende Kenntnis vom jeweiligen Stand der Ermittlungen im angehobenen Bundesstrafverfahren. Sie kann deshalb nicht oder oft jedenfalls nicht zuverlässig beurteilen, ob und inwiefern der Inhalt der versiegelten Schriften für die Untersuchung (noch) erheblich sei. BGE 101 IV 364 S. 367 Es ist demnach weder nach dem Wortlaut von Art. 69 BStP noch nach dessen Entstehungsgeschichte und Sinn erforderlich, dass die Anklagekammer die versiegelten Papiere selbst eröffne und durchsuche. Sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Bundesanwaltschaft zur Durchsuchung zu ermächtigen, sofern nach Anhörung der Betroffenen noch die Vermutung besteht, dass die fraglichen Papiere für den Zweck der Untersuchung von Bedeutung sein können (dazu Art. 69 Abs. 2 BStP und ZR 1947 Nr. 61). 3. a) Die Verteidigung macht geltend, der am 9. Oktober 1975 beschlagnahmte Ordner enthalte Akten aus einem früheren Ehrverletzungsprozess, der mit dem vorliegenden Strafverfahren in keinem Zusammenhang stehe. Nach den Angaben des DLZ sollen sich in diesem Ordner dagegen Aufzeichnungen über Gespräche eines gewissen Josef Tronsberg befinden. Diese widersprüchlichen Angaben der Beteiligten stehen in Gegensatz zum polizeilichen Hausdurchsuchungsrapport, nach welchem der fragliche Ordner fingierte, schriftlich festgehaltene Telefongespräche "von Josef (Meichtry?)" enthalten soll. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das letztere zutrifft. Möglicherweise hat der Beschuldigte Meichtry versucht, durch solche Notizen für sich selbst ein Alibi oder einen Entlastungsbeweis oder für Dritte belastendes Material zu schaffen. Solche Notizen können für die Untersuchung erheblich sein. Das Entsiegelungsgesuch ist deshalb mit Bezug auf diesen Ordner gutzuheissen. b) Nach dem Beschlagnahmerapport wurden bei der Hausdurchsuchung vom 20. Oktober 1975 unter der Lagernummer 65.5.301 "verschiedene Aktennotizen" versiegelt. Der bei den Akten liegende versiegelte Umschlag mit der fraglichen Lagernummer trägt jedoch die Überschrift "versch. Briefentwürfe". Die Bundesanwaltschaft bemerkte in ihrem Gesuch vom 12. November 1975 zu diesem Widerspruch lediglich, dass gemäss den Aussagen der Polizei die im Durchsuchungsrapport verwendete Bezeichnung "eher zutreffen ... dürfte". Der Beschuldigte X. gab in seinen Einvernahmen vom 16. und 22. Oktober 1975 zu, im Labor des DLZ zusammen mit der Beschuldigten Schöb Experimente und Tierversuche mit Chemikalien gemacht zu haben, die dem Zwecke dienten, giftige Mittel herzustellen, um damit den Widersachern des DLZ schaden zu können. Er anerkannte, in Kauf BGE 101 IV 364 S. 368 genommen zu haben, dass ihre Gegner nach der Verabreichung der Gifte oder Säuren sterben könnten. Über die im Labor getätigten Experimente mit den Chemikalien machten die Beschuldigten X. und Schöb Aufzeichnungen. Sollte der versiegelte Umschlag Nr. 65.5.301 Aktennotizen enthalten, finden sich darunter allenfalls auch Aufzeichnungen der genannten Art. Sie bezögen sich zwar auf Vergiftungen und nicht auf Sprengstoffanschläge. Wurden aber über die chemischen Experimente Aufzeichnungen gemacht, liegt der Verdacht nahe, dass auch über die Herstellung des Sprengstoffes, die Zusammensetzung der Sprengkörper oder das Funktionieren des Auslösemechanismus Notizen erstellt wurden. Möglicherweise wurden die letzten zusammen mit den ersten aufbewahrt und beschlagnahmt. Es ist jedenfalls nicht auszuschliessen, dass sich im fraglichen Umschlag, soweit dieser Aktennotizen enthält, Aufzeichnungen befinden, welche für die Untersuchung der Sprengstoffanschläge von gewisser Bedeutung sein können. Sollte der Umschlag dagegen Briefentwürfe enthalten, ist gegebenenfalls auch aus ihnen etwas über die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Anschläge zu erfahren. Das Gesuch der Bundesanwaltschaft ist deshalb auch mit Bezug auf den Umschlag Nr. 65.5.301 gutzuheissen. Die Verteidigung macht diesbezüglich lediglich geltend, wenn die fraglichen Schriften in jenem Raum gefunden worden seien, in welchem die Beschuldigte Schöb verhaftet worden sei, dürfe daraus nicht abgeleitet werden, dass sie mit dem Strafverfahren im Zusammenhang stehen. Dies trifft an sich zu, ist im vorliegenden Fall jedoch unerheblich, weil die Entsiegelung aus den oben erwähnten andern Gründen bewilligt werden muss. Der Gutheissung des Gesuches steht im übrigen schon deshalb nichts entgegen, weil das DLZ als Inhaberin der Papiere der Entsiegelung in diesem Punkte zustimmt. c) Die am 20. Oktober 1975 unter der Lagernummer 65.1.400 beschlagnahmte und versiegelte Kartei soll gemäss dem Hausdurchsuchungsrapport die Namen und Adressen von "Interessenten für Literatur" des DLZ enthalten, was von den Beschuldigten und vom DLZ sinngemäss bestätigt wurde. In der Kartei finden sich somit auch Namen und Adressen von Personen, die dem DLZ nahestehen und mit ihm sympathisieren. Möglicherweise enthalten einzelne Karten besondere BGE 101 IV 364 S. 369 Vermerke, die auf eine engere Verbindung mit dem DLZ schliessen lassen, was seinerseits wieder für die Frage erheblich sein kann, wer als Täter in Betracht kommt oder bei wem sich die noch flüchtige Beschuldigte Hochedez versteckt halten könnte. Insoweit kann die Kartei entgegen der Meinung der Verteidigung und des DLZ für die Untersuchung unter Umständen von gewisser Bedeutung sein. Das DLZ macht geltend, die Beschlagnahme der Adressenkarten verstosse gegen das eidgenössische und das kantonale Verfahrensrecht. Es vermag jedoch keine Bestimmung anzuführen, welche in Fällen der vorliegenden Art die Beschlagnahme verbieten würde. Die Vereinsfreiheit und die Glaubens- und Gewissensfreiheit werden durch die vorübergehende Beschlagnahme und Durchsuchung der Kartei nicht beeinträchtigt. Der Anspruch der an den Sprengstoffanschlägen nicht beteiligten Dritten auf Nichtbekanntgabe ihrer Namen und Adressen wird nicht verletzt, da die Durchsuchung unter grösstmöglicher Schonung des Privatgeheimnisses und der Rechte Dritter durchzuführen ist (vgl. unten Ziff. 4). Das Gesuch der Bundesanwaltschaft ist deshalb auch mit Bezug auf die Kartei gutzuheissen. d) Gemäss dem Hausdurchsuchungsrapport wurden schliesslich am 20. Oktober 1975 unter der Lagernummer 65.M.302 14 Fotos beschlagnahmt und versiegelt. Das Kuvert mit der fraglichen Nummer trägt dagegen die Anschrift "1 Brief, M. Schnebli". Die Bundesanwaltschaft setzte sich mit dieser Unstimmigkeit nicht auseinander und verlangte lediglich die Entsiegelung der 14 Fotos, mit der Begründung, auf den Bildern sei möglicherweise die Beschuldigte Schöb zusammen mit Swami Omkarananda abgebildet, was für ihre Beziehung zum geistigen Oberhaupt des DLZ von Bedeutung wäre. Die Beziehungen der Beschuldigten Schöb zum DLZ und zu dessen geistigem Oberhaupt können indessen auch anderweitig hinreichend bewiesen werden. Im übrigen sagen diese Beziehungen, auch wenn sie als erstellt betrachtet werden, noch nichts aus über die Mittäterschaft der Beschuldigten Schöb an den Sprengstoffdelikten. Inwiefern diese Fotos (oder allenfalls ein "Brief M. Schnebli") für die Untersuchung der Sprengstoffanschläge erheblich sein könnten, ist nicht ersichtlich und legt die Bundesanwaltschaft nicht dar. Das Entsiegelungsgesuch BGE 101 IV 364 S. 370 ist deshalb mit Bezug auf diese Gegenstände mangels hinreichender Begründung abzuweisen. 4. Soweit sich die Akten, deren Entsiegelung bewilligt wurde, nicht in ihrem ganzen Inhalt auf die der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstehenden eingeklagten Delikte beziehen, ist Art. 69 Abs. 1 BStP massgebend, wonach die Durchsuchung von Papieren mit grösster Schonung der Privatgeheimnisse und unter Wahrung des Berufsgeheimnisses und allfälliger Rechte Dritter durchzuführen ist. Soweit es dieser Zweck erfordert, sind deshalb entweder nur Abschriften der für die Strafuntersuchung in Betracht fallenden Stellen anzufertigen oder die geheimzuhaltenden Stellen unleserlich zu machen (vgl. dazu auch ZR 1947 Nr. 61). 5. Neben den von der Bundesanwaltschaft geleiteten Ermittlungen zu den der Bundesstrafgerichtsbarkeit unterstehenden Verfehlungen führt die Bezirksanwaltschaft Winterthur gegen die Beschuldigten eine selbständige Untersuchung, welche sich auf Verfehlungen bezieht, die der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehen. Die Bezirksanwaltschaft Winterthur stellte mit Eingabe vom 30. Oktober 1975 das Gesuch, für den Fall, dass dem Entsiegelungsbegehren der Bundesanwaltschaft nicht in vollem Umfange entsprochen werde, seien die Gegenstände, deren Durchsuchung die Anklagekammer nicht gestatte, der Bezirksanwaltschaft Winterthur zu überlassen, damit die zuständigen zürcherischen Gerichte die Zulässigkeit der Durchsuchung unter dem Gesichtspunkt der der kantonalen Gerichtsbarkeit unterliegenden Verfehlungen prüfen könnten. Diesem von der Bundesanwaltschaft unterstützten Gesuch ist stattzugeben. Das versiegelte Kuvert Nr. 65.M.302 ist deshalb der Bezirksanwaltschaft Winterthur zu übergeben, damit die zürcherischen Behörden Gelegenheit erhalten zu prüfen, ob der Inhalt allenfalls für die Untersuchung der der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Strafhandlungen von Bedeutung sein könne und die Entsiegelung deshalb aus diesem Grunde anzuordnen sei. Ein deutscher Rechtsanwalt stellte das Gesuch, die 14 beschlagnahmten und versiegelten Fotos seien ihm zur Verfügung zu stellen, da er sie in einer prozessrechtlichen Auseinandersetzung in Deutschland benötige, um gegen verleumderische Tätigkeit einer Zeitschrift vorgehen zu können. Dieses Gesuch ist zur Zeit abzuweisen, da die gegen die Beschuldigten BGE 101 IV 364 S. 371 hängige Strafuntersuchung in der Schweiz dem Ehrverletzungsverfahren in Deutschland vorgeht. Sollten die zürcherischen Behörden die Entsiegelung dieser Fotos ebenfalls verweigern, wäre es an ihnen zu bestimmen, ob die beschlagnahmten Bilder dem DLZ oder direkt dem antragstellenden deutschen Rechtsanwalt herauszugeben seien. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: 1. Die Durchsuchung des versiegelten Ordners, des versiegelten Kuverts Nr. 65.5.301 und der versiegelten Kartei Nr. 65.1.400 wird als zulässig erklärt und die Bundesanwaltschaft wird zur Vornahme der Durchsuchung ermächtigt. 2. Die Durchsuchung des versiegelten Kuverts Nr. 65.M.302 wird nicht gestattet. 3. Das versiegelte Kuvert Nr. 65.M.302 wird der Bezirksanwaltschaft Winterthur zugestellt, damit die zürcherischen Behörden darüber entscheiden können, ob seine Durchsuchung im Hinblick auf die den Beschuldigten zur Last gelegten, der kantonalen Gerichtsbarkeit unterstehenden Verfehlungen zulässig sei.
null
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de
1,975
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
11fad684-654d-411b-8161-9d595788dc95
Urteilskopf 117 II 504 92. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1991 i.S. v. W. gegen M. (Berufung)
Regeste Art. 48 Abs. 2 lit. a OG . Berufungsfähigkeit von Endentscheiden unterer Gerichte, die als letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz urteilen. Untere Gerichte im Sinne dieser Bestimmung können nur Rechtsmittelinstanzen sein, welche die Urteile unterer Instanzen materiell umfassend überprüfen. Hat nach kantonalem Recht ein unteres Gericht als einzige Instanz über Mieterstreckungen zu befinden, wird sein Entscheid nicht deswegen zum berufungsfähigen Rechtsmittelentscheid, weil er im Anschluss an den Erstreckungsentscheid der Schlichtungsbehörde ( Art. 273 Abs. 4 OR ) ergangen ist.
Sachverhalt ab Seite 504 BGE 117 II 504 S. 504 A.- Als Vermieter einer Einzimmerwohnung in Sarnen kündigte M. Ende September 1990 seinem Mieter v. W. auf den 31. Januar 1991. Mit Gesuch vom 22. Oktober 1990 verlangte BGE 117 II 504 S. 505 v. W. bei der Obwaldner Schlichtungsbehörde für Miet- und Pachtverhältnisse die Erstreckung bis zum 30. April 1993. Nach erfolglosen Vergleichsverhandlungen wies die Schlichtungsbehörde das Gesuch am 6. Dezember 1990 ab, worauf v. W. mit Erstreckungsklage vom 4. Januar 1991 den Gerichtsausschuss des Kantons Obwalden anrief, der am 20. Februar 1991 die Klage abwies. B.- Mit Berufung an das Bundesgericht beantragt der Kläger u.a., das Urteil vom 20. Februar 1991 aufzuheben und das Mietverhältnis bis Ende April 1993 zu erstrecken. Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Berufung ist in der Regel erst gegen Endentscheide von oberen kantonalen Gerichten zulässig, die nicht durch ein ordentliches kantonales Rechtsmittel angefochten werden können ( Art. 48 Abs. 1 OG ). Gegen Endentscheide unterer Gerichte steht die Berufung abgesehen von Art. 48 Abs. 2 lit. b OG nur dann offen, wenn ein solches Gericht als letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz entschieden hat ( Art. 48 Abs. 2 lit. a OG ). Dieses Erfordernis beschränkt die Möglichkeit der Berufung gegen Urteile unterer Gerichte auf Fälle, in denen ein Gericht von der Gerichtsorganisation her zwar unteres Gericht ist ( BGE 115 II 368 ), jedoch als Rechtsmittelinstanz geurteilt hat. Diese Ordnung bedeutet eine bewusste Abkehr von der früheren, welche die Berufung auch gegen Urteile unterer Gerichte zuliess, die als einzige Instanzen entschieden hatten (BIRCHMEIER, N. 4 zu Art. 48 OG , S. 171; POUDRET, N. 3 zu Art. 48 OG , S. 318). Die revidierte Regelung soll sicherstellen, dass ein bundeszivilrechtlicher Anspruch vorgängig durch mindestens zwei kantonale Instanzen materiell umfassend geprüft worden ist, bevor eine Überprüfung von Entscheiden unterer Gerichte im Berufungsverfahren stattfindet. Trotz beschränkter Überprüfung im Rahmen eines ausserordentlichen Rechtsmittels bleibt daher ein Erstreckungsurteil eines Einzelrichters, der nach kantonalem Recht im übrigen endgültig entschieden hat, ein Urteil einer einzigen Instanz im Sinne von Art. 48 Abs. 2 lit. a OG ( BGE 110 II 251 f. E. 1a). a) Als Abteilung des Kantonsgerichts, das im Kanton Obwalden "unteres" Gericht im Sinne von Art. 48 Abs. 2 lit. a OG ist, BGE 117 II 504 S. 506 hat auch der Gerichtsausschuss als unteres Gericht entschieden. Die Zulässigkeit der Berufung gegen sein Urteil setzt deshalb voraus, dass er im Erstreckungsverfahren letzte, aber nicht einzige kantonale Instanz war. Gemäss Art. 23 Abs. 1 der obwaldnerischen Ausführungsbestimmungen vom 26. Juni 1990 zum neuen Miet- und Pachtrecht unterstehen mietrechtliche Entscheide des Gerichtsausschusses keinem ordentlichen kantonalen Rechtsmittel. Mit dem angefochtenen Urteil ist daher die Erstreckungsklage von einer letzten Instanz abgewiesen worden (POUDRET, a.a.O.). Als nicht einzige Instanz kann der Gerichtsausschuss nach dem Gesagten jedoch nur gelten, wenn er als Rechtsmittelinstanz über der Schlichtungsbehörde zu betrachten ist und ausserdem Gewähr dafür besteht, dass der Berufung eine umfassende Überprüfung durch mindestens zwei kantonale Instanzen vorausging. b) Dass es an der ersten Voraussetzung fehlt, ergibt sich aus der neuen, auf den vorliegenden Fall unstreitig anwendbaren bundesrechtlichen Regelung (Art. 5 SchlB zu den Tit. VIII und VIIIbis) für das Erstreckungsverfahren: Die innert 30 Tagen nach Kündigungsempfang vom Mieter um Erstreckung angegangene Schlichtungsbehörde ( Art. 273 Abs. 2 lit. a OR ) hat nach erfolglosem Schlichtungsversuch über die Erstreckung zu entscheiden ( Art. 273 Abs. 4 OR ). Verweigert sie die Erstreckung, hat der unterlegene Mieter innert 30 Tagen den Richter anzurufen, ansonsten der Entscheid der Schlichtungsbehörde in Rechtskraft erwächst ( Art. 273 Abs. 5 OR ). Wie bereits aus dem Wortlaut von Art. 273 Abs. 5 OR hervorgeht, nach dem die vor der Schlichtungsbehörde unterlegene Partei den Richter anzurufen hat ("saisir le juge", "ricorrere al giudice"), ist die Anrufung des Richters kein Weiterzug eines Verfahrens an die nächsthöhere Instanz, das Gerichtsverfahren keine Fortsetzung des Verfahrens vor der Schlichtungsbehörde und der Richter nicht Rechtsmittelinstanz. Vielmehr tritt der Erstreckungsstreit mit der Anrufung des Richters erstmals in die gerichtliche Phase (GMÜR, Kündigungsschutz - Prozessuales rund um den "Entscheid" der Schlichtungsbehörde, in: Mietrechtspraxis 1990, S. 132). Der erfolglose Schlichtungsversuch und der Entscheid der Schlichtungsbehörde in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ( Art. 274e Abs. 1 und 2 OR ) sind lediglich prozessuale Voraussetzungen dafür, dass beim Richter Klage erhoben werden kann. Entscheidet die unabhängige und dem Richter in keiner Weise BGE 117 II 504 S. 507 untergeordnete Schlichtungsbehörde nach erfolglosem Schlichtungsversuch über Mietzinsreduktionen im Falle von Art. 259i OR , über die Anfechtung einer Kündigung und über Mieterstreckungen ( Art. 273 Abs. 4 OR ), kommt dieser Entscheid nur zum Tragen, wenn die Anrufung des Richters unterbleibt. Gelangt dagegen die unterlegene Partei innert 30 Tagen an den Richter, so fällt der Entscheid der Schlichtungsbehörde ohne weiteres dahin (SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT, N. 3 zu Art. 274f OR , S. 833) mit der Folge, dass der Richter erstinstanzlich urteilt und diesen Entscheid nicht wie eine Rechtsmittelinstanz aufhebt, abändert oder bestätigt. Der Entscheid der Schlichtungsbehörde wirkt sich in diesen Fällen nur als "prima facie-Vorentscheid" auf das richterliche Verfahren aus, der die Rollenverteilung im Prozess festlegt; dadurch soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere verhindert werden, dass der Mieter vor dem Richter allzu häufig als Kläger aufzutreten habe (so Votum Bundesrat Koller in Amtl.Bull. NR 1989 S. 545; bundesrätliche Botschaft in BBl 1985 I S. 1467; GMÜR, a.a.O., S. 133; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, S. 65). c) Hätte sodann das Bundesgericht auf Berufungen gegen Erstreckungsurteile unterer Gerichte einzutreten, denen bloss der Entscheid einer Schlichtungsbehörde vorausging, wäre die umfassende Beurteilung durch mindestens zwei kantonale Instanzen nicht gewährleistet. Denn für Entscheide von Schlichtungsbehörden sehen die Kantone ein summarisches Verfahren vor. Es ist insbesondere durch Beweismittelbeschränkungen gekennzeichnet (so auch Art. 13 der obwaldnerischen Ausführungsbestimmungen), ähnlich wie das Verfahren, in dem über vorläufigen Rechtsschutz aufgrund glaubhaft zu machender Ansprüche befunden wird (vgl. BBl und Amtl.Bull. je a.a.O.; ausführlich GMÜR, a.a.O., insbesondere S. 122, 125 f., 130 ff.). Entscheidet der ordentliche Richter im Anschluss an ein solches Verfahren endgültig, so wird sein Urteil auch nicht als zweitinstanzlicher Entscheid im Sinne von Art. 48 Abs. 2 lit. a OG betrachtet. Dementsprechend behandelt auch der Kassationshof richterliche Entscheide, denen ein Strafbefehl oder ein Entscheid einer Verwaltungsbehörde vorausgegangen ist, als Entscheide einziger kantonaler Instanzen und tritt nach Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP auf Nichtigkeitsbeschwerden nicht ein ( BGE 116 IV 78 mit Hinweisen). 3. Hat der Gerichtsausschuss somit als einzige kantonale Instanz entschieden, erweist sich die Berufung als unzulässig. BGE 117 II 504 S. 508 Dass an sich berufungsfähige Zivilstreitsachen durch kantonale Verfahrensbestimmungen von der Berufung ausgeschlossen werden, ist wie in anderen Fällen unbefriedigend (vgl. BGE 115 II 368 , BGE 110 II 251 E. 1a, BGE 109 II 48 E. 2). Ob solche Vorschriften angefochten werden können und in welchem Verfahren, ist nicht zu prüfen, da der Kläger die kantonale Ordnung nicht in Frage stellt (dazu POUDRET, N. 1.2.4 zu Art. 48 OG , S. 300 f. mit Hinweisen).
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1,991
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
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11fc0cae-dc47-42af-8cf0-1f0d1349cc3b
Urteilskopf 107 V 157 33. Extrait de l'arrêt du 10 juillet 1981 dans la cause De Cicco contre Caisse cantonale neuchâteloise de compensation et Commission cantonale neuchâteloise de recours en matière d'AVS
Regeste Art. 52 und 70 AHVG , 66 IVG, 128 und 130 OG. Schadenersatzforderung eines Versicherten für Unkosten, die ihm wegen der falschen Auskunft einer Ausgleichskasse erwachsen sind: Unzulässigkeit dieser Forderung vor dem Eidg. Versicherungsgericht (Erw. 1). Art. 28 Abs. 1 IVG und Art. 8 lit. e des italienisch-schweizerischen Abkommens über Soziale Sicherheit. - Voraussetzungen des Vertrauensschutzes (Erw. 2). - Schutz des guten Glaubens eines italienischen Staatsangehörigen, der in seine Heimat zurückgekehrt ist, nachdem er von der Ausgleichskasse die (falsche) Auskunft erhalten hat, seine Härtefallrente werde ihm auch in Italien ausbezahlt werden (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 158 BGE 107 V 157 S. 158 A.- Fiore De Cicco, de nationalité italienne, domicilié à Neuchâtel, marié, père de trois enfants mineurs, réside en Suisse depuis 1962. Le 6 mars 1975, il fut victime d'un accident. La Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents lui alloua une rente fondée sur une invalidité de 40%. Depuis le 1er avril 1978, Fiore De Cicco est au bénéfice d'une demi-rente de l'assurance-invalidité. Dans sa décision du 24 octobre 1978, la Caisse cantonale neuchâteloise de compensation précisait que "cette rente était accordée sous réserve des limites de revenu, tout changement de la situation économique de l'ayant droit devant être annoncé immédiatement à la caisse". Envisageant de retourner dans son pays avec sa famille, Fiore De Cicco, par téléphone du 13 novembre 1978, demanda à la Caisse cantonale neuchâteloise de compensation si sa rente continuerait à lui être payée en Italie. L'employé qui lui répondit affirma que tel serait le cas. Par lettre du même jour adressée à la caisse, l'assuré, se référant à l'entretien susmentionné, confirma son départ prochain et définitif pour l'Italie et indiqua l'adresse à BGE 107 V 157 S. 159 laquelle ladite prestation devait lui être versée. Le 15 novembre 1978, la caisse neuchâteloise transmit le dossier à la Caisse suisse de compensation, avec une lettre d'accompagnement où elle relevait que Fiore De Cicco avait été reconnu invalide à 40% seulement et qu'il s'agissait d'un "cas pénible". Le 21 novembre 1978, la Caisse suisse de compensation écrivit à l'intéressé qu'elle était désormais compétente pour lui payer la rente. Par décision du 10 janvier 1979, elle l'informa que sa prestation était supprimée à partir du 1er décembre 1978, parce qu'il n'était plus domicilié en Suisse. Placé devant cette situation, l'assuré et sa famille rentrèrent en Suisse et s'installèrent à Neuchâtel le 7 mai 1979. La demi-rente pour cas pénible fut rétablie dès le 1er mai 1979. Fiore De Cicco se mit en relation avec la Caisse cantonale neuchâteloise de compensation. Il lui exposa qu'elle avait par sa faute causé le double déménagement et l'interruption de la rente et lui demanda de verser les mensualités de décembre 1978 à avril 1979 à titre de dédommagement, ce qu'elle refusa par décision du 9 juillet 1979. Au cours de ses démarches, Fiore De Cicco avait adressé le 24 avril 1979 à la Commission cantonale neuchâteloise de recours une lettre qui fut interprétée comme un recours tardif contre la décision de rente du 24 octobre 1978, d'une part, et comme une requête sur un sujet n'ayant pas fait l'objet d'une décision administrative, d'autre part, et déclarée irrecevable à ce double titre, le 30 mai 1979. B.- Le 27 juillet 1979, Fiore De Cicco recourut contre la décision du 9 juillet 1979, en concluant à ce que l'assurance-invalidité fût astreinte soit à lui payer pour cinq mois une demi-rente exceptionnelle pour cas pénible, bien qu'à l'époque il n'eût pas son domicile en Suisse, soit à transformer rétroactivement la demi-rente pour cas pénible en demi-rente normale. La caisse intimée reconnut qu'elle aurait dû préciser dans sa décision du 24 octobre 1978 que la demi-rente était due à la condition que le bénéficiaire restât domicilié en Suisse. Mais, dit-elle, cela n'enlevait pas le caractère impératif de l' art. 8 let . e de la convention italo-suisse. Elle conclut au rejet du recours. La Commission cantonale neuchâteloise de recours se rallia au point de vue de l'administration. Elle débouta le recourant le 14 mars 1980. C.- Fiore De Cicco a formé un recours de droit administratif contre le jugement cantonal. Il demande au Tribunal fédéral des BGE 107 V 157 S. 160 assurances de constater que la décision de rente du 24 octobre 1978 était incomplète et, partant, contraire à la loi, de manière qu'il puisse rendre la caisse de compensation civilement responsable du dommage qu'elle a causé et obtenir le remboursement de ses frais de double déménagement, la réparation de la perte de rente et l'indemnisation de ses autres frais. La caisse de compensation déclare n'avoir rien à ajouter à ses explications précédentes. Dans sa réponse, l'Office fédéral des assurances sociales propose de rejeter le recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recours formé le 27 juillet 1979 contre la décision du 9 juillet 1979, relative à la suppression de la demi-rente pour cas pénible, tendait soit à la suppression de l'interruption de la demi-rente, soit à sa transformation de prestation pour cas pénible en prestation normale. Le second terme de l'alternative tendait à modifier sur le fond la décision du 24 octobre 1978, qui n'était irrégulière qu'en la forme et contre laquelle un recours avait été déclaré irrecevable par un arrêt passé en force du 30 mai 1979. C'est à juste titre que le premier juge a rejeté cette conclusion-là et que l'assuré ne l'a pas renouvelée dans son recours de droit administratif. Avec beaucoup de bonne volonté, on peut admettre que le recourant a manifesté dans l'instance fédérale le désir de recevoir une demi-rente pour la période de décembre 1978 à avril 1979. Cette conclusion-là est recevable en vertu de l' art. 69 LAI . Quant aux autres conclusions prises dans le recours de droit administratif relatives à une action en dommages-intérêts, en raison de dépenses telles que des frais de déménagement, elles concernent une matière qui ne relève pas de l'assurance-sociale mais de la responsabilité des caisses de compensation et de leurs agents. Elles sont, par conséquent, irrecevables devant le Tribunal fédéral des assurances ( art. 128 et 130 OJ ). La législation sociale applicable en l'espèce ne règle que la réparation des dommages causés à l'institution ( art. 66 LAI , art. 52 et 70 LAVS ), non la réparation des dommages causés aux assurés ou aux tiers. 2. Le principe de la bonne foi régit les rapports entre administration et administrés. C'est ainsi qu'un renseignement ou une décision erronés peuvent obliger l'administration à consentir à un administré un avantage contraire à la loi, si les conditions suivantes sont réunies: BGE 107 V 157 S. 161 a) que l'autorité soit intervenue dans une situation concrète à l'égard de personnes déterminées; b) qu'elle ait agi ou soit censée avoir agi dans les limites de sa compétence; c) que l'administré n'ait pu se rendre compte immédiatement de l'inexactitude du renseignement obtenu; d) qu'il se soit fondé sur celui-ci pour prendre des dispositions qu'il ne saurait modifier sans subir un préjudice; e) que la loi n'ait pas changé depuis le moment où le renseignement a été donné ( ATF 106 V 143 ). 3. Le recourant Fiore De Cicco remplit les cinq conditions énumérées sous ch. 2 let. a-e ci-dessus. S'agissant de la troisième d'entre elles (let. c), le motif dont se prévaut l'Office fédéral des assurances sociales pour mettre en doute la bonne foi du recourant n'est pas convaincant. Quant à la quatrième (let. d), il faut relever que le lésé a été amené, par le renseignement faux qu'il a obtenu de l'autorité compétente, à quitter la Suisse pour l'Italie, ce qu'il n'aurait pas fait s'il avait su qu'un tel transfert de domicile entraînerait la suppression de sa demi-rente de l'assurance-invalidité et des quatre demi-rentes complémentaires. La preuve qu'il ne serait pas parti, c'est qu'il est revenu en Suisse afin de recevoir de nouveau les prestations en cause. Son retour date du 7 mai 1979, alors qu'il a appris vers le milieu de janvier que la rente était supprimée. Il a donc mis fin dans un délai convenable à sa situation irrégulière, si l'on songe à la difficulté d'en comprendre la gravité puis de déplacer une famille de cinq personnes.
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11fd8ae8-3b44-4d99-89ef-c74de735e979
Urteilskopf 104 Ia 367 56. Auszug aus dem Urteil vom 15. November 1978 i.S. Banque Centrale de la République de Turquie gegen Weston Compagnie de Finance et d'Investissement S.A. und Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich
Regeste 1. Voraussetzungen für die vollstreckungsrechtliche Immunität fremder Staaten (Erw. 2). 2. Kann sich eine dem Privatrecht des ausländischen Staates unterstehende Aktiengesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die öffentlich-rechtliche Funktionen innehat, auf die Lehre von der Immunität der Staaten berufen? Frage offen gelassen (Erw. 3). 3. Staatliche Zahlungsrestriktionen, die einen Darlehensnehmer verpflichten, die Rückzahlung über die Staatsbank zu leiten, ändern an der privatwirtschaftlichen Natur des Geschäftes und damit der Rückzahlungsforderung nichts (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 368 BGE 104 Ia 367 S. 368 Im Jahre 1977 gewährte die Firma The Lloyds Bank International Ltd (nachfolgend Lloyds Bank genannt) in Zürich der Türkiye Garanti Bankasi A.S. in Istanbul ein Time Deposit in der Höhe von einer Million SFr. Die Rückzahlung hätte am 3. Mai 1978 geleistet werden sollen und zwar auf Grund der türkischen Devisengesetzgebung unter Einschaltung der Banque Centrale de la République de Turquie, der türkischen Staatsbank. Nachdem sie nicht fristgerecht erfolgt war, trat die Lloyds Bank ihren Anspruch ab an die Weston Compagnie de Finance et d'Investissement S.A. (nachfolgend Weston Cie. genannt). Am 30. Juni 1978 erliess der zuständige Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich auf Begehren der Weston Cie. gegen die Banque Centrale de la République de Turquie einen ersten Arrestbefehl für die Forderungssumme von Fr. 1'000'000.- nebst Zinsen und Kosten. Als Forderungsgrund wurde angegeben: "Time Deposit Nr. 100034/086 gemäss Communiqué No. 176 des türkischen Gesetzes". Der Arrest, der sich auf Guthaben der Arrestschuldnerin bei drei schweizerischen Grossbanken in Zürich erstreckte, wurde vollzogen und die Arresturkunde am 7. Juli 1978 ausgestellt. Mit Zahlungsbefehl vom 28. Juli 1978 prosequierte die Weston Cie. den Arrest. Am 25. Juli 1978 erging ein zweiter Arrestbefehl für die nämliche Forderung, gerichtet auf sämtliche Vermögenswerte der Arrestschuldnerin in den Räumen ihrer Repräsentanz in Zürich. Der Vollzug erfolgte am 26. Juli 1978, die Arresturkunde wurde am 31. Juli 1978 ausgestellt. Die Banque Centrale de la République de Turquie erhob hierauf staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher sie beantragte, die beiden Arrestbefehle wie deren Vollzug und der Zahlungsbefehl vom 28. Juli 1978 seien aufzuheben. Sie macht geltend, die angefochtenen betreibungsrechtlichen Verfügungen verletzten ihre völkerrechtliche Immunität. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 2. a) Zwischen der Schweiz und der Türkischen Republik besteht kein Staatsvertrag, der sich auf die Frage der BGE 104 Ia 367 S. 369 gegenseitigen Immunität der beiden Staaten und ihrer öffentlichrechtlichen Körperschaften bezöge. Auch ist kein internationales Abkommen anwendbar. Wohl besteht seit dem 16. Mai 1972 eine "Convention européenne sur l'immunité des Etats", doch wurde diese von der Schweiz zwar unterzeichnet, aber bis heute noch nicht ratifiziert. Die Türkei ist der Konvention nicht beigetreten. Die Sache ist daher auf Grund der ungeschriebenen Regeln des Völkerrechtes zu entscheiden, die sich in Lehre und Rechtsprechung - für die Schweiz insbesondere in derjenigen des Bundesgerichtes - widerspiegeln. Die in der "Convention européenne" enthaltenen Grundsätze können immerhin als Ausdruck der Entwicklungstendenz des modernen Völkerrechtes betrachtet und in diesem Sinne mit herangezogen werden. b) Sollen gegen einen fremden Staat prozessuale oder Zwangsvollstreckungsmassnahmen getroffen werden, so stehen sich zunächst zwei völkerrechtliche Prinzipien gegenüber: - nach dem Grundsatz der Territorialität untersteht der Gerichtsbarkeit des Staates all das, was sich auf seinem Hoheitsgebiet befindet; - nach dem Grundsatz der Souveränität kann die Hoheit des einen Staates nicht durch einen andern eingeschränkt werden (DIEZ, Arrest- und Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegen Vermögen ausländischer Staaten, in SJZ 52/1956, S. 353). Lehre und Rechtsprechung vieler zum europäisch/amerikanischen Kulturkreis gehörenden Staaten haben seit Beginn des 19. Jahrhunderts versucht, zwischen diesen beiden Extremen für die Praxis brauchbare Mittellösungen zu finden. Es ist nicht notwendig, hier diese historische Entwicklung des näheren darzustellen, sondern es kann verwiesen werden auf die Arbeiten von E.A. GMÜR (Zur Frage der gerichtlichen Immunität fremder Staaten und Staatsunternehmungen, in: Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht, Band VII/1950, S. 9 ff.); J.-F. LALIVE (L'Immunité de juridiction des Etats et des organisations internationales, in: Recueil des Cours de l'Académie de droit international 1953/III, S. 209 ff.) und E. DIEZ (vorstehend zitiert). Näher einzutreten ist hier dagegen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes und auf neueste internationale Tendenzen. c) Das Bundesgericht hat bereits in BGE 44 I 49 ff. (Fall Dreyfus) in Anlehnung an die italienische und belgische Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, es sei hinsichtlich BGE 104 Ia 367 S. 370 der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten zu unterscheiden je nachdem, ob der fremde Staat in Ausübung seiner Hoheitsgewalt (iure imperii) oder als Subjekt von Privatrechtsverhältnissen (iure gestionis) handle. Es hat demgemäss einen Arrest für eine Rückforderung aus in der Schweiz ausgegebenen österreichischen Staatsschatz-Anweisungen zugelassen. In BGE 56 I 237 ff. (Fall Walder) hielt das Bundesgericht an dieser Rechtsprechung grundsätzlich fest, betonte jedoch in vermehrtem Masse den schon im vorstehend erwähnten Entscheid angedeuteten Satz, dass es für die Zulässigkeit der Arrestnahme nicht genüge, wenn ein auf dem ius gestionis beruhendes Rechtsgeschäft vorliege; es müsse vielmehr hinzukommen, dass die streitige Forderung "dem schweizerischen Gebiet angehöre", d.h. dass sie entweder vom Schuldner hier begründet, eingegangen oder durchzuführen gewesen sei oder dass mindestens Handlungen vorlägen, aus denen auf die Schweiz als Erfüllungsort zu schliessen sei. Mangels einer solchen Binnenbeziehung wurde ein Arrest schweizerischer Gläubiger gegen die Hellenische Republik für Guthaben aus Obligationen, die von einer in der Zwischenzeit verstaatlichten Eisenbahn-Aktiengesellschaft ausgegeben worden waren, als unzulässig erklärt. Im Urteil BGE 82 I 75 ff. wurde unter ausdrücklicher Bestätigung dieser Rechtsprechung und unter Hinweis auf die erwähnten sowie auf mehrere nicht veröffentlichte Entscheide wiederum festgestellt, es fehle die nötige Beziehung zwischen dem Schuldverhältnis und der Schweiz, weshalb der Arrest (gegen Griechenland) unzulässig sei, In BGE 86 I 23 ff. schliesslich wurde der Arrest einer in der Schweiz wohnhaften Privatperson gegenüber der Vereinigten Arabischen Republik für eine in der Schweiz zahlbare Mietzinsschuld betreffend eine an die ägyptische Botschaft in Wien vermietete Villa als zulässig erklärt. Hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Geschäften auf Grund des ius imperii und des ius gestionis finden sich in diesem Urteil einige wesentliche Präzisierungen, die auch als Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Sinne einer gewissen Einschränkung der Immunität zugunsten des Territorialitätsprinzips entsprechend den Anregungen von LALIVE (a.a.O. S. 279 und S. 285 ff.) und LAUTERPACHT (The problem of jurisdictional immunities of foreign States, in: The British Year Book of international law, 1951, S. 255 f., einlässlich zitiert bei LALIVE, a.a.O. S. 266 ff.; vgl. a. FAVRE, Principes du droit des gens, Ed. Universitaires Fribourg, BGE 104 Ia 367 S. 371 1974, S. 467 ff.) verstanden werden können. In den Urteilserwägungen wird dargelegt, bei der schwierigen Unterscheidung zwischen Handlungen iure imperii und solchen iure gestionis sei nicht auf den Zweck, sondern auf die Natur des Rechtsverhältnisses abzustellen, das in der Schweiz durchgesetzt werden solle. Es komme darauf an, ob die dieses Rechtsverhältnis begründende Handlung auf der staatlichen Gewalt beruhe oder ob sie derjenigen eines Privaten vergleichbar sei. Anhaltspunkte für die Unterscheidung könne z.B. auch der Ort des Handelns liefern. Trete der fremde Staat ausserhalb seiner Grenzen mit einem Privaten in Beziehung, ohne dass dabei die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten im Spiele seien, so liege darin ein ernsthaftes Indiz für einen Akt iure gestionis. Weiter wird in diesem Urteil festgestellt, es bestehe kein Anlass, um Zwangsvollstreckungsmassnahmen und insbesondere die Arrestnahme gegenüber fremden Staaten in weitergehendem Masse einzuschränken als die schweizerische Zivilgerichtsbarkeit als solche ( BGE 86 I 30 E. 4). Neuere Entscheide des Bundesgerichtes zum Problem der Immunität fremder Staaten sind nicht bekannt. d) Was die Praxis des Auslandes betrifft, sei auf ein Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1963 betreffend die Kosten einer Reparatur der Heizungsanlage im Gebäude der iranischen Botschaft in Köln hingewiesen (BVerfGE 16, 27 ff.). Nach diesem Entscheid deckt sich die Praxis der Bundesrepublik Deutschland zur streitigen Frage im wesentlichen mit der schweizerischen. Auch wird dort festgestellt, dass die Gerichte Italiens, Belgiens, Österreichs, Frankreichs, Griechenlands, Ägyptens und Jordaniens Immunität eindeutig nur für Hoheitsakte fremder Staaten gewährten, wogegen in Grossbritannien und in den Vereinigten Staaten sowie in Japan, den Philipinen und den Staaten Osteuropas sowohl für hoheitliche als auch für nicht-hoheitliche Akte Immunität gewährt werde; in den Vereinigten Staaten und in Grossbritannien sei immerhin eine Tendenz feststellbar, von der unbeschränkten Staatsimmunität abzugehen (vgl. Zusammenfassung bei MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, S. 300 ff.). Im "Bulletin d'information sur les activités juridiques" des Europarates, Juni-Heft 1978, S. 15, findet sich eine kurze Zusammenfassung eines Urteils des englischen Court of Appeal vom 19. April 1977. Es ging dort um die Geltendmachung BGE 104 Ia 367 S. 372 der Forderung aus einem von der Bank von Nigeria für eine Warenlieferung ausgestellten Kreditbrief. Das Gericht hat in diesem Falle festgestellt, die Doktrin über die Immunität von Staaten beziehe sich nicht auf kommerzielle Transaktionen. Die eingangs erwähnte europäische Konvention wurde als Beispiel für die heute fast allgemein herrschende Lehre von der relativen Geltung der staatlichen Immunität angeführt. e) Die erwähnte, hier nicht anwendbare "Convention européenne sur l'immunité des Etats" vom 16. Mai 1972 (veröffentlicht im Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht XXXI/1975 S. 273 ff.) regelt die staatliche Immunität zur Hauptsache in der Form, dass eine ganze Reihe von Tatbeständen umschrieben sind, in denen die Immunität gegenüber einem anderen Staat nicht angerufen werden kann. Für den hier zu entscheidenden Fall sind die Art. 4 und 27 von Interesse. Sie lauten (im französischen Originaltext) wie folgt: "Article 4 1. Sous réserve des dispositions de l'article 5, un Etat Contractant ne peut invoquer l'immunité de juridiction devant un tribunal d'un autre Etat Contractant si la procédure a trait à une obligation de l'Etat qui, en vertu d'un contrat, doit être exécutée sur le territoire de l'Etat du for. 2. Le paragraphe 1 ne s'applique pas: (a) lorsqu'il s'agit d'un contrat conclu entre Etats; (b) lorsque les parties au contrat en sont convenues autrement; (c) lorsque l'Etat est partie à un contrat conclu sur son territoire et que l'obligation de l'Etat est régie par son droit administratif." "Article 27 1. Aux fins de la présente Convention, l'expression "Etat Contractant" n'inclut pas une entité d'un Etat Contractant distincte de celui-ci et ayant la capacité d'ester en justice, même lorsqu'elle est chargée d'exercer des fonctions publiques. 2. Toute entité visée au paragraphe 1 peut être attraite devant les tribunaux d'un autre Etat Contractant comme une personne privée; toutefois, ces tribunaux ne peuvent pas connaître des actes accomplis par elle dans l'exercice de la puissance publique (acta iure imperii). 3. Une telle entité peut en tout cas être attraite devant ces tribunaux lorsque ceux-ci, dans des circonstances analogues, auraient pu connaître de la procédure si elle avait été engagée contre un Etat Contractant." Die Konvention, die als Ausdruck moderner westeuropäischer Rechtsauffassungen betrachtet werden kann, entfernt sich somit im Ergebnis kaum von der herrschenden BGE 104 Ia 367 S. 373 schweizerischen Praxis, wenn auch eine gewisse Tendenz zu weiterer Einschränkung der Immunität unverkennbar ist (ausdrücklich statuierte Ausnahme für vertragliche Verpflichtungen, die in dem Staate zu erfüllen sind, dessen Gerichtsstand in Anspruch genommen wird; Vermutung gegen die Immunität bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts). 3. Die Beschwerdeführerin ist, wie sie selbst ausführt, eine Aktiengesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die dem türkischen Privatrecht untersteht. Mindestens 51% der Aktien müssen sich im Besitze des türkischen Staates befinden. Die Beschwerdeführerin hat die Funktion einer Noten- und Zentralbank. Ihr Gouverneur wird auf Vorschlag des Verwaltungsrates durch den Ministerrat ernannt. Rechtlich besteht somit zwischen der Beschwerdeführerin und der Türkischen Republik keine Identität. Es stellt sich daher die Frage, ob sich jene überhaupt auf die Lehre von der Immunität der Staaten berufen könne. Die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat dies verneint für Körperschaften, denen nach dem Recht ihres Sitzes eigene Rechtspersönlichkeit zukommt ( BGE 73 III 164 ; nicht veröffentlichte Urteile vom 6. November 1931 i.S. Banque Nationale de Bulgarie gegen Alcalay und vom 30. Juni 1942 i.S. Bovard gegen Caisse autonome d'Amortissement de la Dette Publique Chilienne; sinngemäss auch Urteil vom 12. April 1940 i.S. Seckel gegen Österreichischer Bundesschatz; vgl. ferner GMÜR, a.a.O. S. 65). Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden könne, steht allerdings nicht ausser jedem Zweifel. Es wird heute in der schweizerischen und ausländischen Rechtsprechung allgemein den wirtschaftlichen Zusammenhängen grössere Bedeutung beigemessen als vor Jahrzehnten; ja es wird des öftern mit Rücksicht auf diese sogar über die nach aussen in Erscheinung tretende Rechtsform hinweggesehen (Durchgriff bei der Einmann-Aktiengesellschaft; wirtschaftliche Betrachtungsweise im Steuerrecht). Auch der vorstehend angeführte Art. 27 der "Convention européenne" spricht gegen die Annahme, dass mit dem Staat eng verbundene selbständige öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Körperschaften sich von vornherein nicht auf die staatliche Immunität berufen können. Die Frage kann jedoch offen bleiben, wenn die Immunität aus anderen Gründen zu verneinen ist. 4. Von der Sache her bleiben somit die beiden Fragen zu entscheiden, ob die mit dem angefochtenen Arrest geltend gemachte BGE 104 Ia 367 S. 374 Verpflichtung auf der Herrschaftsgewalt des türkischen Staates (ius imperii) oder auf einer anderen, einem privatrechtlichen Verhältnis gleichwertigen Rechtsgrundlage (ius gestionis) beruhe; ferner ob die auch bei Annahme eines auf dem ius gestionis beruhenden Verhältnisses notwendige Binnenbeziehung zur Schweiz bestehe. a) Bei der Unterscheidung zwischen Verpflichtungen iure imperii und solchen iure gestionis ist nicht auf den Zweck, sondern auf die Natur des Rechtsverhältnisses abzustellen. Es ist zu prüfen, ob ein für die öffentliche Gewalt kennzeichnender Akt vorliege oder ein Rechtsverhältnis, wie es in gleicher oder ähnlicher Form auch zwischen Privaten eingegangen werden könnte ( BGE 86 I 29 E. 2 a.E.). Im vorliegenden Falle geht es um die Rückforderung eine s sogenannten "Time Deposit". Die Beschwerdeführerin hat sich über die Rechtsnatur dieses Institutes nicht ausgesprochen. Nach der Natur der Sache kann es sich im Sinne des schweizerischen Rechtes nur um ein depositum irregulare ( Art. 481 OR ) oder um ein Darlehen handeln, wobei die Interessenlage eher für ein Darlehen zu sprechen scheint. Es handelt sich um ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Handelsbanken, nämlich der Lloyds Bank in Zürich und der Türkiye Garanti Bankasi in Istanbul, wie es in ähnlicher Weise zwischen Banken der ganzen Welt abgeschlossen zu werden pflegt. Der türkische Staat war nicht Vertragspartei, so dass sich die Frage, ob ein Akt iure imperii vorgelegen haben könnte, hinsichtlich des Geschäftes als solches überhaupt nicht stellt. b) Die Beschwerdeführerin legt entscheidendes Gewicht auf die türkische Devisengesetzgebung. Deren wesentlicher Inhalt lässt sich dahin zusammenfassen, dass Darlehen in ausländischer Währung über die Beschwerdeführerin als Staatsbank geleitet werden müssen. Diese schreibt der kreditnehmenden Bank den Gegenwert in türkischer Währung gut und leistet nach Ablauf der Vertragsdauer die Rückzahlung in ausländischen Devisen, nachdem sie von der Kreditnehmerin Deckung in türkischer Währung erhalten hat. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie handle bei diesem Vorgehen in Ausführung von Weisungen des Finanzministeriums, und sie will daraus ableiten, es liege ihr gegenüber ein Rechtsverhältnis vor, das auf der staatlichen Herrschaftsgewalt beruhe. Diesem Standpunkt kann nicht beigepflichtet werden. Entscheidend ist, wie bereits dargetan, die Rechtsnatur des BGE 104 Ia 367 S. 375 Grundverhältnisses und nicht die Art, wie dieses von Seite des ursprünglichen türkischen Vertragspartners erfüllt werden kann. Könnte die Lloyds Bank oder ihre Rechtsnachfolgerin direkt gegen die Türkiye Garanti Bankasi vorgehen, so würde es sich um die Abwicklung eines gewöhnlichen zivilrechtlichen Geschäftes handeln. Die staatlichen Zahlungsrestriktionen ändern daran nichts. Zwar untersteht die Türkiye Garanti Bankasi dem türkischen Devisenrecht und damit dem auf diesem Gebiet vom Staat in Anspruch genommenen ius imperii; dagegen hatte die Lloyds Bank mit dessen Herrschaftsmacht überhaupt nichts zu tun, wenn man davon absieht, dass sie sich von vornherein den geltenden Bedingungen über die Rückzahlung des Darlehens in von der Türkei aus gesehen fremder Währung unterzogen hat. Auf Grund der einlässlich dargelegten Lehre und Rechtsprechung kann nicht angenommen werden, dass durch solche reine Zahlungsvorschriften ein privatwirtschaftliches Geschäft in ein solches des ius imperii umgestaltet werde. Weder die zitierten BGE 86 I S. 29/30 und 82 I S. 90/91 noch die in der "Convention européenne" und in der neuen deutschen und englischen Rechtsprechung zum Ausdruck gelangenden Tendenzen lassen einen solchen Schluss zu. c) Die Beschwerdeführerin scheint die heutigen Beziehungen zwischen ihr und der Weston Cie. völlig losgelöst vom ursprünglichen Vertragsverhältnis zwischen der Türkiye Garanti Bankasi und der Lloyds Bank betrachten zu wollen. Nur so könnte sich überhaupt die Frage nach einem Akt auf Grund des ius imperii stellen. Diese Betrachtungsweise geht aber am Kern der Sache vorbei; denn die Weston Cie. hat in den angefochtenen Arrestbefehlen klar zum Ausdruck bringen lassen, dass ihre Forderung auf einem bestimmten, auf Grund seiner Ordnungsnummer durch die Beschwerdeführerin ohne weiteres identifizierbaren "Time Deposit" beruhe. Von einem neuen, selbständigen Rechtsverhältnis kann somit keine Rede sein. Eine andere Frage ist allerdings die, ob die Beschwerdeführerin zivilrechtlich für die Rückerstattung des Darlehens in Schweizer Franken hafte. Die Weston Cie. hatte dies im Arrestbewilligungsverfahren nicht zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen. Der Einzelrichter hielt dieses Erfordernis wohl auf Grund der vorgelegten Auszüge aus der türkischen Devisengesetzgebung und eines Schreibens der Beschwerdeführerin an die Weston Cie. vom 16. März 1978, in dem die BGE 104 Ia 367 S. 376 Rückzahlung des Darlehens zugesichert wurde, als erfüllt. Dies schliesst nicht aus, dass die Beschwerdeführerin im Arrestprosequierungsprozess ihre Passivlegitimation - wie auch die Aktivlegitimation der Weston Cie. - bestreiten kann. Im vorliegenden Verfahren, in dem es lediglich um die Frage der Immunität geht, ist hierauf nicht weiter einzutreten. d) Nach der zitierten Rechtsprechung wäre - vorbehältlich der Frage nach den in der Person der Beschwerdeführerin liegenden Voraussetzungen - deren Immunität gegenüber Zwangsvollstreckungsmassnahmen des schweizerischen Rechtes trotz Vorliegens eines auf dem ius gestionis beruhenden Rechtsverhältnisses dann zu bejahen, wenn eine Binnenbeziehung dieses Verhältnisses zur Schweiz fehlen würde. Die Frage dieser Binnenbeziehung ist jedoch im vorliegenden Falle nicht streitig. Es steht vielmehr fest, dass die Darlehenssumme in Schweizer Franken bei einer schweizerischen Bank hätte zurückerstattet werden müssen (vgl. BGE 86 I 30 ). Auch unter diesem Gesichtswinkel kann sich somit die Beschwerdeführerin nicht auf den Grundsatz der staatlichen Immunität berufen.
public_law
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
11fd919f-ba3e-4492-905c-b615d36e7d8d
Urteilskopf 97 I 116 21. Auszug aus dem Urteil vom 3. März 1971 i.S. Verein Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt.
Regeste Staatsrechtliche Beschwerde. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 1). Legitimation juristischer Personen zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 49 BV ? (Erw. 3 a). Bezeichnung von Privatschulen. Kantonale Vorschrift, wonach Privatschulen sich so zu bezeichnen haben, dass über ihren nichtstaatlichen Charakter kein Zweifel besteht. Verbot, eine private Schule zur Ausbildung von Pfarrern auf Hochschulstufe als "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule" zu bezeichnen. Vereinbarkeit dieses Verbots mit Art. 49 BV (Erw. 3 b), 56 und 31 BV (Erw. 4) und. Art. 4 BV (Erw. 5)?
Sachverhalt ab Seite 117 BGE 97 I 116 S. 117 A.- Das basel-städtische Schulgesetz vom 4. April 1929 (SchulG) enthält in den §§ 130-135 Bestimmungen über Privatschulen. Nach § 130 bedarf es zur Errichtung von Schulen oder Erziehungsanstalten für allgemeine Bildung oder Berufsbildung durch Private, Gesellschaften, Vereine oder Korporationen einer Bewilligung des Regierungsrates. Diese Bewilligung ist an sechs in § 131 unter Ziff. 1-6 aufgezählte Bedingungen geknüpft, von denen die letzte lautet: "6. Privatschulen sind in Ankündigungen als solche so zu bezeichnen, dass über ihren nichtstaatlichen Charakter kein Zweifel besteht." B.- Der Beschwerdeführer ist ein Verein mit Sitz in Basel. Er trägt den Namen "Verein Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" und bezweckt laut Statuten vom 16. März 1968 die Eröffnung und Führung einer privaten, von den bestehenden staatlichen Fakultäten unabhängigen Hochschule zur Ausbildung evangelischer Pfarrer. Am 31. Mai 1968 ersuchte er um die Bewilligung, eine solche Schule in Basel zu errichten. Der Regierungsrat beschloss am 8. Dezember 1968, die Bewilligung zur Errichtung der geplanten Lehrstätte unter der Bezeichnung "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" oder "Internationale nicht-staatliche Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" zu verweigern. Nach Eröffnung dieses Entscheids reichte der Beschwerdeführer gleichzeitig beim Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt einen Rekurs und beim Regierungsrat ohne Präjudiz für den Rekurs ein Wiedererwägungsgesuch ein, dieses mit dem Antrag, es sei ihm die Errichtung und Führung der geplanten BGE 97 I 116 S. 118 Lehrstätte unter der Bezeichnung "Freie Evangelisch-Theologische Akademie Basel" zu bewilligen. Der Regierungsrat entsprach diesem Gesuch durch Beschluss vom 3. Februar 1970. Das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht wies den Rekurs am 29. Mai 1970 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der angefochtene Entscheid stehe mit § 131 Ziff. 6 SchulG im Einklang, da die Verwendung der Bezeichnung "Hochschule" den Eindruck erwecken würde, die Lehrstätte sei mit der Universität verbunden. Zweifel über ihren nichtstaatlichen Charakter würden auch durch Zusätze nicht in der vom SchulG verlangten eindeutigen Weise ausgeschlossen, selbst nicht durch das Wort "frei". Das Schwergewicht der gewünschten Bezeichnung liege eindeutig auf dem Ausdruck "Hochschule", und jedes Adjektiv verblasse vor diesem Hauptwort und werde im Verkehr bald weggelassen. Dem Einwand, der angefochtene Entscheid verletze die Glaubens- und Gewissensfreiheit, sei entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht an das Gesetz gebunden sei und es nicht auf seine Verfassungsmässigkeit überprüfen könne. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit wäre übrigens nur verletzt, wenn dem Beschwerdeführer die Führung des geplanten Instituts überhaupt verweigert worden wäre; dagegen werde sie durch den Zwang zur Wahl einer andern Bezeichnung als "Hochschule" nicht in Frage gestellt (wird näher ausgeführt). C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt der Beschwerdeführer den Antrag, es seien die Entscheide des Regierungsrates vom 8. Dezember 1969 und des Verwaltungsgerichtes vom 29. Mai 1970 aufzuheben. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht: An den schweizerischen Universitäten gebe es keine theologische Fakultät, an der alle Professoren sich zur uneingeschränkten göttlichen Autorität der ganzen Bibel bekennen. Es bestehe daher ein Bedürfnis nach einer solchen Lehrstätte für die Ausbildung von Pfarrern. Die Lehrstätte des Beschwerdeführers sei eine Hochschule im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs, da nur Studierende mit Maturität oder gleichwertigem Zeugnis zugelassen würden und die theologische Schlussprüfung derjenigen der theologischen Fakultäten anderer Hochschulen entspreche. Die vom Regierungsrat vorgeschlagenen Bezeichnungen deuteten nicht auf eine Institution mit Hochschulcharakter, auch der Name "Akademie" nicht. BGE 97 I 116 S. 119 Durch die Verweigerung der Bezeichnung "Hochschule" werde der Beschwerdeführer in der Ausübung der Lehrtätigkeit behindert und damit werde Art. 49 BV verletzt. Ferner verstosse die Verweigerung gegen Art. 4 BV . Sie beruhe auf einer willkürlichen Auslegung des Schulgesetzes, das den Begriff "Hochschule" gar nicht verwende, geschweige denn den staatlichen Lehranstalten vorbehalte, sondern lediglich die Unterscheidbarkeit zwischen staatlichen und privaten Schulen verlange. Eine Rechtsungleichheit liege einerseits darin, dass der theologischen Fakultät der Universität Basel ein Prioritätsrecht für alle auf einen Hochschulcharakter hinweisenden Bezeichnungen eingeräumt werde, anderseits darin, dass es in der Schweiz mehrere nichtstaatliche Hochschulen gebe (wird näher ausgeführt). Willkürlich sei schliesslich die Annahme, dass der Zusatz "frei" nicht genügend unterscheidungskräftig sei. D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Appellationsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die vorliegende Beschwerde richtet sich nach Antrag und Begründung nicht nur gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, sondern auch gegen den Entscheid des Regierungsrates und begründet dies damit, dass das Verwaltungsgericht nicht mit freier Prüfungsbefugnis entschieden habe. Gemäss Art. 86 Abs. 2 (und Art. 87) OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der vom Beschwerdeführer angerufenen Art. 4 und 49 BV erst gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig. Das bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung, dass sich die Beschwerde nur gegen den Entscheid der letzten kantonalen Instanz mit freier Prüfungsbefugnis richten kann, nicht auch gegen vorausgegangene Entscheide unterer Instanzen ( BGE 95 I 115 E. 1 mit Hinweisen auf frühere Urteile, BGE 96 I 14 E. 1). Das will jedoch nicht heissen, dass vorausgegangene Entscheide immer dann mit angefochten werden können, wenn die kantonale Rechtsmittelinstanz nach dem massgebenden kantonalen Recht nicht alle Rügen, die bei ihr erhoben werden können, frei überprüfen kann. Massgebend ist vielmehr ihre Prüfungsbefugnis inbezug auf diejenigen Fragen, die Gegenstand der staatlichen Beschwerde sind. Soweit die kantonale Rechtsmittelinstanz diese Fragen frei prüfen BGE 97 I 116 S. 120 konnte, kann sich die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen den Rechtsmittelentscheid richten (vgl. BGE 90 I 20 E. 1); soweit sie sie dagegen nur beschränkt oder überhaupt nicht prüfen konnte, kann sich die staatsrechtliche Beschwerde auch gegen den Entscheid der untern Instanz richten (vgl. BGE 94 I 462 E. 2 b). Im vorliegenden Falle konnte das Verwaltungsgericht völlig frei prüfen, ob der Regierungsrat § 131 Ziff. 6 SchulG richtig ausgelegt und angewendet habe (§§ 8 und 18 des basel-städtischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 14. Juni 1928). Anderseits glaubte es (freilich zu Unrecht; vgl. BGE 82 I 219 E. 1, BGE 91 I 313 , BGE 92 I 482 ), es könne ebenso wenig wie der Regierungsrat prüfen, ob diese Bestimmung gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstosse. Hat das Verwaltungsgericht somit die den Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bildenden Fragen gleich wie der Regierungsrat teils völlig frei, teils überhaupt nicht geprüft, so kann sich die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid richten. Soweit auch der Entscheid des Regierungsrates angefochten wird, ist daher auf die Beschwerde nicht einzutreten. 2. ... 3. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie eine Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit ( Art. 49 BV ) geltend. a) Das Bundesgericht hat bereits in BGE 4 S. 536 ff. entschieden, dass das Individualrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit seiner Natur nach nur physischen Personen zustehen könne und dass sich deshalb juristische Personen nicht auf Art. 49 Abs. 6 BV berufen können. Hieran hat es in der Folge festgehalten ( BGE 35 I 335 undBGE 52 I 116). Dagegen hat es in BGE 95 I 354 /55 entschieden, dass juristische Personen, die, wie die sogenannten Freikirchen, selber religiöse, insbesondere kirchliche Zwecke verfolgen, sich auf Art. 49 BV berufen und eine Verletzung von Abs. 6 dieser Bestimmung rügen können. Der Beschwerdeführer verfolgt offensichtlich derartige Zwecke, da er sich der Ausbildung von Pfarrern von Freikirchen widmet. Auf seine Rüge, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 49 BV , ist daher einzutreten. b) Sie erweist sich indessen als unbegründet. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit umfasst neben dem Recht des Einzelnen, in seiner religiösen Überzeugung keinen Zwang zu erleiden, BGE 97 I 116 S. 121 auch das Recht, Glaubensansichten zu äussern und religiöse Lehren und Überzeugungen zu verbreiten ( BGE 56 I 439 , BGE 57 I 116 E. 2, BGE 73 I 114 E. 2), und dazu gehört auch die Freiheit, Pfarrer in einem bestimmten Bekenntnis auszubilden. Diese Freiheit wäre indessen nur dann verletzt, wenn dem Beschwerdeführer die Bewilligung zum Betrieb der von ihm gegründeten Ausbildungsstätte verweigert worden wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Regierungsrat hat ihm die Bewilligung erteilt. Streitig ist einzig die Benennung der Ausbildungsstätte. Hinsichtlich dieser Benennung könnte die Glaubens- und Gewissensfreiheit allenfalls verletzt werden durch das Verbot der Verwendung des Ausdrucks "evangelisch". Dagegen kann sie nicht dadurch verletzt werden, dass vom Beschwerdeführer gestützt auf § 131 Ziff. 6 SchulG verlangt wird, dass er für seine Schule eine Bezeichnung wähle, die über ihren nichtstaatlichen Charakter keinen Zweifel lässt, denn hierin liegt keine Beeinträchtigung der durch Art. 49 BV gewährleisteten Lehrfreiheit aufreligiösem Gebiete. Die Frage, wie eine Ausbildungsstätte zu bezeichnen ist, damit kein Zweifel über ihren nichtstaatlichen Charakter besteht, stellt sich bei einer theologischen Ausbildungsstätte nicht anders als bei irgendeiner andern Lehranstalt. 4. Da der Beschwerdeführer ein Verein ist, könnte sich fragen, ob der angefochtene Entscheid nicht gegen die Vereinsfreiheit ( Art. 56 BV ) verstosse. Diese Rüge wird indessen vom Beschwerdeführer nicht erhoben und wäre denn auch unbegründet. Abgesehen davon, dass die Berufung auf die Vereinsfreiheit wohl nur den einzelnen, sich zu einem Verein zusammenschliessenden Bürgern zusteht (FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht S. 380; AUBERT, Droit constitutionnel suisse Nr. 2139), kann von einer Verletzung dieser Freiheit nicht die Rede sein, da der angefochtene Entscheid sich nicht auf den Bestand, die Tätigkeit oder den Namen des Vereins bezieht, sondern lediglich auf die Bezeichnung der von ihm betriebenen Ausbildungsstätte. Ebensowenig kann die vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht angerufene Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ) verletzt sein. Der Betrieb einer Schule steht wie jede andere Tätigkeit nur dann unter dem Schutz dieser Freiheit, wenn damit Erwerbszwecke verfolgt werden (vgl. 80 I 143), was beim Beschwerdeführer offensichtlich nicht der Fall ist, denn er verfolgt einen rein idealen Zweck. Zudem kann auch BGE 97 I 116 S. 122 von einer zum Zweck des Erwerbs betriebenen Schule ohne Verletzung von Art. 31 BV verlangt werden, dass ihre Bezeichnung über ihren nichtstaatlichen Charakter keinen Zweifel lässt, wie es § 131 Ziff. 6 SchulG vorschreibt. Es kann sich nur fragen, ob die Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung durch das Verwaltungsgericht von Art. 4 BV , d.h. vor dem Verbot der rechtsungleichen Behandlung und der Willkür standhält. 5. Der Beschwerdeführer bestreitet mit Recht nicht, dass die von ihm gegründete Lehrstätte für Pfarrer eine private "Schule für Berufsausbildung" im Sinne von § 130 SchulG ist und dass ihre Errichtung daher einer Bewilligung des Regierungsrates bedurfte. Deren Erteilung ist an die in § 131 Ziff. 1-6 SchulG aufgezählten Bedingungen geknüpft, darf also nach Ziff. 6 dieser Bestimmung dann verweigert werden, wenn der Beschwerdeführer seine Privatschule nicht so bezeichnet, dass "über ihren nichtstaatlichen Charakter kein Zweifel besteht". Der Regierungsrat wie auch das Verwaltungsgericht sind der Auffassung, dass die vom Beschwerdeführer gewählte Bezeichnung "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" dieser Anforderung deshalb nicht genüge, weil eine "Hochschule" nach schweizerischen Begriffen eine staatliche Anstalt sei und kein Beiwort, auch nicht der Zusatz "frei" geeignet sei, Zweifel über ihren nichtstaatlichen Charakter auszuschliessen. a) Der Beschwerdeführer behauptet, dadurch werde insofern eine Rechtsungleichheit geschaffen, als es in der Schweiz verschiedene private Ausbildungsstätten gegeben habe und noch heute gebe, die sich als Hochschulen bezeichnen, wie z.B. die "Hochschule für Geisteswissenschaften" in Dornach (SO) und die "Schweizerischen Talmudhochschule" in Kriens (LU). Dieser Einwand ist indessen zum vornherein untauglich zur Begründung des Vorwurfs einer Verletzung von Art. 4 BV , da - wie das Bundesgericht stets entschieden hat - aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nichts dagegen einzuwenden ist, dass kantonales Recht von Kanton zu Kanton verschieden ist oder verschieden gehandhabt wird ( BGE 91 I 491 , BGE 93 I 336 und 715 oben). Wegen rechtsungleicher Behandlung im Sinne von Art. 4 BV könnte sich der Beschwerdeführer nur beklagen, wenn Behörden des Kantons Basel-Stadt private Schulen mit der Bezeichnung "Hochschule" zugelassen hätten, was er nicht behauptet. Es kann sich daher nur fragen, ob Art. 4 BV dadurch BGE 97 I 116 S. 123 verletzt worden ist, dass das Verwaltungsgericht sich der Willkür schuldig gemacht, d.h. § 131 Ziff. 6 SchulG in einer Weise ausgelegt und angewendet hat, die mit dem klaren Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung unvereinbar, mit keinen sachlichen Überlegungen vertretbar ist. b) Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht bestreiten nicht, dass die Lehrstätte des Beschwerdeführers grundsätzlich nur Studierenden, die über ein Reifezeugnis verfügen, zugänglich ist und diesen eine Ausbildung in einem wissenschaftlichen Beruf und auf Hochschulstufe vermittelt. Der Beschwerdeführer hat daher ein erhebliches Interesse, dass dieser Charakter seiner Lehrstätte auch in deren Namen zum Ausdruck kommt, und es ist verständlich, dass er auf das Wort "Hochschule" besonderen Wert legt. Er weist mit Recht darauf hin, dass diese Bezeichnung den Charakter der Lehrstätte wesentlich besser kennzeichnet als die vom Regierungsrat bewilligte Bezeichnung "Akademie", die im heutigen Sprachgebrauch, wie die in der Beschwerde erwähnten Beispiele zeigen, auch für andere als akademische Berufsschulen und Ausbildungsstätten verwendet wird. Anderseits ist aber nicht zu bestreiten, dass das Hauptwort "Hochschule", für sich allein genommen, heute in der Schweiz die Vorstellung einer staatlichen oder doch vom Staate getragenen Lehr- und Forschungsanstalt erweckt, und das gleiche muss, wie im Entscheid des Regierungsrates zutreffend ausgeführt wurde, auch für die Bezeichnung "Fakultät" gelten. Der Beschwerdeführer hat dies selber dadurch anerkannt, dass er sich von Anfang an bereit erklärte, ein Beiwort wie "frei" oder "nichtstaatlich" in die Bezeichnung seiner Lehrstätte aufzunehmen. c) Wie der Regierungsrat, so scheint auch das Verwaltungsgericht anzunehmen, dass alle Beiwörter vor dem Hauptwort "Hochschule" verblassen und kein Zusatz geeignet sei, einer als "Hochschule" bezeichneten Lehranstalt den Anschein der Staatlichkeit zu nehmen. Ob man ohne Willkür so weit gehen kann, erscheint zweifelhaft. Richtig ist freilich, dass Beiwörter im Verkehr mit der Zeit oft weggelassen werden. Das mag es rechtfertigen, die Bezeichnung "Internationale nicht-staatliche Evangelisch-Theologische Hochschule Basel", die der Beschwerdeführer im regierungsrätlichen Verfahren neben dem heute streitigen Namen vorgeschlagen hat, abzulehnen, denn es ist nicht zu erwarten, dass ein so langer Namen sich im BGE 97 I 116 S. 124 Verkehr durchsetzen wird. Anders dürfte es sich dagegen verhalten mit einer Bezeichnung wie etwa "Private Hochschule für Evangelische Theologie" oder "Privathochschule für Evangelische Theologie", bei der die Gefahr, dass das Beiwort weggelassen wird, wesentlich geringer ist. Ob die basel-städtischen Behörden dem Beschwerdeführer die Führung der Bezeichnung "Privathochschule für Evangelische Theologie". oder eines ähnlichen Namens aufgrund von § 131 Ziff. 6 SchulG verbieten könnten, kann indes dahingestellt bleiben. Vor dem Verwaltungsgericht war einzig streitig, ob der Beschwerdeführer seine Ausbildungsstätte als "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" bezeichnen darf, weshalb das Bundesgericht nur zu prüfen hat, ob das Verbot dieser Bezeichnung vor Art. 4 BV standhält. d) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass der Zusatz "frei" zum Hauptwort "Hochschule" mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringe, dass es sich um eine nichtstaatliche Anstalt handle. Er weist dabei auf die seit langem bestehende "Freie Evangelische Schule Basel" hin. Bei dieser Schule wie auch beim "Freien Gymnasium Zürich" handelt es sich jedoch um eine Mittelschule. Was für solche Schulen gilt, lässt sich nicht ohne weiteres auf Hochschulen übertragen, da in der Schweiz private Mittelschulen nicht selten sind, während eine private Schule, an der eine wissenschaftliche Ausbildung auf Hochschulstufe vermittelt wird, eine durchaus ungewöhnliche Erscheinung darstellt. Der Standpunkt des Beschwerdeführers, dass die streitige Bezeichnung den Anforderungen von § 131 Ziff. 6 SchulG genüge, lässt sich zwar mit guten Gründen vertreten, und es hätte sich ihre Zulassung sehr wohl rechtfertigen lassen. Indessen kann sich auch die gegenteilige, im angefochtenen Entscheid vertretene Auffassung auf sachliche Gründe stützen. Sowohl nach dem allgemeinen wie nach dem juristischen Sprachgebrauch ist das Gegenteil von "staatlich" nicht "frei", sondern "privat". Der Ausdruck "frei" hat verschiedene Bedeutungen und erscheint jedenfalls in der Verbindung mit dem Wort "Schule" oder "Hochschule" als nicht völlig klar und eindeutig im Sinne eines Gegensatzes zu "staatlich". Bei der Bezeichnung "Freie Hochschule" insbesondere wird man heute meist sofort an die "Freie Universität Berlin" denken, bei der es sich nicht um eine private, sondern gerade um eine zweite staatliche Hochschule in der Stadt Berlin handelt. BGE 97 I 116 S. 125 Unter diesen Umständen kann der angefochtene Entscheid nicht als schlechthin unhaltbar, geradezu willkürlich bezeichnet werden und ist die Beschwerde daher abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
public_law
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
11fedb52-788f-4c1b-9890-bc1dc7089348
Urteilskopf 127 III 115 19. Estratto della sentenza 8 dicembre 2000 della Camera delle esecuzioni e dei fallimenti nella causa U. S.A. c. B. (ricorso)
Regeste Art. 106 ff., Art. 153 Abs. 2 lit. a und Art. 155 SchKG ; Zustellung eines Zahlungsbefehls an den Dritteigentümer des Pfandes. Nur wer wirklich Eigentümer des Pfandes ist, hat gestützt auf Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG Anspruch auf Zustellung eines Zahlungsbefehls. Die Feststellung der Eigentümerschaft fällt grundsätzlich nicht in die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde, sondern ist zum Gegenstand eines Widerspruchsprozesses zu machen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 115 BGE 127 III 115 S. 115 A.- La U. S.A. ha escusso in via di realizzazione del pegno manuale i coniugi C. e D. per un prestito loro concesso. La banca fonda la propria pretesa su un riconoscimento di debito e su due cartelle ipotecarie al portatore, gravanti una particella intestata a C. e a B. in ragione di metà ciascuna. Dopo che gli escussi hanno ritirato l'opposizione inizialmente interposta, la creditrice ha chiesto la vendita delle predette cartelle ipotecarie e l'Ufficio di esecuzione ha indetto l'incanto. B.- Il 17 ottobre 2000, in parziale accoglimento di un ricorso di B., la Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale d'appello del Cantone Ticino, quale autorità di vigilanza, ha annullato il previsto incanto e ha ordinato all'Ufficio di notificare un esemplare del precetto esecutivo anche all'insorgente. I Giudici cantonali hanno in sostanza ritenuto B. comproprietaria del pegno, che in applicazione dell' art. 153 cpv. 2 LEF assume il ruolo di coescussa con il diritto di ricevere il precetto e di interporre opposizione. Poiché la notifica di tale precetto non era ancora avvenuta, la richiesta di proseguire l'esecuzione era prematura e l'Ufficio non poteva indire l'asta. BGE 127 III 115 S. 116 C.- Con ricorso 2 novembre 2000 la U. S.A. ha chiesto al Tribunale federale di annullare la sentenza dell'autorità di vigilanza e di ordinare all'Ufficio di esecuzione di procedere alla vendita delle due cartelle ipotecarie. Con risposta 28 novembre 2000 B. ha postulato la reiezione del gravame e la conferma della decisione impugnata. Il Tribunale federale ha parzialmente accolto il rimedio e ha annullato il giudizio cantonale nella misura in cui ordina all'Ufficio di notificare un precetto esecutivo a B. Erwägungen Dai considerandi: 3. Giusta l' art. 153 cpv. 2 lett. a LEF l'Ufficio notifica il precetto anche al terzo che ha costituito il pegno o ne è diventato proprietario. Unicamente colui che è effettivamente proprietario o comproprietario del pegno ha diritto a ricevere un precetto ( DTF 48 III 36 consid. 3 pag. 39 in alto, DTF 77 III 30 consid. 2 pag. 32). L'Ufficio notifica al terzo il precetto se lo stesso creditore procedente lo indica quale proprietario del pegno o se il suo diritto di proprietà risulta dal registro fondiario o è stato accertato giudizialmente ( DTF 48 III 36 consid. 3 pag. 39 seg., DTF 72 III 14 pag. 19 in alto; art. 88 RFF [RS 281.42]). Se nessuna di queste eventualità si avvera, trattasi di una questione di diritto materiale da risolvere con la procedura di rivendicazione ai sensi degli art. 106 segg. LEF ( DTF 48 III 36 consid. 3 pag. 39 seg., DTF 72 III 14 pag. 19 in alto; SCHELLENBERG, Die Rechtsstellung des Dritteigentümers in der Betreibung auf Pfandverwertung, tesi Zurigo 1968, pag. 57; cfr. anche KÄNZIG/BERNHEIM, Commento basilese, SchKG II, n. 25 all' art. 155 LEF ). Scopo della procedura di rivendicazione è infatti di chiarire la situazione, qualora terzi avanzino diritti sui beni oggetto della procedura di esecuzione (AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6a ed., § 24 n. 5) ed essa va segnatamente aperta per determinare se un precetto esecutivo dev'essere notificato a un terzo che fa valere pretese sul pegno (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 39 all' art. 155 LEF ). Nella fattispecie, trattandosi di un pegno manuale, non sussiste alcuna iscrizione a registro fondiario riguardante la sua proprietà né la qui ricorrente indica la controparte quale comproprietaria né sussiste una sentenza giudiziaria sulla questione. In queste condizioni, non compete all'autorità di vigilanza accertare, anche solo implicitamente, la comproprietà della controparte sulle cartelle ipotecarie oggetto del pegno manuale. Se i giudici cantonali, come pare in concreto, ritengono che con il ricorso quest'ultima abbia fatto valere la BGE 127 III 115 S. 117 sua (com)proprietà sul pegno, il rimedio dev'essere ritornato all'Ufficio affinché lo tratti quale rivendicazione ai sensi degli art. 106 segg. Se al termine di tale procedura la pretesa della terza rivendicante dovesse essere riconosciuta o accertata giudizialmente, essa ha diritto alla notifica di un precetto esecutivo. Ne segue che la sentenza dev'essere annullata nella misura in cui ordina all'Ufficio di esecuzione di notificare un precetto esecutivo alla controparte. La decisione cantonale va invece confermata laddove annulla l'incanto, essendo la procedura di realizzazione sospesa per la durata di quella di rivendicazione ( art. 109 cpv. 5 LEF applicato per analogia in virtù dell' art. 155 cpv. 1 LEF ).
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Urteilskopf 92 II 184 28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1966 i.S. Maag gegen Konsumverein Frauenfeld.
Regeste Dienstvertrag; sofortige Auflösung aus wichtigen Gründen ( Art. 352 OR ). 1. Es ist zulässig, im Prozess als entscheidenden Grund für die sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses Umstände anzurufen, die im Zeitpunkt der Auflösungserklärung zwar vorhanden, dem Erklärenden aber noch nicht bekannt waren (Erw. 4). 2. Die Annahme von Geldgeschenken eines Lieferanten durch einen Geschäftsleiter (Verwalter einer Konsumgenossenschaft) ist ein wichtiger Grund zur fristlosen Entlassung (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 184 BGE 92 II 184 S. 184 Maag trat am 1. August 1956 als Verwalter in den Dienst der Genossenschaft "Konsumverein Frauenfeld und Umgebung". Der schriftliche Anstellungsvertrag vom 1. August 1957 auferlegte Maag u.a. die Pflicht, die Interessen der Genossenschaft auf jede Weise zu wahren (Art. 4), und verwies in einzelnen Punkten (Lohnanspruch bei Krankheit und Militärdienst, Ansprüche aus Pensionsversicherung) auf einen Gesamtarbeitsvertrag, der im übrigen für Maag nicht galt. Am 8. Juni 1963 teilte die Verwaltungskommission der Genossenschaft Maag schriftlich mit, sie löse das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung auf, weil er in schwerer Weise BGE 92 II 184 S. 185 gegen seine dienstvertraglichen Pflichten verstossen habe. Sie begründete diesen Vorwurf mit Behauptungen, die sich u.a. auf sein Verhältnis zur Verwaltungskommission, seine Personalpolitik und seine Geschäftsführung bezogen. In der Folge erfuhr sie, dass Maag von einem Lieferanten Geldgeschenke angenommen hatte. Im Prozess, den Maag gegen den Konsumverein einleitete, entschied das Obergericht des Kantons Thurgau am 20. Januar 1966, der Beklagte sei vor allem wegen der Annahme von Geschenken durch den Kläger berechtigt gewesen, diesen am 8. Juni 1963 fristlos zu entlassen. Das Bundesgericht weist die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil im Hauptpunkte ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Der Kläger glaubt, der Beklagte habe den Dienstvertrag nicht mit sofortiger Wirkung auflösen können, weil die im Schreiben vom 8. Juni 1963 genannten Gründe vorgeschoben und zudem nicht wichtig seien und weil der Beklagte damals noch nicht gewusst habe, dass sich der Kläger vom Lieferanten Früh Geld schenken liess. In der schweizerischen und in der deutschen Lehre ist umstritten, ob im Prozess als entscheidender Grund für die fristlose Auflösung des Dienstverhältnisses Umstände angerufen werden können, die im Zeitpunkt der Auflösungserklärung zwar vorhanden, dem Erklärenden aber noch nicht bekannt waren (bejahend OSER/SCHÖNENBERGER N. 14 zu Art. 352 OR , STAUDINGER, 11. Aufl., N. 10 und 23 zu § 626 BGB; verneinend BECKER N. 2 zu Art. 352 OR , SCHLEGELBERGER, 4. Aufl., N. 22 zu § 70 HGB). a) Solche Umstände geltend zu machen, wäre von vornherein ausgeschlossen, wenn beim Entscheid darüber, ob die fristlose Auflösung wirksam sei, nur Umstände berücksichtigt werden dürften, die in der Auflösungserklärung als wichtige Gründe angeführt wurden. Art. 352 OR , wonach aus wichtigen Gründen sowohl der Dienstpflichtige als auch der Dienstherr jederzeit den Vertrag sofort auflösen kann, bestimmt jedoch nicht, dass die dahin gehende Erklärung begründet werden müsse. Das Recht zur Auflösung hängt nach dem Wortlaut dieser Norm nur vom Bestande, nicht von der Mitteilung der wichtigen Gründe ab. Dass die Erklärung sie im einzelnen nenne, ist auch sachlich BGE 92 II 184 S. 186 nicht geboten. Unerlässlich ist nur, dass der Empfänger der Auflösungserkärung dieser entnehmen kann, dass es sich nicht um eine ordentliche Kündigung handelt, sondern dass der andere das Dienstverhältnis aus wichtigen Gründen sofort auflösen will. Welches diese Gründe sind, ist für den Erklärungsempfänger oft ohne weiteres erkennbar, auch wenn die Erklärung keine näheren Angaben darüber enthält. Nicht selten liegt es geradezu in seinem Interesse, dass die Erklärung die Gründe nicht näher bezeichnet. Seine Verteidigungsmöglichkeiten werden durch das Fehlen genauer Grundangaben in der Auflösungserklärung nicht beeinträchtigt. Der Erklärende muss die fraglichen Tatsachen im Prozess anführen und beweisen, wenn er mit der fristlosen Auflösung durchdringen will. Das Gebot, die Gründe schon in der Auflösungserklärung zu nennen, lässt sich auch nicht etwa damit begründen, dass diese Angabe nötig sei, um dem Empfänger die Möglichkeit zu bieten, sie sogleich zu widerlegen und damit den Erklärenden zum Rückzug seiner Erklärung zu bewegen. Will dieser mit sich reden lassen, so wird er einem Gesuch um Bekanntgabe der einzelnen Gründe entsprechen, worauf der andere seine Einwendungen vorbringen kann. Verweigert er dagegen die Auskunft, so ist anzunehmen, dass er sich durch das, was der andere bei Kenntnis der Gründe allenfalls einwenden könnte, nicht umstimmen liesse. Brauchen die wichtigen Gründe in der Auflösungserklärung nicht bezeichnet zu werden, so kann auch nichts darauf ankommen, ob eine mit der Erklärung verbundene Begründung zutreffe. Der Erklärende kann vielmehr im Streitfalle andere Gründe geltend machen. So wurde schon unter der Herrschaft von Art. 346 aoR entschieden, mit dem Art. 352 des geltenden OR im massgebenden Punkte übereinstimmt ( BGE 25 II 436 ). Die Auffassung, dass der Erklärende bei der ursprünglichen Begründung nicht behaftet werden kann, liegt auch dem Entscheide BGE 89 II 35 zugrunde, wo eine Erklärung nach Art. 107 ff. OR in eine solche nach Art. 418 r und Art. 352 OR umgedeutet wurde. Die Berufung auf einen erst nachträglich entdeckten Sachverhalt lässt sich daher nicht mit der Begründung als unzulässig erklären, der Richter dürfe nur die in der Auflösungserklärung angegebenen Gründe berücksichtigen. b) Die Auffassung, erst nach der Auflösungserklärung entdeckte Tatsachen seien im Prozess nicht zu beachten, lässt sich BGE 92 II 184 S. 187 auch nicht auf das vom Kläger vorgebrachte Argument stützen, die rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärung müsse von einer vorangegangenen Willensbildung getragen sein. Abgesehen davon, dass nur der Erklärende selber sich allenfalls auf die Nichtübereinstimmung seines Willens mit der Erklärung berufen kann ( Art. 23 OR ), verwechselt der Kläger den Willen mit dem Beweggrund. Der Wille zur Vertragsauflösung setzt nicht einen bestimmten Beweggrund voraus. c) Man könnte versucht sein, die Rechtfertigung der fristlosen Auflösung durch nachträglich entdeckte Tatsachen mit der Begründung auszuschliessen, wenn das Gesetz den Parteien des Dienstverhältnisses die sofortige Auflösung aus wichtigen Gründen gestatte, setze es voraus, dass die Auflösungserklärung durch Tatsachen veranlasst wurde, die nicht nur objektiv als wichtiger Grund gelten können, sondern bei Abgabe der Erklärung vom Erklärenden auch als solcher empfunden wurden; andernfalls sei dem Erklärenden die Fortsetzung des Verhältnisses zuzumuten; im erwähnten Zeitpunkt noch nicht bekannte Tatsachen könne er nicht als wichtigen Grund empfunden haben. So ist es wohl zu verstehen, wenn BECKER (a.a.O.) sagt, aus dem "Wesen" der Auflösung aus wichtigen Gründen ergebe sich, dass der wichtige Grund dem Erklärenden zur Zeit der Erklärung bekannt sein müsse. Richtig ist, dass ein objektiv wichtiger Grund im Hinblick auf die Einstellung des Erklärenden zur Zeit der Auflösungserklärung als nicht wichtig erscheinen kann. Daraus folgt aber nicht, dass nachträglich entdeckte Tatsachen beim Entscheid über die Wirksamkeit der Auflösungserklärung nicht den Ausschlag geben können. Einem Tatbestand, der objektiv als wichtiger Grund in Frage kommt, mit Rücksicht auf das Empfinden des Erklärenden bei Abgabe der Erklärung die Bedeutung eines solchen Grundes abzusprechen, lässt sich vielmehr nur rechtfertigen, wenn der Erklärende ihn im erwähnten Zeitpunkt nachgewiesenermassen als unwichtig betrachtete, was voraussetzt, dass er ihn kannte. Nichts Abweichendes folgt aus Art. 352 Abs. 2 OR , wonach als wichtiger Grund namentlich jeder Umstand anzusehen ist, bei dessen Vorhandensein dem Zurücktretenden aus Gründen der Sittlichkeit oder nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Verhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf. Abgesehen davon, dass diese Norm die erwähnten Umstände nur als BGE 92 II 184 S. 188 Beispiele wichtiger Gründe anführt ("namentlich"), verlangt sie grundsätzlich eine Wertung der objektiven Umstände nach einem objektiven Masstab. Das ergibt sich besonders deutlich aus der französischen Fassung, die einfach von Umständen spricht, die "pour des raisons de moralité ou en vertu des règles de la bonne foi, autorisent l'une des parties à ne plus exécuter le contrat". Das subjektive Empfinden des Zurücktretenden kann einen Umstand, der die Fortsetzung des Verhältnisses aus Gründen der Sittlichkeit usw. objektiv als nicht zumutbar erscheinen lässt, unter dem Gesichtspunkte von Art. 352 OR nur dann unbeachtlich machen, wenn der Zurücktretende ihn nachgewiesenermassen kannte und als unwichtig betrachtete. Art. 352 Abs. 2 OR verbietet dem Richter also keineswegs, Tatsachen zu berücksichtigen, die bei Abgabe der Auflösungserklärung vorhanden, dem Erklärenden aber noch nicht bekannt waren. Im Gegenteil ist klar, dass ein objektiver Sachverhalt der Fortsetzung des Dienstverhältnisses aus Gründen der Sittlichkeit oder nach Treu und Glauben schon im Wege stehen kann, bevor ihn der Zurücktretende kennt. d) Art. 4 ZGB verlangt, dass der Richter den Entscheid, ob wichtige Gründe vorliegen, nach Recht und Billigkeit treffe. Dieser Grundsatz schliesst die Berücksichtigung von Gründen, die zur Zeit der Auflösungserklärung vorhanden, dem Zurücktretenden aber noch nicht bekannt waren, nicht aus. Vielmehr kann er sie gebieten. Zumal dann, wenn die erst nachträglich entdeckten Gründe in der Person oder im Verhalten der Gegenpartei des Zurücktretendenliegen, widerspräche es Recht und Billigkeit, diese Partei daraus Nutzen ziehen zu lassen, dass der Zurücktretende jene Gründe zunächst noch nicht kannte, d.h. ihr bis zur Entdeckung und Geltendmachung jener Gründe durch den Zurücktretenden die aus dem Vertrag fliessenden Ansprüche zu gewähren, falls die Gründe, die dem Zurücktretenden schon früher bekannt waren, nicht durchschlagen. Eine solche Lösung wäre selbst dann unbillig, wenn man vom Zurücktretenden nicht verlangen würde, dass er nach Entdeckung der weitern Gründe erkläre, er löse das Verhältnis für den Fall, dass es nicht bereits durch seine frühere Erklärung aufgehoben worden sein sollte, nunmehr fristlos auf, sondern wenn man für den Eintritt dieser Wirkung genügen liesse, dass er sich zur Rechtfertigung seiner früheren Erklärung auf die neu entdeckten Tatsachen beruft. BGE 92 II 184 S. 189 e) Die Annahme, dass ein schon zur Zeit der Auflösungserklärung vorhanden gewesener Umstand als wichtiger Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses auf jenen Zeitpunkt angerufen werden kann, erlaubt keiner Partei, das Dienstverhältnis nach Lust und Laune zu Fall zu bringen. Die Auflösungserklärung wirkt nur dann gestaltend, wenn wichtige Gründe objektiv tatsächlich bestehen. Fehlen sie, so behält der Gegner den Erfüllungsanspruch. Insbesondere bleibt dieser dem Dienstpflichtigen gewahrt, wenn ihn der Dienstherr ohne wichtigen Grund fristlos "entlässt" ( BGE 78 II 441 ff., BGE 79 II 388 ). Wer aufs Geratewohl die Auflösung erklärt, in der Hoffnung, die kommende Auseinandersetzung werde dann schon einen wichtigen Grund zutage fördern, handelt auf eigene Gefahr. Die Berufung auf Gründe, die zur Zeit der Auflösungserklärung objektiv bereits bestanden, ist nach alledem ohne Rücksicht darauf zuzulassen, ob der Zurücktretende sie damals schon kannte oder nicht. Im gleichen Sinne haben sich grundsätzlich auch der deutsche Bundesgerichtshof(Urteil vom 5. Mai 1958, BGHZ 27 Nr. 31 S. 220 ff., bes. S. 223 ff.), der österreichische Oberste Gerichtshof (Urteil vom 18. Oktober 1951, Entscheidungen des österreich. OGH in Zivilsachen 24 Nr. 280 S. 659 ff., bes. S. 663) und die italienische Corte di Cassazione (Urteil vom 9. Februar 1963, Repertorio generale annuale di giurisprudenza... de Il Foro Italiano, 1963, Spalte 1552 Nr. 576) ausgesprochen, wogegen die französische Rechtsprechung wegen der starken Unterschiede, die in diesem Punkte zwischen der schweizerischen und der französischen Gesetzgebung bestehen, nicht zum Vergleich herangezogen werden kann. 5. Das Obergericht sieht mit Recht den entscheidenden wichtigen Grund zur sofortigen Auflösung des Dienstverhältnisses darin, dass der Kläger vom Lieferanten Früh Geldgeschenke annahm. Es stellt zwar deren genaue Höhe nicht fest, doch nimmt es an, die Ang:abe Frühs, er habe etwa Fr. 6000.-- bis 7000.-- ausbezahlt, liege der Wahrheit näher als die Zugabe des Klägers, Fr. 2500.-- bis 3000.--empfangen zu haben. Was der Kläger hiegegen vorbringt, ist als unzulässige Beanstandung der Beweiswürdigung nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c, 63 Abs. 2 OG). Der Kläger hat übrigens die Angabe Frühs in der Strafuntersuchung nicht entschieden bestritten, sondern nur ausgesagt, BGE 92 II 184 S. 190 er "glaube nicht", dass Früh ihm gesamthaft Fr. 6000.-- bis 7000.-- übergeben habe. Sei dem aber wie ihm wolle: auf jeden Fall steht fest, dass der Kläger ohne Wissen des Beklagten Beträge angenommen hat, die in die Tausende von Franken gehen. Das war ein schwerer Verstoss gegen seine dienstvertraglichen Pflichten. Im Anstellungsvertrag vom 1. August 1957 wurde ihm freilich die Annahme von Geschenken nicht ausdrücklich untersagt, und zu seiner Behauptung, der Beklagte habe diesen Punkt entgegen seinem Wunsche nicht regeln wollen, nimmt das Obergericht nicht Stellung. Darauf kommt aber nichts an. Das Schweigen des Anstellungsvertrages hatte nach Treu und Glauben nicht den Sinn, der Kläger dürfe Geschenke, wie Früh sie gemacht hat, annehmen. Solche Zuwendungen erfolgen nicht aus uneigennützigen Gründen, sondern sind "Schmiergelder", d.h. bestimmt, den Empfänger dem Spender gewogen zu machen. Sie bringen den Empfänger in Gefahr, bei der Erfüllung der dienstlichen Obliegenheiten die Interessen des Dienstherrn den Interessen des Gegners oder dem eigenen Wunsch nach Bereicherung hintanzustellen. Im bereits erwähnten Gesamtarbeitsvertrag, Art. 20 Ziff. 6, wird denn auch dem Personal ausdrücklich verboten, von Lieferanten oder andern mit der Genossenschaft geschäftlich verkehrenden Personen Geschenke anzunehmen. Um so weniger durfte der Kläger davon ausgehen, ihm als Verwalter sei das erlaubt. Zu dieser Auffassung durfte er selbst dann nicht kommen, wenn seine Behauptung, das Personal habe Art. 20 Ziff. 6 des Gesamtarbeitsvertrages nicht streng befolgt, richtig sein sollte. Im übrigen war es in erster Linie seine Sache, das Personal zur Pflichterfüllung anzuhalten. Die heutige Behauptung des Klägers, sein Verhalten werde durch eine in allen Geschäftszweigen verbreitete Übung gedeckt, ist als neues Vorbringen nicht zu hören ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Im übrigen wäre eine solche Übung, falls sie bestehen sollte, offensichtlich missbräuchlich und daher bei der Anwendung von Art. 352 OR nicht zu beachten. Die Behauptung des Klägers, er habe Früh wiederholt erklärt, er nehme das Geld nicht an, ist unerheblich. Es kommt auch nichts darauf an, ob er unter dem Einfluss der Geschenke Interessen des Beklagten tatsächlich verletzt und damit gegen Art. 4 des Anstellungsvertrages verstossen habe. Umsonst wendet der Kläger daher ein, der Beklagte hätte andernorts BGE 92 II 184 S. 191 nicht billiger einkaufen können als bei Früh, und die von ihm erwirkte Herabsetzung der Delcredere-Vergütung, die Früh dem Verband Schweizerischer Konsumvereine zu leisten hatte, habe den Beklagten nicht geschädigt. Die Annahme der Geschenke war wichtiger Grund zur Auflösung des Dienstverhältnisses schon deshalb, weil sie den Kläger des Vertrauens des Dienstherrn unwürdig machte. Dieses Vertrauen war eine wesentliche Grundlage des Vertrages, da der Kläger nicht zu untergeordneten Dienstleistungen, sondern zur Verwaltung der Genossenschaft angestellt war. Dass der Kläger es durch die Geschenkannahme zerstörte, wird durch die Tüchtigkeit, die er in seiner Dienststellung bewiesen haben will, nicht aufgewogen. Namentlich nützt ihm die Behauptung nichts, er habe die von ihm hergestellten Geschäftsbeziehungen zu Früh sehr geschickt für den Beklagten ausgenützt. Unerheblich ist auch die Behauptung, Früh habe die Barschenkungen nach dem Sommer 1962 unverändert fortgesetzt, obwohl der Beklagte von da an das Fleisch vom Regionallager bezogen habe. Auf welche Weise der Beklagte von der Annahme der Geschenke Kenntnis erhielt, ist sowenig von Belang wie der Umstand, dass diese Verfehlung erst nach der Entlassung aufgedeckt wurde. Der Behauptung des Klägers, der Beklagte habe Früh bei seinen Erhebungen unter moralischen Druck gesetzt, ist daher nicht nachzugehen. Dass der Beklagte die Geschenkannahme, nachdem sie bekannt geworden war, tatsächlich gar nicht als wichtigen Grund für die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses empfunden habe (vgl. Erw. 4 c hievor), macht der Kläger nicht geltend und könnte angesichts der Reaktion des Beklagten auf diese Entdeckung (Strafanzeige) auch nicht angenommen werden.
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Urteilskopf 110 II 163 33. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 3 avril 1984 dans la cause De Girolamo contre Aluminium Suisse S.A. (recours en réforme)
Regeste Haftung des Arbeitgebers, Genugtuung. Haftung des Arbeitgebers, der eine Sicherheitsmassnahme unterlassen hat ( Art. 328 Abs. 2 OR ; E. 2a). Anspruch auf Genugtuung wegen eines Unfalls, der zum vollständigen Verlust des Gehörs auf einer Seite führt (E. 2c).
Sachverhalt ab Seite 163 BGE 110 II 163 S. 163 A.- Alberto de Girolamo, ressortissant italien, né en 1940, a été engagé en 1964 par Aluminium Suisse S.A. (ci-après: Alusuisse), pour son usine de Chippis, en qualité d'ouvrier. Bon travailleur, il fut nommé chef de série aux fours dès le 1er mai 1971. Le 12 novembre 1974, alors qu'il travaillait à l'usine, il fut frappé à la tête, sur le côté gauche, par un tuyau conduisant de l'air comprimé, qui s'était détaché d'un appareil auquel il devait fournir de la pression et qui s'était mis à "gigoter" de manière désordonnée, tout en restant pris à un crochet porte-outils. Victime vraisemblablement d'une lésion du rocher de l'oreille interne, de Girolamo a perdu toute ouïe du côté gauche. Selon une expertise technique, le risque que ce tuyau atteigne un travailleur, au moment où il s'est dégagé, était de 1/100'000; toutefois, ce tuyau s'était déjà arraché de la même manière à de BGE 110 II 163 S. 164 nombreuses reprises; il pouvait devenir dangereux lorsqu'il restait pris au crochet porte-outils; s'il venait à frapper un ouvrier, celui-ci pouvait être blessé, voire déséquilibré et même renversé dans un four. Le chef d'équipe, tout comme les ouvriers, était en mesure de se rendre compte du danger et il aurait été aisé de remédier à cette situation; l'expert technique a préconisé dans ce sens un dispositif simple et peu coûteux. La Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA) a admis le cas et reconnu au travailleur une invalidité de 12% (60% de 20%). B.- Le 6 mai 1983, le Tribunal cantonal du canton du Valais a rejeté une demande de Girolamo, tendant au paiement par Alusuisse de dommages-intérêts et d'une indemnité de 6'000 francs pour tort moral. C.- Le Tribunal fédéral admet partiellement le recours en réforme du demandeur et condamne la défenderesse à lui payer 5'000 francs avec intérêt à 5% dès le 12 novembre 1974. Erwägungen Extrait des considérants: 1. (Selon la jurisprudence ( ATF 104 II 259 ), la responsabilité de l'employeur pour le dommage consécutif à un accident professionnel suppose une faute grave de l'employeur lui-même ou, s'il s'agit d'une personne morale, d'un organe au sens de l' art. 55 CC ; l'employeur ne répond pas de la faute d'un auxiliaire selon les art. 55 et 101 CO ; art. 129 al. 2 LAMA , 44 LAA.) 2. L' art. 129 LAMA ne restreint pas la responsabilité de l'employeur quant au paiement d'une indemnité à titre de réparation morale ( ATF 104 II 263 consid. 5, ATF 88 II 526 , ATF 86 I 256 , ATF 81 II 553 s. consid. 4, ATF 72 II 314 s. consid. 2, 432 s. consid. 7). Selon l' art. 47 CO , le juge peut, en tenant compte de circonstances particulières, allouer à la victime de lésions corporelles une indemnité équitable à titre de réparation morale. La règle s'applique également en matière contractuelle ( art. 99 al. 3 CO ), en cas de violation par l'employeur de son obligation de veiller à la santé et à l'intégrité corporelle du travailleur ( art. 328 CO ; cf. ATF 106 II 134 ss). Il n'est pas nécessaire d'examiner si l'employeur répond aussi en qualité de propriétaire d'ouvrage au sens de l' art. 58 CO , car l'étendue de sa diligence est pratiquement la même, quel que soit le fondement de sa responsabilité ( ATF 90 II 229 ). BGE 110 II 163 S. 165 a) L' art. 328 al. 2 CO impose à l'employeur de prendre, pour protéger la vie et la santé du travailleur, les mesures commandées par l'expérience, applicables en l'état de la technique, et adaptées aux conditions de l'exploitation ou du ménage, dans la mesure où les rapports de travail et la nature du travail permettent équitablement de l'exiger de lui. Il lui appartient en particulier d'instruire les travailleurs de manière adéquate et de pourvoir les machines et installations dont ils se servent de dispositifs de sécurité suffisants pour empêcher la réalisation de risques avec lesquels on peut compter ( ATF 102 II 19 , ATF 100 II 354 , ATF 95 II 137 ss), même si le degré de probabilité n'en est pas considérable ( ATF 95 II 141 ). Or le Tribunal cantonal admet avec raison, sans que cela soit contesté par la défenderesse, que l'installation de celle-ci comportait un danger dont elle n'a pas suffisamment protégé les travailleurs. Comme le constate le jugement attaqué, le chef d'équipe avait observé à bien des reprises que le tuyau transmettant l'air comprimé se détachait et qu'il pouvait alors être dangereux lorsqu'il restait accroché au crochet porte-outils; or il a omis de remédier à ce défaut ou de le signaler au service de sécurité de l'entreprise qui aurait pu faire le nécessaire. Ainsi que la cour cantonale le relève, il était possible d'obvier à cet inconvénient à peu de frais. L' art. 328 al. 2 CO n'a donc pas été respecté. L'employeur en est responsable ( art. 101 et 55 CO ). b) Le jugement attaqué ne contient aucun fait permettant de retenir une faute concurrente à la charge du travailleur. Il n'est en particulier pas établi qu'il aurait pu voir "gigoter" le tuyau, avant que celui-ci ne vienne le frapper à la tête. Par ailleurs, il portait un casque, certainement selon les instructions de service. Enfin, on ne saurait guère lui reprocher de n'avoir pas avisé précédemment le service de sécurité du risque que pouvait comporter, pour les travailleurs, un débranchement du tuyau. c) La cour cantonale a rejeté la demande de réparation morale par le motif qu'aucune faute ne peut être imputée à l'employeur personnellement et que la lésion subie "n'est pas très importante"; elle ajoute que le demandeur n'a pas subi d'hospitalisation ou de long traitement, que sa surdité unilatérale ne le gêne pas dans son travail d'agriculteur et qu'elle ne saurait guère le priver de certains plaisirs de la vie. Selon la jurisprudence, l'application de l' art. 47 CO n'exige pas de faute personnelle du responsable ( ATF 104 II 263 s. consid. 5). BGE 110 II 163 S. 166 Le rapport des fautes est cependant un élément qui peut être déterminant pour l'octroi ou le refus d'une réparation morale. En l'espèce, l'employeur doit répondre d'une faute de son auxiliaire, qui n'est pas vénielle, alors que le travailleur n'en a commis aucune. Pour autant que le préjudice soit assez grave, le principe d'une réparation correspond donc à l'équité. L'octroi d'une réparation morale pour lésions corporelles exige également que celles-ci aient une certaine importance (cf. ATF 89 II 400 ). Or il faut tenir pour importantes des atteintes qui privent la victime d'un organe ou rendent celui-ci impropre à sa fonction (cf. art. 122 ch. 1 al. 2 CP ; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrectht, p. 300). Le Tribunal fédéral en a fréquemment jugé ainsi à propos d'atteintes à la vue (cf. par ex. ATF 104 II 190 , ATF 102 II 21 , ATF 89 II 26 , ATF 81 II 170 ). Il a aussi confirmé un jugement cantonal allouant une indemnité de 8'000 francs à la victime, responsable d'une faute concurrente, qui avait subi une fracture du crâne avec commotion cérébrale, 40 jours d'hospitalisation et la perte totale de l'ouïe à droite; il releva à cette occasion l'importance d'une telle infirmité dans la vie sociale et pour la victime du point de vue psychologique, compte tenu aussi d'une atteinte possible à l'autre oreille, dans l'avenir (Rep. 1971 p. 226, résumé au JdT 1973 I 471; cf. aussi arrêt non publié du 29 janvier 1980, cité par HÜTTE, Die Genugtuung, feuille III 48). On retrouve la même conception en jurisprudence cantonale (cf. HÜTTE, op.cit., feuille III 22, relatant un arrêt du Tribunal cantonal vaudois du 10 avril 1970; OFTINGER, op.cit., I p. 300, citant Rep. 1960 p. 291) et en doctrine (HÜTTE, op.cit., p. I/24, suivant la classification proposée par un auteur allemand, range la perte d'une oreille ou la perte complète de l'ouïe d'un côté parmi les lésions corporelles graves, soit dans le groupe 4 d'une division en 6 catégories, dans le sens croissant de gravité). La perte complète de l'ouïe, d'un côté, est de nature à diminuer notablement la perception par la victime du monde extérieur, ce qui peut être sensible dans de nombreuses activités de la vie professionnelle et de la vie courante; elle est aussi propre à restreindre l'agrément de la vie. Elle accroît le risque d'une surdité totale; de ce fait la victime est aussi exposée à ressentir davantage les effets d'une baisse de l'ouïe de l'autre côté, notamment en raison de l'âge. En 1976, le Tribunal fédéral a confirmé un jugement cantonal accordant en principe 8'000 francs de réparation morale pour la perte d'un oeil ( ATF 102 II 21 s.). Si la perte de BGE 110 II 163 S. 167 l'ouïe d'un seul côté sera d'ordinaire moins pénible pour la victime que la perte d'un oeil, qualitativement, la perte est comparable et justifie l'octroi d'une réparation. Au cas particulier, la perte de l'ouïe est totale du côté gauche; de toute évidence, la lésion est irréversible et le demandeur, âgé de 34 ans lors de l'accident, devra s'accommoder de cette infirmité sa vie durant. L'importance de l'atteinte est en outre montrée par son incidence sur l'invalidité, fixée par la CNA à 12%. Compte tenu de l'importance de l'ouïe dans la vie d'un homme, ainsi que de l'évolution de la jurisprudence quant aux montants alloués (cf. ATF 108 II 434 , ATF 107 II 349 ), il y a lieu d'accorder au demandeur une indemnité de 5'000 francs à titre de réparation morale.
public_law
nan
fr
1,984
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
1208dd18-983d-47fc-9f6d-845d287b821e
Urteilskopf 107 Ia 35 8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Februar 1981 i.S. Chemische Fabrik Ütikon gegen Gemeinde Full-Reuenthal und Regierungsrat des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 22ter BV ; Verkleinerung einer ausgedehnten Industriezone. Verhältnis von Zonenplanung und mittelfristiger Planung eines Industriebetriebes. Bei der Ermittlung des Industrielandbedarfs sind auch die Anliegen der Raumplanung und insbesondere die Grenzen zu beachten, die sich im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung wohnlicher Siedlungen ergeben. Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung und künftigen Ausbaupläne eines Industrieunternehmens sowie Feststellung der verbleibenden Landreserven. Das öffentliche Interesse an einer befriedigenden Ortsplanung geht dem Vertrauen in die Beständigkeit eines vor längerer Zeit festgesetzten Planes vor.
Erwägungen ab Seite 36 BGE 107 Ia 35 S. 36 Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auszonung einer Fläche von rund 6 ha, welche nach dem Teilzonenplan der Gemeinde Full-Reuenthal vom 10. Januar 1954 einer ausgedehnten Industriezone zugewiesen war. Es handelt sich um das nördlich der Bahnlinie und zwischen dem bestehenden Werk der Beschwerdeführerin (Produktionsbetrieb der Grundstoffchemie) und dem überbauten Gebiet von Full gelegene Areal. Die Beschwerdeführerin betont mit Nachdruck, die frühere Industriezone sei mit Rücksicht auf ihre Bedürfnisse geschaffen worden. a) Wie das Bundesgericht bereits wiederholt entschieden hat, gibt die Eigentumsgarantie dem Eigentümer keinen Anspruch darauf, dass sein Land dauernd in jener Zone verbleibt, in die es einmal eingewiesen worden ist. Die verfassungsmässige Gewährleistung des Eigentums steht einer nachträglichen Änderung oder Beschränkung der aus einer bestimmten Zoneneinteilung folgenden Nutzungsmöglichkeiten nicht entgegen ( BGE 104 Ia 126 E. 2a; BGE 102 Ia 336 E. 3c mit Hinweisen). Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist - von Sonderfällen abgesehen - nicht zu beanstanden, wenn Nutzungsmöglichkeiten abgeändert oder eingeschränkt werden; der Grundeigentümer hat keinen als wohlerworbenes Recht selbständig gesicherten Anspruch darauf, dass die für sein Grundstück einmal festgelegten baulichen Nutzungsmöglichkeiten unbeschränkt bestehen bleiben. Die Beschwerdeführerin macht mit Recht nicht geltend, der ihren Wünschen entgegenkommende Teilzonenplan der Gemeinde Full-Reuenthal aus dem Jahre 1954 stehe unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes der Auszonung entgegen. Sie betont lediglich, dass bei der Prüfung des öffentlichen Interesses und der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung besonders gewichtige öffentliche Interessen vorliegen müssten, um die Auszonung zu rechtfertigen. Zu prüfen ist daher einzig, ob die von der Gemeinde beschlossene und vom Regierungsrat genehmigte Auszonung durch ausreichende öffentliche Interessen gerechtfertigt ist, welche die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegen. Die Beschwerdeführerin bestreitet weder das öffentliche Interesse an einer Trennung von Bau- und Landwirtschaftsgebiet BGE 107 Ia 35 S. 37 noch dasjenige an der Schaffung eines Trenngürtels zwischen Industrie- und Wohnzonen. Sie macht jedoch geltend, die Industriezone gemäss dem Teilzonenplan Full aus dem Jahre 1954 sei nicht zu gross, und die Schaffung eines Trenngürtels sei ohne so erhebliche Auszonung von Industriezonenland möglich. (...) Demgegenüber sei ihr privates Interesse an der uneingeschränkten Erhaltung der heutigen Industriezone ausserordentlich gross; es sei identisch mit dem Interesse an der Erhaltung und Weiterentwicklung des Unternehmens. (...) b) Im Rahmen einer den heutigen Anforderungen entsprechenden Raumplanung, welche eine weitsichtige Koordination aller raumwirksamen Tätigkeiten im Blick auf das verfassungsmässige Ziel erfordert, um eine zweckmässige Nutzung des Bodens und geordnete Besiedlung des Landes sicherzustellen ( Art. 22quater BV ), sind sowohl die Bedürfnisse des Betriebes der Beschwerdeführerin als auch diejenigen der Bevölkerung in ausgewogener Weise zu berücksichtigen. Dabei ist der vom aargauischen Baugesetz ausgesprochene Grundsatz der Überprüfung und Anpassung der Pläne an veränderte Verhältnisse zu beachten (§ 120 Abs. 2 BauG). Das seit dem 1. Januar 1980 in Kraft stehende eidgenössische Raumplanungsgesetz vom 22. Juni 1979 (RPG), dessen Grundsätze auch bei der Beurteilung von Zonenplänen, die vor seinem Inkrafttreten festgesetzt wurden, berücksichtigt werden dürfen, verpflichtet ebenfalls zur Überprüfung und Anpassung der Nutzungspläne ( Art. 21 Abs. 2 RPG ). Ausserdem verlangt es, dass die Richtpläne, die zufolge ihrer für die Behörden verbindlichen Wirkung allenfalls zu einer Änderung der Nutzungspläne führen müssen, in der Regel alle 10 Jahre gesamthaft überprüft und nötigenfalls überarbeitet werden ( Art. 9 Abs. 2 und 3 RPG ). Dabei sind die Planungsgrundsätze zu beachten, welche verlangen, dass die Landschaft zu schonen ist und die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen sind ( Art. 3 Abs. 2 und 3 RPG ). U.a. sollen die Wohngebiete von schädlichen und lästigen Einwirkungen verschont werden ( Art. 3 Abs. 3 lit. b RPG ). Das aargauische Baugesetz ordnet deshalb an, dass die Trennung der Industrie- und Gewerbezonen von den übrigen Zonen anzustreben sei (§ 132 Abs. 2). c) Im Lichte dieser Grundsätze kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, das Ausmass einer BGE 107 Ia 35 S. 38 Industriezone dürfe nicht in Relation gesetzt werden zur Grösse des übrigen Gemeindegebietes. Die Berücksichtigung sowohl der natürlichen Gegebenheiten als auch der Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft ( Art. 1 Abs. 1 RPG ) erfordert vielmehr eine Gesamtschau. Diese schliesst zwar nicht aus, dass eine Industriezone flächenmässig grösser sein kann als die Wohnzonen. Doch müssen die für eine weitere industrielle Entwicklung zur Verfügung stehenden Reserven in Einklang stehen mit dem Ziel, wohnliche Siedlungen zu schaffen und zu erhalten. Bei der Abwägung der hiefür massgebenden Faktoren kommt der Würdigung der örtlichen Verhältnisse naturgemäss grosses Gewicht zu. Auch hat das Bundesgericht wiederholt erkannt, dass sich bei der Schaffung und Abgrenzung der Bauzonen ausgesprochene Ermessensfragen stellen ( BGE 105 Ia 227 E. 2b; 103 Ia 252 E. 2a). Es hat daher auch bei der grundsätzlich freien Prüfung des öffentlichen Interesses den Beurteilungs- und Ermessensspielraum der kommunalen und kantonalen Behörden zu respektieren. Es kann nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Instanzen setzen. Vielmehr hat es zu prüfen, ob die zuständigen Behörden im Rahmen pflichtgemässen Ermessens entschieden haben. d) Bei der Annahme, die bestehende Industriezone gemäss dem Teilzonenplan von 1954 sei zu gross, haben die Behörden erwogen, dass seit deren Festsetzung, somit seit über 25 Jahren, die Beschwerdeführerin für ihren Fabrikationsbetrieb nur einen kleineren Teil des zwischen Bahnlinie und Rhein gelegenen Areales in Anspruch nahm und dass sie nicht in der Lage war, klare Angaben über ihre Ausbaupläne in räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu geben. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin bestätigen die gegenwärtige Ungewissheit. Sie anerkennt, dass es offen sei, wann die unternehmerische Entscheidung gefällt werde, welche die Verdoppelung oder "Vermehrfachung" der heutigen Werkgrösse in Full nach sich ziehen könne. Es hänge dies, abgesehen von der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung im allgemeinen, unter anderem davon ab, wie sich die Verhältnisse im Stammbetrieb in Ütikon entwickeln und wie die Frage der Rheinschiffahrt schliesslich entschieden werde. Gewiss ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass der Landbedarf für ein industrielles Unternehmen nicht in BGE 107 Ia 35 S. 39 gleicher Weise ermittelt werden kann, wie dies für die Schätzung des Ausmasses der Wohnzonen mit Hilfe von Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung und den Flächenbedarf pro Einwohner zutrifft. Bei den für den Landbedarf wesentlichen unternehmerischen Entscheiden sind hingegen - wie bereits festgestellt wurde - auch die Anliegen der Raumplanung zu berücksichtigen und die Grenzen zu respektieren, die sich mit Rücksicht auf die Schaffung und Erhaltung wohnlicher Siedlungen ergeben. Bei der Beurteilung des Ausmasses der Industriezone durften daher die Behörden trotz der Schwierigkeit, den voraussichtlichen Landbedarf abzuschätzen, mit Recht die bisherigen Erfahrungen über die Entwicklung des Werkes Full berücksichtigen und feststellen, dass innerhalb der definitiven Industriezone zwischen Bahnlinie und Rhein noch grosse Raumreserven vorhanden sind. Der Augenschein hat dies bestätigt. Der entlang dem Rhein angeordnete, mit Rücksicht auf den Schutz der Landschaft und des Rheinufers gerechtfertigte Grünzonenstreifen ( Art. 17 Abs. 1 lit. a RPG ) führt zu keiner ins Gewicht fallenden Beschneidung des für industrielle Zwecke nutzbaren, sich vollständig im Besitz der Beschwerdeführerin befindenden Landes. Die Behörden hatten sich ausserdem von der auch der aargauischen Praxis zugrunde liegenden Regel leiten zu lassen, dass die definitiven Bauzonen ausser dem überbauten Gebiet das Land umfassen sollen, das voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird ( Art. 15 RPG ; ERICH ZIMMERLIN, Kommentar zum aargauischen Baugesetz, N. 6 zu § 128). Wird berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin, wie dies die Aussagen ihres Direktors an der Augenscheinverhandlung bestätigt haben, noch nicht in der Lage ist, den Zeitpunkt der zu treffenden Entscheide und deren Tragweite für den Landbedarf vorauszusehen, so kann den Behörden keine Pflichtwidrigkeit bei der Ermessensausübung vorgeworfen werden, wenn sie dasjenige Areal der definitiven Industriezone zugewiesen haben, über das die Beschwerdeführerin für Betriebserweiterungen jederzeit verfügen kann. Es trifft freilich zu, dass eine weitsichtige Unternehmensführung ihre Planung nicht auf 10 bis 15 Jahre beschränken kann. Doch legt der Zonenplan die Beschwerdeführerin auch nicht auf das definitive Industriezoneareal fest. Vielmehr sieht er BGE 107 Ia 35 S. 40 südlich der Bahnlinie eine Industriezone zweiter Etappe vor, deren Ausmass grösser ist als die definitive Industriezone nördlich der Bahnlinie. Ausserdem bezeichnet er auch nördlich der Bahnlinie zusätzliches Industrie- und Gewerbeareal. Eine derartige Festlegung für eine mittelfristige Entwicklung von in der Regel 20 bis 25 Jahren (E. ZIMMERLIN, a.a.O. N. 6 zu § 128, S. 337) ist zulässig ( BGE 104 Ia 140 ff. E. 4b und c) und widerspricht auch nicht den Grundsätzen des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes (Art. 18 Abs. 2). Sie räumt der Beschwerdeführerin einen weiten Spielraum für die zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen ein. Flächenmässig erlauben die definitive und die zusätzliche Industriezone weit mehr als nur eine Verdoppelung des heute für die Fabrikation beanspruchten Areales. Ausserdem ist der erwähnte Grundsatz der Anpassung der Planungen an veränderte Verhältnisse zu beachten. Sollte die Beschwerdeführerin aufgrund einer von ihr zu erarbeitenden Gesamtkonzeption für den Ausbau des Werkes Full zum Schluss gelangen, dass die bestehende und die zusätzliche Industriezone für ihre Bedürfnisse nicht ausreiche, so steht es ihr frei, den Behörden ein Gesuch um Erweiterung der Industriezone zu stellen. Werden die dargelegten Gegebenheiten sowie die befristete Natur der Planfestsetzungen beachtet, so erscheint die Feststellung der zuständigen Behörden, die Ausdehnung der Industriezone gemäss dem Teilzonenplan aus dem Jahre 1954 sei zu gross, keineswegs als unzutreffend. Die Behörden durften daher bei der Ausarbeitung einer den heutigen Anforderungen der Raumplanung entsprechenden Ortsplanung deren Verkleinerung ins Auge fassen. Nachdem seit der Festsetzung der Industriezone im Jahre 1954 über 25 Jahre verstrichen sind und sich seither das kantonale und das eidgenössische Bau- und Planungsrecht wesentlich entwickelt hat, geht das öffentliche Interesse an einer befriedigenden Ortsplanung dem Vertrauen in die Beständigkeit des früheren Planes vor (nicht veröffentlichtes Urteil Ernst & Co. vom 16. Mai 1979, E. 4a S. 11). Das Vertrauen, das die Beschwerdeführerin mit Rücksicht darauf, dass die Industriezone weitgehend in ihrem Interesse geschaffen wurde, in den Bestand der Planfestsetzung haben durfte, fällt freilich stark ins Gewicht ( BGE 102 Ia 338 E. 3d). Entgegen ihrer Auffassung vermag es jedoch das öffentliche Interesse an der Planänderung, BGE 107 Ia 35 S. 41 zu der die Behörden auch aufgrund des am 2. Februar 1971 erlassenen aargauischen Baugesetzes verpflichtet sind, nicht zu überwiegen, nachdem sich das Werk Full, wie die Beschwerdeführerin anerkennt, seit der Erstellung der ersten Werkanlagen kaum wesentlich vergrössert hat und das verbleibende Ausmass der Industriezone der ersten und der zweiten Etappe ihr nach wie vor grosse Möglichkeiten für eine Ausdehnung ihres Werkes belässt.
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
120acfe9-ea4d-4488-8708-344f7584b7fb
Urteilskopf 97 III 118 26. Auszug aus dem Entscheid vom 3. Dezember 1971 i.S. A.
Regeste Art. 123 Abs. 1 und 5 SchKG . Wenn der Schuldner bereits in mehreren Betreibungen mit den ihm nach Art. 123 SchKG gewährten Abschlagszahlungen in Rückstand geraten ist, begeht der Betreibungsbeamte keine Rechtsverletzung, wenn er dem Schuldner in neuen Betreibungen keinen solchen Aufschub mehr gewährt.
Erwägungen ab Seite 118 BGE 97 III 118 S. 118 Aus den Erwägungen: Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der Rekurrent in BGE 97 III 118 S. 119 mindestens vier Betreibungen mit Abschlagszahlungen in Rückstand geraten sei. Gemäss Art. 123 Abs. 5 SchKG fiel somit in den betreffenden Betreibungen der Verwertungsaufschub ohne weiteres dahin. Unter diesen Umständen lag es aber durchaus im Ermessen des Betreibungsamtes, den Verwertungsaufschub in den neu dazugekommenen Betreibungen nicht mehr zu gewähren. Das Amt durfte ohne Überschreitung oder Missbrauch des ihm nach Art. 123 Abs. 1 SchKG zustehenden Ermessens davon ausgehen, es bestehe keine genügende Gewähr dafür, dass der Schuldner die Abschlagszahlungen in den neuen Betreibungen pünktlich entrichten würde (vgl. BGE 82 III 35 sowie JOOS, Handbuch, S. 215, BLUMENSTEIN, Handbuch, S. 427 unten, und JAEGER, Kommentar, N 6 zu Art. 123 SchKG ). Eine Rechtsverletzung beging es also mit der Ablehnung des anbegehrten Verwertungsaufschubes nicht, und eine weiter gehende Ermessensüberprüfung steht dem Bundesgericht im Gegensatz zu den kantonalen Aufsichtsbehörden nicht zu ( Art. 17-19 SchKG ).
null
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
120e86c4-672e-487d-93f6-7752182f68e1
Urteilskopf 115 V 122 19. Urteil vom 22. Februar 1989 i.S. M. gegen Schweizerische Betriebskrankenkasse und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Art. 26 Abs. 1 und 3 KUVG , Art. 33 Abs. 1 und 3 IVG , Art. 4 Abs. 2 BV : Umfang der Anrechnung der Ehepaar-Invalidenrente bei der Überversicherungsermittlung. - Die Auszahlung der Hälfte der Ehepaar-Invalidenrente an die Ehefrau im Sinne von Art. 33 Abs. 3 IVG schliesst den vollumfänglichen Einbezug der ganzen Ehepaar-Invalidenrente in die Überversicherungsberechnung nach Art. 26 KUVG auch unter Berücksichtigung des in Art. 4 Abs. 2 BV verankerten Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht aus (Erw. 2). - Hätte die Ehefrau des Versicherten ohne die invaliditätsbedingte Rentenberechtigung ihres Gatten einen selbständigen Anspruch auf eine AHV- oder IV-Rente, darf bei der Überversicherungsberechnung im Sinne von Art. 26 KUVG die Ehepaar-Invalidenrente nur in dem Umfange angerechnet werden, in welchem diese den hypothetischen selbständigen Rentenanspruch der Ehefrau betraglich übersteigt (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 123 BGE 115 V 122 S. 123 A.- Der 1922 geborene Joseph M. ist aufgrund eines Kollektivversicherungsvertrages zwischen seiner Arbeitgeberfirma und der Schweizerischen Betriebskrankenkasse (SBKK) ab dem 181. Krankheitstag für ein seinem vollen Lohn entsprechendes Krankengeld versichert. Aufgrund einer seit dem 15. Mai 1985 bestehenden vollständigen Arbeitsunfähigkeit richtet ihm die SBKK diese Versicherungsleistung seit dem 1. November 1985 aus. Mit Verfügung vom 12. September 1986 sprach die Ausgleichskasse des Kantons Zug Joseph M. mit Wirkung ab 1. Januar 1986 eine ganze einfache Invalidenrente von Fr. 1'440.-- sowie eine Zusatzrente für seine 1924 geborene Ehefrau von Fr. 432.-- zu. Für die Zeit ab 1. Mai 1986 gewährte sie ihm im Hinblick darauf, dass seine Ehefrau das AHV-Rentenalter erreicht hatte, mit einer zweiten Verfügung ebenfalls am 12. September 1986 eine ganze Ehepaar-Invalidenrente von monatlich Fr. 2'160.--. Auf Wunsch der Gattin des Versicherten wird den Eheleuten je die Hälfte dieser Rente, also je Fr. 1'080.-- direkt ausbezahlt. Die der Ehefrau seit dem 1. Juni 1986 ausgerichtete Altersrente von monatlich Fr. 720.-- brachte die Ausgleichskasse verrechnungsweise von den neuen Rentenzahlungen in Abzug. Im Rahmen einer ersten Überversicherungsberechnung rechnete die SBKK am 9. September 1986 die ab Juni 1986 ausgerichtete Ehepaar-Invalidenrente nur im Betrag von Fr. 1'440.-- an. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1986 teilte die SBKK dem Versicherten mit, irrtümlicherweise habe sie die Ehepaar-Invalidenrente anlässlich der Überversicherungsermittlung vom 9. September 1986 nur im Umfang von Fr. 1'440.-- berücksichtigt; richtigerweise hätte diese Versicherungsleistung jedoch vollumfänglich mit einbezogen werden müssen. Weil Joseph M. mit dieser Überversicherungsberechnung nicht einverstanden war, erliess die SBKK am 13. März 1987 eine entsprechende Verfügung. B.- Beschwerdeweise liess Joseph M. geltend machen, bei der Überversicherungsberechnung dürfe nur die Hälfte der BGE 115 V 122 S. 124 Ehepaar-Invalidenrente angerechnet werden; eventuell sei der der einfachen Altersrente seiner Ehefrau entsprechende Betrag von Fr. 720.-- nicht mit einzubeziehen. Er beantragte deshalb die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Rückweisung der Sache an die SBKK zur Neufestsetzung seines Krankengeldanspruches. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die Beschwerde mit Entscheid vom 20. April 1988 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Joseph M. die im kantonalen Verfahren gestellten Anträge erneuern. Die SBKK beantragt sinngemäss die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) bestätigt zwar grundsätzlich die vom kantonalen Gericht vertretene Auffassung, wonach aufgrund der geltenden gesetzlichen Regelung und der bisherigen Rechtsprechung bei der Ermittlung der Überversicherung die ganze Ehepaar-Invalidenrente anzurechnen sei. Gleichzeitig stellt es sich jedoch auf den Standpunkt, dass diese Lösung im vorliegenden Fall nicht zu befriedigen vermöge, da die Versicherungsleistungen gesamthaft die Höhe der ohne Gesundheitsschädigung erzielbaren Einkünfte nicht erreichten. Auf einen formellen Antrag verzichtet das BSV. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Gemäss Art. 26 Abs. 1 KUVG darf den Versicherten aus der Versicherung kein Gewinn erwachsen. Als Versicherungsgewinn gelten nach Art. 16 Vo III die Leistungen, welche die volle Deckung des Erwerbsausfalls, der Krankenpflegekosten und anderer krankheitsbedingter, nicht anderweitig gedeckter Kosten des Versicherten übersteigen. Soweit neben der Kasse andere Versicherungsträger als anerkannte Krankenkassen leistungspflichtig sind, hat sie gemäss Art. 26 Abs. 3 KUVG ihre Leistungen höchstens in dem Masse zu gewähren, als unter Berücksichtigung der Leistungen dieser Versicherungsträger der Versicherte keinen Gewinn erzielt. Als Versicherungsleistungen im Sinne dieser Bestimmung sind jedoch nur solche zu betrachten, deren Funktion mit der von der sozialen Krankenversicherung im Einzelfall geschuldeten Leistung vergleichbar ist ( BGE 107 V 231 Erw. 1, BGE 101 V 239 Erw. 2; RSKV 1982 Nr. 473 S. 25, 1981 Nr. 439 S. 46 Erw. 2a und 460 S. 198 Erw. 2, 1978 Nr. 314 S. 39, 1974 Nr. 189 S. 15; vgl. auch BGE 102 V 94 ). BGE 115 V 122 S. 125 Zur Feststellung einer eventuellen Überversicherung hat die Krankenkasse oder der Richter die Gesamtheit der Leistungen, in deren Genuss der Versicherte wegen seiner Krankheit kommt, zu vergleichen mit der Gesamtheit des Verdienstausfalls, der Aufwendungen für die medizinische Versorgung und der übrigen krankheitsbedingten, nicht anderweitig gedeckten Kosten ( BGE 107 V 231 Erw. 1; RSKV 1982 Nr. 475 S. 32 Erw. 2, 1981 Nr. 452 S. 130 Erw. 1 und 460 S. 198 Erw. 2, 1975 Nr. 209 S. 26 Erw. II/1, 1974 Nr. 189 S. 17 Erw. 2a und 200 S. 129 Erw. 1 und 2, 1973 Nr. 176 S. 143). b) Gemäss dem bis Ende 1983 gültig gewesenen Art. 45 IVG wurden die Renten der obligatorischen Unfallversicherung und der Militärversicherung gekürzt, soweit sie zusammen mit der Rente der Invalidenversicherung den entgangenen mutmasslichen Jahresverdienst überstiegen (Abs. 1). Abs. 3 desselben Artikels räumte dem Bundesrat die Befugnis ein, über diese Kürzungen nähere Bestimmungen zu erlassen. Von dieser Ermächtigung machte der Bundesrat durch Erlass des Art. 39bis IVV - in der bis Ende 1983 gültig gewesenen Fassung - Gebrauch. In dessen Abs. 3 erklärte er u.a. den Betrag, den die Ehefrau des Versicherten vor Entstehen der Ehepaar-Invalidenrente als Invaliden- oder Altersrente unter Einschluss allfälliger Zusatzrenten bezogen hat, als nicht anrechenbar (lit. b); für den Fall, dass die einfache Invalidenrente des Versicherten durch eine Ehepaar-Invalidenrente ersetzt wird, beschränkte der Bundesrat in Abs. 4 dieser Verordnungsbestimmung zudem die Anrechenbarkeit auf jenes Betreffnis, das der Ehepaar-Invalidenrente zuzüglich allfälliger Kinderrenten, berechnet allein aus den Beiträgen des Versicherten, entsprochen hätte. Unter der Herrschaft dieser (durch das auf den 1. Januar 1984 in Kraft gesetzte UVG aufgehobenen) Bestimmungen (vgl. Art. 117 UVG in Verbindung mit Ziff. 4 des dazugehörenden Anhangs; Art. 144 UVV ) ging das Eidg. Versicherungsgericht vorbehältlich der in alt Art. 39bis Abs. 3 lit. b und Abs. 4 IVV enthaltenen Einschränkungen stets von einer vollen Anrechenbarkeit der Ehepaarrenten aus ( BGE 105 V 222 , BGE 102 V 9 f., BGE 100 V 87 Erw. 4). In BGE 102 V 8 erklärte das Eidg. Versicherungsgericht die sich aus Art. 45 Abs. 1 IVG ergebende Regelung auch hinsichtlich der Leistungskürzung wegen Überversicherung im Bereich der Krankenversicherung für sinngemäss anwendbar. c) Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, entschied das Eidg. Versicherungsgericht in dem in RKUV 1987 Nr. K 748 S. 343 BGE 115 V 122 S. 126 publizierten Urteil, dass ungeachtet der auf den 1. Januar 1984 erfolgten Aufhebung des Art. 45 IVG und der gleichzeitig erfolgten Abänderung von Art. 39bis IVV die in BGE 102 V 8 aufgestellten Grundsätze weiterhin zu beachten seien. Bei der Beurteilung einer im Rahmen der Anspruchsberechtigung auf ein Krankengeld gemäss KUVG eventuell bestehenden Überversicherung sind somit die nach dem Eintritt der Invalidität bezogenen Renten anzurechnen und davon jedenfalls jene in Abzug zu bringen, die schon vor dem Eintritt der Invalidität bezogen wurden (RKUV 1987 Nr. K 748 S. 346 Erw. 2b). 2. a) Zur Begründung seines Hauptantrages, wonach bei der Überversicherungsermittlung nur die Hälfte der Ehepaar-Invalidenrente anzurechnen sei, führt der Beschwerdeführer aus, der volle Miteinbezug dieser Rente widerspreche den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen; da seine Ehefrau von dem ihr zustehenden Recht, die Zahlung der Hälfte dieser Rente an sich selbst zu verlangen, Gebrauch gemacht habe, verbleibe ihm nur noch die andere Hälfte; es gehe nicht an, ihm im Rahmen der Überversicherungsberechnung Beträge zuzurechnen, die er nicht erhalte und auch unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten nicht erhältlich machen könne; seine Ehefrau habe ein eigenes Forderungsrecht auf die Hälfte der Ehepaarrente, weshalb die ihr direkt ausgerichteten Zahlungen ihr Eigentum würden, während er selbst "keine Rechte an diesem Geld" habe und "die Ehefrau auch nicht an der Geltendmachung dieses Anspruchs hindern" könne. b) Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 100 V 83 festgehalten hat, ist die Ehepaarrente bei der Überversicherungsberechnung unabhängig davon, ob sich die Ehefrau die Hälfte davon gestützt auf Art. 33 Abs. 3 IVG persönlich auszahlen lässt, grundsätzlich vollumfänglich anzurechnen. Nur auf diese Weise lässt sich eine Gleichbehandlung der Versicherten gewährleisten. Andernfalls würde das Ausmass der Leistungskürzung von der sachlich und rechtlich nicht zu begründenden Zufälligkeit abhängen, ob die Ehefrau ihren Teilungsanspruch geltend macht oder nicht ( BGE 100 V 87 Erw. 4). Daran ist entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch unter Berücksichtigung des in Art. 4 Abs. 2 BV verankerten Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau festzuhalten. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichbehandlung der Geschlechter gebietet keineswegs, dass die BGE 115 V 122 S. 127 Hälfte der Ehepaarrente aufgrund der getrennten Auszahlung bei der Überversicherungsberechnung unberücksichtigt bleiben muss. Nach dem dem Art. 33 IVG zugrundeliegenden Rentensystem bezweckt die Ehepaarrente die pauschale Abgeltung des infolge eines gesundheitlich bedingten Erwerbsausfalls nicht mehr sichergestellten Unterhaltsbedarfs des Versicherten und seiner Ehefrau (vgl. BGE 102 V 96 f.). Selbst wenn die Ehefrau von ihrem Auszahlungsrecht nach Art. 33 Abs. 3 IVG Gebrauch macht, heisst dies nicht, dass ihr Gatte an diesen Rentenbetreffnissen keine Rechte hätte. Nach dem am 1. Januar 1988 in Kraft getretenen neuen Eherecht sorgen die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie ( Art. 163 Abs. 1 ZGB ); sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern (Abs. 2); dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände (Abs. 3). Insbesondere im Hinblick auf die Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers ist daher im vorliegenden Fall die Ehefrau zivilrechtlich verpflichtet, an den Unterhalt der Familie beizutragen, zumal die an sie ausbezahlte halbe Ehepaarrente nicht Eigengut, sondern Errungenschaft darstellt ( Art. 197 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ; vgl. LOCHER, Wechselbeziehungen zwischen Sozialversicherungsrecht und ehelichem Güterrecht, in: SJZ 1988 S. 322 ff.). Dies müsste im übrigen selbst dann gelten, wenn man - im Sinne einer verfassungskonformen Durchführung der Überversicherungsrechnung nach Art. 26 KUVG - von einem originären Rechtsanspruch der Ehefrau auf die Hälfte der Ehepaar-Invalidenrente ausgehen wollte. 3. a) Das BSV gibt zu bedenken, dass die volle Anrechnung der Ehepaar-Invalidenrente im vorliegenden Fall insofern nicht ganz zu befriedigen vermöge, "als der Beschwerdeführer trotz einer an sich genügenden Versicherungsdeckung im Krankheitsfall in seiner wirtschaftlichen Situation faktisch schlechtergestellt ist als bei vollständiger Gesundheit und Ausübung einer entsprechenden Erwerbstätigkeit"; ziehe man in Betracht, dass mit dem Überversicherungs- oder Überentschädigungsverbot vor allem vermieden werden solle, dass ein Versicherter im Krankheitsfall bessergestellt ist, als wenn er bei vollständiger Gesundheit einer Erwerbstätigkeit nachgehen würde, stelle sich ernsthaft die Frage, ob die im Falle vollständiger Gesundheit des Beschwerdeführers der Ehefrau BGE 115 V 122 S. 128 zugestandene einfache Altersrente nicht doch hätte in Abzug gebracht werden müssen. b) In den in BGE 102 V 8 und RKUV 1987 Nr. K 748 S. 343 publizierten Urteilen ging das Eidg. Versicherungsgericht davon aus, bei der Überversicherungsermittlung im Sinne von Art. 26 KUVG sei der Anspruch auf Ehepaarrente in dem Umfang nicht anzurechnen, in welchem bereits vor dessen Entstehen eine Rentenberechtigung der Ehefrau - einschliesslich allfälliger Zusatzrentenansprüche - vorlag. In diesen beiden Präjudizien ging es allerdings um Fälle, in denen der Ehefrau solche Ansprüche schon vor der Gewährung der Ehepaarrente tatsächlich zustanden. Es ist indessen kein plausibler Grund ersichtlich, welcher es rechtfertigen liesse, einen Rentenanspruch der Ehefrau generell nur unter der Voraussetzung nicht in die Überversicherungsberechnung mit einzubeziehen, dass dieser bereits vor demjenigen auf die Ehepaarrente entstand. Dem Sinn und Zweck der Überversicherungsregelung entsprechend kann es vielmehr nur darauf ankommen, welche Rentenansprüche der Ehefrau unabhängig von der Invalidität ihres Gatten ohnehin zustehen würden. Ob deren Entstehung auf einen vor oder erst nach dem Beginn des Anspruches auf die Ehepaarrente liegenden Zeitpunkt fällt, ist dabei ohne Belang. Dem Beschwerdeführer ist deshalb darin beizupflichten, dass die Ehepaar-Invalidenrente bei der Überversicherungsermittlung in dem Umfang nicht anzurechnen ist, in welchem seine Gattin unabhängig von seiner eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung eine Rente beanspruchen könnte. c) Im vorliegenden Fall vollendete die Ehefrau des Beschwerdeführers ihr 62. Altersjahr im Mai 1986, weshalb ihr ohne die invaliditätsbedingte Rentenberechtigung ihres Gatten ab 1. Juni 1986 eine einfache Altersrente in Höhe von monatlich Fr. 720.-- zu gewähren wäre. In diesem Umfang darf die Ehepaar-Invalidenrente in die Überversicherungsberechnung nicht mit einbezogen werden. Unter Berücksichtigung eines Rentenbetreffnisses von lediglich Fr. 1'440.-- für die Zeit ab 1. Juni 1986 und des im Gesundheitsfall vom Versicherten erzielbaren Monatslohnes wird deshalb die SBKK, an welche die Sache zurückzuweisen ist, den streitigen Krankengeldanspruch neu festzusetzen haben.
null
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
12116874-a7d2-4f24-b718-c179ecb9462b
Urteilskopf 100 V 18 5. Auszug aus dem Urteil vom 13. Februar 1974 i.S. Rohner gegen Eidgenössische Militärversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Umschulung ( Art. 39 Abs. 1 lit. b MVG ). Begriff; Umfang des Leistungsanspruchs.
Erwägungen ab Seite 19 BGE 100 V 18 S. 19 Aus den Erwägungen: Der streitige Anspruch gründet sich auf Art. 39 MVG . Nach dessen Abs. 1 lit. b trifft die Militärversicherung Massnahmen der Nachfürsorge, insbesondere durch Vorbereitung des Versicherten auf eine neue Tätigkeit, wenn eine bedeutende Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in der bisherigen Tätigkeit besteht und sich eine wesentlich grössere Erwerbsfähigkeit in einer der Eignung und den Fähigkeiten des Versicherten entsprechenden neuen Tätigkeit voraussehen lässt. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung hat der Versicherte nicht die freie Wahl der beruflichen Eingliederung (EVGE 1969 S. 204). Sofern die ihm vorgeschlagene Tätigkeit seinen Fähigkeiten entspricht und ihm vernünftigerweise zumutbar ist, kann er nicht verlangen, nur deshalb in einen andern Beruf eingegliedert zu werden, weil ihm jene Tätigkeit nicht gefällt. Die Eingliederungsfrage muss objektiv beurteilt werden, wobei den Fähigkeiten des Versicherten und den seiner persönlichen Situation entsprechenden berechtigten Interessen Rechnung zu tragen ist. Die von der Militärversicherung auf Grund von Art. 39 Abs. 1 lit. b MVG zu erbringenden Sachleistungen entsprechen denjenigen des Art. 17 IVG (Umschulung). Gewährt die Militärversicherung solche Leistungen, so hat sie sich von denselben Überlegungen leiten zu lassen wie die Invalidenversicherungs-Organe, welche den Art. 17 IVG anwenden. Der Militärversicherte braucht sich daher nicht mit Sachleistungen zu begnügen, die ihm nicht erlauben, wenigstens jenes Berufsziel zu erreichen, zu dem ihm gegebenenfalls die Invalidenversicherung verhelfen würde. Anderseits ist die Militärversicherung nicht verpflichtet, ihrem Versicherten unter dem Titel der beruflichen Wiedereingliederung eine höhere Ausbildung zu gewähren als jene, die ihm im Rahmen des Art. 17 IVG bewilligt werden könnte. Daher ist auch im Gebiet der Militärversicherung unter Umschulung grundsätzlich die Summe der Eingliederungsmassnahmen berufsbildender Art zu verstehen, die notwendig und geeignet sind, dem vor Eintritt der Invalidität bereits erwerbstätig gewesenen Versicherten eine seiner frühern möglichst gleichwertige Erwerbsmöglichkeit zu vermitteln (EVGE 1969 S. 206, 1968 S. 53, 1967 S. 112, 1965 S. 45).
null
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
12137029-fcad-4b66-97a8-cd53ad178336
Urteilskopf 102 Ib 124 22. Urteil vom 14. Mai 1976 i.S. C. Baugesellschaft AG gegen EJPD und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Grundstückerwerb durch Personen im Ausland, Bewilligungspflicht. Zulässigkeit neuer Behauptungen und Beweismittel nach Art. 105 Abs. 2 OG (E. 2). Anforderungen an den Beweis, dass eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz nicht von Ausländern beherrscht ist (E. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 124 BGE 102 Ib 124 S. 124 Die Beschwerdeführerin wurde am 30. Januar 1971 gegründet. Gemäss Errichtungsakt waren bei der Gründung anwesend N., italienischer Staatsangehöriger in A. (Italien), der zum Verwaltungsratspräsidenten ernannt wurde, O. in B., Rechtsanwalt und Notar P. in D. und die S. S.A. in E. Die S. S.A. zeichnete 97 der 100 Inhaberaktien; wer die Aktien für die Gesellschaft zeichnete, geht aus dem Errichtungsakt nicht hervor. Anlässlich einer Kapitalerhöhung im Jahre 1972 zeichnete die S. S.A. weitere 100 Inhaberaktien der Beschwerdeführerin. Das Verwaltungsratsmitglied P. handelte dabei als Präsident und vertrat gleichzeitig das gesamte Aktienkapital. BGE 102 Ib 124 S. 125 Dem Kapitalerhöhungsbeschluss lässt sich nicht entnehmen, wer damals Träger der Aktien war. Im März 1974 suchte die Beschwerdeführerin zwei Parzellen in Lenzerheide zum Preise von Fr. 450'000.-- zu erwerben, um darauf Eigentumswohnungen zu erstellen. Sie reichte beim Grundbuchinspektorat Graubünden das Gesuch um Feststellung ein, dass sie nicht der Bewilligungspflicht gemäss Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 23. März 1961/21. März 1973 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB) unterstehe. Das Grundbuchinspektorat verlangte eine Liste der Aktionäre über die letzten drei Jahre, nähere Angaben über die Vermögensverhältnisse der Aktionäre sowie einen Finanzierungsausweis. Darauf reichte die Beschwerdeführerin verschiedene Erklärungen ein, aus denen hervorgeht, dass Aktionäre die Gebrüder F. und G. H., schweizerische Staatsbürger mit Wohnsitz in N. (Italien) und Teilhaber einer dortigen Kollektivgesellschaft mit einem Kapital von Lit. 120'000'000.--, seien, und dass sämtliche 200 Aktien der Beschwerdeführerin bei der X. Bank in Lugano auf den Namen der Gebrüder H. deponiert seien. Das Grundbuchinspektorat bejahte die Bewilligungspflicht und verweigerte die Bewilligung mit der Begründung, die erteilten Auskünfte seien ungenügend. Gestützt auf einen nachträglich eingereichten Kontokorrent-Auszug der Y. Bank in Lugano, wonach die Beschwerdeführerin auf einem "Baukonto T." über ein Guthaben von Fr. 293'996.65 verfüge, sowie auf Registerauszüge über die Berufstätigkeit der Gebrüder H. kam das Grundbuchinspektorat jedoch auf seine Verfügung zurück und verneinte die Bewilligungspflicht. Auf Beschwerde der Eidgenössischen Justizabteilung bejahte das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Bewilligungspflicht und verweigerte die Bewilligung. Das Gericht stellte fest, die Beschwerdeführerin habe zwar einen Kontoauszug der Y. Bank in Lugano beigebracht, nach dem die Gebrüder H. bei dieser Bank ein Nummernkonto und ein Depot mit Wertschriften von Fr. 604'943.-- und ein Guthaben von Fr. 21'940.67 besässen. Dieser Nachweis sei aber ungenügend; es sei damit nicht erwiesen, dass die durch die Bankauszüge festgestellten Werte wirtschaftlich den Gebrüdern H. bzw. der Beschwerdeführerin gehörten. Eine indirekte Finanzierung durch Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland sei nicht ausgeschlossen. BGE 102 Ib 124 S. 126 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht beantragt die Beschwerdeführerin, der Entscheid des Verwaltungsgerichtes sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass sie für den Erwerb der Parzellen der Bewilligungspflicht nicht unterstehe. Sie hat gleichzeitig die italienischen Steuererklärungen und Steuereinschätzungen eingereicht, um über die Geschäftstätigkeit der Gebrüder H. zu informieren. Ferner beruft sie sich darauf, dass die X. Bank in Lugano, bei der ihre Aktien deponiert seien, ihr gegen deren Verpfändung eine Baukredit von Fr. 500'000.-- eröffnet habe. Die Eidgenössische Justizabteilung beantragt Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführerin ist Gelegenheit zur Replik eingeräumt worden. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Am 1. April 1976, während der Hängigkeit des Verfahrens vor Bundesgericht, ist die neue Verordnung vom 11. Februar 1976 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV) in Kraft getreten. Sie ist nach ihrer Ziff. III Abs. 2 auf hängige Beschwerden anzuwenden. Durch die neue Verordnung sind die Bestimmungen über die Finanzierung von Grundstückgeschäften durch Personen im Ausland ( Art. 2 lit. e BewB und Art. 4 BewV ) und über die beherrschende finanzielle Beteiligung von Ausländern ( Art. 3 lit. c BewB und Art. 5 BewV ) neu gefasst worden; die entsprechenden Bestimmungen im Bundesbeschluss haben jedoch keine Änderung erfahren. Das Bundesgericht prüft frei, ob der angefochtene Entscheid vor dem Bundesbeschluss stand hält; es wendet auch Verordnungsrecht an, soweit dieses mit dem Bundesbeschluss vereinbar ist. 2. Die Beschwerdeführerin hat vor Bundesgericht neue Beweismittel, nämlich die italienischen Steuererklärungen und Steuereinschätzungen, eingereicht, und auch die Eidgenössische Justizabteilung hat in ihrer Vernehmlassung teilweise neue Behauptungen aufgestellt. Nach Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an den vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt gebunden, soweit dieses ihn nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen BGE 102 Ib 124 S. 127 festgestellt hat. Die Frage stellt sich, wie weit die Parteien unter diesen Umständen vor Bundesgericht zulässigerweise neue Behauptungen aufstellen und neue Beweismittel einreichen können. a) In den Fällen, in denen das Bundesgericht an den durch die Vorinstanz festgestellten Sachverhalt nicht gebunden ist, können selbstverständlich noch neue Beweismittel beigebracht werden, die schon den Vorinstanzen hätten vorgelegt werden können ( BGE 100 Ib 355 ). Soweit Art. 105 Abs. 2 OG Anwendung findet, ist diese Möglichkeit jedoch weitgehend eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes können neu beigebracht werden Beweismittel, die die Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben sollen und deren Nichterhebung eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt ( BGE 98 V 223 f.). Solche weitere Beweismittel können vom Bundesgericht auch von Amtes wegen beigezogen werden ( BGE 97 V 136 f. E. 1). Im Bereiche des BewB liegt eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften insbesondere dann vor, wenn eine kantonale Behörde Behauptungen der Parteien für bewiesen erachtet, ohne die in Art. 23 BewV vorgesehenen zusätzlichen Abklärungen vorgenommen zu haben, denn Art. 23 BewV stellt eine wesentliche Verfahrensvorschrift im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG dar (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil Divisione federale della giustizia c. C. S.A. vom 2. Juli 1975, E. 1). Ob im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 OG auch neue Behauptungen und Beweismittel zulässig sind, die erst durch das kantonale Urteil veranlasst werden, und ohne deren Abklärung der Sachverhalt ungenügend festgestellt erscheint, kann offen bleiben, ebenso die Frage, ob neue Behauptungen zuzulassen sind, die sich auf Veränderungen des Sachverhaltes nach Erlass des angefochtenen Entscheides beziehen. Offensichtlich unzulässig und mit der weitgehenden Bindung des Bundesgerichtes an den Sachverhalt gemäss Art. 105 Abs. 2 OG ist dagegen jedenfalls, erst dem Bundesgericht Beweismittel vorzulegen, die schon von den Vorinstanzen angefordert worden waren, ihnen aber vom Beweispflichtigen nicht fristgerecht unterbreitet wurden. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes hatte bereits das Grundbuchinspektorat die Beschwerdeführerin aufgefordert, die Steuererklärungen der Aktionäre über die letzten drei Jahre BGE 102 Ib 124 S. 128 einzureichen, und die Beschwerdeführerin ist dieser Auflage weder vor erster noch vor zweiter Instanz nachgekommen. Unter diesen Umständen kann ihr nicht gestattet werden, diese Unterlagen nun nachträglich dem Bundesgericht vorzulegen. Die neu eingereichten Beweismittel müssen deshalb unbeachtet bleiben. Selbst wenn die neuen Beweismittel zu beachten wären, vermöchten sie lediglich einen gewissen Beweis hinsichtlich des Umfanges der Geschäftstätigkeit der Gebrüder H. in N. zu erbringen. Hingegen käme ihnen keinerlei Beweiskraft zu bezüglich der Hauptfrage, ob die Gebrüder H. bei der Beschwerdeführerin eine beherrschende Stellung innehaben, und ob die in Lugano auf ihren Namen deponierten Wertschriften tatsächlich zu ihrem freien Vermögen gehören. b) Die Eidgenössische Justizabteilung hat in ihrer Vernehmlassung ebenfalls neue Behauptungen vorgebracht, insbesondere über die Tätigkeit der Beschwerdeführerin bei der Überbauung in T. Art. 105 Abs. 2 OG gilt grundsätzlich für die Verwaltung gleich wie für beschwerdeführende Private. Ob und inwieweit auf die neuen Vorbringen der Justizabteilung eingetreten werden könnte, kann jedoch offen bleiben, da sie, wie noch zu zeigen sein wird, für den Ausgang des Verfahrens nicht von Bedeutung sind. 3. a) Der Erwerb von Grundstücken durch juristische Personen mit Sitz in der Schweiz kann aus zwei Gründen unter die Bewilligungspflicht fallen. Zunächst wird die Bewilligung nach Art. 3 lit. c BewB und Art. 5 BewV erforderlich, wenn eine beherrschende finanzielle Beteiligung von Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland besteht. Eine Bewilligung ist aber auch notwendig, wenn eine juristische Person, obwohl von Schweizern beherrscht, Geschäfte tätigt, durch die Ausländern Rechte vermittelt werden, mit denen sich ähnliche wirtschaftliche Zwecke erreichen lassen wie mit dem Erwerb von Eigentum oder von Rechten an Grundstücken im Sinne von Art. 2 lit. a-d BewB ; solche Rechte können insbesondere durch Treuhandgeschäfte, Miet- oder Pachtverträge und Kreditgeschäfte vermittelt werden ( Art. 2 lit. e BewB , Art. 4 BewV ). Die beiden Gründe, die zur Unterstellung einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz unter den Bundesbeschluss führen können, liegen nahe beieinander. Sind bei einer Gesellschaft BGE 102 Ib 124 S. 129 die Eigentumsverhältnisse undurchsichtig, so bleibt gegebenenfalls unklar, ob die Gesellschaft mittelbar durch Personen im Ausland beherrscht ist und damit nach Art. 3 lit. c BewB dem Beschluss untersteht, oder ob lediglich die die Gesellschaft beherrschenden Schweizer im Interesse von Ausländern Geschäfte tätigen, die unter Art. 2 lit. e BewB fallen. Die Vorinstanz, die noch das alte Recht anzuwenden hatte, hat angenommen, die Bewilligungspflicht ergebe sich aus Art. 3 lit. c BewB und Art. 5 Abs. 2 lit. c aBewV , da eine Beherrschung der Beschwerdeführerin durch ausländische Personen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. b) Auch nach dem geltenden Recht, nach Art. 23 BewV , hat die zuständige Behörde von Amtes wegen festzustellen, ob die als Aktionäre bezeichneten Schweizer über die vollen Aktionärsrechte verfügen oder ob sie nur Treuhänder sind. Sobald irgend ein Anlass zu Zweifeln besteht, haben die angeblichen Aktionäre zu beweisen, dass sie die als Käuferin auftretende Gesellschaft aus eigenem Recht beherrschen. Art. 3 lit. c BewB ist nur durchführbar, wenn diese Beweispflicht den Aktiengesellschaften mit Sitz in der Schweiz auferlegt wird. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellt diese Ordnung keine unzumutbare negative Beweispflicht dar, denn die Aktiengesellschaft hat nicht negativ zu beweisen, dass die Aktien keinen Ausländern gehören. Vielmehr muss sie positiv den Beweis antreten, dass die von ihr als Aktionäre bezeichneten Schweizer die Aktien aus schweizerischen Mitteln zu freiem Eigentum erworben haben. Dieser Beweis wird nicht bereits durch einen Bankausweis erbracht, wonach die Aktien auf den Namen von Schweizerbürgern hinterlegt sind. Zwar schafft der Besitz eine Vermutung für das Eigentum, doch bleibt die Frage offen, ob es sich um freies oder nur um fiduziarisches Eigentum handelt. Der Beweis des freien Eigentums von Schweizerbürgern an der als Käuferin auftretenden Aktiengesellschaft muss deshalb durch andere, zusätzliche Beweismittel erbracht werden, sofern irgendwelche Zweifel hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse bestehen. Zu solchen Zweifeln besteht hier Anlass. Die Aktien der Beschwerdeführerin gehörten ursprünglich der S. S.A., über deren Beherrschung nichts bekannt ist. Der erste Präsident der Beschwerdeführerin war ein in Italien wohnhafter italienischer Staatsangehöriger. Wären diese Aktien wirklich BGE 102 Ib 124 S. 130 zu vollem Recht von den Gebrüdern H. in gewöhnlichem Geschäftsgang erworben worden, so wäre es der Beschwerdeführerin ohne weiteres möglich gewesen, vor den Vorinstanzen zu beweisen, wann der Erwerb erfolgte, welche wirkliche Gegenleistung die Gebrüder H. für deren Erwerb erbrachten, aus welchen Mitteln diese Gegenleistung stammte, und wann der frühere italienische Präsident N. durch einen schweizerischen Präsidenten ersetzt wurde. Die Beschwerdeführerin hat jedoch nie entsprechende Beweise angeboten. Wäre die Übertragung der Aktien ordnungsgemäss erfolgt, so hätte der Beweis für deren vollrechtlichen Erwerb zu freiem Eigentum durch Urkunden und allenfalls durch Befragung der Gebrüder H. und von Rechtsanwalt P. als Zeugen oder Auskunftspersonen durchaus erbracht werden können. Es ist zuzugeben, dass keiner der in Art. 23 Abs. 7 BewV enthaltenen Hinweise auf die Verteilung der Beweislast anwendbar ist. Massgebend sind deshalb die unveränderten Bestimmungen von Art. 23 Abs. 2-6 aBewV , wonach die Behörden nur auf Vorbringen abstellen dürfen, die sie geprüft und über die sie nötigenfalls Beweis erhoben haben. Selbst öffentlichen Urkunden, die beispielsweise von einem Notar ausgestellt werden, kommt volle Beweiskraft nur im Rahmen von Art. 23 Abs. 4 und 5 BewV zu ( BGE 100 Ib 470 ff.). Mit Recht haben sich deshalb die Vorinstanzen nicht mit der Erklärung des Präsidenten des Verwaltungsrates der Beschwerdeführerin begnügt, die Gebrüder H. seien die Aktionäre der Gesellschaft, und mangels eines vollen Beweises der schweizerischen Beherrschung der Beschwerdeführerin die Bewilligungspflicht bejaht. c) Freilich kann man sich fragen, ob die kantonalen Behörden nicht den Gesellschaften, die um eine Freistellung von der Bewilligungspflicht nachsuchen, die geeigneten Beweismittel nennen sollten, mit denen der schweizerische Charakter der Gesellschaft erbracht werden kann. Es ist klar, dass bei Auslandschweizern - insbesondere in Italien, einem Lande, mit dem kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht - die Steuererklärungen sehr häufig den schweizerischen Wertschriftenbesitz nicht enthalten. Daher entfällt ein Beweismittel für den Nachweis des vollen freien Eigentums, das den in der Schweiz wohnhaften Personen, die ein Wertschriftenverzeichnis einzureichen haben, zur Verfügung steht. Doch entsteht BGE 102 Ib 124 S. 131 dadurch für die Auslandschweizer kein Beweisnotstand. Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, der zugleich ihrem Verwaltungsrat angehört, musste ohne weiteres klar sein, wie gegebenenfalls der Beweis für einen freien Eigentumserwerb durch die Gebrüder H. zu erbringen war. Er hätte entsprechende Beweismittel anbieten können und müssen. Das Verwaltungsgericht hat deshalb keine wesentlichen Verfahrensvorschriften verletzt, wenn es die beweistauglichen Beweismittel gegenüber der Beschwerdeführerin nicht von sich aus näher bezeichnete. Das Verwaltungsgericht konnte ohne Verletzung der Offizialmaxime annehmen, die Beschwerdeführerin wolle den Schleier über ihre Beziehungen zu ihren Aktionären nicht weiter lüften, als sie dies in ihren Rechtsschriften getan hatte. Die Rechtsschriften vor Bundesgericht bestätigen diesen Eindruck. Wer nicht von sich aus gemäss Art. 15 BewB nach bestem Wissen und Gewissen volle Auskunft erteilt, kann sich nicht über eine Verletzung der Offizialmaxime und eine offensichtlich unrichtige oder unvollständige Abklärung des Sachverhalts beschweren. 4. Selbst wenn es der Beschwerdeführerin in einem neuen Verfahren gemäss Art. 5 Abs. 3 BewV gelingen sollte, den Nachweis zu erbringen, dass die Gebrüder H. tatsächlich ihre Aktien zu freiem Eigentum erworben haben, so wäre damit erst der Beweis erbracht, dass die Beschwerdeführerin nicht mehr unter Art. 3 lit. c BewB fallen würde; zu prüfen bliebe aber immer noch, ob der Ankauf nicht auf Grund einer Finanzierung durch Personen im Ausland im Sinne von Art. 2 lit. e BewB und Art. 4 BewV erfolgt. Der neue Art. 4 BewV lautet: "Als bewilligungspflichtiges Geschäft (Art. 2 Bst. e BB) gilt auch der Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Personen mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz, die im Auftrag und auf Rechnung von Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland handeln, und jeder andere Erwerb, den Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland finanzieren, wenn die Finanzierung nach der Höhe der Kredite, den Vermögensverhältnissen des Erwerbers oder den vertraglichen Abreden den Rahmen des gewöhnlichen oder kaufmännischen Geschäftsverkehrs sprengt." Aus dem Bundesbeschluss und aus der neuen Verordnungsbestimmung folgt in erster Linie, dass die erwerbende Gesellschaft über die Finanzierung des Ankaufs Auskunft zu geben hat; die Auskunftspflicht bezieht sich beim Erwerb von Bauland BGE 102 Ib 124 S. 132 zum Zwecke der Überbauung nicht nur auf die Finanzierung des Grundstückkaufs, sondern auch auf die Finanzierung der Überbauung; denn nur auf Grund der diesbezüglichen umfassenden Auskünfte kann die Bewilligungsbehörde entscheiden, unter welchen Auflagen gegebenenfalls eine Befreiung von der Bewilligungspflicht möglich ist ( Art. 17 Abs. 2 lit. e BewV ). Die Auflage hat für den Einzelfall zu bestimmen, wann in der Zukunft eine Änderung der Verhältnisse vorliegt, die eine Bewilligungspflicht begründen würde, und wann gegebenenfalls eine Finanzierung vorliegt, die im Sinne von Art. 4 BewV den Rahmen des gewöhnlichen oder kaufmännischen Geschäftsverkehrs sprengt. Das Bundesgericht hat bereits in einem früheren Entscheid festgehalten, dass bei Prüfung der Bewilligungspflicht immer die ganze Operation, Landkauf und Überbauung, in ihrer Gesamtheit in Betracht gezogen werden muss (nicht veröffentlichtes Urteil DFJ c. La Daucrettaz S.A. vom 13. Juni 1975). Es ist durchaus denkbar, dass eine von Schweizern oder von Personen in der Schweiz beherrschte Immobiliengesellschaft zwar den Landankauf aus schweizerischen Mitteln finanziert, jedoch in der Absicht, für die Überbauung ausländische Mittel beizuziehen und dabei den Kreditgebern Rechte an den überbauten Grundstücken einzuräumen, die unter Art. 2 lit. e BewB fallen. Das Bundesgericht hat bereits in seinem unveröffentlichten Urteil vom 2. Mai 1975 i.S. Consorta AG entschieden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Rahmen Auflagen gemäss Art. 8 BewB gesetzmässig sind und wie die zukünftigen unter Art. 2 lit. e fallenden Geschäfte näher zu bezeichnen sind. Danach löst der Einsatz ausländischer Kreditmittel an sich die Bewilligungspflicht nicht aus, doch kann die Heranziehung solcher Kredite zusätzliche Abklärungen darüber nötig machen, welche Rechte den Kreditgebern eingeräumt werden. Deshalb müssen die erforderlichen Auskünfte erteilt und die entsprechenden Unterlagen beigebracht werden (vgl. BGE 101 Ib 387 ff.). Auslandschweizer werden im Rahmen solcher Abklärungsverfahren häufig auf Wertschriftendepots hinweisen, die auf ihren Namen in der Schweiz deponiert sind; auch die Gebrüder H. haben dies getan. Es ist eine Frage des Einzelfalles, welcher Beweiswert Bankausweisen über bestehende Wertschriftendepots und Bankguthaben zukommt. Hegen die Behörden BGE 102 Ib 124 S. 133 diesbezüglich bei Auslandschweizern, die den schweizerischen Steuerbehörden kein Wertschriftenverzeichnis einreichen, Verdacht auf einen fiduziarischen Charakter des Wertschriftendepots, so können sie zusätzliche Auskünfte und Beweise verlangen. Je länger das Wertschriftendepot schon besteht, desto glaubwürdiger ist die Behauptung, dass die Depothalter auch die freien Eigentümer sind. Gegebenenfalls haben die angeblichen Eigentümer aber darzustellen, wie sie durch Erbgang, durch Geschäftsgewinne oder durch andere Erwerbsarten zu ihrem Vermögen gekommen sind. Es braucht jedoch nicht abgeklärt zu werden, wer der wirkliche Eigentümer der bei der Y. Bank in Lugano deponierten Wertschriften ist, da die Beschwerdeführerin, wie ausgeführt, bereits den in erster Linie notwendigen Beweis nicht erbracht hat, dass die Gebrüder H. die wirtschaftlich beherrschenden Aktionäre sind. Die Beschwerde ist daher abzuweisen, ohne dass noch geprüft werden müsste, welche Möglichkeiten der Beschwerdeführerin für die Finanzierung der vorgesehenen Überbauung zur Verfügung stehen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,976
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
1218286e-91a1-4eb0-bf8b-2cbc5ee0e18b
Urteilskopf 125 IV 273 42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. September 1999 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen K., M. und B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 251 Ziff. 1 StGB ; Falschbeurkundung. Falschbeurkundung verneint bei zwei inhaltlich falschen Erklärungen über die Finanzierung des Kaufs einer Eigentumswohnung.
Sachverhalt ab Seite 273 BGE 125 IV 273 S. 273 Die deutsche Staatsangehörige M. und die Schweizerin B. beschlossen im Jahre 1993, sich auf dem Gebiet der japanischen Naturheillehre "Reiki" gemeinsam zu betätigen. Als Ort für ihre Tätigkeit wählten sie die Ortschaft S. und Umgebung. Zur Regelung der fremdenpolizeilichen Fragen zog M. Fürsprecher und Notar K. hinzu, der zur Gründung einer Aktiengesellschaft riet, welche dann mit M. zwecks Erhalts einer Aufenthaltsbewilligung einen Arbeitsvertrag schliessen könne. In der Folge wurde mit Hilfe von K. die R. AG mit einem Aktienkapital von Fr. 100'000.-- gegründet und am 5. November 1993 in das Handelsregister eingetragen. Gründerinnen waren B., M. und die Schweizerin J., welche zur Gründung der Gesellschaft beigezogen wurde, mit der Sache sonst aber nichts zu tun hatte. B. zeichnete 51 Aktien, M. 48 und J. eine Aktie. Diese Aufteilung der Aktien war den Gründerinnen von K. empfohlen worden mit dem Hinweis, dass so bei einem allfälligen Liegenschaftskauf durch die Aktiengesellschaft keine Probleme mit der "Lex Friedrich" entstehen würden. B. war Präsidentin des Verwaltungsrates der R. AG; M. und J. gehörten dem Verwaltungsrat an. Während J. nicht zeichnungsberechtigt war, führten B. und M. Einzelunterschrift. Am 22. Dezember 1993 kaufte die R. AG eine Eigentumswohnung. K. verurkundete den Kaufvertrag. Der Kaufpreis von Fr. 606'959.- wurde finanziert durch das Aktienkapital, ein Hypothekardarlehen der Bank X. im Betrag von Fr. 250'000.-- sowie Darlehen von B. und M. im Betrag von je Fr. 130'000.--. Im Kaufvertrag stellte K. fest, "dass bei der Aktiengesellschaft R. AG keine beherrschende Beteiligung BGE 125 IV 273 S. 274 durch Personen im Ausland im Sinne der Vorschriften über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland besteht." K. meldete den Kaufvertrag am 21. Januar 1994 beim Grundbuchamt an. Die Eintragung erfolgte gleichentags. Am 16. Januar 1995 schrieb der Regierungsstatthalter von Thun der R. AG, es sei ihm das Gerücht zugetragen worden, die R. AG sei ausländisch beherrscht. Am 8. Februar 1995 nahm namens der R. AG K. dazu Stellung. Mit Verfügung vom 7. März 1995 stellte der Regierungsstatthalter fest, dass die R. AG die Eigentumswohnung ohne Bewilligung gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG; SR 211.412.41) erworben habe, obwohl sie ausländisch beherrscht gewesen sei; das Gesuch um nachträgliche Bewilligung des Erwerbs der Eigentumswohnung wies er ab. Der Regierungsstatthalter stellte eine Kopie der Akten dem Untersuchungsrichter zu zur Prüfung der Strafbarkeit der Beteiligten. Mit Entscheid vom 11. Juli 1995 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die von der R. AG gegen die Verfügung des Regierungsstatthalters erhobene Beschwerde ab. Die dagegen beim Bundesgericht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde infolge eines Vergleiches zurückgezogen. Am 9. März 1995 eröffnete der Untersuchungsrichter das Strafverfahren gegen K. Am 23. März 1995 fand eine Einvernahme statt. Dabei reichte K. dem Untersuchungsrichter unter anderem zwei Belege ein. Der erste (im Folgenden: Dokument 1) enthält folgende Aufstellung über die Finanzierung des Kaufs der Eigentumswohnung: Finanzierung Kauf Aktienkapital Fr. 100'000.-- Hypothek Bank X. Fr 250'000.-- Darlehen B. Fr. 130'000.-- weitere Hypothek Bank X. (noch ausstehend) Fr. 130'000.-- Das Dokument trägt das Datum vom 16. Dezember 1993; eine Ortsangabe enthält es nicht. Es ist unterzeichnet von B. und M. Der zweite Beleg (im Folgenden: Dokument 2) trägt das Datum vom 21. März 1995. Er lautet: Bestätigung Die Unterzeichnenden bestätigen was folgt: 1. Auf Verlangen von Notar K. haben wir mit Datum vom 16. Dezember 1993 eine Aufstellung über die Finanzierung des Kaufes betreffend GB Nr. ... erstellt und an Notar K. gesandt. BGE 125 IV 273 S. 275 2. Danach war damals folgende Finanzierung beabsichtigt: Aktienkapital Fr. 100'000.-- Hypothek Bank X. Fr. 250'000.-- Aktionärsdarlehen Frau B. Fr. 130'000.-- weitere Hypothek Bank X. Fr. 130'000.-- Total Fr. 610'000.-- ---- ----------- 3. Ende Januar 1994 leistete Frau M. ein weiteres Aktionärsdarlehen von Fr. 130'000.--, so dass die Aufnahme einer weiteren Hypothek überflüssig wurde. Dabei waren wir der Ansicht, dass wir damit die Lex Friedrich nicht verletzten, da Frau B. immer noch über 50% der Mittel hielt. Eine Mitteilung dieser Änderung an Notar K. unterblieb deshalb. 4. Diese Bestätigung wurde nach unseren Angaben von Notar K. aufgesetzt, von uns durchgelesen und als richtig befunden. Es folgt die Ortsangabe (N.) und das Datum. Unterzeichnet ist das Dokument 2 von B. und M. Am 30. März 1995 reichte K. die beiden Dokumente auch als Beilagen zur Beschwerde gegen die Verfügung des Regierungsstatthalters beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern ein. Die beiden Dokumente sind inhaltlich falsch. Dokument 1 wurde nicht am 16. Dezember 1993, sondern im Frühjahr 1995 erstellt. Der Kauf der Eigentumswohnung wurde nicht finanziert durch eine weitere Hypothek der Bank X. im Betrag von Fr. 130'000.--, sondern, wie die Beteiligten von Anfang an wussten, durch ein Darlehen von M. in diesem Betrag. In Dokument 2 sind die Ziffern 1-4 falsch: Am 16. Dezember 1993 wurde keine Aufstellung über die Finanzierung des Kaufes erstellt und an K. gesandt. Ziffer 2 im Dokument 2 wiederholt die inhaltlich falsche Angabe in Dokument 1. Ziffer 3 in Dokument 2 ist unrichtig, da den Beteiligten von Anfang an klar war, dass M. ein Darlehen von Fr. 130'000.-- leisten würde; eine Änderung der Finanzierung lag somit nicht vor. Ziffer 4 ist falsch, weil K. das Dokument 2 selbst verfasste und es von B. und M. lediglich unterzeichnen liess. Am 13. November 1997 verurteilte der Gerichtspräsident 6 des Gerichtskreises X Thun K. wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland zu Fr. 5'000.-- Busse. Vom Vorwurf der Falschbeurkundung sprach er ihn frei. Der Gerichtspräsident sprach M. und B. frei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland und vom Vorwurf der Falschbeurkundung. BGE 125 IV 273 S. 276 Am 10. Dezember 1998 bestätigte das Obergericht des Kantons Bern im Ergebnis dieses Urteil. Der Generalprokurator des Kantons Bern führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben, soweit K., B. und M. vom Vorwurf der Falschbeurkundung freigesprochen wurden, und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Die erste Instanz ist der Auffassung, dass keine allgemein gültige objektive Garantie besteht, welche die Wahrheit der Angaben in den Dokumenten 1 und 2 gewährleistet. Sie verneint deshalb den objektiven Tatbestand der Falschbeurkundung. Die Vorinstanz kommt zum gleichen Schluss. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Tatbestand der Falschbeurkundung sei erfüllt. Die Dokumente dürften nicht, wie das die kantonalen Instanzen getan hätten, isoliert betrachtet werden. Sie seien als Gesamtheit anzuschauen, wobei von Dokument 2 auszugehen sei. Dokument 1 diene als eine Art Beleg oder Beweismittel aus den Handakten des Beschwerdegegners 1 und soll die inhaltliche Richtigkeit von Dokument 2 bestätigen. 3. a) aa) Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb unter anderem nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen ( Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB ). Der Urkundencharakter eines Schriftstücks ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht. So können Rechnungen unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig sind, Urkunden für den Beweis der Tatsache darstellen, dass die entsprechende Erklärung durch den Rechnungssteller abgegeben worden ist. An solchen Rechnungen können deshalb prinzipiell Urkundendelikte begangen werden, etwa durch ihre unzulässige Veränderung (Urkundenfälschung) oder, je nach den Umständen, durch ihre Beseitigung (Urkundenunterdrückung). Nach der Praxis kann sich die Beweisbestimmung eines Schriftstücks einerseits unmittelbar aus dem Gesetz ergeben und andererseits aus dessen Sinn oder Natur abgeleitet werden. Ebenfalls nach Gesetz oder aber BGE 125 IV 273 S. 277 nach der Verkehrsübung bestimmt sich, ob und inwieweit einer Schrift Beweiseignung zukommt. Eine Falschbeurkundung begeht nach Art. 251 Ziff. 1 StGB , wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Nach der gleichen Bestimmung macht sich strafbar, wer eine Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht. Im Unterschied zur Urkundenfälschung im eigentlichen Sinn, welche das Herstellen einer unechten Urkunde erfasst, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Autor nicht identisch ist, betrifft die Falschbeurkundung die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen, wobei nach allgemeiner Ansicht die einfache schriftliche Lüge keine Falschbeurkundung darstellt. Das Vertrauen darauf, dass über die Person des Ausstellers nicht getäuscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen, dass jemand nicht in schriftlicher Form lügt. Aus diesem Grund werden an die Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde bei der Falschbeurkundung höhere Anforderungen gestellt. Eine qualifizierte schriftliche Lüge im Sinne der Falschbeurkundung wird nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat ihr daher ein besonderes Vertrauen entgegenbringt. Dies ist der Fall, wenn allgemein gültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, wie sie unter anderem in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson oder in gesetzlichen Vorschriften liegen, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der Art. 958 ff. OR , gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf entsprechende Angaben verlässt. Die Grenze zwischen Falschbeurkundung und schriftlicher Lüge muss für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Umstände gezogen werden und ist zum Teil mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die jedoch unumgänglich sind und darin begründet liegen, dass das Gesetz nicht eindeutig regelt, wann noch eine straflose und wann eine strafbare schriftliche Lüge vorliegt ( BGE 125 IV 17 E. 2a/aa mit Hinweisen). BGE 125 IV 273 S. 278 bb) In seiner neueren Rechtsprechung hat das Bundesgericht eine Falschbeurkundung in folgenden Fällen verneint: beim Ausstellen einer fingierten Rechnung zuhanden einer Versicherung ( BGE 117 IV 35 ); bei der zuhanden einer Anlegerin ausgestellten inhaltlich unrichtigen Bestätigung, wonach der Aussteller einen von der Anlegerin einem Dritten übergebenen Geldbetrag auf treuhänderischer Basis verwalte und einen bestimmten Jahreszins entrichten werde ( BGE 117 IV 168 mit Hinweis); beim Erstellen von inhaltlich unwahren Regierapporten ( BGE 117 IV 165 ); beim Erstellen von Lohnabrechnungen auf den Namen einer Person, die nicht mit dem wirklichen Arbeitnehmer identisch war ( BGE 118 IV 363 ); bei der Errichtung einer inhaltlich falschen Vertragsurkunde, ohne dass besondere Garantien bestanden, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprachen ( BGE 120 IV 25 ); beim Ausstellen einer fiktiven Rechnung mit dazugehöriger Quittung ( BGE 121 IV 131 ); beim Erstellen und Vorlegen eines simulierten Vertrages zum Zweck der Erlangung eines Kredits (BGE BGE 123 IV 61 ). Demgegenüber hat das Bundesgericht den Tatbestand der Falschbeurkundung bejaht bei einem Arzt, der einen unrichtigen Krankenschein erstellt und damit gegenüber der Krankenkasse Leistungen für sich oder für den Patienten geltend gemacht hatte ( BGE 117 IV 169 f. unter Hinweis auf BGE 103 IV 184 ); bei einem bauleitenden Architekten, der die Pflicht zur ordnungsgemässen Prüfung der Schlussabrechnung übernommen und überhöhte Rechnungen der Unternehmer geprüft und schriftlich genehmigt hatte ( BGE 119 IV 54 ); bei einem Grossisten, der afrikanisches Antilopenfleisch als europäisches Wildfleisch bezeichnet hatte ( BGE 119 IV 289 ); bei der Herausgabe eines inhaltlich unwahren, bei der Kapitalerhöhung nach dem Verfahren der Simultangründung freiwilligen Emissionsprospekts ( BGE 120 IV 122 ); bei der Erstellung eines unrichtigen Protokolls einer Universalversammlung ( BGE 120 IV 199 , BGE 123 IV 132 ); beim leitenden Angestellten einer Bank, der einem Bankkunden brieflich falsche Angaben über den Stand seines Kontos gemacht hatte ( BGE 120 IV 361 ); bei der falschen Buchführung einer Aktiengesellschaft durch die unrichtige Verbuchung von Vergünstigungen und Ausgaben privater Art als geschäftsbedingte Auslagen sowie durch die Verbuchung von Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto ( BGE 122 IV 25 ); bei der zum Zwecke der Täuschung der Strafverfolgungsbehörden vorgenommenen Rückdatierung von Vollmachtsurkunden BGE 125 IV 273 S. 279 ( BGE 122 IV 332 ); bei einem Anwalt, der veranlasste, dass in der Buchhaltung des Anwaltsbüros Einnahmen nicht verbucht wurden, die nach der mit seinem Partner getroffenen Vereinbarung hätten verbucht werden müssen ( BGE 125 IV 17 ). cc) Im jüngeren Schrifttum hat der restriktive Ansatz der neueren Rechtsprechung Zustimmung gefunden (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, vor Art. 251 N. 8). Es wird darauf hingewiesen, dass die restriktive Interpretation der Falschbeurkundung im Einklang mit den Intentionen des Gesetzgebers steht (MARTIN SCHUBARTH, Zur Auslegung der Urkundendelikte, ZStrR 113/1995 S. 393 N. 14). Teilweise wird die neuere Rechtsprechung als im Ergebnis immer noch zu weit gehend kritisiert (GÜNTER STRATENWERTH, Die Falschbeurkundung in der neueren Praxis des Bundesgerichts, recht 16/1998 S. 166 ff.; GUIDO JENNY, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1997, ZBJV 134/1998 S. 627). Demgegenüber ist die restriktive Auslegung auch auf Kritik gestossen (PIERRE FERRARI, La constatation fausse - le mensonge écrit, ZStrR 112/1994 S. 153 f. und 168; vgl. auch BERNARD CORBOZ, Le faux dans les titres, ZBJV 131/1995 S. 566; derselbe, Les principales infractions, Bern 1997 S. 325). b) Zu prüfen ist im Folgenden, ob den in den Dokumenten 1 und 2 enthaltenen Erklärungen eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Die Dokumente sind auf neutralem Papier abgefasst. Sie enthalten lediglich die Erklärungen in Maschinenschrift sowie die Unterschriften der Beschwerdegegnerinnen 2 und 3. Von ihrem Erscheinungsbild her sind sie nicht geeignet, beim Adressaten ein besonderes Vertrauen zu erwecken. Die Dokumente enthalten Erklärungen zweier Privatpersonen. Die Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 haben nicht eine Vertrauensstellung wie der Arzt gegenüber der Krankenkasse ( BGE 117 IV 169 f. mit Hinweis), der bauleitende Architekt gegenüber dem Bauherrn ( BGE 119 IV 54 ) oder der leitende Angestellte einer Bank gegenüber dem Bankkunden ( BGE 120 IV 361 ). Den Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 kommt keine besondere Glaubwürdigkeit zu; eine garantenähnliche Stellung ist zu verneinen. Die Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 waren nach der zutreffenden Ansicht der Vorinstanz nicht unbeteiligte Dritte. Sie hatten im Hinblick auf die Problematik der Lex Friedrich und die Rechtmässigkeit des Eigentumserwerbs erkennbar ein Interesse daran, die finanzielle Beteiligung der Beschwerdegegnerin 2 am Kauf der Wohnung als BGE 125 IV 273 S. 280 geringer erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit war. Überdies war bereits im Frühjahr 1995, als sich das Strafverfahren noch ausschliesslich gegen den Beschwerdegegner 1 richtete, abzusehen, dass den Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 im Zusammenhang mit dem Kauf gegebenenfalls selber eine strafbare Handlung vorgeworfen würde. Auch im Hinblick darauf hatten sie ein Interesse daran, die finanzielle Beteiligung der Beschwerdegegnerin 2 herunterzuspielen. Der Untersuchungsrichter hat denn auch von Anfang die Richtigkeit der in den Dokumenten enthaltenen Angaben bezweifelt, und er hat die Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 nicht als Zeuginnen, sondern als Auskunftspersonen einvernommen. Gemäss Art. 46 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern gilt als Auskunftsperson, wer als Täter beziehungsweise als Teilnehmer einer strafbaren Handlung in Frage kommt und nicht angeschuldigt ist. Bereits in der alten, weniger restriktiven Rechtsprechung hat das Bundesgericht eine Falschbeurkundung in einer vergleichbaren Konstellation verneint. In BGE 103 IV 27 ging es um die Meldung von Metzgern über die Zahl der durchgeführten Schlachtungen. Die Metzger waren an der Meldung möglichst hoher Schlachtzahlen interessiert, da sich danach die Höhe der Einfuhrkontingente für Fleisch und Schlachtvieh berechnete. Wie das Bundesgericht darlegte, ist diese Interessenlage nicht dazu angetan, den Angaben der Metzger im Meldeformular besonderen Glauben entgegenzubringen. Ihre Lage gleicht eher jener einer Partei im Prozess als der eines Zeugen, Gutachters oder unbefangenen Dritten (E. 2, S. 29). Der vorliegende Fall unterscheidet sich von BGE 122 IV 332 . Dort hatte eine Angeschuldigte dem Untersuchungsrichter vom Verwaltungsratspräsidenten einer Aktiengesellschaft unterzeichnete und rückdatierte Vollmachtsurkunden eingereicht, mit denen sie beweisen wollte, dass sie befugt war, im Namen der Aktiengesellschaft im Tatzeitpunkt Waren zu kaufen. Das Bundesgericht mass den Vollmachtsurkunden eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu. Wesentlich war dafür unter anderem der Umstand, dass die Vollmachten nicht von der Angeschuldigten ausgestellt worden und somit nicht bloss unbeachtliche Schutzbehauptungen waren, sondern vom Verwaltungsratspräsidenten der angeblich vertretenen Aktiengesellschaft. Dieser war aber ein unbeteiligter Dritter, der - anders als im vorliegenden Fall - nicht erkennbar ein eigenes Interesse an der Erklärung hatte. Die erhöhte Glaubwürdigkeit der Dokumente ergibt sich hier auch nicht aus dem Gesetz. Der Beschwerdegegner 1 übergab die Dokumente nicht nur dem Untersuchungsrichter, sondern reichte sie BGE 125 IV 273 S. 281 auch als Beweismittel mit der Beschwerde gegen die Verfügung des Regierungsstatthalters vom 7. März 1995 dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern ein. Damit versuchte der Beschwerdegegner 1 nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil zu belegen, dass der Anteil der Beschwerdegegnerin 2 im Moment der Verurkundung des Kaufvertrages nicht hoch genug war, um eine Bewilligungspflicht zu begründen. Gemäss Art. 22 Abs. 1 BewG stellen die Bewilligungsbehörde und die kantonale Beschwerdeinstanz den Sachverhalt von Amtes wegen fest. Sie stellen nur auf Vorbringen ab, die sie geprüft und über die sie nötigenfalls Beweis erhoben haben. Nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung vom 1. Oktober 1984 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewV; SR 211.412.411) erbringen öffentliche Urkunden für durch sie bezeugte Tatsachen vollen Beweis, wenn die Urkundsperson darin bescheinigt, sich über die Tatsachen aus eigener Wahrnehmung vergewissert zu haben, und wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Tatsachen nicht zutreffen. Gemäss Art. 18 Abs. 3 BewV erbringen allgemeine Erklärungen, die lediglich Voraussetzungen der Bewilligungspflicht bestreiten oder Voraussetzungen der Bewilligung behaupten, in keinem Fall Beweis; vorbehalten bleiben Erklärungen über die beabsichtigte Nutzung des Grundstücks. Die Dokumente 1 und 2 sind keine öffentlichen Urkunden, sondern reine Parteibehauptungen, die nach Art. 18 Abs. 3 BewV ausdrücklich in keinem Fall Beweis erbringen. Dokument 2 nimmt verschiedentlich Bezug auf den Beschwerdegegner 1, der als Notar besonderes Vertrauen geniesst. Dadurch erhält das Dokument aber keine erhöhte Glaubwürdigkeit. Aussteller des Dokuments ist nicht der Beschwerdegegner 1. Aussteller sind vielmehr die Beschwerdegegnerinnen 2 und 3. Der Beschwerdegegner 1 erklärt in Dokument 2 nichts. Nach Ziffer 4 des Dokuments hat er es nach den Angaben der Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 lediglich aufgesetzt. Der Beweiswert eines Schriftstücks wird nicht dadurch erhöht, dass der Aussteller darin eine Person mit besonderer Glaubwürdigkeit erwähnt. Die Person, welcher die besondere Glaubwürdigkeit zukommt, muss die Erklärung selbst abgegeben haben. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt Dokument 2 auch nicht eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu, weil darin auf Dokument 1 verwiesen und dessen Inhalt wiederholt wird. Ein Schriftstück erhält nicht dadurch erhöhte Glaubwürdigkeit, dass darin auf ein anderes Schriftstück Bezug genommen wird, dem seinerseits die erhöhte Glaubwürdigkeit fehlt. BGE 125 IV 273 S. 282 Der Beschwerdeführer macht (sinngemäss) geltend, die Dokumente 1 und 2 seien auch im Zusammenhang zu sehen mit dem Kaufvertrag und der darin abgegebenen Erklärung des Beschwerdegegners 1, bei der R. AG bestehe keine beherrschende Beteiligung durch Personen im Ausland im Sinne der Vorschriften über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. Damit werde der Eindruck erweckt, der Beschwerdegegner 1, der als Notar besonderes Vertrauen geniesse, habe die Richtigkeit der in den Dokumenten angegebenen Finanzierung geprüft. Der Einwand ist schon deshalb unbehelflich, weil sich die Erklärung im Kaufvertrag auf die Beteiligung an der Aktiengesellschaft und nicht auf die Finanzierung des Kaufs bezieht. Eine erhöhte Glaubwürdigkeit der Dokumente könnte nur dann angenommen werden, wenn der Beschwerdegegner 1 - sei es im Kaufvertrag, in den Dokumenten oder sonstwo - ausdrücklich erklärt hätte, dass er die in den Dokumenten enthaltenen Angaben der Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 über die Finanzierung geprüft habe und die Finanzierung nach diesen Angaben erfolgt sei. Dass dies der Fall sei, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich. Den Dokumenten kommt danach keine erhöhte Glaubwürdigkeit zu. Objektive Garantien für die Wahrheit der Erklärungen sind nicht gegeben. Die kantonalen Instanzen haben kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Tatbestand der Falschbeurkundung verneint und die in den Dokumenten enthaltenen Erklärungen als einfache schriftliche Lügen betrachtet haben. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
null
nan
de
1,999
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
121e2aba-a055-472a-b94e-1b4c9d88cace
Urteilskopf 105 II 329 54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Dezember 1979 i.S. Käser und Käser gegen Locher (Berufung)
Regeste Ausserordentliche Ersitzung einer Grunddienstbarkeit ( Art. 731 Abs. 3 ZGB ). Zu Lasten eines in einem kantonalen Publizitätsregister eingetragenen Grundstücks kann eine Grunddienstbarkeit solange durch ausserordentliche Ersitzung begründet werden, als nicht eine umfassende Bereinigung der Dienstbarkeiten stattgefunden hat (Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 329 BGE 105 II 329 S. 329 A.- Peter Locher, Pius Käser und Albert Käser sind Eigentümer dreier aneinandergrenzender Grundstücke in der Gemeinde Bösingen (Kanton Freiburg). Auf der Parzelle 916 des Albert Käser entspringt eine Quelle, die in einer Brunnenstube gefasst und deren Wasser durch eine Leitung in nordwestlicher Richtung über die Parzelle 907 des Pius Käser bis unmittelbar vor die Grenze zur Parzelle 889 aaa des Peter Locher geführt wird. Dort befindet sich ein Teilstock, von dem aus je eine Leitung zum Hause des Pius Käser und zu jenem des Peter Locher führt. BGE 105 II 329 S. 330 Im altrechtlichen kantonalen Publizitätsregister ist die Parzelle 907 des Pius Käser mit einer "Brunnenleitung" zugunsten der Parzelle 889 aaa des Peter Locher belastet. Andererseits besteht zu ihren Gunsten ein Quellen- und Durchleitungsrecht zu Lasten der Parzelle 916 des Albert Käser. Zugunsten der Parzelle 889 aaa des Peter Locher und zu Lasten der Parzelle 16 des Paul Poffet, die in ansteigendem Gelände südöstlich an die Parzelle 916 des Albert Käser grenzt, ist schliesslich ein "Nachgrabungsrecht für die Brunnenleitung" eingetragen. B.- Mit Eingabe vom 28. Mai 1976 reichte Peter Locher beim Bezirksgericht der Sense gegen Albert und Pius Käser Klage ein. Er verlangte, dass zugunsten seiner Parzelle (889 aaa) das Bestehen eines Quellen-, Brunnenstuben- und Wasserleitungsrechtes zu Lasten der Parzelle 916 des Albert Käser sowie eines Wasserleitungs- und Teilstockrechtes zu Lasten der Parzelle 907 des Pius Käser festgestellt und dass die Eintragung dieser Rechte im Grundbuch angeordnet werde. Der Beklagte Pius Käser anerkannte, dass seine Parzelle mit einer "Brunnenleitung" zugunsten des klägerischen Grundstückes belastet sei. Im übrigen wurde jedoch von beiden Beklagten Abweisung der Klage beantragt. C.- Mit Urteil vom 11. Juli 1978 stellte das Bezirksgericht der Sense fest, dass der Beklagte Pius Käser anerkenne, dass seine Parzelle mit einer "Brunnenleitung" zugunsten der Parzelle des Klägers belastet sei. Im übrigen wies es die Klage ab mit der Begründung, der Kläger habe eine Ersitzung der beanspruchten Grunddienstbarkeiten nach altem kantonalem Recht, d.h. vor dem 1. Januar 1912 (dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches), nicht zu beweisen vermocht und gemäss den Art. 662 und 731 ZGB sei die ausserordentliche Ersitzung einer Grunddienstbarkeit zu Lasten eines Grundstückes, das im Grundbuch eingetragen sei, ausgeschlossen. D.- In Gutheissung einer gegen das bezirksgerichtliche Urteil erhobenen Berufung des Klägers erliess das Kantonsgericht des Staates Freiburg (Appellationshof) am 2. Mai 1979 folgendes Urteil: "... 3. Es wird festgestellt, dass zu Gunsten von Art. 889 aaa der Gemeinde Bösingen und zu Lasten des Art. 916 ein Wasser-, Brunnstuben- und Leitungsrecht sowie zu Lasten des Art. 907 derselben Gemeinde ein Brunnenleitungs- und Teilstockrecht bestehen. Diese Rechte werden im BGE 105 II 329 S. 331 bisherigen Rahmen und nach Massgabe der vorhandenen Einrichtungen ausgeübt. 4. Das Grundbuchamt des Sensebezirks wird angewiesen, diese Rechte ins Grundbuch einzutragen." Auch das Kantonsgericht verneint eine Ersitzung für die Zeit vor dem 1. Januar 1912. Hingegen hält es dafür, der Kläger habe die Grunddienstbarkeiten nach diesem Zeitpunkt ersessen, weil der altrechtlichen Publizitätseinrichtung des Kantons Freiburg nicht die volle negative Rechtskraft zukomme. E.- Mit Berufung an das Bundesgericht beantragen die beiden Beklagten, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; allenfalls sei die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Entscheidung an die kantonale Appellationsinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Gemäss Art. 731 Abs. 3 ZGB ist die Ersitzung von Grunddienstbarkeiten nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung wäre die ordentliche Ersitzung einer Grunddienstbarkeit nur ganz ausnahmsweise möglich. Damit nämlich jemand zu Unrecht als Dienstbarkeitsberechtigter im Grundbuch eingetragen sein kann (vgl. Art. 661 ZGB ), muss zwangsläufig das Grundstück als solches im Grundbuch aufgenommen sein, und in den meisten Fällen wird sich aus diesem Eintrag auch der Eigentümer ergeben. Die ordentliche Ersitzung einer Dienstbarkeit käme bei wörtlicher Auslegung des Art. 731 ZGB nur in den seltenen Fällen in Frage, da letzteres nicht zutrifft. Das kann indessen nicht der Sinn des Gesetzes sein (vgl. BGE 52 II 120 E. 2). Mit LIVER (N. 120 zu Art. 731 ZGB mit Hinweisen auf Materialien) ist Art. 731 Abs. 3 ZGB vielmehr dahin auszulegen, dass auf die Ersitzung von Dienstbarkeiten die Vorschriften über die Ersitzung von Grundeigentum ( Art. 661 ff. ZGB ) sinngemäss anzuwenden sind. Für die im vorliegenden Fall - wo die beanspruchten Dienstbarkeiten nirgends eingetragen sind - allein in Frage kommende ausserordentliche oder Extratabularersitzung ergibt sich aus dem Gesagten, dass sie dann möglich ist, wenn das Grundbuch keinen zuverlässigen Aufschluss über den Bestand BGE 105 II 329 S. 332 von Dienstbarkeiten vermittelt. Davon kann in der Regel dort nicht die Rede sein, wo das eidgenössische Grundbuch eingeführt und das Grundstück, dessen Belastung mit einer Dienstbarkeit in Frage steht, darin aufgenommen ist. Indessen ist nach den Ausführungen der Vorinstanz für die Gemeinde Bösingen das eidgenössische Grundbuch noch nicht eingeführt. Bezüglich der kantonalen Publizitätseinrichtung bestimmt Art. 370 Abs. 1 des freiburgischen Einführungsgesetzes zum schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG zum ZGB), dass das vor Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches unter dem Namen "casier" geführte Buch fortan die Bezeichnung "Hauptbuch" tragen soll und dass alle im Kataster und in den Hypothekenbüchern enthaltenen Einträge darin aufgenommen werden sollen. Die erwähnte Bestimmung sieht ferner vor, dass das Hauptbuch vervollständigt werde und vom 1. Januar 1912 an alle endgültigen und vorläufigen Einträge, die Vormerkungen und die Anmerkungen bezüglich des Eigentums, der Dienstbarkeiten und der Grundlasten aufzunehmen habe. Gemäss Art. 370 Abs. 2 EG zum ZGB sollen diese Einträge dieselbe Rechtswirkung haben wie diejenigen im eidgenössischen Grundbuch. Unter Hinweis auf BOSSY (Grundbucheinrichtungen und Einführung des eidgenössischen Grundbuches im Kanton Freiburg, in: ZBGR 32/1951, S. 1 ff., insbesondere S. 14 ff.) hält die Vorinstanz fest, der freiburgischen Publizitätseinrichtung komme freilich insofern noch nicht die volle Grundbuchwirkung im Sinne des Zivilgesetzbuches zu, als sie keinen Aufschluss darüber gebe, ob und welche Dienstbarkeiten vor der Einführung des Eintragungsprinzips errichtet worden seien, da noch kein Bereinigungsverfahren habe durchgeführt werden können. Ob unter solchen Umständen eine Dienstbarkeit nach Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches ersessen werden könne, wird unterschiedlich beurteilt. Im Schrifttum wurde die Frage früher eher verneint (so HUBER/MUTZNER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. A., S. 268; PFISTER, Die Ersitzung nach schweizerischem Recht, Zürcher Diss. 1931, S. 56 Anm. 10), während in jüngeren Publikationen im allgemeinen der gegenteilige Standpunkt eingenommen wird (LIVER, N. 162-165 zu Art. 731 ZGB ; LIVER, Das Eigentum, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, S. 155; LIVER, in ZBJV 109/1973, S. 84; LIVER, in: ZBGR 60/1979, S. 40; BROGGINI, Intertemporales Privatrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. I S. 506; BGE 105 II 329 S. 333 TOBLER, Die dinglichen Rechte des Zivilgesetzbuches dargestellt am Beispiel der Leitungen, Berner Diss. 1953, S. 80). Auch die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Gegen die Zulässigkeit der ausserordentlichen Ersitzung haben sich namentlich das Obergericht des Kantons Zürich (vgl. ZBGR 42/1961, S. 206), das Obergericht des Kantons Luzern (vgl. SJZ 58/1962, S. 232) und das Kantonsgericht St. Gallen (St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 1976, Nr. 22) ausgesprochen, während das Kantonsgericht von Graubünden (vgl. PKG 1944 Nr. 28, 1951 Nr. 27 und 1967 Nr. 29) und das Kantonsgericht Wallis (vgl. SJZ 71/1975, S. 12 Nr. 6) anderer Auffassung sind. In einem den Kanton Thurgau betreffenden Fall hat das Bundesgericht kürzlich entschieden, dass ein im dortigen provisorischen Grundbuch eingetragenes Grundstück als im Sinne von Art. 662 ZGB in das Grundbuch aufgenommen zu gelten habe, für eine ausserordentliche Ersitzung des zu Lasten dieses Grundstückes beanspruchten Fuss- und Fahrwegrechts seit dem 1. Januar 1912 deshalb kein Raum mehr sei. Es wurde darauf hingewiesen, dass nach thurgauischem Recht jedes Grundstück von Amtes wegen in das provisorische Grundbuch aufzunehmen sei, das unter anderem ein Eigentümerverzeichnis sowie ein Manual und Protokoll über die Dienstbarkeiten und Grundlasten umfasse. Ferner wurde ausgeführt, dass gemäss der einschlägigen Bestimmung des kantonalen EG zum ZGB den Eintragungen in das Manual bezüglich Entstehung, Übertragung, Umänderung und Untergang der dinglichen Rechte Grundbuchwirkung zukomme, woraus erhelle, dass im Kanton Thurgau seit dem 1. Januar 1912 Dienstbarkeiten, für die das Bundeszivilrecht die Eintragung verlange, anders nicht mehr begründet werden könnten und dass das provisorische Grundbuch somit lückenlos über diese unter der Herrschaft des Zivilgesetzbuches errichteten beschränkten dinglichen Rechte Aufschluss gebe ( BGE 104 II 305 f.). Daran kann nicht festgehalten werden. Zwar kommt sowohl nach dem thurgauischen wie auch nach dem hier massgebenden freiburgischen Recht den jeweiligen kantonalen Publizitätseinrichtungen insofern negative Rechtskraft zu, als für die rechtsgeschäftliche Begründung neuer Dienstbarkeiten die Eintragung Gültigkeitserfordernis ist. Die ausserordentliche Ersitzung wird jedoch dadurch nicht ausgeschlossen. Bevor nicht eine umfassende Bereinigung der BGE 105 II 329 S. 334 Dienstbarkeiten stattgefunden hat, kann einer kantonalen Grundbucheinrichtung insofern keine volle Grundbuchwirkung im Sinne des Zivilgesetzbuches zukommen, als sich ein Dritter nicht darauf verlassen kann, dass neben den eingetragenen nicht noch andere Dienstbarkeiten bestehen. Solange dies nicht der Fall ist, können solche weiterhin gestützt auf Art. 731 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 662 ZGB ersessen werden, gleich wie das Eigentum ersessen werden kann, wenn aus dem Grundbuch nicht abschliessend hervorgeht, wer Eigentümer eines bestimmten Grundstückes ist (vgl. LIVER, in: ZBGR 60/1979, S. 40). Die Vorinstanz hat demzufolge mit der Annahme, der Kläger habe die von ihm beanspruchten Dienstbarkeiten unter der Herrschaft des Zivilgesetzbuches ersessen, kein Bundesrecht verletzt.
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Urteilskopf 87 I 507 80. Auszug aus dem Urteil vom 15. November 1961 i.S. Wohnbau AG gegen Gemeinde Thusis und Grosser Rat des Kantons Graubünden.
Regeste Art. 4 BV . Baubewilligungsverfahren. 1. Es ist nicht willkürlich, ein Baugesuch nach dem zur Zeit der endgültigen Entscheidung und nicht nach dem bei der Einreichung geltenden Baurecht zu beurteilen (Erw. 4). 2. Darf ein Baugesuch neuem Baurecht unterstellt werden, das im Hinblick auf das betreffende Bauvorhaben erlassen worden ist? (Erw. 5.)
Sachverhalt ab Seite 508 BGE 87 I 507 S. 508 Aus dem Tatbestand: A.- Nach Art. 1 des Baugesetzes (BauG) des Kantons Graubünden vom 6. Mai 1894 sind die Gemeinden berechtigt, Bauordnungen aufzustellen; diese bedürfen der Genehmigung des Kleinen Rates. Die Gemeinde Thusis hat am 8. September 1922 eine Bauordnung (BO) erlassen, die vom Kleinen Rat genehmigt worden ist. Gemäss Art. 11 BO hat die erweiterte Baukommission der Gemeinde einen Überbauungsplan und nach Bedarf Pläne für einzelne Strassen oder Quartiere zu erstellen. Die Pläne sind öffentlich aufzulegen, wobei eine Frist von 30 Tagen zur Erhebung von Einsprachen anzusetzen ist. Nach "Beseitigung" der Einsprachen ist der Plan dem Kleinen Rat zur Genehmigung zu unterbreiten. B.- Im Zuge der Ausarbeitung eines neuen Bebauungsplans und einer neuen Bauordnung liess die Gemeinde Thusis im Jahre 1958 für das noch nicht erschlossene Gebiet "Hasensprung/Rafria" einen Quartierplan erstellen, der von Mitte November bis Mitte Dezember 1958 aufgelegt wurde. Am 17. Dezember 1958 stimmte die Gemeindeversammlung der Ergänzung des Art. 32 BO durch einen neuen zweiten Absatz zu, wonach im genannten Quartier nur Gebäude errichtet werden dürfen, die ausser dem Kellergeschoss nicht mehr als zwei Stockwerke umfassen. Der Kleine Rat wies einen Rekurs gegen diesen Gemeindeversammlungsbeschluss ab; er hiess hingegen einen solchen gegen den Quartierplan dahin gut, dass er die Gemeindebehörden verhielt, den Plan in einzelnen Punkten zu ergänzen und ihn hierauf erneut öffentlich aufzulegen. Nachdem das geschehen war, genehmigte der Kleine Rat am 20. Mai 1960 den neuen Art. 32 Abs. 2 BO und den bereinigten Quartierplan "Hasensprung/Rafria". C.- Schon vor der Auflegung der ersten Fassung des Quartierplans hatte die Wohnbau AG am 23. Oktober 1958 ein Baugesuch für zwei dreigeschossige Mehrfamilienhäuser BGE 87 I 507 S. 509 am "Hasensprung" eingereicht. Die Baukommission der Gemeinde Thusis lehnte das Gesuch am 29. Dezember 1958 ab, weil es dem Quartierplan und dem neuen Art. 32 Abs. 2 BO widerspreche. Der Kleine Rat hiess einen dagegen erhobenen Rekurs am 19. Juni 1959 gut und wies die Sache zu neuer Behandlung an die Gemeindebehörde zurück. Er führte dazu aus, die Verweigerung der Baubewilligung könne nicht auf die erwähnten Erlasse gestützt werden, weil diese noch nicht genehmigt worden seien und folglich nicht in Kraft ständen. Am 12. Januar 1960 reichte die Wohnbau AG ihr Baugesuch mit leicht veränderten und ergänzten Unterlagen wieder ein. Die Baukommission Thusis behandelte die Rechtsvorkehr als neues Gesuch; sie lehnte dieses am 27. Februar 1960 ab, weil das Projekt gegen den Quartierplan verstosse, indem eines der beiden Häuser in die vorgesehene Strasse hineinragen würde, und weil es zudem den Gemeindeversammlungsbeschluss vom 17. Dezember 1958 verletze, der vom Kleinen Rat im Rekursverfahren bestätigt worden sei. Die Wohnbau AG zog diese Verfügung an den Kleinen Rat weiter, der den Rekurs am 17. Oktober 1960 abwies. Einen Rekurs, den die Wohnbau AG dagegen erhob, hat der Grosse Rat am 2. Juni 1961 als unbegründet erklärt. Er stellte dabei fest, es sei allgemein anerkannt, dass ein Baugesuch nicht nach den Vorschriften zu beurteilen sei, die bei dessen Einreichung in Kraft standen; es komme vielmehr aufzur die Zeit der Beurteilunggeltenden Normen an; diese aber liessen das streitige Bauvorhaben nicht zu. D.- Die Wohnbau AG ficht diesen Rekursentscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie an. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass der Grosse Rat den Gemeindeversammlungsbeschluss vom BGE 87 I 507 S. 510 17. Dezember 1958 auf das schon vor dessen Erlass eingereichte Baugesuch angewendet hat, obwohl keine Übergangsbestimmung dem neuen Art. 32 Abs. 2 BO rückwirkende Kraft verleihe. Diese Einwendung geht von der falschen Voraussetzung aus, neue Bauvorschriften seien auf bereits anhängige Baugesuche nur anwendbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsehe. Soweit die kantonale Gesetzgebung nicht das Gegenteil gebietet (vgl. Art. 71 Abs. 2 des nidwaldischen und teilweise auch Art. 54 des glarnerischen BauG), geht die schweizerische Verwaltungspraxis dahin, ein Baugesuch nach den Normen zu beurteilen, die zur Zeit der endgültigen Entscheidung in Kraft stehen; bei der Beurteilung durch mehrere Instanzen sind demgemäss jene Vorschriften massgeblich, die im Zeitpunkt gültig sind, auf den sich die Feststellungen der letzten Instanz beziehen (vgl. ZR 12 Nr. 231, 47 Nr. 97; MBVR 36 Nr. 236 S. 446, 51 Nr. 52 S. 141 f.; ZBl 1961 S. 131 oben; BJM 1961 S. 163 ff.; ZIMMERLIN, Bauordnung der Stadt Aarau S. 69). Die meisten kantonalen Baugesetze ermächtigen deshalb die Baubewilligungsbehörden, im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Änderung der Rechtsgrundlagen die Behandlung eines Baugesuches zurückzustellen, bis der neue Plan oder das revidierte Baurecht in Kraft steht. Ungeachtet dessen, ob solche Verfahrensvorschriften bestehen oder nicht, ist es, wie das Bundesgericht wiederholt erkannt hat, nicht verfassungswidrig, ein unter der Herrschaft des alten Rechts eingereichtes Baugesuch nach dem inzwischen in Kraft getretenen neuen Baurecht zu beurteilen (vgl. Urteile vom 7. Juli 1933 i.S. Götschi, Erw. 2; vom 18. Mai 1934 i.S. Pfenninger, Erw. 2; vom 7. Dezember 1934 i.S. Facchetti, Erw. 5; vom 9. November 1949 i.S. Gysin, Erw. 4; vom 9. November 1949 i.S. Aarbühl AG, Erw. 4, abgedruckt in MBVR 48 Nr. 150 S. 312; vom 15. März 1950 i.S. Hug, Erw. 5, ZBl 1952 S. 270/71; vom 25. April 1956 i.S. Florapark AG, Erw. 2; vom 30. Mai 1956 i.S. Basler Lebensversicherungs-Gesellschaft, BGE 87 I 507 S. 511 Erw. 2, MBVR 54 Nr. 113 S. 407 ff.; vom 17. Dezember 1958 i.S. Sigrist & Berger, Erw. 6; vgl. auchBGE 79 I 5Erw. 2a). Diese Rechtsprechung steht in Übereinstimmung mit der Lehre (JELLINEK, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 143/44; vgl. auch BURCKHARDT, Organisation der Rechtsgemeinschaft, 2. Aufl., S. 97, 108). Die Vorbringen der Beschwerdeführerin geben keinen Anlass, darauf zurückzukommen. Der Grundeigentümer muss stets damit rechnen, dass das Baurecht in dem vom Gesetz dafür vorgesehenen Verfahren geändert wird; er hat grundsätzlich kein wohlerworbenes Recht darauf, dass das bestehende Recht für sein Grundstück in Geltung bleibe (ZBl 1961 S. 131 oben). Die Einreichung des Baugesuches ändert daran nichts. Die Baubewilligung, die damit verlangt wird, ist die Bescheinigung darüber, dass dem Bauvorhaben kein baupolizeiliches Hindernis entgegensteht. Sie hat den Zweck, die Entstehung eines polizeiwidrigen Zustandes zu verhindern (FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., S. 406). Da dieser Zustand erst in Zukunft eintritt, muss dessen Rechtmässigkeit auf Grund der dannzumal geltenden Ordnung, also des neuen Rechts, beurteilt werden (vgl. ZR 12 Nr. 231, 47 Nr. 97). Da das neue Recht dergestalt auf einen erst künftig sich verwirrklichenden Sachverhalt und nicht auf bereits bestehende Verhältnisse angewendet wird, liegt keine Rückwirkung vor (vgl. GEIGER, Sind rückwirkende Steuergesetze zulässig? Steuer-Revue 16 S. 51). Sofern die kantonale Gesetzgebung nichts Abweichendes vorschreibt, wird eine Baubewilligung denn auch erst dann unwiderruflich, wenn mit der Ausführung der Bauten begonnen worden ist ( BGE 79 I 6 lit. b). Der Kleine Rat hat am 20. Mai den neuen Art. 32 Abs. 2 BO und den Quartierplan "Hasensprung/Rafria" genehmigt. Als er am 17. Oktober 1960 auf Rekurs hin über das Baugesuch der Beschwerdeführerin entschied, standen diese Normen mithin bereits in Kraft. Selbst wenn der Grosse Rat nach dem für das zweitinstanzliche BGE 87 I 507 S. 512 Rekursverfahren geltenden Novenverbot (Art. 55 Abs. 2 der Geschäftsordnung vom 29. Mai 1956) in dieser Verfahrensstufe eingetretene Änderungen der Rechtslage nicht berücksichtigen dürfte (was angesichts seiner Befugnis zu freier Prüfung der Rechtsanwendung nicht anzunehmen ist), konnte er sich demnach ohne Willkür auf das neue Recht stützen. 5. Die Beschwerdeführerin bezeichnet die Anwendung des neuen Art. 32 Abs. 2 BO auch deshalb als willkürlich, weil die Baukommission die Behandlung des Baugesuches in nicht zu verantwortender Weise verzögert habe, um das Inkrafttreten jener Bestimmung abzuwarten, die eigens wegen dieses Bauvorhabens erlassen worden sei. Die Gemeinde Thusis bestreitet sowohl das Vorliegen einer Verzögerung als auch, dass sie die Bauordnung nur im Hinblick auf das Projekt der Beschwerdeführerin geändert habe. Wie dem sei, kann dahingestellt bleiben. Der Plan (sowie das damit verbundene örtliche Baurecht) hebt sich seinem Inhalte nach dadurch vom Gesetz ab, dass er die ihm unterstellten Tatbestände gerade in ihrer Besonderheit zu erfassen trachtet (IMBODEN, Der Plan als verwaltungsrechtliches Institut, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 18, S. 123). Die Besonderheiten dieser Einzelfälle aber lassen sich nur schwer von vornherein überblicken. Dass ein Plan (samt zugehörigen Bauvorschriften) geschaffen oder geändert werden sollte, zeigt sich daher häufig erst bei der Einreichung eines Baugesuches. Eine Anzahl kantonaler Baugesetze trägt dem Rechnung, indem sie Fristen für die Schaffung oder Änderung des Planes ansetzen oder sonstige Anweisungen für diesen Fall geben (Zürich, § 129 BauG; Bern, Art. 36 BauG; Luzern, Art. 12 städt. BauG; Obwalden, Art. 135 Abs. 2 EG ZGB; Zug, § 10 städt. BauG; Solothurn, § 19 BauG; Waadt, Art. 83 BauG). Dass ein bestimmtes Bauvorhaben dergestalt zum Ausgangspunkt neuen Baurechts wird, weckt keine Bedenken, BGE 87 I 507 S. 513 falls die Behandlung des Baugesuches dadurch keine untragbare Verzögerung erleidet (was die erwähnten Fristen sicherzustellen suchen) und falls das neue Baurecht, dem Gebote der Rechtsgleichheit folgend, sich auch in der ihm eigenen Berücksichtigung der Besonderheiten der einzelnen Tatbestände ganz von allgemeinen planerischen Gesichtspunkten leiten lässt (vgl. IMBODEN, a.a.O., S. 142 Ziff. IX), es also nicht in einseitiger Weise darauf ausgeht, die Rechtsstellung des betreffenden Baugesuchstellers zu verbessern oder zu erschweren. Die kantonalen Instanzen trifft weder in der einen noch in der andern Hinsicht ein Vorwurf. Wird berücksichtigt, dass das streitige Baugesuch sich auf ein bisher nicht erschlossenes Gebiet bezieht und dass die Beschwerdeführerin selber sich zu einer Änderung und Ergänzung der Unterlagen veranlasst sah, so liegt zwischen der Einreichung des Gesuches und dessen endgültiger Beurteilung keine übermässig lange Zeitspanne. Dass der Gemeindeversammlungsbeschluss vom 17. Dezember 1958 auf Schaffung des neuen Art. 32 Abs. 2 BO von sachlichen planerischen Gesichtspunkten geprägt ist, hat der Kleine Rat bereits bei der Genehmigung der genannten Norm am 20. Mai 1960 festgestellt. Gleiches gilt mit Bezug auf den Quartierplan "Hasensprung/Rafria". Diese Frage steht hier denn auch nicht mehr zur Erörterung.
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Urteilskopf 89 II 118 20. Arrêt de la Ire Cour civile du 14 mai 1963 dans la cause Delavy contre Bonjean.
Regeste Art. 339 OR . Pflichten des Dienstherrn, der für den Transport seiner Angestellten einen landwirtschaftlichen Traktor verwendet; übersetzte Geschwindigkeit (Erw. 2). Mitverschulden des Angestellten, der vom Traktor fällt (Erw. 3). Wirkungen der Solidarhaftung gegenüber dem Geschädigten auf Grund der Klagenkonkurrenz (Erw. 5). Art. 99 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951. Auslegung dieser Bestimmung (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 118 BGE 89 II 118 S. 118 A.- Le 7 novembre 1959, vers 13 h 30, un accident s'est produit sur un chemin communal longeant le canal Stockalper, à Vouvry. La chaussée en terre battue était parsemée de nombreux "nids de poule" plus ou moins profonds et difficilement évitables; son état d'entretien était très défectueux et les véhicules devaient progresser en zigzaguant. Jean Bonjean retournait à son champ pour effectuer un dernier transport de betteraves sucrières. Il roulait BGE 89 II 118 S. 119 à 15 km/h au volant d'un tracteur agricole qui ne pouvait dépasser la vitesse de 20 km/h et auquel étaient attelés une remorque à un essieu et un char. Son frère Marcel Bonjean et ses ouvriers Giovanni Civitello et Aloys Delavy avaient pris place, selon sa recommandation, sur la remorque. Les voyant debout, il les avait invités à s'accroupir ou à s'asseoir. En cours de route, une ridelle se souleva, probablement à la suite d'une première secousse. Sans veiller à son propre équilibre, Delavy se mit à genoux et s'avança vers l'arrière en vue de remettre la ridelle en place. Il allait la saisir lorsque la remorque, passant sur une cavité plus profonde, subit une telle secousse qu'il la manqua et bascula tête première. Dans sa chute, il heurta le sol et le char, dont les roues lui passèrent sur le corps. Il souffre depuis lors d'une paraplégie totale due à une fracture de la colonne vertébrale. Bonjean avait assuré ses employés contre les accidents auprès de la compagnie La Suisse, qui versa 20 920 fr. à la victime. B.- Par citation en conciliation du 10 octobre 1960, Delavy a intenté à Bonjean une action en paiement de 160 000 fr. Le 13 décembre 1960, celui-ci a évoqué à garantie la commune de Vouvry, qui lui a opposé un refus. Le 21 novembre 1962, le Tribunal cantonal valaisan a jugé que le défendeur répondait du dommage à concurrence de 40% et l'a condamné à payer a) 8 035 fr. 20 (invalidité jusqu'au jour du jugement), b) 57 680 fr. (incapacité permanente future), c) 3911 fr. 60 (frais médicaux et pharmaceutiques, hospitalisation), d) 6 000 fr. (réparation du tort moral), le tout sous déduction des montants versés par la compagnie d'assurances La Suisse, avec les intérêts afférents. C.- Les deux parties recourent en réforme au Tribunal fédéral contre ce jugement. Delavy critique la réduction BGE 89 II 118 S. 120 de la responsabilité du défendeur fondée sur les obligations de la commune de Vouvry comme propriétaire du chemin (40%). Bonjean conclut principalement à libération; il prétend n'avoir commis aucune faute et qualifie l'imprudence du demandeur plus sévèrement que la Cour cantonale (20%). Erwägungen Considérant en droit: 1. En application de l'art. 69 al. 2 litt. n LA, l'art. 5 RA dispose que les tracteurs utilisés pour effectuer des transports en relation avec une exploitation agricole, s'ils ne peuvent dépasser une vitesse de 20 km/h, ne sont soumis qu'aux règles de circulation et aux dispositions pénales concernant la violation de ces prescriptions. D'après les constatations souveraines - et admises par les parties - de la Cour cantonale, le demandeur (RO 84 II 216 sv.) n'a pas établi que le tracteur du défendeur pouvait dépasser la vitesse de 20 km/h; quant au transport effectué, il était en relation avec une exploitation agricole (RO 84 IV 66 sv.). Il s'ensuit que la responsabilité du défendeur n'est pas réglée par les art. 37 sv . LA, mais par le droit commun; elle se fonde sur un acte illicite ou sur un contrat. 2. Aux termes de l'art. 339 CO, l'employeur est tenu, en tant que les conditions particulières du contrat et la nature du travail permettent équitablement de l'exiger, de prendre les mesures de sécurité propres à écarter les risques de l'exploitation. Il doit notamment instruire ses employés des dangers que comporte leur travail et leur interdire de s'y exposer sans nécessité (RO 56 II 280, 60 II 118, 62 II 157). Il est vrai qu'il n'est pas tenu de les mettre en garde contre des risques évidents, dont ils doivent se rendre compte aussi bien que lui (RO 45 II 431, 60 II 118, 62 II 158). Mais, s'il constate qu'ils s'exposent à de tels dangers, il ne saurait demeurer passif; l'art. 339 CO l'oblige alors à empêcher le comportement imprudent (RO 83 II 29). De ce point de vue, on ne saurait reprocher aucune faute à Bonjean. Il pouvait en l'espèce transporter son personnel BGE 89 II 118 S. 121 sur une remorque (RO 85 II 34 sv.). Il a averti ses ouvriers du danger et les a invités à s'asseoir ou s'accroupir, pour réduire les effets d'un déséquilibre causé par le passage éventuel du véhicule sur un "nid de poule". Mais il a commis une autre imprudence. Il a aggravé le risque couru par ses employés en roulant à la vitesse excessive de 15 km/h. a) Le défendeur soutient que le demandeur n'a pas allégué l'excès de vitesse et conteste que celui-ci résulte de l'administration des preuves. Mais c'est le droit cantonal (et non l'art. 8 CC) qui répartit le fardeau de l'allégation (RO 78 II 97; 87 II 140 /141) et le Tribunal fédéral fonde son arrêt sur les faits tels qu'ils ont été constatés par la dernière autorité cantonale (art. 63 al. 2 OJ). Sur ces deux points, le recours est donc irrecevable. b) Bonjean connaissait l'état déplorable du chemin communal qu'empruntait son convoi hétéroclite et assez long et l'effet des secousses provoquées par des "nids de poule" inévitables. Il savait aussi que ses employés, malgré les précautions prises, couraient un risque dû à l'inconfort de leur position sur la remorque à un essieu et au mode de transport - usuel certes - mais choisi et imposé par lui; ses recommandations mêmes le prouvent. Dans ces circonstances, il était excessif de rouler à 15 km/h. En effet, plus la vitesse était réduite, moins dangereuses étaient les secousses. Aussi, dans le cours ordinaire des choses, Bonjean devait prévoir qu'il mettrait en péril l'équilibre des occupants de la remorque. C'est ce qui arriva; à la première secousse, ceux-ci furent quittes pour la peur; la seconde fut fatale à l'un d'eux. Bonjean ne saurait se disculper en soutenant que sa façon de rouler est usuelle; un abus répété n'est pas une excuse. 3. De par les art. 43 al. 1 et 44 al. 1 CO, applicables en vertu de l'art. 99 al. 3 CO, le juge détermine l'étendue de la réparation d'après les circonstances et la gravité de la faute; il peut réduire les dommages-intérêts lorsque la partie lésée répond de faits qui ont contribué à créer le dommage. Il s'ensuit, en l'espèce, qu'il faut peser les BGE 89 II 118 S. 122 fautes respectives des parties. La Cour cantonale a estimé que l'employeur portait en principe les 4/5 de la responsabilité. S'agissant d'appréciation, la Cour de céans se montre réservée dans son examen. Elle ne saurait toutefois partager entièrement l'avis des premiers juges. La faute concurrente de Delavy n'est pas aussi légère qu'on peut le penser de prime abord. Comme son patron, il connaissait l'état de la route et le danger couru. Certes, il était obligé de se rendre aux champs sur la remorque attelée au tracteur; mais il fut averti de la précarité de son équilibre et invité à prendre la position la plus sûre. Ayant effectué plusieurs fois le même parcours le jour de l'accident, il devait être sur ses gardes. Lorsqu'il constata que la ridelle arrière menaçait de sortir de ses gonds, et qu'il voulut y remédier - certes dans l'intérêt de son employeur -, il eût dû soit faire arrêter le convoi, soit se tenir de façon à éviter toute mésaventure. Or il s'est avancé sans s'assurer de sa main libre. Tout bien considéré, il paraît équitable que l'employé supporte le 30% de son dommage. Il a commis une faute plus légère que s'il s'était assis sur le timon d'une remorque (cas Zbinden c. Corchia, RO 83 II 27 sv.). 4. ..... 5. La Cour cantonale a réduit l'indemnité de moitié (40%) en raison de la responsabilité causale concurrente de la commune de Vouvry, propriétaire du chemin (art. 58 CO). a) Dans le système du droit des obligations, la responsabilité d'une personne n'est pas diminuée à l'égard du lésé, en principe, du fait qu'un tiers se trouve lui aussi responsable du même dommage. Peu importe qu'il s'agisse d'actes illicites commis en commun (solidarité parfaite: art. 143 et 50 al. 1 CO) ou indépendamment l'un de l'autre, ou encore de responsabilité en vertu de causes différentes (solidarité imparfaite: art. 51 al. 1 CO; RO 56 II 401). La victime jouit d'un concours d'actions; elle ne peut prétendre qu'une fois la réparation, mais envers elle chacun BGE 89 II 118 S. 123 répond en entier (RO 41 II 227/8, 55 II 87/8). Ce principe ne souffre exception que lorsque le fait du tiers interrompt la relation de causalité entre l'acte du défendeur et le dommage ou lorsque la faute concurrente fait apparaître celle du défendeur comme moins grave (RO 41 II 228; 54 II 368 ; 60 II 150 ). Aucune de ces deux hypothèse n'est réalisée en l'espèce. Il n'y a pas lieu de créer une faille dans le système et d'en atténuer la rigueur lorsqu'une imprudence produit un dommage important. Le concours de prétentions a précisément pour but d'assurer au lésé la réparation la plus complète de son préjudice. Il serait plus injuste encore que ce fût la victime, plutôt que l'un des auteurs du dommage, qui dût éprouver une perte (RO 66 II 121 consid. 5). Le demandeur avait donc le choix; il pouvait actionner la commune ou son employeur, ou les deux (sur ces questions: RO 66 II 118/119). C'est l'essence même du concours institué par le code des obligations. Le rapport interne entre les coresponsables ne concerne pas le lésé. En l'espèce, d'ailleurs, l'employeur répond normalement en première ligne, car il a violé une obligation contractuelle (art. 51 al. 2 CO); s'il prétend néanmoins un droit de recours contre la commune, il lui incombe d'agir en conséquence et de sauvegarder son droit, notamment de ne pas le laisser prescrire (dénonciation du litige, poursuite ou action indépendante). b) Il suit de là que le juge ne saurait se préoccuper dans le présent litige ni du mérite ni de la prescription d'une action éventuelle du lésé contre la commune ou de l'action récursoire du défendeur (dans le second cas, du reste, il conviendrait d'examiner sérieusement si le délai ne court pas dès le paiement de l'indemnité seulement; art. 130 ch. I CO; v. art. 83 al. 3 LCR; RO 43 II 518/9; 55 II 123 consid. 3; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2e éd., vol. 1, p. 314). Il suffit de constater qu'il n'incombait pas au lésé d'exercer l'une ou l'autre de ces deux prétentions. L'action récursoire ne lui compète pas. Quant à son propre droit, on ne saurait le charger de le faire valoir, par le biais d'une gestion d'affaire destinée à BGE 89 II 118 S. 124 empêcher une aggravation de la situation du débiteur (art. 44 al. 1 in fine CO); en premier lieu, ce serait éluder la réglementation légale du concours d'actions; ensuite l'inaction du lésé n'aggrave pas la situation d'un coresponsable, s'il ne tient qu'à celui-ci de sauvegarder ses droits; le seul service enfin qu'aurait pu rendre une action de Delavy contre la commune eût été de permettre la réunion par voie de jonction, dans une seule instance, des deux procès intentés contre les coresponsables; on ne voit pas que le défendeur en eût tiré un avantage décisif pour l'exercice de sa propre action, car les prétentions principale et récursoire ne constituent pas une prétention unique (RO 55 II 313); le contraire n'aurait d'ailleurs de portée qu'en cas de solidarité parfaite. Au surplus, le juge ne saurait se prononcer définitivement, en l'espèce, sur la responsabilité éventuelle de la commune, qui n'est pas partie et n'a pu faire valoir ses moyens de défense (v. RO 58 II 356; 78 II 152 ). 6. a) Dans toute exploitation agricole, l'employeur est tenu d'assurer ses employés contre les accidents professionnels (art. 98 al. 1 de la loi sur l'agriculture). C'est là une assurance pour le compte de l'employé, dont l'exploitant paie les primes (sous réserve de l'art. 98 al. 4); elle doit comprendre les frais de guérison et une indemnité journalière, ainsi qu'une indemnité en cas d'invalidité ou de mort (art. 98 al. 3). L'autorité d'exécution ne peut forcer l'accomplissement de cette obligation, car il n'est pas possible de contraindre une partie (le preneur) à quelque chose qui nécessite l'accord de l'autre partie (l'assureur). Aussi la loi sanctionne-t-elle la carence de l'employeur en étendant, dans certaines limites, sa responsabilité civile ordinaire (art. 41, 339 CO notamment); si l'accident survenu à l'employé non assuré n'est pas dû à la faute de l'employeur, celui-ci répond envers la victime dans la mesure où, en cas d'assurance selon l'art. 98, des prestations auraient été versées; s'il a commis une faute, il répond du moins dans ces limites (art. 99 al. 2, FF 1951 I 256). D'après la jurisprudence actuelle, l'assurance contre les BGE 89 II 118 S. 125 accidents est une assurance de sommes (notamment en ce qui concerne la question - très controversée - des frais de guérison et de la perte de gain). Selon les art. 96 et 98 LCA, les droits que l'ayant droit aurait contre des tiers en raison du sinistre ne passent pas à l'assureur. Il s'ensuit que le lésé jouit d'un cumul de prétentions (RO 63 II 152; 70 II 229 sv.; 73 II 39 sv.; 77 II 165 ; 81 II 166 sv.; STAUFFER, Von der Heilungskostenversicherung, RSJ 1963 p. 177 sv.). Par égard pour l'exploitant agricole qui remplit ses obligations, la loi spéciale prévoit deux exceptions à ce principe. En cas d'assurance conforme à l'art. 98, l'indemnité journalière est imputée sur le salaire (art. 99 al. 1, première phrase). A la même condition, l'employeur, dans les limites des prestations de l'assurance, ne répond pas d'une faute par négligence légère (art. 99 al. 1, seconde phrase). Cette exception concerne toutes les prestations de l'assurance. Si sa faute est légère, l'employeur ne doit réparer le dommage que dans la mesure où l'assureur ne le couvre pas. Si sa faute est lourde, il répond de l'entier du préjudice. b) En l'espèce, Bonjean a contracté (outre une assurance responsabilité civile en raison de la détention d'un tracteur) une assurance accidents, en faveur de ses employés, auprès de la compagnie La Suisse. Celle-ci a versé, d'après le jugement attaqué, une somme de 20 920 fr. Bonjean n'a commis qu'une faute légère. Certes, la Cour ne réduit l'indemnité que de 30%. Mais cela tient au principe que l'auteur de toute faute contractuelle répond de l'entier du dommage, sous réserve des facteurs de réduction de l'indemnité. Il suit de là que le défendeur est au bénéfice des exceptions prévues par l'art. 99 al. 1 de la loi sur l'agriculture. ..... Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Admet partiellement les deux recours et réforme le jugement attaqué.
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nan
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1,963
CH_BGE
CH_BGE_004
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122dde61-8e63-4b9c-ba70-449db605e5eb
Urteilskopf 104 II 94 16. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 14 juin 1978 dans la cause Parisod et Quartenoud contre Devrici et consorts
Regeste Art. 39 OR . Die Schadenersatzforderung des geschädigten Dritten gegen den vollmachtlosen Stellvertreter beruht auf vorvertraglicher Haftung. Die Klage unterliegt der Verjährungsfrist von Art. 60 OR .
Erwägungen ab Seite 94 BGE 104 II 94 S. 94 Extrait des considérants: 3. a) La créance en dommages-intérêts du tiers lésé contre le représentant sans pouvoirs ( art. 39 CO ) ressortit à la responsabilité précontractuelle. Elle découle d'une culpa in contrahendo (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 7 ad art. 39 CO p. 261; PIOTET, Culpa in contrahendo, p. 83 ss). Elle est soumise dès lors à la prescription de l' art. 60 CO , conformément à la jurisprudence établie par l'arrêt ATF 101 II 266 ss. Les critiques d'ANEX (L'intérêt négatif, sa nature et son étendue, thèse Lausanne 1977 p. 39 ss, spécialement 41), qui préconise l'application de l' art. 127 CO , la responsabilité précontractuelle étant quasi contractuelle, ne sont pas décisives. Le Tribunal fédéral a laissé indécise la question de la nature délictuelle Ou contractuelle de la responsabilité découlant de la culpa in contrahendo. Il a jugé que l'action en dommages-intérêts fondée sur cette responsabilité est soumise à la prescription de l' art. 60 CO , par le motif qu'il ne serait pas compatible avec les exigences de la BGE 104 II 94 S. 95 sécurité du droit qu'elle le soit à la prescription décennale. Cette jurisprudence est approuvée par MERZ (RJB 1977, p. 183 s.); elle est en accord avec la doctrine (Jäggi, n. 595 ad art. 1 er CO; PIOTET, op.cit., p. 63; Nature et modalités de la responsabilité précontractuelle, RDS 1975 I 266; pour la créance découlant de l' art. 39 CO : OSER/SCHÖNENBERGER, n. 9 ad art. 39 CO ). Elle doit être maintenue.
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nan
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1,978
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12344f84-11e7-43e7-9c27-b5cc0e89cb52
Urteilskopf 122 III 133 27. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. März 1996 i.S. Bank X. gegen Gebrüder S. (Berufung)
Regeste Verrechnung im Konkurs ( Art. 214 SchKG ). Art. 214 SchKG setzt keine Täuschungsabsicht voraus; es genügt die Absicht des Verrechnenden, sich auf Kosten der Mitgläubiger einen in der gegebenen Situation nicht mehr gerechtfertigten Vorteil zu verschaffen (E. 4a/b. Präzisierung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 133 BGE 122 III 133 S. 133 Die Bank X. macht als Abtretungsgläubigerin gemäss Art. 260 SchKG aus dem Konkurs der Y. AG gegen die Gebrüder S. geltend, diese hätten sich in der fraudulösen Absicht eigener Bevorteilung gegenüber andern Gläubigern einer Schuld gegenüber der Kridarin durch Verrechnung mit einer eigens dazu erworbenen Forderung entledigt. Die Bank X. focht diese Verrechnung durch Klage an und forderte von den Beklagten die Zahlung von Fr. 4'872'782.15. Das Obergericht des Kantons Solothurn wies die Klage in zweiter Instanz mit Urteil vom 24./30. Oktober 1995 ab mit der Begründung, eine fraudulöse Absicht lasse sich nicht nachweisen. Das Bundesgericht heisst die von der Bank X. dagegen erhobene Berufung gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Laut den Feststellungen des Obergerichts erwarb die den Beklagten gehörende Y. AG mit Mitteln aus zwei Darlehen sämtliche Aktien der M. AG; das eine Darlehen stammte von der den Beklagten nahestehenden K. AG, das andere von der Klägerin, die sich dafür die Aktien der M. AG zum Pfand geben liess. Die nunmehr von der Y. AG und daher mittelbar von den Beklagten beherrschte M. AG verkaufte ihr Hauptaktivum, eine Liegenschaft, BGE 122 III 133 S. 134 am 22. März 1990 für Fr. 7'000'000.-- an die Beklagten, welche die Hypothekarbelastung von Fr. 2'100'000.-- übernahmen und den Restkaufpreis von Fr. 4'900'000.-- der Verkäuferin schuldig blieben. Gleichentags liessen sie sich von der K. AG von deren Guthaben bei der Y. AG einen Teil im Betrage von Fr. 4'900'000.-- abtreten, womit sie also der M. AG (ungefähr, weil unbedeutende Änderungen in der Höhe eingetreten waren) gleich viel schuldeten wie sie von der Y. AG zu fordern hatten. An der Generalversammlung der M. AG vom 30. Mai 1990 wurde eine Ausschüttung an die Y. AG in der Form beschlossen, dass die Forderung von Fr. 4'900'000.-- aus dem Kaufgeschäft auf diese übertragen wurde. Die Beklagten und die Y. AG waren damit gegenseitig Gläubiger und Schuldner für Beträge in dieser Höhe geworden; noch am gleichen Tag erklärten die Beklagten die Verrechnung. Am 6. Dezember des gleichen Jahres meldete die Y. AG dem Richter ihre Überschuldung, und am 13. Dezember fiel sie in Konkurs. Die Forderung der Klägerin aus dem gewährten Darlehen wurde mit Fr. 4'442'620.90 zugelassen; den Wert des Pfandes schätzte das Konkursamt noch auf Fr. 100'000.--. Unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Abfolge hielt das Obergericht die Anfechtung der Verrechnung für zulässig, obwohl die Beklagten, anders als in Art. 214 SchKG vorausgesetzt, Gläubiger der Y. AG gewesen waren, bevor sie auch ihre Schuldner wurden. Es bejahte auch das Wissen der Beklagten um die Zahlungsunfähigkeit in dem von Art. 214 SchKG gemeinten Sinne der Unausweichlichkeit des Konkurses und erachtete die mit der Verrechnung erreichte Vorteilsverschaffung auf Kosten der übrigen Gläubiger als gegeben. Jedoch verneinte es das für die Anfechtbarkeit vorausgesetzte Erfordernis einer Benachteiligungs- und Täuschungsabsicht, weil das Vorgehen sich an einen von der Treuhänderin vorgeschlagenen Plan gehalten habe, dem andere als die von Art. 214 SchKG geforderten Motive zugrunde gelegen hätten. 4. Die Klägerin wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Bundesrecht vor, weil sie gestützt auf BGE 106 III 114 ff. annehme, die Anwendung von Art. 214 SchKG setze eine Täuschungsabsicht voraus. a) In Art. 213 Abs. 1 SchKG wird der Grundsatz aufgestellt, dass ein Konkursgläubiger seine Forderung mit einer dem Gemeinschuldner gegen ihn zustehenden Forderung verrechnen kann. Nach Ausbruch des Konkurses über den Gemeinschuldner besteht für seine Gläubiger unter bestimmten BGE 122 III 133 S. 135 Voraussetzungen ein absolutes Verrechnungsverbot ( Art. 213 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SchKG ). Vor der Konkurseröffnung vorgenommene Verrechnungen sind hingegen lediglich anfechtbar, und auch das nur dann, wenn der Schuldner des Gemeinschuldners eine Forderung gegen diesen in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit in der Absicht erworben hat, sich oder einem andern durch die Verrechnung unter Beeinträchtigung der Konkursmasse einen Vorteil zu verschaffen ( Art. 214 SchKG ). Diese Bestimmung geht auf Art. 137 aOR zurück und will wie dieser (BGE 14 S. 637 E. 4) einem Gläubiger die Möglichkeit nehmen, angesichts des erwarteten Konkurses seine Forderung durch Schaffung einer neuen Rechtsbeziehung mit dem Schuldner auf Kosten der Mitgläubiger zu retten. Insbesondere, aber keineswegs ausschliesslich, soll eine als stossend empfundene Gewinnerzielung durch Forderungserwerb unter pari und nachfolgende Verrechnung zum Nominalwert verhindert werden ( BGE 106 III 117 E. 4; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, § 42 Rz. 32 f.; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, § 40 Rz. 54 f.). Nach dem klaren Gehalt dieser Regelung ist einzig der Verrechnungsvorgang, also die Verrechnungserklärung des seine Bevorzugung anstrebenden Gläubigers und Schuldners des Kridars, Gegenstand der Anfechtung. Diese Erklärung ist eine einseitige. Sie setzt keine durch sie ausgelöste Mitwirkung einer Drittperson, sei es des Gemeinschuldners oder eines Mitgläubigers, voraus. Daher braucht auch niemand getäuscht zu werden, wie das fehlerhaft übersetzte deutsche Regest von BGE 106 III 114 glauben macht (falsch daher auch der entsprechende Hinweis bei FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., Fn. 64). Irreführend mag auch wirken, wenn an die mit der Verrechnung verfolgte Absicht das qualifizierende Erfordernis der Arglist geknüpft wird, wie das laut Praxisübersetzung von BGE 106 III 114 (Pr. 70/1981, Nr. 116, S. 301) und AMONN (a.a.O., Rz. 54) gefordert sein soll. Dass der Verrechnende sich auf Kosten der Mitgläubiger einen in der gegebenen Situation nicht mehr gerechtfertigten Vorteil verschaffen will, muss nach dem unmissverständlichen Gesetzestext genügen. Der vom Bundesgericht im Originaltext (a.a.O. S. 118 oben) verwendete französische Ausdruck "intention frauduleuse" wie auch die deutsche Übersetzung "fraudulöse Absicht" (AMONN, a.a.O., Rz. 55) bringen den Umgehungscharakter des eigennützigen Vorgehens, das Vordrängen und Zuvorkommen, plastischer zum Ausdruck und kommen damit dem Sinn der Vorschrift näher. Was das dabei BGE 122 III 133 S. 136 vorausgesetzte Wissen betrifft, reicht hier wie sonst ( BGE 83 III 82 E. 3a) das Erkennenmüssen der normalerweise aus dem Verhalten erwachsenden Folgen. b) Bei richtigem Verständnis des Gesetzes lässt sich der angefochtene Entscheid im Ergebnis nicht halten. Richtig ist jedoch, dass die Beklagten aus dem Umstand, dass sie zuerst Gläubiger und dann erst Schuldner der Y. AG geworden sind, nichts für sich ableiten können. Dass sie sich bereits am Tage des Liegenschaftskaufes im Ausmass des noch geschuldeten Kaufpreises zu Gläubigern gegenüber der Y. AG gemacht haben, beweist planmässiges Vorgehen, das ihnen bei gleichzeitig massgeblichem Einfluss auf die beteiligten Gesellschaften die Wahl der zeitlichen Abläufe liess. Daraus Vorteile zu ziehen, wäre Rechtsmissbrauch. Zutreffend ist auch, dass das Vorgehen der Beklagten zum Ziel und zur Folge gehabt hat, dass ihnen auf Kosten der Mitgläubiger ein Vorteil zukam, und das in einer Situation, in der sie als Alleinaktionäre der Y. AG über deren Verhältnisse im Bilde sein und den Konkurs voraussehen mussten, welches auch immer der von ihnen selber zu verantwortende Stand der Buchhaltung gewesen sein mag ( BGE 111 II 72 E. 3a). Nur diese Voraussehbarkeit und ihr Inkaufnehmen können mit der von Art. 214 SchKG geforderten "Zahlungsunfähigkeit" gemeint sein. Hätte der Gesetzgeber bloss an das zeitweilige Fehlen ausreichender liquider Mittel bei im übrigen intaktem Vermögensbestand gedacht, so hätte er keinen Anlass gehabt, diesen Tatbestand mit der Konkurseröffnung in Zusammenhang zu bringen. Die Beklagten konnten und mussten sich nach dem vom Obergericht festgestellten Sachverhalt Rechenschaft darüber geben, dass ihr Verhalten die Gleichheit unter den Konkursgläubigern beeinträchtigen werde (BGE BGE 106 III 114 E. 4), was genügt ( BGE 83 III 82 E. 3a). Warum das Verhalten der Beklagten für die Anfechtbarkeit der Verrechnung nicht genügen sollte, ist nicht einzusehen. Auch wenn die Regieabläufe von der Treuhänderin geplant gewesen sein und anfänglich andern Zwecken gedient haben mochten, sind die Beklagten dem Plan in Kenntnis des zur Anwendung von Art. 214 SchKG führenden Sachverhalts gefolgt. Mehr war nicht nötig. Auch ist unerheblich, was die Vorinstanz in diesem Zusammenhang zum Verhalten der Klägerin anführt. Diese brauchte nach dem Gesagten nicht getäuscht zu werden, und dass sie angeblich Sicherung für ihre Forderung hätte erhalten können, wenn sie sich zu einer Änderung des bestehenden Darlehensvertrages bereitgefunden hätte, ist ebenso belanglos. Das gleich BGE 122 III 133 S. 137 aus zwei Gründen: Zum einen vermochte das berechtigte Festhalten der Klägerin am Vertrag das verpönte Verrechnungsmanöver der Beklagten ihr gegenüber nicht zu rechtfertigen, und zweitens war das schädigende Verhalten nicht gegen sie als einzelne Gläubigerin gerichtet, sondern gegen die Konkursmasse als solche ( Art. 214 SchKG ), welcher denn auch der Anfechtungsanspruch zusteht ( Art. 200 SchKG ). Die Klägerin tritt im Prozess als deren Zessionarin auf.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_005
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Federation
1238faa2-2533-4967-bd01-589a56cad177
Urteilskopf 89 I 437 63. Urteil vom 23. Oktober 1963 i.S. Meier und Konsorten gegen Einwohnergemeinden Schaffhausen und Neuhausen am Rheinfall sowie Regierungsrat des Kantons Schaffhausen.
Regeste Anfechtung einer Gemeindeabstimmung über ein Bauprojekt wegen behördlicher Beeinflussung der Willensbildung der Stimmberechtigten. 1. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes (Erw. 5). 2. Inwieweit dürfen Behörden und ihre Mitglieder am Abstimmungskampf teilnehmen? (Erw. 6). 3. Ist eine Abstimmung zu kassieren, wenn - im Streite der Meinungen mit unwahren Angaben gekämpft worden ist? (Erw. 7 b). - die Behörden wenige Tage vor der Abstimmung bekannt gegeben haben, dass die im Abstimmungskampf hauptsächlich gerügten Mängel des Projekts verbessert werden können? (Erw. 7 a, c).
Sachverhalt ab Seite 438 BGE 89 I 437 S. 438 A.- Im Jahre 1957 gründeten die schaffhausischen Einwohnergemeinden Schaffhausen und Neuhausen am Rheinfall mit den zürcherischen Gemeinden Feuerthalen und Flurlingen einen Gemeindeverband mit dem Zweck, in Neuhausen eine gemeinsame Abwasserreinigungsanlage (Kläranlage) zu bauen und zu betreiben. Als Standort derselben wurde das "Röti" genannte Areal am rechten Rheinufer vorgesehen, das (von Schaffhausen aus gesehen) bis zu der etwa 300 m oberhalb des Rheinfalls gelegenen Eisenbahnbrücke reicht. Der grösste Teil dieses Areals gehört der Schweiz. Industrie-Gesellschaft (SIG) und wird von ihr im Tausch gegen anderes Land an den Kläranlage-Verband abgetreten. Nachdem ein Projekt für die Kläranlage mit einem Kostenvoranschlag von rund 20 Millionen Franken ausgearbeitet worden war, wurde es dem Grossen Stadtrat von Schaffhausen sowie dem Einwohnerrat von Neuhausen unterbreitet zur Genehmigung und zur Bewilligung der erforderlichen Kredite. Während der Einwohnerrat von Neuhausen die Vorlage einstimmig annahm, schlugen einige Mitglieder des Grossen Stadtrates von Schaffhausen anstelle der "Röti" das unterhalb des Rheinfalls gelegene "Fischerhölzli" als Standort der Kläranlage vor. Sie lehnten die "Röti" vor allem aus Gründen des Natur- und Heimatschutzes ab, weil das dortige Projekt die Aufschüttung eines bis zu 35 m breiten Landstreifens in den Rhein hinaus sowie die Aufschüttung eines 23 m hohen Hügels auf dem hinter der Kläranlage gelegenen Grundstück der SIG vorsah; ferner beanstandeten sie, dass das Areal in der "Röti" zu klein sei und keinen Raum für eine spätere Erweiterung der Anlage biete. Der Grosse Stadtrat entschied sich indes mit 37 gegen 6 Stimmen für das Projekt in der "Röti" und bewilligte den dafür erforderlichen Kredit. Die Beschlüsse des Grossen Stadtrates von Schaffhausen und des Einwohnerrates von Neuhausen unterlagen der Volksabstimmung, die auf den 15./17. März 1963 festgesetzt wurde. Vor dieser wurde sämtlichen Stimmberechtigten BGE 89 I 437 S. 439 der beiden Gemeinden eine amtliche Botschaft zugestellt, in welcher das Kläranlageprojekt unter Hinweis auf beigefügte Pläne eingehend erläutert wurde. Die Botschaft der Stadt Schaffhausen erwähnt auch die Meinungsverschiedenheiten über den Standort der Kläranlage und enthält einen Auszug aus dem Bericht, mit dem die Mehrheit der stadträtlichen Spezialkommission das Projekt in der "Röti" befürwortet hatte und worin es u.a. hiess, die Kommissionsmehrheit habe "die Leitung des Kläranlage-Verbandes ersucht, darnach zu trachten, dass der Vorbau im Rheinbett durch weiteres Zurückschieben der Anlage in die Böschung der Aufschüttung noch reduziert werden kann" (S. VIII/IX). Im Abstimmungskampf wurden namentlich die Beanspruchung des Rheinbettes und die knappen Platzverhältnisse in der "Röti" beanstandet. Angesichts dieser Kritik und eines Appels des Heimatschutzes erklärte sich die SIG in einem Schreiben vom 11. März 1963 an Walter Bringolf, Stadtpräsident von Schaffhausen und Präsident des Kläranlage-Verbandes, bereit, von ihrem Areal durch Zurückversetzung der Böschung weiteres Land unentgeltlich für die Kläranlage abzutreten; dadurch werde es möglich, die Aufschüttung im Rheinbett auf rund 15 m herabzusetzen, und die bisherige Landreserve für einen allfälligen späteren Ausbau der Kläranlage erhöhe sich um rund 50%. Stadtpräsident Bringolf las dieses Schreiben am 12. März 1963 in einer öffentlichen Versammlung in der Rathauslaube vor und erklärte dazu, dass es zu einer Verbesserung des geplanten Werkes führe. Am 13. und 14. März wurde das Schreiben in der Presse und in Flugblättern veröffentlicht und besprochen. In der Urnenabstimmung vom 15./17. März 1963 wurden die behördlichen Kreditvorlagen für die Kläranlage in der Stadt Schaffhausen mit 3734 gegen 3028 und in Neuhausen mit 1219 gegen 1162 Stimmen angenommen. Gegen diese Abstimmungen rekurrierten 7 in Schaffhausen und 5 in Neuhausen stimmberechtigte Bürger an BGE 89 I 437 S. 440 den Regierungsrat des Kantons Schaffhausen mit dem Antrag, die Krediterteilungsbeschlüsse aufzuheben. Zur Begründung machten sie geltend, dass die Bekanntgabe des Schreibens der SIG durch Stadtpräsident Bringolf eine unzulässige Beeinflussung der Stimmberechtigten darstelle, dass die Vorlage nur durch die zuständigen Behörden hätte geändert werden dürfen, dass die Stimmberechtigten über ein Projekt abgestimmt hätten, das nun gar nicht ausgeführt werde, und dass die Änderung so spät bekannt gemacht worden sei, dass eine Diskussion darüber nicht mehr möglich gewesen sei, was umso schwerer wiege, als das Schreiben der SIG irreführende Angaben enthalten habe. Der Regierungsrat wies die Beschwerden mit Entscheid vom 3. Juli 1963 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Obwohl die Abstimmungsvorlage sich nur auf den Kredit für die Kläranlage bezogen habe, sei anzunehmen, dass die Stimmberechtigten auch über die bauliche Ausgestaltung der Anlage im allgemeinen und über ihren Standort entschieden hätten, nicht dagegen über die Detailpläne, deren Ausarbeitung Sache der ausführenden Instanzen sei. Zu den Detailfragen gehöre auch der Landerwerb, so dass der Tauschvertrag mit der SIG keinen wesentlichen Bestandteil der Vorlage und seine Ergänzung im Schreiben vom 11. März 1963 keine Änderung der Vorlage dargestellt hätten. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Aufschüttungen im Rhein und auf dem Land der SIG im Abstimmungskampf besonders hervorgehoben worden seien. Da beim Projekt "Röti" eine Ausführung ohne Aufschüttungen gar nicht zur Diskussion gestanden sei, könne der Stimmbürger durch den Vorschlag weniger weit gehender Aufschüttungen nicht in seiner freien Willensbildung getäuscht oder sonstwie ungebührlich beeinflusst worden sein. Die zusätzliche Landabtretung der SIG stelle insofern eine Verbesserung dar, als sie erlaube, die Beanspruchung des Rheingebietes zu beschränken. Diese Verbesserung habe einem von Gegnern BGE 89 I 437 S. 441 und Befürwortern der Vorlage geäusserten Wunsch entsprochen und im Abstimmungskampf eine wesentliche Rolle gespielt. Von einer unzulässigen Einmischung der Behörden in die freie Meinungsbildung des Stimmbürgers könne dabei nicht die Rede sein. Wenn eine Behörde eine allseitig gewünschte Verbesserung eines zur Abstimmung gelangenden Werkes vorschlage, so erfülle sie im Grunde nur ihre Pflicht. B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellen Gerold Meier und die 11 übrigen Stimmmbürger, welche den kantonalen Rekurs führten, den Antrag, den Regierungsratsbeschluss vom 3. Juli 1963 aufzuheben und die beiden Abstimmungen der Gemeinden Schaffhausen und Neuhausen vom 17. März 1963 zu annulieren. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. C.- Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, der Stadtrat von Schaffhausen und der Gemeinderat von Neuhausen am Rheinfall beantragen Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid, mit dem der Regierungsrat die Kassation der in den Gemeinden Schaffhausen und Neuhausen durchgeführten Volksabstimmungen abgelehnt hat. Es handelt sich somit um eine Beschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG ; denn zu den kantonalen Abstimmungen im Sinne dieser Bestimmungen gehören auch die Gemeindeabstimmungen ( BGE 89 I 85 Erw. 1 und dort angeführte frühere Urteile). 2. Die Beschwerdeführer machen vor allem geltend, die Behörden hätten dadurch, dass sie das Schreiben der SIG wenige Tage vor der Abstimmung bekannt gaben, die Willensbildung der Stimmbürger in unzulässiger Weise beeinflusst. Daneben beschweren sie sich wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs im kantonalen Rekursverfahren. Zu diesen beiden Rügen sind sie legitimiert, da sie BGE 89 I 437 S. 442 stimmberechtigte Einwohner der Gemeinden Schaffhausen oder Neuhausen sind und am kantonalen Rekursverfahren teilgenommen haben. Soweit sie dagegen das Projekt für eine Kläranlage in der "Röti" als solches bemängeln und behaupten, die in Aussicht gestellte Verbesserung bedeute für zwei benachbarte Industriebetriebe (Internationale Verbandsstoff-Fabrik und Steril Catgut AG) eine Verschlechterung, fehlt den Beschwerdeführern die Legitimation; denn damit rügen sie nicht eine Verletzung des Stimmrechts oder eines andern ihnen persönlich zustehenden Rechts, sondern machen sie allgemeine öffentliche Interessen sowie private Interessen Dritter geltend. 3. In der Beschwerdebegründung wird unter Ziff. 4 als Verweigerung des rechtlichen Gehörs gerügt, dass der Regierungsrat auf wesentliche Vorbringen der Beschwerdeführer gar nicht eingetreten sei, doch werden diese Vorbringen nicht angegeben, sodass in diesem Punkte auf die Beschwerde nicht einzutreten ist ( Art. 90 lit. b OG ). Dagegen wird dem Regierungsrat unter Ziff. 7 vorgeworfen, er habe es unterlassen, die Frage der Unzulässigkeit der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in letzter Stunde vor der Abstimmung näher zu prüfen. Diese Rüge ist unbegründet. Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid den betreffenden Einwand zurückgewiesen und ausgeführt, dass und weshalb die Behörde nur ihre Pflicht erfüllt habe und ihr Vorgehen nicht zu beanstanden sei. 4. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verwirkt ein Stimmberechtigter das Recht zur Anfechtung einer Wahl oder Abstimmung durch staatsrechtliche Beschwerde, wenn er es unterlässt, Fehler in der Vorbereitung der Wahl oder Abstimmung sofort durch Einsprache oder Beschwerde zu rügen, damit der Mangel noch vor der Wahl oder Abstimmung behoben werden kann und diese nicht wiederholt zu werden braucht ( BGE 89 I 86 Erw. 4 und dort angeführte frühere Urteile). Im Hinblick hierauf könnte man sich fragen, ob die Beschwerdeführer, die in der wenige Tage vor der Abstimmung erfolgten BGE 89 I 437 S. 443 Bekanntgabe des Schreibens der SIG durch den Stadtpräsidenten einen Kassationsgrund erblicken, sich nicht sofort an den Regierungsrat hätten wenden sollen mit dem Begehren um Verschiebung der Abstimmung. Die Frage kann offen bleiben, da die Beschwerde, wie die nachstehenden Erwägungen ergeben, sich ohnehin als unbegründet erweist. 5. Das politische Stimmrecht ist ein vom Bundesrecht gewährleistetes verfassungsmässiges Recht. Es gibt dem Einzelnen unter anderm Anspruch darauf, dass kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Wählerschaft zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt ( BGE 75 I 245 mit Verweisungen). Die Beschwerdeführer machen geltend, die Behörden hätten das Abstimmungsergebnis durch unzulässiges Eingreifen in den Abstimmungskampf beeinflusst. Ob das Verhalten der Behörden unzulässig war und die Freiheit der Stimmbürger beeinflusste, ist vom Bundesgericht frei zu prüfen. Es hat einzuschreiten, wenn entweder positive, zur Sicherung der Freiheit der Stimmabgabe aufgestellte Vorschriften verletzt worden sind oder sonst mit verwerflichen Mitteln ein Einfluss auf die Stimmberechtigten ausgeübt worden ist (nicht veröffentl. Urteil vom 4. Februar 1946 i.S. Oertli c. Regierungsrat des Kt. Zürich, Erw. 3 a). 6. Dass Stadtpräsident Bringolf das Schreiben der SIG vom 11. März 1963 bekannt gegeben hat, beanstanden die Beschwerdeführer schon deshalb, weil eine Behörde nicht in den Abstimmungskampf eingreifen dürfe. Sie schliessen das e contrario aus den Bestimmungen der Stadtverfassung von Schaffhausen, wonach den Abstimmungsvorlagen in wichtigen Fällen eine erläuternde Botschaft beizufügen ist (Art. 9 Abs. 2 und Art. 12), und behaupten, dass der gegenteilige Standpunkt grundlegend schweizerischer Rechtsauffassung widerspreche. Die Rüge ist unbegründet. Daraus, dass für wichtige Fälle eine erläuternde Botschaft vorgeschrieben ist, folgt nicht, dass es im übrigen den Behörden verboten sei, ihre Vorlagen BGE 89 I 437 S. 444 zur Annahme zu empfehlen. Eine solche Empfehlung gilt nach schweizerischer Rechtsauffassung nicht als unzulässig, sofern sie nicht mit verwerflichen Mitteln, z.B. unter Verwendung öffentlicher Mittel, irreführender Angaben usw. erfolgt. Selbst wenn der Behörde als solcher eine eigentliche Wahl- und Abstimmungspropaganda nicht gestattet ist, kann doch dem einzelnen Behördemitglied die Teilnahme am Wahl- und Abstimmungskampf und die freie Meinungsäusserung nicht verboten werden (erwähntes Urteil i.S. Oertli S. 6/7; USTERI, Ausübung des Stimm- und Wa.hlrechts, ZSR 1959 S. 419 a; vgl. auch PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen S. 74/78). Der Umstand allein, dass Walter Bringolf, Stadtpräsident von Schaffhausen und Präsident des Kläranlage-Verbandes, sich an einer öffentlichen Versammlung für die Vorlage einsetzte und dabei das Schreiben der SIG bekannt gab, stellt daher noch keine unzulässige Beeinflussung der Stimmberechtigten dar. 7. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass bei der Bekanntgabe des Schreibens unrichtige Angaben über seinen Inhalt gemacht worden seien. Sie beanstanden seine Bekanntgabe, weil sie nur wenige Tage vor der Abstimmung erfolgte, weil das Schreiben eine irreführende Angabe enthalten habe, und vor allem, weil die darin angebotene zusätzliche Landabtretung der SIG zu einer Änderung des den Gegenstand der Abstimmungsvorlage bildenden Projekts der Kläranlage führe. a) Die späte Bekanntgabe wäre nur zu rügen, wenn das Schreiben absichtlich zurückgehalten worden wäre, um damit die Stimmberechtigten in letzter Stunde zu beeinflussen. Das wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet, noch bestehen Anhaltspunkte dafür. Die SIG habe sich offenbar erst angesichts des mit dem Abstimmungskampf zunehmenden Widerstands gegen die Vorlage dazu entschlossen, für die Verbesserung des Projekts weiteres Land abzutreten. Ihr Schreiben ist das Ergebnis einer am Samstag 9. März 1963 stattgehabten Besprechung BGE 89 I 437 S. 445 zwischen Bringolf und dem Direktionspräsidenten der SIG; es wurde am Montag 11. März abgesandt und am 12. März abends in einer öffentlichen Versammlung bekannt gegeben. Wenn es auch erst am Mittwoch in der Presse veröffentlicht wurde, bestand doch noch Gelegenheit, die damit eingetretene Änderung der Sachlage in der Öffentlichkeit zu erörtern, so dass sich die Stimmberechtigten, die sich dafür interessierten, ein Urteil darüber bilden konnten. b) Dass die zusätzliche Landabtretung in bezug auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes eine Verbesserung des ursprünglichen Projekts ermöglicht, weil die Aufschüttung in den Rhein hinaus vermindert und diejenige auf dem Grundstück der SIG zurückversetzt werden kann, ist nicht streitig. Als irreführend beanstanden die Beschwerdeführer dagegen die im Schreiben der SIG enthaltene Bemerkung, durch die zusätzliche Landabtretung erhöhe sich die Landreserve für einen späteren Ausbau der Kläranlage um rund 50%. Ob und inwieweit diese Angabe unrichtig war, erscheint indes als zweifelhaft. Die Beschwerdeführer machen keine zahlenmässigen Angaben über das Ausmass der bisherigen und der neuen Landreserve, noch geht dieses Ausmass klar aus den Akten hervor. Soweit die zusätzliche Landabtretung zur Verminderung der Aufschüttung im Rheinbett dient, kann von einer Erhöhung der Landreserve offenbar nicht die Rede sein. Allein die SIG tritt nicht nur 2000 m2 durch Zurückversetzung der Böschung ab, sondern überdies 4250 m2, zu deren späteren Abtretung sie sich im Vertrag von 1960 nur unter der Bedingung verpflichtet hatte, dass "dadurch keine Bauvorhaben der SIG tangiert werden". Inwieweit die Landreserve erhöht wurde, kann indes dahingestellt bleiben. Selbst wenn die SIG zu Unrecht von einer Erhöhung von 50% gesprochen haben sollte, wäre dies kein Grund zur Kassation der Abstimmung. Eine Abstimmung oder Wahl kann nicht immer dann als ungültig erklärt werden, wenn im Streite der Meinungen mit BGE 89 I 437 S. 446 unwahren Angaben gekämpft worden ist. Es muss sich um eine schwerwiegende Irreführung handeln und die Willensbildung der Stimmberechtigten dadurch beeinflusst worden sein (Urteil vom 3. Februar 1939 i.S. Thomann c. Regierungsrat des Kt. Zürich, besprochen in ZBl 1939 S. 250/51; PICENONI a.a.O. S. 85/90). Diese Voraussetzungen treffen hier nicht zu. Die Vorlage für die Kläranlage in der "Röti" wurde vor allem wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die beiden Aufschüttungen bekämpft. Eine allfällige unrichtige Angabe über die Erhöhung der Landreserve erscheint daher nicht als schwerwiegend. Auch ist nicht dargetan, dass die Frage der Landreserve im Abstimmungskampf eine wesentliche Rolle spielte. c) Während die Abstimmungsvorlage der Gemeinde Neuhausen auch die Genehmigung des Projekts für die Kläranlage zum Gegenstand hatte, wurde den Stimmberechtigten der Stadt Schaffhausen nur die Bewilligung des dafür erforderlichen Kredites beantragt. Die Parteien sind jedoch darüber einig, dass die Stimmberechtigten auch in Schaffhausen über die sich aus der Vorlage ergebende bauliche Ausgestaltung und insbesondere über den Standort der Kläranlage entschieden haben. Sodann nehmen die Beschwerdeführer mit dem Regierungsrat an, dass bei der Ausführung einer Anlage wie der hier in Frage stehenden in Einzelheiten von dem den Stimmberechtigten vorgelegten Projekt abgewichen werden dürfe. Als unzulässig erachten sie es dagegen, dass die Behörden in der Zeit zwischen der Vorlage und der Abstimmung irgendwelche Änderungen am Projekt ins Auge fassen und bekannt geben, zumal wenn diese Änderungen wie hier für die Willensbildung der Stimmberechtigten entscheidend seien; solche Änderungen müssten den Stimmberechtigten auf dem verfassungsmässigen Wege, d.h. in einer neuen Vorlage unterbreitet werden. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wenn die Behörden befugt sind, nach der Abstimmung in Einzelheiten von dem dort gutgeheissenen Projekt BGE 89 I 437 S. 447 abzuweichen, so dürfen sie sich auch schon vorher mit solchen Änderungen befassen. Insbesondere haben sie auch nach der Fertigstellung einer Vorlage das Recht und die Pflicht, die Frage zu prüfen, ob das Projekt sich in Einzelheiten verbessern lasse, und zwar auch und gerade in Einzelheiten, die nach der Veröffentlichung der Vorlage bemängelt werden. So verhält es sich aber hier. Die Vorlage für die Kläranlage in der "Röti" stiess vor allem wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Aufschüttungen im Rheinbett und auf dem Grundstück der SIG auf Widerstand. Wenn die Behörden das Projekt in dieser Beziehung zu verbessern suchten, die Möglichkeit dazu in der zusätzlichen Landabtretung der SIG fanden und diese den Stimmberechtigten bekannt gaben, so kann ihnen daraus kein Vorwurf gemacht werden. Ein Vergleich der Pläne in der Botschaft mit den Plänen für die Ausführung bestätigt die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Annahme, dass infolge der zusätzlichen Landabtretung nicht die Grundzüge, sondern nur Einzelheiten des Projekts geändert wurden. Als Einzelheiten erscheinen insbesondere auch die Verminderung der Aufschüttung im Rheinbett und die Zurückversetzung derjenigen auf dem Grundstück der SIG. Freilich mögen gerade diese Änderungen am ursprünglichen Projekt für viele Stimmberechtigte entscheidend gewesen sein. Indessen hatte schon die Botschaft erwähnt, dass die Mehrheit der stadträtlichen Spezialkommission die Leitung des Kläranlage-Verbandes ersucht hat, danach "zu trachten, dass der Vorbau im Rheinbett durch weiteres Zurückschieben der Anlage in die Böschung der Aufschüttung noch reduziert werden kann". Nachdem dies durch die von der SIG angebotene zusätzliche Landabtretung möglich geworden war, hatten die Stimmberechtigten das Recht, hievon unterrichtet zu werden. Die Beschwerdeführer wenden zu Unrecht ein, die Stimmberechtigten hätten nach Bekanntgabe des Schreibens der SIG nicht mehr gewusst, ob sie über das ursprüngliche BGE 89 I 437 S. 448 oder über ein abgeändertes Projekt abzustimmen hätten. Sie haben sich mit der Annahme der Vorlage für die Ausführung des ihnen vorgelegten Projektes, d.h. am Standort "Röti" mit den beiden Aufschüttungen, entschieden. Inwieweit für ihren Entscheid die Erwartung massgebend war, dass durch die infolge der zusätzlichen Landabtretung der SIG mögliche Verminderung der einen und Zurückversetzung der andern Aufschüttung das ursprüngliche Projekt verbessert werden könne, ist unerheblich, da diese Erwartung nicht auf irreführenden Angaben beruhte, sondern durchaus begründet war. Der Vorwurf, die Willensbildung der Stimmberechtigten sei durch die Bekanntgabe des Schreibens der SIG vom 11. März 1963 in unzulässiger Weise beeinflusst worden, erweist sich somit als unbegründet. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
public_law
nan
de
1,963
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
123baf13-b00a-46d7-a9c1-1745e6bc0fd8
Urteilskopf 141 III 229 33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. LLP gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_633/2014 vom 29. Mai 2015
Regeste Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ; verfahrensrechtlicher Ordre public, materielle Rechtskraft. Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft eines ausländischen Schiedsentscheids durch ein schweizerisches Schiedsgericht unter dem Blickwinkel des verfahrensrechtlichen Ordre public (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 229 BGE 141 III 229 S. 229 A. A.a A. LLP (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist eine international tätige Anwaltskanzlei mit Sitz in den Vereinigten Staaten. BGE 141 III 229 S. 230 B. (Kläger, Beschwerdegegner) ist ein Rechtsanwalt mit Wohnsitz in Deutschland. A.b Am 1. Juli 2008 schlossen die Parteien eine als "Business Combination Agreement" (BCA) bezeichnete Vereinbarung ab, mit der die von B. mitbegründete deutsche Anwaltskanzlei C. in die Kanzlei A. LLP eingegliedert werden sollte. In Ziffern 5.2 und 5.3 sowie Schedule 5 BCA vereinbarten die Parteien einen jährlichen Grundbetrag, der nach den Voraussetzungen dieser Vertragsbestimmungen an den Kläger zu bezahlen war. Ziffern 5.2 und 5.3 BCA lauten wie folgt: "5.2 Schedule 5 sets forth the initial share of each C. Partner in Net Income and, where applicable, Net Loss. The tier placements assigned in Schedule 5 to Dr. B. [...] are valid until 2010 (inclusive). All other tier placements (regardless of whether these are variable and/or fixed) are valid until 2009 (inclusive). The Floor Amount indicated in Schedule 5 [EUR 2 Mio.], which represent minimum amounts per annum payable to C. Partners, are valid until 2012 (inclusive), subject, however, to Sub-Clause 5.3. 5.3 The tier placements and Floor Amount set out in Schedule 5 for each C. Partner are agreed with the understanding that the respective C. Partner will continue as active partner of A. devoting his/her full time and efforts to the business of A. going forward consistent with his/her past practices and concentrations as a partner of C., which is to be considered based on a holistic approach taking into consideration all relevant aspects (disregarding, however, past individual deviations from common standards, e.g. over- or underperformance in total or billable hours per year) including, among others, billable and total hours, availability, vacation, quality of work, turn-over from billable hours, general market conditions in a specific industry and potential effects of the business combination contemplated herein, it being understood that no single aspect alone shall be decisive and that it will be taken into account to which extent these factors are under the control of the respective C. Partner." Das Business Combination Agreement erklärt das deutsche Recht für anwendbar und enthält eine Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich. A.c In der Folge entstanden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der dem Kläger in Ziffern 5.2 und 5.3 in Verbindung mit Schedule 5 BCA zugesicherten Zahlungen. Im April 2010 leitete der Kläger ein erstes Schiedsverfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagte ein, in dem er unter anderem die Zahlung der Differenz BGE 141 III 229 S. 231 zwischen dem jährlichen Grundbetrag ("Floor Amount") von 2 Mio. EUR für die Jahre 2009 und 2010 und den für diese Jahre tatsächlich ausbezahlten Beträgen verlangte. Das ICC Schiedsgericht, das seinen Sitz nach der Übereinkunft der Parteien - in Abweichung der Schiedsklausel im BCA - in Frankfurt a.M. (Deutschland) hatte, wies die Klage hinsichtlich des angeblich zugesicherten jährlichen Grundbetrags für die Jahre 2009 und 2010 mit Schiedsentscheid vom 30. September 2011 ab. Das Schiedsgericht begründete die Abweisung der auf die Bezahlung des Grundbetrags gerichteten Klageanträge damit, dass der nach Ziffer 5.2 BCA zugesicherte Grundbetrag nur geschuldet sei, wenn der jeweilige Partner die in Ziffer 5.3 BCA vorgesehenen Voraussetzungen hinsichtlich Betätigung, Hingabe und Leistung ("prerequisites for activities, devotion and performance") erfüllt habe. Diesen vertraglichen Anforderungen habe der Kläger nicht genügt, weshalb ihm der Grundbetrag für die Jahre 2009 und 2010 nicht zustehe. B. Am 23. April 2013 leitete der Kläger ein zweites Schiedsverfahren ein, in dem er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1'662'939.- und EUR 1'843'302.- (jeweils zuzüglich Zins) beantragte, entsprechend der Differenz zwischen dem nach seiner Auffassung gemäss Ziffern 5.2 und 5.3 BCA zugesicherten Grundbetrag für die Jahre 2011 und 2012 und den für diese Jahre tatsächlich geleisteten Zahlungen. Die Beklagte erhob den Einwand der abgeurteilten Sache( res iudicata ), den das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich mit Verfahrensentscheid Nr. 3 vom 12. Februar 2014 abwies. Nachdem die Beklagte Einwände hinsichtlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf diese Verfügung erhoben hatte und die Parteien in der Folge nochmals Gelegenheit erhielten, sich zu bestimmten Fragen zu äussern, wies das Schiedsgericht den Einwand betreffend res iudicata mit Verfahrensentscheid Nr. 5 vom 18. März 2014 mit eingehender Begründung ab. Insbesondere betrachtete sich das Schiedsgericht als nicht an die Entscheidgründe des Schiedsspruchs vom 30. September 2011 gebunden, sondern es legte Ziffer 5.3 BCA selbständig aus. Es berücksichtigte die entsprechenden Erwägungen des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011, legte seinem Entscheid jedoch eine abweichende Vertragsauslegung zugrunde, indem es eine Gesamtbetrachtung für massgebend erachtete und gestützt darauf befand, der Kläger sei zwar BGE 141 III 229 S. 232 hinsichtlich der verrechenbaren Stunden und des Umsatzes hinter den Erwartungen zurückgeblieben, habe aber alle übrigen vereinbarten Kriterien nach Ziffer 5.3 BCA - und damit deren Mehrheit - erfüllt. Es befand, der erste Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. habe hauptsächlich die beiden Elemente der verrechenbaren Stunden und Gesamtstunden sowie des Umsatzes ("billable and total hours" und "turnover from billable hours") berücksichtigt, was mit der vertraglich als massgebend erachteten Gesamtbetrachtung ("holistic approach") nicht vereinbar sei. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schützte daher die geltend gemachten Ansprüche auf Bezahlung des vertraglichen Grundbetrags für die Jahre 2011 und 2012 grundsätzlich, erachtete jedoch gestützt auf § 254 BGB eine Kürzung des Gesamtbetrags wegen Mitverschuldens des Klägers für gerechtfertigt. Entsprechend hiess es die Klage mit Schiedsspruch vom 29. September 2014 teilweise gut und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 1'997'221.- zuzüglich Zins. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei der Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 29. September 2014 aufzuheben und es sei die Klage abzuweisen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich habe den verfahrensrechtlichen Ordre public verletzt ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG [SR 291]), indem es die materielle Rechtskraft des ersten Schiedsspruchs des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 missachtet habe. 3.1 Sie bringt nicht etwa vor, der im ersten Schiedsverfahren geltend gemachte Anspruch sei identisch mit der im zweiten Schiedsverfahren eingeklagten Forderung, sondern räumt ein, dass sich die erste Klage auf die Grundbeträge für die Jahre 2009 und 2010 bezog, während die im vorliegenden Schiedsverfahren erhobene Klage die Grundbeträge der Jahre 2011 und 2012 betrifft. Entsprechend beruft BGE 141 III 229 S. 233 sich die Beschwerdeführerin nicht etwa darauf, die zweite Klage sei aufgrund der Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids ausgeschlossen gewesen, sondern anerkennt, dass das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich auf die zweite Klage zu Recht eintrat. Die Beschwerdeführerin stellt sich jedoch auf den Standpunkt, der erste Schiedsspruch sei präjudiziell für Vor- und Teilfragen des zweiten Schiedsverfahrens, weshalb sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich "an die verbindlichen Feststellungen von Rechts- und Sachverhaltsfragen des ersten Schiedsgerichts" hätte halten müssen. Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, in internationalen Schiedsverfahren mit internationalen Parteien sei nicht der herkömmliche, sondern ein internationaler Begriff der res iudicata anzuwenden. Die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs eines ausländischen Schiedsgerichts entspreche daher nicht derjenigen eines Urteils eines inländischen staatlichen Gerichts. Die besondere Interessenlage der Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens weiche von derjenigen der Parteien eines schweizerischen staatlichen Gerichtsverfahrens nämlich massgeblich ab, weshalb sich die materielle Rechtskraft auch auf die für den Entscheid ausschlaggebenden Erwägungen erstrecken müsse. Dies werde unter anderem im Schlussbericht der International Law Association (ILA) zum Problem der res iudicata (ILA Final Report on Res Judicata and Arbitration, Arbitration International, Bd. 25, Nr. 1 [2009] S. 67 ff.) betont, in dem ein breiter Begriff derAusschlusswirkung ("conclusive and preclusive effects") umschrieben werde, die sich insbesondere auch auf bereits beurteilte Tat- und Rechtsfragen beziehe. Die Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids erstrecke sich demnach auch auf die Erwägung, dass die Grundbeträge nur dann geschuldet seien, wenn insbesondere die Leistungskriterien "billable hours" und "turnover from billable hours" nach Ziffer 5.3 BCA im betreffenden Jahr erfüllt würden. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich sei an diese rechtliche Begründung gebunden gewesen und hätte die Erfüllung der Voraussetzungen von Ziffer 5.3 BCA für den jährlichen Grundbetrag nicht abweichend beurteilen dürfen. Indem es dennoch erwogen habe, die fehlende Erfüllung der beiden Kriterien "billable hours" und "turnover from billable hours" reiche nicht aus, um dem Beschwerdegegner die Grundbeträge zu verweigern, habe sich das zweite Schiedsgericht in Widerspruch zu den rechtskräftigen Erwägungen des ersten Schiedsspruchs gesetzt, BGE 141 III 229 S. 234 womit es den verfahrensrechtlichen Ordre public im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG verletze. Selbst wenn der herkömmliche Begriff der res iudicata anzuwenden wäre, so die Beschwerdeführerin weiter, wäre das Schiedsgericht an die Feststellungen des ersten Schiedsspruchs zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf die Grundbeträge gebunden gewesen, zumal die Urteilserwägungen auch gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung präjudizielle Bedeutung erlangen könnten, namentlich bei einer Klageabweisung. Das Schiedsgericht habe im konkreten Fall gegen den Grundsatz verstossen, dass ein erster Schiedsspruch präjudiziell sei für Vor- und Teilfragen eines zweiten Prozesses. 3.2 3.2.1 Der Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ) hat sowohl einen materiellen als auch einen verfahrensrechtlichen Gehalt. Ein Verstoss gegen den verfahrensrechtlichen Ordre public liegt vor bei einer Verletzung von fundamentalen und allgemein anerkannten Verfahrensgrundsätzen, deren Nichtbeachtung zum Rechtsempfinden in einem unerträglichen Widerspruch steht, so dass die Entscheidung als mit der in einem Rechtsstaat geltenden Rechts- und Wertordnung schlechterdings unvereinbar erscheint ( BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 136 III 345 E. 2.1; BGE 132 III 389 E. 2.2.1 S. 392; BGE 128 III 191 E. 4a S. 194). Das Schiedsgericht verletzt den verfahrensrechtlichen Ordre public unter anderem, wenn es bei seinem Entscheid die materielle Rechtskraft eines früheren Entscheids unbeachtet lässt oder wenn es in seinem Endentscheid von der Auffassung abweicht, die es in einem Vorentscheid hinsichtlich einer materiellen Vorfrage geäussert hat ( BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348; BGE 128 III 191 E. 4a S. 194). 3.2.2 Die Rechtskraftwirkung gilt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene und regelt namentlich das Verhältnis zwischen einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und einem ausländischen Gericht oder Schiedsgericht (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.1; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 127 III 279 E. 2). Erhebt demnach eine Partei bei einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz eine Klage, die mit einer durch einen ausländischen Gerichts- oder Schiedsentscheid rechtskräftig beurteilten Klage identisch ist, darf das Schiedsgericht darauf nicht eintreten, sofern der ausländische Entscheid nach Art. 25 bzw. Art. 194 IPRG in der Schweiz anerkannt werden kann (Urteil 4A_374/2014 vom BGE 141 III 229 S. 235 26. Februar 2015 E. 4.2.1; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1). Mit der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs erlangt dieser dieselben Wirkungen wie ein inländisches Gerichtsurteil (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2; vgl. MICHELE PATOCCHI/JERMINI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 136 zu Art. 194 IPRG ). Wendet eine Partei in einem Verfahren vor einem staatlichen Schweizer Gericht oder einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz ein, eine Frage sei durch ein ausländisches Schiedsgericht bereits rechtskräftig entschieden worden, hat dieses vorfrageweise zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung des ausländischen Schiedsspruchs gegeben sind; ein selbständiges Anerkennungsverfahren ist nicht erforderlich (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 mit Hinweisen; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1). Nach Art. 194 IPRG gilt für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (NYÜ; SR 0.277.12). 3.2.3 Ob der durch eine ausländische Entscheidung beurteilte und der vor einem Schweizer Gericht bzw. Schiedsgericht geltend gemachte Anspruch identisch sind, beurteilt sich nach der lex fori , es sei denn, es ergebe sich aus einer internationalen Vereinbarung etwas Abweichendes; entsprechend sind die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rechtskraftwirkung anzuwenden. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Rechtskraftwirkung aus der entsprechenden ausländischen Entscheidung ergibt und daher vom Recht des Ursprungsstaats abhängt, weshalb sich die Voraussetzungen und Grenzen der materiellen Rechtskraft nach diesem ausländischen Recht richten ( BGE 140 III 278 E. 3.2). Die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Entscheids kann demnach nicht weiter gehen als die Rechtskraft eines gleichlautenden Entscheids eines Schweizer Gerichts oder eines Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 a.E.; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281). Die materielle Rechtskraft eines ausländischen Entscheids, die nach dem Recht des Ursprungsstaats unabhängig von den beurteilten Rechtsbegehren der Parteien auch die Urteilsbegründung erfassen würde, wäre in der Schweiz etwa auf BGE 141 III 229 S. 236 den Rahmen des Urteilsdispositivs zu beschränken ( BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281 mit Hinweis). Andererseits kann ein im Ausland ergangener Gerichts- oder Schiedsentscheid in der Schweiz keine weitergehenden Wirkungen entfalten, als ihm im Urteilsstaat zukommen würden (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 a.E.; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281). 3.2.4 Die Beschwerdeführerin verkennt diese Grundsätze, wenn sie dem Bundesgericht im Beschwerdeverfahren vorträgt, die materielle Rechtskraft des ausländischen Schiedsentscheids müsse sich "im Sinne der schweizerischen und internationalen Lehre zur Rechtskraft" auch auf die für den Entscheid ausschlaggebenden Erwägungen erstrecken. Zunächst trifft entgegen ihrer Ansicht nicht zu, dass das Bundesgericht bisher nie entschieden hätte, ob die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids derjenigen eines Urteils eines inländischen staatlichen Gerichts entspreche. Das Bundesgericht wendet die für Gerichtsentscheide geltenden Grundsätze zur Rechtskraftwirkung bereits seit geraumer Zeit gleichermassen auf Schiedsentscheide an, wobei es auch in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass sich die Rechtskraftwirkung eines internationalen Schiedsentscheids auf das Urteilsdispositiv beschränkt und die Urteilsbegründung davon nicht erfasst wird ( BGE 128 III 191 E. 4a betreffend Rechtskraft des Entscheids eines internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz). In einem neueren Entscheid hat es hinsichtlich der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids dieselben Grundsätze angewendet wie bei einem ausländischen Urteil eines staatlichen Gerichts (Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3). Dies wurde in einem vor Kurzem ergangenen Urteil bestätigt, in dem das Bundesgericht ausdrücklich festhielt, dass die materielle Rechtskraft auch im internationalen Verhältnis gilt und unter anderem das Verhältnis zwischen einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und einem ausländischen Schiedsgericht bestimmt, wobei sich der Umfang der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids nach denselben Grundsätzen richtet wie bei einem ausländischen Gerichtsentscheid (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.1 und 4.2.2). Dass ein Schiedsspruch mit der Eröffnung die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Entscheids hat, ist zudem im Bereich der BGE 141 III 229 S. 237 Binnenschiedsgerichtsbarkeit gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ( Art. 387 ZPO ), gilt jedoch auch für Entscheide internationaler Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz (SIMON ZINGG, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 114 zu Art. 59 ZPO ; vgl. bereits RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl. 1993, S. 309 f.). 3.2.5 Weder die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte "besondere Interessenlage der Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens" noch die Wünschbarkeit international einheitlicher Standards und transnationaler Konzepte oder die von ihr erwähnten Empfehlungen einer privaten Organisation (ILA Final Report on Res Judicata and Arbitration, a.a.O.; dazu etwa BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 3. Aufl. 2015, Rz. 1666 ff.) vermögen an dieser Rechtslage etwas zu ändern. Die Beschwerdeführerin macht denn auch zu Recht nicht etwa geltend, das New Yorker Übereinkommen oder ein anderer anwendbarer Staatsvertrag sehe eine abweichende Regelung der materiellen Rechtskraft vor. Für die Anwendung des von ihr befürworteten weiten Begriffs der Rechtskraft "nach weltweit verbreitetem Konzept anglo-amerikanischer Herkunft" besteht keine rechtliche Grundlage. Abgesehen davon verkennt die Beschwerdeführerin, dass sich die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsspruchs aus der entsprechenden ausländischen Entscheidung ergibt, weshalb er in der Schweiz von vornherein nur so weit wirken kann, wie es das Prozessrecht des Ursprungsstaats vorsieht. Dass die Rechtskraftwirkung des fraglichen Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. nach deutschem Recht über das Dispositiv hinaus auch die Urteilsbegründung erfassen würde, macht sie jedoch zu Recht nicht geltend (vgl. statt vieler JOACHIM MÜNCH, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 3: §§ 1025-1109, 4. Aufl. 2013, N. 14 f. zu § 1055 ZPO ; vgl. auch BGE 138 III 714 E. 3.2, wonach das Bundesgericht selbst bei der Prüfung von Vorfragen nach ausländischem Recht der in der anwendbaren ausländischen Rechtsordnung klar herrschenden Auffassung und bei Kontroversen zwischen Rechtsprechung und Lehre der höchstrichterlichen Judikatur folgt). Die Bindungswirkung des Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 ist daher nach den BGE 141 III 229 S. 238 vom Bundesgericht entwickelten Grundsätzen zur materiellen Rechtskraft zu beurteilen. 3.2.6 Die Beschwerdeführerin macht zu Unrecht geltend, das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich sei selbst dann an die Feststellungen des ersten Schiedsspruchs zu den vertraglichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Grundbeträge gebunden gewesen, wenn der Beurteilung der vom Bundesgericht verwendete Begriff der res iudicata zugrunde gelegt werde. Die Rechtskraftwirkung tritt nur so weit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu der dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar beschränkt sich die Rechtskraftwirkung auf das Urteilsdispositiv; doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus den Urteilserwägungen, namentlich im Falle einer Klageabweisung ( BGE 121 III 474 E. 4a S. 478). Die Bedeutung des konkreten Urteilsdispositivs ist demnach im Einzelfall anhand der gesamten Urteilserwägungen zu beurteilen ( BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348 mit Hinweisen). Zwar trifft zu, dass zur Beurteilung, bezüglich welcher Forderung die erste Schiedsklage rechtskräftig abgewiesen wurde, die Erwägungen des Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 heranzuziehen waren. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich aber durchaus mit den Erwägungen des ersten Schiedsspruchs auseinandergesetzt und hat den von ihr erhobenen Einwand der Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids mit Zwischenentscheid Nr. 5 vom 18. März 2014 mit eingehender Begründung abgewiesen. Es hat die im ersten Schiedsverfahren erhobene Klage zutreffend als mit der im zweiten Schiedsverfahren erhobenen Klage nicht identisch erachtet, weil diese die Grundbeträge der Jahre 2011 und 2012 betraf, während sich jene auf die Grundbeträge für die Jahre 2009 und 2010 bezog, was im Übrigen auch die Beschwerdeführerin anerkennt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ergibt sich keine weitere Bindungswirkung bezüglich der rechtlichen Erwägungen im ersten Schiedsentscheid; bei dessen Auslegung von Ziffer 5.3 BCA handelt es sich um blosse Glieder des Subsumtionsschlusses, die für sich allein nicht in materielle Rechtskraft erwachsen ( BGE 121 III 474 E. 4a S. 478; vgl. zu einem Fall der Klageabweisung bei verschiedenen BGE 141 III 229 S. 239 Forderungen aus demselben Vertrag auch Urteil 4A_352/2014 vom 9. Februar 2015 E. 3). Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Vertragsauslegung im ersten Entscheid nicht selbst Streitgegenstand war, indem über diese Frage ein Feststellungsurteil gefällt worden wäre. Entgegen ihrer Ansicht lässt sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur materiellen Rechtskraft keine Bindung des zweiten Schiedsgerichts an die rechtlichen Erwägungen des ersten Entscheids ableiten. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich, das eine andere Forderung als dasjenige mit Sitz in Frankfurt a.M. zu beurteilen hatte, konnte den eingeklagten Anspruch von Grund auf neu prüfen und war weder an die tatsächlichen Feststellungen noch an die rechtlichen Erwägungen des ersten Schiedsentscheids gebunden. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich hat daher den verfahrensrechtlichen Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ) nicht verletzt, wenn es seinem Entscheid eine eigene Auslegung von Ziffer 5.3 BCA zugrunde legte. Im Gegenteil wäre ihm eine Ordre public-Widrigkeit vorzuwerfen, wenn es sich bei der Beurteilung des Klagebegehrens an die Vertragsauslegung im ersten Schiedsentscheid gebunden erachtet und auf eine entsprechende Prüfung verzichtet hätte, obwohl im ersten Entscheid über einen anderen Anspruch entschieden worden war.
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123fc334-ff37-40d7-9435-dc2004d4d9fe
Urteilskopf 89 IV 85 17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1963 i.S. Ferro gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau.
Regeste 1. Zwischen Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 und 187 StGB besteht unechte Gesetzeskonkurrenz (Erw. 2). 2. Art. 187 Abs. 2 StGB . Der Täter muss die Frau bewusstlos oder widerstandsunfähig gemacht haben, bevor er sie geschlechtlich missbraucht. Subjektive Voraussetzungen (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 86 BGE 89 IV 85 S. 86 A.- Giovanni Ferro fuhr am 11. März 1962, etwa 21.15 Uhr, zusammen mit Erich Peter in einem Personenauto auf der Strasse Kreuzlingen-Frauenfeld. In der Gegend von Bernrain hielten sie an, griffen die auf der Strasse in die FHD-Kaserne zurückkehrende, 1940 geborene X. an und schleppten sie gewaltsam in den Wagen, worauf Peter das Fahrzeug in Bewegung setzte und davon fuhr, während Ferro die Überfallene auf der hintern Sitzbank festhielt und am Aussteigen hinderte. Nach rund 7,5 km langer Fahrt hielt Peter das Auto in der Nähe von Dotnacht auf einem abgelegenen Feldweg an. Die beiden Männer vollzogen hierauf nacheinander mit Gewalt den Beischlaf mit X., währenddessen jeder den andern in der Weise unterstützte, dass er das Opfer auf der Sitzbank festhielt und am Schreien hinderte. B.- Die Kriminalkammer des Kantons Thurgau erklärte am 17. Dezember 1962 Ferro der qualifizierten Freiheitsberaubung (Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1), der qualifizierten Notzucht (Art. 187 Abs. 2) und der Gehilfenschaft dazu ( Art. 187 Abs. 2 und Art. 25 StGB ) schuldig und verurteilte ihn zu sechs Jahren Zuchthaus, zu fünf Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit und zu zehn Jahren Landesverweisung. Ferner verpflichtete sie den Verurteilten, X. Fr. 2000.-- als Genugtuung zu bezahlen. C.- Ferro führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Kriminalkammer aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, der Tatbestand der Freiheitsberaubung gehe in demjenigen der Notzucht auf und diese sei nur in der Form des Art. 187 Abs. 1 StGB erfüllt. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt, die Beschwerde abzuweisen. BGE 89 IV 85 S. 87 Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Eine Freiheitsberaubung begeht, wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit entzieht ( Art. 182 Ziff. 1 StGB ). Dieser Tatbestand ist erfüllt. Der Beschwerdeführer hat X. gegen deren Willen zunächst zusammen mit Peter in das Auto geschleppt und sie hierauf während der rund 7,5 km langen Fahrt am Aussteigen gehindert. Durch die Festnahme auf der Strasse und das Festhalten im fahrenden Auto wurde X., die zu Fuss in die Kaserne zurückkehren wollte, ihrer Bewegungsfreiheit beraubt. Nach der Feststellung der Kriminalkammer hat der Beschwerdeführer nicht nur diesen Erfolg gewollt, sondern darüber hinaus in der Absicht gehandelt, X. an einem abgelegenen Ort zur Unzucht zu missbrauchen. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277 bis Abs. 1 BStP). Die Tat fällt daher unter die Bestimmung des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB . 2. Der Beschwerdeführer hat, was nicht bestritten ist, an X. ausserdem das Verbrechen der Notzucht ( Art. 187 StGB ) begangen. Richtig ist, dass diese Tat und die vorausgegangene Freiheitsberaubung nicht idealiter konkurrieren. Idealkonkurrenz ist aber nicht deswegen zu verneinen, weil Art. 182 und 187 im Verhältnis der unechten Gesetzeskonkurrenz zueinander stünden, wie der Beschwerdeführer glaubt, sondern weil er die beiden Straftatbestände nicht durch ein und dieselbe Handlung erfüllt hat. Mit den Notzuchtshandlungen begann er erst, als nach 7,5 km langer Autofahrt ein abgelegener Ort erreicht, das Verbrechen der Freiheitsberaubung also, auch wenn es noch andauerte, schon vollendet war; von einer einzigen Handlung, durch die sowohl Art. 182 als auch Art. 187 verletzt worden wären, kann nicht die Rede sein. Die Vorinstanz hat denn auch die Strafe nicht wegen Ideal-, BGE 89 IV 85 S. 88 sondern wegen Realkonkurrenz gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB erhöht. Die Anwendung dieser Bestimmung wäre nur dann nicht zulässig, wenn eine der beiden in Frage kommenden Bestimmungen - Art. 182 oder 187 - das Verhalten des Beschwerdeführers nach allen Seiten erfassen würde. Das trifft nicht schon zu, wenn zwei selbständige strafbare Handlungen objektiv und subjektiv so zusammenhangen, dass die eine bloss als Vorbereitungs- oder Fortsetzungshandlung der andern erscheint. Insbesondere genügt der einheitliche Willensentschluss des Täters nicht, um die einzelnen Handlungen zu einem einzigen Verbrechen zu machen oder aus ihrem subjektiven Zusammenhang abzuleiten, dass die Strafe für die eine Tat auch die andere abgelte. So hat der Kassationshof unechte Gesetzeskonkurrenz z.B. verneint, wenn der Täter sich gleichzeitig entschlossen hat, eine Urkunde zu fälschen und damit jemanden zu betrügen ( BGE 71 IV 207 ) oder falsches Geld einzuführen und es in Umlauf zu setzen ( BGE 77 IV 16 ; vgl. ferner BGE 80 IV 256 und dort erwähnte frühere Entscheidungen). Ebensowenig schliesst die eine Bestimmung die Anwendung der andern aus, wenn jemand an einer Frau das Verbrechen des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 verübt und sie nachher, wie von vorneherein beabsichtigt, zur Notzucht nach Art. 187 missbraucht. -Weder braucht der Notzucht stets eine Freiheitsberaubung vorauszugehen, noch führt die Freiheitsberaubung, die an einer Frau begangen wird, um sie geschlechtlich zu missbrauchen, notwendig dazu, dass der Täter sie mit Gewalt oder unter schwerer Drohung zur Duldung des Beischlafes zwingt. Der Täter kann, nachdem er die Frau z.B. eingeschlossen hat, auf sein Vorhaben verzichten, an der Verwirklichung seiner Absicht gehindert werden, oder die Frau kann sich ihm freiwillig hingeben. Art. 187, der die Freiheit und Ehre in geschlechtlichen Dingen schützt, gilt die dem geschlechtlichen Angriff vorausgegangene Beschränkung der Bewegungsfreiheit des Opfers nicht mit ab, während anderseits Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 BGE 89 IV 85 S. 89 die Verwirklichung der unzüchtigen Absicht nicht erfasst. 3. a) Notzucht im Sinne des Art. 187 Abs. 1 StGB liegt immer dann vor, wenn eine Frau, die imstande ist, körperlichen Widerstand zu leisten, durch Gewalt oder schwere Drohung zur Duldung des ausserehelichen Beischlafs gezwungen wird, sei es, dass ihr Widerstand gewaltsam gebrochen wird, sei es, dass sie unter dem Drucke des ausgeübten Zwanges zum voraus auf Widerstand verzichtet oder ihn nach anfänglicher Abwehr aufgibt ( BGE 75 IV 115 /6; BGE 87 IV 71 ). Der in Abs. 2 mit schwererer Strafe bedrohte Fall setzt dagegen voraus, dass der aussereheliche Beischlaf mit einer bewusstlosen oder zum Widerstand unfähigen Frau vollzogen wird. Das gleiche Tatbestandsmerkmal findet sich in der Bestimmung über die Schändung ( Art. 189 Abs. 1 StGB ), wie denn auch der Tatbestand des Art. 187 Abs. 2 ursprünglich als erschwerter Fall der Schändung behandelt worden ist (Prot. 1 Exp. Kom. Bd. II S. 161 ff., 577 ff.). Von dieser unterscheidet er sich aber durch den Umstand, dass der Täter das Opfer nicht schon im Zustande der Wehrlosigkeit antrifft, sondern es selber in diesen Zustand versetzt. Dabei muss er, wie sich aus der Wendung "zu diesem Zweck" ergibt, die Wehrlosigkeit des Opfers in der Absicht herbeiführen, es nachher geschlechtlich zu missbrauchen. Wer aus einem anderen Beweggrunde eine Frau bewusstlos oder widerstandsunfähig macht und sich erst dann entschliesst, an ihr den Beischlaf zu vollziehen, macht sich der Schändung, nicht der Notzucht schuldig (Prot. 2. Exp. Kom. Bd. III S. 131, 135/6). Über die Mittel, mit denen der Täter sein Opfer wehrlos macht, schweigt sich Art. 187 Abs. 2 aus. In der Gesetzesberatung wurden vor allem Mittel mit betäubender Wirkung genannt (Narkotika, Hypnose, Alkohol), doch erfasst der Wortlaut der Bestimmung auch die Anwendung von Gewalt (z.B. betäubender Schlag, Fesselung). Entscheidend ist indessen nicht so sehr die Art des verwendeten Mittels als vielmehr, dass der Täter es unmittelbar BGE 89 IV 85 S. 90 zur Herbeiführung der Bewusstlosigkeit oder Widerstandsunfähigkeit der Frau, die er missbrauchen will, verwendet hat und dass dieser Erfolg eingetreten ist, ehe der Beischlaf vollzogen wurde. Der Grund für das hohe Strafminimum von drei Jahren Zuchthaus, das Art. 187 Abs. 2 vorsieht, liegt in der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass er sich vornimmt, zuerst eine Frau gegen ihren Willen wehrlos zu machen, um sie hernach ohne Widerstand zu missbrauchen. b) X. ist nicht vollständig widerstandsunfähig gemacht worden, bevor sie von Peter und vom Beschwerdeführer vergewaltigt wurde. Sie hat, wie die Kriminalkammer feststellt, bloss während der Unzuchtshandlungen zufolge der Gewaltanwendung der beiden Männer keinen ernsthaften Widerstand mehr leisten können. Daraus ergibt sich nicht, dass sie überhaupt nicht mehr imstande gewesen sei, Widerstand zu leisten, sondern nur, dass ihr Widerstand wirkungslos geblieben ist, solange sie der vereinten Gewalt der beiden Männer ausgesetzt war, d.h. während der eine sie festhielt und der andere zugleich den Beischlaf mit ihr vollzog. Die Vorinstanz bestätigt es durch die weitere Feststellung, dass die Geschädigte während der Zeit, als die beiden Angeklagten ihre Rollen vertauschten, Gelegenheit hatte, sich ein wenig zu erheben und sich zu wehren. X., auf deren Aussagen das angefochtene Urteil verweist, erklärt zudem selber, dass sie sich bis zum Schluss nach Möglichkeit zu Wehr gesetzt habe. Fehlt schon das objektive Merkmal der Widerstandsunfähigkeit, so kann dahingestellt bleiben, ob der Vorsatz des Beschwerdeführers darauf gerichtet gewesen sei, X. widerstandsunfähig zu machen, um sie in wehrlosem Zustand zu missbrauchen. c) Da die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Notzucht und die Gehilfenschaft dazu unter Art. 187 Abs. 1, nicht unter Abs. 2, fallen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubemessung der Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Urteilskopf 112 II 289 48. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. April 1986 i.S. B. gegen B. (Berufung)
Regeste Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils; internationale Zuständigkeit. Die schweizerischen Gerichte sind nicht zuständig, eine verselbständigte Klage betreffend die wirtschaftlichen Nebenfolgen einer im Ausland zwischen ausländischen Staatsangehörigen ausgesprochenen Scheidung zu beurteilen. Eine Ausnahme wird nur zugelassen, wenn der Scheidungsstaat für eine solche Klage keinen Gerichtsstand zur Verfügung stellt. Dies ist aber nicht schon der Fall, wenn der ausländische Scheidungsrichter aus reinen Zweckmässigkeitsüberlegungen die Regelung der Nebenfolgen, die keine Statusfragen betreffen, dem schweizerischen Richter überlassen wollte.
Sachverhalt ab Seite 289 BGE 112 II 289 S. 289 A.- D. B. und J. K., beide jugoslawische Staatsangehörige, lernten sich im Jahre 1966 kennen. Am 4. März 1968 wurde die gemeinsame Tochter Brigitte geboren, und am 20. September 1969 heirateten D. B. und J. K. in Jugoslawien. Später übersiedelten die Ehegatten in die Schweiz, wo sie heute noch wohnen und arbeiten. BGE 112 II 289 S. 290 B.- Am 27. Mai 1983 reichte die Ehefrau Scheidungsklage ein. Sie beantragte die Scheidung der Ehe, die Zuteilung der Tochter Brigitte an sie und die Regelung der Nebenfolgen der Scheidung nach Gesetz. Der Ehemann erklärte sich mit der Scheidung einverstanden und liess sich vorerst widerspruchslos auf die Klage ein. Während der Pendenz des Scheidungsverfahrens in der Schweiz erhob der Beklagte dann seinerseits in Jugoslawien Scheidungsklage. Mit Urteil vom 7. März 1984 schied das Grundgericht X. in Jugoslawien die Ehe der Parteien und sprach die Tochter Brigitte der Mutter zur Pflege und Erziehung zu. Hingegen verzichtete das jugoslawische Gericht darauf, über die Unterhaltsbeiträge des Vaters für die Tochter und über die weiteren Nebenfolgen der Scheidung zu befinden. Hinsichtlich des Unterhaltsbeitrags an die Tochter hielt der Heimatrichter ausdrücklich fest, das unterhaltsberechtigte Kind lebe wie seine Eltern in der Schweiz. Es sei daher angezeigt, dass der schweizerische Richter über diesen Unterhaltsbeitrag entscheide. Da es sich dabei nicht um eine Statusfrage handle, stehe der Zuständigkeit des schweizerischen Richters nichts entgegen. Der im schweizerischen Verfahren beklagte Ehemann bestritt hingegen mit Schreiben vom 10. April 1984 die Zuständigkeit des schweizerischen Richters. C.- In der Folge nahm das Bezirksgericht mit Urteil vom 21. Juni 1984 davon Vormerk, dass die Ehe der Parteien vom Grundgericht X. in Jugoslawien am 7. März 1984 geschieden und die Tochter Brigitte unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellt worden sei. In Ergänzung zum jugoslawischen Urteil regelte das Bezirksgericht das Besuchsrecht des Vaters und verpflichtete diesen, an den Unterhalt der Tochter einen monatlichen Beitrag von Fr. 500.-- zu bezahlen. Ferner verurteilte es den Beklagten zur Leistung einer monatlichen Unterhaltsrente von Fr. 300.-- gestützt auf Art. 151 Abs. 1 ZGB an die geschiedene Ehefrau für die Dauer von zehn Jahren. Schliesslich nahm das Bezirksgericht auch davon Vormerk, dass die Parteien güterrechtlich auseinandergesetzt seien. Dieses Urteil zog der Beklagte an das Kantonsgericht St. Gallen weiter, welches die Berufung am 11. Januar 1985 abwies. D.- Der Beklagte erhebt Berufung beim Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung der beiden vorinstanzlichen Urteile und die Feststellung, dass die schweizerischen Gerichte zur Regelung BGE 112 II 289 S. 291 der Nebenfolgen der vom Grundgericht X. am 7. März 1984 ausgesprochenen Scheidung nicht zuständig seien, so dass auf die Klage nicht einzutreten sei; eventuell sei der Klägerin eine Unterhaltsrente gemäss Art. 151 Abs. 1 ZGB zu verweigern. Die Klägerin stellt Antrag auf Abweisung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Soweit vom Beklagten die Regelung des Besuchsrechts angefochten wird, kann auf die Berufung gestützt auf Art. 44 OG ohne weiteres eingetreten werden. Aber auch die umstrittenen Unterhaltsbeiträge für die Klägerin und die Tochter der Parteien überschreiten die in Art. 46 und Art. 62 Abs. 1 ZGB vorgesehenen Streitwertgrenzen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt auf die Berufung einzutreten ist. 2. Nach feststehender Rechtsprechung ist vom bundesrechtlichen Grundsatz der notwendigen Einheit des Scheidungsurteils auszugehen. Das bedeutet, dass nach schweizerischer Rechtsauffassung der mit der Scheidungsklage befasste Richter ausschliesslich zuständig ist zur Regelung der Nebenfolgen der Ehescheidung ( BGE 107 II 15 E. 2 mit zahlreichen Hinweisen). Nur ausnahmsweise darf der Scheidungsrichter die güterrechtliche Auseinandersetzung in ein besonderes Verfahren verweisen ( BGE 95 II 67 und BGE 108 II 384 /85). Aus dem Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils folgt auch die ausschliessliche Zuständigkeit des Scheidungsrichters zur Ergänzung eines lückenhaften Urteils, sei dieses Urteil gegenüber schweizerischen oder ausländischen Ehegatten in der Schweiz oder im Ausland ausgesprochen worden. Eine die Nebenfolgen betreffende Ergänzungsklage kann demnach in der Schweiz grundsätzlich nicht angebracht werden, wenn die Scheidung im Ausland ausgesprochen worden ist, und zwar auch dann nicht, wenn die in Frage stehenden Nebenfolgen nach dem Recht des Scheidungsstaates im Scheidungsprozess selbst gar nicht geltend gemacht werden konnten, sondern in ein besonderes Nachverfahren verwiesen waren. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn der ausländische Scheidungsrichter den in der Schweiz wohnhaften geschiedenen Ehegatten für die Regelung der Nebenfolgen einen Gerichtsstand versagt. In diesem Fall lassen die bundesgerichtliche Rechtsprechung und die Lehre die Ergänzungsklage beim Richter des gemeinsamen schweizerischen Wohnsitzes der Parteien zu ( BGE 107 II 16 E. 2 mit Hinweisen). Wohnt nur der BGE 112 II 289 S. 292 Beklagte in der Schweiz, so kann die Ergänzungsklage auch an dessen Wohnsitz angebracht werden. 3. Das Kantonsgericht St. Gallen hat in seinem Urteil vom 11. Januar 1985 die dargelegte bundesgerichtliche Rechtsprechung, welche in BGE 107 II 13 ff. erneut bestätigt worden ist, nicht übersehen. Indessen war es der Meinung, dass sich im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils rechtfertige. Es wies darauf hin, dass die Scheidung der Parteien im Ausland ausgesprochen worden sei, wobei der jugoslawische Richter alle Statusfragen beurteilt, sich jedoch geweigert habe, auch die Nebenfolgen zu regeln mit der Begründung, der schweizerische Richter kenne die Verhältnisse der in der Schweiz lebenden Parteien genauer und sei daher besser in der Lage, einen angemessenen Entscheid zu treffen. Die Situation lasse sich mit jener vergleichen, in welcher der Scheidungsstaat einen Gerichtsstand für die Regelung der Nebenfolgen der Scheidung versage. Die Bejahung der Zuständigkeit des schweizerischen Richters zur Beurteilung der Ergänzungsklage über die Nebenfolgen der Ehescheidung sei nicht nur zweckmässig und im Hinblick auf den Wohnsitz aller Beteiligten in der Schweiz sachgerecht, angesichts der Haltung des jugoslawischen Heimatrichters bestehe auch nicht die Gefahr widersprechender Urteile. Zudem könne im Unterschied zu dem in BGE 107 II 13 ff. beurteilten Fall hier nicht von einer echten Ergänzungsklage gesprochen werden, da zuerst in der Schweiz auf Scheidung geklagt worden sei und erst nachträglich der Ehemann in Jugoslawien ein Scheidungsverfahren anhängig gemacht habe. 4. Dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine normale Klage auf Ergänzung eines ausländischen Scheidungsurteils handle, leuchtet ein. Indessen lässt sich dies entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts nicht damit begründen, dass noch vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens in Jugoslawien die Ehefrau vor dem schweizerischen Richter Scheidungsklage erhoben hat. Ob diese Scheidungsklage im Hinblick auf Art. 7h Abs. 1 NAG zu einer Scheidung hätte führen können, muss zum mindesten als zweifelhaft erscheinen. Dem jugoslawischen Scheidungsurteil vom 7. März 1984 ist nämlich zu entnehmen, dass das jugoslawische Recht die ausschliessliche Zuständigkeit für die Scheidung jugoslawischer Staatsangehöriger beansprucht. Vor allem ist aber nicht einzusehen, inwiefern sich aus der Tatsache, dass zuerst in der Schweiz ein Scheidungsverfahren eingeleitet BGE 112 II 289 S. 293 wurde, für die hier allein zu beurteilende Frage, ob sich eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils rechtfertige, etwas Schlüssiges ergeben könnte. Da dieses Scheidungsverfahren in der Schweiz nicht zu einer Scheidung geführt hat, stellt sich nur die Frage der Ergänzung des ausländischen Scheidungsurteils. Die Besonderheit dieser Ergänzung besteht nun darin, dass das Grundgericht X. bewusst ein lückenhaftes Scheidungsurteil erlassen hat, indem es nur die Statusfragen, die sich im Zusammenhang mit der Ehescheidung stellen, beurteilt hat, während es die weiteren Nebenfolgen der Scheidung trotz grundsätzlicher Zuständigkeit des jugoslawischen Heimatrichters dem schweizerischen Wohnsitzrichter zur Regelung überlassen wollte. Der jugoslawische Scheidungsrichter hat somit den Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils absichtlich missachtet und eine geteilte Zuständigkeit für die Scheidung und die Zuteilung der elterlichen Gewalt einerseits sowie der übrigen persönlichen und wirtschaftlichen Nebenfolgen der Ehescheidung anderseits angenommen. Dass die jugoslawische Rechtsordnung eine solche Spaltung der Zuständigkeit im Bereiche der Scheidung zwingend vorschreiben würde, hat der jugoslawische Richter indessen nicht festgestellt. Hingegen hat das Grundgericht X. in einer "Bescheinigung" vom 29. März 1984 die Meinung vertreten, dass eine solche Zuständigkeitsspaltung mit der jugoslawischen Rechtsordnung vereinbar sei und von der Sache her als zweckmässiger erscheine als die ausschliessliche jugoslawische Zuständigkeit. Demnach scheint aus jugoslawischer Sicht für jene Nebenfolgen der Ehescheidung, welche nicht die Scheidung als solche und auch nicht die Kinderzuteilung betreffen, eine alternative Zuständigkeit des Heimat- und des Wohnsitzstaates der betroffenen Parteien gegeben zu sein. Damit ist aber noch nicht nachgewiesen, dass eine solche alternative Zuständigkeit in einem Teilbereich des Scheidungsrechts der jugoslawischen Rechtsordnung entspricht und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Lehre anerkannt wird. Zweifel an dieser Betrachtungsweise werden nämlich dadurch geweckt, dass die alternative Zuständigkeit nicht für die Zuteilung der elterlichen Gewalt, wohl aber für ihr Gegenstück, die Regelung des Besuchsrechts, gelten soll. Ferner ist nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien über Umfang und Zulässigkeit dieser alternativen Zuständigkeit zu entscheiden wäre. Vom Grundgericht X. werden hiefür reine Zweckmässigkeitsüberlegungen angeführt, BGE 112 II 289 S. 294 ohne dass auf eine generelle Regelung Bezug genommen würde. Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht übersehen werden, dass die persönlichen und vor allem die wirtschaftlichen Nebenfolgen der Ehescheidung in den einzelnen Rechtsordnungen erheblich voneinander abweichen können. So kann beispielsweise das Verschulden der geschiedenen Ehegatten für die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages eine ganz unterschiedliche Rolle spielen. Es können auch noch andere Kriterien für die Gewährung eines solchen Beitrags massgebend sein, wie sich aus der Berufungsschrift ergibt. Nach der Darstellung des Beklagten würde ein persönlicher Unterhaltsbeitrag für die Ehefrau nach jugoslawischem Recht an die Voraussetzung geknüpft, dass diese ausser schuldlos auch noch arbeitsunfähig oder arbeitslos sei. Mit der alternativen Zuständigkeit für die Nebenfolgen der Ehescheidung würden somit allenfalls erhebliche unterschiedliche Regelungen im anwendbaren Recht in Kauf genommen, ohne dass ersichtlich wäre, ob das jugoslawische Recht dafür tatsächlich eine Grundlage bietet. 5. Wenn der jugoslawische Richter aus Gründen der Zweckmässigkeit die Regelung der Nebenfolgen der Scheidung, die keine Statusfragen betreffen, dem schweizerischen Richter überlassen wollte, so kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht schon gesagt werden, der Nachweis sei erbracht, dass der Scheidungsrichter im Heimatstaat den betroffenen Ehegatten jeglichen Gerichtsstand verweigere. Unter diesen Umständen besteht aber nach der schweizerischen Rechtsordnung kein Anlass, vom Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils abzuweichen. Dieser Grundsatz findet nach wie vor seine Begründung unter anderem in der Überlegung, dass ein allfällig relevantes Scheidungsverschulden nicht von mehreren Richtern, insbesondere nicht von Richtern verschiedener Länder, beurteilt werden sollte, je nachdem, ob es mit dem Scheidungsgrund oder mit den Wirkungen der Ehescheidung zusammenhängt. Die Nebenfolgen der Ehescheidung, seien sie wirtschaftlicher oder persönlicher Natur, sollten in gegenseitiger Abstimmung geregelt werden. Bei einer solchen umfassenden Prüfung können die Umstände, die zur Scheidung als solcher geführt haben, nicht übergangen werden. Das gilt auch für die Zuteilung der elterlichen Gewalt über die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder und für die Regelung des Besuchsrechts. Aber auch bei der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für einen Ehegatten und die Kinder lässt sich nicht über die Umstände, die BGE 112 II 289 S. 295 zur Scheidung geführt haben, und ihre Würdigung durch den Richter hinwegsehen. Sollte aber bei der Festsetzung der Unterhaltsbeiträge für die Kinder von den Umständen der Scheidung abgesehen werden, wie es das Grundgericht X. in seinem Urteil vom 7. März 1984 durchblicken lässt, so wird dabei ausser acht gelassen, dass auch die Höhe dieser Beiträge von der wirtschaftlichen Stellung beider Elternteile abhängt und diese wiederum nicht losgelöst von den konkreten Scheidungsumständen (Unterhaltsbeiträge, güterrechtliche Auseinandersetzung) beurteilt werden kann. Dem Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils, wie er in BGE 107 II 13 ff. erneut bestätigt wurde, ist daher nach wie vor grosse Bedeutung beizumessen. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur mit grösster Zurückhaltung und zwar in dem von der Praxis umschriebenen Rahmen zuzulassen. Im vorliegenden Fall spricht alles dafür, die Zuständigkeit des jugoslawischen Heimatrichters, der bereits die Ehescheidung ausgesprochen hat, auch für die Regelung der Nebenfolgen zu bejahen. Es ist allerdings möglich, dass der Klägerin nach jugoslawischem Recht kein persönlicher Unterhaltsbeitrag zustehen könnte, während ihr der schweizerische Wohnsitzrichter einen solchen gestützt auf schweizerisches Recht für die Dauer von zehn Jahren gewährt hat. Indessen kann diesem Umstand in einem gewissen Umfang bei der Festsetzung des Unterhaltsbeitrags für die Tochter Rechnung getragen werden. Ferner ist zu beachten, dass auch bei Anerkennung eines schweizerischen alternativen Gerichtsstandes für die Nebenfolgen der Scheidung auf den Anspruch der geschiedenen Ehefrau auf eine Unterhaltsrente nicht schweizerisches Recht zur Anwendung gelangen würde. Gemäss Art. 8 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. Oktober 1973 ist in einem Vertragsstaat, in dem eine Ehescheidung anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den Ehegatten das auf die Ehescheidung angewandte Recht massgebend. Zwar ist Jugoslawien diesem Abkommen nicht beigetreten. Nach Art. 3 ist das Übereinkommen jedoch im internationalen Verhältnis unabhängig vom Erfordernis der Gegenseitigkeit anzuwenden. Der Anspruch der Klägerin auf eine Unterhaltsrente wäre daher auch von den schweizerischen Gerichten nach jugoslawischem Recht zu beurteilen. Nach dem Ausgeführten rechtfertigt es sich nicht, im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des BGE 112 II 289 S. 296 Scheidungsurteils zuzulassen. Dieses Ergebnis führt zur Gutheissung der Berufung und zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des Kantonsgerichts. Auf die Klage ist demzufolge nicht einzutreten. Die Klägerin wird beim zuständigen jugoslawischen Richter eine Klage auf Regelung der Nebenfolgen der ausgesprochenen Ehescheidung einzureichen haben.
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nan
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1,986
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Urteilskopf 100 III 12 5. Entscheid vom 28. Februar 1974 i.S. G.
Regeste 1. Betreibungshandlungen während der Betreibungsferien ( Art. 56 Ziff. 3 SchKG ). Während der Betreibungsferien vorgenommene Betreibungshandlungen sind unwirksam, wenn sie gemäss ihrem Wortlaut sofort in Kraft treten sollen (Erw. 1). 2. Verdienstpfändung ( Art. 93 SchKG ). Der Schuldner hat Anspruch darauf, dass ihm gleichzeitig mit der Lohn- bzw. Verdienstpfändung die Grundlagen der Pfändung, wozu auch die Berechnung des Notbedarfs gehört, bekanntgegeben werden (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 13 BGE 100 III 12 S. 13 In der Betreibung der Bank P. gegen G. pfändete das Betreibungsamt am 27. November 1973 vom Einkommen des Schuldners aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit den Betrag von Fr. 400.-- pro Monat. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1973, das der Post am 18. Dezember übergeben und von der Ehefrau des Schuldners am 19. Dezember in Empfang genommen wurde, teilte das Betreibungsamt diesem die Verdienstpfändung mit dem Vermerk "beginnend: sofort!" mit. Gleichzeitig machte das Amt den Schuldner auf die Straffolgen einer Nichtablieferung des gepfändeten Verdienstes und der Verletzung seiner Meldepflicht über eine allfällige Änderung der Einkommensverhältnisse aufmerksam, ohne ihm indessen die Grundlagen der Verdienstpfändung, insbesondere die Berechnung des Existenzminimums, bekannt zu geben. Am 28. Dezember 1973 beschwerte sich der Schuldner bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs über die Einkommenspfändung, weil sie während der Betreibungsferien mitgeteilt und in Kraft gesetzt worden sei und weil sie keine Angaben über die Berechnung des Existenzminimums enthalte. Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am 11. Januar 1974 ab. G. führt gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er verlangt aus den gleichen Gründen, die er im kantonalen Verfahren geltend machte, die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. BGE 100 III 12 S. 14 Der Gläubigerin und dem Betreibungsamt wurde eine Frist eingeräumt, innert welcher sie zum Rekurs Stellung nehmen konnten. Sowohl das Betreibungsamt als auch die Bank P. verzichteten auf Vernehmlassung. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 56 Ziff. 3 SchKG dürfen Betreibungshandlungen während der Betreibungsferien nicht vorgenommen werden; zu den Betreibungsferien gehören auch sieben Tage vor und sieben Tage nach Weihnachten. Die Anzeige über die Verdienstpfändung, welche dem Schuldner am 19. Dezember 1973 mitgeteilt wurde, hätte ihm somit nicht zugestellt werden dürfen. Die Vorinstanz führte jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts im angefochtenen Entscheid aus, eine derartige Zustellung von Betreibungsakten während der Betreibungsferien sei weder nichtig noch aufzuheben, sondern der Akt beginne seine Wirkung erst am ersten Tag nach den Betreibungsferien zu entfalten. Im vorliegenden Fall bedeute dies, dass die notifizierte Verdienstpfändung erst ab Januar 1974 wirksam geworden sei. Richtig ist, dass in den von der Vorinstanz zitierten Entscheidungen des Bundesgerichts ( BGE 82 III 52 , BGE 67 III 69 und BGE 49 III 76 ) der Grundsatz aufgestellt wurde, eine während der Betreibungsferien vorgenommene Betreibungshandlung sei nicht in jedem Falle nichtig oder anfechtbar, sondern entfalte ihre Wirkung erst nach Ablauf der Betreibungsferien. Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht anwendbar, weil das Betreibungsamt dem Schuldner in der Anzeige vom 17. Dezember 1973 unmissverständlich mitgeteilt hat, die Verdienstpfändung von Fr. 400.-- pro Monat trete sofort in Kraft. Daraus musste der Rekurrent entnehmen, er habe schon aus seinem Verdienst für den Monat Dezember 1973 die gepfändete Quote von Fr. 400.-- abzuliefern. Nach seiner Darstellung im Rekurs an das Bundesgericht hat er denn auch am 24. Dezember 1973 den Betrag von Fr. 400.-- dem Betreibungsamt überwiesen, um den angedrohten Straffolgen auf alle Fälle zu entgehen. Dieses Vorgehen des Betreibungsamtes war gesetzwidrig. Wenn das Amt ohne ersichtliche Notwendigkeit die Verdienstpfändung BGE 100 III 12 S. 15 dem Schuldner während der Betreibungsferien mitteilen wollte, so hätte es ihn ausdrücklich darauf aufmerksam machen müssen, dass die Pfändung erst nach Ablauf der Betreibungsferien und somit erst für den Januar 1974 in Kraft trete. Auf keinen Fall hätte es die Anzeige mit der Bemerkung, die fragliche Pfändung beginne sofort, versehen dürfen. 2. Ein Schuldner, der unter der Androhung von Straffolgen angewiesen wird, einen Teil seines monatlichen Einkommens dem Betreibungsamt abzuliefern, hat einen unabdingbaren Anspruch darauf, dass ihm gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der Verdienstpfändung mitgeteilt wird, wie die pfändbare Quote ermittelt worden ist. Dazu gehört auch die Bekanntgabe der Berechnung des Notbedarfs. Dieser Grundsatz ergibt sich sinngemäss aus den in BGE 65 III 70 /71 angestellten Erwägungen. Erst wenn der Schuldner die Grundlagen der Pfändung kennt, kann er sich darüber schlüssig werden, ob er diese anerkennen oder mit Beschwerde anfechten will. Es ist ihm nicht zuzumuten, ohne Kenntnis dieser Grundlagen Beträge von seinem Einkommen an das Betreibungsamt abzuliefern. Da das Amt überdies für die Festsetzung der pfändbaren Quote sowohl das massgebende Einkommen wie die erforderlichen Grundlagen für die Ermittlung des Notbedarfs kennen muss, besteht auch kein ausreichender Grund, diese der Pfändung zugrundeliegenden Tatsachen dem Schuldner nicht gleichzeitig mit der Pfändungsanzeige mitzuteilen. Der Rekurrent beschwert sich demnach in der Rekursschrift vom 23. Januar 1974 zu Recht darüber, dass er bisher weder eine Abschrift der Pfändungsurkunde noch eine Mitteilung über die Berechnung des Notbedarfs erhalten hat. Der Rekurs ist somit auch in dieser Beziehung begründet. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer: Der Rekurs wird gutgeheissen, und der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 11. Januar 1974 sowie die Verfügung des Betreibungsamtes vom 17. Dezember 1973 werden aufgehoben.
null
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de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_005
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Federation
12570be0-f606-4c11-b684-9da7e5c1f837
Urteilskopf 109 IV 43 12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. April 1983 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste 1. Art. 198 Abs. 2 StGB . Die Mündigkeit bestimmt sich nach schweizerischem Recht. Eine gemäss ihrem Heimatrecht volljährige 19 Jahre alte Österreicherin ist eine unmündige Person im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB (E. 5). 2. Art. 198 Abs. 2 StGB , Art. 201 Abs. 1 StGB . Zwischen den Straftatbeständen der qualifizierten einfachen Kuppelei und der passiven Zuhälterei besteht Idealkonkurrenz (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 44 BGE 109 IV 43 S. 44 F. begleitete im Januar 1975 seine damalige Freundin G., geb. 26. September 1956, von Romanshorn nach Zürich und machte sie mit dem dortigen Massagesalon-Besitzer I. bekannt. Auf Vorschlag und Vermittlung von F. wurde ihr der Massagesalon "Happy" überlassen. Während ungefähr einem Monat gewährte sie dort ihrer Kundschaft sowohl Feinmassagen als auch den Geschlechtsverkehr. Ihre Einnahmen beliefen sich auf total ca. Fr. 16'000.--, wovon sie ca. Fr. 5'000.-- I. abliefern musste. Von den restlichen Fr. 11'000.-- kassierte F. 50%. Mit Entscheid vom 26. März 1982 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich F. wegen Kuppelei im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB und Zuhälterei im Sinne von Art. 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 16 Monaten und einer Busse von Fr. 4'500.--. Ausserdem verpflichtete es F., den unrechtmässigen Deliktsvorteil von Fr. 5'500.-- der Obergerichtskasse abzuliefern. Gegen diesen Entscheid führt F. u.a. eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei G. um eine unmündige Person im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB handle. Als Österreicherin sei sie im Zeitpunkt der Tat gemäss ihrem Heimatrecht mündig gewesen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei zur Auslegung des Begriffs der Unmündigkeit in Art. 198 Abs. 2 StGB nicht nur auf BGE 109 IV 43 S. 45 das schweizerische Zivilrecht, sondern auf das "gesamte Zivilrecht mit Einschluss des internationalen Privatsrecht" abzustellen. Das Schweizerische Strafgesetzbuch lässt nicht nur Schweizern, sondern gegebenenfalls auch ausländischen Inhabern von strafrechtlich geschützten Rechtsgütern den durch das Strafrecht gebotenen Schutz zuteil werden (vgl. BGE 86 IV 212 ff.; SCHULTZ, SJZ 60, S. 82). Art. 198 Abs. 2 StGB bezweckt den Schutz der normalen sexuellen Entwicklung Jugendlicher (vgl. HAFTER, BT I, S. 143; STRATENWERTH, BT II, 1978 S. 53/4; PAUL USTERI, Strafwürdigkeit der Kuppelei, Diss. Zürich 1972, S. 81). Wird eine Person in der Schweiz aber um ihrer Jugend willen geschützt, kann dieser Schutz nicht davon abhängen, wann ein Ausländer nach seinem Heimatrecht mündig ist. Eine noch nicht zwanzigjährige Österreicherin ist, wie die Vorinstanz zurecht bemerkt, nicht reifer oder resistenter und demzufolge weniger schutzbedürftig als eine gleichaltrige Schweizerin. Was unter Unmündigkeit im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB zu verstehen ist, bestimmt sich deshalb ausschliesslich nach schweizerischem Recht. Da das Strafgesetzbuch das Mündigkeitsalter nicht festlegt, ist die Regelung in Art. 14/15 ZGB heranzuziehen (vgl. BGE 70 IV 79 , USTERI, a.a.O. S. 81/82). Nach dieser Bestimmung ist eine ledige Person vor Erreichung des zwanzigsten Altersjahres unmündig. Da G. im Zeitpunkt der Tat noch nicht zwanzig Jahre alt war, ist das Tatbestandsmerkmal der Unmündigkeit im Sinne von Art. 198 Abs. 2 StGB gegeben. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen. 6. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz habe zwischen den Straftatbeständen der Kuppelei und Zuhälterei zu Unrecht Idealkonkurrenz angenommen. Er führt unter Berufung auf STRATENWERTH aus, dass im Falle der typischen Zuhälterei der Zuhälter dadurch, dass er die Dirne zu einem Tun veranlasst und ihre Tätigkeit fördert, immer auch der Unzucht Vorschub leiste. Ohne näher auf den qualifizierten Tatbestand von Art. 198 Abs. 2 StGB einzugehen, vertreten STRATENWERTH (a.a.O. S. 65), HAFTER (a.a.O. S. 149/150) und LOGOZ (BT I, S. 343) die Ansicht, dass wegen der im wesentlichen übereinstimmenden Schutzrichtung der Tatbestände der Kuppelei und der Zuhälterei echte Konkurrenz ausgeschlossen ist. Inwieweit diese - nicht unwidersprochene - Ansicht im Falle des Verkuppelns mündiger Personen zutrifft, kann vorliegend offen bleiben. Der Beschwerdeführer ist wegen qualifizierter einfacher BGE 109 IV 43 S. 46 Kuppelei ( Art. 198 Abs. 2 StGB ) und passiver Zuhälterei ( Art. 201 Abs. 1 StGB ) schuldig gesprochen worden. Beide Gesetzesbestimmungen schützen die allgemeine öffentliche Sittlichkeit (vgl. BGE 98 IV 257 E. 1). Art. 198 Abs. 2 StGB bezweckt jedoch überdies den Schutz der normalen geschlechtlichen Entwicklung Jugendlicher (vgl. Ziff. 5 hiervor). Die Tatbestände der Art. 198 Abs. 2 und Art. 201 Abs. 1 StGB schützen also mindestens teilweise unterschiedliche Rechtsgüter. Die Annahme von echter Konkurrenz erscheint deshalb berechtigt (vgl. auch BEAT MEIER, Die Behandlung der Zuhälterei im schweizerischen Strafrecht, Diss. Zürich 1957, S. 88; USTERI, a.a.O. S. 114). Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.
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1,983
CH_BGE
CH_BGE_006
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Federation
12574f38-d358-4456-b42d-efd0506236dc
Urteilskopf 87 IV 87 20. Urteil des Kassationshofes vom 21. April 1961 i.S. Moro gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft.
Regeste Art. 238 Abs. 2 StGB . Erheblich ist die Gefährdung, wenn eine nicht leichte Körperverletzung oder nicht geringer Sachschaden droht (Erw. 1). Bei einer Schnellbremsung können die Zugsinsassen auch dann konkret gefährdet sein, wenn keiner von ihnen zu Schaden kommt (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 88 BGE 87 IV 87 S. 88 A.- Das doppelspurige Strassenbahngeleise der Basler Verkehrsbetriebe läuft von Münchenstein Richtung Basel auf gerader Strecke links der Emil Frey-Strasse entlang. Dabei kreuzt es die Dillackerstrasse, eine weniger als 4 m breite Gemeindestrasse, die rechtwinklig in die Emil Frey-Strasse mündet. Am 28. November 1958, ca. 1715 Uhr, näherte sich der Radfahrer Moro auf der Dillackerstrasse der Einmündung, in der Absicht, die Emil Frey-Strasse zu überqueren. Da auf dieser, insbesondere aus Richtung Basel, reger Autoverkehr herrschte, stieg Moro vom Fahrrad ab, um eine günstige Gelegenheit zur Durchfahrt abzuwarten, wobei er, das Fahrrad rechts neben sich haltend, auf dem der Einmündung näher gelegenen Geleise stehen blieb. Bei der regnerischen, nebligen Witterung achtete er in der Dunkelheit nicht, dass auf dem Geleise, auf dem er stand, ein aus einem grossen Vierachser-Motorwagen, einem Vierachser- und Zweiachseranhängerwagen bestehender Tramzug mit einer Geschwindigkeit von 30 km/Std. Richtung Basel heranfuhr. Der Führer des Tramzuges seinerseits vermochte wegen der schlechten Sicht den Radfahrer erst auf eine Entfernung von 3-5 m zu erkennen. Er betätigte sofort die Strom- und Sandbremsen, konnte aber nicht verhindern, dass Moro vom Motorwagen erfasst, weggeschleudert und schwer verletzt wurde. Der Tramzug, der 26 m nach der Kollisionsstelle zum Stillstand kam, blieb ohne Sachschaden; von den mitfahrenden Passagieren wurde niemand verletzt. B.- Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft verurteilte am 26. August 1960 den Führer des Tramzuges wegen fahrlässiger Körperverletzung und den Radfahrer Moro wegen fahrlässiger Störung des Eisenbahnverkehrs ( Art. 238 Abs. 2 StGB ) zu einer Busse von je Fr. 40.-. C.- Moro verlangt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen. Er bestreitet, dass durch sein Verhalten Menschenleben oder fremdes Eigentum erheblich gefährdet worden sei. BGE 87 IV 87 S. 89 Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Fahrlässige Störung des Eisenbahnverkehrs setzt nach Art. 238 Abs. 2 StGB voraus, dass die Gefährdung von Menschen oder fremden Eigentums eine erhebliche sei. Erheblich ist die Gefährdung nicht bloss, wenn der Schaden bei voller Auswirkung der Gefahr sehr gross oder ausgesprochen schwer wäre; sie ist es auch, wenn der mögliche Schaden nicht mehr als klein oder leicht bezeichnet werden kann. Leib und Leben von Menschen sind daher nicht erst dann erheblich gefährdet, wenn eine schwere Körperverletzung im Sinne von Art. 122 StGB droht. Der Ausdruck "erheblich" geht weniger weit als das Wort "schwer"; er besagt nur, dass der Schaden von einiger Bedeutung sein müsse. Der italienische Gesetzestext spricht zwar von "grave pericoloso". Dass darunter aber nicht nur Fälle zu verstehen sind, in denen schwere Körperverletzungen (lesioni gravi) im Sinne des Art. 122 zu erwarten sind, ergibt sich aus dem französischen Text, wo ebensowenig wie im deutschen Text von schwerer Gefahr die Rede ist, sondern bloss von "danger sérieux". Eine erhebliche Gefährdung liegt somit auch vor, wenn nur mit einfachen Körperverletzungen gemäss Art. 123 StGB zu rechnen ist, hievon ausgenommen diejenigen Fälle, in denen die Körperschädigung eine leichte ist. Dieses Ergebnis entspricht dem Rechtszustand, wie er bereits vor der Inkraftsetzung des Strafgesetzbuches bestanden hat. Zum Begriff der erheblichen Gefährdung ist schon in der früheren Rechtsprechung zu Art. 67 Abs. 2 des revidierten Bundesstrafrechts, aus dem er übernommen wurde (Sten. Bull NatR 1929 S. 441 ff.; BGE 72 IV 69 ), erklärt worden, er dürfe nicht eng ausgelegt werden, und es genüge, wenn der mögliche Schaden von gewisser Erheblichkeit sei ( BGE 54 I 58 , 298). Dass Gefährdungen, bei denen bloss mittelschwere Körperverletzungen einzutreten pflegen, auch nach dem Strafgesetzbuch genügen sollen, wird noch durch den weiten Strafrahmen des BGE 87 IV 87 S. 90 Art. 238 Abs. 2 bekräftigt, der wahlweise Gefängnis oder Busse vorsieht. 2. Art. 238 erfordert wie Art. 237 StGB eine konkrete Gefährdung ( BGE 72 IV 27 ). Eine solche ist nicht immer ausgeschlossen, wenn trotz scheinbar voller Auswirkung der Gefahr die Verletzung einer Person oder die Schädigung fremden Eigentums ausbleibt. Nach der Rechtsprechung liegt eine konkrete Gefährdung auch dann vor, wenn der Eintritt eines schädigenden Ereignisses nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ernstlich wahrscheinlich war, dieser Erfolg aber durch Zufall nicht eingetreten ist ( BGE 85 IV 137 und dort angeführte Urteile). So verhielt es sich im vorliegenden Falle. Der Beschwerdeführer hat durch sein vorschriftswidriges Stehenbleiben auf dem Geleise, was schon auf Grund von Art. 4 Abs. 1 und Art. 8 des Bahnpolizeigesetzes zur Ausfällung einer Busse hätte führen können, den Führer des Tramzuges zu einer Schnellbremsung gezwungen. Eine solche Notbremsung, die eine Blockierung der Räder zur Folge hat, bewirkt ein brüskes, ruckweises Anhalten, das erfahrungsgemäss dazu geeignet ist, dass Bahnpassagiere, die nicht darauf gefasst sind, an harte vorstehende Gegenstände geworfen werden, zu Fall kommen oder durch herabfallende Gepäckstücke einen Schlag erhalten. Dabei liegt, wie die Erfahrung weiter lehrt, die Gefahr nahe, dass die betroffenen Wageninsassen erhebliche Körperschäden erleiden können (vgl. BGE 54 I 364 Erw. 2, 366; BGE 58 I 218 ). Mit solchen Folgen ist nicht nur zu rechnen, wenn aus hoher, sondern auch wenn aus mässiger Fahrgeschwindigkeit heraus eine Schnellbremsung eingeleitet wird. Nach einem Bericht des Eidg. Amtes für Verkehr, der in einem Urteil des Zürcher Obergerichtes angeführt wird, kann die mit der Schnellbremsung verbundene Unfallgefahr nicht nach der Fahrgeschwindigkeit abgegrenzt werden; bei einer Schnellbremsung aus geringer Geschwindigkeit heraus sei die Gefährdung der Reisenden unter Umständen sogar grösser (SJZ 1955 S. 298). Damit BGE 87 IV 87 S. 91 wird auf die auch bei Zusammenstössen von Motorfahrzeugen festgestellte Tatsache verwiesen, dass Insassen selbst bei geringen Geschwindigkeiten von 20-25 km/Std. einen tödlichen Schädelbruch davontragen können, weil der Eintritt und die Art der Verletzungen weitgehend von Zufälligkeiten abhängen, insbesondere von der Stellung, die der Passagier einnimmt, und von der Entfernung und Beschaffenheit der Stelle, auf der er aufprallt (BRÜDERLIN, Die Mechanik des Verkehrsunfalles S. 88). Dass im vorliegenden Falle das Geleise feucht war und der mit 30 km/Std. fahrende Tramzug eine Anhaltestrecke von 29-31 m benötigte, beweist noch keineswegs, dass die eingeleitete Schnellbremsung nicht wirksam gewesen und die ihr normalerweise innewohnende erhebliche Gefährdung der Zugsinsassen nicht eingetreten sei. Der ca. 21,67 m betragende Bremsweg war nicht abnormal lang, und der daraus sich ergebende mittlere Bremsverzögerungswert von rund 1,7 m/sec2 schliesst ein ruckartiges Anhalten nicht aus. Dass die Schnellbremsung diese Wirkung tatsächlich gehabt hat, kann daraus geschlossen werden, dass Billeteur Burkhalter das Anhalten des Zuges als brüsk bezeichnet hat. Unter diesen Umständen muss die Tatsache, dass trotz der Schnellbremsung und der dadurch entstandenen erheblichen Gefährdung der Passagiere schwerere Folgen ausgeblieben sind, dem Zufall zugeschrieben werden. Ist demnach der Tatbestand des Art. 238 Abs. 2 StGB objektiv erfüllt, so kann dahingestellt bleiben, ob ausserdem wegen der Möglichkeit, dass das Fahrrad unter die Räder des Zuges hätte geraten können, die Gefahr einer Entgleisung des Zuges in die Nähe gerückt war. 3. Die Vorinstanz hat, indem sie den subjektiven Tatbestand bejahte, an das Mass der gebotenen Vorsicht nicht zu hohe Anforderungen gestellt. Es bedarf nicht besonderer Kenntnisse, um zu erkennen, dass es unvorsichtig ist, mit dem Fahrrad auf dem Tramgeleise stehen zu bleiben, statt auf dem daneben befindlichen Radfahrerstreifen BGE 87 IV 87 S. 92 eine Gelegenheit zum Überqueren der Strasse abzuwarten. Der Beschwerdeführer hätte bedenken müssen, dass er nachts bei sehr schlechter Sicht und bei starkem Motorenlärm das Herannahen eines Tramzuges übersehen und überhören konnte und dass deswegen der Zugführer bei den für diesen ebenfalls ungünstigen Sichtverhältnissen in die Lage kommen könnte, brüsk bremsen zu müssen. Die Erfahrungstatsache aber, dass die Passagiere eines Zuges bei einer Notbremsung regelmässig erheblich gefährdet sind, ist so allgemein bekannt, dass auch der Beschwerdeführer diese mögliche Folge hätte voraussehen können. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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de
1,961
CH_BGE
CH_BGE_006
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125f1cbb-f86d-44e2-9ca8-c59057279829
Urteilskopf 101 V 127 24. Auszug aus dem Urteil vom 21. April 1975 i.S. Molina gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Verwaltungsgerichtsbeschwerde: notwendiger Inhalt ( Art. 108 Abs. 2 OG ). Der blosse Hinweis auf frühere Rechtsschriften oder auf den angefochtenen kantonalen Entscheid ersetzt Antrag und Begründung nicht.
Erwägungen ab Seite 127 BGE 101 V 127 S. 127 Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: Nach Art. 108 Abs. 2 OG hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter anderem die Begehren und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu enthalten. Diese Bestimmung soll dem Richter hinreichende Klarheit darüber verschaffen, worum es beim Rechtsstreit geht. Nach der Praxis genügt es, wenn dies der Verwaltungsgerichtsbeschwerde insgesamt entnommen werden kann. Insbesondere muss zumindest aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, was der Beschwerdeführer verlangt und auf welche Tatsachen er sich beruft ( BGE 96 I 96 ). Die Begründung braucht nicht zuzutreffen, aber sie muss sachbezogen sein. Der blosse Hinweis auf frühere Rechtsschriften oder auf den angefochtenen Entscheid genügt nicht. Fehlt der Antrag oder die Begründung überhaupt und lassen sie sich auch nicht der Beschwerdeschrift entnehmen, so liegt keine rechtsgenügliche Beschwerde vor, weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann. BGE 101 V 127 S. 128 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bringt Molina lediglich vor, er sei mit der SUVA-Verfügung nicht einverstanden, weil er nach dem Unfall die Arbeit wegen Schmerzen im Nacken, in der Wirbelsäule und im rechten Arm nicht voll habe aufnehmen können. Diese Angaben enthalten nicht einmal die Andeutung eines Rechtsbegehrens; daran vermag die Bezugnahme auf den angefochtenen kantonalen Entscheid nichts zu ändern. Liegt somit keine rechtsgenügliche Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor, so kann auf die Eingabe nicht eingetreten werden.
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CH_BGE
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12645941-4b70-4430-81ad-34e6b3a3fd3f
Urteilskopf 133 II 396 35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. AG, Staatsrat des Kantons Wallis und Mitb. sowie Kantonsgericht Wallis (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_224/2007 vom 10. September 2007
Regeste Art. 42 Abs. 2, Art. 83 lit. f, Art. 106 Abs. 2, Art. 113 ff. BGG ; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten/subsidiäre Verfassungsbeschwerde auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen. Die Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen setzt voraus, dass die in Art. 83 lit. f Ziff. 1 BGG erwähnten Schwellenwerte erreicht sind und sich zugleich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG ). Die Erfüllung dieser letztgenannten Voraussetzung ist gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG vom Beschwerdeführer darzutun, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten wird (E. 2.1 und 2.2). Weil die Eingabe den qualifizierten Begründungsanforderungen für die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen nicht genügt, kann sie auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden (E. 3.1-3.3).
Sachverhalt ab Seite 397 BGE 133 II 396 S. 397 Im Amtsblatt Nr. 33 vom 18. August 2006 schrieb der Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Raumentwicklung des Kantons Wallis für jede Gemeinde der Bezirke Goms sowie Östlich-Raron den Unterhalt und die Nachführung der amtlichen Vermessung für die Dauer von fünf Jahren (1. Januar 2007-31. Dezember 2011) im offenen Verfahren zur Bewerbung aus. Die Ausschreibungsunterlagen, welche bei der Vergabebehörde bezogen werden konnten, enthielten u.a. einen Leistungsbeschrieb, das Pflichtenheft sowie die Zuschlagskriterien. An seiner Sitzung vom 15. November vergab der Staatsrat des Kantons Wallis die ausgeschriebenen Arbeiten in den Gemeinden Fiesch, Bellwald und Betten an die Y. AG. Diesen Entscheid gab er am 22. November 2006 der übergangenen Bewerberin X. AG bekannt. Auf deren Nachfrage hin begründete der Kantonsgeometer den staatsrätlichen Entscheid mit Schreiben vom 27. November 2006 im Einzelnen. Hiegegen erhob die X. AG drei Beschwerden (je eine betreffend jede Gemeinde) beim Kantonsgericht des Kantons Wallis. Dessen öffentlich-rechtliche Abteilung vereinigte die entsprechenden Verfahren und wies die Beschwerden mit Urteil vom 4. April 2007 ab. Auf die von der X. AG gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten tritt das Bundesgericht nicht ein, und es nimmt die betreffende Eingabe auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegen. BGE 133 II 396 S. 398 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Art. 83 lit. f des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide auf dem Gebiet der öffentlichen Beschaffungen aus, wenn der geschätzte Wert des zu vergebenden Auftrages den massgebenden Schwellenwert des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BoeB; SR 172.056.1) oder des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens (SR 0.172.052.68) nicht erreicht (Ziff. 1) sowie wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Ziff. 2). Nach grammatikalischer und systematischer Auslegung von Art. 83 lit. f BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten damit bereits dann ausgeschlossen, wenn einer der beiden Ausschlussgründe gegeben ist: Die Zulässigkeit des Rechtsmittels setzt voraus, dass die erwähnten Schwellenwerte erreicht sind und sich zugleich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt. Diese Auslegung entspricht, wie in der Lehre heute (nahezu) einhellig angenommen wird, auch dem Sinn der Gesetzesbestimmung (HEINZ AEMISEGGER, Der Beschwerdegang in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Bernhard Ehrenzeller/Rainer J. Schweizer [Hrsg.], Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen auf die Praxis, St. Gallen 2006, S. 138; PETER KARLEN, Das neue Bundesgerichtsgesetz, 2006, S. 50; ROBERT WOLF, Die neue Rechtsmittelordnung im Bund, S. 13, und JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY, Les nouvelles voies de recours au niveau fédéral en matière de marchés publics, S. 17, beide in: Vergaberecht, Droit des Marchés publics, Baurecht, Sonderheft 06; MATTHIAS SUTER, Der neue Rechtsschutz in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht, Diss. St. Gallen 2007, S. 177; HANSJÖRG SEILER, in: Seiler/von Werdt/ Güngerich, Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007, N. 50 zu Art. 83 BGG , mit Hinweis auf das Protokoll der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 1./2. Juli 2004, S. 47; contra: FRANÇOIS BELLANGER, Le recours en matière de droit public, in: François Bellanger et Thierry Tanquerel [Hrsg.], Les nouveaux recours fédéraux en droit public, 2006, S. 54). 2.2 Ob im vorliegenden Fall die erforderliche Auftragssumme bei Dienstleistungen (gegenwärtig Fr. 248'950.-, vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. b BoeB BGE 133 II 396 S. 399 in Verbindung mit Art. 1 lit. b der Verordnung des EVD vom 30. November 2006 über die Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für das Jahr 2007 [SR 172.056.12]) erreicht ist, bedarf keiner weiteren Prüfung. Es fehlt jedenfalls am Erfordernis, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (dazu ANDREAS GÜNGERICH, in: Seiler/von Werdt/ Güngerich, a.a.O., N. 8 f. zu Art. 74 BGG ) streitig sein muss. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG obliegt es dem Beschwerdeführer, die Erfüllung dieser Voraussetzung darzutun. Die vorliegende Beschwerde enthält keine Ausführungen hiezu. Das Rechtsmittel der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich daher gemäss Art. 83 lit. f BGG als unzulässig. 3. 3.1 Da es sich um den Submissionsentscheid einer kantonalen Behörde bzw. einen diesbezüglichen letztinstanzlichen kantonalen Rechtsmittelentscheid handelt, ist indes zu prüfen, ob die vorliegende Eingabe als subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 ff. BGG entgegenzunehmen ist. Gemäss Art. 119 BGG kann dieses Rechtsmittel in der gleichen Rechtsschrift eingereicht werden wie die ordentlichen Rechtsmittel, und es ist vom Bundesgericht im gleichen Verfahren zu behandeln. Die falsche Bezeichnung des Rechtsmittels schadet dem Beschwerdeführer nicht, sofern bezüglich des jeweils statthaften Rechtsmittels sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. BGE 131 I 291 E. 1.3 S. 296). 3.2 Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden ( Art. 116 BGG ). Dies wirkt sich auf die Anforderungen aus, denen die Beschwerdeschrift genügen muss. Es gilt das so genannte Rügeprinzip ( Art. 106 Abs. 2 BGG , vgl. BBl 2001 S. 4344). Dieses verlangt, dass der Beschwerdeführer in seiner Eingabe dartut, welche verfassungsmässigen Rechte inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Eine Überprüfung von Amtes wegen, wie sie dem Bundesgericht hinsichtlich des Gesetzes- und Verordnungsrechts des Bundes zusteht (vgl. Art. 106 Abs. 1 BGG ), findet nicht statt. Das Bundesgericht untersucht deshalb nicht von sich aus, ob der angefochtene kantonale Entscheid verfassungsmässig ist, sondern prüft nur rechtsgenügend vorgebrachte, klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (vgl. die Rechtsprechung zur staatsrechtlichen Beschwerde, statt vieler BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; BGE 119 Ia 197 E. 1d S. 201). Wie unter der Herrschaft des BGE 133 II 396 S. 400 Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 S. 531) müssen die erhobenen Rügen zudem in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein; der blosse Verweis auf Ausführungen in anderen Rechtsschriften oder auf die Akten reicht nicht aus (vgl. BGE 129 I 113 E. 2.1 S. 120; BGE 115 Ia 27 E. 4a S. 30, je mit Hinweisen). 3.3 Mit der vorliegenden Eingabe wird zwar eine Verletzung von Art. 9 BV (Verstösse gegen das Willkürverbot und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben) gerügt; ihre Begründung vermag aber nicht den qualifizierten Anforderungen zu genügen, welche Art. 106 BGG (in Verbindung mit Art. 119 BGG ) für die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen stellt. Dies gilt insbesondere für die Anrufung des Willkürverbots. Der Beschwerdeführer muss, wie schon im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, dartun, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft ( BGE 133 III 393 E. 6 S. 397). Die vorliegende Beschwerdeschrift erschöpft sich, zum Teil unter unzulässigen Verweisen auf Rechtsschriften des kantonalen Verfahrens, in appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid und am Vorgehen der Submissionsbehörde, ohne dass in klarer Weise dargelegt wird, worin die offensichtliche, in die Augen springende Unhaltbarkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen soll. Die Eingabe erfüllt damit auch nicht die Formvorschriften für eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde, weshalb sie nicht als solche entgegengenommen werden kann.
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Urteilskopf 117 Ia 182 31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. August 1991 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft und Präsident des Kassationsgerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; Anspruch auf einen unbefangenen Richter. Es ist grundsätzlich mit Verfassung und Konvention vereinbar, wenn derjenige Richter, der in einer Strafsache als Haftrichter tätig war, später auch beim Sachentscheid mitwirkt.
Sachverhalt ab Seite 182 BGE 117 Ia 182 S. 182 Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte W. am 27. Juni 1991 im Berufungsverfahren wegen wiederholter Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 2 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer zu 22 Monaten Gefängnis. Gegen dieses Urteil meldete W. am 30. Juni 1991 kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Staatsanwaltschaft nahm ihn am 10. Juli 1991 zuhanden des Kassationsgerichts des Kantons Zürich in Sicherheitshaft und stellte gleichzeitig beim Präsidenten des Kassationsgerichts Antrag auf Bestätigung dieser Massnahme. Mit Verfügung vom 26. Juli 1991 bestätigte der Präsident die Massnahme. Gegen diesen Entscheid reichte W. staatsrechtliche Beschwerde ein. Er rügt unter anderem eine Verletzung des Anspruchs auf einen unbefangenen Richter im Sinne der Art. 58 BV und 6 EMRK. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss § 429 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO) hemmt die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten die Vollstreckung des Urteils, soweit er nicht seine Zustimmung dazu erklärt. Vorbehalten bleibt - wie Abs. 2 des § 429 StPO bestimmt - die Verfügung, dass die Sicherheitshaft fortzudauern habe. Diese Verfügung trifft der Präsident des Gerichts, das geurteilt BGE 117 Ia 182 S. 183 hat. Sind die Akten bereits der Kassationsinstanz überwiesen, so verfügt ihr Präsident über Anordnung oder Fortdauer der Sicherheitshaft. § 429 Abs. 3 StPO hat folgenden Wortlaut: "Ausnahmsweise kann auch die Anklagebehörde vorsorglich den Sicherheitsverhaft verfügen. Sie stellt gleichzeitig bei dem Präsidenten der Kassationsinstanz schriftlich begründeten Antrag auf Bestätigung dieser vorsorglichen Massnahme. Der Präsident der Kassationsinstanz entscheidet endgültig." Im vorliegenden Fall verfügte die Staatsanwaltschaft, nachdem der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht eingereicht hatte, gestützt auf § 429 Abs. 3 StPO die Sicherheitshaft und stellte beim Präsidenten des Kassationsgerichts Antrag auf Bestätigung dieser Massnahme. Mit der angefochtenen Verfügung hat der Präsident des Kassationsgerichts die Massnahme bestätigt. Er war der Auffassung, die Voraussetzung für die Anordnung der Sicherheitshaft sei erfüllt, da der Haftgrund der Fluchtgefahr im Sinne von § 49 Abs. 1 lit. b StPO gegeben sei. 3. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird geltend gemacht, der Präsident der Kassationsinstanz sei im Verfahren nach § 429 Abs. 3 StPO als Haftrichter tätig; hernach wirke er als Vorsitzender beim Entscheid über die Nichtigkeitsbeschwerde mit. Die genannte Bestimmung statuiere somit eine Personalunion zwischen Haftrichter und Sachrichter. Eine solche Ordnung sei ganz offensichtlich geeignet, beim Bürger starke Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters zu wecken. Die Vorschrift von § 429 Abs. 3 StPO verstosse daher gegen die Art. 58 BV und 6 EMRK, "weshalb der Kassationsgerichtspräsident zum Erlass der angefochtenen Verfügung nicht zuständig" gewesen und "diese aufzuheben bzw. deren Nichtigkeit festzustellen" sei. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der Verstoss einer kantonalen Vorschrift gegen eine Bestimmung der Bundesverfassung oder der EMRK auch noch bei der Anfechtung eines aufgrund der betreffenden Vorschrift ergangenen Anwendungsaktes gerügt werden. Die vorfrageweise Feststellung der Verfassungs- oder Konventionswidrigkeit der Vorschrift führt indessen nicht zu deren Aufhebung; sie hat nur zur Folge, dass die Vorschrift auf den Beschwerdeführer nicht angewendet und der gestützt auf sie ergangene Entscheid aufgehoben wird ( BGE 114 Ia 52 E. 2a mit Hinweisen). BGE 117 Ia 182 S. 184 b) Sowohl aufgrund von Art. 58 Abs. 1 BV als auch gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat der Einzelne einen Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richter beurteilt wird. Befangenheit ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein. In beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass der Richter deswegen tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit und der Gewichtung solcher Umstände kann nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden; das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen ( BGE 116 Ia 33 f. E. 2b mit Hinweisen). Das Bundesgericht hatte wiederholt zu prüfen, ob ein Richter deswegen als befangen abgelehnt werden könne, weil er sich bereits in einem früheren Zeitpunkt in amtlicher Funktion mit der konkreten Streitsache befasst hatte. Es hat zu diesem Umstand der sogenannten Vorbefassung ausgeführt, es könne nicht allgemein gesagt werden, in welchen Fällen die Tatsache, dass ein Richter schon zu einem früheren Zeitpunkt in der betreffenden Angelegenheit tätig war, unter dem Gesichtswinkel von Verfassung und Konvention die Ausstandspflicht begründe, und in welchen Fällen das nicht zutreffe. Als massgebendes Kriterium für die Beurteilung dieser Frage im Einzelfall hielt es aber fest, es sei generell zu fordern, dass das Verfahren in bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu entscheidenden Rechtsfragen trotz der Vorbefassung als offen erscheine und nicht der Anschein der Vorbestimmtheit erweckt werde ( BGE 116 Ia 34 f. E. 3a mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer ist der Meinung, § 429 Abs. 3 StPO verstosse deshalb gegen Verfassung und Konvention, weil bei Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach sich in einem demokratischen Rechtsstaat eine einengende Auslegung der Art. 58 Abs. 1 BV und 6 Ziff. 1 EMRK nicht vertreten liesse, von der "generellen Unvereinbarkeit von haft- und sachrichterlicher Tätigkeit auszugehen" sei. Dem kann nicht beigepflichtet BGE 117 Ia 182 S. 185 werden. Das Bundesgericht hat bisher bei personeller Identität von Haftrichter und Sachrichter eine Ausstandspflicht nur in einem Fall bejaht, in welchem aufgrund bestimmter Äusserungen, mit denen der Sachrichter seinerzeit als Haftrichter die Untersuchungshaft mehrmals verlängert hatte, der Eindruck der Voreingenommenheit erweckt worden war ( BGE 115 Ia 180 ff. = EuGRZ 1989, S. 330 f.). Es liess damals die Frage offen, ob die Personalunion von Haftrichter und Sachrichter als solche mit Verfassung und Konvention vereinbar sei. Im hier zu beurteilenden Fall muss die Frage entschieden werden. Nach der dargelegten Rechtsprechung des Bundesgerichts begründet eine Vorbefassung keine Ausstandspflicht, sofern das Verfahren in bezug auf den konkreten Sachverhalt und die konkret zu entscheidenden Rechtsfragen gleichwohl als offen erscheint. Demnach steht einer Mitwirkung des Haftrichters im Verfahren, in welchem das Sachurteil gefällt wird, dann nichts entgegen, wenn der Ausgang dieses Verfahrens trotz dem Umstand, dass der erkennende Richter in der betreffenden Angelegenheit schon als Haftrichter tätig war, als offen erscheint und nicht der Anschein der Vorbestimmtheit erweckt wird. Ob dies zutrifft, hängt davon ab, welche Fragen der Haftrichter zu entscheiden hat und welche Fragen später beim Sachentscheid beurteilt werden müssen. Der Haftrichter hat abzuklären, ob die Voraussetzungen für die Anordnung oder Verlängerung der Haft erfüllt sind, d.h. ob ein dringender Tatverdacht besteht und zudem einer der besonderen Haftgründe (Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr) gegeben ist. Demgegenüber geht es beim Entscheid in der Sache selber um die Frage, ob sich der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Handlungen schuldig gemacht hat und, sofern dies bejaht wird, welche Strafe auszufällen ist. Der Haftrichter hat somit nicht die gleichen Fragen zu behandeln wie der in der Sache erkennende Richter, insbesondere hat er sich nicht mit der für den Ausgang des Hauptverfahrens entscheidenden Frage der Schuld des Angeklagten zu befassen. Es kann deshalb nicht gesagt werden, das Verfahren, in dem der Sachentscheid getroffen wird, sei wegen des Umstandes, dass der Sachrichter in der betreffenden Angelegenheit bereits als Haftrichter tätig war, nicht mehr offen und es werde der Anschein der Vorbestimmtheit erweckt. Daraus ergibt sich, dass grundsätzlich die Personalunion von Haftrichter und Sachrichter mit Verfassung und Konvention vereinbar ist (gleicher Ansicht Robert Levi, Zum Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das kantonale Prozessrecht - Erwartungen BGE 117 Ia 182 S. 186 und Ergebnisse, ZStrR 106/1989, S. 233). Ebenso hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil vom 24. Mai 1989 i.S. Hauschildt gegen Dänemark erklärt, die Tatsache, dass der Sachrichter in der betreffenden Strafsache bereits Verfügungen über die Verlängerung der Haft getroffen habe, genüge für sich allein nicht, um ihn als befangen abzulehnen; vielmehr müssten hiefür im Einzelfall bestimmte Umstände hinzukommen, die den Schluss auf Voreingenommenheit zuliessen (Serie A, Band 154, Ziff. 50 und 51). Sodann ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht in einem Urteil vom 4. Juli 1990 ( BGE 116 Ia 387 ff.) entschied, es verstosse nicht gegen Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK , wenn derjenige Richter, der in einer Strafsache als Haftrichter tätig war, später auch beim Entscheid über die Haftentschädigung mitwirke. Es führte in jenem Urteil aus, bei objektiver Betrachtung lasse sich allein aus der Tatsache, dass der Haftentschädigungsrichter in der betreffenden Angelegenheit schon als Haftrichter geamtet habe, nicht ableiten, er könne deswegen das Begehren um Haftentschädigung nicht mehr unvoreingenommen beurteilen. Es müsste in einem solchen Fall ein bestimmtes, den Anschein der Befangenheit erweckendes persönliches Verhalten des Richters hinzukommen, damit dessen Ausstand verlangt werden könnte. Dementsprechend ist für die hier in Frage stehende Konstellation der Vorbefassung festzuhalten, dass ein Sachrichter nicht einzig deswegen als befangen abgelehnt werden kann, weil er in der gleichen Strafsache schon als Haftrichter tätig war. Es müssten hiefür im Einzelfall bestimmte Umstände hinzukommen, die bei objektiver Betrachtung den Schluss auf Befangenheit zuliessen. Dass das hier der Fall wäre, wird nicht behauptet und ist nicht zu ersehen. Ist nach dem Gesagten die Mitwirkung des Haftrichters beim Sachurteil grundsätzlich zulässig, so verstösst § 429 Abs. 3 StPO , der die Personalunion von Haftrichter und Sachrichter für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren vorsieht, nicht gegen Art. 58 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Die Rüge des Beschwerdeführers, die angefochtene Verfügung stütze sich auf eine verfassungs- und konventionswidrige Bestimmung, erweist sich somit als unbegründet.
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Urteilskopf 125 V 492 80. Extrait de l'arrêt du 15 juin 1999 dans la cause V. contre Caisse publique de chômage du canton de Fribourg et Tribunal administratif du canton de Fribourg
Regeste Art. 51 Abs. 1 und Art. 52 Abs. 1 AVIG : Anspruch auf Insolvenzentschädigung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Versicherten. Der Anspruch auf Insolvenzentschädigung setzt eine Lohnforderung des Versicherten gegenüber dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber voraus. Daran fehlt es einem krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Versicherten, welcher kein Krankentaggeld beziehen kann, weil es sein Arbeitgeber entgegen der ihm auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages obliegenden Verpflichtung unterlassen hat, ihn gegen dieses Risiko zu versichern; dieser Versicherte verfügt über eine Schadenersatzforderung gegenüber dem Arbeitgeber.
Erwägungen ab Seite 493 BGE 125 V 492 S. 493 Extrait des considérants: 1. Selon l' art. 51 al. 1 LACI , les travailleurs assujettis au paiement des cotisations, qui sont au service d'un employeur insolvable sujet à une procédure d'exécution forcée en Suisse ou employant des travailleurs en Suisse, ont droit à une indemnité pour insolvabilité lorsque: a. Une procédure de faillite est engagée contre leur employeur et qu'ils ont, à ce moment-là, des créances de salaire envers lui ou que b. La procédure de faillite n'est pas engagée pour la seule raison qu'aucun créancier n'est prêt, à cause de l'endettement notoire de l'employeur, à faire l'avance de frais ou c. Ils ont présenté une demande de saisie pour créance de salaire envers leur employeur. L'indemnité en cas d'insolvabilité couvre les créances de salaire portant sur les six derniers mois du rapport de travail, jusqu'à concurrence, pour chaque mois, du montant maximum selon l'article 3, 1er alinéa. Les allocations dues au travailleur sont réputées partie intégrante du salaire ( art. 52 al. 1 LACI ). 3. a) Les dispositions des art. 51 ss LACI ont introduit une assurance perte de gain en cas d'insolvabilité de l'employeur, destinée à combler une lacune dans le système de protection sociale. Pour le législateur, le privilège conféré par la LP aux créances de salaire ( art. 219 LP ) ne donnait BGE 125 V 492 S. 494 en effet pas une garantie suffisante au travailleur, si bien qu'il était nécessaire de lui assurer la protection par le droit public, à tout le moins pendant une période limitée et déterminée. Il s'est donc agi de protéger les créances de salaire du travailleur pour lui assurer les moyens d'existence et éviter que des pertes ne le touchent durement dans son existence (Message du Conseil fédéral concernant une nouvelle loi fédérale sur l'assurance-chômage obligatoire et l'indemnité en cas d'insolvabilité du 2 juillet 1980, FF 1980 III 532 s.; NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], no 492). b) Par "créances de salaire" au sens de l' art. 52 LACI , on entend d'abord le salaire déterminant selon l' art. 5 al. 2 LAVS , auquel s'ajoutent les allocations (NUSSBAUMER, op.cit., no 519). Par cette référence à la LAVS se trouve ainsi délimité le cercle des bénéficiaires de cette protection. Il reste que ces dispositions en matière d'assurance sociale reposent en premier lieu sur le droit du contrat de travail en ce qui concerne notamment les éléments contractuels, les obligations réciproques des parties et les dispositions impératives dont il y a lieu ensuite de tirer des conséquences juridiques en matière d'affiliation ou de prestations (MEYER-BLASER, Résiliation abusive du contrat de travail, nouvelles règles du Code des obligations en la matière et incidences de ces dernières dans le domaine de l'assurance sociale, en particulier sur le maintien de la couverture d'assurance et le droit aux prestations, in: Droit du travail et droit des assurances sociales, Questions choisies, Colloque de Lausanne [IRAL] 1994, p. 177). Contrat synallagmatique, le contrat de travail impose principalement le versement d'un salaire au regard de l'engagement de fournir un travail régulier. La conséquence juridique, dans l'assurance-chômage, est que la créance de salaire est principalement liée à la fourniture d'un travail. Ainsi, selon la jurisprudence, l'indemnité en cas d'insolvabilité ne couvre que des créances de salaire qui portent sur un travail réellement fourni et non pas sur des prétentions en raison d'un congédiement immédiat et injustifié du travailleur ( ATF 114 V 60 in fine, ATF 111 V 270 consid. 1b, ATF 110 V 30 ; CHARLES MUNOZ, La fin du contrat individuel de travail et le droit aux indemnités de l'assurance-chômage, thèse Lausanne 1992, p. 192). Cette jurisprudence se fonde sur le texte même de la loi et sur l'intention clairement exprimée du législateur (Message du Conseil fédéral précité, p. 613; ATF 121 V 379 consid. 2a). BGE 125 V 492 S. 495 La fourniture d'un travail, énoncée comme condition nécessaire en toutes hypothèses à l'application des art. 51 ss LACI , ne reflète cependant pas exactement la jurisprudence rendue en la matière. En effet, est assimilé à cette situation le cas où le travailleur n'a fourni aucun travail en raison de la demeure de l'employeur au sens de l' art. 324 al. 1 CO . Dans ce cas, tant que le contrat n'est pas résilié, le travailleur a une créance de salaire qui peut justifier, le cas échéant, l'octroi de l'indemnité en cas d'insolvabilité ( ATF 111 V 269 ; SVR 1996 ALV no 59). La question de savoir s'il y a lieu d'assimiler à cette éventualité le cas du travailleur libéré de l'obligation de fournir un travail pendant le délai de résiliation du contrat peut, en l'état, rester ouverte (dans ce sens, voir NUSSBAUMER, op.cit., note 1029). Ainsi que cela ressort de l'arrêt précité ( ATF 121 V 379 consid. 2b), le critère de distinction qu'il faut poser en la matière réside dans la délimitation entre indemnité pour insolvabilité et indemnité de chômage. Si, durant la période en cause, l'assuré était apte au placement ( art. 15 al. 1 LACI ) et s'il pouvait se soumettre aux prescriptions de contrôle de l'administration ( art. 17 LACI ), il n'a pas droit à l'indemnité en cas d'insolvabilité. Il en va ainsi de l'assuré qui a été licencié avec effet immédiat et sans juste motifs ( art. 337c CO ) ou de celui qui a été congédié en temps inopportun ( art. 336c CO ). Dans ces cas, l'assuré présente une disponibilité suffisante pour accepter un travail convenable et pour se soumettre aux prescriptions de contrôle du chômage. Le maintien, en droit, d'un contrat de travail n'apparaît donc pas comme un critère essentiel dès lors que, dans le premier cas, le contrat a pris fin en fait et en droit, alors que, dans le second, les rapports de travail sont maintenus. A la différence, par exemple, de la situation découlant de la demeure de l'employeur exposée plus haut, il s'avère ici que la signification d'un congé est déterminante. 4. Il reste à déterminer les règles applicables lorsque l'assuré, empêché de travailler pour cause de maladie, ne peut prétendre à une indemnité journalière en cas de maladie. a) Aux termes des art. 324a et 324b CO , si le travailleur est empêché de travailler sans faute de sa part pour des causes inhérentes à sa personne, telles que notamment la maladie, l'employeur lui verse le salaire pour un temps limité d'au moins trois semaines, y compris une indemnité équitable pour le salaire en nature perdu, dans la mesure où les rapports de travail ont duré plus de trois mois ou ont été conclus pour plus de trois mois. Si le travailleur est assuré obligatoirement, en vertu d'une disposition légale, BGE 125 V 492 S. 496 contre les conséquences économiques d'un empêchement de travailler qui ne provient pas de sa faute, l'employeur doit la différence entre les prestations d'assurance et les quatre cinquièmes du salaire afférent à la période indemnisée ( art. 324b al. 1 CO ). L'accord des parties, un contrat-type de travail ou une convention collective peuvent prévoir des délais plus longs ou une protection plus étendue. C'est le cas en particulier de la convention collective de travail qui sert en premier lieu à protéger la partie économiquement la plus faible en lui conférant des garanties minimales et en imposant à l'autre partie un minimum d'obligations. Ses clauses normatives ont un effet direct et impératif envers les employeurs et travailleurs qu'elles lient. Bien que lesdites clauses aient d'une certaine manière la portée de prescriptions légales, la règle générale du code des obligations ( art. 97 CO ) suffit à en assurer le respect, partant à fonder la responsabilité du débiteur qui ne les exécuterait pas. Doctrine et jurisprudence envisagent principalement l'hypothèse dans laquelle l'employeur, qui s'est engagé à mettre le travailleur au bénéfice d'une assurance individuelle ou collective contre la maladie, omet de conclure les contrats nécessaires. Elles sont d'avis que la réparation due de ce chef couvre l'intérêt que le travailleur avait à l'existence d'une assurance conforme aux termes du contrat de travail, et correspond donc aux prestations que ce dernier aurait reçues de l'assureur pour la réalisation du risque considéré ( ATF 115 II 253 sv. consid. 4a et les références; cf. aussi ATF 124 III 133 consid. 4; DUC/SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, ad art. 324a CO no 45; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, 2ème éd. 1996, ad art. 324a CO no 22; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, ad art. 324a/b CO no 14). Ainsi, en cas d'impossibilité de travailler pour cause de maladie, le travailleur qui n'est pas obligatoirement assuré est titulaire, pour une durée déterminée et limitée dans le temps, d'une créance de salaire contre son employeur. Lorsque le travailleur est obligatoirement assuré ( art. 324b al. 1 CO ), il dispose d'une créance contre l'assurance, pour autant que celle-ci couvre le 80% de son salaire; il n'a alors, en principe, pas de créance de salaire contre l'employeur, sous réserve du salaire dû pendant le délai éventuel de carence ( art. 324b al. 3 CO ). Dans le cas des conventions collectives qui assurent des prestations au moins équivalentes à celles correspondant à l'obligation de l'employeur de payer le salaire ( art. 324a al. 4 CO ), le travailleur, obligatoirement assuré, n'a plus de créance contre BGE 125 V 492 S. 497 son employeur qui est libéré de l'obligation de payer le salaire. Lorsque, nonobstant l'obligation légale ou conventionnelle de conclure une assurance couvrant la perte de gain, l'employeur n'a pas conclu une telle assurance ou que celle-ci est suspendue faute de paiement des primes, le travailleur disposera, le cas échéant, d'une créance en dommages-intérêts contre l'employeur, correspondant au dommage positif qu'il a subi; il ne pourra en revanche prétendre une créance de salaire en lieu et place de celle-ci, dès lors que l'obligation de payer le salaire ne renaît pas (BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, op.cit., ad art. 324a CO , no 22). b) Ces différentes situations postulent des réponses nuancées en matière d'indemnité en cas d'insolvabilité. En premier lieu, il apparaît que le critère de l'aptitude au placement et de la disponibilité pour se soumettre aux contrôles ne saurait jouer de rôle pour déterminer le droit éventuel. En effet, le travailleur dans l'incapacité de travailler pour cause de maladie ne réunit pas les conditions du droit à l'indemnité ( art. 8 LACI ) et ne saurait, en conséquence, prétendre à des indemnités de chômage, sous réserve d'une incapacité de travail passagère au sens de l' art. 28 LACI . D'autre part, le critère du travail fourni n'est pas décisif en toutes hypothèses, surtout lorsque, comme on l'a vu, la relation contractuelle perdure, qu'aucune partie n'a signifié un congé et qu'aucun travail n'est fourni, sans faute du travailleur. En définitive, pour déterminer le droit à une indemnité en cas d'insolvabilité (lorsque les conditions mises à l'allocation d'une indemnité de chômage ne sont pas réunies), il convient de prendre en considération la nature juridique de la créance. Si celle-ci est une créance de salaire, il y aura lieu, pour autant que les autres conditions du droit sont données, à une indemnité en cas d'insolvabilité ( art. 52 al. 1 LACI ; NUSSBAUMER, op.cit., no 519). En revanche, dès lors que la prétention du travailleur n'est pas une créance de salaire, mais une créance en dommages-intérêts, le droit à une indemnité en cas d'insolvabilité doit être nié (cf. ATF 114 V 60 consid. 4). Selon le Message du Conseil fédéral et les travaux législatifs, il n'apparaît en effet pas que l'intention du législateur ait été d'accorder une protection qui s'étende au-delà des créances de salaire et concerne également des créances en dommages-intérêts sans contre-prestation correspondant à la fourniture d'un travail. Il s'ensuit qu'une interprétation s'écartant du texte clair de la loi ne se justifie pas. c) Dans le cas d'espèce, l'employeur n'a, en violation de ses obligations découlant de la convention collective, pas assuré le travailleur pour une BGE 125 V 492 S. 498 indemnité journalière en cas de maladie. Suite au jugement du Tribunal de district de S., le recourant est devenu titulaire d'une créance en dommages-intérêts contre l'employeur, équivalant au montant des indemnités journalières en cas de maladie dont il s'est trouvé frustré. On peut observer à cet égard que sa créance repose sur des prétentions correspondant à une période de dix mois de maladie et dépasse ainsi les prétentions de salaire qui auraient pu être déduites de l' art. 324a CO . Comme créance en dommages-intérêts, selon les règles exposées ci-dessus, la créance du recourant contre son ancien employeur ne peut donc fonder le droit à une indemnité en cas d'insolvabilité à l'égard de la caisse.
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Urteilskopf 110 Ib 99 18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Juni 1984 i.S. Dr. Reiser gegen Stadt Zürich und Eidgenössisches Militärdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 OG . Lärmimmissionen aus Schiessbetrieb; Legitimation zur Einsprache. Vom Entscheid, eine Schiessanlage zu erstellen oder auszubauen und die nachbarlichen Abwehrrechte gegen die Lärmimmissionen aus dem Schiessbetrieb zu enteignen, werden nicht nur die Nachbarn berührt, auf deren Grundstücken der Schiesslärm die Alarmwerte erreicht. Berührt und einsprachelegitimiert sind vielmehr all jene, die in der Nähe der Schiessanlage wohnen, den Schiesslärm deutlich wahrnehmen und dadurch in ihrer Ruhe gestört werden.
Sachverhalt ab Seite 99 BGE 110 Ib 99 S. 99 Im Jahre 1975 wurde die Schiessanlage "Hasenrain" in Zürich-Albisrieden um vier zusätzliche Schiessplätze erweitert und mit einer elektronischen Trefferanzeige ausgerüstet. Dank der Erweiterung konnten 1976 auch die Schützen von Altstetten dieser Anlage zugewiesen werden und wurde der Schiessstand "Dunkelhölzli" in Altstetten aufgehoben. Dr. iur. Martin Reiser, Eigentümer des etwa 700 m von der Schiessanlage "Hasenrain" entfernt gelegenen Grundstückes Schützenrain 4, wandte sich mit Eingabe vom 22. Dezember 1980 an den Stadtrat von Zürich, verlangte die Anordnung weiterer Lärmschutzmassnahmen und stellte eine Entschädigungsforderung für den durch den Schiesslärm verursachten Minderwert seiner Liegenschaft. Der Stadtrat lehnte die Begehren Reisers ab, BGE 110 Ib 99 S. 100 ersuchte jedoch auf dessen Verlangen die Eidgenössische Schätzungskommission, Kreis 10, um Eröffnung eines Enteignungsverfahrens. Da indessen die Stadt Zürich noch nicht über das Enteignungsrecht verfügte, wurde das Gesuch einstweilen zurückgestellt. Mit Verfügung vom 22. September 1982 ermächtigte das Eidgenössische Militärdepartement die Stadt Zürich, allfällige nachbarliche Rechte zur Abwehr der von der Schiessanlage "Hasenrain" ausgehenden Immissionen in Anwendung des Bundesgesetzes über die Enteignung zu expropriieren. Gegen diese Verfügung reichte Dr. Reiser Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein, auf welche das Bundesgericht am 18. November 1982 nicht eintrat, da die Einwendungen des Beschwerdeführers im Einspracheverfahren vorgebracht werden könnten ( BGE 108 Ib 376 ). Am 29. November 1982 bewilligte der stellvertretende Präsident der Schätzungskommission die Durchführung eines abgekürzten Verfahrens und gab dem Enteigneten Gelegenheit, seine bisherigen Begehren und Vorbringen innert der Eingabefrist zu ergänzen. Da die Einigungsverhandlung erfolglos verlief, überwies der Präsident der Schätzungskommission die Akten dem Eidgenössischen Militärdepartement zum Entscheid über die Einsprache. Mit Entscheid vom 16. August 1983 trat das Departement auf die eingereichte Einsprache und das Planänderungsbegehren nicht ein, weil Reiser nicht beschwerdelegitimiert sei. Gegen diesen Entscheid hat Dr. Reiser Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung und Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Eidgenössische Militärdepartement führt im angefochtenen Entscheid aus, dem Beschwerdeführer stehe aufgrund von Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 lit. a OG kein Anspruch auf Teilnahme am enteignungsrechtlichen Einspracheverfahren zu. Zur Einsprache gegen die Enteignung nachbarlicher Abwehrrechte gegenüber Lärmeinwirkungen von Schiessanlagen seien nur jene Eigentümer befugt, auf deren Grundstücke der Schiesslärm die Alarmwerte erreiche. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. a) Nach Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 OG ist zur Beschwerde bzw. zur Einsprache berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren BGE 110 Ib 99 S. 101 Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichnete Norm geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe ( BGE 104 Ib 247 ff.; 108 Ib 93 , 250). b) Die im Rahmen der Vorarbeiten für das Bundesgesetz über den Umweltschutz eingesetzte "Expertenkommission für die Beurteilung von Lärmimmissionsgrenzwerten" hat 1979 in einem ersten Teilbericht die Belastungsgrenzen für den Strassenverkehrslärm, 1980 im zweiten Teilbericht die Immissionsgrenzwerte sowie die Alarm- und Planungswerte für den Lärm ziviler Schiessanlagen festgelegt. Die Lärmimmissionsgrenzwerte sind gemäss Art. 15 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 so zu bestimmen, dass Immissionen unterhalb dieser Werte nach dem Stand der Wissenschaft und der Erfahrung die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören. Bereits vorhandene Beeinträchtigungen über diesen Werten sind grundsätzlich zu vermindern. Für neue Anlagen, von denen Lärm ausgeht, gelten die Immissionsgrenzwerte als Höchstwerte, die beim Betroffenen nicht überschritten werden dürfen. Der über dem Immissionsgrenzwert liegende Alarmwert dient in erster Linie als Kriterium für die Dringlichkeit von Sanierungen. Immissionen über dem Alarmwert gelten als unzulässig, als extrem (erster Teilbericht, S. 22 f., zweiter Teilbericht, S. 23 ff.; Art. 19 des Umweltschutzgesetzes). Die Alarmwerte für zivile Schiessanlagen sind von der Expertenkommission je nach Intensität des Schiessbetriebes und der Empfindlichkeit des betroffenen Gebietes auf 60 bis 95 dB (A) festgesetzt worden und liegen 10 bis 15 dB (A) über den entsprechenden Immissionsgrenzwerten (zweiter Teilbericht, S. 31). c) Aus der Umschreibung des Alarmwertes ergibt sich bereits, dass dieser kein Kriterium für die Anfechtungsbefugnis gemäss Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 lit. a OG sein kann - ganz abgesehen davon, dass die Legitimation schon aus praktischen Gründen nicht an Voraussetzungen geknüpft werden sollte, deren Vorliegen nur aufgrund technisch aufwendiger und kostspieliger Abklärungen festgestellt werden kann. Vom Beschluss, eine Schiessanlage zu erstellen oder auszubauen und die nachbarlichen Abwehrrechte gegen die Immissionen aus dem Schiessbetrieb zu BGE 110 Ib 99 S. 102 enteignen, werden offensichtlich nicht nur die Nachbarn berührt, auf deren Liegenschaften der Schiesslärm die Grenze des absolut Unzulässigen erreicht und die Lärmsituation einer dringlichen Sanierung bedarf. Als berührt und beschwerdeberechtigt sind vielmehr all jene zu betrachten, die in der Nähe einer Schiessanlage wohnen, den Schiesslärm deutlich wahrnehmen und dadurch in ihrer Ruhe gestört werden. In diesem Sinne hat das Bundesgericht schon im Entscheid ARAG-Rusbach die rund um einen Flughafen oder unter den Anflugschneisen Wohnenden zur Anfechtung von Flugplänen zugelassen, da ihr Interesse an ungestörter (Nacht-)Ruhe schützenswert sei und sie durch den Lärm der an- und wegfliegenden Flugzeuge gestört würden ( BGE 104 Ib 307 ff., insbes. 318). Zwar trifft zu, dass nach dieser Rechtsprechung die Beschwerde- oder Einsprachelegitimation, falls die lärmverursachende Anlage in dicht bevölkertem Gebiete liegt, einer sehr grossen Zahl von Personen zukommen kann. Das heisst jedoch entgegen der Meinung des Departementes nicht, dass der Allgemeinheit ein Beschwerderecht zugestanden würde: Wer in der Nähe einer solchen Anlage wohnt, ihren Lärm deutlich hört und dadurch in seiner Ruhe gestört wird, ist durch die Anlage mehr berührt als jedermann und steht zu ihr in einer besonderen, nahen Beziehung. d) Nach den Lärmmessungen, die auf Veranlassung des Beschwerdeführers vorgenommen wurden, liegt der allgemeine Ruhepegel auf dem von der Schiessanlage nicht weit entfernten Grundstück Schützenrain 4 bei 44 bis 48 dB (A), während der Schiesslärm 64 dB (A) erreicht. Die Immissionen sind demnach für den Beschwerdeführer deutlich wahrnehmbar, wird doch ein Geräusch im Mittel dann als doppelt so laut empfunden, wenn sich sein Pegel um 10 dB (A) erhöht (vgl. zweiter Teilbericht der Expertenkommission, S. 12). Der Beschwerdeführer ist daher befugt, gegen die Enteignung seiner nachbarlichen Abwehrrechte Einsprache zu erheben, wie es ihm übrigens im bundesgerichtlichen Urteil vom 18. November 1982 und in der verfahrenseinleitenden Verfügung der Schätzungskommission vom 29. November 1982 in Aussicht gestellt worden ist. e) Damit, dass hier der Beschwerdeführer zur Einsprache berechtigt erklärt wird, wird die Frage noch nicht beantwortet, ob sich die Legitimation zur Einsprache im enteignungsrechtlichen Verfahren stets nach den Bestimmungen von Art. 48 lit. a VwVG und Art. 103 lit. a OG richte, insbesondere auch dann, wenn dem Enteignungsverfahren ein Baubewilligungs- oder Plangenehmigungsverfahren BGE 110 Ib 99 S. 103 unter Einbezug der durch das Werk berührten Privaten vorausgegangen ist (vgl. BGE 108 Ib 245 ff.). Diese Frage braucht indessen im vorliegenden Falle nicht geklärt zu werden. Festzuhalten ist einzig, dass selbst dann, wenn das enteignungsrechtliche Einspracheverfahren ausschliesslich den Expropriierten offenstünde, die Einsprachebefugnis nur jenen abgesprochen werden könnte, die mit Sicherheit keine Rechte, auch keine nachbarlichen Abwehrrechte gegen Immissionen, für das Werk abzutreten haben. 2. Das Eidgenössische Militärdepartement hat somit die Einsprachebefugnis des Beschwerdeführers zu Unrecht verneint und durch die Nichtbehandlung seiner Eingabe gegen Art. 4 BV verstossen. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und die Sache, da das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren über Ermessensfragen nicht frei entscheiden kann, zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. BGE 98 Ib 171 , 176).
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1,984
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Urteilskopf 91 II 1 1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1965 i.S. P. gegen M. B.
Regeste Vaterschaftsklage. Dem bundesrechtlichen Anspruch, es sei ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten anzuordnen, stehen einschränkende kantonale Prozessvorschriften entgegen. In vorliegender Sache hat der Beklagte den Beweisantrag erst vor zweiter Instanz - nach kantonalem Prozessrecht verspätet - eingereicht. Das Obergericht konnte aus diesem Grunde die Durchführung des Gutachtens ablehnen.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 91 II 1 S. 1 A.- Die ledige V. B., geboren 1940, gebar am 28. Dezember 1962 das Kind M. B. Die kritische Zeit dauerte vom 3. März bis 1. Juli 1962. In diesem Zeitraum verkehrte die Kindsmutter geschlechtlich mit P., Taxichauffeur in Zürich. Das Kind, vertreten durch seinen Beistand, belangte P. auf Feststellung der Vaterschaft und bestimmte Vermögensleistungen. B.- Der Beklagte erhob die Einrede des Mehrverkehrs gemäss Art. 314 Abs. 2 ZGB . Vor Bezirksgericht stellte der als Zeuge einvernommene V. Geschlechtsverkehr mit der Kindsmutter in Abrede. Die Mutter des Beklagten erklärte, die Kindsmutter habe sich ihr gegenüber einmal geäussert, sie hätte auch mit einem andern Mann als dem Kläger etwas gehabt. BGE 91 II 1 S. 2 Das Bezirksgericht nahm auf Grund dieser Aussagen an, ein Mehrverkehr der Mutter sei nicht nachgewiesen. Es berücksichtigte ein serologisches Gutachten vom 7. Februar 1964, das den Beklagten als Vater nicht ausschloss, und hiess am 12. Mai 1964 die Klage gut. C.- Das Obergericht bestätigte am 18. Dezember 1964 den Entscheid der ersten Instanz. Es ging davon aus, Geschlechtsverkehr der Kindsmutter mit einem Dritten sei auch nach dem Beweisverfahren vor zweiter Instanz nicht nachgewiesen, in welchem W. intime Beziehungen zur Mutter bestritt und U. das Zeugnis verweigerte. Den vom Beklagten eingebrachten Antrag, es sei ein anthropologisch-erbbiologisches Gutachten einzuholen, lehnte es mit folgender Begründung ab: Da sich der Beklagte auf dieses Gutachten erstmals in der Verhandlung vor Obergericht berufen habe, sei sein Antrag verspätet; zudem wäre er auch materiell unbegründet. D.- Der Beklagte hat Berufung an das Bundesgericht eingereicht und beantragt, "das angefochtene Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben und es sei die Klage zur Durchführung einer anthropologisch-erbbiologischen Begutachtung an die Vorinstanz zurückzuweisen". - Die Klägerin begehrt Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. In Vaterschaftssachen haben die Parteien - wie der Beklagte zutreffend ausführt - einen bundesrechtlichen Anspruch auf Anordnung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens. Ein solcher Beweisantrag ist jedoch nur abzunehmen, wenn ihm keine, von der Rechtsprechung näher umschriebene Schranken des Prozessrechtes oder des materiellen Rechtes entgegenstehen ( BGE 90 II 224 Erw. 4). In der hier umstrittenen Sache stützt das Obergericht die Ablehnung des vom Beklagten begehrten Beweismittels darauf, er habe es verspätet, erst in der Beweisverhandlung vor zweiter Instanz beantragt; mit andern Worten führt es aus, der Beklagte habe kantonalrechtliche Prozessvorschriften betreffend den Zeitpunkt des Beweisantrages nicht eingehalten. An die Entscheidung in dieser, ausschliesslich vom kantonalen Recht beherrschten Frage ist das Bundesgericht als Berufungsinstanz BGE 91 II 1 S. 3 gemäss Art. 43 Abs. 1 OG gebunden. Das Gutachten ist wegen verspäteter Einreichung des Beweisantrages im kantonalen Verfahren nicht einzuholen. Der Beklagte vermag auch nicht mit dem Einwand durchzudringen, das verlangte Gutachten sei anzuordnen, weil den zürcherischen Vaterschaftsprozess die Offizialmaxime beherrsche und ein Parteiantrag gar nicht erforderlich sei. Die Tragweite der Offizialmaxime betrifft wie die Frage der Verspätung einzig kantonales Recht, dessen Anwendung vom Bundesgericht nicht zu überprüfen ist (vgl. BGE 78 II 97 f.). 2. Mehrverkehr der Mutter oder andere Tatsachen, die erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten rechtfertigten, sind nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht nachgewiesen. Von einem nachgewiesenen unzüchtigen Lebenswandel der Mutter kann keine Rede sein. Den Beklagten, welcher der Kindsmutter in der kritischen Zeit beigewohnt hat, trifft die Vermutung der Vaterschaft. Er ist von der Vorinstanz zu Recht zu Vermögensleistungen verurteilt worden.
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Urteilskopf 124 V 166 29. Urteil vom 12. Mai 1998 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen S. und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 42 Abs. 1, 2 und 4 IVG ; Art. 35 Abs. 1 und Art. 39bis Abs. 1 und 2 IVV ; Art. 26 Abs. 1 und 2 UVG ; Art. 37 UVV ; Art. 43bis Abs. 4bis AHVG ; Art. 66quater AHVV : Zur Koordination der Hilflosenentschädigungen der Invalidenversicherung (und der Alters- und Hinterlassenenversicherung) und der Unfallversicherung. Bis zum Beginn des Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung der UV kann die IV (und die AHV) selbst dann leistungspflichtig werden, wenn die Hilflosigkeit ausschliesslich auf einen UVG-versicherten Unfall zurückzuführen ist.
Sachverhalt ab Seite 167 BGE 124 V 166 S. 167 A.- Der 1936 geborene S. erlitt am 11. April 1992 einen Unfall und ist seither in schwerem Grade hilflos. Mit Verfügung vom 19. Juli 1993 sprach ihm die Ausgleichskasse des Kantons Zürich ab 1. April 1993 eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (IV) bei einer Hilflosigkeit schweren Grades zu. Nachdem die Kasse erfahren hatte, dass die Hilflosigkeit vollumfänglich auf ein bei der ELVIA Schweizerischen Versicherungs-Gesellschaft UVG-versichertes Ereignis zurückzuführen ist, stellte sie die erwähnte Leistung mit Verfügung vom 6. Juni 1994 auf Ende Juli 1994 ein. B.- Auf Beschwerde von S. hin hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diese Verfügung mit Entscheid vom 15. Juli 1996 auf. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), der kantonale Entscheid sei aufzuheben. S. verzichtet auf eine Stellungnahme, während die IV-Stelle des Kantons Zürich als seit dem 1. Januar 1995 neu zuständige Verwaltungsbehörde auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdegegner in schwerem Grade hilflos ist und dieser Zustand einzig durch den Unfall vom 11. April 1992 verursacht wurde. Streitig ist dagegen das Verhältnis zwischen der Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (IV) und derjenigen der Unfallversicherung (UV). Insbesondere fragt sich, ob die IV dann nicht leistungspflichtig wird, wenn die Hilflosigkeit vollständig auf ein UVG-versichertes Ereignis zurückzuführen ist. b) Den Akten lässt sich entnehmen, dass die als UVG-Versicherer zuständige ELVIA bis zum Erlass der IV-Verfügung vom 6. Juni 1994, welches Datum nach konstanter Praxis die zeitliche Grenze BGE 124 V 166 S. 168 der richterlichen Überprüfungsbefugnis darstellt ( BGE 121 V 366 Erw. 1b), die Heilbehandlung noch nicht abgeschlossen hat. Es ist somit bislang nicht zur Zusprechung einer Invalidenrente der UV gekommen. Gemäss einem Schreiben der ELVIA vom 17. Mai 1994 ist dem Beschwerdegegner von der UV auch noch keine Hilflosenentschädigung zuerkannt worden. 2. a) Nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 IVG (in der vorliegend anwendbaren, bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung) haben in der Schweiz wohnhafte Versicherte, die hilflos sind, Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, sofern ihnen keine solche nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) oder nach dem Bundesgesetz über die Militärversicherung (MVG) zusteht. Als hilflos gilt, wer wegen der Invalidität für die alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf ( Art. 42 Abs. 2 IVG ). Art. 42 Abs. 4 Satz 1 IVG räumt dem Bundesrat die Befugnis zum Erlass ergänzender Vorschriften über nicht abschliessend aufgeführte Einzelheiten ein. Gestützt darauf hat er bestimmt, dass der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der IV am ersten Tag des Monats entsteht, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind ( Art. 35 Abs. 1 IVV ). Ferner kann der Bundesrat aufgrund von Art. 42 Abs. 4 Satz 2 IVG eine anteilsmässige Leistung (der IV) an die Hilflosenentschädigung der UV vorsehen, falls die Hilflosigkeit nur zum Teil auf einen Unfall zurückzuführen ist. In diesem Sinne hat der Bundesrat in Art. 39bis IVV festgelegt: Abs. 1: Hat der Versicherte Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der IV und entsteht später Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung, so überweist die Ausgleichskasse die Hilflosenentschädigung der IV dem leistungspflichtigen Unfallversicherer. Abs. 2: Hat der Versicherte Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Unfallversicherung und wird diese aus unfallfremden Gründen später erhöht, so überweist die Ausgleichskasse dem leistungspflichtigen Unfallversicherer den Betrag der Hilflosenentschädigung, den die IV dem Versicherten ausrichten würde, wenn er keinen Unfall erlitten hätte. In der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) finden sich parallele Bestimmungen. Nach Art. 43bis Abs. 1 Satz 1 AHVG haben Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung Altersrentenbezüger, die in schwerem oder mittlerem Grad hilflos sind und keinen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung nach dem UVG oder nach dem MVG besitzen. Aufgrund des mit Art. 42 Abs. 4 Satz 2 IVG übereinstimmenden Art. 43bis Abs. 4bis AHVG hat der Bundesrat in BGE 124 V 166 S. 169 Art. 66quater AHVV eine das Verhältnis der Hilflosenentschädigung der AHV zu derjenigen der UV betreffende Regelung erlassen, die sich inhaltlich mit Art. 39bis Abs. 1 und 2 IVV deckt. b) Das UVG seinerseits bestimmt in Art. 26 Abs. 1, dass der Versicherte Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung hat, wenn er wegen der Invalidität für die alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf. Der Anspruch entsteht am ersten Tag des Monats, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, jedoch frühestens beim Beginn eines allfälligen Rentenanspruchs ( Art. 37 Satz 1 UVV ). Er besteht jedoch nicht, solange sich der Versicherte in einer Heilanstalt aufhält und hiefür Leistungen der Sozialversicherung beanspruchen kann ( Art. 26 Abs. 2 UVG ). 3. a) Die Vorinstanz hat erwogen, aus dem Wortlaut von Art. 42 Abs. 1 IVG ("sofern") sei zu schliessen, dass die Hilflosenentschädigung der IV durch diejenige der UV verdrängt werde. Demzufolge erscheine die Entschädigung der IV als subsidiäre Leistung. Dies folge auch aus der Entstehungsgeschichte. In der Botschaft zum UVG sei ursprünglich eine Kumulation der Hilflosenentschädigungen der IV und der UV vorgesehen gewesen. Erst in den Räten sei Art. 42 Abs. 1 IVG im Sinne der geltenden Regelung geändert worden. Zum gleichen Ergebnis führe die teleologische Auslegung. Art. 42 Abs. 1 IVG sei eine Koordinationsnorm, welche eine Leistung der IV in dem Umfange ausschliesse, als sie von einem anderen Versicherer erbracht werde. Dahinter stehe der Gedanke, drohende Doppelversicherungen aufzulösen oder eine drohende Überentschädigung zu verhindern. Im vorliegenden Fall gelte es einerseits zu vermeiden, dass eine Hilflosenentschädigung zweimal ausbezahlt werde, und anderseits zu regeln, wer leistungspflichtig sei. Hingegen bezwecke die Koordinationsregel nicht, die Zuständigkeit eines Versicherungsträgers grundsätzlich und von vornherein auszuschliessen. Es komme somit darauf an, ob tatsächlich eine unerwünschte Überversicherung eintrete. Dies treffe vorliegend nicht zu, da ausschliesslich der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der IV bis zum Beginn derselben Leistung der UV streitig sei. b) Demgegenüber macht das BSV geltend, Art. 42 Abs. 1 IVG beruhe auf dem Prinzip der Ausschliesslichkeit. Bei rein unfallbedingter Hilflosigkeit sei allein die UV zuständig und leistungspflichtig. Das BSV beruft sich dabei auf Rz. 8035 der Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit (WIH). Ein Anspruch auf eine BGE 124 V 166 S. 170 Hilflosenentschädigung der IV könne dann nicht entstehen und die IV könne auch nicht vorübergehend eine solche auszahlen, solange die Anspruchsvoraussetzungen für eine Hilflosenentschädigung der UV noch nicht erfüllt seien. 4. a) Art. 42 Abs. 1 Satz 1 IVG besagt, dass Versicherte Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung haben, "sofern ihnen keine Hilflosenentschädigung nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung ... zusteht" ("Les assurés ... ont droit ... pour autant qu'ils n'aient pas droit à une allocation pour impotent en vertu de la loi fédérale sur l'assurance-accidents ..."; "Gli assicurati ... se sono grandi invalidi e non spetta loro l'assegno relativo secondo la legge federale sull'assicurazione contro gli infortuni ..., hanno diritto ad ..."). Zum Vergleich sei auf Art. 43bis Abs. 1 Satz 1 AHVG hingewiesen, der wie folgt lautet: "Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung haben Bezüger ..., die ... keinen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung ... besitzen" ("Ont droit à l'allocation ... qui ... ne peuvent pas prétendre à l'allocation pour impotent prévue par la loi fédérale sur l'assurance-accidents ..."; "Hanno diritto ... che ... non hanno diritto a un assegno per grandi invalidi, giusta la legge federale sull'assicurazione contro gli infortuni ..."). b) Der Wortlaut dieser Bestimmungen ist insofern klar, als ein gleichzeitiger Bezug einer Hilflosenentschädigung sowohl der IV als auch der UV ausgeschlossen sein soll (Prinzip der Subsidiarität oder Exklusivität: MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 533). Sind also in einem bestimmten Zeitraum sowohl die materiellen (Hilflosigkeit) als auch die formellen (Anspruchsbeginn) Voraussetzungen beider Versicherungen erfüllt, tritt die Hilflosenentschädigung der UV an die Stelle derjenigen der IV (oder der AHV). Hingegen ist aus dem Wortlaut nicht ersichtlich, wie es sich verhält, wenn in einem bestimmten Zeitraum nur die Anspruchsvoraussetzungen der einen Versicherung erfüllt sind. Dies kann insbesondere für die IV zutreffen, wo der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung in der Regel bereits nach einer Wartezeit von einem Jahr entsteht ( BGE 111 V 227 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG in der seit 1988 geltenden Fassung). Demgegenüber kommt bei der UV eine solche Leistung oft erst später in Betracht, nämlich frühestens nach Abschluss der Heilbehandlung und bei Beginn eines allfälligen Rentenanspruchs ( Art. 37 UVV in Verbindung mit BGE 124 V 166 S. 171 Art. 19 Abs. 1 UVG ). Es stellt sich daher die Frage, ob in einem solchen Falle Art. 42 Abs. 1 IVG dahingehend zu verstehen ist, dass eine Hilflosenentschädigung der IV solange in Betracht kommt, als der Anspruch auf die entsprechende Leistung der UV noch nicht entstanden ist, oder ob der Vorbehalt in Art. 42 Abs. 1 IVG so zu deuten ist, dass bei einer durch einen UVG-versicherten Unfall verursachten Hilflosigkeit eine Hilflosenentschädigung der IV von vornherein ausser Betracht fällt, wie das BSV unter Berufung auf SCHLAURI (Beiträge zum Koordinationsrecht der Sozialversicherungen, S. 37 f.) ausführt. Der Wortlaut legt weder die eine noch die andere Lösung nahe. c) Unter diesen Umständen ist nach Sinn und Zweck der Norm zu fragen. Wie die Vorinstanz richtig festhält, war vor Inkrafttreten des UVG eine Hilflosenentschädigung der IV ohne weiteres mit derjenigen der UV (die damals in der Form eines Zuschlags zur Erwerbsunfähigkeitsrente ausgerichtet worden war: Art. 77 Abs. 1 Satz 2 KUVG ) kumulierbar. An dieser Ordnung sollte im neuen UVG - trotz Einwendungen im Vernehmlassungsverfahren - festgehalten werden (Botschaft zum UVG vom 18. August 1976, BBl 1976 III 169). In der nationalrätlichen Kommission erwuchs bei der Behandlung von Art. 26 des Entwurfs (= Art. 26 UVG ) Widerstand mit der Begründung, es sollten nicht zwei Hilflosenentschädigungen ausbezahlt werden, sondern es sollte diese Leistung nur von einem Versicherungsträger auszurichten sein (Voten Nationalrat Ammann), wobei Nationalrat Reichling eine Entrichtung dieser Leistung allein durch die IV als wünschenswert erachtete (Sitzung vom 2./3. November 1977, Protokoll S. 43 f.). Nachdem die Frage zunächst zurückgestellt und ein Bericht der Verwaltung eingeholt worden war (erwähntes Protokoll S. 45), wurde eine Änderung von Art. 42 Abs. 1 IVG (und Art. 43bis Abs. 1 AHVG ) vorgenommen (Sitzung vom 16./17. Oktober 1978, Protokoll S. 16 f. und 54 f.), welcher Nationalrat und Ständerat im Plenum diskussionslos zustimmten (Amtl.Bull. 1979 N 289 f., 1980 S 503). Geht man vom dergestalt dokumentierten Willen des Gesetzgebers aus, die bislang möglich gewesene Kumulation von Hilflosenentschädigungen der AHV/IV und der UV zu verhindern und nur eine solche ausrichten zu lassen, lässt sich Art. 42 Abs. 1 IVG (und die Parallelnorm im AHVG) durchaus so verstehen, dass die Hilflosenentschädigung der IV (und der AHV) nur dann entfällt, wenn gleichzeitig der Anspruch auf eine solche Leistung der UV BGE 124 V 166 S. 172 besteht, nicht aber in dem Fall, da (zunächst) nur die Leistungsvoraussetzungen der IV (oder der AHV) erfüllt sind. Daraus lässt sich folgern, eine Hilflosenentschädigung der IV (oder der AHV) komme jedenfalls dann (und solange) in Betracht, als sich die Frage einer Doppelspurigkeit und demnach einer Koordination der Leistungen zweier Versicherungsträger (noch) gar nicht stellt. Dies spricht für die Lösung der Vorinstanz und gegen die kausale, allein auf die Ursache der Hilflosigkeit abstellende Betrachtungsweise des BSV. Gegen letztere ist zudem einzuwenden, dass es dem Grundprinzip der IV als finaler Versicherung widerspricht, eine Leistung von einer bestimmten Causa (negativ) abhängig zu machen und bei einer durch einen UVG-versicherten Unfall verursachten Hilflosigkeit überhaupt nichts zu leisten. 5. a) Zu prüfen bleibt in systematischer Hinsicht, ob Art. 42 Abs. 1 (und Art. 43bis Abs. 1 AHVG ), im Kontext betrachtet, eine andere Bedeutung beizumessen sei. Im Rahmen der Koordinationsdiskussion war aufgrund des Berichts der Verwaltung die Auffassung vertreten worden, im Falle einer unfallbedingten Hilflosigkeit die Hilflosenentschädigung ausschliesslich von der UV ausrichten zu lassen (Sitzung vom 16./17. Oktober 1978, Protokoll S. 17 f., Voten von BSV-Direktor Schuler und BSV-Vizedirektor Naef), welcher Auffassung die nationalrätliche Kommission zustimmte (erwähntes Protokoll S. 19). Dementsprechend wurde Art. 42 IVG mit dem heutigen Abs. 4 letzter Satz (und Art. 43bis AHVG mit Abs. 4bis) ergänzt (erwähntes Protokoll S. 54 f.). Im Plenum wies Nationalrat Augsburger als deutschsprachiger Berichterstatter darauf hin, die Kommission habe sich im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Kumulation dafür ausgesprochen, "dass nur ein Träger, und zwar die Unfallversicherung, bei einer unfallbedingten Invalidität Hilflosenentschädigungen ausrichtet" (Amtl.Bull. 1979 N 183 linke Spalte). Nationalrat Jelmini, der Berichterstatter französischer Sprache, hielt fest: "La commission propose qu'à l'avenir un seul assureur verse l'allocation, lorsque l'impotence est due à un accident, et qu'il incombe uniquement à l'assurance-accidents de verser l'allocation lorsque l'impotence est due à un acci-... [hier fehlt im Bulletin ein Textteil] ... l'assurance-invalidité seront ainsi déchargées ... Mais comme l'assurance-accidents est seule à verser l'allocation lorsque l'impotence est due à un accident, on a proposé une solution pour les cas, plutôt rares, où l'impotence n'est pas seulement imputable à un accident mais également à une maladie et où l'AVS ou l'AI seraient ainsi tenues à prestations, solution selon laquelle l'assurance-accidents BGE 124 V 166 S. 173 aurait la possibilité de réclamer à l'AVS ou à l'AI la part de l'allocation correspondante à l'impotence qui n'est pas due à un accident. Le Conseil fédéral réglera des détails". (Amtl.Bull. 1979 N 183 rechte Spalte) In der Folge stimmten beide Räte diskussionslos der Ergänzung von Art. 42 mit dem heutigen Abs. 4 Satz 2 und von Art. 43bis AHVG mit Abs. 4bis zu (Amtl.Bull. 1979 N 289 f., 1980 S 503). b) Damit stellt sich die Frage, ob die Auslegung von Art. 42 Abs. 1 IVG - in seinem Kontext betrachtet und damit unter Berücksichtigung von Abs. 4 Satz 2 sowie von Art. 39bis Abs. 1 und 2 IVV - zu einem andern Ergebnis führt als vorher in Erwägung 4 dargelegt (was auch für die entsprechenden Bestimmungen der AHV gälte). Dies ist zu verneinen. Art. 42 Abs. 4 Satz 2 IVG schafft die Voraussetzung für eine Aufteilung der Leistungen nach dem Prinzip der Kausalität (MAURER, a.a.O., S. 423). Indessen setzt auch diese Aufteilung voraus, dass gleichzeitig die Voraussetzungen für Leistungen beider Versicherungsträger erfüllt sind und neben UVG-unfallbedingter Hilflosigkeit auch eine solche mit unfallfremder Ursache vorliegt (vgl. Art. 39bis Abs. 2 IVV ; genau genommen müsste hier - wie auch in Art. 42 Abs. 4 Satz 2 IVG - von UVG-unfallfremder Ursache gesprochen werden, weil sich die Frage der Ausscheidung dann nicht stellen kann, wenn jemand durch einen nicht UVG-versicherten Unfall hilflos wird). Dies ergibt sich deutlich aus den bundesrätlichen Ausführungsvorschriften ( Art. 39bis Abs. 1 und 2 IVV ; ferner Art. 66quater AHVV ). Hingegen lässt sich aus dem Grundsatz der kausalen Aufteilung nichts für jenen Zeitraum folgern, in welchem - wie im vorliegenden Fall - schon der Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der IV besteht, (noch) nicht aber derjenige auf eine solche der UV. Jedenfalls hat die Absicht des Gesetzgebers (wie sie im Votum von Nationalrat Jelmini zum Ausdruck kam), im Falle einer durch UVG-versicherten Unfall verursachten Hilflosigkeit einzig und ausschliesslich eine Leistung der UV erbringen zu lassen, im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Die Auffassung des BSV lässt sich daher mit dem Gesetz nicht vereinbaren, weshalb sich seine Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet erweist.
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1,998
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127175c4-1478-4b4e-87bf-a5cdf13d7a2b
Urteilskopf 105 Ib 221 35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juni 1979 i.S. Styger-Iten c. Heinrich, Gemeinde Unterägeri, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Prozessvoraussetzung. Beruht ein kantonaler Entscheid auf zwei selbständigen Begründungen, von denen die eine der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt und die andere im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren überprüft werden kann, so müssen beide Begründungen in geeigneter Form angefochten werden. Versäumt der Beschwerdeführer dies, indem er nur die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergreift, so kann das Bundesgericht auf das eingelegte Rechtsmittel nicht eintreten.
Sachverhalt ab Seite 221 BGE 105 Ib 221 S. 221 Franz Styger-Iten beabsichtigte, einen Pferdestall mit Angestelltenwohnung auf einem Grundstück zu errichten, das gemäss Zonenplan der Gemeinde Unterägeri im "übrigen Gemeindegebiet" liegt, gemäss dem Zonenplan für den Ägerisee aus dem Jahre 1946 in einer Zone mit Baubeschränkung sowie im provisorischen Schutzgebiet gemäss dem Bundesbeschluss BGE 105 Ib 221 S. 222 über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung (BMR). Die Baudirektion, des Kantons Zug, der das Baugesuch Stygers zum Entscheid zugewiesen wurde, wies es ab, worauf Styger Beschwerde einlegte, die vom Regierungsrat gutgeheissen wurde. Nachdem überarbeitete Pläne eingereicht worden waren, stellte der Regierungsrat mit Beschluss vom 6. September 1977 fest, dass der Erteilung der Baubewilligung aufgrund der einschlägigen Bau- und Gewässerschutzgesetzgebung grundsätzlich nichts entgegen stehe und die Bewilligung im Hinblick auf die kantonale Verordnung über Natur- und Heimatschutz unter bestimmten Auflagen und Bedingungen erteilt werden könne. Der Einwohnerrat von Unterägeri erteilte hierauf am 14. September 1977 unter Vorbehalt der privatrechtlichen Einsprachen die Baubewilligung. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Oktober 1977 focht Robert Heinrich den Beschluss des Regierungsrates vom 6. September 1977 beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug an. Gleichzeitig legte er gegen die Baubewilligung der Gemeinde Unterägeri beim Regierungsrat Beschwerde ein; diese wurde mit seiner Zustimmung dem Verwaltungsgericht zum Entscheid überwiesen. Mit Urteil vom 6. Juli 1978 hiess das Verwaltungsgericht beide Beschwerden gut. Es verneinte ein sachlich begründetes Bedürfnis nach der Errichtung des geplanten Gebäudes ausserhalb der Bauzone und führte aus, die Baubewilligung verletze das Gewässerschutzgesetz (GSchG), das kantonale Baugesetz und den Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf den Gebiete der Raumplanung. Der Entscheid des Regierungsrates vom 6. September 1977 und derjenige des Einwohnerrates Unterägeri vom 14. September 1977 wurden deshalb aufgehoben. Styger ergriff gegen dieses Urteil Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht tritt darauf nicht ein aus folgender Erwägungen Erwägung: 2. a) Heinrich behauptete im kantonalen Verfahren, die Baubewilligung müsse sowohl aufgrund von Bundesrecht (GSchG und BMR) als auch aufgrund von kantonalem Recht verweigert werden. Das Verwaltungsgericht hielt ihn als Nachbarn befugt, sich über die Erteilung der Bewilligung wegen BGE 105 Ib 221 S. 223 Verletzung sowohl des eidgenössischen wie auch des kantonalen Rechtes zu beschweren, und kam in der Sache selbst zum Schluss, das Bauprojekt widerspreche einerseits dem Bundesrecht und halte auf der andern Seite auch vor dem kantonalen Recht nicht stand. Das angefochtene Urteil beruht somit auf einer doppelten Begründung. Soweit das Urteil des Verwaltungsgerichts in Anwendung von Verwaltungsrecht des Bundes erging, kann dagegen an sich die eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergriffen werden, und dieses Rechtsmittel hat der Beschwerdeführer denn auch eingelegt. Soweit sich das angefochtene Urteil materiell auf das Baugesetz des Kantons Zug stützt, ist es nur auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte anfechtbar. Dieser Rechtsbehelf kann nach der Rechtsprechung mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in einer Rechtsschrift verbunden werden ( BGE 100 Ia 280 lit. b). Der Beschwerdeführer hätte demnach keine gesonderte staatsrechtliche Beschwerde einreichen müssen, sondern die hinsichtlich der Anwendung des kantonalen Rechtes zu erhebenden Verfassungsrügen zusammen mit den Beanstandungen vorbringen können, die im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde möglich sind. b) Der Beschwerdeführer behauptet nicht, das Verwaltungsgericht habe seine verfassungsmässigen Rechte missachtet, indem es Heinrich zur Rüge zuliess, die Baubewilligung verletze kantonales Recht. Er bringt auch nicht vor, es verstosse gegen die Verfassung, dass das Verwaltungsgericht angenommen habe, das Bauprojekt widerspreche dem kantonalen Baugesetz. Das Bundesgericht kann die Begründung des angefochtenen Entscheides in dieser Beziehung daher nicht überprüfen. Das hat zur Folge, dass der Beschwerdeführer auch mit seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts erreichen kann. Selbst wenn seine in diesem Rahmen vorgebrachten Rügen begründet wären und die Baubewilligung weder gegen das GSchG noch den BMR verstiesse, könnte das Bundesgericht das Urteil des Zuger Verwaltungsgerichts nicht aufheben; denn dessen Entscheid ruht nach wie vor auf der Begründung, die Baubewilligung könne nicht erteilt werden, weil das Bauvorhaben dem kantonalen Recht nicht entspreche, und diese Begründung ist nicht, zumindest nicht in einer Art. 90 OG entsprechenden Weise mit der Behauptung angefochten worden, sie verletze BGE 105 Ib 221 S. 224 verfassungsmässige Rechte. Bei der gegebenen Rechtslage hätte der Beschwerdeführer dies aber tun müssen, damit seine Beschwerde den Erfolg erzielen könnte, den er anstrebt. c) Beruht ein mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbarer Entscheid auf mehreren, voneinander unabhängigen Begründungen, so muss sich die Beschwerde mit jeder von ihnen auseinandersetzen und dartun, dass der Entscheid nach jeder dieser Begründung verfassungswidrig ist. Tut sie dies nicht, ist die Beschwerdeschrift nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit des Entscheides darzulegen und erfüllt damit die Voraussetzung einer hinreichenden Begründung im Sinne von Art. 90 OG nicht. Aus diesem Grunde tritt das Bundesgericht in solchen Fällen auf die Beschwerde nicht ein ( BGE 87 I 375 ; BGE 104 Ia 392 E. 6a; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Auflage, S. 139). Diese Überlegung muss auch hier gelten, wo der kantonale Entscheid sich auf eine Begründung stützt, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten ist und auf eine zweite, deren Überprüfung im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren verlangt werden kann. Setzt sich der Beschwerdeführer nicht mit beiden Begründungen in der erforderlichen Form auseinander, so sind seine Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit darzutun, die zur Aufhebung (oder Abänderung) des kantonalen Entscheides durch das Bundesgericht führen kann. Auch in diesem Fall muss somit der Grundsatz gelten, dass das Bundesgericht nicht auf die Beschwerde eintreten kann, die sich nur gegen eine von mehreren unabhängigen Begründungen des angefochtenen Entscheides richtet, während der Beschwerdeführer eine andere eigenständige Begründung unangefochten lässt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann demnach nicht anhand genommen werden.
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1,979
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12739d4a-3b64-453b-8be6-01d4c83a58de
Urteilskopf 123 II 285 33. Extrait de la décision de la Ie Cour de droit public du 20 mai 1997 dans la cause Helvetia Nostra contre Tribunal administratif du canton de Vaud (recours de droit administratif et de droit public)
Regeste Art. 88 OG und 103 lit. a OG; aktuelles und praktisches Interesse an der Beschwerde, wenn der angefochtene Entscheid bereits vollumfänglich Wirkung entfaltet hat. Es steht nicht fest, ob die umstrittene Veranstaltung (Bootsrennen auf dem Genfersee) unter den gleichen Bedingungen erneut bewilligt werden könnte (E. 4b); ausserdem sollte es möglich sein, gegen die Erteilung einer neuen Bewilligung rechtzeitig beim Bundesgericht Beschwerde zu führen (E. 4c). Das aktuelle und praktische Interesse an der Beschwerde ist demnach zu verneinen (E. 5).
Erwägungen ab Seite 285 BGE 123 II 285 S. 285 Considérant en fait et en droit: 1. à 3.-: Le 7 mars 1996, le Conservateur de la faune du canton de Vaud a accordé, sous certaines conditions, les autorisations spéciales en faveur de l'organisation d'une manche de championnat BGE 123 II 285 S. 286 du monde des bateaux "Offshore Class 1". Cette manifestation devait avoir lieu du 6 au 8 septembre 1996 sur le lac Léman, au large de Montreux. Le 19 avril 1996, le Service des automobiles, cycles et bateaux du Canton de Vaud (ci-après: le SA) a accordé, sous certaines conditions, l'autorisation requise par l'art. 27 de la loi fédérale sur la navigation intérieure. Ces décisions ont fait l'objet de recours, notamment de l'association Helvetia Nostra. Par arrêt du 27 août 1996, le Tribunal administratif du canton de Vaud a rejeté les recours. Par acte du 29 août 1996, Helvetia Nostra a formé un recours de droit administratif et de droit public contre cet arrêt. Dans le premier, elle fait valoir que l'autorisation "à l'essai" violerait le principe de la prévention. Elle se plaint en outre du défaut de publication et d'avoir été privée de son droit de participer à la procédure. Dans son recours de droit public, Helvetia Nostra soutient que la qualité pour agir devait lui être reconnue de manière générale en vertu du droit cantonal. Dans le même acte, la recourante a demandé des mesures provisionnelles urgentes, tendant à empêcher la manifestation litigieuse. Par ordonnance du 2 septembre 1996, le Président de la Ie Cour de droit public a rejeté la demande d'effet suspensif, en prenant en compte d'une part le dommage considérable qu'impliquerait vraisemblablement, pour les organisateurs, l'annulation de la course, et, d'autre part, le dommage, moins évident, que la manifestation pourrait causer à l'environnement naturel, compte tenu des conditions précises posées par les autorités cantonales. La manifestation ayant eu lieu, la recourante a été interpellée sur la question de savoir si le recours conservait un objet. Par lettre du 25 septembre 1996, elle a fait savoir qu'elle maintenait son recours. Elle évoque la possibilité qu'une autorisation semblable soit accordée à l'avenir; elle dit par ailleurs conserver un intérêt à ce qu'il soit statué sur ses griefs formels, et sur la violation de l' art. 6 par. 1 CEDH . Le Tribunal fédéral a déclaré le recours sans objet.) 4. Le recours est dirigé contre l'octroi d'une autorisation spécifique qui a déjà déployé tous ses effets. Il convient donc de s'interroger sur l'existence d'un intérêt juridique actuel et pratique au recours, exigence découlant tant de l' art. 103 lettre a OJ pour le recours de droit administratif, que de l' art. 88 OJ pour le recours de droit public ( ATF 121 IV 345 consid. 1b et les arrêts cités). Cet intérêt pratique, qui ne saurait résider dans la résolution purement BGE 123 II 285 S. 287 théorique de la question - fût-elle de principe - de l'admissibilité de la manifestation litigieuse, doit perdurer jusqu'au moment où il est statué sur le recours, faute de quoi ce dernier est déclaré sans objet ( ATF 118 Ia 46 consid. 3c p. 53; ATF 111 Ib 56 consid. 2 et les références citées). a) La recourante soutient que la litispendance créée avant la course suffirait au maintien de son intérêt; elle cite à tort l' art. 21 PCF (RS 273) (et Spühler, Die Praxis der staatsrechtlichen Beschwerde, Berne 1994, par. 79), disposition qui concerne l'influence de la litispendance sur la compétence formelle du tribunal, mais non sur l'existence d'un intérêt au recours. Elle soutient également que le grief relatif au déni de justice formel devrait être examiné même si la course a déjà eu lieu; elle perd de vue cependant qu'en dépit de la nature formelle du droit d'être entendu, l'invocation de ce droit n'est plus recevable lorsque, sur le fond, le recourant a perdu tout intérêt au recours. Les art. 6 et 13 CEDH ne donnent pas nécessairement, à eux seuls, un droit à un jugement de constatation de la part du Tribunal fédéral; l'exigence d'un intérêt actuel et pratique fait partie des conditions auxquelles peut être soumis, en droit national, l'exercice d'un "droit de recours effectif" (CourEDH, arrêt Geouffre de la Pradelle c/ France du 16 décembre 1992, série A no 253-B, p. 41, par. 28). b) La recourante évoque la possibilité que la manifestation litigieuse se répète à l'avenir, et qu'une autorisation identique ou semblable soit délivrée. Il n'apparaît toutefois pas que l'organisateur envisage une nouvelle manifestation du même type dans un proche avenir; en particulier, une demande d'autorisation n'a pas été déposée dans ce sens. Par ailleurs, compte tenu des recommandations émises par le SA, et de la réserve exprimée par l'OFEFP, il n'est pas certain qu'une nouvelle manifestation, si elle est autorisée, le soit aux mêmes conditions. De toute façon, la seule possibilité d'une répétition de la manifestation ne suffirait pas à justifier l'intérêt d'un recours dirigé contre une décision déjà exécutée. La recourante pourra, si une nouvelle demande d'autorisation est déposée, recourir à nouveau, le cas échéant jusqu'au Tribunal fédéral. c) Il pourrait certes en aller autrement s'il était à redouter que, comme cela s'est effectivement produit, la cour cantonale statue dans un délai qui ne permette pas au Tribunal fédéral de statuer avant la manifestation; dans un tel cas, un contrôle par le Tribunal fédéral ne serait jamais possible et cela justifierait qu'il soit entré en matière sur le présent recours ( ATF 111 Ib 56 consid. 2b). En l'espèce toutefois, BGE 123 II 285 S. 288 la décision attaquée n'est pas, de par sa nature même, de celles qui ne pourraient pas être soumises à l'autorité de recours avant de perdre leur actualité. Compte tenu des actes d'instruction qui sont maintenant en main des autorités cantonales (notamment les rapports de la société E. et du Service cantonal de lutte contre les nuisances), une nouvelle procédure de recours pourrait sans doute être traitée beaucoup plus rapidement que cela ne fut le cas en l'espèce, et le Tribunal fédéral serait à même de statuer à temps. Dans cette perspective, il convient de rendre attentif l'organisateur au fait qu'une éventuelle nouvelle demande d'autorisation devrait être déposée suffisamment tôt, afin de permettre, le cas échéant, un contrôle effectif par les autorités de recours successives; en cas d'insuffisance d'un tel contrôle, notamment en cas d'intervention tardive de l'autorité judiciaire cantonale, le Tribunal fédéral pourrait être amené à envisager sérieusement l'admission d'une demande d'effet suspensif destinée à empêcher la manifestation avant qu'il ne soit statué sur le fond. 5. Lorsque le recours devient sans objet ou que les parties cessent d'y avoir un intérêt juridique, le tribunal déclare l'affaire terminée et statue sur les frais par une décision sommairement motivée, en tenant compte de l'état de choses existant avant le fait qui met fin au litige ( art. 72 PCF , par renvoi de l' art. 40 OJ ). Point n'est besoin en l'espèce de supputer le sort qu'aurait pu connaître le recours; en effet, les données déterminantes ont été principalement réunies après la manifestation litigieuse. Il se justifie donc de statuer sans frais ni dépens.
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Urteilskopf 113 II 402 71. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Juni 1987 i.S. V. gegen F. (Berufung)
Regeste Art. 216 Abs. 2 OR . Umfang des Beurkundungszwanges. Sowohl die objektiv wie die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte sind zu beurkunden. Objektive Nebenabreden fallen jedoch nur dann zufolge subjektiver Wesentlichkeit unter den Formzwang, wenn sie ihrer Natur nach unmittelbar den Kaufrechtsvertrag betreffen, d.h. das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung berühren (E. 2a). Ein zu marktüblichen Bedingungen gewährtes Darlehen muss nicht öffentlich beurkundet werden, auch wenn dessen Hingabe einen entscheidenden Beweggrund für den Abschluss des Kaufrechtsvertrages gebildet hat (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 402 BGE 113 II 402 S. 402 A.- Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 1. Juni 1981 räumte F. dem V. ein bis zum 15 März 1986 befristetes Kaufrecht BGE 113 II 402 S. 403 an einer Liegenschaft ein. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von Fr. 8,5 Mio. verurkundet, zu tilgen durch Übernahme der Grundpfandschulden bei Ausübung des Rechtes und Barzahlung des Restbetrages. Eine weitere Klausel des Kaufrechtsvertrages bestimmte, dass ein allfälliges Darlehen des Berechtigten oder einer ihm nahestehenden Firma an den Verkäufer mit dem Kaufpreis verrechnet werde. Am selben Tag, am gleichen Ort und in Anwesenheit der nämlichen Personen schlossen die Parteien überdies einen schriftlich abgefassten Darlehensvertrag, in welchem sich V. zur Hingabe von Fr. 8 Mio. an F. und dieser zur Verzinsung derselben mit 5 Prozent pro Jahr - dem damals üblichen Hypothekarzinssatz - verpflichtete. Das Darlehen sollte bis zum 15. März 1986 dauern, jedoch vorzeitig endigen, sofern "diese Darlehenssumme unter den Parteien gemäss separatem Vertrag vor Ablauf der vorerwähnten festen Dauer verrechnet werden" könne. Zur Sicherung des Darlehens bestellten die Parteien auf der Liegenschaft des F. eine Grundpfandverschreibung im Nachgang zu den bestehenden Pfändern. Durch die Gewährung dieses Darlehens sollten Differenzen über die Höhe des Kaufpreises bereinigt werden, da F. sich erhoffte, bei günstiger Anlage der Darlehensmittel zusätzliche Einkünfte zu erzielen. B.- Mit Klage vom 23. November 1984 beantragte F., es sei festzustellen, dass der Kaufrechtsvertrag nichtig und unverbindlich sei. Er machte u.a. Formungültigkeit mangels öffentlicher Beurkundung des Darlehensvertrages geltend. V. widersetzte sich der Klage und übte das Kaufrecht fristgerecht aus. Mit Urteil vom 3. Dezember 1985 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Demgegenüber erkannte das Kantonsgericht im Entscheid vom 3. Dezember 1986 auf Nichtigkeit von Kaufrechts- und Darlehensvertrag mangels umfassender öffentlicher Beurkundung und verwarf gleichzeitig die Einrede des Rechtsmissbrauchs. C.- Mit Berufung beantragt V. dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes aufzuheben und die Klage abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss Art. 216 Abs. 2 OR bedarf ein Vertrag, durch den ein Kaufrecht an einem Grundstück begründet wird, zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung. Wie diese vorzunehmen ist, bestimmt das kantonale Recht (Art. 55 Abs. 1 SchlT/ZGB). BGE 113 II 402 S. 404 Der Begriff der öffentlichen Beurkundung ist jedoch ein solcher des Bundesrechts, welches auch den Umfang des Formzwanges bestimmt ( BGE 106 II 147 ; GAUCH, in: Baurecht 1986, S. 81). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes und der herrschenden Lehre fallen dabei sowohl die objektiv als auch die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte unter die Formvorschrift des Grundstückkaufvertrages ( BGE 106 II 148 ; BGE 95 II 310 ; MEIER-HAYOZ, N 84 ff. zu Art. 657 ZGB ; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N 28 zu Art. 11 OR ; a.M. HAAB, N 16 ff. zu Art. 657 ZGB , welcher nur die objektiv wesentlichen Punkte dem Beurkundungszwang unterstellen will). Allerdings folgt daraus nicht, dass der Formzwang sich auf sämtliche Punkte erstreckt, die für den Abschluss des in Frage stehenden Vertrages wesentlich sind (so zum Beispiel LIVER, Schweizerisches Privatrecht V/1 S. 136 f.). Denn wie die jüngere Lehre richtig differenziert, sind mit den wesentlichen Vertragspunkten, die der Form bedürfen, nur solche Abmachungen gemeint, die ihrer Natur nach unmittelbar den Inhalt des Grundstückkaufvertrages betreffen (CAVIN, SPR VII/1, S. 131; GAUCH, a.a.O., S. 82; BRÜCKNER, ZBGR 64/1983 S. 65 ff., 79). Dies ist auch die Meinung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 90 II 37 ). Der Formzwang erstreckt sich bloss auf Abmachungen im Rahmen des Kaufvertrages, nicht auf sonstige Übereinkünfte, auch wenn für die Parteien der Bestand der einen Abrede conditio sine qua non für die Zustimmung zur zweiten darstellt ( BGE 107 II 216 , Nr. 29; BGE 78 II 439 ; GAUCH a.a.O.; SCHMIDLIN, N 102 zu Art. 11 OR ). Objektive Nebenabreden fallen mithin nur dann zufolge subjektiver Wesentlichkeit unter den Formzwang, wenn sie ihrer Natur nach vom Rahmen eines Kaufvertrages erfasst werden. Dabei müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Einerseits muss die eingegangene Verpflichtung ihren Rechtsgrund in einem Anspruch haben, der nicht ausserhalb des natürlichen Inhalts der Vereinbarung steht, indem das Versprochene die Gegenleistung für den Preis oder für die Überlassung des Eigentums darstellt. Anderseits muss die Verpflichtung in den Rahmen eines Kaufvertrages fallen, die rechtliche Situation der Kaufsache beeinflussen und unmittelbar den Geschäftsinhalt betreffen ( BGE 90 II 37 f.). Formbedürftig sind daher von vorneherein nur Abreden, welche das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des Kaufvertrages berühren. Es genügt nicht, wenn die eine Verpflichtung bloss Anlass zur andern ist, zwei Verträge beispielsweise in kausaler Abhängigkeit zueinander BGE 113 II 402 S. 405 stehen (SCHMIDLIN, a.a.O.). Entscheidend ist die Einheit des Vertrages, welche sich allein nach dem Vertragsinhalt beurteilt und äussere Umstände und Abhängigkeiten unberücksichtigt lässt. Sie wird nicht dadurch begründet, dass das eine Geschäft für den Abschluss des anderen kausal gewesen ist oder beide gleichzeitig vereinbart worden sind. (WEISS, Die Rechtsverhältnisse beim gemischten Vertrag nach schweizerischem Obligationenrecht, S. 30). b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bejahte den Formzwang für vertragliche Parzellierungs- und Überbauungsvorschriften, welche das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussten ( BGE 68 II 232 ff.), oder für eine Bauverpflichtung auf dem Kaufgegenstand ( BGE 90 II 37 ff.), verneinte ihn dagegen für selbständige Provisionsversprechen ( BGE 78 II 437 ff.), für die Vergütung eines Kaufauftrages ( BGE 86 II 36 ff.), für die unentgeltliche Zuwendungskomponente im Rahmen einer gemischten Schenkung ( BGE 101 II 60 ff.) oder für werkvertragliche Absprachen, sofern sie nicht in den Rahmen des Kaufvertrages fallen ( BGE 107 II 216 Nr. 29). Im gleichen Sinne verneinte die kantonale Praxis den Beurkundungszwang für einen Kaufvertrag über Geschäftsinventar, obwohl dieser in engem Zusammenhang mit einem Grundstückkaufvertrag stand (ZBGR 57/1976 S. 16 ff.). c) Im vorliegenden Fall hat das Darlehen das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des bedingten Kaufvertrages nicht berührt. Insbesondere ist es zu marktüblichen Bedingungen gewährt worden, was die Annahme ausschliesst, der Darleiher habe durch einen tiefen Zinssatz eine zusätzliche Leistung im Rahmen des Kaufvertrages erbracht. Die Hoffnung des Borgers, gegebenenfalls durch geschickte Geldanlage seinerseits einen höheren Zins zu erwirtschaften, berührt die Gegenleistung des Käufers nicht, da sie ausserhalb jeder kaufrechtlichen Zuwendung steht. Die beiden Verträge sind zudem nicht in dem Sinn gegenseitig voneinander abhängig gemacht worden, dass der eine ohne den andern nicht gelten sollte. Dass der Abschluss des einen Beweggrund für den andern gewesen ist, genügt nach dem Gesagten nicht, beide dem Beurkundungszwang zu unterstellen. Ebensowenig reicht hiefür die Verrechnungsmöglichkeit der Darlehensschuld mit der Kaufpreisforderung aus. Schliesslich sind Formvorschriften (in favorem negotii) eng auszulegen ( BGE 89 II 191 ; GAUCH, a.a.O., S. 82). Dadurch soll im Interesse der Rechtssicherheit eine zweckwidrige Ausdehnung des Formzwanges vermieden werden. BGE 113 II 402 S. 406 Würde im vorliegenden Falle der Formzwang auf den Darlehensvertrag ausgedehnt, hätte dies für eine Reihe vergleichbarer Vertragskoppelungen entsprechende Auswirkungen. Übernimmt beispielsweise der Grundstückskäufer die bestehenden Mietverträge ( Art. 259 Abs. 1 OR ), müssten bei extensiver Anwendung der Formvorschriften nicht nur die Übernahme der Verträge, sondern auch deren Inhalte öffentlich beurkundet werden. Oder wird - ähnlich dem vorliegenden Falle aber im umgekehrten Sinne - ein Darlehen durch ein Kaufrecht gesichert, wäre nicht nur der Sicherungszweck, sondern auch der Inhalt des Darlehensvertrages öffentlich zu beurkunden, eine Formstrenge, die in den genannten Fällen bisher weder praktiziert noch gefordert worden ist. Aus all diesen Gründen fällt der Darlehensvertrag nicht unter den Formzwang. Das angefochtene Urteil ist mithin aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, welche auch die übrigen Einwände des Klägers gegen die Gültigkeit des Kaufrechtsvertrages zu beurteilen haben wird.
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Urteilskopf 103 Ia 31 7. Auszug aus dem Urteil vom 30. März 1977 i.S. Stockwerkeigentümergemeinschaft Schwanensee gegen Einwohnergemeinde Engelberg und Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
Regeste Art. 4 und 22ter BV : Kanalisationsanschlussgebühr. 1. Legitimation der Stockwerkeigentümergemeinschaft zur staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1c). 2. Das Bundesgericht nimmt keine Substitution der Begründung vor, wenn der dafür erhebliche Sachverhalt im kantonalen Verfahren nicht beweismässig festgestellt wurde (E. 3a). 3. Stehen dem unentgeltlichen Kanalisationsanschlussrecht gleichwertige Leistungen des Pflichtigen gegenüber, liegt kein Abgabevergünstigungsvertrag vor. Verhältnis des Vertrages zu einem später erlassenen Kanalisationsreglement (E. 2). 4. Welche Auswirkungen haben veränderte tatsächliche Verhältnisse auf den Bestand öffentlich-rechtlicher Verträge? (E. 3b).
Sachverhalt ab Seite 32 BGE 103 Ia 31 S. 32 Am 27. Oktober 1953 und am 14. Januar 1955 schloss Otto Bolli sel., Baumeister und Eigentümer der Parzellen Nr. 135, 378 und 379 in Engelberg, mit der Einwohnergemeinde Engelberg zwei Verträge. Otto Bolli verpflichtete sich, eine Kanalisationsleitung zu erstellen und einen Drittel der Kosten selber zu übernehmen, der Gemeinde ein unentgeltliches Kanalisationsdurchleitungsrecht durch die Parzelle Nr. 135 einzuräumen, sowie 1600 m2 Land zur Erstellung einer Gemeindestrasse (Strassenparzelle Nr. 806) unentgeltlich abzutreten. Als Gegenleistung sollten die Parzellen Nr. 135 und 378 von den Kanalisationsanschlussgebühren befreit sein. Für den Fall, dass einzelne Grundstücke von den beiden Parzellen abgetrennt würden, sollte die Gebührenbefreiung auch für diese gelten. Das unentgeltliche Kanalisationsanschlussrecht wurde als Dienstbarkeit zu Gunsten der Parzellen Nr. 135 und 378 und zu Lasten der Strassenparzelle Nr. 806 ins Grundbuch eingetragen. In der Folge wurde eine Parzelle (neu Nr. 1203) im Halte von 1093 m2 aus den Grundparzellen Nr. 135 oder 378 herausgelöst und am 25. August 1967 die Baubewilligung zur Erstellung einer Stockwerkbaute erteilt. Der Anschluss dieser Parzelle an die Kanalisation erfolgte 1967/8. Spätestens seit dem 11. September 1970 befindet sich die Parzelle Nr. 1203 im Eigentum der Stockwerkeigentümergemeinschaft Schwanensee. Unter diesem Datum liegt ein Auszug aus dem Grundbuch bei den Akten, welcher zu Gunsten dieser Parzelle und zu Lasten der Parzelle "umschr. D. 410" - offenbar handelt BGE 103 Ia 31 S. 33 es sich um die frühere Strassenparzelle Nr. 806 - ein unentgeltliches Kanalisationsanschlussrecht enthält. Am 30. Juli 1974 veranlagte die Einwohnergemeinde Engelberg die Stockwerkeigentümergemeinschaft Schwanensee für eine Kanalisationsanschlussgebühr von Fr. 33'039.60. Auf Beschwerde der Stockwerkeigentümergemeinschaft Schwanensee ermässigte der Regierungsrat die Gebühr um Fr. 6'400.-- und setzte sie neu auf Fr. 26'639.60 fest. Die gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden mit Urteil vom 1. September 1976 ab, soweit es auf sie eintrat. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft Schwanensee führt gegen dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde; sie rügt eine Verletzung der Eigentumsgarantie und Willkür. Das Verwaltungsgericht und die Einwohnergemeinde Engelberg beantragen Abweisung der Beschwerde, letztere, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. c) Nach Art. 712 l Abs. 2 ZGB kann die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer unter ihrem Namen klagen und betreiben sowie am Orte der gelegenen Sache beklagt und betrieben werden. Sie muss grundsätzlich auch zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert sein. Da die Stockwerkeigentümergemeinschaft Schwanensee durch das Urteil des Verwaltungsgerichts in ihren Rechten getroffen wird ( Art. 88 OG ), ist sie zur Beschwerdeführung legitimiert. 2. Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien und des Verwaltungsgerichts kamen die Vereinbarungen zwischen Otto Bolli und der Einwohnergemeinde Engelberg vom 27. Oktober 1953 und vom 14. Januar 1955 rechtsgültig zustande. Unbestritten ist auch, dass das als Dienstbarkeit zu Gunsten der Parzelle Nr. 1203 der Beschwerdeführerin und zu Lasten der Strassenparzelle der Gemeinde im Grundbuch eingetragene unentgeltliche Kanalisationsanschlussrecht grundsätzlich Rechtswirksamkeit entfaltet. Das Verwaltungsgericht vertritt aber die Rechtsauffassung, dass das unentgeltliche Anschlussrecht mit Inkrafttreten des Kanalisationsreglementes der Einwohnergemeinde Engelberg BGE 103 Ia 31 S. 34 vom 22. Mai 1966 (KR) dahingefallen sei, weil dieses das Rechtsverhältnis zwischen der Einwohnergemeinde Engelberg und den Anschliessern abschliessend regle; es bestehe kein Raum mehr für rechtsgeschäftlich vereinbarte Abweichungen vom Reglement; das Gebot der rechtsgleichen Behandlung der Rechtsunterworfenen verbiete die Privilegierung einzelner Anschliesser. Die Beschwerdeführerin sieht in der Nichtbeachtung der dienstbarkeitlich gesicherten Vereinbarungen eine Verfassungsverletzung. a) Die Vereinbarungen zwischen Otto Bolli und der Einwohnergemeinde Engelberg betreffen unmittelbar die Erfüllung einer öffentliche Aufgabe, nämlich die Bereitstellung der Gemeindekanalisation und den Bau einer Gemeindestrasse; sie sind deshalb öffentlich-rechtlicher Natur ( BGE 96 I 541 mit Hinweisen). Der Umstand, dass die Vereinbarungen grundbuchlich gesichert wurden, vermag daran nichts zu ändern; der Rechtsgrund für Grundbucheinträge kann durchaus öffentlich-rechtlicher Natur sein, wie die häufigen Beispiele der Begründung von Dienstbarkeiten auf dem Enteignungsweg zeigen. b) Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Abgabepflichtigen Vergünstigungen im Grundsatz nur gewährt werden dürfen, wenn und soweit der betreffende Abgabeerlass es zulässt, denn Rechtsgeschäfte öffentlich-rechtlicher Natur sind nur möglich und gültig, soweit das Gesetz für sie Raum lässt ( BGE 86 II 78 ; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung I, S. 281/2, 387). Abgabevergünstigung bedeutet dabei, dass einem Abgabepflichtigen eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Sonderbehandlung gewährt wird, die ihm wirtschaftliche Vorteile bringt. Keine eigentlichen Abgabevergünstigungsverträge bilden deshalb die häufig vorkommenden Abmachungen über Strassenbeiträge oder Erschliessungsgebühren, sofern der Grundeigentümer Vorland für eine Strassenerweiterung unentgeltlich oder zu einem wesentlich unter dem Enteignungswert liegenden Preis abtritt und dafür keine Anstösserbeiträge zu entrichten hat (IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77/1958 II S. 188a). Es liegt kein Verstoss gegen die Rechtsgleichheit vor, wenn im Grunde keine privilegierende Vergünstigung sondern eine Verrechnung mit einer dem Abgabebetrag entsprechenden Sach- oder Dienstleistung des Pflichtigen anzunehmen ist. BGE 103 Ia 31 S. 35 Bei den Vereinbarungen aus dem Jahre 1953 und 1955 handelte es sich - jedenfalls im Zeitpunkt des Vertragsschlusses - nicht um Abgabevergünstigungsgeschäfte. Dem unentgeltlichen Kanalisationsanschlussrecht entsprachen erhebliche Leistungspflichten. Die vertraglichen Leistungen der Parteien waren offenbar als gleichwertig betrachtet worden. Die Verträge wurden mit dem Erlass des KR nicht ungültig; sie hätten auch nach dem Inkrafttreten des KR abgeschlossen werden dürfen und können daher fortbestehen. c) Gültig begründete subjektive öffentliche oder private Rechte fallen aber selbst dann nicht eo ipso dahin, wenn eine gesetzliche Regelung geschaffen wird, mit der sie sich nicht vertragen (IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77/1958 II S. 100a ff.; GYGI, Verwaltungsrecht und Privatrecht, Bern 1956, S. 53 f.; BGE 91 II 342 E. 4a). Selbst wenn es sich um einen seinerzeit gültig begründeten Abgabevergünstigungsvertrag handeln würde, genösse er den Schutz der wohlerworbenen Rechte ( BGE 94 I 448 mit Hinweisen); der Schutz ist umsomehr gerechtfertigt, wenn es sich um eine vertragliche Regelung mit gleichwertigen Leistungen handelt. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Ablösung dieser Rechte auf dem Weg der formellen Enteignung stattzufinden hat (IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77/1958 II S. 101a) oder ob die Abgabebefreiung nicht besser oder einfacher solange weiterdauern soll, als das Recht nach richtiger Auslegung Geltung beanspruchen kann. Eine Ablösung würde eine formelle Enteignung voraussetzen und damit grundsätzlich vorgängige Entschädigung bedingen ( BGE 93 I 143 ; vgl. auch 102 Ib 173). In diesem Fall kann das Recht erst mit der Festsetzung und Leistung der Entschädigung untergehen. Nach diesen Ausführungen ist die vom Verwaltungsgericht vorgetragene Begründung seines Urteils nicht haltbar. Das gültig begründete Rechtsverhältnis ist mit dem Inkrafttreten des KR nicht eo ipso untergegangen. 3. Die Einwohnergemeinde Engelberg hatte bereits im kantonalen Verfahren ausgeführt und macht auch in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht geltend, die kommunale Leistung des Jahres 1955 habe im Bau von zwei Abwasserkanälen (I und II) bestanden. Das unentgeltliche Anschlussrecht an diese beiden Kanäle sei als Entgelt für die Abtretung des Landstücks, für die Einräumung des unentgeltlichen BGE 103 Ia 31 S. 36 Durchleitungsrechts sowie für die Übernahme eines Drittels der Baukosten des durch Otto Bolli errichteten Abwasserkanals zu betrachten. Kanal II, der die ungereinigten Abwässer in den Erlenbach abgeleitet habe, sei aus gewässerpolizeilichen Gründen längst aufgehoben worden, so dass diesbezüglich die Vereinbarung und die Dienstbarkeit gegenstandslos geworden seien. Diese bezögen sich nur noch auf Kanal I, wie er vor 20 Jahren gebaut worden sei. Kanal I führe aber heute nur mehr in den neuerstellten Kanal 85 - 85a - 85b, welcher die Abwässer durch die Klosterstrasse in die zentrale Abwasserreinigungsanlage leite. Nach einem Kanalisationsreglementsentwurf, der jedoch nie in Kraft getreten sei, hätte nach Auffassung der Gemeinde Engelberg die Anschlussgebühr an den vor 20 Jahren erstellten Kanal Fr. 6'400.-- betragen. Dieser Betrag sei von der in Rechnung gestellten Anschlussgebühr von Fr. 33'039.60 in Abzug gebracht und die Gebühr somit auf Fr. 26'639.60 festgesetzt worden. Im übrigen werde durch die Überbauung mit Stockwerkeinheiten eine viel grössere Abwassermenge in das Kanalisationsnetz eingeführt, als im Jahre 1955 vorauszusehen gewesen sei. Es sei aber nie der Wille der Parteien gewesen, für alle Zeiten und ungeachtet der künftigen Entwicklung eine Gebührenfreiheit zu vereinbaren. a) Das angefochtene Urteil enthält keine urteilsmässigen Feststellungen darüber, wie das Abwasser mittels der anscheinend vor rund 20 Jahren erstellten Kanalisationen aus den Liegenschaften des Otto Bolli abgeleitet wurde und wie das nun mit den Abwässern der Stockwerksbaute geschieht. Ob die Darstellung der Einwohnergemeinde Engelberg zutrifft, dass der Kanal II - nach den Plänen zu schliessen der Hauptkanal - nicht mehr existiert, kann dem kantonalen Urteil nicht entnommen werden. Ebensowenig kann als bewiesener Sachverhalt gelten, dass der von Otto Bolli erstellte Zuleitungskanal I nunmehr in einen neuen Kanal führt, welcher die Abwässer in die Reinigungsanlage leitet. Ferner kann nicht als erwiesen gelten, dass die Abwasserreinigungsanlage gebaut und in Betrieb ist. Wenn Sachverhaltsfeststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts weitgehend fehlen, kann es nicht Sache des Bundesgerichts als Kassationsbehörde sein, den Tatbestand für eine möglicherweise substituierbare Begründung beweismässig abzuklären, wie gross auch die BGE 103 Ia 31 S. 37 Wahrscheinlichkeit ist, dass die Ausführungen der Gemeinde richtig sind (vgl. Art. 2-6 KR; BGE 96 I 528 ). b) Sollte sich der Sachverhalt, wie er von der Gemeinde dargestellt wird, als richtig erweisen, wären die öffentlichrechtlichen Vereinbarungen von 1953 und 1955 auf die Frage hin auszulegen, ob sich die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien nur auf die damals bestehenden und geplanten Verhältnisse bezog oder ob die zukünftige Entwicklung im verwirklichten Umfang berücksichtigt wurde und werden konnte. Es wäre auf Grund einer sorgfältigen Auslegung der Vereinbarungen und unter Anwendung der Regeln über die clausula rebus sic stantibus zu entscheiden, ob sich eine Änderung oder Aufhebung der Verträge rechtfertige (vgl. dazu auch GRÄTZER, Die clausula rebus sic stantibus beim öffentlich-rechtlichen Vertrag, Diss. Zürich 1953, insb. S. 84 ff.). Jedenfalls ist die staatsrechtliche Beschwerde insoweit unbegründet, als sie annimmt, dass wegen des vor mehr als 20 Jahren begründeten unentgeltlichen Anschlussrechts unter allen Umständen ausgeschlossen sei, dass die Beschwerdeführerin mit Anschlussgebühren belastet werden dürfe. Auch ein im Grundbuch eingetragenes unentgeltliches Anschlussrecht vermag veränderten Verhältnissen nicht in jedem Fall zu widerstehen.
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Urteilskopf 84 II 415 55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Oktober 1958 i.S. Vogt gegen Vogt.
Regeste Ehescheidung; Entschädigungsrente der schuldlosen Ehefrau gemäss Art. 151 ZGB für Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs. Bewertung dieses Verlustes: a) Höhe des der Frau in der Ehe zukommenden Anteils am Einkommen des Mannes; b) Anrechnung des Verdienstes, den die geschiedene Frau mit ihrer nun freigewordenen Arbeitskraft erzielen kann.
Sachverhalt ab Seite 416 BGE 84 II 415 S. 416 Die Vorinstanz sprach die Scheidung der kinderlosen Ehe der Parteien nach vierjähriger Dauer auf Begehren der Frau aus, auferlegte dem Manne ein Eheverbot von einem Jahr und verurteilte ihn zur Leistung einer monatlichen Rente von Fr. 200.-- gemäss Art. 151 ZGB sowie einer Genugtuungssumme von Fr. 500.--. Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Mann, die Scheidung sei auf sein Begehren wegen tiefer Zerrüttung aus objektiven Gründen auszusprechen und die Unterhaltsrente auf die Dauer von zwei Jahren zu beschränken. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist die Berufungsbeklagte als schuldlos zu betrachten, sodass sie auf eine Entschädigung nach Art. 151 Abs. 1 ZGB Anspruch erheben kann, sofern ihre Vermögensrechte oder Anwartschaften durch die Scheidung beeinträchtigt werden. Als solche Beeinträchtigung kommt hier nach den Feststellungen der Vorinstanz nur der Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs in Betracht. Dieser Verlust stellt indessen nur insoweit einen nach Art. 151 Abs. 1 ZGB zu ersetzenden Schaden dar, als er nicht durch die von der Ehefrau infolge der Scheidung zurückgewonnene Handlungsfreiheit und die damit gegebene Möglichkeit eigenen Erwerbes ausgeglichen wird. Diesen im Schadenersatzrecht allgemein geltenden Grundsatz der Vorteilsausgleichung hat das Bundesgericht als auch bei der Beurteilung von Unterhaltsansprüchen aus Art. 151 Abs. 1 ZGB anwendbar erklärt ( BGE 60 II 396 , BGE 79 II 131 f.). Die Vorinstanz stellt BGE 84 II 415 S. 417 nun fest, dass die Berufungsbeklagte gegenwärtig als Bureauangestellte Fr. 450.-- verdient, und erklärt, dieser Verdienst ersetze den Unterhaltsverlust nicht vollständig, es rechtfertige sich daher, ihr eine Unterhaltsrente von Fr. 200.-- zuzusprechen. Damit wird implicite der Verlust des ehelichen Unterhaltes auf mindestens Fr. 650.-- bewertet, was offensichtlich unrichtig ist. Die Berufungsbeklagte selbst geht von einem Monatsverdienst des Mannes von ca. Fr. 1000.-- aus. Davon sind gewiss nicht 2/3 ihr als Ehefrau zugekommen, sondern erfahrungsgemäss höchstens etwas mehr als 1/3. InBGE 60 II 396hat das Bundesgericht den der Ehefrau entgehenden Unterhalt bei einem Monatseinkommen des Mannes von Fr. 800.-- auf Fr. 300.-- bewertet. Bei Anwendung dieser Proportion auf den vorliegenden Fall ergibt sich ein Verlust der Ehefrau in Höhe von Fr. 375.--, der durch ihr heutiges Einkommen nicht nur gedeckt, sondern übertroffen wird. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass der gegenwärtige Verdienst der Berufungsbeklagten sich an der untern Grenze dessen befindet, was heute einer 26 Jahre alten Büroangestellten bei guter Leistung bezahlt zu werden pflegt. Die Berufungsbeklagte kann und wird in nächster Zukunft nach aller Wahrscheinlichkeit noch mehr verdienen als Fr. 450.-- monatlich. Die Zusprechung einer Entschädigungsrente auf Lebenszeit widerspricht mithin dem Sinn des Art. 151 Abs. 1 ZGB ; und eine Rente nach Art. 152 fällt von vornherein ausser Betracht, da die Berufungsbeklagte nicht in grosse Bedürftigkeit gerät. Eine auf zwei Jahre beschränkte Übergangsrente von monatlich Fr. 200.--, wie sie der Berufungskläger versprochen hat, erscheint als hinreichende Entschädigung. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: In teilweiser Gutheissung der Berufung wird Dispositiv 4 des angefochtenen Urteils dahin abgeändert, dass der Berufungskläger bei seiner Erklärung behaftet wird, der Berufungsbeklagten für die Dauer von zwei Jahren vom BGE 84 II 415 S. 418 heutigen Tage an eine monatliche Rente von Fr. 200.-- zu bezahlen, und das Begehren der Berufungsbeklagten auf weitergehende Rentenleistungen abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 27. November 1957, soweit angefochten, bestätigt.
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Urteilskopf 106 Ib 270 39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. September 1980 i.S. A. gegen Oberzolldirektion Bern und Eidg. Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Verfahren ( Art. 100 lit. h OG ). Eine Tarifierung im Sinne von Art. 100 lit. h OG liegt auch vor, wenn innerhalb einer Tarifnummer verschiedene Ansätze gelten und bloss streitig ist, welcher dieser Ansätze Anwendung findet.
Sachverhalt ab Seite 270 BGE 106 Ib 270 S. 270 Am 5. Oktober 1976 meldete A. im Auftrag der Firma G. Grossenbacher A.G. dem Zollamt Basel-Bad. Bahnhof-Frachtgut die Einfuhr von Scheinwerfern für Automobile aus den Niederlanden zum Tarif Nr. 8509.01 zur Verzollung an, und zwar zum EWG-Präferenzansatz von Fr. 30.-- je 100 kg. Bei der Revision der Sendung am 6. Oktober 1976 stellte das Zollamt fest, dass in den Einzelverkaufspackungen jeweils neben zwei Reflektorengehäusen und einem Kippschalter "made in England" zwei Halogenbirnen aus der DDR enthalten waren. Es verzollte deshalb die Sendung mit Zollquittung vom 8. Oktober 1978 definitiv zum Normaltarif Nr. 8509.01 von Fr. 150.-- je 100 kg. Mit Entscheid vom 25. August 1978 schützte die Eidg. Zollrekurskommission diese Veranlagung. Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde BGE 106 Ib 270 S. 271 A.s gegen diesen Entscheid nicht ein aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen eine Verfügung einer eidg. Rekurskommission und ist somit nach Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 lit. e OG zulässig, sofern dieses Rechtsmittel nicht durch eine der Ausnahmebestimmungen der Art. 99 ff. OG ausgeschlossen wird. Nach Art. 100 lit. h OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Zölle unzulässig gegen Verfügungen über deren Veranlagung, soweit diese von der Tarifierung oder von der Gewichtsbemessung abhängt. Diese Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass die Tarifierung und Gewichtsbemessung in Zollsachen für eine Überprüfung durch das Bundesgericht nicht geeignet sind. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist deshalb ausgeschlossen, wenn die angefochtene Verfügung der Zollbehörden ausschliesslich die Tarifierung oder Gewichtsbemessung zum Gegenstand hat (BGE 101 Ib E. 1) und der Entscheid über die Zollveranlagung nicht (auch) von anderen Fragen abhängt ( BGE 102 Ib 228 E. a mit Hinweis, vgl. auch unveröffentlichtes Urteil A.W. vom 1. April 1976 E. 1). Dies trifft hier zu. Gegenstand des Rechtsstreites ist bloss die Frage, ob die importierten Scheinwerfer zu Recht zum Normaltarif der Position Nr. 8509.01 von Fr. 150.-- je 100 kg verzollt worden sind, oder ob entsprechend der Ansicht des Beschwerdeführers der EWG-Präferenz-Tarif von Fr. 30.-- je 100 kg hätte angewendet werden müssen. Der Entscheid über die Veranlagung hängt damit ausschliesslich davon ab, nach welchem dieser Tarife die vom Beschwerdeführer eingeführten Waren zu verzollen sind. Dass für die Bestimmung des anwendbaren Tarifs nicht nur auf die Tarifnummer des Zolltarifs (SR 632.10 und Ausführungserlasse) abzustellen ist, sondern das Protokoll Nr. 3 zum Abkommen vom 22. Juli 1972 mit der EWG (AS 1972 S. 3184) Anwendung findet, ändert daran nichts. Eine Tarifierung im Sinne von Art. 100 lit. h OG liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn entschieden werden muss, unter welcher Tarifnummer die zu verzollende Ware aufgeführt ist, sondern auch dann, wenn innerhalb derselben Nummer verschiedene Tarifansätze gelten und bloss fraglich ist, welcher BGE 106 Ib 270 S. 272 dieser Ansätze Anwendung findet. Hängt aber damit der Entscheid über die Zollveranlagung im vorliegenden Fall ausschliesslich von der zutreffenden Tarifierung im Sinne von Art. 100 lit. h OG ab, so ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach dieser Bestimmung unzulässig. Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden.
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Urteilskopf 119 II 353 73. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 30 septembre 1993 dans la cause dame M. contre C. S.A. (recours en réforme)
Regeste Missbräuchliche Bedingungen der Untermiete ( Art. 262 Abs. 2 lit. b OR ). 1. Um festzulegen, ob der für die Untermiete eines in einer Wohnung gelegenen Zimmers verlangte Mietzins missbräuchlich ist, rechtfertigt es sich, ihn mit dem Zins pro Zimmer zu vergleichen, berechnet auf der Grundlage des hauptsächlichen Mietzinses und gegebenenfalls berichtigt aufgrund besonderer Umstände (möbliertes Zimmer, beschränkter Zugang zur Küche, usw.) (E. 5). 2. Eine Differenz von 30% zwischen diesen beiden Beträgen ist offensichtlich missbräuchlich und berechtigt den Vermieter, die Zustimmung zur Untermiete zu verweigern (E. 6). 3. Der Richter hat den zulässigen Betrag der Untermiete nicht im Urteilsdispositiv festzusetzen (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 354 BGE 119 II 353 S. 354 A.- C. S.A. loue à dame M. un appartement de quatre pièces et demie, cuisine non comprise. Le loyer mensuel s'élevait à 1'472 francs, plus 204 francs de charges, du 1er septembre 1990 au 31 août 1991 (première période); il a été porté à 1'575 francs du 1er septembre 1991 au 31 août 1993 (deuxième période), les charges restant identiques. En novembre 1990, la locataire a demandé à la bailleresse l'autorisation de sous-louer deux pièces meublées de son appartement. Selon les projets de contrat, les loyers prévus - y compris les charges afférentes à l'appartement - s'élevaient, durant la première période, à 500 francs pour l'une des chambres et à 550 francs pour l'autre et, durant la deuxième période, à 535 francs, respectivement 570 francs; les sous-locataires n'avaient pas accès à la cuisine, sauf pour se préparer du café, et ne disposaient pas du lave-linge. Estimant ces montants exagérés, C. S.A. a refusé l'autorisation de sous-louer. B.- Vu l'échec de la conciliation, dame M. a saisi le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève. Elle a conclu à ce que l'autorisation de sous-louer lui soit accordée aux conditions précitées; elle demandait en outre à pouvoir obtenir des sous-locataires le remboursement des charges mensuelles spécifiques à la sous-location (location d'un appareil téléphonique à prépaiement, électricité, nettoyage), soit, par chambre, 51 fr. 80 durant la première période et 57 francs pendant la deuxième période. Par jugement du 2 octobre 1991, le tribunal a nié le caractère abusif des loyers exigés des sous-locataires et autorisé dame M. à sous-louer les deux chambres aux conditions susmentionnées. Statuant le 9 octobre 1992 sur appel de la bailleresse, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a annulé la décision de première instance et qualifié d'abusifs les loyers demandés par dame M. C.- La locataire interjette un recours en réforme. Elle conclut, principalement, au renvoi du dossier à l'autorité cantonale et, subsidiairement, elle reprend les conclusions formulées en première instance. La bailleresse propose le rejet du recours dans la mesure où il est recevable. BGE 119 II 353 S. 355 Erwägungen Extrait des considérants: 4. La réglementation de la sous-location a été modifiée par les nouvelles dispositions régissant le bail à loyer entrées en vigueur le 1er juillet 1990. Alors que, sous l'ancien droit, le contrat de bail pouvait subordonner la sous-location au consentement du bailleur, ce dernier ne peut s'y opposer à présent que dans les trois hypothèses déterminées de l' art. 262 al. 2 CO , qui est de droit impératif (Message concernant la révision du droit du bail à loyer et à ferme du 27 mars 1985, FF 1985 I, p. 1424; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2e éd., p. 269; GUINAND/WESSNER, FJS no 360, p. 5). L' art. 262 al. 2 let. b CO autorise le bailleur à refuser la sous-location si ses conditions sont abusives par rapport à celles du bail principal. Que faut-il entendre par là? Le Tribunal fédéral n'a pas encore eu l'occasion de se prononcer sur cette question qui, apparemment, n'a pas fait non plus l'objet d'une jurisprudence cantonale publiée. Il convient donc d'interpréter cette disposition. 5. La loi s'interprète en premier lieu d'après sa lettre et son texte clair ( ATF 117 Ia 328 consid. 3a p. 331, ATF 114 Ia 25 consid. 3c p. 28, ATF 114 Ia 191 consid. 3b/aa p. 196, ATF 114 II 404 consid. 3 p. 406, ATF 113 II 406 consid. 3a p. 410). Toutefois, si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il faut alors rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires, du but de la règle, de son esprit ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales ( ATF 117 Ia 328 consid. 3a p. 331, ATF 114 Ia 191 consid. 3b/bb p. 106, ATF 114 II 353 consid. 1 p. 354, ATF 114 II 404 consid. 3 p. 406, ATF 113 II 406 consid. 3a p. 410 et les références citées). a) En premier lieu, il apparaît clairement que les "conditions abusives" dont il est question à l' art. 262 al. 2 let. b CO concernent essentiellement le montant du loyer proposé au sous-locataire (LACHAT, La sous-location, in SJ 1992, p. 476). A considérer le texte de la loi, il ressort également à l'évidence que, contrairement à la thèse soutenue par la demanderesse, l' art. 262 al. 2 let. b CO s'applique en cas de sous-location partielle, y compris lorsque la somme des "sous-loyers" ne dépasse pas le montant du loyer principal. En effet, l' art. 262 al. 1 CO mentionne expressément que le locataire peut sous-louer tout ou partie de la chose avec le consentement du bailleur et l'al. 2 de cette disposition n'opère aucune distinction entre les deux hypothèses. A vrai dire, du moment BGE 119 II 353 S. 356 que la loi accorde au bailleur un droit de regard sur les conditions de la sous-location et un droit de veto en cas d'abus, il n'y a pas de raison de traiter différemment les deux sortes de sous-location, les abus étant susceptibles de se produire dans un cas comme dans l'autre. Un autre point qui ne prête pas à discussion sur le vu du texte clair de la loi est l'élément de comparaison par rapport auquel le loyer de la sous-location s'apprécie: il s'agit du loyer principal. Il s'ensuit que les critères permettant de qualifier un loyer d'abusif ou non ( art. 269 ss CO ) ne sont pas valables pour déterminer si les conditions d'une sous-location sont abusives. Cette interprétation est du reste confirmée par le texte allemand qui utilise deux adjectifs certes proches, mais différents aux art. 262 al. 2 let. b et 269 CO ("missbräuchlich" et "übermässig"). La cour cantonale se méprend dès lors lorsqu'elle affirme que le bailleur peut s'opposer à la sous-location lorsque le "sous-loyer" ne respecte pas les dispositions du droit du bail relatives à la fixation du loyer admissible. Cette erreur est toutefois demeurée sans incidence en l'espèce puisque, après avoir posé le principe inexact, la Chambre d'appel n'en a pas tenu compte dans ses calculs et a bel et bien pris le loyer principal comme référence. b) Plus délicate est la question de savoir sur quelle base effectuer la comparaison en cas de sous-location partielle. En l'occurrence, la cour cantonale s'est fondée sur un loyer à la pièce. Ce critère est tout à fait admissible. Il est généralement utilisé, dans la méthode relative reprise du droit de la vente, pour réduire proportionnellement le loyer lorsqu'une pièce de l'appartement est affectée d'un défaut la rendant inhabitable (LACHAT/MICHELI, op.cit., p. 119; SVIT-Mietrecht Kommentar/USPI-Commentaire du bail à loyer, n. 15 ad art. 259d CO ; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, p. 98, n. 3.4; jugement du 4 décembre 1987 du Président du Tribunal de district de Rorschach, in mp 3/88, p. 108). Par ailleurs, il permet de tenir compte du fait que le sous-locataire a également accès aux parties communes de l'appartement (hall, corridor par exemple). Il sied ensuite de déterminer la manière de compter les pièces de l'appartement. Conformément à l'usage genevois, la Chambre d'appel a considéré la cuisine comme une pièce. Invoquant l' art. 253b al. 2 CO , la demanderesse tient cette pratique pour contraire au droit fédéral. La disposition citée exclut de la protection contre les loyers abusifs les logements de luxe de six pièces ou plus, cuisine non comprise; elle ne concerne donc pas le cas présent, même si elle est révélatrice de la manière de compter les pièces d'un appartement en Suisse, si l'on excepte le canton de Genève. La méthode appliquée BGE 119 II 353 S. 357 par la Chambre d'appel est défendable en l'espèce. En effet, la cuisine est réservée à la locataire, qui n'en concède l'usage aux sous-locataires que pour se préparer du café, élément que l'arrêt attaqué a pris en compte à raison de 5% du loyer d'une pièce. Dans des cas de ce genre, il apparaît toutefois plus judicieux de diviser le loyer principal par le nombre de pièces sans la cuisine, quitte à déduire ensuite un certain montant si le sous-locataire ne peut utiliser cette pièce (voir ci-dessous consid. 5c/cc). Le calcul du loyer par pièce s'effectuera donc en l'occurrence sur la base de quatre pièces et demie. c) Avant de procéder à la comparaison, il convient encore d'apporter, le cas échéant, des correctifs - à la hausse et/ou à la baisse - au loyer par pièce obtenu. Il est unanimement admis que le locataire peut prétendre à une rémunération pour les prestations supplémentaires fournies au sous-locataire, comme le mobilier par exemple (LACHAT/MICHELI, op. cit., p. 268; PORTNER, Wegleitung zum neuen Mietrecht, 2e éd., p. 77; SVIT-Mietrecht Kommentar/USPI-Commentaire du bail à loyer, n. 19 ad art. 262 CO ; LACHAT/STOLL, op.cit., p. 276). Les auteurs sont toutefois muets sur la façon de calculer le loyer afférent au mobilier, sauf BARBEY, qui propose de prendre en compte le prix de revient objectif du mobilier amorti sur une durée variant entre 4 et 15 ans, plus un intérêt à 5% du prix de revient et une prime de risque d'environ 15% (L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, p. 89). aa) La cour cantonale a accordé un supplément représentant 20% du loyer par pièce, soit 15% en raison de l'ameublement et du risque et 5% parce que la pièce était "bien meublée". Selon la demanderesse, les juges précédents auraient dû déterminer l'âge du mobilier, son prix de revient et sa durée d'amortissement; invoquant l' art. 64 OJ , elle demande que la cause soit renvoyée à l'autorité cantonale afin de compléter les constatations sur ce point. La partie qui entend obtenir le renvoi sur la base de l' art. 64 OJ doit démontrer que le fait omis est pertinent, qu'il a été régulièrement allégué devant les juridictions cantonales et que l'allégation était assortie d'une offre de preuve en bonne et due forme ( ATF 115 II 484 consid. 2a p. 485/486, ATF 111 II 471 consid. 1c p. 473, ATF 110 II 494 consid. 4 p. 497/498). En l'occurrence, la demanderesse ne prétend pas, ni ne prouve a fortiori qu'elle a apporté dans la procédure cantonale des éléments permettant d'apprécier la valeur du mobilier des chambres destinées à la sous-location. Sa demande de renvoi apparaît ainsi irrecevable. Au demeurant, l' art. 262 al. 2 let. b CO n'impose BGE 119 II 353 S. 358 pas au juge de fixer le loyer convenable, mais de déterminer s'il y a abus ou non. Dans cette optique, il est admissible, faute d'éléments plus précis à disposition, de recourir à la méthode schématique utilisée en l'espèce. Le calcul effectué par la cour cantonale à cet égard ne saurait être taxé de contraire au droit fédéral. bb) Les charges spécifiques à la sous-location (nettoyage, etc.) rentrent également parmi les correctifs liés à des prestations supplémentaires. La demanderesse ne conteste pas les montants retenus à ce titre dans l'arrêt attaqué. En revanche, il n'y a pas lieu, sauf exception, d'allonger la liste des paramètres à prendre en considération. En effet, comme déjà relevé, le juge n'a pas à fixer le montant de la sous-location avec une rigueur mathématique et dispose d'une certaine marge d'appréciation dans l'application de l' art. 262 al. 2 let. b CO . On ne saurait donc suivre la demanderesse lorsqu'elle entend compléter l'état de fait par des considérations sur l'emplacement des chambres destinées à la sous-location ou sur les différences existant entre elles. cc) En cas de sous-location partielle, il convient en outre de tenir compte de facteurs de réduction du loyer, comme, en l'espèce, l'absence de lave-linge et la jouissance très limitée de la cuisine. Il est à noter que ce dernier élément n'intervient que s'il n'a pas été pris en considération lors de la division du loyer principal par le nombre de pièces (voir ci-dessus consid. 5b). A ce propos, on peut partir de l'idée que la cuisine entre pour un quart environ dans l'utilité d'un appartement. En l'occurrence, cette proportion doit être quelque peu atténuée, car les sous-locataires ont la faculté de se préparer du café dans la cuisine de l'appartement. Tout bien considéré, la réduction à opérer en raison des deux éléments précités peut raisonnablement être estimée à 20%. dd) Le calcul du loyer mensuel par pièce, après prise en compte des prestations supplémentaires et des facteurs de réduction, aboutit aux résultats suivants: Première période Deuxième période - Loyer par pièce (y compris les charges afférentes à l'appartement) 372 fr. 45 395 fr. 35 - Prestations supplémentaires (+20%) + 74 fr. 50 + 79 fr. 10 - Accès très limité à la cuisine et absence de lave-linge (-20%) - 74 fr. 50 - 79 fr. 10 - Charges spécifiques à la sous-location + 51 fr. 80 + 57 fr. ----------- ----------- Total 424 fr. 25 452 fr. 35 BGE 119 II 353 S. 359 6. La comparaison du loyer mensuel par pièce ainsi calculé avec les montants exigés par la demanderesse se présente ainsi: Différence - Chambre no 1 en francs pourcentage Loyer demandé pour la première période: 551 fr. 80 127 fr. 55 30% Loyer demandé pour la deuxième période: 601 fr. 80 149 fr. 45 33% - Chambre no 2 Loyer demandé pour la première période: 592 fr. 167 fr. 75 40% Loyer demandé pour la deuxième période: 627 fr. 174 fr. 65 39% Il reste à déterminer si ces écarts sont abusifs au sens de l' art. 262 al. 2 let. b CO . a) La cour cantonale a jugé que le loyer exigé des sous-locataires devenait abusif dès qu'il dépassait le montant calculé par ses soins. Selon la demanderesse, cette manière de voir viole le droit fédéral, qui reconnaît le principe du rendement du "sous-loyer". b) En période de pénurie de logements, la sous-location tend à assurer une meilleure occupation des immeubles (CERUTTI, Der Untervertrag, p. 91). Elle a également été conçue pour rendre service au locataire (LACHAT, op. cit., in SJ 1992, p. 477). Si l'on se réfère au but de la sous-location et au texte de loi, rien n'indique que la sous-location peut revêtir un caractère lucratif. c) Dans le projet de modification des dispositions sur le bail à loyer présenté en 1985 par le Conseil fédéral, le refus du bailleur n'était admissible que si la sous-location présentait pour lui des inconvénients considérables (actuel art. 262 al. 2 let . c CO; Message précité, FF 1985 I, p. 1424 et 1489). La faculté de s'opposer à la sous-location en cas de conditions abusives a été introduite par les Chambres fédérales, sur proposition de la Commission du Conseil des Etats (BO 1988 CE 158); elle n'a donné lieu à aucune discussion ni commentaire particulier (BO 1988 CE 157/158; BO 1989 CN 508). Selon la doctrine, la mesure visait à combattre les abus en matière de loyer, en particulier dans le cas de logements sous-loués à des requérants d'asile ou à des travailleurs saisonniers et, plus généralement, à empêcher que des locataires ne fassent métier de la sous-location en profitant de la pénurie (LACHAT, op.cit., in SJ 1992, p. 472; cf. également CERUTTI, op.cit., p. 10, note de pied 20). Une idée sous-jacente était également que le bailleur qui se contentait d'un loyer raisonnable BGE 119 II 353 S. 360 pouvait se sentir floué en cas de sous-location à un loyer surfait (CERUTTI, op.cit., p. 125, n. 507). En conclusion, l'étude des travaux préparatoires ne fournit aucune indication concrète sur la notion de conditions abusives au sens de l' art. 262 al. 2 let. b CO . d) Partant de la constatation selon laquelle la sous-location peut constituer le délit d'usure ( art. 157 CP ), il est imaginable de se référer à la notion pénale du loyer usuraire (voir exemple in Droit du bail no 4/1992, p. 29, n. 34). Cette solution ne peut toutefois être retenue car, s'il avait voulu faire un parallèle avec le cas pénal, le législateur aurait utilisé le terme "usuraire", et non la formule plus modérée de "conditions abusives". Il faut donc en déduire qu'un loyer abusif n'est pas nécessairement usuraire. e) Sur la question de savoir si, en sous-louant, le locataire peut réaliser un bénéfice, les auteurs sont partagés. Pour ZIHLMANN (Das neue Mietrecht, p. 86) et LACHAT (op. cit., in SJ 1992, p. 477), l'intention du législateur d'interdire un gain intermédiaire est manifeste; tous deux admettent cependant qu'il est difficile de fixer la marge tolérable. Selon LACHAT/MICHELI, la sous-location ne devrait guère donner lieu à une prise de bénéfice (op.cit., p. 268) alors que LACHAT/STOLL reconnaissent la possibilité d'un gain modeste et d'un rendement approprié des investissements effectués par le locataire, tel le loyer versé à l'avance (op.cit., p. 276). D'après GUINAND/WESSNER (FJS no 360, p. 5), un loyer nettement supérieur au loyer principal, sans prestations supplémentaires, est abusif (idem, WESSNER, Le nouveau droit du bail à loyer, in 6e Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 1990, p. 16; traduction allemande in mp 3/1991, p. 124). Quant à PORTNER (op.cit., p. 77), il donne comme exemple d'abus le cas du locataire qui, sans prestations supplémentaires, sous-loue à 1'200 francs par mois l'appartement qu'il loue pour 1'000 francs. D'autres auteurs estiment que le locataire a le droit de réaliser un gain, en majorant le loyer principal d'un intérêt correspondant au risque que supporte le capital exposé, soit le cumul des loyers d'un terme de congé à l'autre (SVIT-Kommentar Mietrecht/USPI-Commentaire du bail à loyer, n. 19 ad art. 262 CO ; sous l'ancien droit, HÖCHLI, Der Untermietvertrag, thèse Zurich 1982, p. 74); l'intérêt pris en compte devrait être celui pratiqué par les banques pour leurs prêts (HÖCHLI, op.cit., p. 74). Dans cette perspective, des différences de l'ordre de 50% pourraient être qualifiées d'abusives, sous réserve d'investissements ou de prestations supplémentaires BGE 119 II 353 S. 361 (SVIT-Kommentar Mietrecht/USPI-Commentaire du bail à loyer, n. 20 ad art. 262 CO ). f) La question souffre de rester indécise en l'espèce. En effet, l' art. 262 al. 2 let. b CO limite le droit de veto du bailleur aux cas abusifs, ce qui, par définition, implique un écart important entre le loyer payé par le locataire et celui exigé du sous-locataire. Or, en tout état de cause, les différences oscillant entre 30 et 40% enregistrées en l'espèce sont manifestement abusives. Même la théorie du risque décrite ci-dessus ne saurait justifier un tel écart. La défenderesse pouvait dès lors légitimement s'opposer à la sous-location de deux pièces de l'appartement remis à bail à la demanderesse. L'arrêt attaqué doit être confirmé sur ce point. 7. L'action déduite de l' art. 262 al. 2 let. b CO porte exclusivement sur le bien-fondé du refus de la bailleresse de consentir à la sous-location. Par conséquent, en vertu du droit fédéral, la cour cantonale n'avait pas à fixer, dans le dispositif de l'arrêt, le loyer admissible des pièces que la locataire avait l'intention de sous-louer. Si elle entendait prévenir une nouvelle contestation entre les parties, la Chambre d'appel devait se borner à donner des indications dans les considérants de sa décision. Les paragraphes 4 et 5 du dispositif "au fond" de l'arrêt attaqué seront dès lors annulés.
public_law
nan
fr
1,993
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
128c4ca4-7d2c-43ce-9a62-7b624e4fc81d
Urteilskopf 111 Ia 101 19. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 10 mai 1985 dans la cause X. contre Tribunal cantonal du canton de Vaud (recours de droit public)
Regeste Art. 31 BV ; Ausübung des Anwaltsberufs. 1. Rechtliches Gehör im Verfahren betreffend Bewilligung zur Berufsausübung (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 2). 2. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei staatsrechtlicher Beschwerde eines Anwalts aus einem anderen Kanton gegen die Verweigerung einer generellen Berufsausübungsbewilligung (E. 3). 3. Polizeiliche Beschränkungen, denen die Kantone die Anwaltstätigkeit unterstellen können (E. 4). a) Voraussetzung des guten Leumunds (E. 5a). b) Hat die zuständige Behörde zu prüfen, ob die Voraussetzung des guten Leumunds im konkreten Fall gegeben ist, so kann sie das berufliche und ausserberufliche Verhalten des Gesuchstellers im Kanton, in dem er gewöhnlich seinen Beruf ausübt und dort, wo er bereits über eine allgemeine Berufsausübungsbewilligung verfügt, berücksichtigen (E. 5b und c).
Sachverhalt ab Seite 102 BGE 111 Ia 101 S. 102 A.- L'art 13 al. 1 de la loi vaudoise sur le barreau (ci-après: LB) prévoit que, s'il en est requis, le Tribunal cantonal, dans les limites fixées à l'art. 5 Disp. trans. Cst., inscrit au tableau des avocats le titulaire d'un brevet équivalent délivré par l'autorité compétente d'un autre canton. Selon l' art. 12 LB - auquel renvoie l' art. 13 al. 2 LB -, le requérant doit remplir les conditions suivantes: être de nationalité suisse (lettre a), avoir l'exercice des droits civils (lettre b), jouir d'une bonne réputation (lettre c), n'avoir encouru aucune condamnation à raison de faits contraires à la probité ou à l'honneur (lettre d). B.- Me X. est titulaire de la patente d'avocat dans le canton de Zurich depuis le 10 juillet 1974. Par lettre du 6 avril 1984, il a demandé au Tribunal cantonal vaudois son inscription au tableau des avocats du canton de Vaud. Parmi les divers documents produits à l'appui de cette requête, figurait une attestation du Tribunal supérieur du canton de Zurich, selon laquelle l'intéressé avait été l'objet, les 25 mars et 9 juin 1982, de deux suspensions professionnelles - respectivement de 4 et 1 mois - à titre de sanction disciplinaire. Pour donner suite aux demandes du président du Tribunal cantonal vaudois des 24 avril et 24 mai 1984, Me X. a déposé en copie les arrêts du Tribunal cantonal zurichois motivant les peines disciplinaires susmentionnées ainsi qu'un jugement de la Chambre des avocats bernois du 18 janvier 1982 prononçant une suspension professionnelle contre lui d'une durée de 10 mois. C.- Par décision du 10 juillet 1984, le Tribunal cantonal a refusé d'inscrire Me X. au tableau des avocats pratiquant dans le canton de Vaud. L'autorité cantonale a considéré que le requérant ne jouissait pas d'une bonne réputation "ni comme citoyen, ni comme avocat". Elle s'est fondée non seulement sur les diverses sanctions disciplinaires dont avait fait l'objet Me X. dans les cantons de Zurich et de Berne, mais également sur son comportement dans le canton de Vaud soit comme avocat, soit comme accusé; elle lui reprochait notamment sa participation à une conférence de presse en janvier 1980 "en violation des usages du barreau", ses déclarations "faites à l'occasion d'une interview BGE 111 Ia 101 S. 103 reproduite dans un hebdomadaire", ainsi que son comportement avec "un repris de justice, évadé et recherché". D.- En temps utile, Me X. a formé un recours de droit public contre la décision du Tribunal cantonal du 10 juillet 1984, concluant à son annulation. Il a, en outre, demandé que l'autorisation de pratiquer la profession d'avocat dans le canton de Vaud lui soit accordée et, à titre subsidiaire, que la cause soit renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant se plaint "à titre tout à fait subsidiaire" d'une violation du droit d'être entendu. a) L' art. 43ter LB , invoqué en premier lieu par le recourant, ne saurait toutefois s'appliquer - même par analogie - dans le cas particulier. La présente cause n'offre en effet aucune similitude avec la procédure disciplinaire prévue aux art. 41 ss LB ; le Tribunal cantonal devait exclusivement examiner si le recourant remplissait les conditions légales pour être admis au tableau des avocats pratiquant dans le canton de Vaud. Dans le cadre de cette procédure particulière, sa décision ne revêtait pas le caractère d'une sanction disciplinaire; au demeurant, l'autorité cantonale n'a statué que sur requête du recourant, ce qui n'est pas le propre d'une procédure disciplinaire. C'est donc, en principe, uniquement dans le cadre de l' art 4 Cst. et des règles de procédure qui en sont déduites directement qu'il faut examiner - avec libre cognition ( ATF 106 Ia 74 consid. 2, 162 consid. 2a) - le moyen tiré d'une prétendue violation du droit d'être entendu. Toutefois, le recourant ne motive pratiquement pas la prétendue violation de l' art. 4 Cst. On doit ainsi sérieusement se demander si le moyen est recevable au regard des exigences posées par l' art. 90 al. 1 lettre b OJ . Cette question peut cependant rester indécise, le recours s'avérant manifestement mal fondé sur ce point. b) Le Tribunal fédéral déduit, en particulier, du droit d'être entendu celui pour le justiciable de s'expliquer avant qu'une décision soit prise à son détriment, celui de fournir des preuves quant aux faits de nature à influer sur le sort de la décision, celui d'avoir accès au dossier, celui de participer à l'administration des preuves, d'en prendre connaissance et de se déterminer à leur propos. Toutefois, le Tribunal fédéral a précisé qu'il fonde sa BGE 111 Ia 101 S. 104 jurisprudence sur la situation concrète pour définir le droit d'être entendu tiré de l' art. 4 Cst. Ce droit constitue, d'une part, un moyen d'instruire l'affaire et, d'autre part, un droit de la partie - en rapport avec sa personnalité - de participer au prononcé des décisions qui lèsent sa situation juridique. Le droit d'être entendu n'existe pas pour lui-même, mais est étroitement lié à la justification au fond ( ATF 109 Ia 233 consid. 5b et les arrêts cités). En l'espèce, il ne faut pas perdre de vue que le recourant a saisi le Tribunal cantonal vaudois pour demander son inscription au tableau des avocats de ce canton; s'agissant d'une requête, il lui appartenait de démontrer qu'il remplissait toutes les conditions posées par la loi; il a, d'ailleurs, déposé un certain nombre de pièces sous forme d'attestations diverses; c'est à lui que l'autorité intimée s'est adressée pour obtenir le dépôt des jugements rendus dans le cadre des diverses procédures disciplinaires ouvertes contre lui dans les cantons de Zurich et de Berne. Dès lors qu'il a lui-même produit toutes ces pièces, le recourant avait tout loisir de formuler, à cette occasion, les remarques qu'il jugeait utiles, notamment d'apporter des précisions quant aux faits incriminés. Or il n'en a absolument rien fait. On ne voit dès lors pas en quoi le droit d'être entendu du recourant aurait pu être violé. Ce grief doit ainsi être rejeté dans la mesure où il est recevable. 3. Le recourant se plaint de la violation de ses droits constitutionnels tels qu'ils sont garantis par les art. 5 Disp. trans. Cst. et 31 Cst. Il ne conteste cependant pas, à juste titre, que les dispositions de la loi vaudoise sur le barreau - en particulier l' art. 13 LB - sont, en elles-mêmes, compatibles avec les droits constitutionnels invoqués ( ATF 80 I 151 consid. 2). En effet, le Tribunal cantonal vaudois n'a pas mis en doute la valeur du brevet d'avocat zurichois que Me X. a obtenu après examen en juillet 1974. La violation de l'art. 5 Disp. trans. Cst. n'est donc pas en cause dans le cas particulier. Est en revanche soulevé le grief d'inconstitutionnalité de la décision prise par l'autorité cantonale, qui applique ces dispositions à son cas particulier. Il s'agit ainsi d'examiner si l'autorité intimée pouvait, sans violer l' art. 31 Cst. , refuser au recourant l'autorisation générale de pratiquer dans le canton de Vaud. S'agissant du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral, le recourant ne démontre en aucune manière que la décision attaquée porterait une atteinte particulièrement grave à la liberté BGE 111 Ia 101 S. 105 du commerce et de l'industrie; à cet égard, comme il exerce habituellement son activité dans le canton de Zurich, où il a installé son étude principale, on ne saurait, en l'espèce, tenir l'atteinte pour grave. Aussi, le Tribunal fédéral n'examinera-t-il les griefs soulevés par le recourant - au sujet de la constatation des faits et de leur appréciation - que sous l'angle restreint de l'arbitraire ( ATF 104 Ia 475 consid. 1, 199 consid. 3a, ATF 103 Ia 431 consid. 4a). 4. En vertu des art. 31 al. 2 et 33 al. 1 Cst., les cantons ont la faculté d'édicter des restrictions de police au droit d'exercer librement une activité économique, notamment la faculté de subordonner, dans l'intérêt public, l'exercice des professions libérales à des preuves de capacité; ils ne peuvent toutefois prévoir de telles restrictions que dans la mesure où elles sont nécessaires pour atteindre le but de police visé, savoir notamment la protection du public contre les personnes incapables, et doivent respecter les principes de la proportionnalité et de l'égalité de traitement ( ATF 105 Ia 71 consid. 4b et les références). La profession d'avocat bénéficie de la liberté du commerce et de l'industrie garantie par l' art. 31 Cst. Mais il n'est pas contraire à cette norme constitutionnelle que l'avocat puisse être soumis à des restrictions particulières ( ATF 106 Ia 103 consid. 6a), qui découlent notamment de sa position de "serviteur du droit" et de "collaborateur de la justice" (arrêt précité, consid. 6b). Lorsqu'un canton fait usage des compétences que lui attribuent les dipositions constitutionnelles précitées, il dispose d'une grande liberté d'appréciation. Il doit cependant tenir compte des droits fondamentaux des intéressés, qui sont également édictés dans l'intérêt public. Toutes collisions pouvant survenir entre différents intérêts publics doivent être alors résolues en opposant et en pesant les intérêts en présence ( ATF 104 Ia 97 consid. 6 et les arrêts cités; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, vol. I, No 57 B IV p. 335). La liberté du commerce et de l'industrie doit également être prise en considération dans cette pesée des intérêts. 5. a) Parmi les restrictions auxquelles ils peuvent soumettre l'exercice de la profession d'avocat, les cantons peuvent prévoir la réalisation de conditions personnelles, comme l'honorabilité, la loyauté et la bonne réputation ( ATF 98 Ia 598 consid. 1a et les références). L'art. 12 al. 1 lettre c LB exige, en particulier, d'un avocat qui désire son inscription au tableau des avocats vaudois BGE 111 Ia 101 S. 106 qu'il jouisse d'une "bonne réputation", ce qui inclut également, selon le Tribunal cantonal, un bon renom professionnel. Le recourant ne remet en cause - ainsi qu'on l'a vu - ni le contenu de la norme précitée, ni même son interprétation par l'autorité intimée. Il paraît, en revanche, soutenir que les conditions - celle de l'art. 12 lettre c LB notamment - pour l'admettre au tableau des avocats vaudois sont toutes réalisées dans son cas. Cependant, on doit, une fois encore, douter que le recours remplisse sur ce point les conditions de motivation prévues à l' art. 90 al. 1 lettre b OJ . Cette question peut aussi rester irrésolue, le grief s'avérant, comme le précédent, mal fondé. b) D'abord, le recourant soutient qu'"un canton ne peut être autorisé à sanctionner que les infractions disciplinaires qui se sont produites sur son territoire par un avocat soumis à sa juridiction disciplinaire"; que son seul comportement sur "sol vaudois" ne justifierait pas le refus de l'autorité intimée au regard de l'exigence de la bonne réputation. Comme toutefois le Tribunal cantonal vaudois n'a pas statué comme autorité disciplinaire mais seulement comme autorité désignée par l' art. 13 al. 1 LB , le problème de la compétence des autorités disciplinaires ne se pose pas (voir à cet égard ATF 108 Ia 230 ). En revanche, il faut se demander si, pour examiner la réalisation de la condition de bonne réputation, l'autorité intimée pouvait prendre en considération les sanctions disciplinaires prononcées contre le recourant dans d'autres cantons. c) Dans l'arrêt non publié du 9 juillet 1981, dans la cause S. c. Obergericht des Kantons Uri, le Tribunal fédéral n'a pas définitivement tranché cette question. Elle doit donc être résolue dans le cas particulier. Or, il apparaît que pour décider si un candidat jouit d'une bonne réputation, l'autorité compétente doive pouvoir tenir compte de son comportement personnel et professionnel dans le canton où il exerce habituellement sa profession et dans ceux où il bénéficie d'une autorisation générale de plaider. Cela est indispensable dans la mesure où il s'agira souvent du seul critère d'appréciation possible, car, en règle générale, un requérant n'aura exercé aucune activité - ou seulement une activité occasionnelle - dans le canton où il formule sa demande d'autorisation. L'autorité cantonale compétente doit ainsi pouvoir refuser l'autorisation de pratiquer à un avocat dont le comportement dans un autre canton est de nature à ébranler la confiance nécessaire à l'exercice de sa BGE 111 Ia 101 S. 107 profession. Cette protection obéit à un motif d'intérêt public compatible avec l' art. 31 Cst. (voir ATF 98 Ia 601 consid. c; DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, RDS 1951, p. 40a/41a). Ainsi, pour son examen, le Tribunal cantonal vaudois pouvait tenir compte des suspensions de 10 et 4 mois prononcées en 1982 respectivement par la Chambre des avocats du canton de Berne et par la Commission de surveillance des avocats du canton de Zurich à la suite du comportement du recourant dans le cadre du "procès de Porrentruy"; il pouvait également s'appuyer sur la mesure identique d'un mois prise à Zurich le 9 juin 1982 à l'encontre de l'intéressé pour sa participation active à une manifestation organisée en 1980 devant le pénitencier de Regensdorf et pour son attitude en qualité de défenseur dans un procès pénal en 1982. d) En se fondant sur ces éléments, mais aussi sur ceux qui ressortent du jugement rendu le 16 avril 1984 par sa Cour de cassation pénale, le Tribunal cantonal vaudois pouvait, sans arbitraire, admettre que le recourant ne satisfaisait pas à la condition posée par l'art. 12 lettre c LB. En particulier, le comportement de l'intéressé était de nature à décevoir la confiance que doit pouvoir conserver l'autorité judiciaire à l'égard de l'avocat; cette confiance en l'avocat présuppose notamment que ce dernier conserve son indépendance vis-à-vis de son client. Or, comme le souligne la décision attaquée, le recourant "s'est commis avec un repris de justice évadé et recherché", le rencontrant à plusieurs occasions. Pour ce motif déjà, elle n'apparaît pas insoutenable. Il suit de là que la décision attaquée du 10 juillet 1984 refusant l'inscription du requérant au tableau des avocats vaudois ne consacre, en principe, pas une violation de la garantie constitutionnelle de la liberté du commerce et de l'industrie. 6. Enfin, le recourant paraît soutenir qu'une application par analogie de l' art. 17bis LB violerait l' art. 4 Cst. Tel que présenté, ce moyen ne satisfait pas aux exigences posées par la jurisprudence à propos de la motivation des recours ( ATF 110 Ia 3 consid. 2a). La formulation de ce grief est à ce point peu compréhensible que l'on discerne mal en quoi la décision attaquée serait arbitraire. Sur ce point, le recours doit, dès lors, être déclaré irrecevable. Au demeurant, pour autant que le Tribunal cantonal ait voulu soumettre une nouvelle requête au respect d'un quelconque délai BGE 111 Ia 101 S. 108 - le sens des considérations adoptées sur ce point par l'autorité intimée n'apparaît pas très clairement -, on pourrait se demander s'il ne serait pas tombé dans l'arbitraire. En effet, dans le cadre de l' art. 13 al. 1 LB , le Tribunal cantonal doit, eu égard au texte clair de cette disposition, se borner à constater si les conditions posées par l' art. 12 al. 1 LB sont ou ne sont pas réalisées. Le moyen étant de toute façon irrecevable, il n'est pas utile de s'étendre davantage sur cette question.
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CH_BGE_002
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128cb3bb-1856-478f-9806-20044b7b0b88
Urteilskopf 120 II 280 54. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 12 septembre 1994 dans la cause L.-M. T. contre A. T. (recours en réforme)
Regeste Art. 165 ZGB . Ausserordentliche Beiträge eines Ehegatten an den Unterhalt der Familie. Die Ehefrau eines Handwerkers, die, wie eine entlöhnte Sekretärin, regelmässig täglich mehrere Stunden im Unternehmen des Ehemannes die administrativen Arbeiten besorgt, hat Anspruch auf Entgelt. Die Zusprechung einer angemessenen Entschädigung an die Ehefrau, die mit ihrer Arbeit über lange Zeit in bedeutendem Masse zur Aufbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Haushalts beigetragen hat, rechtfertigt sich erst recht, wenn die Ehegatten in Gütertrennung leben (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 281 BGE 120 II 280 S. 281 A. T., né le 20 septembre 1952, et L.-M. D., née le 17 décembre 1949, se sont mariés à Bernex (GE) le 20 juin 1975, sous le régime de la séparation de biens. Deux enfants sont issus de leur union: S., né le 7 juillet 1975, et R., née le 4 mai 1977. Des difficultés ayant surgi entre les conjoints, l'épouse a définitivement quitté le domicile conjugal en mars 1991. Saisi d'une action en divorce de L.-M. T. et d'une demande reconventionnelle de A. T., le Tribunal de première instance de Genève a, par jugement du 11 octobre 1993, prononcé le divorce des époux et débouté la demanderesse de sa requête tendant au versement d'une somme de 72'000 fr. à titre de contribution extraordinaire dans l'entreprise de son conjoint, au sens de l' art. 165 CC . Statuant le 22 avril 1994 sur appel de chacune des parties, la Cour de justice du canton de Genève a annulé ledit jugement et condamné le mari à payer à sa femme l'indemnité demandée. Cette juridiction a en revanche supprimé la rente allouée à celle-ci en première instance. Le Tribunal fédéral a rejeté, dans la mesure où ils étaient recevables, le recours de droit public de la demanderesse et le recours joint du défendeur interjetés contre cette décision. BGE 120 II 280 S. 282 Erwägungen Considérant en droit: 6. Le recourant reproche encore à la Cour de justice d'avoir alloué à son épouse, en violation de l' art. 165 CC , une indemnité fondée sur cette disposition. a) En vertu de leur devoir général d'assistance ( art. 159 al. 3 CC ), mari et femme contribuent selon leurs facultés à l'entretien de la famille ( art. 163 al. 1 CC ). Selon leur accord, cette contribution peut consister dans l'aide qu'un époux prête à son conjoint dans sa profession ou son entreprise ( art. 163 al. 2 CC ). Exercée dans ce cadre, l'aide apportée à l'un des époux ne donne droit à aucune rémunération, sous réserve du droit éventuel à un montant libre à disposition au sens de l' art. 164 CC (GROSSEN, Le statut patrimonial de base, Les effets généraux du mariage, in Le nouveau droit du mariage, CEDIDAC 1987, p. 20; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum Eherecht, vol. I, 1988, n. 12 ad art. 165 CC , p. 211). En revanche, dès lors que, en l'absence de tout contrat de travail, l'aide fournie par l'un des époux dans l'entreprise de son conjoint dépasse ce que le devoir général d'assistance permet normalement d'exiger de lui, l'équité commande que cette contribution accrue fasse l'objet d'une compensation pécuniaire au sens de l' art. 165 CC (DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, 1987, p. 66; WESSNER, La collaboration professionnelle entre époux dans le nouveau droit matrimonial, in Problèmes du droit de la famille, 1987, p. 182; HAUSHEER, Arbeitsleistungen in Beruf und Gewerbe unter Ehegatten de lege lata et ferenda, in Festschrift für Frank Vischer, 1983, pp. 410/411). L'al. 1er de l' art. 165 CC prévoit en effet que l'époux qui a collaboré à la profession ou à l'entreprise de son conjoint dans une mesure notablement supérieure à ce qu'exige sa contribution à l'entretien de la famille a droit à une équitable indemnité. Cette référence à l'équité a déjà conduit le Tribunal fédéral à atténuer sa jurisprudence - souvent critiquée - consistant à refuser en principe tout droit au salaire fondé sur l' art. 320 al. 2 CO à la femme qui collabore à la profession de son mari. Il a ainsi été jugé que lorsqu'en raison de circonstances particulières, les efforts d'un époux n'apparaissent pas suffisamment compensés par l'élévation de son niveau de vie, ainsi que par ses droits en cas de liquidation du régime matrimonial et ses espérances successorales, sa collaboration doit être rétribuée dans la mesure où elle excède les limites de son devoir BGE 120 II 280 S. 283 d'assistance dans une mesure "notablement supérieure" à ce qui peut être exigé de lui ( ATF 113 II 414 consid. 2 pp. 417/418 et les références). A défaut d'accord entre les époux sur la répartition de leurs tâches (BRÄM/HASENBÖHLER, n. 8 ad art. 165 CC ; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op.cit., n. 12 s. ad art. 165 CC , pp. 165 ss), la mesure de cette coopération s'apprécie selon les circonstances objectives existantes au moment où celle-ci a été apportée, sans égard au fait que l'époux bénéficiaire était ou non conscient que l'aide de son conjoint dépassait les devoirs imposés par le droit matrimonial (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op.cit., n. 12 ss ad art. 165 CC , pp. 165 ss). Il importe d'évaluer dans chaque cas la nature et l'ampleur de la collaboration professionnelle, en la mettant en rapport avec les autres prestations fournies comme contribution ordinaire aux charges du mariage (WESSNER, op.cit., p. 184). A cet égard, l' art. 165 CC pose de manière générale des conditions moins rigoureuses que l' art. 320 al. 2 CO (GROSSEN, op.cit., p. 20). En l'absence de critères généraux applicables dans ce domaine, le juge statue en équité en se fondant sur les particularités importantes de l'espèce ( art. 4 CC ; BRÄM/HASENBÖHLER, n. 10 ad art. 165 CC ). La nature et la mesure de la participation de l'un des conjoints à l'activité professionnelle de l'autre relèvent du domaine des faits, et sont donc des questions soustraites à l'examen de la juridiction de réforme ( art. 63 al. 2 OJ ); savoir si cette collaboration est "notablement supérieure" aux obligations découlant des devoirs généraux du mariage est, en revanche, un point de droit que le Tribunal fédéral peut revoir librement. Il s'imposera toutefois une certaine retenue vu le pouvoir d'appréciation laissé au juge en cette matière, et n'interviendra que si la décision entreprise s'appuie sur des faits sans pertinence ou si, au contraire, elle ne tient pas compte d'éléments qui auraient dû être pris en considération. b) La Cour de justice a retenu en fait que la demanderesse avait travaillé dans l'entreprise de peinture de son mari "non seulement pour dactylographier quelques factures mais également pour préparer des devis, pour répondre au téléphone durant les heures de travail de son époux qui se trouvait normalement sur les chantiers", et qu'elle effectuait en outre certains transports. Selon l'autorité cantonale, sa présence "donnait l'impression d'une entreprise organisée, atteignable facilement". Elle accomplissait ainsi la tâche d'une secrétaire rémunérée, disposant à cet effet d'un bureau, en plus de l'éducation de ses deux enfants et de l'entretien du ménage. Les époux étant séparés de biens, il se justifiait BGE 120 II 280 S. 284 d'autant plus d'accorder une indemnité à l'épouse qui, par son travail à long terme, avait manifestement contribué à l'aisance de la famille. Vu ces circonstances, les conditions d'application de l' art. 165 CC étaient en l'occurrence réunies. Le défendeur soutient que l'aide en question représentait tout au plus une semaine de travail par année, sa femme ayant d'ailleurs toujours admis qu'il s'agissait d'une activité gratuite. En outre, celle-ci a déjà été rémunérée de par l'entretien dont elle a bénéficié et les économies qu'elle a réalisées durant le mariage. L'autorité cantonale a dès lors violé l' art. 165 CC en admettant l'existence d'une collaboration "notablement supérieure" aux devoirs usuels d'assistance entre conjoints. c) Par ces critiques, le recourant s'en prend aux constatations de fait de la Cour de justice, ce qui n'est pas admissible dans un recours en réforme ( art. 63 al. 2 OJ ). De plus, il ne démontre pas en quoi l'autorité cantonale aurait violé le droit fédéral ou excédé son pouvoir d'appréciation. Par conséquent, la motivation de son mémoire ne satisfait guère aux exigences de l' art. 55 al. 1 let . c OJ. La question peut cependant rester indécise, car le recours se révèle de toute façon mal fondé. L'autorité cantonale a en effet retenu pour statuer, dans le cadre de son pouvoir d'appréciation, des circonstances propres à fonder sa décision. La régularité et l'importance du travail accompli par la demanderesse, le fait qu'elle disposait d'un bureau, qu'elle assurait une permanence en l'absence de son mari et que ces tâches correspondaient, selon l'arrêt entrepris, à l'activité d'une secrétaire rémunérée, constituent autant d'éléments qui autorisaient la Cour de justice à admettre l'existence d'une collaboration au sens de l' art. 165 CC . Même si cette aide s'est imposée au début du mariage par souci de rentabilité ou de nécessité, ce qui est fréquent dans les petites entreprises, l'activité de la demanderesse ne doit pas pour autant être considérée comme gratuite (BRÄM/HASENBÖHLER, n. 10 ad art. 165 CC ). La procédure n'a d'ailleurs pas permis d'établir l'existence d'un accord sur ce point et le recourant s'écarte des constatations de la Cour de justice lorsqu'il soutient que sa femme avait admis travailler gratuitement. Comme l'a retenu avec raison l'autorité cantonale, la solution adoptée peut également se justifier pour des motifs d'équité: en collaborant à l'entreprise de son mari, la demanderesse a contribué à améliorer de manière significative la situation économique du ménage. Parti de rien avec BGE 120 II 280 S. 285 son épouse, le défendeur a en effet acquis pendant le mariage des immeubles dont il est le seul propriétaire. Les conjoints s'étant mariés sous le régime de la séparation de biens, le divorce ne permettra pas à la demanderesse de participer au bénéfice dû à son travail. C'est précisément pour éviter une telle conséquence, qui peut être ressentie comme une injustice, que le législateur a adopté la règle de l' art. 165 CC (WESSNER, op.cit., pp. 182/183; HASENBÖHLER, Lohn für Ehegatten-Mitarbeit, in Festschrift für Frank Vischer, p. 393; HAUSHEER, op.cit., p. 411; NÄF/HOFMANN, Partnerschaft als Leitbild der Ehe, n. 41, pp. 23/24; cf. aussi les références citées par ces auteurs, notamment le Message du Conseil fédéral du 11 juillet 1979, FF 1979 II 1234ss). L'épouse a certes bénéficié au cours des années de l'amélioration du niveau de vie familial, dont le mari a d'ailleurs également profité. Cette constatation ne suffit cependant pas à rétablir une situation équitable entre les époux et ne permet pas de refuser à la demanderesse toute autre forme de rémunération. Il en est certes tenu compte dans la fixation du montant accordé à ce titre ( ATF 113 II 414 consid. 2 p. 418). Toutefois, le défendeur ne conteste pas la quotité de l'indemnité allouée, qui paraît proportionnée aux moyens du débiteur et à l'importance de la collaboration telle qu'elle ressort des constatations de la Cour de justice. Enfin, contrairement à ce qu'affirme le recourant, il ne résulte pas de l'arrêt entrepris que son épouse aurait réalisé des économies en raison même de sa collaboration professionnelle, circonstance qui n'est du reste prise en compte que dans la fixation du montant de l'indemnité. Ses critiques ne résistent donc pas à l'examen.
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1,994
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Urteilskopf 98 Ib 188 27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Juli 1972 i.S. Productions Claude Carrère (SA) gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum.
Regeste Schutz einer internationalen Marke französischen Ursprungs; Ablehnungsgründe gemäss Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 3 der Pariser Verbandsübereinkunft und gemäss Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 und Ziff. 4 MSchG (Erw. 1). Kein Schutz für die Marke SHEILA DIFFUSION in der Schweiz, weil sie auf eine ersonnene Firma anspielt, die Firma eines Dritten unerlaubterweise nachahmt und irreführend ist (Erw. 2-4).
Sachverhalt ab Seite 188 BGE 98 Ib 188 S. 188 A.- Die Firma Productions Claude Carrère (SA) in Paris ist Inhaberin der in Frankreich eingetragenen Wortmarke SHEILA DIFFUSION. Am 25. September 1970 wurde dieses Zeichen unter Nr. 371 595 auch vom Internationalen Büro zum Schutze des gewerblichen Eigentums registriert. Es ist zum Gebrauch für Damenkleider bestimmt. Am 22. September 1971 verweigerte das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum dieser Marke in der Schweiz vorläufig den Schutz. Es begründete die Weigerung damit, der in der Marke enthaltene Name der Sängerin "Sheila" stimme mit der Firma der Markeninhaberin nicht überein; er lasse an eine ersonnene Firma denken und vermuten, es bestehe eine Beziehung zwischen diesem Namen und den bezeichneten Waren. Der Gebrauch einer solchen Firma widerspreche Art. 6 PVUe und Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG . Das Amt setzte der Inhaberin der Marke drei Monate Frist zum Beweise, dass sie diesen Namen als Marke gebrauchen dürfe und worin die Beziehungen BGE 98 Ib 188 S. 189 zwischen dem Träger des Namens und den bezeichneten Erzeugnissen beständen. Am 17. Januar 1972 verweigerte das Amt für geistiges Eigentum der Marke den Schutz endgültig, weil die Inhaberin innerhalb der angesetzten Frist die verlangten Beweise nicht erbracht habe. Diese Verfügung wurde den Vertretern der Markeninhaberin durch das Internationale Büro am 16. März 1972 eröffnet. B.- Die Firma Productions Claude Carrère (SA) führt mit Eingabe vom 14. April 1972 gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragt, ihn aufzuheben und die international hinterlegte Marke in der Schweiz zu schützen. Das Amt für geistiges Eigentum beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Frankreich und die Schweiz sind dem Madrider Abkommen betreffend die internationale Registrierung der Fabrik- oder Handelsmarken in der am 15. Juni 1957 in Nizza revidierten Fassung beigetreten (AS 1970 S. 1687/8). Dessen Art. 5 Abs. 1 erlaubt den Verbandsländern nur dann, einer international registrierten Marke den Schutz zu verweigern, wenn nach den in der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVUe) genannten Bedingungen ihre Eintragung in das nationale Register abgelehnt werden dürfte, also besonders wenn die Marke gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstösst, sich namentlich eignet, das Publikum zu täuschen ( Art. 6 quinquies lit. B Ziff. 3 PVUe ; AS 1970 S. 630). Die in Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 und Ziff. 4 MSchG vorgesehenen Ablehnungsgründe, die im vorliegenden Falle in Frage kommen, widersprechen dieser zwischenstaatlichen Regelung nicht. 2. Gemäss Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG darf eine Marke unter anderem dann nicht eingetragen werden, wenn sie eine ersonnene Firma enthält. Das trifft nicht schlechthin schon dann zu, wenn die Marke einen Bestandteil aufweist, der an sich auch in einer Firma vorkommen könnte. Sonst wären Wortmarken nie schutzfähig, denn jedes Wort ist auch als Bestandteil einer Firma denkbar, da ja Aktiengesellschaften und Genossenschaften ihre Firma BGE 98 Ib 188 S. 190 frei wählen können ( Art. 950 OR ). Insbesondere sind Vornamen als Marken oder Markenbestandteile nicht deshalb unzulässig, weil auch Firmen einen solchen Namen enthalten können. Es gibt denn auch im schweizerischen Markenregister zahlreiche Marken, die ausschliesslich aus einem Vornamen bestehen, wobei zu beachten ist, dass er nicht etwa aus der Firma des Markeninhabers übernommen, sondern anscheinend willkürlich gewählt wurde, z.B. JANINE, BEATRICE, ANGELIKA, BIANCA, BRIGITTE, CAROLA, CLAUDIA und PETRA (Marken-Jahressammlung des eidg. Amtes für geistiges Eigentum 1967 S. 73 und 80; Schweizerisches Patent-, Muster- und Marken-Blatt (PMMBI) 1971 IV S. 184 und 185; s. ferner PMMBI 1971 IV 259, 271, 314, 315, 323, 347, 419, 519, 691, 890 und 892). In anderen Fällen ist der als Marke eingetragene Vorname auch Bestandteil der Firma des Markeninhabers. Das trifft z.B. zu bei den Marken STELLA, ANDRE und NELLY (Marken-Jahressammlung 1965 S. 1210, 1967 S. 2108; PMMBl 1971 IV 282 und 901). Das heisst nicht, ein Vorname in einer Marke könne nie die Stellung einer ersonnenen Firma einnehmen. Diese Stellung kann ihm durch den Zusammenhang mit anderen Bestandteilen der Marke verschafft werden. Die Marke muss immer als Ganzes gewürdigt werden, so auch im vorliegenden Falle, wo sie nicht bloss aus dem Vornamen Sheila besteht, sondern SHEILA DIFFUSION lautet. Das Wort diffusion, das hier den Sinn von "distribution" hat (s. ROBERT, Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française unter "Diffusion" und "Distribution" und LITTRÉ, Dictionnaire de la langue française unter "diffusion") erweckt den Eindruck, der Hersteller oder Händler, der die mit dieser Marke gekennzeichnete Ware auf den Markt bringe, heisse Sheila oder trage diesen Vornamen in seiner Firma. Denn jeder Vertrieb setzt ein Subjekt voraus, das ihn vornimmt. Der Gedanke an eine Firma drängt sich umso mehr auf, als Marke und Geschäftsfirma identisch sein können ( Art. 1 Abs. 1 MSchG ) und tatsächlich oft identisch sind oder der Geschäftsinhaber häufig einen charakteristischen Bestandteil seiner Firma, besonders einen Vornamen (Stella, André, Nelly usw.) als Wortmarke gebraucht. Daraus folgt, dass die Marke der Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht geschützt werden kann, gleichgültig ob tatsächlich jemand das Wort Sheila in seiner Firma verwendet oder BGE 98 Ib 188 S. 191 nicht. Im einen wie im anderen Falle wirkt sie täuschend. Wenn niemand das Wort Sheila als Handelsname oder Bestandteil eines solchen gebraucht, spielt sie auf eine ersonnene Firma an. BGE 92 II 305 ff. steht dieser Würdigung nicht im Wege, denn dieses Urteil betrifft eine Marke, die ausschliesslich aus dem Wort Sheila besteht, also keine Anspielung auf ein Unternehmen enthält. Wenn man diese Marke für sich allein betrachtet, erweckt sie sowenig den Eindruck einer ersonnenen Firma im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG wie die im schweizerischen Markenregister stehenden Zeichen JANINE, BEATRICE, ANGELIKA usw. 3. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG verbietet auch, mit der Marke die Firma eines andern nachzuahmen oder nachzumachen. Auszunehmen sind die Fälle, in denen der Markeninhaber wegen seiner Beziehungen zum andern hiezu berechtigt ist, z.B. wenn er die mit der Marke versehenen Waren ausschliesslich vom Inhaber der nachgeahmten oder nachgemachten Firma bezieht. Aus BGE 92 II 307 f. ergibt sich, dass am 2. Januar 1964 in Paris mit Unterstützung der Sängerin Annie Chancel und ihrer Eltern die Gesellschaft "La Boutique de Sheila SA" gegründet wurde, die mit Damenkleidern Grosshandel treibt. Charakteristischer Bestandteil des Namens dieser Gesellschaft ist der angelsächsische Vorname Sheila, der als Pseudonym der erwähnten Sängerin bekannt geworden ist. Das Wort Sheila in der Marke SHEILA DIFFUSION ist eine Nachahmung oder Nachmachung dieser Firma. Die Marke der Beschwerdeführerin lenkt die Gedanken des Lesers umso mehr auf die Firma "La Boutique de Sheila SA", als sie zur Verwendung auf Waren gleicher Art, wie diese Gesellschaft sie vertreibt, bestimmt ist. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 4 MSchG setzt weder voraus, dass die nachgeahmte oder nachgemachte Firma im schweizerischen Handelregister stehe, also in der Schweiz gemäss BGE 79 II 307 ff., BGE 90 II 197 , 318, BGE 98 II 59 f. als Handelsname geschützt sei, noch dass ihr Träger hier mit dem Markeninhaber im Sinne von BGE 76 II 96 , BGE 79 II 314 , BGE 88 II 32 Erw. 2, BGE 90 II 323 f., BGE 91 II 123 , BGE 98 II 60 ff. im Wettbewerb stehe. Denn die erwähnte markenrechtliche Bestimmung ist nicht ein Ausfluss der Ansprüche auf Firmenschutz und Lauterkeit des Wettbewerbes, sondern will wie Ziff. 2 des Art. 14 Abs. 1 unabhängig von den Interessen des Inhabers der nachgeahmten oder nachgemachten BGE 98 Ib 188 S. 192 Firma den guten Sitten dienen, namentlich einer Täuschung des Publikums über die Herkunft der Ware vorbeugen. Daher ist unerheblich, dass die Gesellschaft "La Boutique de Sheila SA" ihren Sitz in Frankreich hat und nicht feststeht, ob sie heute auch in der Schweiz geschäftlich tätig ist, insbesondere ob sie etwa die in den Akten erwähnte Boutique Sheila am Grand-Passage in Genf beliefert. Es genügt, dass sie in der Schweiz nicht völlig unbekannt ist. Jene Kreise der schweizerischen Interessenten für Damenkleider, die sie aus irgend einem Grunde kennen, z.B. aus BGE 92 II 305 ff. oder aus ihrem Verkehr mit Paris, könnten sich vorstellen, sie bringe die mit der Marke SHEILA DIFFUSION versehenen Kleider auf den Markt. Diese Gefahr ist umso erheblicher, als die Belieferung der Schweiz mit Damenkleidern aus Paris gerichtsnotorisch ist. Schweizerische Einkäufer, die sich in Paris mit solcher Ware eindecken, können umso eher irregeführt werden, als auch die Beschwerdeführerin ihren Sitz in Paris hat. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass die Gesellschaft "La Boutique de Sheila SA" heute nicht mehr bestehe. Sie bringt auch nicht vor, sie werde von dieser beliefert oder beherrscht oder dürfe aus anderen Gründen die Marke SHEILA DIFFUSION gebrauchen. Es bleibt deshalb dabei, dass sie mit dem Bestandteil Sheila die Firma eines Dritten unerlaubterweise nachahmt oder nachmacht. Auch unter diesem Gesichtspunkt darf somit die erwähnte Marke in der Schweiz nicht geschützt werden. BGE 92 II 305 ff. steht der Verweigerung des Schutzes wiederum nicht im Wege. In diesem Urteil wurde auf die Möglichkeit von Verwechslungen zwischen der Marke SHEILA und der Firma "La Boutique de Sheila SA" nicht Rücksicht genommen, weil diese Gesellschaft nicht Prozesspartei war und übrigens mit dem Inhaber der für Parfümerien bestimmten Marke SHEILA nicht im Wettbewerb stand. 4. Das Amt für geistiges Eigentum macht geltend, die Marke SHEILA DIFFUSION könne auch deshalb zu Täuschungen führen, weil ein Teil der schweizerischen Käuferschaft den Namen Sheila als Pseudonym von Annie Chancel empfinde und die Ware mit dieser Sängerin in Beziehung bringen könnte. In BGE 92 II 305 ff. wurde ein Anspruch der Annie Chancel auf Löschung der von der SA des produits Clermont et Fouet am 13. März 1963 hinterlegten Parfümeriemarke SHEILA BGE 98 Ib 188 S. 193 verneint. Das Bundesgericht führte aus, drei oder vier Monate eines raschen, durch Fernsehen, Rundfunk und geschickte Propaganda aufgebauschten Erfolges hätten der Sängerin nicht genügt, um ihr Pseudonym schon im Zeitpunkt der Hinterlegung der streitigen Marke so durchzusetzen, dass ihm eine Bekanntheit gesichert war. Annie Chancel habe daher kein subjektives und ausschliessliches Recht auf den bekannten und verbreiteten Vornamen Sheila; dieser sei Gemeingut. Aus Schreiben von Sendeleitern der Rundfunkstudios von Lausanne und Genf von Mai 1972 und anderen Urkunden ergibt sich indessen, dass Annie Chancel unter dem Pseudonym Sheila wegen ihrer Schallplatten und ihres Auftretens im Fernsehen seit März 1963 im französischen Sprachgebiet der Schweiz sehr bekannt geworden ist und sich zusammen mit wenigen anderen jungen französischen Sängerinnen (Mireille Mathieu, Françoise Hardy, Sylvie Vartan) der grössten Gunst des Publikums erfreut. Der jährliche Umsatz an Schallplatten und Musik-Kassetten mit Chansons von ihr ist ständig gestiegen. Ihr Pseudonym hat sich in den Ländern französischer Zunge durchgesetzt und kennzeichnet sie dort als Sängerin. Der Beschwerdeführerin ist deshalb nicht beizupflichten, wenn sie geltend macht, der Ruf dieser Sängerin unter dem Pseudonym Sheila sei heute ziemlich verblasst. Gegenteils individualisiert dieser Deckname Annie Chancel in der Vorstellung gewisser Kreise jetzt genügend. Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass das Zeichen SHEILA DIFFUSION in diesen Kreisen den Eindruck erwecken könnte, die mit ihm versehenen Damenkleider würden von Annie Chancel auf den Markt gebracht. Denn durch BGE 92 II 305 ff. ist bekannt geworden, dass sie und ihre Eltern ein Unternehmen der Damenkleiderbranche unterstützen. Jedenfalls könnte aus der Marke geschlossen werden, Annie Chancel unterhalte Beziehungen zur Beschwerdeführerin oder die von dieser vertriebenen Kleider würden von der Sängerin empfohlen oder getragen. Die Möglichkeit von Irreführungen dieser Art genügt, um eine Marke unzulässig zu machen; es ist nicht nötig, dass das Publikum sich vorstelle, die in der Marke genannte Person sei Inhaberin des Geschäftes, das die Ware anbietet (Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Februar 1972 i.S. André Hofer-Lebensmittel-Gesellschaft m.b.H., Erw. 4 b, veröffentlicht in PMMBl 1972 I 33). Die Marke SHEILA BGE 98 Ib 188 S. 194 DIFFUSION geht auf irreführende Reklame aus und verstösst daher gegen die guten Sitten. Sie lässt sich in dieser Hinsicht mit der Marke KUEBLER-RAD oder KUEBLER vergleichen, die auf den Rennfahrer Ferdinand Kübler anspielte ( BGE 77 I 77 ff.). Dass ausser Annie Chancel auch andere Personen berechtigt sind, sich Sheila zu nennen, ändert nichts. Die Beschwerdeführerin heisst nicht Sheila und bezieht ihre Ware auch nicht von einer Person dieses Namens. Sie hat daher kein berechtigtes Interesse, ihn als Markenbestandteil zu gebrauchen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die vorliegende Sache vom Falle der Kübler-Marke, deren Inhaber selber auch Kübler hiess, aber dennoch unterlag. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 134 I 83 10. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Labo Cosprophar AG gegen Allergan Inc. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_221/2007 / 4P.239/2006 vom 20. November 2007
Regeste a Entscheid über vorsorgliche Massnahmen. Qualifikation eines Entscheids über vorsorgliche Massnahmen als End- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 90 bzw. 93 BGG. Bejahung der Eignung, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken (E. 3.1). Nach Art. 98 BGG zulässige Rügen und Rügeprinzip (E. 3.2). Regeste b Art. 29 Abs. 2 BV ; Begründungsanforderungen an einen immaterialgüterrechtlichen Massnahmenentscheid wegen glaubhaft gemachter Verwechslungsgefahr. Die verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Begründung von Entscheiden gelten auch für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Ungenügen der Begründung einer Verbotsverfügung, aus der nicht hervorgeht, welcher konkrete immaterialgüterrechtliche Schutzanspruch des Massnahmegesuchstellers nach welchen Gesetzesbestimmungen, namentlich des MSchG oder des UWG, glaublich beeinträchtigt sein soll (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 84 BGE 134 I 83 S. 84 Die Allergan Inc. (Beschwerdegegnerin), ein Pharmaunternehmen des amerikanischen Rechts mit Sitz in Kalifornien, hat verschiedene Marken mit dem Bestandteil BOTOX registrieren lassen. Die Labo Cosprophar AG (Beschwerdeführerin) mit Sitz in Basel vertreibt unter der Marke BOTOINA eine Kosmetiklinie zur Entspannung von Ausdrucksfalten. Am 17. Februar 2006 reichte die Beschwerdegegnerin beim Zivilgericht Basel-Stadt eine Klage ein, mit der sie u.a. begehrte, es sei der Beschwerdeführerin zu verbieten, das Zeichen BOTOINA zur Kennzeichnung von Kosmetika und pharmazeutischen Produkten zu gebrauchen sowie kosmetische Präparate zur Entspannung der Ausdrucksfalten dominant mit der Abbildung einer Spritze zu bewerben. Mit der Klage verband sie das Gesuch, die Verbote bereits als vorsorgliche Verfügung zu erlassen. Die verfahrensleitende Zivilgerichtspräsidentin kam nach der Prüfung dieses Gesuchs zum Schluss, die Marke und das Erscheinungsbild der BOTOINA-Produkte liessen beim Letztabnehmer den Eindruck entstehen, dass zwischen der Marke BOTOINA und der Marke BOTOX eine Verbindung bestehe bzw. dass in den Produkten der Marke BOTOINA der Wirkstoff Botox enthalten sei, was unbestritten nicht der Fall sei. Damit sei aber zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Sie gab dem Gesuch in der Folge mit Verfügung vom 16./17. August 2006 (Rektifikat vom 1./4. BGE 134 I 83 S. 85 September 2006) teilweise statt und setzte der Beschwerdegegnerin Frist zur Leistung einer Sicherheit von Fr. 400'000.-, indem sie wie folgt verfügte: "1. (...) 2. Der Beklagten 1 [= Beschwerdeführerin] wird vorsorglich verboten unter Androhung der Überweisung der verantwortlichen Organe an den Strafrichter im Widerhandlungsfalle zur Bestrafung mit Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB : a) das Zeichen Botoina zur Kennzeichnung von Kosmetika zu gebrauchen; b) Kosmetika, die mit dem Zeichen Botoina gekennzeichnet sind, anzubieten, in Verkehr zu bringen, einzuführen und zu lagern; c) Das Zeichen Botoina im Zusammenhang mit dem Anbieten, Vertreiben und Inverkehrbringen von Kosmetika in der Werbung, auf Geschäftspapieren, im Internet, als Domainname oder sonst in irgendeiner Form im Geschäftsverkehr zu gebrauchen. 3. Der Beklagten 1 wird vorsorglich verboten, kosmetische Präparate zur Entspannung der Ausdrucksfalten, insbesondere die unter der Bezeichnung Botoina vertriebenen Produkte, im Internet, in Prospekten, auf Schaufensterdisplays oder sonstigen Werbematerialien dominant mit einer Spritze zu bewerben. 4. Die Klägerin [= Beschwerdegegnerin] hat innert einer Frist von 30 Tagen ab Zustellung eine Sicherheitsleistung von Fr. 400'000.- zu leisten. 5. Die weiteren Rechtsbegehren werden abgewiesen. 6. (...)." Dagegen gelangte die Beschwerdeführerin mit einer sogenannten "Verfahrensmangelbeschwerde" an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt und rügte eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch mangelnde Begründung der angefochtenen Verfügung. Das Appellationsgericht wies dieses Rechtsmittel am 31. Januar 2007 ab. Die Beschwerdeführerin erhob in der Folge Beschwerde in Zivilsachen sowie vorsorglich subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts vom 31. Januar 2007 sowie die Ziffern 2 und 3 der Verfügung des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 16./17. September 2006 bzw. des Rektifikats vom 1./4. September 2006 seien aufzuheben; sodann sei das Gesuch um Erlass einer vorsorglichen Verfügung vom 17. Februar 2006 vollumfänglich abzuweisen, eventualiter die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 134 I 83 S. 86 Das Bundesgericht tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein. Die Beschwerde in Zivilsachen heisst es gut, hebt das Urteil des Appellationsgerichts sowie die Ziffern 2 und 3 der Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin vom 16./17. August 2006 und des Rektifikats vom 1./4. September 2006 auf und weist die Sache an die Zivilgerichtspräsidentin zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich nur gegen Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG zulässig, d.h. gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen. Das Bundesgericht soll sich als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes in der Regel nur ein Mal mit der gleichen Angelegenheit befassen müssen. Anders als nach der Praxis zur (altrechtlichen) Berufung ( Art. 48 Abs. 1 OG ), wonach ein Endentscheid nur dann vorlag, wenn das kantonale Sachgericht über den im Streit stehenden Anspruch materiell entschieden oder dessen Beurteilung aus einem Grund abgelehnt hatte, der endgültig verbot, dass der gleiche Anspruch nochmals geltend gemacht wird ( BGE 132 III 178 E. 1.1 S. 180 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 133 III 393 E. 4), genügt für die neurechtliche Beschwerde allgemein der rein formelle Abschluss eines Verfahrens (Urteil 5A_9/2007 vom 20. April 2007, E. 1.2.2; vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4331 Ziff. 4.1.4.1; Spühler/Dolge/Vock, Kurzkommentar zum BGG, Zürich/St. Gallen 2006, N. 3 zu Art. 90 BGG ; Bernard Corboz, Le recours en matière civile selon le projet de loi sur le Tribunal fédéral, Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht [SZZP] 2005 S. 79 ff., 82; Denis Tappy, Le recours en matière civile, in: Wurzburger et al., La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Lausanne 2007, S. 76; Peter Karlen, Das neue Bundesgerichtsgesetz, Die wesentlichen Neuerungen und was sie bedeuten, Basel 2006, S. 35; FABIENNE HOHL, Le recours en matière civile selon la Loi sur le Tribunal fédéral du 17 juin 2005, in: Foëx/Hottelier/ Jeandin [Hrsg.], Les recours au Tribunal fédéral, Genève 2007, S. 86). Entscheide über vorsorgliche Massnahmen sind nur dann Endentscheide, wenn sie in einem eigenständigen Verfahren ergehen. Selbständig eröffnete Massnahmenentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens bzw. unter der Bedingung, dass ein BGE 134 I 83 S. 87 Hauptverfahren eingeleitet wird, Bestand haben, stellen dagegen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG dar (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 4332 f.; von Werdt, in: Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz, Stämpflis Handkommentar, Bern 2007, N. 6 zu Art. 90 BGG ; Tappy, a.a.O., S. 76 f.; Bernard Corboz, Introduction à la nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, in: Bundesrechtsmittel, Schriftenreihe SAV, Bd. 20, Bern 2007, S. 4 ff., 9; Hans Peter Walter, Neue Zivilrechtspflege, in: Tschannen [Hrsg.], Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, Bern 2007, S. 131; Christoph Auer, Der Rechtsweg in Zivilsachen, in: Ehrenzeller/Schwander [Hrsg.], Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, St. Gallen 2006, S. 72 f. und S. 74 Fn. 31; Tarkan Göksu, Die Beschwerden ans Bundesgericht, St. Gallen 2007, Rz. 80; vgl. auch Spühler/Dolge/Vock, a.a.O., N. 4 zu Art. 90 BGG ; ISAAK MEIER, Rechtsmittel an das Bundesgericht in Zivilsachen nach dem BGG, in: Meier et al. [Hrsg.], Wege zum Bundesgericht in Zivilsachen nach dem Bundesgerichtsgesetz, Zürich/St. Gallen 2007, S. 26 f.). Gegen solche ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können ( Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG [Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt bei Massnahmenentscheiden von vornherein ausser Betracht]). Dabei muss es sich - entsprechend dem Begriff des Nachteils im Sinne von Art. 87 OG - um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann ( BGE 133 IV 139 E. 4; BGE 133 V 477 E. 5.2.1; Urteil 4A_85/2007 vom 11. Juni 2007, E. 3.1). Gegenstand der angefochtenen Entscheide sind während des Hauptverfahrens erlassene vorsorgliche Massnahmen. Demnach handelt es sich bei diesen Entscheiden um Zwischenentscheide nach Art. 93 BGG . Es liegt auf der Hand und wurde auch in konstanter Praxis zur staatsrechtlichen Beschwerde bejaht, dass ein solcher Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 OG bewirken kann und daher vor Bundesgericht anfechtbar ist (vgl. BGE 116 Ia 446 ff.; BGE 114 II 368 E. 2a S. 369; BGE 108 II 69 E. 1 S. 71, je mit Hinweisen). Die Beschwerde in Zivilsachen steht somit gegen die angefochtenen Entscheide grundsätzlich offen. Damit erweist sich die vorsorglich erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unzulässig ( Art. 113 BGG ) und es ist darauf nicht einzutreten. BGE 134 I 83 S. 88 3.2 Da mit der vorliegenden Beschwerde Entscheide angefochten werden, die eine vorsorgliche Massnahme zum Gegenstand haben, kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden ( Art. 98 BGG ). Die Verletzung von Grundrechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Das bedeutet, dass - entsprechend den altrechtlichen Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG - klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen ( BGE 133 III 393 E. 6, BGE 133 III 439 E. 3.2; BGE 133 II 249 E. 1.4.2; vgl. zu Art. 90 OG : BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). 4. Die Beschwerdeführerin rügt, die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin vom 16./17. August 2006 genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Entscheidbegründung nicht. Das Appellationsgericht habe eine entsprechende Gehörsverletzung zu Unrecht verneint. 4.1 Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt ( BGE 124 I 49 E. 3a, BGE 124 I 241 E. 2, je mit Hinweisen). Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 133 III 439 E. 3.3; BGE 130 II 530 E. 4.3 S. 540; BGE 129 I 232 E. 3.2; BGE 126 I 97 E. 2b, je mit Hinweisen). Diese verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen an die Begründung gelten auch für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen. Daran ändert nichts, dass diese regelmässig aufgrund einer summarischen Beurteilung der Anspruchsgrundlage erfolgen und ihrem Zweck nach rasch erlassen werden müssen und dass damit nicht endgültig über materielle Gebrauchsrechte oder BGE 134 I 83 S. 89 Unterlassungsansprüche der Parteien entschieden wird (vgl. Guldener, Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 581; STAEHELIN/SUTTER, Zivilprozessrecht, Zürich 1992, § 23 Rz. 22). 4.2 Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die Zivilgerichtspräsidentin habe ihre Pflicht zur Begründung ihrer Verfügung insoweit verletzt, als sie die Rechtsnormen, die dieser zugrunde liegen, nicht genannt habe. 4.2.1 Das Appellationsgericht hielt dazu fest, die Parteien hätten Anspruch darauf, dass sie über die Rechtsnormen Kenntnis erhielten, auf die sich der Entscheid stütze. Dies brauche indessen nicht notwendigerweise ausdrücklich zu geschehen. Oftmals machten die Parteien in ihren Rechtsschriften zum Teil detaillierte Ausführungen zum Rechtlichen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn in der Folge die entscheidende Behörde die Rechtsauffassung der einen Partei als zutreffend bezeichne und diese damit implizit zur Grundlage ihres Entscheides mache. Im vorliegenden Fall habe die Zivilgerichtspräsidentin ein solches Vorgehen gewählt. Damit habe der Beschwerdeführerin ausreichend klar sein müssen, worauf sich die Verfügung stützte. Dass sie nicht in der Lage gewesen sein will, den Entscheid sachgerecht beim Bundesgericht anzufechten, treffe offensichtlich nicht zu, wenn man sich ihre staatsrechtliche Beschwerde vor Augen führe. 4.2.2 Die Beschwerdeführerin rügt namentlich, das Appellationsgericht ignoriere damit, dass die Beschwerdegegnerin in ihren Rechtsschriften mehrere unterschiedliche Anspruchsgrundlagen geltend mache. So behaupte sie insbesondere eine Verletzung von Art. 15 MSchG (SR 232.11 [berühmte Marke]), von Art. 3 Abs. 2 lit. b MSchG (notorisch bekannte Marke), von Art. 3 Abs. 1 MSchG , Art. 3 lit. b und d UWG (SR 241) und Art. 5 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0) . Diese Rechtsgrundlagen unterschieden sich in ihren Tatbestandsvoraussetzungen wesentlich, so dass im Entscheid ausdrücklich hätte festgehalten werden müssen, welche Normen das Gericht als verletzt betrachte. Es bliebe offen und unklar, welche Normen die Zivilgerichtspräsidentin als glaubhaft verletzt erachtet habe. Dadurch werde der Beschwerdeführerin die Durchsetzung ihrer Rechtsposition durch Anfechtung der Verfügung wesentlich erschwert. 4.2.3 Die Rüge ist begründet. Die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin vom 16./17. August 2006 enthält keinen einzigen Hinweis, BGE 134 I 83 S. 90 auf welche Gesetzesbestimmungen sich die darin ausgesprochenen Verbote stützen. Ihre zur teilweisen Gutheissung des Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen führenden Erwägungen schloss die Zivilgerichtspräsidentin mit dem Befund, die Marke und das Erscheinungsbild der BOTOINA-Produkte liessen beim Letztabnehmer den Eindruck entstehen, dass zwischen der Marke BOTOINA und der Marke BOTOX eine Verbindung bestehe bzw. dass in den Produkten der Marke BOTOINA der "Wirkstoff Botox" enthalten sei, was unbestritten nicht der Fall sei. Damit sei aber zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, kann immer nur mit Bezug zu einem konkreten, angeblich beeinträchtigten immaterialgüterrechtlichen Anspruch des Massnahmegesuchstellers beurteilt werden, namentlich einem ihm zustehenden subjektiven Markenrecht oder einem Schutzanspruch, den ihm ein lauterkeitsrechtlich relevanter Marktauftritt verschafft. Es ist für die Nachvollziehbarkeit eines wegen Verwechslungsgefahr ausgesprochenen Verbots unabdingbar, dass in der Begründung die Anspruchsgrundlage - unter Angabe der einschlägigen Gesetzesbestimmungen - genannt wird, d.h. aus welchen Gründen der Massnahmerichter den Bestand von welchen unter mehreren angerufenen, in bestimmten Gesetzesbestimmungen gewährleisteten Schutzansprüchen und deren Verletzung als glaubhaft gemacht betrachtet hat. Nur so kann der vom Verbot Betroffene ein ausgesprochenes Verbot nachvollziehen und in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren substantiiert bestreiten, ohne dass er auf Spekulationen darüber angewiesen ist, aus welchen Gründen der Richter gegen seine Anträge entschieden hat. Der in verschiedenen Bereichen des Immaterialgüterrechts vorkommende Begriff der Verwechslungsgefahr ist zwar für das gesamte Kennzeichenrecht ein einheitlicher ( BGE 128 III 401 E. 5 S. 403). Es geht stets um die Beurteilung, ob ein Zeichen einem anderen derart ähnlich ist, dass die massgebenden Verkehrskreise Gefahr laufen, die gekennzeichneten Gegenstände zu verwechseln oder falsche Zusammenhänge zu vermuten ( BGE 128 III 146 E. 2a; BGE 127 III 160 E. 2b/c). Die Umstände, die im Übrigen die Gefahr falscher Individualisierung oder falscher Assoziationen erheblich beeinflussen, unterscheiden sich jedoch je nach dem Rechtsschutz, der für die Kennzeichen beansprucht wird. So sind etwa für den lauterkeitsrechtlichen Kennzeichenschutz ( Art. 3 lit. d UWG ) - im Gegensatz zum markenrechtlichen Schutz - Registereinträge nicht wesentlich BGE 134 I 83 S. 91 (vgl. BGE 116 II 365 E. 4 S. 370 und zum Ganzen das Urteil 4C.169/ 2004 vom 8. September 2004, E. 2.4, publ. in: sic! 3/2005 S. 221 ff.). Es ist demnach schlechterdings nicht möglich, ein Verbot wegen einer Verwechslungsgefahr nachvollziehbar zu begründen, wenn die einzelnen Voraussetzungen, die das MSchG oder das UWG dafür aufstellen, wie vorliegend, nicht genannt und auseinandergehalten werden. Die Zivilgerichtspräsidentin begründet ihre Verfügung vorwiegend mit der Gefahr der indirekten Verwechslung der Marke BOTOINA mit einer Marke BOTOX der Beschwerdegegnerin und der mit diesen Marken bezeichneten Produkte, wenn sie am Schluss ihrer Erwägungen zur Verwechslungsgefahr auch auf das "Erscheinungsbild" der Produkte Bezug nimmt. Sie konkretisiert jedoch die angeblich verletzten Markenrechte der Beschwerdegegnerin nicht, d.h. welche subjektiven Markenrechte der Beschwerdegegnerin nach welchen Rechtsnormen glaublich beeinträchtigt worden sein sollen. Ebenso wenig begründet sie die Gefahr der Verwechslung mit Bezug auf die Waren, für welche die angeblich verletzten Markenrechte beansprucht werden und für die der Verletzer sein Zeichen verwendet, was bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ein wesentliches Element darstellt. Dies wäre indes vorliegend namentlich deshalb wichtig, weil die Beschwerdeführerin den Bestand eines Markenrechts BOTOX in der Schweiz zur Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten bestreitet und auch die Zivilgerichtspräsidentin selber feststellt, dass die Marke BOTOX in der Schweiz zur Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten nicht zugelassen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Zivilgerichtspräsidentin geprüft hätte, ob die in der Schweiz für neurologische und ophthalmologische Anwendungen zugelassene Marke BOTOX als berühmte Marke im Sinne von Art. 15 MSchG und damit über den Warengleichartigkeitsbereich hinaus gegen die Bezeichnung von kosmetisch einsetzbaren Produkten mit einem verwechselbaren Kennzeichen zu schützen ist, fehlen in der Begründung der angefochtenen Verfügung. Schliesslich wird aus der Begründung der Verfügung insgesamt auch nicht mit hinreichender Deutlichkeit ersichtlich, ob und inwiefern die Zivilgerichtspräsidentin eine lauterkeitsrechtlich relevante Verwechslungs- oder Irreführungsgefahr als glaubhaft gemacht erachtet haben könnte. 4.2.4 Zusammenfassend ergibt sich, dass die Verfügung der Zivilgerichtspräsidentin den verfassungsrechtlichen Anforderungen BGE 134 I 83 S. 92 an die Begründung von Entscheiden nicht genügt. Die Beschwerdeführerin konnte daraus nicht entnehmen, auf welche Überlegungen sich das darin ausgesprochene Verbot stützt, so dass es ihr möglich gewesen wäre, die Verfügung in voller Kenntnis der Sache anzufechten. Sie war bei der Anfechtung vielmehr auf Spekulationen über die glaubhaft gemachte Anspruchsgrundlage angewiesen. Indem das Appellationsgericht verneinte, dass die Zivilgerichtspräsidentin die verfassungsrechtlichen Begründungsanforderungen missachtet habe, hat es seinerseits den Gehörsanspruch ( Art. 29 Abs. 2 BV ) der Beschwerdeführerin verletzt.
public_law
nan
de
2,007
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
129de36a-95e7-4bf5-9823-2dfb06f5c2b3
Urteilskopf 141 IV 61 8. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public de la République et canton de Genève (recours en matière pénale) 6B_600/2014 du 23 janvier 2015
Regeste Art. 112 und 49 StGB ; Mord; Konkurrenz bei mehreren Mordtaten. Zusammenfassung der Kriterien zur Abgrenzung des Mordes von der vorsätzlichen Tötung (E. 4). Auf lebenslängliche Freiheitsstrafe kann bei Strafschärfung infolge Konkurrenz erkannt werden, wenn der Täter mehrere mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedrohte Straftaten begangen hat (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 61 BGE 141 IV 61 S. 61 A. Par jugement du 19 juin 2013, le Tribunal criminel du canton de Genève a condamné X. pour assassinat à la peine de réclusion à vie (anciens art. 35 et 112 CP ), peine complémentaire à celle prononcée le 4 juin 2007 par la Chambre criminelle de Luxembourg (25 ans de réclusion). Sur le plan civil, il a déclaré l'intéressé débiteur de chacun des cinq frères et soeurs de la victime d'un montant de 5000 fr., avec intérêts à 5 % l'an dès le 6 janvier 1999, à titre d'indemnité pour tort moral. B. Par arrêt du 19 décembre 2013, la Chambre pénale d'appel et de révision de la Cour de justice genevoise a rejeté l'appel de X. et admis partiellement l'appel joint des frères et soeurs de la victime. Elle a condamné X. à payer à chacun de ces derniers la somme de 12'000 fr., avec intérêts à 5 % l'an dès le 6 janvier 1999, à titre d'indemnité pour tort moral. Pour le surplus, elle a confirmé le jugement attaqué. En résumé, cette condamnation repose sur les faits suivants: BGE 141 IV 61 S. 62 B.a X. a fait la connaissance de A. en décembre 1998. Après quatre ou cinq rencontres dans un bar, situé devant la gare, ils ont pris rendez-vous le 3 janvier 1999, vers 21 heures, toujours dans le même bar, pour aller en discothèque. A. est arrivé dans le bar vers 22 heures ou 23 heures et a souhaité passer au préalable à son appartement afin de se changer. Lorsqu'il est arrivé chez lui, vers 2 heures du matin, il a ouvert une bouteille de vin et en a bu avant d'aller se doucher. En sortant de la salle de douche, il a dit qu'il ne se sentait pas bien et a proposé à son hôte de le ramener à son travail le lendemain matin, lui expliquant qu'il n'y avait plus de train à cette heure tardive. X. a accepté la proposition et les deux hommes ont regardé un film ensemble. A un moment donné, A. est allé se coucher et a proposé à X. de partager son lit, bien qu'il y ait eu un canapé dans le salon. X. a accepté. Les deux hommes se sont déshabillés "jusqu'aux slips" et se sont couchés, chacun d'un côté du lit. A un moment donné, X. a asséné 47 coups de couteau à A. et l'a égorgé. Il a frappé sa victime jusqu'à ce qu'elle ne bougeât plus. Pour la cour cantonale, il s'agit d'un acte gratuit. La victime n'a exercé aucune violence physique grave à l'égard de X.; tout au plus, les juges cantonaux ont admis que A. a pu commettre des attouchements. De son côté, X. soutient qu'il a agi pour se défendre. En effet, une fois au lit et la lumière éteinte, A. se serait assis sur lui et aurait saisi sa gorge, en essayant de l'étouffer avec un coussin; selon X., A. le "tripotait partout". Après son forfait, X. a couvert le cadavre de vêtements pris dans l'armoire et a nettoyé l'appartement. Il s'est lui-même lavé et rhabillé. Il a emporté dans des valises appartenant à la victime tout ce qu'il avait touché afin de dissimuler tout signe de son passage. Il a ensuite abandonné les valises et s'est débarrassé du couteau en le jetant à l'eau. B.b Arrivé au Luxembourg dans le courant de l'année 1999, X. a fait la connaissance de B. à la fin 1999 dans un café. Les deux hommes se sont liés d'amitié. Ce dernier soutenait X. financièrement sans exiger un quelconque remboursement, mais lui demandait de partager des activités avec lui. Bien que B. ait été homosexuel, leur relation était restée amicale. Le 18 février 2006, X. a invité B. chez lui. Ils ont passé la soirée ensemble, buvant des bières et regardant la télévision. Ayant perdu les clefs de sa voiture et de sa maison, B. a demandé de pouvoir passer la nuit chez X. Vers 2 heures du matin, ils se sont déshabillés, tout BGE 141 IV 61 S. 63 en conservant leur slip, et se sont couchés dans le même lit. B. s'est rapproché de X., lui a touché la poitrine et lui a fait des avances. X. l'a alors frappé avec une matraque qui se trouvait sur sa table de nuit, puis est allé chercher un couteau et lui a donné un coup de couteau dans le dos. Comme le sang coulait sur le lit, il est allé se laver les mains, puis il a enveloppé sa victime dans un drap pour la tirer dans le couloir. Après avoir pris une douche, il a mis le cadavre dans la baignoire, a nettoyé l'appartement et a quitté son appartement. Vers 22 heures, il est allé se dénoncer à la police. Par jugement du 4 juin 2007, la Chambre criminelle du Tribunal d'arrondissement de Luxembourg a reconnu X. coupable de meurtre et l'a condamné à 25 ans de réclusion. Elle a écarté la circonstance de l'assassinat, le dossier répressif ne permettant pas de retenir que l'accusé avait agi avec préméditation. Elle n'a pas mis X. au bénéfice de la circonstance atténuante de la provocation, plaidée par la défense, dans la mesure où il n'a pas été retenu que B. eût exercé des violences physiques graves à l'égard de l'accusé, les affirmations de ce dernier selon lesquelles la victime aurait commis des attouchements, à supposer qu'elles fussent véridiques, ne justifiant pas l'emploi d'une telle violence. Pour fixer la peine, les juges luxembourgeois ont notamment pris en compte la responsabilité pénale pleine et entière, la gravité des faits, les mensonges de X. et l'absence de repentir. Bien que le meurtre fût passible de la réclusion à vie en droit luxembourgeois, la Chambre criminelle a renoncé à infliger la peine maximale, en raison de l'absence d'antécédents judiciaires de l'intéressé et de ses aveux quant à la matérialité des faits. Ce jugement a été confirmé par la Cour d'appel du Grand-Duché du Luxembourg, par arrêt du 23 janvier 2008. B.c B.c.a Dans un premier temps, l'enquête menée en Suisse et à l'étranger sur l'assassinat de A. n'a pas permis d'identifier le coupable. Le 5 octobre 2009, la Brigade criminelle de la police judiciaire a transmis au Centre universitaire de médecine légale de nouveaux prélèvements biologiques effectués dans l'appartement de A. Les analyses ont permis de mettre en évidence un profil ADN similaire sur deux mégots de cigarette ainsi que sur un verre à pied retrouvés dans le lavabo de la salle de bains de l'intéressé. En décembre 2011, la police judiciaire a reçu des autorités luxembourgeoises une réponse, selon laquelle le profil ADN en question correspondait à celui de X., qui était détenu depuis le 19 février 2006 au Luxembourg. BGE 141 IV 61 S. 64 B.c.b Selon le rapport d'expertise du 4 mars 2013 établi par le Dr C., X. ne souffre d'aucun trouble psychique ni de trouble grave de la personnalité. Sa responsabilité au moment des faits était pleine et entière. Pour l'expert, la motivation psychologique du passage à l'acte reste toutefois obscure. D'après l'expert, le risque de récidive est très élevé, compte tenu des actes commis en 1999, de leur répétition en 2006 avec de nombreuses similitudes, des caractéristiques de la personnalité de X., de l'incapacité de connaître les mécanismes psychiques réellement en cause et de la quasi absence de volonté de l'intéressé de s'investir dans un réel travail de psychothérapie. Dans ces conditions, l'expert préconise un internement au sens de l' art. 64 CP . C. Contre ce dernier arrêt cantonal, X. dépose un recours en matière pénale devant le Tribunal fédéral. Il conclut, principalement, à sa réforme en ce sens qu'il est condamné pour meurtre passionnel ( art. 113 CP ), mais qu'aucune peine n'est prononcée à son encontre au motif qu'il a agi en état de légitime défense excessive, provenant d'un état excusable de saisissement; à titre subsidiaire, il conclut à sa condamnation pour meurtre passionnel et à la constatation que la peine privative de liberté (complémentaire) est égale à zéro. A titre plus subsidiaire, il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision. En outre, il sollicite l'assistance judiciaire. Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 L'assassinat ( art. 112 CP ) est une forme qualifiée d'homicide intentionnel qui se distingue du meurtre ordinaire ( art. 111 CP ) par le fait que l'auteur a tué avec une absence particulière de scrupules. Cela suppose une faute spécialement lourde et déduite exclusivement de la commission de l'acte; les antécédents ou le comportement que l'auteur adopte immédiatement après les faits n'entrent en ligne de compte que dans la mesure où ils y sont étroitement liés, et permettent de caractériser la personnalité de l'auteur ( ATF 127 IV 10 consid. 1a p. 14). Pour caractériser la faute de l'assassin, l' art. 112 CP évoque le cas où les mobiles, le but ou la façon d'agir de l'auteur sont particulièrement odieux. Le mobile de l'auteur est particulièrement odieux lorsqu'il tue pour obtenir une rémunération ou voler sa victime; le mobile est aussi particulièrement odieux lorsqu'il apparaît futile, l'auteur tuant pour BGE 141 IV 61 S. 65 se venger, sans motif sérieux, ou encore pour une broutille (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, volume I, 3 e éd. 2010, n° 8 ad art. 112 CP ). Le but - qui se recoupe en grande partie avec le mobile - est particulièrement odieux lorsque l'auteur élimine un témoin gênant ou une personne qui l'entrave dans la commission d'une infraction (CORBOZ, op. cit., n os 9 ss ad art. 112 CP ). Quant à la façon d'agir , elle est particulièrement odieuse lorsqu'elle est barbare ou atroce ou lorsque l'auteur a exploité avec perfidie la confiance de la victime (CORBOZ, op. cit., n os 13 ss ad art. 112 CP ). Il ne s'agit toutefois que d'exemples. L'énumération du texte légal n'est pas exhaustive. L'absence particulière de scrupules peut être admise lorsque d'autres éléments confèrent à l'acte une gravité spécifique ( ATF 117 IV 369 consid. 19b p. 393). C'est ainsi que la réflexion et la planification de l'acte peuvent constituer des éléments susceptibles de conduire à retenir une absence particulière de scrupules (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7 e éd. 2010, § 1 n. 25). Par la froideur dans l'exécution et la maîtrise de soi, l'auteur manifeste également le plus complet mépris de la vie d'autrui (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, ibidem; MICHEL DUPUIS ET AL., CP, Code pénal, 2 e éd. 2012, n° 25 ad art. 112 CP ). Pour déterminer si l'on se trouve en présence d'un assassinat, il faut procéder à une appréciation d'ensemble des circonstances externes (comportement, manière d'agir de l'auteur) et internes de l'acte (mobile, but, etc.). Il y a assassinat lorsqu'il résulte de l'ensemble de ces circonstances que l'auteur a fait preuve du mépris le plus complet pour la vie d'autrui. Alors que le meurtrier agit pour des motifs plus ou moins compréhensibles, généralement dans une grave situation conflictuelle, l'assassin est une personne qui agit de sang-froid, sans scrupules, qui démontre un égoïsme primaire et odieux et qui, dans le but de poursuivre ses propres intérêts, ne tient aucun compte de la vie d'autrui. Chez l'assassin, l'égoïsme l'emporte en général sur toute autre considération. Il est souvent prêt, pour satisfaire des besoins égoïstes, à sacrifier un être humain dont il n'a pas eu à souffrir. La destruction de la vie d'autrui est toujours d'une gravité extrême. Pour retenir la qualification d'assassinat, il faut cependant que la faute de l'auteur, son caractère odieux, se distingue nettement de celle d'un meurtrier au sens de l' art. 111 CP ( ATF 127 IV 10 consid. 1a p. 13 s.). 4.2 En l'espèce, la façon d'agir du recourant, brutale et atroce, doit être qualifiée de particulièrement odieuse. Le recourant s'en est pris BGE 141 IV 61 S. 66 à un homme plus âgé que lui, couché nu dans son lit et totalement sans défense, qui l'avait accueilli chez lui. Il lui a asséné 47 coups de couteau et l'a égorgé. Il a continué à le frapper, alors que sa victime, encore consciente, se débattait. Face à un homme qui se débat, il aurait pu à tout moment arrêter de porter des coups, mais il a préféré continuer à s'acharner, faisant abstraction des souffrances de sa victime. Le recourant n'a pas fourni d'explication plausible à son acte (la thèse de l'attaque ayant été écartée sans arbitraire, consid. 2 non publié). Il faut donc admettre qu'il a tué sans motif ou pour une broutille (si l'on admet que la victime lui a fait des avances sexuelles). Le comportement du recourant après l'acte montre son sang-froid et sa maîtrise de la situation. Après avoir achevé la victime, il a couvert le cadavre d'habits et a nettoyé l'appartement. Il s'est lui-même lavé et rhabillé et a emporté dans des valises appartenant à la victime tout ce qu'il avait touché afin de dissimuler tout signe de son passage. Il a ensuite abandonné les valises et s'est débarrassé du couteau en le jetant à l'eau. En conclusion, le recourant a agi avec acharnement et cruauté, sans raison ou pour un motif futile. Toutes les hypothèses mentionnées à l' art. 112 CP sont ainsi réalisées. En outre, le comportement du recourant après l'acte, consistant à éliminer toute trace de son passage sans affolement, confirme sa froideur et son mépris total pour la vie d'autrui. C'est donc sans violer le droit fédéral que la cour cantonale a condamné le recourant pour assassinat. Les griefs soulevés par le recourant doivent être rejetés. (...) 6. Le recourant conteste le prononcé de la peine privative de liberté à vie. 6.1 6.1.1 Le juge fixe la peine d'après la culpabilité de l'auteur (ancien art. 63 CP ; art. 47 CP ). La culpabilité de l'auteur doit être évaluée en fonction de tous les éléments objectifs pertinents, qui ont trait à l'acte lui-même, à savoir notamment la gravité de la lésion, le caractère répréhensible de l'acte et son mode d'exécution. Du point de vue subjectif, sont pris en compte l'intensité de la volonté délictuelle ainsi que les motivations et les buts de l'auteur. A ces composantes de la culpabilité, il faut ajouter les facteurs liés à l'auteur lui-même, à savoir les antécédents, la réputation, la situation personnelle (état de BGE 141 IV 61 S. 67 santé, âge, obligations familiales, situation professionnelle, risque de récidive, etc.), la vulnérabilité face à la peine, de même que le comportement après l'acte et au cours de la procédure pénale ( ATF 136 IV 55 consid. 5 p. 57 ss; ATF 134 IV 17 consid. 2.1 p. 19 s.; ATF 129 IV 6 consid. 6.1 p. 20 s.). 6.1.2 Si, en raison d'un ou de plusieurs actes, l'auteur encourt plusieurs peines privatives de liberté, le juge le condamnera à la peine de l'infraction la plus grave et en augmentera la durée d'après les circonstances (principe de l'aggravation). Il ne peut cependant excéder de plus de la moitié le maximum prévu pour cette infraction; en outre, il est lié par le maximum légal du genre de la peine (ancien art. 68 ch. 1 CP ; art. 49 al. 1 CP ). Si le juge doit prononcer une condamnation pour une infraction que l'auteur a commise avant d'avoir été condamné pour une autre infraction, il fixe la peine complémentaire, de sorte que l'auteur ne soit pas puni plus sévèrement que si les diverses infractions avaient fait l'objet d'un seul jugement (ancien art. 68 ch. 2 CP ; art. 49 al. 2 CP ). Cette disposition permet de garantir le principe de l'aggravation également en cas de concours réel rétrospectif. L'auteur qui encourt plusieurs peines privatives de liberté doit pouvoir bénéficier du principe de l'aggravation, indépendamment du fait que la procédure s'est ou non déroulée en deux temps. Concrètement, le juge se demande d'abord quelle peine d'ensemble aurait été prononcée si toutes les infractions avaient été jugées simultanément. La peine complémentaire est constituée de la différence entre cette peine d'ensemble et la peine de base, à savoir celle prononcée précédemment. L'ancien art. 68 ch. 2 CP , resp. l' art. 49 al. 2 CP , est également applicable si la première condamnation a été prononcée à l'étranger, même si elle concerne des faits qui ne relèvent pas de la juridiction suisse ( ATF 132 IV 102 consid. 8.2 p. 105). Selon la jurisprudence, en cas de concours entre plusieurs infractions, dont une seule est passible d'une peine privative de liberté à vie, le prononcé d'une condamnation à vie ne peut pas se fonder sur le seul principe de l'aggravation de l'ancien art. 68 ch. 1 CP et de l' art. 49 al. 1 CP . En effet, une telle augmentation de la peine frapperait plus durement l'auteur que si plusieurs peines de durée déterminée étaient cumulées; le prononcé d'une peine à vie ne sera possible que si l'une des infractions en cause justifie en soi une telle sanction ( ATF 132 IV 102 consid. 9.1 p. 105 s.). En revanche, il est admis qu'une condamnation à vie puisse résulter du seul effet de BGE 141 IV 61 S. 68 l'aggravation du concours lorsque, comme en l'espèce, l'auteur a commis plusieurs infractions passibles de la peine privative à vie ( ATF 132 IV 102 consid. 9.1 p. 106). 6.1.3 La peine privative de liberté à vie est la sanction la plus lourde du code pénal ( art. 40 CP ). Elle constitue le plafond du cadre légal des infractions qui la prévoient, l'assassinat notamment ( art. 112 CP ). Pour cette raison déjà, une motivation particulièrement complète et précise doit être exigée (cf. ATF 127 IV 101 consid. 2c p. 104 s.). Il convient, par ailleurs, de rappeler, dans ce contexte, que les circonstances aggravantes ou atténuantes justifiant l'extension du cadre légal vers le haut ou vers le bas (état de fait qualifié ou privilégié) ne peuvent justifier de nouveau, dans le cadre légal étendu, l'aggravation ou l'allègement de la sanction. La motivation doit ainsi mettre en évidence la mesure particulière dans laquelle ces circonstances sont réalisées dans le cas concret et en quoi elles influencent la quotité de la sanction ( ATF 120 IV 67 consid. 2b p. 71 s.; ATF 118 IV 342 consid. 2b p. 347 s.; en matière d'assassinat v. aussi arrêt 6P.47/2007 du 29 juin 2007 consid. 10). 6.2 La cour cantonale a expliqué que, si elle avait eu à juger en même temps les assassinats de A. (commis à V. en 1999) et celui de B. (commis au Luxembourg en 2006), elle aurait prononcé une peine privative de liberté à vie en tant que peine hypothétique d'ensemble, la faute étant augmentée par le fait qu'à deux reprises, le recourant avait massacré des hommes sans défense, plus âgés que lui et avec lesquels il entretenait des relations amicales. Elle a ajouté que la peine à vie se justifiait d'autant plus que les juges luxembourgeois avaient à l'époque renoncé à prononcer la réclusion à vie essentiellement en raison de l'absence d'antécédents. Par ailleurs, elle a considéré que l'assassinat de A. justifiait à lui seul le prononcé d'une peine privative de liberté à vie, en raison de son caractère particulièrement odieux. Elle a donc confirmé la peine de réclusion à vie en tant que peine complémentaire à celle prononcée par la Chambre criminelle de Luxembourg. En l'espèce, la faute du recourant est extrêmement grave. Il a commis deux assassinats, à savoir deux infractions passibles de la peine privative de liberté à vie. Par deux fois, le recourant s'en est pris sauvagement à un homme, sans défense et qui lui faisait confiance. Le meurtre commis au Luxembourg a été frappé d'une peine de réclusion de 25 ans. Les circonstances de l'assassinat commis à V. sont tout aussi atroces. Le concours de ces deux assassinats justifie une BGE 141 IV 61 S. 69 peine privative de liberté à vie. La cour cantonale n'a donc pas violé le droit fédéral en prononçant une peine privative de liberté à vie en tant que peine complémentaire. 6.3 6.3.1 Au demeurant, la cour cantonale a estimé que l'assassinat de A. justifiait déjà en soi le prononcé d'une peine privative de liberté à vie au vu de la faute extrêmement lourde du recourant. Elle a relevé que le déroulement de son activité meurtrière montrait une absence de scrupules particulièrement marquée. En effet, le recourant s'en était pris, avec une brutalité sauvage (47 coups de couteau, dont un égorgement), à un homme, sans défense, qui l'avait accueilli chez lui. S'agissant des mobiles, la cour cantonale a relevé l'absence de motif apparent. Le recourant n'avait en effet pas fourni d'explication plausible concernant les raisons de son acte, la thèse de l'attaque préalable de la victime n'étant pas crédible. La cour cantonale a également insisté sur les circonstances après l'acte, qui montraient une totale absence de scrupules. Après avoir effacé de manière méticuleuse toute trace pouvant le lier au crime, le recourant était rentré chez lui, abandonnant la victime morte dans sa chambre. Il avait repris et continué son travail, puis avait quitté la Suisse pour refaire sa vie au Luxembourg. Pour le surplus, aucune circonstance atténuante n'était réalisée. La cour cantonale a rappelé que la responsabilité pénale du recourant était pleine et entière. Enfin, à charge, elle a noté que sa collaboration à la procédure avait été mauvaise et que le recourant était clairement dans le déni. 6.3.2 Le recourant invoque une inégalité de traitement, en se référant à divers exemples trouvés dans la jurisprudence. Toute comparaison avec d'autres affaires est toutefois délicate vu les nombreux paramètres entrant en ligne de compte pour la fixation de la peine. Il ne suffit d'ailleurs pas que le recourant puisse citer un ou deux cas où une peine particulièrement clémente a été fixée pour prétendre à un droit à l'égalité de traitement. Les disparités en cette matière s'expliquent normalement par le principe de l'individualisation des peines, voulu par le législateur; elles ne suffisent pas en elles-mêmes pour conclure à un abus du pouvoir d'appréciation ( ATF 135 IV 191 consid. 3.1 p. 193; ATF 123 IV 150 consid. 2a p. 152 s.; ATF 120 IV 136 consid. 3a p. 144). Le grief soulevé par le recourant doit donc être rejeté. Contrairement à ce que soutient le recourant, on ne saurait retenir en sa faveur des aveux, alors qu'il s'est enfui au Luxembourg pour BGE 141 IV 61 S. 70 échapper à toute poursuite et qu'il n'a reconnu son forfait que confronté aux éléments de preuves matérielles, qui ne lui laissaient pas d'autre choix. Le recourant fait valoir son absence d'antécédents. Selon la jurisprudence, l'absence d'antécédents a en principe un effet neutre sur la fixation de la peine et n'a pas à être pris en considération dans un sens atténuant ( ATF 136 IV 1 consid. 2.6 p. 2 ss). Le recourant ne cite en définitive aucun élément important, propre à modifier la peine, qui aurait été omis ou pris à tort en considération. Il convient dès lors d'examiner si, au vu des circonstances, la peine infligée apparaît exagérément sévère au point de constituer un abus du pouvoir d'appréciation. 6.3.3 Le recourant réalise toutes les hypothèses mentionnées à l' art. 112 CP et ce avec une intensité particulièrement marquée. Il a assassiné, avec une brutalité sauvage, un homme, sans défense, qui l'avait accueilli chez lui, et cela sans aucune raison ou pour un motif futile. Il a ensuite effacé de manière méticuleuse toute trace pouvant le lier au crime et a continué à travailler comme si de rien n'était pour partir finalement au Luxembourg. Aucune circonstance atténuante n'est réalisée. En sa défaveur, on peut encore relever une mauvaise collaboration à la procédure pénale et une absence de prise de conscience de la gravité de ses actes. Dans ces circonstances, la faute du recourant est extrêmement lourde. La cour cantonale n'a donc pas outrepassé son pouvoir d'appréciation en considérant que l'assassinat de A. justifiait à lui seul une peine privative de liberté à vie. Elle a motivé cette peine de manière détaillée et complète, respectant les exigences posées par la jurisprudence (cf. consid. 6.1.3). Les griefs soulevés par le recourant sont dès lors infondés. 6.4 En conclusion, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en prononçant une peine privative de liberté à vie en tant que peine complémentaire.
null
nan
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2,015
CH_BGE
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12a57e96-42b2-490e-a6e8-75d1ec9fe468
Urteilskopf 111 V 135 28. Extrait de l'arrêt du 15 avril 1985 dans la cause Caisse de compensation du canton de Fribourg contre Herren et Commission cantonale fribourgeoise de recours en matière d'assurances sociales
Regeste Art. 47 Abs. 2 AHVG , Art. 27 Abs. 1 ELV . Die durch Art. 47 Abs. 2 AHVG festgelegten Fristen sind Verwirkungsfristen.
Erwägungen ab Seite 136 BGE 111 V 135 S. 136 Extrait des considérants: 2. a) Selon l' art. 27 OPC-AVS/AI , les prestations complémentaires indûment touchées doivent être restituées par le bénéficiaire ou par ses héritiers; les dispositions de la LAVS sont applicables par analogie à la restitution de telles prestations et à la libération de l'obligation de les restituer. Aux termes de l' art. 47 al. 2 LAVS , le droit de demander la restitution se prescrit par une année à compter du moment où la caisse de compensation a eu connaissance du fait, mais au plus tard par cinq ans après le paiement de la rente; si le droit de demander restitution naît d'un acte punissable pour lequel la loi pénale prévoit un délai de prescription plus long, ce délai est déterminant. 3. a) Dans plusieurs arrêts, le Tribunal fédéral des assurances a laissé entendre que le délai d'une année institué par l' art. 47 al. 2 LAVS est un délai de prescription proprement dit ( ATF 103 V 154 ; RJAM 1982 No 505 p. 214-215). Selon MAURER, il faudrait au contraire considérer qu'il s'agit d'un délai de péremption, cela en vue d'une application uniforme du droit en ce domaine, dès lors que l' art. 46 al. 1 LAVS instaure déjà un délai de cette nature (Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. II p. 130-131; voir également ATF 105 V 80 consid. 2c où le Tribunal fédéral des assurances a laissé ouverte la question). b) La péremption se distingue de la prescription à divers égards: elle opère de plein droit, c'est-à-dire qu'elle est toujours examinée d'office par le juge; les délais de péremption ne peuvent être ni suspendus ni interrompus; la péremption ne laisse pas subsister une obligation naturelle (GRISEL, Traité de droit administratif, p. 663; MAURER, op.cit., vol. I p. 307 et vol. II p. 71). Pour déterminer si un délai fixé par la loi est ou non péremptoire, on ne saurait, surtout s'il s'agit de textes légaux qui ne sont pas récents, se fonder sur le fait que le législateur use ou non de ce terme et il faut bien plutôt analyser la disposition en cause (GRISEL, op.cit., p. 663; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5e éd., vol. I p. 205; ATF 86 I 65 ). C'est ainsi que le Tribunal fédéral des assurances a eu l'occasion de juger que les délais institués par l' art. 16 LAVS , qui règle la "prescription" des créances de cotisations et du droit à la restitution de cotisations versées indûment, sont des délais de péremption, en dépit de la terminologie utilisée par l'auteur de BGE 111 V 135 S. 137 cette norme ( ATF 100 V 156 , ATF 97 V 147 ; ATFA 1955 p. 194). Le tribunal s'est à cet égard fondé sur les motifs qui ont conduit à l'instauration des délais en question et qui étaient ainsi exposés par le Conseil fédéral dans son message du 5 mai 1953 relatif au projet de loi modifiant la loi sur l'AVS: "Partant de motifs de sécurité juridique et de considérations de technique administrative, selon lesquels au terme d'une certaine durée un point final doit être mis à un certain rapport d'obligation entre l'assurance et un débiteur de cotisations, nous avons prévu que l'échéance des délais a pour effet l'extinction du droit et de l'obligation" (FF 1953 II 113; ATF 97 V 148 ; ATFA 1955 p. 197). Dans ce dernier arrêt, la Cour de céans a en outre souligné que, dans le domaine de l'AVS, le maintien de créances de cotisations ou en restitution de cotisations, vieilles de plusieurs années, non réglées et douteuses, apporterait une sérieuse entrave à la gestion rationnelle des caisses et compliquerait l'établissement de données sur la situation financière réelle de l'assurance. c) Cela étant, il s'impose d'admettre que les délais fixés par l' art. 47 al. 2 LAVS sont des délais de péremption, car on est fondé à considérer que la ratio legis de cette norme est la même que celle de l' art. 16 LAVS : ici également, des motifs touchant à la sécurité du droit et des raisons d'ordre administratif justifient que les délais pour demander la restitution de prestations indûment touchées ne puissent pas être prolongés par la volonté des parties. Au surplus, le législateur a sans doute voulu, en adoptant l' art. 47 al. 2 LAVS , accorder aussi une protection à la personne tenue à restitution, ce qui est une raison supplémentaire pour considérer que la caisse de compensation est déchue de ses droits si elle ne les fait pas valoir par une décision dans les délais fixés à cette fin (cf. ATF 86 I 64 et MAURER, op.cit., vol. II p. 71). Il est vrai qu'une loi récente - en l'occurrence la LAA - comporte à son art. 52 al. 2 une disposition semblable à l' art. 47 al. 2 LAVS et qui utilise aussi le terme "prescription". On ne saurait toutefois y voir un élément décisif pour l'interprétation de l' art. 47 al. 2 LAVS , car, dans la loi en question, le législateur s'est contenté de reprendre, sur le point ici en discussion, les règles applicables en matière d'AVS/AI (voir FF 1976 III 206).
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1,985
CH_BGE
CH_BGE_007
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Federation
12a7f07d-274e-4dc6-a360-5402dafe675d
Urteilskopf 102 V 69 17. Auszug aus dem Urteil vom 30. Mai 1976 i.S. Weber gegen "Die Eidgenössische" Kranken- und Unfallkasse und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste Art. 12 Abs. 2 KUVG . Die chirurgische Korrektur unfall- oder krankheitsbedingter ästhetischer Mängel, die ein erhebliches Ausmass erreichen, gehört zu den Pflichtleistungen der Krankenkasse, sofern die Versicherung für die primären Unfall- oder Krankheitsfolgen haftet. Art. 12 Abs. 1 IVG . Sachlicher und zeitlicher Zusammenhang der kosmetischen Operation mit der primären Unfallbehandlung.
Sachverhalt ab Seite 69 BGE 102 V 69 S. 69 Aus dem Tatbestand: A.- Bei einem am 28. Februar 1974 erlittenen Verkehrsunfall zog sich der damals 8jährige Brian Weber verschiedene Kopfverletzungen zu. "Die Eidgenössische" Kranken- und Unfallkasse übernahm ohne Anerkennung einer Rechtspflicht 20% der gesamten Heilungskosten, während die restlichen BGE 102 V 69 S. 70 80% zu Lasten der Haftpflichtversicherung des Schädigers gingen. Anscheinend noch vor Ende 1974 wurde ärztlicherseits die Korrektur einer vom Unfall herrührenden Gesichtsnarbe durch chirurgischen Eingriff in Erwägung gezogen. Mit Verfügung vom 4. Juni 1975 lehnte es die Kasse ab, sich an den Kosten dieser Operation zu beteiligen, weil derartige Behandlungen nicht zu ihren Pflichtleistungen gehörten. B.- Die von Romeo Weber, dem Vater des Versicherten, gegen diese Verfügung eingereichte Beschwerde ist vom Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft am 10. September 1975 abgewiesen worden mit der Begründung: Die Narbenkorrektur-Operation diene nicht der Beseitigung eines den Körper beeinträchtigenden krankhaften Prozesses. Daher sei die Kasse nach den Bestimmungen des KUVG nicht leistungspflichtig. C.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Romeo Weber. Die Kasse verneint ihre Leistungspflicht, weil es sich um keine manifeste Störung von Organfunktionen durch pathologische Vorgänge handle. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Die Invalidenversicherung übernimmt in der Regel nur unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur stabiler Defektzustände oder Funktionsausfälle gerichtete Vorkehren, welche den gesetzlich vorgeschriebenen Eingliederungserfolg voraussehen lassen. Die Behandlung von Unfallfolgen gehört grundsätzlich ins Gebiet der sozialen Unfallversicherung ( BGE 100 V 34 ). Hingegen können stabile Defekte, die als Folge von Unfällen entstehen, Anlass zu Eingliederungsmassnahmen im Sinn von Art. 12 IVG geben, sofern kein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung besteht. Der enge sachliche Zusammenhang ist gegeben, wenn die BGE 102 V 69 S. 71 medizinische Vorkehr mit der Unfallbehandlung einen einheitlichen Komplex bildet. Für die Beurteilung ist dabei ausschliesslich der Zeitpunkt der Entstehung des Defektes und nicht der Zeitpunkt der Diagnosestellung oder der Durchführung der Massnahme ausschlaggebend. Eine Massnahme, die schon während der Unfallbehandlung als voraussichtlich notwendig erkennbar war, ist keine Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung. Der zeitliche Zusammenhang mit der Unfallbehandlung ist als unterbrochen zu betrachten, wenn der Defekt ohne Behandlung während längerer Zeit, in der Regel während 360 Tagen, stabil war und der Versicherte im Rahmen der noch vorhandenen Arbeitsfähigkeit tätig sein konnte ( BGE 101 V 271 ). Die für die Beurteilung des zeitlichen Zusammenhanges massgebende Zeitspanne beginnt mit dem Eintritt des stabilen Defektzustandes nach Abschluss der primären Unfallbehandlung und endet mit der erstmaligen Indikation der neuen Behandlungsvorkehr ( BGE 101 V 271 ). 2. Aus den Akten ist zu schliessen, dass noch vor Ende 1974 die chirurgische Narbenkorrektur indiziert erschien. Daraus ergibt sich ohne weiteres der enge sachliche Zusammenhang der geplanten Operation mit der primären Unfallbehandlung, die spätestens im Mai 1974 abgeschlossen war. Und nachdem der Defekt bei der erstmaligen Indikation der Narbenoperation noch keine 360 Tage stabil gewesen sein konnte, ist auch der zeitliche Zusammenhang zu bejahen. Demzufolge fällt jegliche Leistungspflicht der Invalidenversicherung ausser Betracht und muss der Fall ausschliesslich nach den Bestimmungen über die soziale Kranken- und Unfallversicherung beurteilt werden. 3. Zweck der ärztlichen Behandlung als gesetzliche Pflichtleistung im Sinn von Art. 12 Abs. 2 KUVG ist die möglichst vollständige Beseitigung der körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung. Wie weit dies im konkreten Fall möglich ist, beurteilt sich nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Demgemäss verpflichtet Art. 21 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung die Krankenkassen grundsätzlich, die vom Arzt verordneten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen zu übernehmen, soweit diese wissenschaftlich anerkannt sind. Eine Operation hat daher nicht nur der eigentlichen Heilung einer Krankheit oder von unmittelbaren Unfallfolgen zu BGE 102 V 69 S. 72 dienen, sondern auch andere, sekundäre krankheits- oder unfallbedingte Beeinträchtigungen zu beseitigen. Insbesondere werden mit chirurgischen Eingriffen auch äusserliche Verunstaltungen vor allem an sichtbaren und in ästhetischer Beziehung speziell empfindlichen Körperteilen - besonders im Gesicht - angegangen. Solange ein derartiger krankheits- oder unfallbedingter Mangel besteht, der ein gewisses Ausmass erreicht und sich durch kosmetische Operation beheben lässt, ist diese von der Versicherung zu übernehmen unter der Voraussetzung allerdings, dass sie auch für die Behandlung der primären Unfall- oder Krankheitsfolgen aufzukommen hatte. Indessen hat sich die Leistungspflicht der Kassen für kosmetische Operationen in allgemein üblichen Grenzen und im Rahmen der Wirtschaftlichkeit zu halten. Demnach fragt es sich im vorliegenden Fall, ob überhaupt das Gesicht des Beschwerdeführers durch die angeblich vom Auge bis zum Haaransatz reichende Narbe grob entstellt ist und ob sich diese Beeinträchtigung durch eine kosmetische Operation beheben lässt. Die Akten geben darüber nicht Aufschluss. Insbesondere fehlen jegliche medizinischen Unterlagen. Sodann stellt sich die weitere Frage, ob die Kasse für die Folgen des am 28. Februar 1974 erlittenen Unfalles haftet; letzteres hat sie gestützt auf ihre Statuten stets verneint, weshalb sie ihre bisherigen Leistungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbrachte. Es wird Sache des kantonalen Versicherungsgerichts sein, die erforderlichen Abklärungen zu treffen und unter Beachtung der oben dargelegten Grundsätze über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Übernahme der Kosten der verlangten kosmetischen Operation neu zu befinden. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der angefochtene Entscheid vom 10. September 1975 aufgehoben und die Sache an das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft zurückgewiesen, damit dieses im Sinne der Erwägungen über den Leistungsanspruch neu befinde.
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de
1,976
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
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12aaa554-4bdf-4241-be91-c4b93944350f
Urteilskopf 123 II 337 38. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. April 1997 i.S. Verkehrsclub der Schweiz (VCS) gegen Bauherrengemeinschaft Richti, Gemeinderat Wallisellen sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Umweltschutzrecht und Raumplanung; baurechtliche Behandlung eines UVP-pflichtigen Verwaltungskomplexes mit Parkplätzen. Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP): Zulässigkeit der Aufteilung des Baubewilligungsverfahrens in ein Vorentscheidverfahren und ein Hauptverfahren, wenn in jedem Verfahren je eine UVP über die im jeweiligen Verfahrensstadium zu behandelnden Fragen durchgeführt wird (E. 2). Nutzungsplanung: Unzulässigkeit der akzessorischen Überprüfung der Nutzungsplanung im Baubewilligungsverfahren (E. 3). Luftreinhaltung: Keine Gefährdung der Umsetzung des Massnahmenplans bei Realisierung des Bauvorhabens (E. 4). Problem der flankierenden Massnahmen (E. 7). Hinreichende Erschliessung durch das öffentliche Strassennetz und den öffentlichen Verkehr (E. 5 und 7a). Erschliessung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 USG (E. 8c). Lärmschutz: Massgebende Empfindlichkeitsstufen und Belastungsgrenzwerte. Zulässigkeit der Feinerschliessung, wenn im überwiegenden Teil des Baugrundstücks die Planungswerte eingehalten und an keinem Messpunkt die Immissionsgrenzwerte überschritten sind ( Art. 24 Abs. 2 USG ; E. 8d). Kostenauflage an Umweltschutzorganisationen im bundesgerichtlichen und im kantonalen Verfahren (E. 10).
Sachverhalt ab Seite 339 BGE 123 II 337 S. 339 Die Bauherrengemeinschaft Richti, (im folgenden BHG Richti), plant den Bau eines mehrteiligen Verwaltungskomplexes mit einer Bruttogeschossfläche von ca. 67'000 m2 auf den Grundstükken Kat.Nrn. 9'898, 9'897, 9'554 und 9'019 (Areal Richti) im Raum Neue Winterthurer-, Richti-, Geeren- und Industriestrasse in Wallisellen. Mit dem Vorhaben sollen rund 2'700 Arbeitsplätze geschaffen werden. Ursprünglich waren 1'350 Autoabstellplätze vorgesehen. Auf Vorentscheidgesuch vom 29. August 1989 hin stellte der Gemeinderat Wallisellen am 27. Februar 1990 eine Baubewilligung "unter erschwerten Bedingungen" in Aussicht. Seinen Entscheid stützte er auf einen Umweltverträglichkeitsbericht vom 29. August 1989 (UVB 89), ein daran anschliessendes Mitberichtsverfahren bei den zuständigen kantonalen Ämtern und eine Stellungnahme der kantonalen Koordinationsstelle für Umweltschutz vom 4. Januar 1990. Einen gegen diesen Entscheid erhobenen Rekurs des Verkehrs-Clubs der Schweiz (VCS) wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 14. Oktober 1992 ab. Gegen diesen Entscheid gelangte der VCS am 16. November 1992 mit Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht. Dieses sistierte das Verfahren. Am 1. März 1994 erteilte der Gemeinderat Wallisellen der BHG Richti eine Bewilligung mit zahlreichen Nebenbestimmungen für eine Überbauung des genannten Areals mit "Dienstleistungsbauten mit Gemeinschaftsanlagen". Die Anzahl erlaubter Autoabstellplätze wurde auf 750 festgelegt. Die Bewilligung stützte sich auf den Vorentscheid sowie auf einen zweiten UVB vom 27. November 1992 (UVB 92), ein daran anschliessendes Mitberichtsverfahren bei den kantonalen Umweltschutzfachstellen und eine Stellungnahme der Koordinationsstelle für Umweltschutz vom 5. November 1993. Am 8. März 1995 wies der Regierungsrat den gegen diese Baubewilligung erhobenen Rekurs des VCS ab. Gegen diesen Entscheid gelangte der VCS mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Dieses vereinigte das Verfahren mit dem anderen bei ihm hängigen, sistierten Verfahren und wies beide Beschwerden am 19. April 1996 ab. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der VCS im wesentlichen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. April 1996 sowie die vorangegangenen Entscheide des Regierungsrates und des Gemeinderates Wallisellen seien aufzuheben und die baurechtliche Bewilligung sei zu verweigern. BGE 123 II 337 S. 340 Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer ist der Meinung, im kantonalen Verfahren sei zu Unrecht eine zweistufige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgenommen worden. Art. 6 der Verordnung vom 19. Oktober 1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV; SR 814.011) lasse eine mehrstufige Prüfung der Umweltverträglichkeit eines Projekts nur zu, wenn das kantonale Recht die Mehrstufigkeit ausdrücklich vorsehe. Das sei im zürcherischen Recht nicht der Fall. Art. 9 USG (SR 814.01) sehe nur eine (gesamthafte) UVP vor. Das Gesetz sei demnach mit Art. 6 UVPV bereits ausdehnend interpretiert worden. Es gehe nicht an, auch noch die Verordnungsbestimmung ausdehnend zu interpretieren. Der angefochtene Entscheid verletze deshalb Art. 9 USG und Art. 6 UVPV . a) Art. 6 UVPV lautet wie folgt: "Mehrstufige Prüfung Sieht der Anhang oder das kantonale Recht eine mehrstufige Prüfung in verschiedenen Verfahrensschritten vor, so wird die Prüfung bei jedem Verfahrensschritt so weit durchgeführt, als die Auswirkungen des Projektes auf die Umwelt für den jeweiligen Entscheid bekannt sein müssen." Nach Ziffer 11.4 des Anhangs zur UVPV bestimmt das kantonale Recht, in welchem Verfahren die UVP für Parkhäuser und Parkplätze für mehr als 300 Motorwagen vorgenommen werden muss. Ziff. 11.4 der zürcherischen Einführungsbestimmungen vom 12. April 1989 für die Durchführung der UVP (EinfB UVP; GS 710.5) bezeichnet das "Baurechtliche Bewilligungsverfahren der kommunalen Behörde (§§ 309 ff. und 318 ff. Planungs- und Baugesetz)" als massgebliches Verfahren. Das Verwaltungsgericht hält im angefochtenen Entscheid fest, das zürcherische Recht schliesse eine mehrstufige UVP nicht aus. Das ergebe sich daraus, dass dem eigentlichen baurechtlichen Verfahren ein (fakultatives) Vorentscheidverfahren über grundlegende Fragen vorangehen könne (§§ 323 ff. des Gesetzes vom 7. September 1975 über Raumplanung und das öffentliche Baurecht [PBG]). § 323 Abs. 2 PBG verlange in einem solchen Fall, dass mit dem Vorentscheidgesuch alle Unterlagen einzureichen seien, die zur Beurteilung der gestellten Fragen nötig seien; dazu gehörten auch die entsprechenden umweltrechtlichen Ermittlungen. BGE 123 II 337 S. 341 b) Der Beschwerdeführer kritisiert diese Auslegung der kantonalen Bestimmungen insofern, als er in der Nichterwähnung der Mehrstufigkeit in Ziff. 11.4 des Anhangs EinfB UVP ein qualifiziertes Schweigen erblickt, weil der Verordnungsgeber bei anderen Anlagetypen (vgl. Ziff. 13.4, 21.3 und 52.1) auf die Mehrstufigkeit Bezug genommen habe. Dieser Kritik kann nicht gefolgt werden. Insbesondere kann die Auslegung durch das Verwaltungsgericht nicht als willkürlich bezeichnet werden. Es kann ohne Verletzung von Art. 4 BV davon ausgegangen werden, dass der Hinweis in Ziff. 11.4 EinfB UVP auf das baurechtliche Bewilligungsverfahren den baurechtlichen Vorentscheid miteinschliesst. Andererseits ist in den vom Beschwerdeführer angeführten Ziff. 13.4, 21.3 und 52.1 EinfB UVP nicht von mehreren Stufen die Rede, sondern zweimal von der zweiten und einmal von der ersten Stufe, in welchen die UVP zu geschehen habe. Daraus kann für die Ziff. 11.4 EinfB UVP nichts abgeleitet werden. c) Der Beschwerdeführer hält dafür, es genüge nach Art. 6 UVPV nicht, dass das kantonale Recht eine mehrstufige UVP erlaube; es müsse dies ausdrücklich vorsehen. Das habe auch das Bundesgericht im Entscheid Crissier festgestellt ( BGE 120 Ib 436 E. 2d/aa S. 450). Beides ist unzutreffend: Das Bundesgericht hat im erwähnten Entscheid lediglich festgestellt, das Bundesrecht lasse es zu, dass das kantonale Recht eine mehrstufige UVP vorsehe. Dass dies ausdrücklich erwähnt sein müsse, geht aus dem Entscheid nicht hervor, weder aus seinem Wortlaut noch aus seinem Sinn. Es stellt keine ausdehnende Auslegung von Art. 6 UVPV dar, wenn angenommen wird, die Zulässigkeit einer mehrstufigen UVP könne sich auch sinngemäss aus den kantonalen Vorschriften ergeben. Im übrigen kann, wie bereits erwähnt, ohne Willkür davon ausgegangen werden, dass der Hinweis in Ziff. 11.4 EinfB UVP den baurechtlichen Vorentscheid nach § 323 f. PBG mitumfasst. d) Die Rüge ist somit unbegründet. Dass die im vorliegenden Fall in zwei Stufen vorgenommene Prüfung der Umweltverträglichkeit eine umfassende, koordinierte Prüfung vereitelt hätte, wie der Beschwerdeführer behauptet, vermag er selber nicht nachzuweisen und ist den Akten auch nicht zu entnehmen. Der Umstand, dass der UVB 92 grundsätzlich auf den UVB 89 abstellte und vor allem noch jene Fragen behandelte, die im ersten Bericht offengelassen worden waren oder infolge Änderungen am Projekt oder wegen neuer Erkenntnisse der Überprüfung bedurften, ist nicht zu beanstanden. Die Beurteilung dieser Berichte oblag ohnehin nicht den Berichterstattern, BGE 123 II 337 S. 342 sondern den Umweltschutzfachstellen und den Baubewilligungs- bzw. Rechtsmittelinstanzen ( Art. 9 Abs. 5 und 6 USG ). Insbesondere letztere konnten in Kenntnis beider Berichte eine umfassende Würdigung vornehmen. Sie haben den Entwicklungen zwischen dem ersten und zweiten UVB, namentlich der Änderung der Lärmempfindlichkeitsstufe, dem Erlass des Massnahmenplans 1990 und der darauf gestützten Richtlinien der Baudirektion für die Berechnung des Parkplatzbedarfs, auch Rechnung getragen (vgl. dazu auch die nachstehenden Erwägungen 4 ff.). Die gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers treffen nicht zu. 3. Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung von Bundesrecht im Umstand, dass das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, die geforderte akzessorische Überprüfung der im Gebiet Richti geltenden Zonenordnung auf ihre Übereinstimmung mit dem Umweltschutzrecht vorzunehmen. Er macht geltend, als Umweltschutzorganisation sei es ihm mangels Legitimation seinerzeit verwehrt gewesen, die Bau- und Zonenordnungen der Gemeinde Wallisellen von 1983 und 1993, insbesondere die Zuweisung des hier streitigen Gebiets zur Industriezone I6 (1983) bzw. zur Industrie- und Gewerbezone IG6 (1993), abstrakt anzufechten. Folglich müsse ihm nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur akzessorischen Anfechtbarkeit von Nutzungsplänen nun die Möglichkeit offen stehen, diese im Anwendungsfall, d.h. im vorliegenden Verfahren, in Frage zu stellen. a) Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, das Verwaltungsgericht hätte ihn aufgrund des kantonalen Rechts zur nachträglichen Anfechtung der Zonenordnung zulassen müssen. Er beruft sich ausschliesslich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach die sog. akzessorische Überprüfung von Nutzungsplänen unter anderem dann zuzulassen ist, wenn der Betroffene im Zeitpunkt des Planerlasses keine Möglichkeit hatte, seine Interessen zu verteidigen ( BGE 119 Ib 480 E. 5c S. 486; BGE 111 Ia 129 E. 3d). Indessen hat diese Rechtsprechung, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, nicht den Sinn, einer Umweltschutzorganisation, die nach der Rechtsordnung zur abstrakten Anfechtung eines Zonenplans grundsätzlich nicht legitimiert ist (vgl. Art. 88 sowie Art. 97 und 103 lit. c OG ; BGE 113 Ia 247 ff.), im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens für ein UVP-pflichtiges Bauvorhaben die Befugnis zur akzessorischen Infragestellung dieses Plans zu verleihen. Die zitierte Rechtsprechung bezieht sich auf Beschwerdeführer, welche zum Zeitpunkt des Planerlasses an sich befugt gewesen wären, BGE 123 II 337 S. 343 den Nutzungsplan abstrakt anzufechten, dies aber aus besonderen, objektiven Gründen nicht tun konnten oder dazu keinen Anlass hatten. In solchen Fällen soll der ursprünglichen, unmittelbaren Anfechtungsbefugnis wenigstens nachträglich zum Durchbruch verholfen werden. b) Aus dem in der Zeitschrift Umweltrecht in der Praxis (URP) 1996 S. 206 auszugsweise publizierten Urteil des Bundesgerichts vom 1. Dezember 1995 i.S. Parkhaus Vorstadt, Solothurn, kann nichts anderes abgeleitet werden. In jenem Fall ging es nicht um die nachträgliche Überprüfung der zonenrechtlichen Grundordnung, sondern um die Überprüfung eines Gestaltungsplans, der für ein konkretes Projekt erlassen worden war, Verfügungscharakter hatte und an sich von Anfang an einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätte unterzogen werden müssen. Die Behörden hatten wichtigste - der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und damit auch der Verbandsbeschwerde unterliegende - Sachverhalts- und Rechtsfragen bewusst und ausdrücklich offengelassen und dem nachfolgenden Baubewilligungsverfahren vorbehalten. Die Umweltschutzorganisationen hatten mangels Publikation des Gestaltungsplans keine Möglichkeit gehabt, diesen im Erlassverfahren anzufechten. Im vorliegenden Fall hatten dagegen die Ortsplanungen der Gemeinde Wallisellen von 1983 und 1993 im Gebiet Richti kein konkretes Projekt zum Gegenstand. Sie beschränkten sich auf die Ausscheidung von Nutzungszonen. Eine solche Grundnutzungsplanung unterliegt weder der UVP noch der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und kann von den Umweltschutzorganisationen, die öffentliche Interessen vertreten, auch nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden ( Art. 34 Abs. 3 RPG [SR 700], Art. 88 OG ; BGE 120 Ib 70 E. 2 S. 74; BGE 117 Ib 35 E. 4a S. 41; BGE 115 Ib 335 E. 4c S. 342 oben; vgl. auch ROBERT WOLF, Zum Verhältnis von UVP und Nutzungsplanung, in URP 1992 S. 146 ff.). Demzufolge fehlt ihnen auch das Recht zur nachträglichen Anfechtung. Im übrigen ist das Auftreten übermässiger Immissionen ohnehin kein Grund für ein nachträgliches Infragestellen der rechtskräftigen Zonenordnung; solches kann lediglich Anlass für die Einleitung einer Änderung der Nutzungsplanung nach Massgabe von Art. 21 Abs. 2 RPG sein ( BGE 119 Ib 480 E. 5c S. 486). c) Von einer Verletzung von Bundesrecht ( Art. 104 OG ) kann deshalb keine Rede sein. Dementsprechend kann auf die Ausführungen in der Beschwerde, mit welchen der Beschwerdeführer unter BGE 123 II 337 S. 344 dem Begriff der "umweltrechtlichen Baureife" unter anderem die mangelnde Bundesrechtskonformität der Zonenrevision von 1993 und des vom Kantonsrat am 31. Januar 1995 beschlossenen kantonalen Richtplans rügt, nicht eingetreten werden. 4. Das Verwaltungsgericht stellte fest, das Baugrundstück liege in einem Gebiet mit übermässiger Luftbelastung, wo die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) von 30 μg/m3 (Jahresmittelwert) und für Ozon (O3) von 100 bzw. 120 μg/m3 (Halbstunden- bzw. Stundenmittelwert) gemäss Anhang 7 der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1) zur Zeit überschritten seien. So beliefen sich die NO2-Immissionen auf den Hauptachsen im Untersuchungsgebiet auf 50 bzw. 57,5 μg/m3. Der vom Regierungsrat am 25. April 1990 gestützt auf Art. 31 LRV erlassene Massnahmenplan zur Reduktion der Luftbelastung (sog. Luft-Programm 90) habe nicht vermocht, innerhalb der gesetzten Frist (d.h. bis zum 1. März 1994) die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zu erreichen. Die Verwirklichung des angefochtenen Bauvorhabens werde eine zusätzliche Luftbelastung verursachen, insbesondere durch die Abgase des motorisierten Pendler- und Zulieferverkehrs sowie die Heizung und Klimatisierung der Gebäude. Allerdings werde der Beitrag des Richti-Verkehrs an die Belastung der anstossenden Strassenzüge mit Luftschadstoffen gering sein (NO2: maximal 0,2 μg/m3). Zudem lasse der Massnahmenplan eine gewisse Eindämmung der Luftemissionen erwarten. Eine zonenkonforme Überbauung mit verschiedenen kleineren, nicht UVP-pflichtigen Projekten würde ebenfalls Emissionen bringen, die insgesamt kaum geringer wären als jene aus dem streitbetroffenen Dienstleistungszentrum, zumal auch Betriebe mit intensivem Publikumsverkehr zugelassen wären. Was die Ozonbelastung betreffe, so sei nicht erwiesen, dass das übermässige Ozonaufkommen im Umfeld des Richti-Areals durch einen Verzicht auf das Bauvorhaben vermindert werden könnte. Das streitbetroffene Projekt werde nur geringfügig zur Verstärkung der Luftverschmutzung beitragen. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die NO2-Zusatzbelastung durch das Projekt gering sei, und er wirft dem Verwaltungsgericht diesbezüglich offensichtlich unrichtige bzw. unvollständige Feststellung des Sachverhalts vor ( Art. 105 Abs. 2 OG ); es setze sich in willkürlicher Weise über relevante Ergebnisse der UVP hinweg. So könne die angenommene Verkehrserzeugung von 2'300 Fahrten pro Tag nur bei ausreichenden flankierenden Massnahmen, die das Verwaltungsgericht aber gerade nicht anordne, zutreffen. BGE 123 II 337 S. 345 Im übrigen werde im UVB 89, auf den der UVB 92 abstelle, für die Industriestrasse mit einer Immissionszunahme von 0,3 (und nicht 0,2) μg/m3 NO2 gerechnet, was immerhin 1% der zulässigen Gesamtbelastung von 30 μg/m3 entspreche. Wenn mangels genügender flankierender Massnahmen (insbesondere Ausbau des öffentlichen Verkehrs) statt des im UVB angenommen Viertels die Hälfte der Pendler mit dem Auto fahre, so verdopple sich dieser Wert auf 0,6 μg/m3 NO2 bzw. 2% des Grenzwertes. Damit ergebe sich aus dem Richti-Verkehr auch eine Verdoppelung der NOx (Stickstoffoxid)-Gesamtfracht von 4,8-6,3 t auf 9,6-12,6 t pro Jahr, im Untersuchungsperimeter allein von 0,5 t (wie im UVB 92 angenommen) auf 1 t pro Jahr. Das entspreche 8% der auf 12 t pro Jahr geschätzten feuerungsbedingten NOx-Emissionen im Untersuchungsgebiet. Dabei bestehe in der Gemeinde Wallisellen heute schon ein Sanierungsbedarf von rund 60-90 t NOx pro Jahr; dieser Sanierungsbedarf würde durch die Realisierung des Richti-Projekts noch beträchtlich erhöht. Die Vorinstanz habe sich mit diesen bereits vor ihr vorgebrachten Zahlen und Argumenten sowie mit der Ozon-Problematik nicht auseinandergesetzt, und auch die UVP sei in dieser Beziehung unvollständig. Beim Richti-Bauvorhaben handle es sich um ein Projekt mit überdurchschnittlichen Auswirkungen. Ein solches müsse nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zumindest aufgeschoben, wenn nicht überhaupt verhindert werden, da es die in Überarbeitung begriffene Massnahmenplanung präjudiziere. Der angefochtene Entscheid verletze die massgebenden Vorschriften des USG und der LRV. a) Umstritten sind nur die Verkehrsemissionen, welche durch die Neuüberbauung voraussichtlich verursacht werden. Diese Emissionen sind im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist ( Art. 11 Abs. 2 USG , Art. 18 LRV ). Die Emissionsbegrenzungen werden verschärft, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden ( Art. 11 Abs. 3 USG ). Steht fest oder ist zu erwarten, dass übermässige Luftverunreinigungen auftreten, und werden diese nicht nur durch eine einzelne Anlage verursacht, so erstellt die Behörde einen Plan der Massnahmen, die zur Verhinderung oder Beseitigung der übermässigen Immissionen nötig sind (Massnahmenplan; Art. 19 und 31 LRV ). Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und in den bestehenden Verfahren trifft die Behörde gestützt auf diesen Plan die erforderlichen baulichen, betrieblichen, BGE 123 II 337 S. 346 verkehrslenkenden oder -beschränkenden Massnahmen ( Art. 33 LRV ). b) Der Beschwerdeführer behauptet nicht, die Überbauung des Gebiets Richti allein werde übermässige Immissionen verursachen ( Art. 5 und Art. 31 Abs. 4 LRV ). Er macht aber geltend, von ihr seien so starke Emissionen zu erwarten, dass durch ihre vorzeitige Bewilligung die in Überarbeitung begriffene Massnahmenplanung des Regierungsrats präjudiziert werde. Er verweist auf die Urteile des Bundesgerichts in den Fällen Freiburg (URP 1993 S. 169 ff.), Crissier ( BGE 120 Ib 436 ff.), Grancia (URP 1995 S. 498 ff.) und Solothurn (URP 1996 S. 206 ff.), in denen das Gericht erkannt habe, Projekte mit überdurchschnittlichen Einwirkungen seien geeignet, die Massnahmenplanung zu präjudizieren, und müssten daher zurückgestellt werden, bis der Massnahmenplan vorliege. Sei dieser ungenügend, müsse auf das Projekt allenfalls sogar verzichtet werden. aa) Der Beschwerdeführer übersieht wesentliche Unterschiede zwischen dem vorliegenden Bauprojekt und den zitierten Fällen: Mit Ausnahme des Falles Grancia ging es in jenen Fällen stets um den Erlass bzw. die Genehmigung von Sondernutzungsplänen, die auf die jeweiligen in Ausarbeitung begriffenen Massnahmenpläne abzustimmen waren. Es ging also - anders als im vorliegenden Fall - um Bauvorhaben, die eine Änderung oder Konkretisierung der raumplanungsrechtlichen Grundlagen erforderten. Eine solche muss selbstredend mit umweltschutzrechtlichen Massnahmen koordiniert werden. Der Fall Grancia, wo - wie im vorliegenden Fall - eine Baubewilligung zur Diskussion stand, zeichnete sich durch die Besonderheit aus, dass bei einem bestehenden Einkaufszentrum auf eine seinerzeit im Baubewilligungsverfahren verfügte Reduktion der Parkplätze zurückgekommen werden sollte, obschon eine Bedingung dieser (ursprünglichen) Baubewilligung, nämlich der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz, noch nicht (ausreichend) erfüllt worden war. Eine Bewilligung der Erhöhung der Parkplatzzahl hätte diese Bedingung unterlaufen und dem inzwischen in Kraft getretenen Massnahmenplan widersprochen. In den Fällen Freiburg, Crissier und Solothurn sodann gab es im Zeitpunkt der Genehmigung der Sondernutzungspläne noch keinen Luftreinhalte-Massnahmenplan, auf den der Sondernutzungsplan hätte abgestimmt werden können. Im vorliegenden Fall der Überbauung des Richti-Areals besteht dagegen schon seit 1990 ein Luftreinhalte-Massnahmenplan, und dieser ist in den Jahren 1991-1993 durch vier Teilmassnahmenpläne BGE 123 II 337 S. 347 ergänzt worden (vgl. Luft-Programm 1996, Ziff. 1.2). Zur Zeit des Baubewilligungsverfahrens stand der Massnahmenplan 1990 in Überarbeitung; er wurde den neuesten Erkenntnissen angepasst. Kurz nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. April 1996, nämlich am 19. Juni 1996, hat der Regierungsrat den neuen Massnahmenplan 1996 beschlossen und in Kraft gesetzt (sog. Luft-Programm 1996). bb) Es ist nicht der Sinn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass Baubewilligungsverfahren für grössere Bauvorhaben stets zu sistieren wären, wenn ein Massnahmenplan in Überarbeitung steht. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Pläne in relativ kurzen Intervallen überprüft, ergänzt, abgeändert und neuen Entwicklungen und Erkenntnissen angepasst werden müssen. Das darf aber nicht dazu führen, dass Bauvorhaben, die sich auf rechtskräftige Nutzungspläne und bestehende Massnahmenpläne stützen, durch solche Überarbeitungen blockiert und nicht mehr innert nützlicher Frist realisiert werden können. Das Bundesgericht hat denn auch ausgeführt, es könne sich rechtfertigen, die Bewilligung eines Bauvorhabens aufzuschieben, wenn sonst die Verwirklichung eines in Ausarbeitung begriffenen Massnahmenplans gefährdet werde (vgl. Fall Grancia, URP 1995 S. 505). Dass letzteres eher zu befürchten ist, wenn noch gar kein Massnahmenplan vorliegt, als wenn ein solcher lediglich der Anpassung bedarf, versteht sich von selbst. Zudem hat das Bundesgericht erkannt, dass auch nachträglich noch Beschränkungen zur Reduktion der Luftbelastung angeordnet werden können, wenn eine spätere Massnahmenplanung dies erfordern sollte ( BGE 118 Ib 26 E. 5f S. 37). Der Umstand allein, dass das Verwaltungsgericht das Baubewilligungsverfahren nicht ausgesetzt hat, bis der Regierungsrat das Luftprogramm 1996 beschloss, verletzt somit noch nicht Bundesrecht. c) Es bleibt zu prüfen, ob die zu erwartenden Immissionen derart stark sind, dass sie die Umsetzung des Luftprogramms 96 gefährden könnten. aa) Das BUWAL kommt nach Prüfung der Akten zum Schluss, dass grundsätzlich auf die UVB 89 und 92 abgestellt werden könne. Der Untersuchungsperimeter sei korrekt gewählt und die Verkehrsszenarien seien richtig berechnet worden. Innerhalb des gewählten Perimeters werde mit einer NOx-Emissionsfracht von 188,5 t/a gerechnet, wovon über die Hälfte von einem Kilometer Autobahn stamme. Der UVB 92 gibt die verkehrsbedingten NOx-Emissionen des Richti-Verkehrs im Untersuchungsgebiet berechnet auf das Jahr BGE 123 II 337 S. 348 1997 mit 0,5 t/a an, was 0,27% der Gesamtfracht entspricht. Diese Zahlen sind laut BUWAL plausibel. Der projektindizierte Anteil der Emissionen auf den direkt ans Richti-Areal angrenzenden Liegenschaften sei sehr gross, bezogen auf den gesamten Projektperimeter aber geringer. Die Schätzung der gesamten (d.h. nicht an den Perimeter gebundenen) NOx-Verkehrsemissionen des Projekts (7,2-9,5 t/a bezogen auf das Jahr 1994 - Verminderung um etwa ein Drittel in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts) liege "auf der sicheren Seite"; es könne darauf abgestellt werden. Dabei sei zu beachten, dass ohne die Realisierung des Projekts diese Verkehrsemissionen zumindest teilweise gleichwohl entstünden, indem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Überbauung Richti tätig sein würden, sonst an einen anderen Ort fahren würden. Je nachdem, wie gut das Richti-Areal mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen werde, könne die Gesamtbilanz sogar positiv ausfallen. Zu den NO2-Immissionen im Projektperimeter führt das BUWAL aus, diesbezüglich lägen keine genauen Messungen vor. Aufgrund von Schätzungen und Vergleichen mit nahegelegenen Messorten dürften diese Immissionen seit 1989 (d.h. gegenüber den Annahmen des UVB und des Verwaltungsgerichts) gesunken sein und heute bei ca. 40-50 μg/m3 liegen. Die Grenzwerte gemäss Anhang 7 LRV von 30 μg/m3 seien damit aber immer noch massiv überschritten. Die im UVB angenommene Zunahme durch den Richti-Verkehr von maximal 0,2 μg/m3 dürfte zutreffen. Die Frage, ob das Projekt derartige Einwirkungen erzeuge, dass mit seiner Bewilligung zugewartet werden müsste, beantwortet das BUWAL abschliessend mit nein. Das inzwischen beschlossene Luftprogramm 1996 trage den neu entstehenden Immissionen genügend Rechnung. bb) Es besteht für das Bundesgericht kein Grund, an dieser Beurteilung durch die zuständige Fachbehörde des Bundes zu zweifeln. Dass sich die Vorinstanz über relevante Ergebnisse der UVP hinweggesetzt und den Sachverhalt offensichtlich unrichtig oder unvollständig festgestellt hätte, vermag der Beschwerdeführer nicht nachzuweisen. Das Auflisten von abweichenden Zahlen und Annahmen und das Treffen von pessimistischeren Prognosen, wie der Beschwerdeführer das tut, reicht dazu nicht aus. Die von ihm hervorgehobene Differenz bei der NO2-Immissionszunahme - 0,3 statt 0,2 μg/m3 - beruht zum Beispiel bloss auf unterschiedlichen Rundungen. Es müsste vielmehr einsichtig dargestellt werden, dass gewisse Zahlen, Annahmen und Schlüsse offensichtlich falsch sind. BGE 123 II 337 S. 349 Das gelingt dem Beschwerdeführer trotz weit ausholenden Ausführungen nicht. Er vermag auch nicht aufzuzeigen, inwiefern das Bauvorhaben die Realisierung der im Luft-Programm vorgesehenen Massnahmen vereiteln oder wesentlich erschweren würde. Im Unterschied zu den Fällen Freiburg, Crissier, Grancia und Solothurn, wo es um stark frequentierte öffentliche Parkhäuser und Kundenparkplätze zu Einkaufszentren ging, die - mit einer Ausnahme - eine Sondernutzungsplanung erforderten, stehen im vorliegenden Fall Verkehrsanlagen und Parkplätze zu einer zonenkonformen Büroüberbauung ohne grossen Publikumsverkehr (sog. back-office-Nutzung) zur Diskussion. Eine der raumplanerischen Zonenordnung entsprechende Überbauung des Richti-Areals mit Einzelbauten, für die keine UVP durchgeführt werden müsste, hätte, wie die Vorinstanz einleuchtend darlegt, kaum eine geringere Umweltbelastung zur Folge. Mit dem BUWAL ist sodann davon auszugehen, dass es sich beim vorliegenden Bauvorhaben, das im Beizugsperimeter eine verkehrsbedingte NOx-Emissions- und NO2-Immissionszunahme von 0,27% bzw. 0,5-1% (je nach Ausgangsgrösse) bringen wird, jedenfalls nicht um ein Projekt handelt, mit dem die Massnahmenplanung des Regierungsrats nicht hätte rechnen müssen. Auch sind die in der UVP und von den Vorinstanzen angenommenen Anteile am privaten und öffentlichen Verkehr nicht einfach deshalb falsch, weil zur Zeit noch keine Gewissheit besteht, ob und innert welcher Frist die im Massnahmenplan vorgesehen Massnahmen tatsächlich realisiert werden. Bei der Beurteilung eines Bauvorhabens dürfen die Auswirkungen eines beschlossenen Massnahmenplans im Sinne von Art. 31 ff. LRV durchaus berücksichtigt werden. Andernfalls würde man von dem mit dem Massnahmenplan verfolgten Prinzip der Lastengleichheit (vgl. BGE 118 Ib 26 E. 5d S. 35) zum Nachteil eines einzelnen Bauwilligen abrücken. Auf ein Zurückstellen der Baubewilligung durfte die Vorinstanz deshalb ohne Verletzung von Bundesrecht verzichten. 5. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine ungenügende Erschliessung des Richti-Areals durch den öffentlichen Verkehr und das öffentliche Strassennetz. Er behauptet, es seien Art. 3 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 19 Abs. 1 RPG sowie § 237 Abs. 1 und 2 PBG verletzt. a) Der Beschwerdeführer kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde sämtliche im Interesse des Schutzes der Umwelt liegenden, nach Art. 104 OG zulässigen Rügen erheben, einschliesslich der Rügen der Verletzung von kantonalem Recht, das in einem engen BGE 123 II 337 S. 350 Sachzusammenhang mit dem anwendbaren Bundesrecht steht. Die Frage der Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln steht zweifellos in engem Sachzusammenhang mit der Umweltverträglichkeit des bestrittenen Projekts. Auch die strassenmässige Erschliessung (z.B. die Linienführung) kann einen Einfluss auf die Umweltverträglichkeit eines Projekts haben; ob dies auch für Fragen wie die Ausbaubreite einer Strasse zutrifft, kann hier offenbleiben. b) § 237 Abs. 1 und 2 PBG verlangen eine genügende Zugänglichkeit der Anlagen und bei grösseren Überbauungen die Erreichbarkeit mit öffentlichem Verkehr. Die Zufahrten sollen für jedermann verkehrssicher sein. Dass diese Anforderungen durch die Vorinstanz in unhaltbarer, willkürlicher Weise missachtet worden seien, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Seine Ausführungen tun solches auch nicht einmal annähernd dar. Sein Verweisen auf eine durch die Entwicklung überholte kritische Stellungnahme des kantonalen Tiefbauamtes im Rahmen der UVP genügt dazu jedenfalls nicht, zumal in die später erteilte Baubewilligung bezüglich Erschliessung verschiedene Bedingungen und Auflagen aufgenommen worden sind. Aber auch eine Verletzung von bundesrechtlichen Normen ist nicht ersichtlich. Art. 3 Abs. 3 lit. a RPG verlangt zwar, dass Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zugeordnet und durch das öffentliche Verkehrsnetz hinreichend erschlossen werden sollen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich jedoch um einen Planungsgrundsatz, der sich in erster Linie an planende und rechtsetzende Behörden richtet; er setzt die geltende Nutzungsordnung nicht ausser Kraft (vgl. EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG, Art. 3 NN 8 und 14). Art. 19 Abs. 1 RPG sodann zählt den öffentlichen Verkehr nicht zu den notwendigen Erschliessungselementen und definiert selber nicht, welchen Standard die Zufahrten aufweisen müssen. Die Festlegung des Ausmasses der Erschliessungsanlagen und die Umschreibung der genügenden Zugänglichkeit ist Sache des kantonalen Rechts ( BGE 112 Ia 119 E. 3 S. 122). Im vorliegenden Fall wird das zu überbauende Areal von zwei S-Bahnlinien und drei Regionalbuslinien sowie Ortsbuslinien bedient. Strassenmässig wird es durch die Neue Winterthurer- und die Industriestrasse groberschlossen. Ab diesen Strassen erfolgen die Zufahrten über die Richti- und die Geerenstrasse, die beide gemäss Baubewilligung Ziff. 6.3.2 auf den Baubeginn hin auszubauen sind. Eine weitere Verbindungsstrasse ist entlang der Bahnanlagen geplant (Baubewilligung Ziff. 6.3.1). Inwiefern diese Erschliessung bundesrechtlichen Anforderungen nicht genügen soll, ist nicht ersichtlich und wird in BGE 123 II 337 S. 351 der Beschwerde nicht dargelegt. Es wird insbesondere auch nicht aufgezeigt, welche Umweltschutznormen und inwiefern sie verletzt sein sollen. Im übrigen argumentiert der Beschwerdeführer widersprüchlich, wenn er bei der Frage der Erschliessung das Angebot des öffentlichen Verkehrs als ungenügend bezeichnet, bei der Berechnung der Parkplätze hingegen die gute Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr betont. c) Der Beschwerdeführer beklagt sich, die Vorinstanz habe ihm die Legitimation zur Beschwerde bezüglich der Erschliessungsfragen in unhaltbarer Weise abgesprochen. Das Verwaltungsgericht hat offengelassen, ob eine im Sinne von Art. 55 USG beschwerdeberechtigte Organisation allgemein mit der Rüge der ungenügenden Erschliessung zu hören sei oder ob einzelne Fallgruppen zu bilden wären. Es trat auf die entsprechenden Vorbringen deshalb nicht ein, weil es das Angebot des öffentlichen Verkehrs nicht zur Erschliessung im Sinne von Art. 19 RPG und Art. 4 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) zählte und weil das Bundesrecht dem Beschwerdeführer nicht die Befugnis verleihe, die rein kantonalrechtliche Frage der Dimensionierung des Knotenpunktes Neugutstrasse/Neue Winterthurerstrasse zu beanstanden. Im übrigen würden die beiden Strassenzüge - so das Verwaltungsgericht - mit einer Breite von gegen 20 m die gesetzlichen Anforderungen bei weitem erfüllen. Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht materiell zu den aufgeworfenen Fragen des Beschwerdeführers Stellung genommen, obschon es formell nicht darauf eingetreten ist. Es hat festgestellt, dass die Erschliessung im Sinne von Art. 19 (und Art. 22 Abs. 2 Bst. b) RPG nicht mit Argumenten des Ungenügens des öffentlichen Verkehrs beanstandet werden könne, und es hat die strassenmässige Erschliessung als hinreichend bezeichnet. Damit erübrigen sich hier Erörterungen zur Frage, ob das Verwaltungsgericht von Bundesrechts wegen verpflichtet gewesen wäre, auf die Rügen auch formell einzutreten. 6. (Die Verweigerung einer weiteren Reduktion der 750 bewilligten Parkplätze ist nicht zu beanstanden). 7. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unvollständig und unrichtig abgeklärt und festgestellt und Art. 9, 11 und 12 USG sowie Art. 33 LRV verletzt, weil sie die in den Umweltverträglichkeitsberichten von 1989 und 1992 aufgelisteten möglichen flankierenden Massnahmen im BGE 123 II 337 S. 352 Bereich des öffentlichen Verkehrs und des Betriebs nicht näher geprüft und angeordnet habe. Die Annahme in den UVB 89 und 92, dass 25% der im Areal Richti Arbeitenden mit individuellen und 75% mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen würden, lasse sich nur halten, wenn die vorgeschlagenen flankierenden Massnahmen realisiert würden. Letzteres habe deshalb bereits vor der Erteilung der Baubewilligung zu erfolgen; zumindest müssten die entsprechenden Beschlüsse von den zuständigen Organen vorher gefasst worden sein. Der Beschwerdeführer listet sodann zahlreiche Massnahmen auf, so bezüglich des öffentlichen Verkehrs die Gründung eines Gemeindeverbandes zwecks Verbesserung der Koordination der regionalen Feinerschliessung, die Verlängerung diverser Tramlinien, ein neuer Mittelverteiler zwischen Flughafen/Oerlikon/Wallisellen/Dübendorf sowie Verbesserungen der Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Nahbereich, ferner im betrieblichen Bereich die Motivation der Mitarbeiter zur Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel, eine Parkplatzbewirtschaftung, Parkplatzgebühren, Car-Pooling, Veloförderung und Betriebsbus sowie schliesslich eine Beschränkung der Parkiermöglichkeiten in der Umgebung (insbesondere im Glattzentrum). Das Verwaltungsgericht hatte zusätzliche Auflagen der erwähnten Art abgelehnt, zum Teil weil sie ausserhalb des Einflussbereichs der Bauherrschaft lägen, zum Teil weil fraglich erscheine, ob sie unter den Begriff "Verkehrs- und Betriebsvorschriften" von Art. 12 Abs. 1 lit. c USG fielen. Zudem sei die projektbedingte zusätzliche Luftbelastung relativ gering und das Richti-Areal bereits recht gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen. Andere Massnahmen brächten keinen nennenswerten Beitrag zur Begrenzung des privaten Verkehrs und wären daher unverhältnismässig. Schliesslich verlange die Rechtsgleichheit (Lastengleichheit), dass - in Fällen wie dem vorliegenden - Massnahmen, wie die vom Beschwerdeführer aufgezählten, vor allem im Rahmen der Verwirklichung des Massnahmenplans realisiert würden. a) Vorab ist nochmals festzuhalten, dass es sich beim vorliegenden Projekt nicht um eine Anlage im Sinne von Art. 5 LRV (übermässige Immissionen aus einer einzelnen Anlage) handelt. Massnahmen zur weiteren Beschränkung der Luftbelastung (d.h. über die vorsorglichen Massnahmen hinaus) sind deshalb im Rahmen der Massnahmenplanung zu treffen ( Art. 31 ff. LRV ), wobei sich die Zuständigkeit und das Verfahren nach den einschlägigen eidgenössischen und kantonalen Vorschriften richten ( Art. 33 Abs. 2 LRV ). BGE 123 II 337 S. 353 Das Luft-Programm 1996, das im Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Entscheids zumindest im Entwurf bekannt war, sieht gemäss Anhang 1 im Bereich Verkehr verschiedene Massnahmen vor, so eine bessere Bewirtschaftung des Strassennetzes, damit Staus möglichst vermieden werden, die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Strecken, die Überarbeitung der Wegleitung für die Berechnung der Parkplatzzahlen und die Anpassung der entsprechenden Gemeindevorschriften, ferner verschiedene Massnahmen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs um Massnahmen im Bereich der Raumplanung (Siedlungsentwicklung, Bau von Radwegen usw.). Zur Realisierung dieser (und anderer) Massnahmen erteilte der Regierungsrat - soweit im Handlungsbereich des Kantons liegend - konkrete Aufträge an die ihm unterstellten Direktionen. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, liegen solche Massnahmen nicht im Einflussbereich der privaten Bauherrschaft. Sie können daher nicht in einer Baubewilligung angeordnet werden ( BGE 119 Ib 480 E. 7b S. 490 f.). Soweit es nötig war, wurde die Bauherrschaft im übrigen mit der Baubewilligung vom 1. März 1994 verpflichtet, bei der Projektierung durch besondere Vorkehren auf vorgesehene Massnahmen wie Tramverlängerung und Mittelverteiler zwischen Dübendorf und Kloten Rücksicht zu nehmen. Mit dem BUWAL ist festzustellen, dass sich ein Zuwarten mit der Baubewilligung bis zur Realisierung der im Luft-Programm festgelegten Massnahmen nicht rechtfertigen würde. Vom vorliegenden Projekt gehen nicht derart starke Immissionen aus, dass sie das Luft-Programm 1996 gefährden könnten. Wenn das BUWAL in seiner Vernehmlassung bemängelt, dass der Regierungsrat nicht alle in den blauen Massnahmenblättern des Luft-Programms aufgezählten Massnahmen auch angeordnet hat und dass zum Beispiel die Erweiterung des Busnetzes nach Süden, die Begrenzung der Anzahl Fahrten zu den Parkierungsanlagen oder die Vorgabe eines bestimmten Anteils an öffentlichem Verkehr noch zu prüfen seien, so berührt das Zuständigkeiten des Regierungsrats und betrifft nicht Massnahmen, die im vorliegenden Verfahren angeordnet werden könnten. Der Beschwerdeführer vergleicht den vorliegenden Fall zu Unrecht mit dem Fall Grancia (URP 1995 S. 498 ff.): Der Tessiner Massnahmenplan bestimmte, dass der Bau und die Erweiterung grosser Einkaufszentren nur bewilligt werden dürften, wenn die betreffenden Zentren mit einer leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsverbindung bedient würden. Dies traf im Falle Grancia nicht zu. Demgegenüber ist das Gebiet Richti in Wallisellen bereits BGE 123 II 337 S. 354 recht gut, wenn möglicherweise auch noch nicht optimal, mit öffentlichen Verkehrsverbindungen erschlossen; zudem handelt es sich hier nicht um ein kundenorientiertes Einkaufszentrum. Im Fall Grancia kam noch dazu, dass der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz bereits in der Baubewilligung für die Erstellung des Einkaufszentrum zur Bedingung für die Eröffnung des Zentrums gemacht und unter anderem auch aus diesem Grund die vorgesehene Parkplatzzahl nur teilweise bewilligt worden war; somit stand das neuerliche Gesuch um Parkplatzerweiterung, ohne dass eine genügende öffentliche Verkehrsverbindung eingerichtet worden wäre, im Widerspruch nicht nur zum Massnahmenplan, sondern auch zur rechtskräftigen Baubewilligung. b) Auch die weiteren Forderungen des Beschwerdeführers nach flankierenden Massnahmen sind unbegründet. Eine Beschränkung der Parkierungsmöglichkeiten in der Umgebung des Richti-Projekts, insbesondere im Glattzentrum, liegt wiederum ausserhalb des Einflussbereichs der Bauherrschaft. Was sodann die Massnahmen Parkplatzbewirtschaftung, Parkplatzgebühren, Car-Pooling, Betriebsbus, Veloförderung und Motivation der Mitarbeiter zur Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel anbelangt, so handelt es sich - soweit sie überhaupt im Einflussbereich der Bauherrschaft liegen - nicht um Betriebsvorschriften im Sinne von Art. 12 Abs. 1 lit. c USG und nicht um Emissionsbegrenzungen "bei der Quelle" im Sinne von Art. 11 Abs. 1 USG ( BGE 119 Ib 480 E. 7c S. 491 f.). Ihre Wirkung wäre angesichts des vorhandenen Angebots im öffentlichen Verkehr im übrigen nicht leicht zu beurteilen, und deren Anordnung ausserhalb eines Massnahmenplans wäre unter dem Gesichtspunkt der Koordination und der Lastengleichheit problematisch. 8. Der Beschwerdeführer macht geltend, das vorliegende Projekt verletze auch bezüglich des Lärmschutzes Bundesrecht. Da im Richti-Areal die Planungswerte überschritten seien, dürfe es nicht mehr für Bauten erschlossen werden, die dem längeren Aufenthalt von Personen dienten. Das Verwaltungsgericht habe den massgeblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig und unvollständig festgestellt. a) Werden die Planungswerte in einer bestehenden, aber noch nicht erschlossenen Bauzone für Wohngebäude oder andere Gebäude, die dem längeren Aufenthalt von Personen dienen, überschritten, so sind sie einer weniger lärmempfindlichen Nutzung zuzuführen, sofern nicht durch planerische, gestalterische oder bauliche BGE 123 II 337 S. 355 Massnahmen im überwiegenden Teil dieser Zone die Planungswerte eingehalten werden können ( Art. 24 Abs. 2 USG ). Noch nicht erschlossene Bauzonen für Gebäude mit lärmempfindlichen Räumen dürfen nur so weit erschlossen werden, als die Planungswerte eingehalten sind oder durch eine Änderung der Nutzungsart oder durch planerische, gestalterische oder bauliche Massnahmen eingehalten werden können. Die Vollzugsbehörde kann für kleine Teile von Bauzonen Ausnahmen gestatten (Art. 30 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 [LSV; SR 814.41]). Lärmempfindliche Räume sind Räume in Wohnungen und in Betrieben, in denen sich Personen regelmässig während längerer Zeit aufhalten ( Art. 2 Abs. 6 LSV ). Bei Betrieben, die in Gebieten mit Empfindlichkeitsstufen (ES) I, II oder III liegen, gelten um 5 dB(A) höhere Planungswerte und Immissionsgrenzwerte ( Art. 42 Abs. 1 LSV ). b) Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, zwar sei das Richti-Areal bloss groberschlossen, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 117 Ib 308 ff. E. 4 S. 314) dem Erschliessungsbegriff nach Art. 24 Abs. 2 USG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 RPG nicht genüge, doch beziehe sich diese Bestimmung nicht auf einzelne Grundstücke, sondern auf die noch nicht erschlossene Bauzone als Ganzes, im vorliegenden Fall wohl auf das weitere mit den Baugrundstücken verbundene Industriegebiet von Wallisellen. Dass die Planungswerte in diesem Bereich gesamthaft überschritten wären, sei nicht aktenkundig. Jedenfalls liessen sich durch planerische, gestalterische oder bauliche Massnahmen im überwiegenden Teil dieser Zone die Planungswerte einhalten. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, würde es wenig Sinn machen, auf dem Richti-Areal als einziger grösserer Baulücke in der näheren Umgebung eine weniger lärmempfindliche Nutzungsweise durchzusetzen. Diese Begründung überzeugt nicht. Im Ergebnis ist der Entscheid aber dennoch nicht zu beanstanden (vgl. nachstehende Erw. c und d). c) Es besteht entgegen der Ansicht der BHG Richti kein Anlass, von der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts abzukommen, wonach in Art. 24 Abs. 2 USG mit Erschliessung grundsätzlich die vollständige, der jeweiligen Nutzungszone angepasste Erschliessung zu verstehen ist, bei der mehr oder weniger nur noch die Hausanschlüsse zu erstellen sind. Richtig ist auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass Art. 24 USG keine parzellenbezogene Betrachtungsweise anstellt, sondern grössere Gebiete im Auge hat. Anders als das Verwaltungsgericht aber meint, ist bei der Frage, BGE 123 II 337 S. 356 ob "im überwiegenden Teil" der entsprechenden Zone von Wallisellen die Planungswerte eingehalten werden können, nicht die ganze zusammenhängende (grösstenteils schon überbaute) Industriezone zu berücksichtigen, sondern nur der noch nicht (voll) erschlossene Teil, soweit er für Gebäude mit lärmempfindlichen Räumen bestimmt ist. Demnach spielt es auch keine Rolle, ob es sich beim Richti-Areal um die letzte grössere "Baulücke" handelt. d) Nach dem in den Akten liegenden Lärmgutachten, das gemäss den Beurteilungen der kantonalen Lärmschutzfachstelle und des BUWAL von korrekten Verkehrsdaten ausgegangen ist, die Immissionspunkte richtig gewählt und die Immissionspegel ebenfalls richtig berechnet hat, sind die Planungswerte bei zwei von sieben Messpunkten überschritten, nämlich bei Messpunkt B um 1,2 dB(A) und bei Messpunkt F um 0,1 dB(A). Dabei ging zwar das Gutachten - offenbar gestützt auf die alte Zonenordnung - von einer Lärmempfindlichkeitsstufe IV statt III aus, doch ändert das am Ergebnis nichts, da sich bei der ES III die Werte für die hier in Frage stehenden Betriebsräume um 5 dB(A) erhöhen ( Art. 42 LSV ) und damit wiederum diejenigen der ES IV erreichen (vgl. Anhang 3 und 4 LSV). Diese geringfügigen Überschreitungen, die sich im Bereich der Messgenauigkeit bewegen und nicht wahrnehmbar sind (vgl. BGE 118 Ib 599 E. 7d S. 607; BGE 117 Ib 285 E. 8b/cc S. 305), betreffen nur einen kleinen Teil des massgeblichen Gebiets und auch nur einen kleinen Teil des Projekts an zwei peripheren Punkten. Einer Feinerschliessung des Gebiets stehen sie daher nicht entgegen; im überwiegenden Teil des Gebiets sind die Planungswerte eingehalten ( Art. 24 Abs. 2 USG ). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Vorinstanzen mit der Bewilligung zur Feinerschliessung des Gebiets eine Ausnahme nach Art. 30 Satz 2 LSV implizit erlaubt haben, was nicht bundesrechtswidrig ist. Art. 30 LSV verlangt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht, dass die Planungswerte an jedem einzelnen Punkt der Überbauung eingehalten werden. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Erschliessung des Gebiets; die Überbauung fällt unter Art. 22 Abs. 1 USG bzw. Art. 31 LSV . Da die Immissionsgrenzwerte an keinem ihrer Punkte erreicht werden, musste das Verwaltungsgericht keine weiteren Lärmschutzmassnahmen prüfen. Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet. 9. Der Beschwerdeführer macht schliesslich Ausführungen zur Quartierplanbedürftigkeit des umstrittenen Bauvorhabens und rügt allgemein die Verletzung von Art. 55 USG , Art. 19 RPG und § § 123 BGE 123 II 337 S. 357 ff. PBG . Es wird aber aus der Rechtsschrift nicht klar, weshalb und inwiefern er die erwähnten Bestimmungen als verletzt betrachtet. Das Verwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer die Legitimation abgesprochen, das Fehlen eines Quartierplans zu rügen; es hat aber gleichzeitig festgehalten, die materiellen Erwägungen des Regierungsrats seien zutreffend. Es scheint, dass der Beschwerdeführer mit seinem Hinweis auf Art. 33 Abs. 2 RPG dieses Nichteintreten des Verwaltungsgerichts auf seine Rüge beanstandet. Ob mit Recht, kann hier offenbleiben, da er mit keinem Wort sagt, weshalb der Regierungsrat und mit ihm das Verwaltungsgericht das Erfordernis eines Quartierplans nicht hätten verneinen dürfen. Nach der Rechtsprechung genügt es nicht, nur den Nichteintretensentscheid anzugreifen, wenn die Vorinstanz auch eine Eventualbegründung zur materiellen Streitfrage gegeben hat. In einem solchen Fall wird der angefochtene Entscheid nur aufgehoben, wenn auch diese subsidiäre Begründung Bundesrecht verletzt ( BGE 118 Ib 26 E. 2b). Die Beschwerde ist somit auch in diesem Punkt abzuweisen. 10. Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung bzw. Vereitelung von Bundesrecht darin, dass er von den kantonalen Instanzen zur Tragung von Verfahrens- und Parteikosten verurteilt worden ist und Kostenvorschüsse bezahlen musste. Er meint, die kantonale Kostenpflicht erschwere den ideellen Umweltschutzorganisationen die Beschwerdeführung übermässig, weshalb die im bundesgerichtlichen Verfahren geltende Kostenlosigkeit auch für das kantonale Verfahren gelten müsse. a) Soweit das bundesgerichtliche Verfahren betreffend, ist zu präzisieren, dass das Gericht in ständiger Praxis die gesamtschweizerischen Organisationen, die sich dem Schutz der Umwelt und der Landschaft widmen, nur von den Gerichtskosten befreit, nicht auch von der Parteikostenpflicht gegenüber Gegenparteien (vgl. die Urteile in URP 1993 S. 189 E. 9, 1991 S. 337 E. 5 und 436 E. 5). Eine generelle Befreiung von der Parteikostenpflicht wäre im Lichte von Art. 159 OG nicht zu rechtfertigen. Aber auch für eine Verpflichtung der Kantone, ihr Verfahren für ideelle Organisationen kostenfrei auszugestalten, wenn Bundesrecht zur Anwendung gelangt, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Es kann nicht gesagt werden, die Beschwerdeführung werde diesen Organisationen verunmöglicht oder übermässig erschwert, wenn sie im Falle des Unterliegens angemessene Kosten tragen müssen. Gleiches gilt auch für die privaten Beschwerdeführer. Dass diese - anders als die Umweltschutzorganisationen - vornehmlich eigene Interessen vertreten, BGE 123 II 337 S. 358 ändert am Umstand, dass für beide Kategorien von Beschwerdeführern das gleiche Kostenrisiko besteht, nichts. Diese Frage ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht vergleichbar mit der Frage der kostenlosen Zustellung von baurechtlichen Entscheiden an die Umweltschutzorganisationen (vgl. BGE 121 II 224 E. 5e S. 234 f.). Im letzteren Falle geht es darum, dass die Organisationen ohne grossen Aufwand überhaupt Kenntnis erhalten von den zahlreichen erstinstanzlichen Entscheiden, zu deren Anfechtung sie befugt sein könnten. Die Befürchtung, das Kostenrisiko im Rechtsmittelverfahren könnte den Umweltschutzorganisationen die Ausübung ihres Beschwerderechts derart erschweren, dass die richtige Anwendung des Bundesrechts vereitelt oder zumindest stark behindert würde, lässt sich übrigens durch die bisherigen Erfahrungen sowohl auf Bundesebene als auch in den Kantonen, die seit langem ein allgemeines Beschwerderecht ideeller Organisationen kennen, nicht erhärten. Wohl können bei sehr grossen Bauvorhaben wie dem vorliegenden die Kosten, insbesondere auch die Parteikosten, hoch ausfallen. Andererseits stehen den Organisationen in der Regel weit höhere Mittel zur Verfügung als privaten Personen, z.B. einem vom Bauvorhaben betroffenen Nachbarn. Eine Möglichkeit, die Kosten in Grenzen zu halten, läge im übrigen in einer Konzentration auf das Wesentliche, sei dies bezogen auf die Auswahl der einzelnen anzufechtenden Entscheide, sei dies bezogen auf die Art der konkreten Prozessführung. Gerade was letzteres betrifft, lässt der Beschwerdeführer in vorliegenden Fall den Sinn für das Wesentliche vermissen. Seine unnötig weitschweifenden, ja ausufernden Ausführungen verursachen nicht nur den Beschwerdeinstanzen, sondern auch den Gegenparteien übermässige Kosten, die sich in den Gerichtsgebühren und den Parteientschädigungen niederschlagen. Der Beschwerdeführer muss damit rechnen, dass ihm in Zukunft Kosten, die vermeidbar gewesen wären, sogar im Falle des Obsiegens auferlegt bzw. nicht ersetzt werden (vgl. Art. 153a Abs. 1, Art. 156 Abs. 6 und Art. 159 Abs. 5 OG ; s. auch BGE 119 Ib 458 E. 15 S. 462). b) Dass die kantonalen Instanzen bei der Verlegung der Gerichts- und Parteikosten kantonales Recht willkürlich angewendet hätten, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Seine Hinweise auf die kantonalen Bestimmungen, die durch Formulierungen wie "kann" und "in der Regel" den Behörden einen gewissen Ermessensspielraum belassen, vermögen jedenfalls nicht darzutun, dass im vorliegenden Fall die Kostenverteilung in unhaltbarer Weise erfolgt wäre.
public_law
nan
de
1,997
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
12bc52e2-1747-46d4-b2c9-9ef833b6ca73
Urteilskopf 114 II 385 73. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. August 1988 i.S. "Badener Tagblatt" gegen Grüne Aargau und Thür (Berufung)
Regeste Gegendarstellung ( Art. 28g ZGB ). 1. Das Medienunternehmen ist durch einen zur Gegendarstellung verpflichtenden Entscheid auch dann noch beschwert und damit zur Berufung an das Bundesgericht legitimiert, wenn es die Gegendarstellung in Befolgung einer superprovisorischen Verfügung bereits veröffentlicht hat (Erw. 3). 2. Die Zeitungsmeldung, die Progressiven Organisationen (POCH) bildeten das "personelle und programmatische Rückgrat" des "Grünen Bündnisses", ist eine der Gegendarstellung zugängliche Tatsachenbehauptung im Sinne von Art. 28g Abs. 1 ZGB (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 385 BGE 114 II 385 S. 385 Vor den Nationalratswahlen vom 18. Oktober 1987 veröffentlichte das "Badener Tagblatt" in seiner Ausgabe vom 15. September 1987 eine Agenturmeldung über das "Grüne Bündnis", BGE 114 II 385 S. 386 worin unter anderem stand, die Progressiven Organisationen (POCH) bildeten dessen "personelles und programmatisches Rückgrat". Mit Eingabe vom 29. September 1987 stellten hierauf die - dem "Grünen Bündnis" angehörende - Gruppierung "Grüne Aargau" und Hanspeter Thür (Mitglied dieser Gruppierung) beim Präsidenten des Bezirksgerichts Baden das Begehren, der "Badener Tagblatt", Druckerei Wanner AG, sei zu befehlen, auf der Inlandseite der Zeitung die von ihnen verfasste Gegendarstellung abzudrucken. In diesem Text hielten die Kläger im wesentlichen fest, dass die Behauptung, die Progressiven Organisationen (POCH) würden das "personelle und programmatische Rückgrat" des "Grünen Bündnisses" bilden, jeglicher sachlichen Grundlage entbehre. Der Gerichtspräsident ordnete mit superprovisorischer Verfügung vom 1. Oktober 1987 an, dass die Beklagte die verlangte Gegendarstellung abzudrucken habe. Die Gegendarstellung wurde in der Ausgabe des "Badener Tagblattes" vom 3. Oktober 1987 veröffentlicht. Am 16. Oktober 1987 bestätigte der Gerichtspräsident die superprovisorische Verfügung. Eine gegen den Entscheid vom 16. Oktober 1987 erhobene Beschwerde der Beklagten wies das Obergericht (1. Zivilkammer) des Kantons Aargau am 15. Februar 1988 ab. Den obergerichtlichen Entscheid hat die Beklagte an das Bundesgericht weitergezogen. Sie beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen; allenfalls sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Kläger schliessen auf Abweisung der Berufung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Obergericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, die Beklagte sei, ungeachtet der bereits erfolgten Publikation der Gegendarstellung, durch die erstinstanzliche Verfügung beschwert. Es liesse sich in der Tat nur schwer verstehen, wenn dem Medienunternehmen als Folge des - systemwidrigen, aber im Interesse einer raschen Gegendarstellungspublikation nötigen - Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäss Art. 281 Abs. 4 ZGB versagt bliebe, den zur Gegendarstellung verpflichtenden Entscheid überprüfen zu lassen. Das Medienunternehmen BGE 114 II 385 S. 387 behält daran ein schützenswertes Interesse schon im Blick auf künftig mögliche Gegendarstellungsbegehren (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, S. 227, Rz. 1721; zur Problematik von Art. 281 Abs. 4 ZGB vgl. FRANK, Verfahrensrechtliche Probleme des Gegendarstellungsrechts, in: SJZ 83/1987, S. 269 ff.) ... 4. Nach Art. 28g Abs. 1 ZGB hat Anspruch auf Gegendarstellung, wer durch Tatsachendarstellungen in periodisch erscheinenden Medien, insbesondere Presse, Radio und Fernsehen, in seiner Persönlichkeit unmittelbar betroffen ist. a) Streitig ist im vorliegenden Fall einzig, ob es sich bei der im "Badener Tagblatt" vom 15. September 1987 publizierten Meldung, die Progressiven Organisationen (POCH) bildeten das personelle und programmatische Rückgrat des "Grünen Bündnisses", um eine der Gegendarstellung zugängliche Tatsachenbehauptung handle. Beide kantonalen Instanzen haben dies bejaht. Sie beriefen sich auf das Kriterium der Beweisbarkeit, wobei das Obergericht vorweg den Sinngehalt des Begriffs "Rückgrat" ermittelte und erkannte, dass mit diesem Begriff offensichtlich habe zum Ausdruck gebracht werden wollen, wer in der Organisation die tragende Rolle spiele. Die darunter fallenden Tätigkeiten - z.B. Anstoss für die Gründung, Aufstellen und Durchsetzen von Leitlinien und Programmen, Erledigung der administrativen und finanziellen Aufgaben - könnten durchwegs beobachtet und in der Regel auch nachgewiesen werden. Die bildhafte Umschreibung dessen, was gemeint sei, entspreche daher einer Tatsachenbehauptung im Sinne von Art. 28g ZGB . b) Dieser Betrachtungsweise ist entgegen der Ansicht der Beklagten beizupflichten. Die Beklagte geht unter Hinweis auf Entstehungsgeschichte, Zweck und Systematik des Gesetzes davon aus, dass der Richter bei der Beurteilung der Frage, ob in einer bestimmten Behauptung eine der Gegendarstellung zugängliche Tatsachendarstellung zu erblicken sei, im Interesse der Pressefreiheit Zurückhaltung üben müsse; im Zweifel habe er das Vorliegen einer Tatsachendarstellung zu verneinen. Die Ausdehnung auf wertende Tatsachen verbiete sich und verstosse gegen Bundesrecht. Gewiss mag die Abgrenzung zwischen Tatsachendarstellung und Werturteil, blosser Meinungsäusserung oder Kommentar in einzelnen Fällen schwierig sein (vgl. SJZ 84/1988, S. 233; ZR 85/1986, Nr. 103, S. 262 f.; TERCIER, a.a.O., S. 189, Rz. 1409; zum deutschen Recht vgl. WENZEL, Das Recht der Wort- und BGE 114 II 385 S. 388 Bildberichterstattung, 3. Aufl., S. 77 ff.; SEITZ/SCHMIDT/SCHÖNER, Der Gegendarstellungsanspruch in Presse, Film, Funk und Fernsehen, Schriftenreihe der Neuen Juristischen Wochenschrift, Heft 33, S. 77, N. 166, und S. 87, N. 177). Eine Unklarheit dieser Art besteht hier jedoch nicht: Auch wenn in der von der Beklagten abgedruckten Agenturmeldung die bildhafte Formulierung gewählt wurde, die Progressiven Organisationen (POCH) bildeten das "personelle und programmatische Rückgrat" des "Grünen Bündnisses", war für den Durchschnittsleser - auf den es hier einzig ankommt (vgl. BGE 112 II 468 E. a) - daraus nichts anderes zu entnehmen als die Feststellung, den Progressiven Organisationen (POCH) komme die tragende Rolle im "Grünen Bündnis" zu. Diese Aussage lässt sich beispielsweise anhand des Programms, der personellen Zusammensetzung oder von Sitzungsprotokollen ohne grosse Schwierigkeiten beweisen bzw. widerlegen. Der strittige Text war somit einer Gegendarstellung durchaus zugänglich, und die Berufung erweist sich als offensichtlich unbegründet.
public_law
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
12c88a79-67ec-4dbb-af28-8bab0c3fb35d
Urteilskopf 91 IV 69 20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Juni 1965 i.S. Geisser gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste Art. 169 StGB , Art. 93 SchKG . Die Pfändung künftigen Dirnenlohnes ist rechtsgültig.
Erwägungen ab Seite 69 BGE 91 IV 69 S. 69 Aus den Erwägungen: Nach der Rechtsprechung kann sowohl noch nicht verdienter Lohn unselbständig Erwerbender als auch noch nicht eingegangener Verdienst aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 93 SchKG unter der dort vorgesehenen Beschränkung für die Dauer eines Jahres gepfändet werden ( BGE 82 IV 187 , BGE 84 IV 155 , BGE 85 III 38 , BGE 86 III 15 und dort erwähnte frühere Entscheidungen). Die Zulässigkeit der Pfändung künftigen Erwerbseinkommens setzt nur voraus, dass es Lohncharakter hat, d.h. dass es durch Arbeits- oder Dienstleistung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes erworben wird und dass der Eingang solcher Einkünfte mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Diese Voraussetzungen erfüllt auch das Einkommen der Dirne, die ihr Leben ganz oder teilweise aus dem Ertrag gewerbsmässiger Unzucht fristet. Die Unsittlichkeit des Gewerbes der Dirne hat entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zur Folge, dass auch die Pfändung des Dirnenlohnes unsittlich und daher nichtig ist. Nichtig ist nur die nach Art. 20 OR gegen die guten Sitten verstossende Vereinbarung eines Entgeltes für die Hingabe der Dirne, was bewirkt, dass sie keinen Rechtsanspruch auf Dirnenlohn hat. Für die Gültigkeit der Lohnpfändung im Sinne des Art. 93 SchKG ist indessen nicht nötig, dass die Zahlungen, die den Verdienst des Betreibungsschuldners ausmachen, rechtlich geschuldet oder wenigstens auf Grund einer sittlichen Pflicht geleistet werden. Das hat das Bundesgericht schon wiederholt entschieden, weshalb auch künftige Trinkgeldeinnahmen und freiwillig ausgerichtete Gratifikationen pfändbar sind ( BGE 71 III 61 /2, BGE 79 III 155 , BGE 84 IV 157 , BGE 85 III 39 ). Unter BGE 91 IV 69 S. 70 dem Gesichtspunkt des Zwangsvollstreckungsrechts, das der Befriedigung der Gläubiger dient, genügt, dass die der Dirne geleisteten Zahlungen von der Rechtsordnung als gültig anerkannt werden, was u.a. daraus hervorgeht, dass Art. 66 OR die Rückforderung des Dirnenlohnes ausschliesst. Die Dirne ist dcnn auch in ihrem tatsächlich erreichten Erwerbseinkommen in gleicher Weise geschützt wie jemand, der seinen Verdienst aus einem nicht anstössigen Gewerbe bezieht. Geniesst aber der empfangene Dirnenlohn den Schutz des Gesetzes, so muss er auch den gesetzlichen Belastungen wie z.B. der Pfändbarkeit nach Art. 93 SchKG unterstehen. Unrichtig ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die Dirne durch die Pfändungsverfügung des Betreibungsamtes zu intensiver Ausübung ihres Gewerbes gezwungen werde. Die Pfändung künftigen Verdienstes verpflichtet den Schuldner nicht, seine bisherige Erwerbstätigkeit fortzusetzen und zu einem seinen Notbedarf übersteigenden Verdienst zu gelangen; die Beschlagnahme und die Verpflichtung zur Ablieferung der gepfändeten Geldbeträge gelten nur unter der Bedingung, dass der Schuldner ein entsprechendes Einkommen tatsächlich erzielen werde. Eine Pflicht der Dirne zur Fortsetzung ihres unsittlichen Gewerbes anzunehmen und daraus ableiten zu wollen, die Pfändung sei auch aus diesem Grunde sittenwidrig, ist daher abwegig. Stossend wäre es aber, tatsächlich empfangenen Dirnenlohn von der Pfändbarkeit auszunehmen und damit die Dirne gegenüber andern, die einem sittlich nicht anfechtbaren Erwerb nachgehen, zu bevorzugen. Die Dirne, die gepfändetes Einkommen, statt es dem Betreibungsamt abzuliefern, eigenmächtig zum Nachteil der Gläubiger anderweitig verwendet, macht sich demnach gemäss Art. 169 StGB strafbar.
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Urteilskopf 120 Ib 48 8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. April 1994 i.S. Bundesamt für Raumplanung gegen X., Regierungsrat und Obergericht des Kantons Schaffhausen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 16, 24 und 33 RPG ; Vorentscheid für ein ausschreibungspflichtiges Bauvorhaben ausserhalb der Bauzone. Ein Vorentscheid über die grundsätzliche Bewilligungsfähigkeit einer landwirtschaftlichen Siedlung in der Landwirtschaftszone, der ohne Ausschreibung ergangen ist, verletzt Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 49 BGE 120 Ib 48 S. 49 X. führt in der Gemeinde Wilchingen einen Bauernbetrieb. Die dazu gehörenden Gebäulichkeiten befinden sich in Unterneuhaus zwischen der Bahnlinie der Deutschen Bahn und der Hauptstrasse Schaffhausen-Waldshut. Das Grundstück weist eine schmale, langgezogene Form auf. Nach dem geltenden Zonenplan gehört es der Landwirtschaftszone an. Da X. den bisherigen Standort der Gebäude als ungünstig ansieht, beabsichtigt er eine Verlegung des Betriebs auf eine ihm gehörende Parzelle mit dem Flurnamen "Antlagen". Dieses ebenfalls der Landwirtschaftszone angehörende Grundstück liegt im unbesiedelten Gebiet, etwa einen Kilometer vom Ortsteil Unterneuhaus entfernt. Y., der Vater des heutigen Eigentümers X., ersuchte am 14. Juli 1989 um einen baurechtlichen Vorentscheid für die Errichtung eines Wohnhauses mit Altenteil sowie eines Mastviehstalls und der erforderlichen Räume für Maschinen und Futter auf der Parzelle "Antlagen". Das Baudepartement des Kantons Schaffhausen wies das Gesuch am 19. Dezember 1989 ab. Auf ein Wiedererwägungsgesuch trat es am 16. März 1990 nicht ein. Einen gegen den ersten Entscheid erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen am 26. November 1991 ebenfalls ab. Y. focht diesen Entscheid mit Beschwerde beim Obergericht des Kantons Schaffhausen an. Dieses hiess sein Rechtsmittel nach Durchführung eines Augenscheins am 11. Juni 1993 gut, soweit es darauf eintrat, und es stellte fest, dass auf der Parzelle "Antlagen" eine landwirtschaftliche Siedlung, bestehend aus den notwendigen Ökonomiegebäuden und einem Wohnhaus, grundsätzlich erstellt werden dürfe. Das Bundesamt für Raumplanung hat gegen den Entscheid des Obergerichts vom 11. Juni 1993 eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Es beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Nach Auffassung des BGE 120 Ib 48 S. 50 Bundesamtes verletzt der angefochtene Entscheid Art. 16, 22 und 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) . X., der während des obergerichtlichen Verfahrens anstelle seines Vaters in den Prozess eingetreten ist, stellt den Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Im angefochtenen Entscheid wird festgestellt, dass X. grundsätzlich auf der Parzelle "Antlagen" in Wilchingen ausserhalb der Bauzone eine landwirtschaftliche Siedlung mit Wohn- und Ökonomiegebäuden erstellen dürfe. a) Nach Art. 34 Abs. 1 RPG kann gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht ergriffen werden. Mit diesem Rechtsmittel anfechtbar sind dabei nicht nur letztinstanzliche kantonale Entscheide, mit denen eine Bewilligung nach Art. 24 RPG erteilt wird, sondern auch Entscheide, mit denen eine solche Bewilligung verweigert wird. Weiter unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch jene Entscheide über Bauten und Anlagen, die einer Ausnahmebewilligung bedürften und bei deren Beurteilung Art. 24 RPG zu Unrecht nicht angewendet wurde ( BGE 118 Ib 381 E. 2b/cc S. 392; BGE 118 Ib 335 E. 1a S. 337 f.; BGE 115 Ib 400 E. 2 S. 402; BGE 114 Ib 131 E. 2 S. 132 f.). Das Obergericht hat vorliegend einen Vorentscheid über die grundsätzliche Bewilligungsfähigkeit der vorgesehenen landwirtschaftlichen Siedlung auf Parzelle "Antlagen" gestützt auf Art. 16 und 22 RPG getroffen. Das Bundesamt für Raumplanung macht in seiner Beschwerde geltend, das Obergericht habe dem Begriff der Zonenkonformität nach Art. 16 RPG eine zu weit gehende Bedeutung beigemessen und zu Unrecht Art. 24 RPG nicht angewendet. Nach der angeführten Rechtsprechung kann diese Rüge mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden. b) Der Vorentscheid des Obergerichts über die grundsätzliche Bewilligungsfähigkeit der geplanten landwirtschaftlichen Siedlung ist ein kantonal letztinstanzlicher feststellender Teilentscheid, der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann (vgl. BGE 107 Ib 341 E. 1 S. 343). c) Das Bundesamt für Raumplanung ist nach Art. 103 lit. b OG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 3 der Verordnung über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 (RPV; SR 700.1) befugt, gestützt auf Art. 34 Abs. 1 RPG BGE 120 Ib 48 S. 51 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht zu erheben (vgl. auch BGE 118 Ib 335 E. 1b S. 338). d) Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit einzutreten. 2. Die vom Obergericht getroffene Feststellung, es könne auf der Parzelle "Antlagen" grundsätzlich eine landwirtschaftliche Siedlung gebaut werden, stellt eine auf das eidgenössische Raumplanungsgesetz gestützte Verfügung dar. a) Nach Art. 33 Abs. 2 RPG muss das kantonale Recht mindestens ein Rechtsmittel gegen Verfügungen und Nutzungspläne, welche sich auf das Raumplanungsgesetz und seine kantonalen und eidgenössischen Ausführungsbestimmungen stützen, vorsehen. Dabei muss die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und die volle Überprüfungsbefugnis durch eine Beschwerdebehörde gewährleistet sein ( Art. 33 Abs. 3 RPG ; vgl. BGE 118 Ib 26 E. 4b S. 29 ff.). Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann. Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommen deshalb dann eine ganz besondere Bedeutung zu, wenn nicht der Verfügungsadressat im materiellen Sinn, sondern ein Dritter den Entscheid anficht. Ist auch in einem solchen Fall ein unmittelbares Berührtsein, eine spezifische Beziehungsnähe gegeben, so hat der Beschwerdeführer ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder geändert wird. Dieses Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde, das heisst in der Abwendung eines materiellen oder ideellen BGE 120 Ib 48 S. 52 Nachteils, den der angefochtene Entscheid für ihn zur Folge hätte ( BGE 119 Ib 179 E. 1c S. 183 f.; 118 Ib 614 E. 1b S. 615 f.; 116 Ib 321 E. 2a S. 323 f.). Neben dieser allgemeinen Regelung sind gestützt auf Art. 103 lit. c OG in Verbindung mit Art. 2 und 12 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG; SR 451) auch die gesamtschweizerischen ideellen Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes legitimiert, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine Verletzung von Art. 24 RPG geltend zu machen ( BGE 119 Ib 222 E. 1b und c S. 224; BGE 118 Ib 301 E. 1b S. 303 f.; BGE 117 Ib 270 E. 1a S. 274). b) Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG verlangt, dass das Beschwerderecht Dritter (Nachbarn, Mieter, Pächter, Umweltschutzorganisationen) gegenüber den in Anwendung des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes erteilten Baubewilligungen tatsächlich gewährleistet ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Beschwerdeberechtigten über ein Bauvorhaben, für welches um Bewilligung nachgesucht wird, in Kenntnis gesetzt werden. Dies geschieht im Kanton Schaffhausen wie in anderen Kantonen in der Regel durch Ausschreibung des Bauvorhabens in einem amtlichen Publikationsorgan und durch öffentliche Auflage der Pläne (Art. 65 Abs. 3 des Baugesetzes vom 9. November 1964 [BauG]). Vorbehalten bleiben besondere Verfahren für Bauvorhaben von untergeordneter Bedeutung (Art. 65 Abs. 4 BauG). Wird ein Vorentscheid für ein ausschreibungspflichtiges Bauvorhaben ohne die erforderliche Ausschreibung getroffen, ist der nach Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG vorgeschriebene Rechtsschutz nicht gewährleistet. Diese Bestimmung verlangt, dass neben dem Baugesuchsteller auch legitimierte Dritte von ihren Verfahrensrechten Gebrauch machen können. Die Erteilung eines verbindlichen Vorentscheids setzt nicht anders als diejenige einer Baubewilligung voraus, dass die Bewilligungsbehörde die allfälligen Einwendungen der beschwerdeberechtigten Dritten kennt. Das gilt ganz besonders bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach Art. 24 RPG , welche eine umfassende Interessenabwägung erfordern, welche ohne Kenntnis der Interessen betroffener Dritter bzw. der von den Umweltorganisationen geltend gemachten öffentlichen Umweltanliegen nicht sachgerecht vorgenommen werden kann. Ein baurechtlicher Vorentscheid ohne die vorgeschriebene Ausschreibung widerspricht Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG (Urteil des Bundesgerichts vom 9. September 1992 in ZBl 95/1994 69 f. E. 2b; nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 29. Juli 1992 i.S. BGE 120 Ib 48 S. 53 S. c. Gemeinde Schenkon, E. 2c, vom 18. Juli 1990 i.S. BRP c. Korporation Galgenen, E. 2, sowie vom 20. Juni 1990 i.S. BRP c. S., E. 2a). c) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass keine Ausschreibung des vom Obergericht beurteilten Vorentscheidgesuchs stattgefunden hat. Der angefochtene Entscheid verletzt daher Art. 33 Abs. 3 lit. a OG , weshalb er in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben ist.
public_law
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation